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---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
59,800 | 147 V 423 | 147 V 423
Regeste b
Art. 2 Abs. 3 und 3bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall in der vom 17. März bis 16. September 2020 in Kraft stehenden Fassung; Art. 8 Abs. 1, Art. 9 und Art. 27 BV; Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz für Selbstständigerwerbende.
Art. 2 Abs. 3 und 3bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall, in der vom 17. März bis 16. September 2020 in Kraft stehenden Fassung, regelt den Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz von Selbstständigerwerbenden abschliessend. Es besteht keine Gesetzeslücke (E. 4).
Die Regelung des Corona-Erwerbsersatzes gemäss Art. 2 Abs. 3 und 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall, in der vom 17. März bis 16. September 2020 in Kraft stehenden Fassung, verletzt im Fall von selbstständigerwerbenden Ärzten weder die Rechtsgleichheit, das Willkürverbot noch den Grundsatz der Gleichbehandlung der Konkurrenten als Teilgehalt der Wirtschaftsfreiheit (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 425
A.
A. betreibt in U. als Selbstständigerwerbende eine Arztpraxis für Tropen-, Reise- und Hausarztmedizin. Am 16. April 2020 meldete sie sich bei der Ausgleichskasse medisuisse zum Bezug einer Erwerbsausfallentschädigung im Zusammenhang mit den Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Corona-Erwerbsersatz) an. Sie machte sinngemäss geltend, aufgrund der vom Bundesrat angeordneten Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus sei ihr Umsatz im Bereich "Reisemedizin" um 100 % und in der "Hausarztmedizin" auf aktuell 20 % zurückgegangen. Die Ausgleichskasse verneinte in der Folge einen Leistungsanspruch, da die vom Bundesrat verordneten Betriebsschliessungen, welche Bedingung für einen Erwerbsersatz bildeten, Gesundheitseinrichtungen wie Arztpraxen nicht beträfen, und auch die Voraussetzungen für eine "Härtefallleistung" nicht erfüllt seien (Verfügung vom 29. April 2020, Einspracheentscheid vom 13. Mai 2020).
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 14. Januar 2021 ab.
C.
A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und in der Sache beantragen, das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben und ihr Gesuch zum Bezug von Corona-Erwerbsersatz vom 16. April 2020 sei gutzuheissen.
Die Ausgleichskasse verweist auf ihre bisherigen Verfügungen und Eingaben, womit sie sinngemäss die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
A. hält mit ihrer Eingabe vom 11. Mai 2021 an ihrem eingangs gestellten Rechtsbegehren fest.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Nach dem kürzlich ergangenen Urteil 9C_738/2020 vom 7. Juni 2021 E. 3 bestimmt sich nach der in Art. 24 EOG (SR 834.1) statuierten Ordnung, welches kantonale Versicherungsgericht für die Beurteilung der Beschwerde betreffend die
Erwerbsausfallentschädigung aufgrund der Verordnung vom 20. März 2020 über Massnahmen bei Erwerbsausfall im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19; Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall; SR 830.31) örtlich zuständig ist. Das heisst, dass gemäss dem seit dem 1. Januar 2003 - gleichzeitig mit dem ATSG - in Kraft getretenen Art. 24 Abs. 1 EOG über Beschwerden gegen Verfügungen und Einspracheentscheide kantonaler Ausgleichskassen in Abweichung von Art. 58 Abs. 1 ATSG das Versicherungsgericht am Ort der Ausgleichskasse entscheidet. Nach dem Wortlaut kommt diese Bestimmung lediglich bei Verfügungen und Einspracheentscheiden von kantonalen Ausgleichskassen zur Anwendung. Davon wird (e contrario) jedoch nicht erfasst, wenn Entscheide von Verbandsausgleichskassen den Anfechtungsgegenstand bilden. Dafür ist nach Art. 1 EOG und Art. 58 Abs. 1 ATSG das Versicherungsgericht desjenigen Kantons zuständig, in dem die versicherte Person oder der beschwerdeführende Dritte zur Zeit der Beschwerdeerhebung Wohnsitz hat. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der bei der Einführung des ATSG und den damit zusammenhängenden Gesetzesänderungen bezüglich des Gerichtsstands bewusst an der bisherigen Rechtsordnung anknüpfte (vgl. Art. 200 Abs. 1 und 4 AHVV [SR 831.101] i.V.m. Art. 24 EOG und Art. 84 Abs. 2 AHVG, jeweils in der bis zum 31. Dezember 2002 gültigen Fassung; BBl 1999 IV 4620 f.; siehe zu aArt. 200 AHVV auch
BGE 123 V 180
E. 5a mit Hinweisen). Die Vorinstanz trat somit zu Recht auf die von der Versicherten an ihrem Wohnort erhobene Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der Ausgleichskasse medisuisse - einer Verbandsausgleichskasse - ein.
(...)
3.
Strittig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie den Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 13. Mai 2020 bestätigte, mit welchem das Gesuch der Beschwerdeführerin vom 16. April 2020 um Corona-Erwerbsersatz abgelehnt worden war. Die Beschwerdeführerin macht einen solchen Anspruch vom 17. März bis 26. April 2020 geltend, d.h. für den Zeitraum, in welchem die ärztliche Tätigkeit auf dringliche Eingriffe beschränkt war (vgl. E. 3.2 folgend).
3.1
In zeitlicher Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (
BGE 144 II 326
E. 2.1.1;
BGE 141 V 657
E. 3.5.1; je mit Hinweisen). Dies gilt insbesondere auch für die Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall (
BGE 147 V 278
E. 2.1).
3.2
Nach dem am 17. März 2020 in Kraft getretenen Art. 6 Abs. 1 und 2 der Verordnung 2 vom 13. März 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19-Verordnung 2; Änderung vom 16. März 2020; AS 2020 783) ist es verboten, öffentliche oder private Veranstaltungen, einschliesslich Sportveranstaltungen und Vereinsaktivitäten durchzuführen (Abs. 1). Öffentlich zugängliche Einrichtungen sind für das Publikum geschlossen (Abs. 2). Gemäss Art. 6 Abs. 3 lit. m Covid-19-Verordnung 2 gilt Absatz 2 nicht für Gesundheitseinrichtungen wie Spitäler, Kliniken und Arztpraxen sowie Praxen und Einrichtungen von Gesundheitsfachpersonen nach Bundesrecht oder kantonalem Recht.
Laut des ab dem 17. März 2020 in Kraft getretenen Art. 10a Abs. 2 Covid-19-Verordnung 2 müssen Gesundheitseinrichtungen wie Spitäler und Kliniken, Arztpraxen und Zahnarztpraxen auf nicht dringend angezeigte Eingriffe und Therapien verzichten (AS 2020 783). Der am 21. März 2020 in Kraft getretene Art. 10a Abs. 2 Covid-19-Verordnung 2 (AS 2020 863) bestimmt, dass es Gesundheitseinrichtungen nach Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe m, insbesondere Spitälern und Kliniken, Arztpraxen und Zahnarztpraxen, verboten ist, nicht dringend angezeigte medizinische Untersuchungen, Behandlungen und Therapien (Eingriffe) durchzuführen. Diese Einschränkung galt bis am 26. April 2020 (Art. 12 Abs. 6 [AS 2020 783, 863] bzw. Abs. 7 [AS 2020 1199] Covid-19-Verordnung 2; siehe für den darauf folgenden Zeitraum ab 27. April 2020 Art. 10a Abs. 2 bis 4 Covid-19-Verordnung 2 [AS 2020 1333]).
3.3
Gestützt auf Art. 185 Abs. 3 BV hat der Bundesrat am 20. März 2020 die Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall erlassen, welche rückwirkend auf den 17. März 2020 in Kraft trat (AS 2020 871, 1257).
Gemäss Art. 2 Abs. 3 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall (Änderung vom 16. April 2020; AS 2020 1257) sind Selbstständigerwerbende nach Artikel 12 ATSG anspruchsberechtigt, die aufgrund einer Massnahme nach Artikel 6 Absätze 1 und 2 der COVID-19-Verordnung 2 einen Erwerbsausfall erleiden. Die Voraussetzung von Absatz 1
bis
Buchstabe c gilt auch für diese Selbstständigerwerbenden.
Mit Änderung vom 16. April 2020 wurde rückwirkend per 17. März 2020 Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall (AS 2020 1257) in Kraft gesetzt. Danach sind Selbstständigerwerbende nach Artikel 12 ATSG, die nicht unter Absatz 3 fallen,
anspruchsberechtigt, wenn sie aufgrund bundesrätlicher Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus einen Erwerbsausfall erleiden und ihr für die Bemessung der Beiträge der AHV massgebendes Einkommen für das Jahr 2019 zwischen 10 000 und 90 000 Franken liegt. Die Voraussetzung von Absatz 1
bis
Buchstabe c gilt auch für diese Selbstständigerwerbenden. Diese Bestimmung galt bis zum 16. September 2020 (AS 2020 3705; siehe für den darauf folgenden Zeitraum ab 17. September 2020 Art. 15 Bundesgesetz vom 25. September 2020 über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie [Covid-19-Gesetz; SR 818.102] i.V.m. Art. 2 Abs. 3 bis 4 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall [AS 2020 4571]).
4.
4.1
Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin ihre Arztpraxis ab dem 17. März 2020 (mit Einschränkungen) weiterführen konnte, im Jahr 2019 ein Einkommen von rund Fr. 165'000.- verdient hatte und damit weder die Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 3 noch jene von Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall erfüllt. Die Beschwerdeführerin ist gleichwohl der Auffassung, dass sie einen Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz hat. Sie macht gegen die vorinstanzlichen Erwägungen in erster Linie geltend, die Bestimmungen zum Corona-Erwerbsersatz seien lückenhaft, werde ihr Fall eines Teilverbots (Beschränkung der Tätigkeit auf dringliche Eingriffe) doch nicht geregelt (echte Lücke). Eventualiter liege eine unechte Lücke vor, da die Regelung zu einem unbefriedigenden Ergebnis führe. Demgegenüber stellt sich das BSV mit Verweis auf die Änderungen der Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall sowie die Einführung des Covid-19-Gesetzes auf den Standpunkt, es bestehe weder eine echte noch eine unechte Lücke.
4.2
Eine (echte) Gesetzeslücke besteht, wenn sich eine Regelung als unvollständig erweist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung. Gibt das Gesetz eine Antwort, die aber nicht befriedigt, liegt grundsätzlich eine unechte Lücke vor, die auszufüllen dem Richter verwehrt ist. Anders verhält es sich nur, wenn die vom Gesetz gegebene Antwort als sachlich unhaltbar angesehen werden muss bzw. auf einem offensichtlichen Versehen des Gesetzgebers, einer gesetzgeberischen Inkongruenz oder einer
planwidrigen Unvollständigkeit beruht (
BGE 146 V 121
E. 2.5 mit Hinweisen).
4.3
4.3.1
In Art. 2 Abs. 3 und 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall wird jeweils Bezug auf Art. 12 ATSG genommen, der bestimmt, wer als selbstständig erwerbstätig gilt. Mit diesem Verweis folgt eine Abgrenzung gegenüber Arbeitnehmenden. Wie das kantonale Gericht zutreffend feststellte, beziehen sich Art. 2 Abs. 3 und 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall aber - unabhängig der beruflichen Branche - auf jedwelche selbstständige Erwerbstätigkeit, mithin auch auf jene der Beschwerdeführerin als selbstständige Ärztin.
Nach Art. 2 Abs. 3 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall haben Selbstständigerwerbende einen Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz, die einen Erwerbsausfall aufgrund einer Massnahme nach Art. 6 Abs. 1 und 2 Covid-19-Verordnung 2 erleiden, das heisst wegen angeordneter Betriebsschliessungen oder Veranstaltungsverboten ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen müssen (direkt betroffene Selbstständigerwerbende). Demgegenüber haben Selbstständigerwerbende, die nicht unter diese Bestimmung (Abs. 3) fallen, einen Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz nur, wenn sie einen zahlenmässig nicht weiter spezifizierten Einkommensausfall erleiden und im Jahr 2019 ein AHV-pflichtiges Erwerbseinkommen zwischen Fr. 10'000.- und Fr. 90'000.- erzielt haben (Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall; indirekt betroffene Selbstständigerwerbende). Die Verordnung unterscheidet somit zwischen direkt und indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden, wobei Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall als Auffangtatbestand konzipiert ist.
Es kann somit festgehalten werden, dass die Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall von ihrem Wortlaut her den Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz aller Selbstständigerwerbenden regelt und dabei zwischen dem Anspruch der direkt und jenem der indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden unterscheidet. Formal betrachtet liegt damit eine Regelung des Corona-Erwerbsersatzanspruchs für alle Selbstständigerwerbenden vor. Das grammatikalische Auslegungselement spricht demnach für eine abschliessende Regelung durch den Verordnungsgeber, auch wenn nicht jeder indirekt Betroffene einen Entschädigungsanspruch hat.
4.3.2
4.3.2.1
Der Corona-Erwerbsersatz ist eine der Massnahmen des Bundesrates zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Ausbreitung des Coronavirus. Der Bundesrat sah, um Beschäftigung zu erhalten, Löhne zu sichern, Selbstständigerwerbende aufzufangen und Insolvenzen aufgrund von Liquiditätsengpässen zu verhindern, am 20. März 2020 zunächst einzig eine Entschädigung der direkt betroffenen Selbstständigerwerbenden vor (Medienmitteilung des Bundesrates vom 20. März 2020; Art. 2 Abs. 3 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall[AS 2020 871]). In der Folge liess er durch das BSV in Zusammenarbeit mit anderen Bundesämtern prüfen, ob auch Selbstständigerwerbende, die sich durch den weitgehenden Stillstand der Wirtschaft mit Erwerbseinbussen konfrontiert sehen, deren Erwerbstätigkeit aber nicht verboten ist, in Härtefällen eine Unterstützung erhalten sollen (vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 1. April 2020). Um Härtefälle zu vermeiden, fügte der Bundesrat am 16. April 2020 den rückwirkend per 17. März 2020 in Kraft getretenen Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall (AS 2020 1257) ein. Ihm war dabei bewusst, dass auch nicht direkt betroffene Selbstständigerwerbende durch die Corona-Pandemie wirtschaftlich schwer tangiert sein können, indem sie unter Umständen weniger oder keine Arbeit mehr haben (vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 16. April 2020). Gleichwohl statuierte er für sie keinen umfassenden Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz, sondern entschied sich für eine Härtefallregelung und machte den Anspruch von einem AHV-pflichtigen Einkommen im Jahr 2019 zwischen Fr. 10'000.-und Fr. 90'000.- abhängig. Einer umfassenden Abdeckung aller geforderten Entschädigungen mittels A-fonds-perdu-Beiträgen hat der Bundesrat mit Blick auf die Sicherstellung der finanziellen Nachhaltigkeit des Staatshaushaltes eine Absage erteilt (vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 1. April 2020). Die Unterscheidung zwischen direkt und indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden sowie die Beschränkung bei Letzteren auf eine Entschädigung im Härtefall erscheint somit als bewusster Entscheid des Verordnungsgebers, der keinen Raum für eine auszufüllende Lücke lässt.
Darauf weisen auch die Erläuterungen des BSV hin, das bei der Ausarbeitung der Härtefallregelung massgebend beteiligt war (vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 1. April 2020). In den Erläuterungen des BSV zu den Verordnungsänderungen vom 16. April 2020 wird begründet, mit Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung
Erwerbsausfall werde sichergestellt, dass die Entschädigung nur Härtefällen zugutekomme. Personen mit hohen Erwerbseinkommen würden vom Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeschlossen, da ihnen ein zeitlich befristeter Einbruch des Erwerbseinkommens zumutbar sei. Aus den Erläuterungen ergibt sich entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin keine Unterscheidung nach Branchen. Es werden als Beispiele nebst den Taxifahrern, Kameraleuten und Lieferanten auch Selbstständigerwerbende von Betrieben im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Covid-19-Verordnung 2, namentlich die Hoteliers (vgl. Art. 6 Abs. 3 lit. n Covid-19-Verordnung 2) und die Physiotherapeuten genannt. Letzteres sind - wie Ärzte - Personen, auf welche Art. 6 Abs. 3 lit. m und Art. 10a Abs. 2 Covid-19-Verordnung 2 (E. 3.2 hiervor) Anwendung findet (vgl. Erläuterungen des Bundesamtes für Gesundheit zur Covid-19-Verordnung 2, Fassung vom 16. März 2020, Stand vom 17. März 2020, 08.00, S. 6 und 9).
4.3.2.2
Die Zweiteilung bei der Anspruchsberechtigung mit Unterscheidung zwischen direkt von einer Betriebsschliessung oder einem Veranstaltungsverbot betroffenen und indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden zeigt sich auch in der Botschaft des Bundesrates vom 12. August 2020 zum Covid-19-Gesetz in den Ausführungen zur bisherigen Regelung der Anspruchsberechtigung nach der Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall und zu Art. 10 Abs. 1 des Entwurfs des Covid-19-Gesetzes. In der Aufzählung werden unter anderem als anspruchsberechtigte Personen genannt, die "Selbstständigerwerbende[n], deren Betrieb auf Anordnung von Bundes- oder Kantonsbehörden wegen Covid geschlossen wird; Selbstständigerwerbende, die nachweisen können, dass ihre Geschäftstätigkeit aufgrund von behördlich untersagten Veranstaltungen vollständig verunmöglicht wird". Hingegen haben "Selbstständigerwerbende, die nicht verpflichtet sind, ihre Erwerbstätigkeit zu unterbrechen, [...] keinen Anspruch" (BBl 2020 6612 Ziff. 3; vgl. auch jeweils Votum Bundeskanzler Thurnherr, AB 2020 N 1341 f. und 1344).
4.3.2.3
Die historische Auslegung der Verordnungsbestimmungen zeigt somit keinen Hinweis, dass eine dritte Kategorie von Selbstständigerwerbenden übersehen wurde. Vielmehr weist dieses Element - wie der Wortlaut der Bestimmung - darauf, dass der Verordnungsgeber bewusst nur zwischen zwei Kategorien von Selbstständigerwerbenden unterscheiden wollte, und zwar zwischen den direkt Betroffenen, die ihre Tätigkeit gänzlich unterbrechen mussten, und den indirekt oder nur eingeschränkt Betroffenen.
4.3.3
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, der fehlende Anspruch auf einen Corona-Erwerbsersatz für selbstständigerwerbende Ärzte, die einem Teilarbeitsverbot unterliegen, gefährde den Bestand von Gesundheitseinrichtungen. Sie macht damit geltend, diese vermeintliche Lücke verstosse gegen den Sinn und Zweck der bundesrätlichen Massnahmen, Beschäftigung zu erhalten, Löhne zu sichern, Selbstständigerwerbende aufzufangen und Insolvenzen aufgrund von Liquiditätsengpässen zu verhindern (vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 20. März 2020). Dem ist entgegenzuhalten, dass ein vorübergehender (auch grosser) Erwerbsausfall - hier steht ein solcher während rund sechs Wochen zur Diskussion - die wirtschaftliche Existenz eines Selbstständigerwerbenden mit zuvor hohem Einkommen in der Regel nicht in Frage stellt: Bei gutverdienenden Selbstständigerwerbenden darf davon ausgegangen werden, dass sie gewisse Reserven mit Blick auf übliche wirtschaftliche Schwankungen gebildet haben und deshalb initial nicht (akut) auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Selbst wenn dies nicht zuträfe, könnten sie aber einen Überbrückungskredit beziehen (vgl. Verordnung vom 25. März 2020 zur Gewährung von Krediten und Solidarbürgschaften in Folge des Coronavirus [AS 2020 1077]). Durch dieses System erhalten die indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden, welche im Jahr 2019 ein gutes Einkommen erzielten, genügend Kapital, damit ihre berufliche Existenz vorerst sichergestellt ist. Deren Bestand erscheint dadurch zudem auch längerfristig nicht gefährdet, ist ihnen doch die Rückzahlung der staatlichen Nothilfe nach der Pandemie wirtschaftlich zumutbar, denn ihr bisher erzielter Lohn deutet auf eine zukünftig hinreichend hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hin. Die Regelung des Corona-Erwerbsersatzes von indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden widerspricht daher der sozialpolitischen Zielsetzung des Bundesrates nicht und sie führt auch zu keinem sachlich unhaltbaren Ergebnis. Eine unechte Lücke liegt nicht vor.
4.3.4
Zusammenfassend ist mit dem kantonalen Gericht festzuhalten, dass der Bundesrat den Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz von Selbstständigerwerbenden abschliessend geregelt hat und (grundsätzlich) kein Raum für eine richterliche Lückenfüllung bleibt.
5.
Zu prüfen ist weiter, ob die Regelung des Corona-Erwerbsersatzes von Selbstständigerwerbenden gemäss Art. 2 Abs. 3 und 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall (E. 3.3 hiervor) im Hinblick auf den vorliegenden Fall einer selbstständigerwerbenden Ärztin
gegen die Verfassung, insbesondere die Rechtsgleichheit, das Willkürverbot und die Wirtschaftsfreiheit verstösst.
5.1
5.1.1
Einschränkungen von Grundrechten sind zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen, verhältnismässig sind und den Kerngehalt des Grundrechts nicht einschränken (Art. 36 BV).
5.1.2
Ein Erlass ist willkürlich im Sinne von Art. 9 BV, wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist. Er verletzt das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV), wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen, wenn also Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen besteht, kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze ein weiter Gestaltungsspielraum, den das Bundesgericht nicht durch eigene Gestaltungsvorstellungen schmälert (
BGE 140 I 77
E. 5.1;
BGE 139 I 242
E. 5.1; Urteil 9C_209/2019 vom 22. Juli 2019 E. 5.3.1 mit Hinweisen, nicht publ. in:
BGE 145 V 396
, aber in: SVR 2020 KV Nr. 2 S. 6).
5.1.3
Die Wirtschaftsfreiheit, welche grundsätzlich keinen Anspruch auf staatliche Leistungen vermittelt (vgl.
BGE 138 II 191
E. 4.4.1 mit Hinweisen), ist durch Art. 27 Abs. 1 BV gewährleistet. Sie umfasst insbesondere die freie Wahl des Berufes sowie den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung (Art. 27 Abs. 2 BV). Gemäss Art. 94 Abs. 1 BV halten sich Bund und Kantone an den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit. Abweichungen von diesem Grundsatz, insbesondere Massnahmen, die sich gegen den Wettbewerb richten, sind nur zulässig, wenn sie in der Bundesverfassung vorgesehen oder durch kantonale Regalrechte begründet sind (Art. 94 Abs. 4 BV). Während Art. 27 BV den individualrechtlichen Gehalt der Wirtschaftsfreiheit schützt, gewährleistet Art. 94 BV als grundlegendes Ordnungsprinzip einer auf marktwirtschaftlichen Prinzipien beruhenden Wirtschaftsordnung die systembezogene oder institutionelle Dimension der Wirtschaftsfreiheit.
Diese beiden Aspekte sind freilich eng aufeinander bezogen und können nicht isoliert betrachtet werden. Eine Scharnierfunktion kommt sodann dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen und der staatlichen Wettbewerbsneutralität zu (
BGE 142 I 162
E. 3.2.1 insb. mit Hinweis auf
BGE 138 I 378
E. 6.1). Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen geht weiter als das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot nach Art. 8 Abs. 1 BV. Danach sind Massnahmen verboten, die den Wettbewerb unter direkten Konkurrenten verzerren und dadurch nicht wettbewerbsneutral sind (
BGE 142 I 162
E. 3.7.2;
BGE 141 V 557
E. 7.2). Der angesprochene Grundsatz gilt aber nicht absolut und schliesst gewisse Differenzierungen, etwa aus Gründen der Sozialpolitik, des Umweltschutzes oder der Kulturpolitik nicht aus (
BGE 142 I 162
E. 3.7.2). Als grundsatzkonform gelten Massnahmen, die dem Polizeigüterschutz dienen, sowie sozialpolitische Vorschriften und andere Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit, die nicht wirtschaftspolitisch motiviert sind (
BGE 143 I 403
E. 5.2 mit Hinweisen; Urteil 2C_60/2018 vom 31. Mai 2019 E. 6.1). Eine entsprechend begründete Ungleichbehandlung muss jedoch verhältnismässig sein und soll spürbare Wettbewerbsverzerrungen vermeiden. Erforderlich ist eine Interessenabwägung (
BGE 142 I 162
E. 3.7.2 mit Hinweisen).
5.2
Eine Verletzung des Kerngehalts der Grundrechte wird nicht geltend gemacht. Zudem stellt die Beschwerdeführerin nicht in Frage, dass - wie von der Vorinstanz ausführlich und nachvollziehbar begründet - mit der sich für den hier massgebenden Zeitraum auf Art. 185 Abs. 3 BV stützenden Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall eine hinreichende gesetzliche Grundlage vorliegt.
5.3
5.3.1
Die Beschwerdeführerin bringt gegen die vorinstanzlichen Erwägungen zur Rechtsgleichheit und zum Willkürverbot vor, eine Betriebsschliessung und eine Teilbetriebsschliessung (in ihrem Fall) im Umfang von 90 % seien als ähnliche Sachverhalte zu qualifizieren. Eine Ungleichbehandlung dieser beiden Konstellationen sei daher von Vornherein ausgeschlossen. Zudem sei der mit Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall eingeführte Grenzwert von Fr. 90'000.-ein untaugliches Kriterium zur Ermittlung einer anspruchsbegründenden "Existenzgefährdung" und damit willkürlich. Entsprechend habe der Bundesrat daran im Verlauf der Pandemie auch nicht festgehalten. Ferner begründe die bundesrätliche
Regelung auch eine Ungleichbehandlung zwischen verschiedenen Arztpraxen abhängig von ihrer Rechtsform, indem bei einer Aktiengesellschaft oder GmbH angestellte Ärzte einen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung haben.
5.3.2
Die Vorinstanz legte zutreffend dar, dass sich die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, auch relativ zu den Gegebenheiten beurteilt, wie sie im Zeitpunkt der Rechtssetzung bestanden (vgl.
BGE 142 II 425
E. 4.2). Bei der Prüfung von Art. 2 Abs. 3 und 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall auf seine Verfassungsmässigkeit darf somit nicht ausser Acht gelassen werden, dass diese Regelungen aufgrund hoher sachlicher und zeitlicher Dringlichkeit in der damals akut durch das Coronavirus in Erscheinung getretenen Krisensituation erfolgten, um die Wirtschaft (vgl. E. 4.3.2.1 hiervor) schnell und mit sofort wirksamen Massnahmen zu stützen.
5.3.3
Mit einem Veranstaltungsverbot oder einer Betriebsschliessung wird die Berufsausübung unmittelbar betroffen und sehr schwer (maximal) eingeschränkt. Demgegenüber verbieten die anderen bundesrätlichen Massnahmen die Erwerbstätigkeit nicht generell und es verbleibt Raum für die bis dahin ausgeübte berufliche Tätigkeit. Eventuell sind indirekt betroffene Selbstständigerwerbende auch in der Lage, durch (gewisse) Adaptationen oder eine Verlagerung der beruflichen Betätigung ihre Situation zu verbessern. Im Vergleich zu den direkt betroffenen Selbstständigerwerbenden ist bei ihnen das Risiko für den Eintritt einer wirtschaftlichen Notlage daher im Allgemeinen als geringer einzustufen. Zudem spielen bei den indirekt Betroffenen wie den Ärzten nebst den staatlichen Massnahmen häufig und in einem nicht zu vernachlässigenden Ausmass weitere Faktoren mit, die den Umsatz bzw. das Einkommen negativ beeinflussen (wie etwa ein verändertes "Konsumentenverhalten" während der Pandemie). Es liegen somit entgegen der Beschwerdeführerin bei den Anspruchsberechtigten nach Art. 2 Abs. 3 und denjenigen nach Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall andere Verhältnisse vor und eine unterschiedliche Regelung lässt sich sachlich rechtfertigen.
5.3.4
Als Grundlage für einen Erwerbsersatz für Selbstständigerwerbende, die weder von einer Betriebsschliessung noch von einem Veranstaltungsverbot betroffen waren (und bisher keinen Anspruch hatten [vgl. E. 4.3.2.1]), schuf der Bundesrat am 16. April 2020
Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall. Danach haben indirekt betroffene Selbstständigerwerbende Anspruch auf einen Corona-Erwerbsersatz, wenn sie aufgrund der bundesrätlichen Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus einen nicht weiter definierten Erwerbsausfall erleiden und im Jahr 2019 ein Erwerbseinkommen zwischen Fr. 10'000.-und Fr. 90'000.-verdienten. Sind diese beiden Voraussetzungen nicht erfüllt, besteht kein Anspruch. Es kann somit festgehalten werden, dass die indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden abhängig vom vor der Pandemie erzielten Einkommen (Einkommensunter- und -obergrenze) anders behandelt werden. Wie das kantonale Gericht zutreffend erwog, führen solche Schwellenwerte, welche im Sozialversicherungsrecht nicht ungewöhnlich sind, zu einem gewissen Schematismus. Das kann die Einzelfallgerechtigkeit beeinträchtigen, trägt jedoch regelmässig der Klarheit, Praktikabilität und/oder Rechtssicherheit Rechnung. Die Statuierung von Grenzwerten kann mit Blick darauf gerechtfertigt sein. Dies muss insbesondere für eine Regelung gelten, die der Abwendung einer eingetretenen oder unmittelbar drohenden schweren Störung dient (vgl. Art. 185 Abs. 3 BV), bei welcher der Praktikabilität und raschen Wirksamkeit der angeordneten Massnahme zentrale Bedeutung zukommt (vgl. E. 5.3.2 hiervor).
Hinsichtlich der festgesetzten Einkommensobergrenze von Fr. 90'000.-zog die Vorinstanz in Erwägung, diese liege über dem Median der Bruttolöhne in der Schweiz von knapp Fr. 80'000.-und sei zur Vermeidung von Härtefällen eher grosszügig. Der festgelegte Schwellenwert basiert somit auf objektiv nachvollziehbaren Überlegungen und lässt sich mit der sozialpolitischen Zielsetzung von Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall - der Vermeidung von Härtefällen - begründen. Zudem wird damit, wie aufgezeigt (vgl. E. 4.3.2.1 hiervor), der Zweck des bundesrätlichen Massnahmenpakets in Bezug auf gutverdienende Selbstständigerwerbende nicht gefährdet. Die Einkommensobergrenze ist daher entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin im Gesamtkontext nicht untauglich, einen Härtefall zu definieren. Daran ändert, wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, auch nichts, dass die Problematik anders hätte geregelt werden können und aufgrund der Vorgaben im ab dem 17. September 2020 in Kraft getretenen Art. 15 Abs. 1 Covid-19-Gesetz (AS 2020 3835, 5821; AS 2021 153) auch anders geregelt wurde (AS 2020 4571).
5.3.5
Angestellte Ärzte in arbeitgeberähnlicher Stellung (d.h. solche im Sinne von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG [SR 837.0]) hatten vom 17. März bis 31. Mai 2020 Anspruch auf eine Kurzarbeitsentschädigung aufgrund einer Pauschale von Fr. 3'320.- als massgebender Verdienst für eine Vollzeitstelle (Art. 2 i.V.m. Art. 5 lit. b der Verordnung vom 20. März 2020 über Massnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung im Zusammenhang mit dem Coronavirus [Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung; AS 2020 877, 1777]). Daraus kann die Beschwerdeführerin jedoch nichts zu ihren Gunsten ableiten. Anders als ein unselbstständiger Arzt ist sie als Selbstständigerwerbende in der Arbeitslosenversicherung nicht versichert und deshalb in der Regel von vornherein vom Versicherungsschutz ausgeschlossen (vgl. Urteil 8C_344/2018 vom 13. Juni 2018 E. 3.4). In dieser Hinsicht liegt bei Unselbstständig- und Selbstständigerwerbenden eine andere Ausgangslage vor, weshalb eine Ungleichbehandlung sachlich vertretbar ist.
5.3.6
Aus dem Dargelegten folgt, dass keine Rechtsungleichheit, geschweige denn Willkür, vorliegt, wenn der Bundesrat in der damals akut eingetretenen Krisensituation über die eigentlichen epidemiologischen Aspekte der Gefahrenabwehr und -eindämmung hinaus in einer ersten Phase schon früh auch Entschädigungszahlungen für Selbstständigerwerbende vorsieht, diese aber zunächst allein jenen zukommen lässt, die unmittelbar oder direkt von staatlichen Massnahmen betroffen sind. Diese an sich haltbare Ungleichbehandlung wird zudem erheblich relativiert, indem der Bundesrat in der Folge schon bald mit einer (in sich rechtsgleichen und willkürfrei ausgestalteten) Härtefallklausel auch noch jene Selbstständigerwerbenden berücksichtigt, die "bloss" indirekt oder mittelbar (aber faktisch unter Umständen auch schwer) betroffen sind. Die Rügen der Beschwerdeführerin vermögen deshalb keine Verletzung der Rechtsgleichheit und des Willkürverbots aufzuzeigen.
5.4
5.4.1
Die Vorinstanz verneinte einen Verstoss gegen die Wirtschaftsfreiheit. Die Beschwerdeführerin ist hingegen der Ansicht, die Wirtschaftsfreiheit sei verletzt, da unzulässig in den Wettbewerb zwischen den Konkurrenten eingegriffen werde. Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall stelle einen grundsatzwidrigen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit dar, nachdem keine sachlichen Gründe für die Ungleichbehandlung innerhalb der Ärzteschaft bestünden. Die Einkommensobergrenze von Fr. 90'000.-liege, da
damit keine bedarfsorientierte Unterstützung erreicht werde und sie bei zahlreichen Gesundheitseinrichtungen zu einer Existenzbedrohung geführt habe, nicht im öffentlichen Interesse, zumal fiskalische Interessen des Bundes nur sehr beschränkt als hinreichendes und legitimes Interesse für einen Grundrechtseingriff dienen könnten. Der Eingriff sei zudem mangels Eignung und der überwiegenden Interessen der Beschwerdeführerin auch unverhältnismässig.
5.4.2
Die Wirtschaftsfreiheit von im Gesundheitswesen tätigen Personen war eingeschränkt, indem sie vom 17. März bis 26. April 2020 nur noch dringend angezeigte Eingriffe durchführen durften (E. 3.2 hiervor). Dies diente zweierlei Zwecken: Zum einen sollte dadurch vermieden werden, dass sich in solchen Einrichtungen unnötige Menschenansammlungen bilden und zum anderen sollten damit Kapazitäten und Ressourcen zur Verfügung gehalten werden, die potenziell zur Behandlung von Personen mit einer Covid-19-Infektion notwendig sind (Erläuterungen des Bundesamtes für Gesundheit zur Covid-19-Verordnung 2, Fassung vom 16. März 2020, Stand vom 17. März 2020, 08.00, S. 9). Die Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit diente folglich dem Schutz der Gesundheit.
Parallel dazu ergriff der Bundesrat Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Ausbreitung des Coronavirus, u.a. auch für Selbstständigerwerbende (E. 3.3 hiervor). Diese Massnahmen waren nicht wettbewerbsrechtlich motiviert, bezweckten sie doch nicht, einzelne Konkurrenten zu begünstigen oder zu benachteiligen. Im Fokus stand vielmehr, mit Nothilfen die wirtschaftliche Stabilität und das wirtschaftliche Wohl des Landes in der Pandemie zu gewährleisten. Entgegen der Beschwerde stellt somit die Ungleichbehandlung der Konkurrenten aufgrund von Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall einen Teil der Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Ausbreitung des Coronavirus dar. Dies ist, obwohl die ergriffenen Massnahmen auch auf die Stabilisierung der Wirtschaft im Allgemeinen zielen, kein grundsatzwidriger Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit, dient - wie die Vorinstanz zutreffend festhielt - diese Bestimmung doch (in erster Linie) der Vermeidung von Härtefällen bei den Selbstständigerwerbenden während der Pandemie, mithin einem sozialpolitischen Ziel.
5.4.3
Wie bereits dargelegt, ist die Einkommensobergrenze von Fr. 90'000.- als Anspruchsvoraussetzung geeignet, den im öffentlichen Interesse verfolgten Zweck einer raschen und auf Härtefälle beschränkten Nothilfe bei indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden zu gewährleisten (E. 4.3.2.1, 4.3.3 und 5.3.4 hiervor).
5.4.4
Der Bundesrat zog beim Umfang und bei der Ausgestaltung der Unterstützungsleistungen mit ein, dass der finanziellen staatlichen Hilfe mit Blick auf die Sicherstellung der finanziellen Nachhaltigkeit des Staatshaushaltes Grenzen gesetzt sind. Deshalb lehnte er eine umfassende Abdeckung aller geforderten Entschädigungen mittels A-fonds-perdu-Beiträgen ab (vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 1. April 2020). Dies ist angesichts des grossen Unterstützungsbedarfs der vielen durch die wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus Betroffenen nicht zu beanstanden (zum Rechtfertigungsgrund der Aufrechterhaltung der Ordnung und des wirtschaftlichen Wohls des Landes vgl.
BGE 137 II 431
E. 2.1.2 und 4.1), zumal die Wirtschaftsfreiheit grundsätzlich auch keinen Anspruch auf staatliche Leistungen vermittelt. Die Argumentation der Beschwerdeführerin, eine Entschädigung der Ärzteschaft sei lediglich "ein Tropfen auf den heissen Stein", greift denn auch zu kurz: Sie berücksichtigt nicht, dass sich bei anderen Selbstständigerwerbenden des Gesundheitswesens sowie anderen Branchen dieselbe bzw. eine vergleichbare Problematik stellt und die Gewährung von Corona-Erwerbsersatz für gutverdienende, indirekt betroffene Selbstständigerwerbende nach Einschätzung der Verwaltung schwer bezifferbare, aber erhebliche Mehrkosten verursachen würde (vgl. Protokolle der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 10. und 14. September 2020 zur Debatte dieses Punktes im Rahmen der Beratung des Covid-19-Gesetzes). Es ist somit grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass der Bundesrat (mit Blick auf die gesamten finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie) im öffentlichen Interesse der finanziellen Nachhaltigkeit des Staatshaushaltes die Nothilfen, insbesondere den Corona-Erwerbsersatz von indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden auf Härtefälle beschränkte.
5.4.5
Die Vorinstanz ging davon aus, aufgrund von Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall erleide die Versicherte mit hohem Einkommen gegenüber ihren Konkurrenten mit lediglich geringem Einkommen lediglich einen geringen Wettbewerbsnachteil. Dies ist angesichts der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Beeinträchtigung der Wirtschaftsfreiheit in zeitlicher Hinsicht (17. März bis 26. April 2020) und der Höhe des Corona-Erwerbsersatzes (maximal Fr. 196.-pro Tag; Art. 5 Abs. 3 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall[AS 2020 871]) nachvollziehbar. Zum anderen leuchtet dies hinsichtlich der Ärzteschaft mit Blick auf ihr
durchschnittliches Erwerbseinkommen besonders ein, beträgt dieses doch gemäss einer im angefochtenen Urteil zitierten Studie pro Jahr über Fr. 200'000.- und die meisten selbstständigerwerbenden Ärzte haben daher wie die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz (vgl. Büro für Arbeits- und sozialpolitische Studien BASS AG, Einkommen, OKP-Leistungen und Beschäftigungssituation der Ärzteschaft 2009-2014, S. 21 f. und S. 79 f.). Die hier zur Diskussion stehende Entschädigung von weniger als Fr. 10'000.-(41 Tage x Fr. 196.-) ist deshalb für den Wettbewerb zwischen der Beschwerdeführerin und der sie konkurrenzierenden Ärzteschaft von untergeordneter Bedeutung und kaum spürbar; es kann offengelassen werden, ob die statuierte Einkommensgrenze unter diesen Umständen, zumal es sich auch lediglich um eine vorübergehende Regelung handelt, überhaupt zu Wettbewerbsverzerrungen führt. So oder anders überwiegt hier das öffentliche Interesse an einer insgesamt zweckmässigen sowie finanziell tragbaren Lösung - einem grundlegenden und wichtigen öffentlichen Interesse - gegenüber der Gleichbehandlung der Konkurrenten. Mit der Vorinstanz ist deshalb festzuhalten, dass keine Verletzung der Wirtschaftsfreiheit vorliegt. | de | Art. 1 de l'ordonnance sur les pertes de gain COVID-19; art. 1 LAPG en lien avec l'art. 58 al. 1 LPGA et l'art. 24 al. 1 LAPG (a contrario). Contrairement à la compétence prévue dans les cas de recours interjetés contre des décisions et des décisions sur opposition de caisses de compensation cantonales (arrêt 9C_738/2020 du 7 juin 2021 consid. 3), le tribunal cantonal des assurances du domicile des assurés, respectivement d'une autre partie, est compétent à raison du lieu dans les cas de décisions rendues par des caisses de compensation professionnelles à propos de l'allocation pour perte de gain en lien avec le coronavirus (consid. 1). | fr | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-423%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,801 | 147 V 423 | 147 V 423
Regeste b
Art. 2 Abs. 3 und 3bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall in der vom 17. März bis 16. September 2020 in Kraft stehenden Fassung; Art. 8 Abs. 1, Art. 9 und Art. 27 BV; Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz für Selbstständigerwerbende.
Art. 2 Abs. 3 und 3bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall, in der vom 17. März bis 16. September 2020 in Kraft stehenden Fassung, regelt den Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz von Selbstständigerwerbenden abschliessend. Es besteht keine Gesetzeslücke (E. 4).
Die Regelung des Corona-Erwerbsersatzes gemäss Art. 2 Abs. 3 und 3bis Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall, in der vom 17. März bis 16. September 2020 in Kraft stehenden Fassung, verletzt im Fall von selbstständigerwerbenden Ärzten weder die Rechtsgleichheit, das Willkürverbot noch den Grundsatz der Gleichbehandlung der Konkurrenten als Teilgehalt der Wirtschaftsfreiheit (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 425
A.
A. betreibt in U. als Selbstständigerwerbende eine Arztpraxis für Tropen-, Reise- und Hausarztmedizin. Am 16. April 2020 meldete sie sich bei der Ausgleichskasse medisuisse zum Bezug einer Erwerbsausfallentschädigung im Zusammenhang mit den Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Corona-Erwerbsersatz) an. Sie machte sinngemäss geltend, aufgrund der vom Bundesrat angeordneten Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus sei ihr Umsatz im Bereich "Reisemedizin" um 100 % und in der "Hausarztmedizin" auf aktuell 20 % zurückgegangen. Die Ausgleichskasse verneinte in der Folge einen Leistungsanspruch, da die vom Bundesrat verordneten Betriebsschliessungen, welche Bedingung für einen Erwerbsersatz bildeten, Gesundheitseinrichtungen wie Arztpraxen nicht beträfen, und auch die Voraussetzungen für eine "Härtefallleistung" nicht erfüllt seien (Verfügung vom 29. April 2020, Einspracheentscheid vom 13. Mai 2020).
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 14. Januar 2021 ab.
C.
A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und in der Sache beantragen, das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben und ihr Gesuch zum Bezug von Corona-Erwerbsersatz vom 16. April 2020 sei gutzuheissen.
Die Ausgleichskasse verweist auf ihre bisherigen Verfügungen und Eingaben, womit sie sinngemäss die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
A. hält mit ihrer Eingabe vom 11. Mai 2021 an ihrem eingangs gestellten Rechtsbegehren fest.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Nach dem kürzlich ergangenen Urteil 9C_738/2020 vom 7. Juni 2021 E. 3 bestimmt sich nach der in Art. 24 EOG (SR 834.1) statuierten Ordnung, welches kantonale Versicherungsgericht für die Beurteilung der Beschwerde betreffend die
Erwerbsausfallentschädigung aufgrund der Verordnung vom 20. März 2020 über Massnahmen bei Erwerbsausfall im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19; Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall; SR 830.31) örtlich zuständig ist. Das heisst, dass gemäss dem seit dem 1. Januar 2003 - gleichzeitig mit dem ATSG - in Kraft getretenen Art. 24 Abs. 1 EOG über Beschwerden gegen Verfügungen und Einspracheentscheide kantonaler Ausgleichskassen in Abweichung von Art. 58 Abs. 1 ATSG das Versicherungsgericht am Ort der Ausgleichskasse entscheidet. Nach dem Wortlaut kommt diese Bestimmung lediglich bei Verfügungen und Einspracheentscheiden von kantonalen Ausgleichskassen zur Anwendung. Davon wird (e contrario) jedoch nicht erfasst, wenn Entscheide von Verbandsausgleichskassen den Anfechtungsgegenstand bilden. Dafür ist nach Art. 1 EOG und Art. 58 Abs. 1 ATSG das Versicherungsgericht desjenigen Kantons zuständig, in dem die versicherte Person oder der beschwerdeführende Dritte zur Zeit der Beschwerdeerhebung Wohnsitz hat. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der bei der Einführung des ATSG und den damit zusammenhängenden Gesetzesänderungen bezüglich des Gerichtsstands bewusst an der bisherigen Rechtsordnung anknüpfte (vgl. Art. 200 Abs. 1 und 4 AHVV [SR 831.101] i.V.m. Art. 24 EOG und Art. 84 Abs. 2 AHVG, jeweils in der bis zum 31. Dezember 2002 gültigen Fassung; BBl 1999 IV 4620 f.; siehe zu aArt. 200 AHVV auch
BGE 123 V 180
E. 5a mit Hinweisen). Die Vorinstanz trat somit zu Recht auf die von der Versicherten an ihrem Wohnort erhobene Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der Ausgleichskasse medisuisse - einer Verbandsausgleichskasse - ein.
(...)
3.
Strittig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie den Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 13. Mai 2020 bestätigte, mit welchem das Gesuch der Beschwerdeführerin vom 16. April 2020 um Corona-Erwerbsersatz abgelehnt worden war. Die Beschwerdeführerin macht einen solchen Anspruch vom 17. März bis 26. April 2020 geltend, d.h. für den Zeitraum, in welchem die ärztliche Tätigkeit auf dringliche Eingriffe beschränkt war (vgl. E. 3.2 folgend).
3.1
In zeitlicher Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (
BGE 144 II 326
E. 2.1.1;
BGE 141 V 657
E. 3.5.1; je mit Hinweisen). Dies gilt insbesondere auch für die Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall (
BGE 147 V 278
E. 2.1).
3.2
Nach dem am 17. März 2020 in Kraft getretenen Art. 6 Abs. 1 und 2 der Verordnung 2 vom 13. März 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19-Verordnung 2; Änderung vom 16. März 2020; AS 2020 783) ist es verboten, öffentliche oder private Veranstaltungen, einschliesslich Sportveranstaltungen und Vereinsaktivitäten durchzuführen (Abs. 1). Öffentlich zugängliche Einrichtungen sind für das Publikum geschlossen (Abs. 2). Gemäss Art. 6 Abs. 3 lit. m Covid-19-Verordnung 2 gilt Absatz 2 nicht für Gesundheitseinrichtungen wie Spitäler, Kliniken und Arztpraxen sowie Praxen und Einrichtungen von Gesundheitsfachpersonen nach Bundesrecht oder kantonalem Recht.
Laut des ab dem 17. März 2020 in Kraft getretenen Art. 10a Abs. 2 Covid-19-Verordnung 2 müssen Gesundheitseinrichtungen wie Spitäler und Kliniken, Arztpraxen und Zahnarztpraxen auf nicht dringend angezeigte Eingriffe und Therapien verzichten (AS 2020 783). Der am 21. März 2020 in Kraft getretene Art. 10a Abs. 2 Covid-19-Verordnung 2 (AS 2020 863) bestimmt, dass es Gesundheitseinrichtungen nach Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe m, insbesondere Spitälern und Kliniken, Arztpraxen und Zahnarztpraxen, verboten ist, nicht dringend angezeigte medizinische Untersuchungen, Behandlungen und Therapien (Eingriffe) durchzuführen. Diese Einschränkung galt bis am 26. April 2020 (Art. 12 Abs. 6 [AS 2020 783, 863] bzw. Abs. 7 [AS 2020 1199] Covid-19-Verordnung 2; siehe für den darauf folgenden Zeitraum ab 27. April 2020 Art. 10a Abs. 2 bis 4 Covid-19-Verordnung 2 [AS 2020 1333]).
3.3
Gestützt auf Art. 185 Abs. 3 BV hat der Bundesrat am 20. März 2020 die Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall erlassen, welche rückwirkend auf den 17. März 2020 in Kraft trat (AS 2020 871, 1257).
Gemäss Art. 2 Abs. 3 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall (Änderung vom 16. April 2020; AS 2020 1257) sind Selbstständigerwerbende nach Artikel 12 ATSG anspruchsberechtigt, die aufgrund einer Massnahme nach Artikel 6 Absätze 1 und 2 der COVID-19-Verordnung 2 einen Erwerbsausfall erleiden. Die Voraussetzung von Absatz 1
bis
Buchstabe c gilt auch für diese Selbstständigerwerbenden.
Mit Änderung vom 16. April 2020 wurde rückwirkend per 17. März 2020 Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall (AS 2020 1257) in Kraft gesetzt. Danach sind Selbstständigerwerbende nach Artikel 12 ATSG, die nicht unter Absatz 3 fallen,
anspruchsberechtigt, wenn sie aufgrund bundesrätlicher Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus einen Erwerbsausfall erleiden und ihr für die Bemessung der Beiträge der AHV massgebendes Einkommen für das Jahr 2019 zwischen 10 000 und 90 000 Franken liegt. Die Voraussetzung von Absatz 1
bis
Buchstabe c gilt auch für diese Selbstständigerwerbenden. Diese Bestimmung galt bis zum 16. September 2020 (AS 2020 3705; siehe für den darauf folgenden Zeitraum ab 17. September 2020 Art. 15 Bundesgesetz vom 25. September 2020 über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie [Covid-19-Gesetz; SR 818.102] i.V.m. Art. 2 Abs. 3 bis 4 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall [AS 2020 4571]).
4.
4.1
Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin ihre Arztpraxis ab dem 17. März 2020 (mit Einschränkungen) weiterführen konnte, im Jahr 2019 ein Einkommen von rund Fr. 165'000.- verdient hatte und damit weder die Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 3 noch jene von Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall erfüllt. Die Beschwerdeführerin ist gleichwohl der Auffassung, dass sie einen Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz hat. Sie macht gegen die vorinstanzlichen Erwägungen in erster Linie geltend, die Bestimmungen zum Corona-Erwerbsersatz seien lückenhaft, werde ihr Fall eines Teilverbots (Beschränkung der Tätigkeit auf dringliche Eingriffe) doch nicht geregelt (echte Lücke). Eventualiter liege eine unechte Lücke vor, da die Regelung zu einem unbefriedigenden Ergebnis führe. Demgegenüber stellt sich das BSV mit Verweis auf die Änderungen der Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall sowie die Einführung des Covid-19-Gesetzes auf den Standpunkt, es bestehe weder eine echte noch eine unechte Lücke.
4.2
Eine (echte) Gesetzeslücke besteht, wenn sich eine Regelung als unvollständig erweist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung. Gibt das Gesetz eine Antwort, die aber nicht befriedigt, liegt grundsätzlich eine unechte Lücke vor, die auszufüllen dem Richter verwehrt ist. Anders verhält es sich nur, wenn die vom Gesetz gegebene Antwort als sachlich unhaltbar angesehen werden muss bzw. auf einem offensichtlichen Versehen des Gesetzgebers, einer gesetzgeberischen Inkongruenz oder einer
planwidrigen Unvollständigkeit beruht (
BGE 146 V 121
E. 2.5 mit Hinweisen).
4.3
4.3.1
In Art. 2 Abs. 3 und 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall wird jeweils Bezug auf Art. 12 ATSG genommen, der bestimmt, wer als selbstständig erwerbstätig gilt. Mit diesem Verweis folgt eine Abgrenzung gegenüber Arbeitnehmenden. Wie das kantonale Gericht zutreffend feststellte, beziehen sich Art. 2 Abs. 3 und 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall aber - unabhängig der beruflichen Branche - auf jedwelche selbstständige Erwerbstätigkeit, mithin auch auf jene der Beschwerdeführerin als selbstständige Ärztin.
Nach Art. 2 Abs. 3 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall haben Selbstständigerwerbende einen Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz, die einen Erwerbsausfall aufgrund einer Massnahme nach Art. 6 Abs. 1 und 2 Covid-19-Verordnung 2 erleiden, das heisst wegen angeordneter Betriebsschliessungen oder Veranstaltungsverboten ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen müssen (direkt betroffene Selbstständigerwerbende). Demgegenüber haben Selbstständigerwerbende, die nicht unter diese Bestimmung (Abs. 3) fallen, einen Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz nur, wenn sie einen zahlenmässig nicht weiter spezifizierten Einkommensausfall erleiden und im Jahr 2019 ein AHV-pflichtiges Erwerbseinkommen zwischen Fr. 10'000.- und Fr. 90'000.- erzielt haben (Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall; indirekt betroffene Selbstständigerwerbende). Die Verordnung unterscheidet somit zwischen direkt und indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden, wobei Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall als Auffangtatbestand konzipiert ist.
Es kann somit festgehalten werden, dass die Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall von ihrem Wortlaut her den Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz aller Selbstständigerwerbenden regelt und dabei zwischen dem Anspruch der direkt und jenem der indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden unterscheidet. Formal betrachtet liegt damit eine Regelung des Corona-Erwerbsersatzanspruchs für alle Selbstständigerwerbenden vor. Das grammatikalische Auslegungselement spricht demnach für eine abschliessende Regelung durch den Verordnungsgeber, auch wenn nicht jeder indirekt Betroffene einen Entschädigungsanspruch hat.
4.3.2
4.3.2.1
Der Corona-Erwerbsersatz ist eine der Massnahmen des Bundesrates zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Ausbreitung des Coronavirus. Der Bundesrat sah, um Beschäftigung zu erhalten, Löhne zu sichern, Selbstständigerwerbende aufzufangen und Insolvenzen aufgrund von Liquiditätsengpässen zu verhindern, am 20. März 2020 zunächst einzig eine Entschädigung der direkt betroffenen Selbstständigerwerbenden vor (Medienmitteilung des Bundesrates vom 20. März 2020; Art. 2 Abs. 3 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall[AS 2020 871]). In der Folge liess er durch das BSV in Zusammenarbeit mit anderen Bundesämtern prüfen, ob auch Selbstständigerwerbende, die sich durch den weitgehenden Stillstand der Wirtschaft mit Erwerbseinbussen konfrontiert sehen, deren Erwerbstätigkeit aber nicht verboten ist, in Härtefällen eine Unterstützung erhalten sollen (vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 1. April 2020). Um Härtefälle zu vermeiden, fügte der Bundesrat am 16. April 2020 den rückwirkend per 17. März 2020 in Kraft getretenen Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall (AS 2020 1257) ein. Ihm war dabei bewusst, dass auch nicht direkt betroffene Selbstständigerwerbende durch die Corona-Pandemie wirtschaftlich schwer tangiert sein können, indem sie unter Umständen weniger oder keine Arbeit mehr haben (vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 16. April 2020). Gleichwohl statuierte er für sie keinen umfassenden Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz, sondern entschied sich für eine Härtefallregelung und machte den Anspruch von einem AHV-pflichtigen Einkommen im Jahr 2019 zwischen Fr. 10'000.-und Fr. 90'000.- abhängig. Einer umfassenden Abdeckung aller geforderten Entschädigungen mittels A-fonds-perdu-Beiträgen hat der Bundesrat mit Blick auf die Sicherstellung der finanziellen Nachhaltigkeit des Staatshaushaltes eine Absage erteilt (vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 1. April 2020). Die Unterscheidung zwischen direkt und indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden sowie die Beschränkung bei Letzteren auf eine Entschädigung im Härtefall erscheint somit als bewusster Entscheid des Verordnungsgebers, der keinen Raum für eine auszufüllende Lücke lässt.
Darauf weisen auch die Erläuterungen des BSV hin, das bei der Ausarbeitung der Härtefallregelung massgebend beteiligt war (vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 1. April 2020). In den Erläuterungen des BSV zu den Verordnungsänderungen vom 16. April 2020 wird begründet, mit Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung
Erwerbsausfall werde sichergestellt, dass die Entschädigung nur Härtefällen zugutekomme. Personen mit hohen Erwerbseinkommen würden vom Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeschlossen, da ihnen ein zeitlich befristeter Einbruch des Erwerbseinkommens zumutbar sei. Aus den Erläuterungen ergibt sich entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin keine Unterscheidung nach Branchen. Es werden als Beispiele nebst den Taxifahrern, Kameraleuten und Lieferanten auch Selbstständigerwerbende von Betrieben im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Covid-19-Verordnung 2, namentlich die Hoteliers (vgl. Art. 6 Abs. 3 lit. n Covid-19-Verordnung 2) und die Physiotherapeuten genannt. Letzteres sind - wie Ärzte - Personen, auf welche Art. 6 Abs. 3 lit. m und Art. 10a Abs. 2 Covid-19-Verordnung 2 (E. 3.2 hiervor) Anwendung findet (vgl. Erläuterungen des Bundesamtes für Gesundheit zur Covid-19-Verordnung 2, Fassung vom 16. März 2020, Stand vom 17. März 2020, 08.00, S. 6 und 9).
4.3.2.2
Die Zweiteilung bei der Anspruchsberechtigung mit Unterscheidung zwischen direkt von einer Betriebsschliessung oder einem Veranstaltungsverbot betroffenen und indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden zeigt sich auch in der Botschaft des Bundesrates vom 12. August 2020 zum Covid-19-Gesetz in den Ausführungen zur bisherigen Regelung der Anspruchsberechtigung nach der Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall und zu Art. 10 Abs. 1 des Entwurfs des Covid-19-Gesetzes. In der Aufzählung werden unter anderem als anspruchsberechtigte Personen genannt, die "Selbstständigerwerbende[n], deren Betrieb auf Anordnung von Bundes- oder Kantonsbehörden wegen Covid geschlossen wird; Selbstständigerwerbende, die nachweisen können, dass ihre Geschäftstätigkeit aufgrund von behördlich untersagten Veranstaltungen vollständig verunmöglicht wird". Hingegen haben "Selbstständigerwerbende, die nicht verpflichtet sind, ihre Erwerbstätigkeit zu unterbrechen, [...] keinen Anspruch" (BBl 2020 6612 Ziff. 3; vgl. auch jeweils Votum Bundeskanzler Thurnherr, AB 2020 N 1341 f. und 1344).
4.3.2.3
Die historische Auslegung der Verordnungsbestimmungen zeigt somit keinen Hinweis, dass eine dritte Kategorie von Selbstständigerwerbenden übersehen wurde. Vielmehr weist dieses Element - wie der Wortlaut der Bestimmung - darauf, dass der Verordnungsgeber bewusst nur zwischen zwei Kategorien von Selbstständigerwerbenden unterscheiden wollte, und zwar zwischen den direkt Betroffenen, die ihre Tätigkeit gänzlich unterbrechen mussten, und den indirekt oder nur eingeschränkt Betroffenen.
4.3.3
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, der fehlende Anspruch auf einen Corona-Erwerbsersatz für selbstständigerwerbende Ärzte, die einem Teilarbeitsverbot unterliegen, gefährde den Bestand von Gesundheitseinrichtungen. Sie macht damit geltend, diese vermeintliche Lücke verstosse gegen den Sinn und Zweck der bundesrätlichen Massnahmen, Beschäftigung zu erhalten, Löhne zu sichern, Selbstständigerwerbende aufzufangen und Insolvenzen aufgrund von Liquiditätsengpässen zu verhindern (vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 20. März 2020). Dem ist entgegenzuhalten, dass ein vorübergehender (auch grosser) Erwerbsausfall - hier steht ein solcher während rund sechs Wochen zur Diskussion - die wirtschaftliche Existenz eines Selbstständigerwerbenden mit zuvor hohem Einkommen in der Regel nicht in Frage stellt: Bei gutverdienenden Selbstständigerwerbenden darf davon ausgegangen werden, dass sie gewisse Reserven mit Blick auf übliche wirtschaftliche Schwankungen gebildet haben und deshalb initial nicht (akut) auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Selbst wenn dies nicht zuträfe, könnten sie aber einen Überbrückungskredit beziehen (vgl. Verordnung vom 25. März 2020 zur Gewährung von Krediten und Solidarbürgschaften in Folge des Coronavirus [AS 2020 1077]). Durch dieses System erhalten die indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden, welche im Jahr 2019 ein gutes Einkommen erzielten, genügend Kapital, damit ihre berufliche Existenz vorerst sichergestellt ist. Deren Bestand erscheint dadurch zudem auch längerfristig nicht gefährdet, ist ihnen doch die Rückzahlung der staatlichen Nothilfe nach der Pandemie wirtschaftlich zumutbar, denn ihr bisher erzielter Lohn deutet auf eine zukünftig hinreichend hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hin. Die Regelung des Corona-Erwerbsersatzes von indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden widerspricht daher der sozialpolitischen Zielsetzung des Bundesrates nicht und sie führt auch zu keinem sachlich unhaltbaren Ergebnis. Eine unechte Lücke liegt nicht vor.
4.3.4
Zusammenfassend ist mit dem kantonalen Gericht festzuhalten, dass der Bundesrat den Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz von Selbstständigerwerbenden abschliessend geregelt hat und (grundsätzlich) kein Raum für eine richterliche Lückenfüllung bleibt.
5.
Zu prüfen ist weiter, ob die Regelung des Corona-Erwerbsersatzes von Selbstständigerwerbenden gemäss Art. 2 Abs. 3 und 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall (E. 3.3 hiervor) im Hinblick auf den vorliegenden Fall einer selbstständigerwerbenden Ärztin
gegen die Verfassung, insbesondere die Rechtsgleichheit, das Willkürverbot und die Wirtschaftsfreiheit verstösst.
5.1
5.1.1
Einschränkungen von Grundrechten sind zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen, verhältnismässig sind und den Kerngehalt des Grundrechts nicht einschränken (Art. 36 BV).
5.1.2
Ein Erlass ist willkürlich im Sinne von Art. 9 BV, wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist. Er verletzt das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV), wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen, wenn also Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen besteht, kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze ein weiter Gestaltungsspielraum, den das Bundesgericht nicht durch eigene Gestaltungsvorstellungen schmälert (
BGE 140 I 77
E. 5.1;
BGE 139 I 242
E. 5.1; Urteil 9C_209/2019 vom 22. Juli 2019 E. 5.3.1 mit Hinweisen, nicht publ. in:
BGE 145 V 396
, aber in: SVR 2020 KV Nr. 2 S. 6).
5.1.3
Die Wirtschaftsfreiheit, welche grundsätzlich keinen Anspruch auf staatliche Leistungen vermittelt (vgl.
BGE 138 II 191
E. 4.4.1 mit Hinweisen), ist durch Art. 27 Abs. 1 BV gewährleistet. Sie umfasst insbesondere die freie Wahl des Berufes sowie den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung (Art. 27 Abs. 2 BV). Gemäss Art. 94 Abs. 1 BV halten sich Bund und Kantone an den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit. Abweichungen von diesem Grundsatz, insbesondere Massnahmen, die sich gegen den Wettbewerb richten, sind nur zulässig, wenn sie in der Bundesverfassung vorgesehen oder durch kantonale Regalrechte begründet sind (Art. 94 Abs. 4 BV). Während Art. 27 BV den individualrechtlichen Gehalt der Wirtschaftsfreiheit schützt, gewährleistet Art. 94 BV als grundlegendes Ordnungsprinzip einer auf marktwirtschaftlichen Prinzipien beruhenden Wirtschaftsordnung die systembezogene oder institutionelle Dimension der Wirtschaftsfreiheit.
Diese beiden Aspekte sind freilich eng aufeinander bezogen und können nicht isoliert betrachtet werden. Eine Scharnierfunktion kommt sodann dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen und der staatlichen Wettbewerbsneutralität zu (
BGE 142 I 162
E. 3.2.1 insb. mit Hinweis auf
BGE 138 I 378
E. 6.1). Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen geht weiter als das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot nach Art. 8 Abs. 1 BV. Danach sind Massnahmen verboten, die den Wettbewerb unter direkten Konkurrenten verzerren und dadurch nicht wettbewerbsneutral sind (
BGE 142 I 162
E. 3.7.2;
BGE 141 V 557
E. 7.2). Der angesprochene Grundsatz gilt aber nicht absolut und schliesst gewisse Differenzierungen, etwa aus Gründen der Sozialpolitik, des Umweltschutzes oder der Kulturpolitik nicht aus (
BGE 142 I 162
E. 3.7.2). Als grundsatzkonform gelten Massnahmen, die dem Polizeigüterschutz dienen, sowie sozialpolitische Vorschriften und andere Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit, die nicht wirtschaftspolitisch motiviert sind (
BGE 143 I 403
E. 5.2 mit Hinweisen; Urteil 2C_60/2018 vom 31. Mai 2019 E. 6.1). Eine entsprechend begründete Ungleichbehandlung muss jedoch verhältnismässig sein und soll spürbare Wettbewerbsverzerrungen vermeiden. Erforderlich ist eine Interessenabwägung (
BGE 142 I 162
E. 3.7.2 mit Hinweisen).
5.2
Eine Verletzung des Kerngehalts der Grundrechte wird nicht geltend gemacht. Zudem stellt die Beschwerdeführerin nicht in Frage, dass - wie von der Vorinstanz ausführlich und nachvollziehbar begründet - mit der sich für den hier massgebenden Zeitraum auf Art. 185 Abs. 3 BV stützenden Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall eine hinreichende gesetzliche Grundlage vorliegt.
5.3
5.3.1
Die Beschwerdeführerin bringt gegen die vorinstanzlichen Erwägungen zur Rechtsgleichheit und zum Willkürverbot vor, eine Betriebsschliessung und eine Teilbetriebsschliessung (in ihrem Fall) im Umfang von 90 % seien als ähnliche Sachverhalte zu qualifizieren. Eine Ungleichbehandlung dieser beiden Konstellationen sei daher von Vornherein ausgeschlossen. Zudem sei der mit Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall eingeführte Grenzwert von Fr. 90'000.-ein untaugliches Kriterium zur Ermittlung einer anspruchsbegründenden "Existenzgefährdung" und damit willkürlich. Entsprechend habe der Bundesrat daran im Verlauf der Pandemie auch nicht festgehalten. Ferner begründe die bundesrätliche
Regelung auch eine Ungleichbehandlung zwischen verschiedenen Arztpraxen abhängig von ihrer Rechtsform, indem bei einer Aktiengesellschaft oder GmbH angestellte Ärzte einen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung haben.
5.3.2
Die Vorinstanz legte zutreffend dar, dass sich die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, auch relativ zu den Gegebenheiten beurteilt, wie sie im Zeitpunkt der Rechtssetzung bestanden (vgl.
BGE 142 II 425
E. 4.2). Bei der Prüfung von Art. 2 Abs. 3 und 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall auf seine Verfassungsmässigkeit darf somit nicht ausser Acht gelassen werden, dass diese Regelungen aufgrund hoher sachlicher und zeitlicher Dringlichkeit in der damals akut durch das Coronavirus in Erscheinung getretenen Krisensituation erfolgten, um die Wirtschaft (vgl. E. 4.3.2.1 hiervor) schnell und mit sofort wirksamen Massnahmen zu stützen.
5.3.3
Mit einem Veranstaltungsverbot oder einer Betriebsschliessung wird die Berufsausübung unmittelbar betroffen und sehr schwer (maximal) eingeschränkt. Demgegenüber verbieten die anderen bundesrätlichen Massnahmen die Erwerbstätigkeit nicht generell und es verbleibt Raum für die bis dahin ausgeübte berufliche Tätigkeit. Eventuell sind indirekt betroffene Selbstständigerwerbende auch in der Lage, durch (gewisse) Adaptationen oder eine Verlagerung der beruflichen Betätigung ihre Situation zu verbessern. Im Vergleich zu den direkt betroffenen Selbstständigerwerbenden ist bei ihnen das Risiko für den Eintritt einer wirtschaftlichen Notlage daher im Allgemeinen als geringer einzustufen. Zudem spielen bei den indirekt Betroffenen wie den Ärzten nebst den staatlichen Massnahmen häufig und in einem nicht zu vernachlässigenden Ausmass weitere Faktoren mit, die den Umsatz bzw. das Einkommen negativ beeinflussen (wie etwa ein verändertes "Konsumentenverhalten" während der Pandemie). Es liegen somit entgegen der Beschwerdeführerin bei den Anspruchsberechtigten nach Art. 2 Abs. 3 und denjenigen nach Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall andere Verhältnisse vor und eine unterschiedliche Regelung lässt sich sachlich rechtfertigen.
5.3.4
Als Grundlage für einen Erwerbsersatz für Selbstständigerwerbende, die weder von einer Betriebsschliessung noch von einem Veranstaltungsverbot betroffen waren (und bisher keinen Anspruch hatten [vgl. E. 4.3.2.1]), schuf der Bundesrat am 16. April 2020
Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall. Danach haben indirekt betroffene Selbstständigerwerbende Anspruch auf einen Corona-Erwerbsersatz, wenn sie aufgrund der bundesrätlichen Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus einen nicht weiter definierten Erwerbsausfall erleiden und im Jahr 2019 ein Erwerbseinkommen zwischen Fr. 10'000.-und Fr. 90'000.-verdienten. Sind diese beiden Voraussetzungen nicht erfüllt, besteht kein Anspruch. Es kann somit festgehalten werden, dass die indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden abhängig vom vor der Pandemie erzielten Einkommen (Einkommensunter- und -obergrenze) anders behandelt werden. Wie das kantonale Gericht zutreffend erwog, führen solche Schwellenwerte, welche im Sozialversicherungsrecht nicht ungewöhnlich sind, zu einem gewissen Schematismus. Das kann die Einzelfallgerechtigkeit beeinträchtigen, trägt jedoch regelmässig der Klarheit, Praktikabilität und/oder Rechtssicherheit Rechnung. Die Statuierung von Grenzwerten kann mit Blick darauf gerechtfertigt sein. Dies muss insbesondere für eine Regelung gelten, die der Abwendung einer eingetretenen oder unmittelbar drohenden schweren Störung dient (vgl. Art. 185 Abs. 3 BV), bei welcher der Praktikabilität und raschen Wirksamkeit der angeordneten Massnahme zentrale Bedeutung zukommt (vgl. E. 5.3.2 hiervor).
Hinsichtlich der festgesetzten Einkommensobergrenze von Fr. 90'000.-zog die Vorinstanz in Erwägung, diese liege über dem Median der Bruttolöhne in der Schweiz von knapp Fr. 80'000.-und sei zur Vermeidung von Härtefällen eher grosszügig. Der festgelegte Schwellenwert basiert somit auf objektiv nachvollziehbaren Überlegungen und lässt sich mit der sozialpolitischen Zielsetzung von Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall - der Vermeidung von Härtefällen - begründen. Zudem wird damit, wie aufgezeigt (vgl. E. 4.3.2.1 hiervor), der Zweck des bundesrätlichen Massnahmenpakets in Bezug auf gutverdienende Selbstständigerwerbende nicht gefährdet. Die Einkommensobergrenze ist daher entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin im Gesamtkontext nicht untauglich, einen Härtefall zu definieren. Daran ändert, wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, auch nichts, dass die Problematik anders hätte geregelt werden können und aufgrund der Vorgaben im ab dem 17. September 2020 in Kraft getretenen Art. 15 Abs. 1 Covid-19-Gesetz (AS 2020 3835, 5821; AS 2021 153) auch anders geregelt wurde (AS 2020 4571).
5.3.5
Angestellte Ärzte in arbeitgeberähnlicher Stellung (d.h. solche im Sinne von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG [SR 837.0]) hatten vom 17. März bis 31. Mai 2020 Anspruch auf eine Kurzarbeitsentschädigung aufgrund einer Pauschale von Fr. 3'320.- als massgebender Verdienst für eine Vollzeitstelle (Art. 2 i.V.m. Art. 5 lit. b der Verordnung vom 20. März 2020 über Massnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung im Zusammenhang mit dem Coronavirus [Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung; AS 2020 877, 1777]). Daraus kann die Beschwerdeführerin jedoch nichts zu ihren Gunsten ableiten. Anders als ein unselbstständiger Arzt ist sie als Selbstständigerwerbende in der Arbeitslosenversicherung nicht versichert und deshalb in der Regel von vornherein vom Versicherungsschutz ausgeschlossen (vgl. Urteil 8C_344/2018 vom 13. Juni 2018 E. 3.4). In dieser Hinsicht liegt bei Unselbstständig- und Selbstständigerwerbenden eine andere Ausgangslage vor, weshalb eine Ungleichbehandlung sachlich vertretbar ist.
5.3.6
Aus dem Dargelegten folgt, dass keine Rechtsungleichheit, geschweige denn Willkür, vorliegt, wenn der Bundesrat in der damals akut eingetretenen Krisensituation über die eigentlichen epidemiologischen Aspekte der Gefahrenabwehr und -eindämmung hinaus in einer ersten Phase schon früh auch Entschädigungszahlungen für Selbstständigerwerbende vorsieht, diese aber zunächst allein jenen zukommen lässt, die unmittelbar oder direkt von staatlichen Massnahmen betroffen sind. Diese an sich haltbare Ungleichbehandlung wird zudem erheblich relativiert, indem der Bundesrat in der Folge schon bald mit einer (in sich rechtsgleichen und willkürfrei ausgestalteten) Härtefallklausel auch noch jene Selbstständigerwerbenden berücksichtigt, die "bloss" indirekt oder mittelbar (aber faktisch unter Umständen auch schwer) betroffen sind. Die Rügen der Beschwerdeführerin vermögen deshalb keine Verletzung der Rechtsgleichheit und des Willkürverbots aufzuzeigen.
5.4
5.4.1
Die Vorinstanz verneinte einen Verstoss gegen die Wirtschaftsfreiheit. Die Beschwerdeführerin ist hingegen der Ansicht, die Wirtschaftsfreiheit sei verletzt, da unzulässig in den Wettbewerb zwischen den Konkurrenten eingegriffen werde. Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall stelle einen grundsatzwidrigen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit dar, nachdem keine sachlichen Gründe für die Ungleichbehandlung innerhalb der Ärzteschaft bestünden. Die Einkommensobergrenze von Fr. 90'000.-liege, da
damit keine bedarfsorientierte Unterstützung erreicht werde und sie bei zahlreichen Gesundheitseinrichtungen zu einer Existenzbedrohung geführt habe, nicht im öffentlichen Interesse, zumal fiskalische Interessen des Bundes nur sehr beschränkt als hinreichendes und legitimes Interesse für einen Grundrechtseingriff dienen könnten. Der Eingriff sei zudem mangels Eignung und der überwiegenden Interessen der Beschwerdeführerin auch unverhältnismässig.
5.4.2
Die Wirtschaftsfreiheit von im Gesundheitswesen tätigen Personen war eingeschränkt, indem sie vom 17. März bis 26. April 2020 nur noch dringend angezeigte Eingriffe durchführen durften (E. 3.2 hiervor). Dies diente zweierlei Zwecken: Zum einen sollte dadurch vermieden werden, dass sich in solchen Einrichtungen unnötige Menschenansammlungen bilden und zum anderen sollten damit Kapazitäten und Ressourcen zur Verfügung gehalten werden, die potenziell zur Behandlung von Personen mit einer Covid-19-Infektion notwendig sind (Erläuterungen des Bundesamtes für Gesundheit zur Covid-19-Verordnung 2, Fassung vom 16. März 2020, Stand vom 17. März 2020, 08.00, S. 9). Die Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit diente folglich dem Schutz der Gesundheit.
Parallel dazu ergriff der Bundesrat Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Ausbreitung des Coronavirus, u.a. auch für Selbstständigerwerbende (E. 3.3 hiervor). Diese Massnahmen waren nicht wettbewerbsrechtlich motiviert, bezweckten sie doch nicht, einzelne Konkurrenten zu begünstigen oder zu benachteiligen. Im Fokus stand vielmehr, mit Nothilfen die wirtschaftliche Stabilität und das wirtschaftliche Wohl des Landes in der Pandemie zu gewährleisten. Entgegen der Beschwerde stellt somit die Ungleichbehandlung der Konkurrenten aufgrund von Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall einen Teil der Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Ausbreitung des Coronavirus dar. Dies ist, obwohl die ergriffenen Massnahmen auch auf die Stabilisierung der Wirtschaft im Allgemeinen zielen, kein grundsatzwidriger Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit, dient - wie die Vorinstanz zutreffend festhielt - diese Bestimmung doch (in erster Linie) der Vermeidung von Härtefällen bei den Selbstständigerwerbenden während der Pandemie, mithin einem sozialpolitischen Ziel.
5.4.3
Wie bereits dargelegt, ist die Einkommensobergrenze von Fr. 90'000.- als Anspruchsvoraussetzung geeignet, den im öffentlichen Interesse verfolgten Zweck einer raschen und auf Härtefälle beschränkten Nothilfe bei indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden zu gewährleisten (E. 4.3.2.1, 4.3.3 und 5.3.4 hiervor).
5.4.4
Der Bundesrat zog beim Umfang und bei der Ausgestaltung der Unterstützungsleistungen mit ein, dass der finanziellen staatlichen Hilfe mit Blick auf die Sicherstellung der finanziellen Nachhaltigkeit des Staatshaushaltes Grenzen gesetzt sind. Deshalb lehnte er eine umfassende Abdeckung aller geforderten Entschädigungen mittels A-fonds-perdu-Beiträgen ab (vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 1. April 2020). Dies ist angesichts des grossen Unterstützungsbedarfs der vielen durch die wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus Betroffenen nicht zu beanstanden (zum Rechtfertigungsgrund der Aufrechterhaltung der Ordnung und des wirtschaftlichen Wohls des Landes vgl.
BGE 137 II 431
E. 2.1.2 und 4.1), zumal die Wirtschaftsfreiheit grundsätzlich auch keinen Anspruch auf staatliche Leistungen vermittelt. Die Argumentation der Beschwerdeführerin, eine Entschädigung der Ärzteschaft sei lediglich "ein Tropfen auf den heissen Stein", greift denn auch zu kurz: Sie berücksichtigt nicht, dass sich bei anderen Selbstständigerwerbenden des Gesundheitswesens sowie anderen Branchen dieselbe bzw. eine vergleichbare Problematik stellt und die Gewährung von Corona-Erwerbsersatz für gutverdienende, indirekt betroffene Selbstständigerwerbende nach Einschätzung der Verwaltung schwer bezifferbare, aber erhebliche Mehrkosten verursachen würde (vgl. Protokolle der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 10. und 14. September 2020 zur Debatte dieses Punktes im Rahmen der Beratung des Covid-19-Gesetzes). Es ist somit grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass der Bundesrat (mit Blick auf die gesamten finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie) im öffentlichen Interesse der finanziellen Nachhaltigkeit des Staatshaushaltes die Nothilfen, insbesondere den Corona-Erwerbsersatz von indirekt betroffenen Selbstständigerwerbenden auf Härtefälle beschränkte.
5.4.5
Die Vorinstanz ging davon aus, aufgrund von Art. 2 Abs. 3
bis
Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall erleide die Versicherte mit hohem Einkommen gegenüber ihren Konkurrenten mit lediglich geringem Einkommen lediglich einen geringen Wettbewerbsnachteil. Dies ist angesichts der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Beeinträchtigung der Wirtschaftsfreiheit in zeitlicher Hinsicht (17. März bis 26. April 2020) und der Höhe des Corona-Erwerbsersatzes (maximal Fr. 196.-pro Tag; Art. 5 Abs. 3 Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall[AS 2020 871]) nachvollziehbar. Zum anderen leuchtet dies hinsichtlich der Ärzteschaft mit Blick auf ihr
durchschnittliches Erwerbseinkommen besonders ein, beträgt dieses doch gemäss einer im angefochtenen Urteil zitierten Studie pro Jahr über Fr. 200'000.- und die meisten selbstständigerwerbenden Ärzte haben daher wie die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz (vgl. Büro für Arbeits- und sozialpolitische Studien BASS AG, Einkommen, OKP-Leistungen und Beschäftigungssituation der Ärzteschaft 2009-2014, S. 21 f. und S. 79 f.). Die hier zur Diskussion stehende Entschädigung von weniger als Fr. 10'000.-(41 Tage x Fr. 196.-) ist deshalb für den Wettbewerb zwischen der Beschwerdeführerin und der sie konkurrenzierenden Ärzteschaft von untergeordneter Bedeutung und kaum spürbar; es kann offengelassen werden, ob die statuierte Einkommensgrenze unter diesen Umständen, zumal es sich auch lediglich um eine vorübergehende Regelung handelt, überhaupt zu Wettbewerbsverzerrungen führt. So oder anders überwiegt hier das öffentliche Interesse an einer insgesamt zweckmässigen sowie finanziell tragbaren Lösung - einem grundlegenden und wichtigen öffentlichen Interesse - gegenüber der Gleichbehandlung der Konkurrenten. Mit der Vorinstanz ist deshalb festzuhalten, dass keine Verletzung der Wirtschaftsfreiheit vorliegt. | de | Art. 1 dell'ordinanza COVID-19 perdita di guadagno; art. 1 LIPG in relazione con l'art. 58 cpv. 1 LPGA e l'art. 24 cpv. 1 LIPG (e contrario). Contrariamente alla competenza prevista nei casi di ricorso contro le decisioni e le decisioni su opposizione delle casse di compensazione cantonali (sentenza 9C_738/2020 del 7 giugno 2021 consid. 3), il tribunale cantonale delle assicurazioni del domicilio degli assicurati, rispettivamente di un'altra parte, è competente per luogo nel caso di decisioni rese dalle casse professionali di compensazione sull'indennità perdita di guadagno in relazione con il coronavirus (consid. 1). | it | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-423%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,802 | 147 V 441 | 147 V 441
Sachverhalt ab Seite 442
A.
A.a
Der 1993 geborene A.A. leidet an einer schweren Sehbehinderung. Seit 1. November 2011 bezieht er Ergänzungsleistungen (EL) zu einer Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung (IV).
A.b
Nach der Heirat am 11. Juni 2018 und der Geburt seiner Tochter A.B. am 6. Juli 2019 berechnete die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Aargau (SVA) die Ergänzungsleistungen des A.A. neu. Sie setzte den Anspruch rückwirkend ab September 2018 und ab Juli 2019 neu fest (Verfügungen vom 18. Juli 2019 und 7. Februar 2020), wobei sie darauf hinwies, dass die Tochter in der Berechnung unberücksichtigt bleibe, weil sie keinen Anspruch auf eine Kinderrente habe. Daran hielt die SVA auf die von A.A. dagegen erhobenen Einsprachen hin fest (Entscheid vom 14. Mai 2020).
B.
Beschwerdeweise liess A.A. beantragen, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und die Verwaltung zu verpflichten, bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen ab Juli 2019 als Ausgabe die geleisteten familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge im Sinne von Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG (SR 831.30) gemäss der in Rz. 3272.04 der Wegleitung über die Ergänzungsleistungen (WEL) festgelegten Berechnungsweise zu berücksichtigen. Die Ergänzungsleistungen seien ab 1. Juli 2019 in der Höhe anzupassen und auszurichten. Mit Urteil vom 16. November 2020 wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau die Beschwerde ab.
C.
A.A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen, die Aufhebung des Urteils vom 16. November 2020 beantragen und das im kantonalen Verfahren gestellte Rechtsbegehren erneuern.
Die SVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) stellt den Antrag, die Beschwerde sei dahingehend gutzuheissen, als festzustellen sei, dass Rz. 3272.04 WEL der Bestimmung des Art. 9 Abs. 2 ELG nicht widerspreche und Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die genannte Weisungsbestimmung biete.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben unter anderem Personen mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz, die Anspruch auf eine Rente oder eine Hilflosenentschädigung der IV haben oder ununterbrochen während mindestens sechs Monaten ein Taggeld der IV beziehen (Art. 4 Abs. 1 lit. c ELG). Die jährliche Ergänzungsleistung entspricht dabei grundsätzlich dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Art. 9 Abs. 1 ELG).
3.2
Die anerkannten Ausgaben sowie die anrechenbaren Einnahmen von Ehegatten und Personen mit rentenberechtigten Waisen oder mit Kindern, die einen Anspruch auf eine Kinderrente der AHV oder IV begründen, werden zusammengerechnet; dies gilt auch für rentenberechtigte Waisen, die im selben Haushalt leben (Art. 9 Abs. 2 ELG). Kinder, welche diese Voraussetzung nicht erfüllen, fallen bei der Anspruchsberechnung ausser Betracht (Art. 8 Abs. 1 ELV [SR 831.301]).
Die Bestimmung des Art. 9 Abs. 2 ELG sieht bei der EL-Berechnung einen Einbezug lediglich der rentenberechtigten oder an der Rente beteiligten, d.h. einen Anspruch auf eine Kinderrente begründenden Kinder vor. Bei Personen, die ihre EL-Anspruchsberechtigung gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. c ELG nicht aus einer Rente, sondern aus einem Taggeld der IV ableiten und deren Kinder deshalb keinen Anspruch auf eine Kinderrente haben (und in der Regel auch nicht waisenrentenberechtigt sind), ist nach der Rechtsprechung, die von einem qualifizierten Schweigen des Gesetzgebers ausgeht, eine
gemeinsame EL-Berechnung im Sinne dieser Bestimmung ausgeschlossen (
BGE 139 V 307
mit Hinweis auf
BGE 119 V 189
). Gleiches muss für die Personen gelten, die eine Hilflosenentschädigung der IV beziehen, weil auch ihre Kinder keinen Anspruch auf eine Kinderrente begründen (vgl. zum Ganzen auch JÖHL/USINGER-EGGER, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 1740 f. Rz. 45 f.; MICHEL VALTERIO, Commentaire de la loi fédérale sur les prestations complémentaires à l'AVS et à l'AI, 2015, S. 60 f. und 63 Rz. 16; URS MÜLLER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum ELG, 3. Aufl. 2015, N. 92 zu Art. 9 ELG). Eine gemeinsame EL-Berechnung mit Einbezug der Einnahmen und Ausgaben der Kinder findet mithin bei diesen beiden Versichertenkategorien nicht statt.
3.3
Die anerkannten Ausgaben werden in Art. 10 ELG einzeln aufgezählt und abschliessend geregelt (Urteil 9C_69/2013 vom 9. August 2013 E. 6 in fine; JÖHL/USINGER-EGGER, a.a.O., S. 1777 f. Rz. 93). Dazu gehören unter anderem geleistete familienrechtliche Unterhaltsbeiträge (Abs. 3 lit. e).
3.3.1
Nach der Rechtsprechung ist für die Berücksichtigung einer Ausgabe als familienrechtliche Unterhaltszahlung im Sinne von Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG vorausgesetzt, dass sie richterlich, behördlich oder vertraglich festgesetzt und betraglich konkretisiert worden ist. Mit anderen Worten muss die Auseinandersetzung über den Bestand und die Höhe der konkreten familienrechtlichen Unterhaltspflicht der versicherten Person abgeschlossen sein (Urteil 9C_160/2018 vom 9. August 2018 E. 4.1, in: SVR 2018 EL Nr. 19 S. 49; Urteil P 38/06 vom 11. Oktober 2007 E. 4.2.2 mit Hinweisen [zu Art. 3b Abs. 3 lit. e aELG]; vgl. auch MÜLLER, a.a.O., N. 256 zu Art. 10 ELG; CARIGIET/KOCH, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, 2. Aufl. 2009, S. 144). Bei einer richterlich genehmigten Konvention oder vom Gericht festgelegten Unterhaltsbeiträgen sind die Organe der Sozialversicherung an den entsprechenden zivilrechtlichen Entscheid gebunden und nicht befugt, über die rechtskräftig entschiedene Frage selbständig zu befinden (Urteil 9C_396/2018 vom 20. Dezember 2018 E. 5.1, in: SVR 2019 EL Nr. 6 S. 11; Urteil 9C_740/2014 vom 9. März 2015 E. 4.1; JÖHL/USINGER-EGGER, a.a.O., S. 1795 Rz. 113; CARIGIET/KOCH, a.a.O., S. 145 f.).
3.3.2
Weiter sind nach der zu Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG ergangenen Rechtsprechung nur die tatsächlich erbrachten Unterhaltsbeiträge als
abzugsfähige Ausgaben anerkannt (Urteil P 12/04 vom 14. September 2005 E. 4.3, in: SVR 2007 EL Nr. 2 S. 3; Urteil P 53/03 vom 2. März 2004 E. 2 und 3 [zu Art. 3b Abs. 3 lit. e aELG], in: AHI 2004 S. 148; JÖHL/USINGER-EGGER, a.a.O., S. 1792 f. Rz. 111; VALTERIO, a.a.O., S. 112 Rz. 65; CARIGIET/KOCH, a.a.O., S. 147).
4.
Zur gemeinsamen EL-Berechnung nach Art. 9 Abs. 2 ELG und zur ausgabenseitigen Berücksichtigung familienrechtlicher Unterhaltsbeiträge gemäss Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG äussert sich auch die WEL (gültig ab 1. April 2011; Stand 1. Januar 2019). Auf deren Rz. 3272.04 stützt sich der Beschwerdeführer hinsichtlich der Unterhaltspflicht gegenüber seiner minderjährigen Tochter. Die Vorinstanz hält die Wegleitungsbestimmung für gesetzwidrig.
4.1
Gemäss Rz. 3124.04 WEL fallen minderjährige Kinder, die weder Anspruch auf eine Waisenrente haben noch Anspruch auf eine Kinderrente begründen, mit ihren vom Gesetz anerkannten Ausgaben und anrechenbaren Einnahmen sowie dem Vermögen bei der Berechnung der EL der Eltern ausser Betracht (Satz 1). Unterhaltsleistungen der Eltern an diese Kinder werden jedoch bei der Bemessung der den Eltern zustehenden jährlichen EL als Ausgabe berücksichtigt (Satz 2, wobei an dieser Stelle in Klammer auf Kapitel 3.2.7 verwiesen wird).
Im (in Rz. 3124.04 WEL am Ende erwähnten) Kapitel 3.2.7 der WEL, welches die familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge betrifft, wurden mit Wirkung auf 1. Januar 2017 verschiedene Änderungen vorgenommen, welche durch das gleichzeitig in Kraft getretene neue Kindesunterhaltsrecht (Art. 276 ff. ZGB) geprägt sind (vgl. Vorwort zum Nachtrag 6 der WEL). Im Zuge dieser Neuerungen wurden sämtliche Randziffern des bisherigen Kapitels 3.2.7 (d.h. die bisherigen Rz. 3270.01 bis 3270.06 WEL) aufgehoben. Das Kapitel ist neu in die Unterkapitel 3.2.7.1 "behördlich oder gerichtlich genehmigte oder festgelegte Unterhaltsleistungen" (Rz. 3271.01 bis 3271.05 WEL) und 3.2.7.2 "nicht behördlich oder gerichtlich genehmigte oder festgelegte Unterhaltsleistungen" (Rz. 3272.01 bis 3272.05 WEL) gegliedert.
Sowohl die Rz. 3272.04 WEL, auf welche sich der Beschwerdeführer für die von ihm geltend gemachte Anrechnung eines familienrechtlichen Unterhaltsbeitrages stützt, als auch Rz. 3272.01 WEL, die damit im Zusammenhang steht, befinden sich in diesem zweiten, die nicht behördlich oder gerichtlich genehmigten oder
festgelegten Unterhaltsleistungen betreffenden Unterkapitel. Als Grundsatz hält Rz. 3272.01 WEL fest, dass geschuldete und tatsächlich geleistete familienrechtliche Unterhaltsleistungen an Kinder, die nach Rz. 3124.04 WEL ausser Rechnung fallen (ebenso wie an getrennt lebende Ehegatten oder geschiedene Ex-Ehegatten, auf welche hier allerdings nicht weiter einzugehen ist), auch dann als Ausgaben berücksichtigt werden, wenn sie nicht durch eine Behörde oder ein Gericht genehmigt oder festgelegt wurden (Satz 1). Rz. 3272.03 ist zu beachten (Satz 2). Weiter sieht Rz. 3272.04 WEL vor, dass bei Personen, die ihre EL gestützt auf eine Hilflosenentschädigung oder ein Taggeld der IV erhalten, für minderjährige Kinder und für volljährige Kinder in Ausbildung, die das 25. Altersjahr noch nicht vollendet haben, immer ein familienrechtlicher Unterhaltsbeitrag als Ausgabe zu berücksichtigen ist. Wenn die Kinder im selben Haushalt leben, entspricht dessen Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich ausgerichteten EL-Betrag und dem EL-Betrag, den eine gemeinsame EL-Berechnung mit dem Kind gemäss Rz. 3133.02 ergeben würde.
4.2
Verwaltungsweisungen wie hier die WEL richten sich zwar grundsätzlich nur an die Durchführungsstellen und haben keine Verbindlichkeit für die Gerichte. Indessen weicht die Rechtsprechung von einer verwaltungsinternen Weisung nicht ohne triftigen Grund ab, wenn sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulässt und eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben enthält, wodurch dem Bestreben der Verwaltung Rechnung getragen wird, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten (
BGE 147 V 79
E. 7.3.2;
BGE 140 V 543
E. 3.2.2.1; je mit Hinweisen).
4.3
Es stellt sich mithin die Frage, ob Rz. 3272.01 und 3272.04 WEL die anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen - insbesondere auch mit Blick auf die in E. 3.2, 3.3.1 und 3.3.2 dargelegte Rechtsprechung - überzeugend auslegen. Zu prüfen ist dabei angesichts des hier zu beurteilenden Sachverhalts einzig der Fall von Unterhaltsleistungen an minderjährige Kinder, die mit dem EL-Ansprecher im selben Haushalt leben (vgl. zu den in Rz. 3272.04 WEL ebenfalls erwähnten volljährigen, noch in Ausbildung stehenden Kindern: Urteil 9C_396/2018 vom 20. Dezember 2018 E. 5.2, in: SVR 2019 EL Nr. 6 S. 11; MÜLLER, a.a.O., N. 260 zu Art. 10 ELG; vgl. auch Botschaft vom 29. November 2013 zu einer Änderung
des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Kindesunterhalt], BBl 2014 574 f. Ziff. 2.1.2).
4.3.1
Vorab ist klarzustellen, dass im Fall des Beschwerdeführers einzig die ausgabenseitige Anrechnung geleisteter familienrechtlicher Unterhaltsbeiträge gestützt auf Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG und nicht etwa eine gemeinsame Anspruchsberechnung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 ELG in Frage steht. Denn Letztere fällt nach der in E. 3.2 dargelegten Rechtsprechung ausser Betracht, weil die Tochter des Beschwerdeführers, der eine Hilflosenentschädigung der IV (und keine Rente) bezieht, weder Anspruch auf eine Waisen- noch auf eine Kinderrente hat (vgl. dazu auch Rz. 3124.04 Satz 1 WEL). Wie das BSV vernehmlassungsweise zutreffend vorbringt, stützt sich die angerufene Rz. 3272.04 WEL denn auch nicht auf Art. 9 Abs. 2 ELG, sondern auf Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG.
4.3.2
Werden nun aber die Kinder von Rentnern gemäss Art. 9 Abs. 2 ELG in die EL-Berechnung der Eltern einbezogen, während dies bei den Kindern von Bezügern einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV nicht der Fall ist, führt dies zu einer unterschiedlichen Ermittlung des Existenzbedarfs bei diesen beiden Versichertenkategorien: Den Bezügern einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV wird dabei ein geringerer Existenzbedarf zugestanden als den Rentnern, obwohl bei ihnen hinsichtlich der Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern identische Verhältnisse vorliegen (vgl. auch JÖHL/USINGER-EGGER, a.a.O., S. 1741). Dieser durch nichts gerechtfertigte Ungleichbehandlung wirkt Rz. 3272.04 WEL entgegen, wonach auch in der EL-Berechnung der Bezüger einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV ausgabenseitig ein entsprechender Unterhaltsbeitrag für Kinder zu berücksichtigen ist, dies in Konkretisierung der gesetzlichen Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG.
4.3.3
Es lassen sich weitere Argumente für die in Rz. 3272.01 in Verbindung mit Rz. 3272.04 WEL getroffene Lösung anführen: In der Lehre wird als nicht nachvollziehbare Konsequenz der in E. 3.2 wiedergegebenen Rechtsprechung kritisiert, dass der Bezüger einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV seinen in natura geleisteten Unterhalt nicht in der Form einer Erhöhung des massgebenden Lebensbedarfs gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. a Ziff. 3 ELG (die auf 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Änderungen bei dieser Bestimmung spielen im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle) in die Berechnung einbeziehen, aber den seinen Kindern in Geld
geleisteten Unterhalt gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. h ELG zum Abzug bringen kann; damit werde der EL-Ansprecher, der nicht mit seinen Kindern zusammenlebe, ungerechtfertigterweise bessergestellt (JÖHL/USINGER-EGGER, a.a.O., S. 1741). Diese Kritik ist insbesondere auch mit Blick auf das Kindesunterhaltsrecht (vgl. Art. 276 Abs. 1 ZGB), auf welches der Beschwerdeführer hinweist, begründet, denn dieses sieht eine Gleichwertigkeit des in natura (Naturalunterhalt) und des in Form von Geldleistungen (Geldunterhalt bzw. Bar- und Betreuungsunterhalt) erbrachten Unterhalts vor (Urteil 5A_727/2018 vom 22. August 2019 E. 4.3.1 [in: FamPra.ch 2019 S. 1215] mit Hinweis auf
BGE 135 III 66
E. 4 und
BGE 114 II 26
E. 5b).
Eine Privilegierung des nicht mit seinem Kind zusammenlebenden EL-Ansprechers ergibt sich weiter auch daraus, dass die in E. 3.3.1 wiedergegebene Rechtsprechung als Ausgaben im Sinne von Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG nur die Unterhaltsleistungen anerkennt, welche in Bestand und Höhe rechtsverbindlich, d.h. richterlich, behördlich oder vertraglich festgesetzt worden sind. Über einen solchen Titel verfügt der EL-Ansprecher, der mit seinem Kind im selben Haushalt lebt und sowohl in natura als auch in Form von Geldleistungen für den Kindesunterhalt aufkommt, zumeist nicht, dies im Unterschied zum EL-Ansprecher, der von seinem Kind getrennt lebt und dessen Unterhaltspflicht in der Regel behördlich oder gerichtlich (oder allenfalls vertraglich) geregelt ist. Eine Benachteiligung des im selben Haushalt mit dem Kind lebenden EL-Ansprechers, dessen Unterhaltsleistungen (in natura und in Form von Geldleistungen) im Übrigen regelmässig höher ausfallen dürften als diejenigen des nicht im selben Haushalt lebenden EL-Ansprechers, lässt sich nicht rechtfertigen. Im Sinne einer Gleichbehandlung der beiden Versichertenkategorien ist es vielmehr angezeigt, seine Unterhaltsleistungen auch ohne rechtsverbindliche Festsetzung (bzw. ohne behördliche oder gerichtliche Genehmigung oder Festlegung, wie es in Rz. 3272.01 Satz 1 WEL heisst) als Ausgabe anzurechnen.
Bei dieser Sachlage bestehen hinsichtlich der ausgabenseitigen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen, welche die Bezüger einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV an ihre Kinder erbringen, gute Gründe für eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen - die neue Lösung muss besserer Erkenntnis des Gesetzeszwecks, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauen entsprechen (
BGE 146 I 105
E. 5.2.2;
BGE 145 V 50
E. 4.3.1;
BGE 141 II 297
E. 5.5.1;
BGE 140 V 538
E. 4.5 mit Hinweisen) - sind erfüllt: Die Bestimmung
des Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG hat zum Zweck, einen aufgrund von Unterhaltspflichten erhöhten Existenzbedarf auszugleichen. Soll sie diesen auch bei Bezügern einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV erfüllen, deren Kinder nach Art. 9 Abs. 2 ELG ausser Rechnung fallen, darf bei ihnen an dem von der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernis der rechtsverbindlichen Festlegung der Unterhaltsbeiträge nicht länger festgehalten werden. Es kann den EL-Ansprechern, die eine Hilflosenentschädigung oder ein Taggeld der IV beziehen und mit ausser Rechnung fallenden Kindern im gemeinsamen Haushalt leben, nicht zugemutet werden, die Unterhaltsbeiträge für die Kinder einzig deshalb rechtsverbindlich festsetzen zu lassen, damit diese im Rahmen der EL-Berechnung berücksichtigt werden können. Dies widerspräche im Übrigen auch dem seit 1. Januar 2017 in Kraft stehenden neuen Kindesunterhaltsrecht, welches den Unterhaltsanspruch des Kindes unter anderem durch die Förderung einvernehmlicher Lösungen stärken (vgl. BBl 2014 529 ff., 584 Ziff. 2.5) und allen minderjährigen unterhaltsberechtigten Kindern unabhängig vom Schicksal der Beziehung der Eltern Anspruch auf dieselben Leistungen verleihen will (BBl 2014 550 Ziff. 1.5.1, 574 Ziff. 2.1.2). Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf den Grundsatz der Rechtsgleichheit ist es deshalb angezeigt, die entsprechenden Unterhaltsleistungen an minderjährige Kinder bei Bezügern einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV in jedem Fall ausgabenseitig einzubeziehen, mithin ohne Rücksicht darauf, ob die Unterhaltsleistungen rechtsverbindlich (gerichtlich, behördlich oder vertraglich) festgelegt worden sind. Auf dieser Linie liegt die in Rz. 3272.01 WEL getroffene (und in Rz. 3272. 04 WEL konkretisierte [dazu E. 4.3.4]) Regelung.
4.3.4
In welcher Höhe einem EL-Ansprecher, der eine Hilflosenentschädigung oder ein Taggeld der IV bezieht, gestützt auf Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG Unterhaltsleistungen an gemäss Art. 9 Abs. 2 ELG ausser Rechnung fallende, mit ihm im selben Haushalt lebende minderjährige Kinder anzurechnen sind, regelt Rz. 3272.04 WEL. Die darin vorgesehene Berechnungsweise - es ist die Differenz zu ermitteln zwischen dem tatsächlich ausgerichteten EL-Betrag und dem EL-Betrag, den eine gemeinsame EL-Berechnung mit dem Kind gemäss Rz. 3133.02 WEL ergeben würde - korrigiert die in E. 4.3.2 und 4.3.3 aufgezeigte, durch nichts gerechtfertigte Benachteiligung der Bezüger von Hilflosenentschädigungen und Taggeldleistungen der IV. Sie hält damit eine dem Einzelfall gerecht werdende Auslegung
der Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG bereit, gegen welche sich nichts einwenden lässt. Zu beachten bleibt, dass der Betrag praxisgemäss maximal den tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträgen entsprechen darf (vgl. E. 3.3.2 hiervor), welche Grenze in Rz. 3272.04 WEL zwar nicht ausdrücklich erwähnt wird, aber auch nach dem Verständnis des BSV, wie es in der Vernehmlassung zum Ausdruck kommt, Geltung beansprucht.
4.4
Zusammenfassend ergibt sich, dass bei Personen, die ihre EL aufgrund einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV erhalten, gestützt auf Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG und Rz. 3272.04 WEL für im selben Haushalt lebende minderjährige Kinder auch ohne rechtsverbindliche Festlegung und damit abweichend von der bisherigen Rechtsprechung (E. 3.3.1) ein familienrechtlicher Unterhaltsbeitrag als Ausgabe zu berücksichtigen ist. Seine Höhe entspricht der Differenz zwischen dem tatsächlich ausgerichteten EL-Betrag und dem EL-Betrag, den eine gemeinsame EL-Berechnung mit dem Kind nach Art. 9 Abs. 2 ELG ergeben würde, wobei die tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträge nicht überschritten werden dürfen. | de | Art. 9 Abs. 2 und Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG; Berechnung der Ergänzungsleistung bei Personen, die eine Hilflosenentschädigung der IV beziehen.
Eine gemeinsame EL-Berechnung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 ELG findet bei Personen, die eine Hilflosenentschädigung der IV beziehen, nicht statt (ebenso wenig wie gemäss
BGE 139 V 307
bei Taggeldbezügern [E. 3.2]).
Bei Personen, die ihre EL aufgrund einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV erhalten, ist gestützt auf Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG und Rz. 3272.04 WEL für im selben Haushalt lebende minderjährige Kinder auch ohne rechtsverbindliche Festlegung und damit abweichend von der bisherigen Rechtsprechung (E. 3.3.1) ein familienrechtlicher Unterhaltsbeitrag als Ausgabe zu berücksichtigen. Seine Höhe entspricht der Differenz zwischen dem tatsächlich ausgerichteten EL-Betrag und dem EL-Betrag, den eine gemeinsame EL-Berechnung mit dem Kind nach Art. 9 Abs. 2 ELG ergeben würde, wobei die tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträge nicht überschriten werden dürfen (E. 4.4). | de | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-441%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,803 | 147 V 441 | 147 V 441
Sachverhalt ab Seite 442
A.
A.a
Der 1993 geborene A.A. leidet an einer schweren Sehbehinderung. Seit 1. November 2011 bezieht er Ergänzungsleistungen (EL) zu einer Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung (IV).
A.b
Nach der Heirat am 11. Juni 2018 und der Geburt seiner Tochter A.B. am 6. Juli 2019 berechnete die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Aargau (SVA) die Ergänzungsleistungen des A.A. neu. Sie setzte den Anspruch rückwirkend ab September 2018 und ab Juli 2019 neu fest (Verfügungen vom 18. Juli 2019 und 7. Februar 2020), wobei sie darauf hinwies, dass die Tochter in der Berechnung unberücksichtigt bleibe, weil sie keinen Anspruch auf eine Kinderrente habe. Daran hielt die SVA auf die von A.A. dagegen erhobenen Einsprachen hin fest (Entscheid vom 14. Mai 2020).
B.
Beschwerdeweise liess A.A. beantragen, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und die Verwaltung zu verpflichten, bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen ab Juli 2019 als Ausgabe die geleisteten familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge im Sinne von Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG (SR 831.30) gemäss der in Rz. 3272.04 der Wegleitung über die Ergänzungsleistungen (WEL) festgelegten Berechnungsweise zu berücksichtigen. Die Ergänzungsleistungen seien ab 1. Juli 2019 in der Höhe anzupassen und auszurichten. Mit Urteil vom 16. November 2020 wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau die Beschwerde ab.
C.
A.A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen, die Aufhebung des Urteils vom 16. November 2020 beantragen und das im kantonalen Verfahren gestellte Rechtsbegehren erneuern.
Die SVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) stellt den Antrag, die Beschwerde sei dahingehend gutzuheissen, als festzustellen sei, dass Rz. 3272.04 WEL der Bestimmung des Art. 9 Abs. 2 ELG nicht widerspreche und Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die genannte Weisungsbestimmung biete.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben unter anderem Personen mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz, die Anspruch auf eine Rente oder eine Hilflosenentschädigung der IV haben oder ununterbrochen während mindestens sechs Monaten ein Taggeld der IV beziehen (Art. 4 Abs. 1 lit. c ELG). Die jährliche Ergänzungsleistung entspricht dabei grundsätzlich dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Art. 9 Abs. 1 ELG).
3.2
Die anerkannten Ausgaben sowie die anrechenbaren Einnahmen von Ehegatten und Personen mit rentenberechtigten Waisen oder mit Kindern, die einen Anspruch auf eine Kinderrente der AHV oder IV begründen, werden zusammengerechnet; dies gilt auch für rentenberechtigte Waisen, die im selben Haushalt leben (Art. 9 Abs. 2 ELG). Kinder, welche diese Voraussetzung nicht erfüllen, fallen bei der Anspruchsberechnung ausser Betracht (Art. 8 Abs. 1 ELV [SR 831.301]).
Die Bestimmung des Art. 9 Abs. 2 ELG sieht bei der EL-Berechnung einen Einbezug lediglich der rentenberechtigten oder an der Rente beteiligten, d.h. einen Anspruch auf eine Kinderrente begründenden Kinder vor. Bei Personen, die ihre EL-Anspruchsberechtigung gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. c ELG nicht aus einer Rente, sondern aus einem Taggeld der IV ableiten und deren Kinder deshalb keinen Anspruch auf eine Kinderrente haben (und in der Regel auch nicht waisenrentenberechtigt sind), ist nach der Rechtsprechung, die von einem qualifizierten Schweigen des Gesetzgebers ausgeht, eine
gemeinsame EL-Berechnung im Sinne dieser Bestimmung ausgeschlossen (
BGE 139 V 307
mit Hinweis auf
BGE 119 V 189
). Gleiches muss für die Personen gelten, die eine Hilflosenentschädigung der IV beziehen, weil auch ihre Kinder keinen Anspruch auf eine Kinderrente begründen (vgl. zum Ganzen auch JÖHL/USINGER-EGGER, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 1740 f. Rz. 45 f.; MICHEL VALTERIO, Commentaire de la loi fédérale sur les prestations complémentaires à l'AVS et à l'AI, 2015, S. 60 f. und 63 Rz. 16; URS MÜLLER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum ELG, 3. Aufl. 2015, N. 92 zu Art. 9 ELG). Eine gemeinsame EL-Berechnung mit Einbezug der Einnahmen und Ausgaben der Kinder findet mithin bei diesen beiden Versichertenkategorien nicht statt.
3.3
Die anerkannten Ausgaben werden in Art. 10 ELG einzeln aufgezählt und abschliessend geregelt (Urteil 9C_69/2013 vom 9. August 2013 E. 6 in fine; JÖHL/USINGER-EGGER, a.a.O., S. 1777 f. Rz. 93). Dazu gehören unter anderem geleistete familienrechtliche Unterhaltsbeiträge (Abs. 3 lit. e).
3.3.1
Nach der Rechtsprechung ist für die Berücksichtigung einer Ausgabe als familienrechtliche Unterhaltszahlung im Sinne von Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG vorausgesetzt, dass sie richterlich, behördlich oder vertraglich festgesetzt und betraglich konkretisiert worden ist. Mit anderen Worten muss die Auseinandersetzung über den Bestand und die Höhe der konkreten familienrechtlichen Unterhaltspflicht der versicherten Person abgeschlossen sein (Urteil 9C_160/2018 vom 9. August 2018 E. 4.1, in: SVR 2018 EL Nr. 19 S. 49; Urteil P 38/06 vom 11. Oktober 2007 E. 4.2.2 mit Hinweisen [zu Art. 3b Abs. 3 lit. e aELG]; vgl. auch MÜLLER, a.a.O., N. 256 zu Art. 10 ELG; CARIGIET/KOCH, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, 2. Aufl. 2009, S. 144). Bei einer richterlich genehmigten Konvention oder vom Gericht festgelegten Unterhaltsbeiträgen sind die Organe der Sozialversicherung an den entsprechenden zivilrechtlichen Entscheid gebunden und nicht befugt, über die rechtskräftig entschiedene Frage selbständig zu befinden (Urteil 9C_396/2018 vom 20. Dezember 2018 E. 5.1, in: SVR 2019 EL Nr. 6 S. 11; Urteil 9C_740/2014 vom 9. März 2015 E. 4.1; JÖHL/USINGER-EGGER, a.a.O., S. 1795 Rz. 113; CARIGIET/KOCH, a.a.O., S. 145 f.).
3.3.2
Weiter sind nach der zu Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG ergangenen Rechtsprechung nur die tatsächlich erbrachten Unterhaltsbeiträge als
abzugsfähige Ausgaben anerkannt (Urteil P 12/04 vom 14. September 2005 E. 4.3, in: SVR 2007 EL Nr. 2 S. 3; Urteil P 53/03 vom 2. März 2004 E. 2 und 3 [zu Art. 3b Abs. 3 lit. e aELG], in: AHI 2004 S. 148; JÖHL/USINGER-EGGER, a.a.O., S. 1792 f. Rz. 111; VALTERIO, a.a.O., S. 112 Rz. 65; CARIGIET/KOCH, a.a.O., S. 147).
4.
Zur gemeinsamen EL-Berechnung nach Art. 9 Abs. 2 ELG und zur ausgabenseitigen Berücksichtigung familienrechtlicher Unterhaltsbeiträge gemäss Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG äussert sich auch die WEL (gültig ab 1. April 2011; Stand 1. Januar 2019). Auf deren Rz. 3272.04 stützt sich der Beschwerdeführer hinsichtlich der Unterhaltspflicht gegenüber seiner minderjährigen Tochter. Die Vorinstanz hält die Wegleitungsbestimmung für gesetzwidrig.
4.1
Gemäss Rz. 3124.04 WEL fallen minderjährige Kinder, die weder Anspruch auf eine Waisenrente haben noch Anspruch auf eine Kinderrente begründen, mit ihren vom Gesetz anerkannten Ausgaben und anrechenbaren Einnahmen sowie dem Vermögen bei der Berechnung der EL der Eltern ausser Betracht (Satz 1). Unterhaltsleistungen der Eltern an diese Kinder werden jedoch bei der Bemessung der den Eltern zustehenden jährlichen EL als Ausgabe berücksichtigt (Satz 2, wobei an dieser Stelle in Klammer auf Kapitel 3.2.7 verwiesen wird).
Im (in Rz. 3124.04 WEL am Ende erwähnten) Kapitel 3.2.7 der WEL, welches die familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge betrifft, wurden mit Wirkung auf 1. Januar 2017 verschiedene Änderungen vorgenommen, welche durch das gleichzeitig in Kraft getretene neue Kindesunterhaltsrecht (Art. 276 ff. ZGB) geprägt sind (vgl. Vorwort zum Nachtrag 6 der WEL). Im Zuge dieser Neuerungen wurden sämtliche Randziffern des bisherigen Kapitels 3.2.7 (d.h. die bisherigen Rz. 3270.01 bis 3270.06 WEL) aufgehoben. Das Kapitel ist neu in die Unterkapitel 3.2.7.1 "behördlich oder gerichtlich genehmigte oder festgelegte Unterhaltsleistungen" (Rz. 3271.01 bis 3271.05 WEL) und 3.2.7.2 "nicht behördlich oder gerichtlich genehmigte oder festgelegte Unterhaltsleistungen" (Rz. 3272.01 bis 3272.05 WEL) gegliedert.
Sowohl die Rz. 3272.04 WEL, auf welche sich der Beschwerdeführer für die von ihm geltend gemachte Anrechnung eines familienrechtlichen Unterhaltsbeitrages stützt, als auch Rz. 3272.01 WEL, die damit im Zusammenhang steht, befinden sich in diesem zweiten, die nicht behördlich oder gerichtlich genehmigten oder
festgelegten Unterhaltsleistungen betreffenden Unterkapitel. Als Grundsatz hält Rz. 3272.01 WEL fest, dass geschuldete und tatsächlich geleistete familienrechtliche Unterhaltsleistungen an Kinder, die nach Rz. 3124.04 WEL ausser Rechnung fallen (ebenso wie an getrennt lebende Ehegatten oder geschiedene Ex-Ehegatten, auf welche hier allerdings nicht weiter einzugehen ist), auch dann als Ausgaben berücksichtigt werden, wenn sie nicht durch eine Behörde oder ein Gericht genehmigt oder festgelegt wurden (Satz 1). Rz. 3272.03 ist zu beachten (Satz 2). Weiter sieht Rz. 3272.04 WEL vor, dass bei Personen, die ihre EL gestützt auf eine Hilflosenentschädigung oder ein Taggeld der IV erhalten, für minderjährige Kinder und für volljährige Kinder in Ausbildung, die das 25. Altersjahr noch nicht vollendet haben, immer ein familienrechtlicher Unterhaltsbeitrag als Ausgabe zu berücksichtigen ist. Wenn die Kinder im selben Haushalt leben, entspricht dessen Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich ausgerichteten EL-Betrag und dem EL-Betrag, den eine gemeinsame EL-Berechnung mit dem Kind gemäss Rz. 3133.02 ergeben würde.
4.2
Verwaltungsweisungen wie hier die WEL richten sich zwar grundsätzlich nur an die Durchführungsstellen und haben keine Verbindlichkeit für die Gerichte. Indessen weicht die Rechtsprechung von einer verwaltungsinternen Weisung nicht ohne triftigen Grund ab, wenn sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulässt und eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben enthält, wodurch dem Bestreben der Verwaltung Rechnung getragen wird, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten (
BGE 147 V 79
E. 7.3.2;
BGE 140 V 543
E. 3.2.2.1; je mit Hinweisen).
4.3
Es stellt sich mithin die Frage, ob Rz. 3272.01 und 3272.04 WEL die anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen - insbesondere auch mit Blick auf die in E. 3.2, 3.3.1 und 3.3.2 dargelegte Rechtsprechung - überzeugend auslegen. Zu prüfen ist dabei angesichts des hier zu beurteilenden Sachverhalts einzig der Fall von Unterhaltsleistungen an minderjährige Kinder, die mit dem EL-Ansprecher im selben Haushalt leben (vgl. zu den in Rz. 3272.04 WEL ebenfalls erwähnten volljährigen, noch in Ausbildung stehenden Kindern: Urteil 9C_396/2018 vom 20. Dezember 2018 E. 5.2, in: SVR 2019 EL Nr. 6 S. 11; MÜLLER, a.a.O., N. 260 zu Art. 10 ELG; vgl. auch Botschaft vom 29. November 2013 zu einer Änderung
des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Kindesunterhalt], BBl 2014 574 f. Ziff. 2.1.2).
4.3.1
Vorab ist klarzustellen, dass im Fall des Beschwerdeführers einzig die ausgabenseitige Anrechnung geleisteter familienrechtlicher Unterhaltsbeiträge gestützt auf Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG und nicht etwa eine gemeinsame Anspruchsberechnung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 ELG in Frage steht. Denn Letztere fällt nach der in E. 3.2 dargelegten Rechtsprechung ausser Betracht, weil die Tochter des Beschwerdeführers, der eine Hilflosenentschädigung der IV (und keine Rente) bezieht, weder Anspruch auf eine Waisen- noch auf eine Kinderrente hat (vgl. dazu auch Rz. 3124.04 Satz 1 WEL). Wie das BSV vernehmlassungsweise zutreffend vorbringt, stützt sich die angerufene Rz. 3272.04 WEL denn auch nicht auf Art. 9 Abs. 2 ELG, sondern auf Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG.
4.3.2
Werden nun aber die Kinder von Rentnern gemäss Art. 9 Abs. 2 ELG in die EL-Berechnung der Eltern einbezogen, während dies bei den Kindern von Bezügern einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV nicht der Fall ist, führt dies zu einer unterschiedlichen Ermittlung des Existenzbedarfs bei diesen beiden Versichertenkategorien: Den Bezügern einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV wird dabei ein geringerer Existenzbedarf zugestanden als den Rentnern, obwohl bei ihnen hinsichtlich der Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern identische Verhältnisse vorliegen (vgl. auch JÖHL/USINGER-EGGER, a.a.O., S. 1741). Dieser durch nichts gerechtfertigte Ungleichbehandlung wirkt Rz. 3272.04 WEL entgegen, wonach auch in der EL-Berechnung der Bezüger einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV ausgabenseitig ein entsprechender Unterhaltsbeitrag für Kinder zu berücksichtigen ist, dies in Konkretisierung der gesetzlichen Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG.
4.3.3
Es lassen sich weitere Argumente für die in Rz. 3272.01 in Verbindung mit Rz. 3272.04 WEL getroffene Lösung anführen: In der Lehre wird als nicht nachvollziehbare Konsequenz der in E. 3.2 wiedergegebenen Rechtsprechung kritisiert, dass der Bezüger einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV seinen in natura geleisteten Unterhalt nicht in der Form einer Erhöhung des massgebenden Lebensbedarfs gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. a Ziff. 3 ELG (die auf 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Änderungen bei dieser Bestimmung spielen im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle) in die Berechnung einbeziehen, aber den seinen Kindern in Geld
geleisteten Unterhalt gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. h ELG zum Abzug bringen kann; damit werde der EL-Ansprecher, der nicht mit seinen Kindern zusammenlebe, ungerechtfertigterweise bessergestellt (JÖHL/USINGER-EGGER, a.a.O., S. 1741). Diese Kritik ist insbesondere auch mit Blick auf das Kindesunterhaltsrecht (vgl. Art. 276 Abs. 1 ZGB), auf welches der Beschwerdeführer hinweist, begründet, denn dieses sieht eine Gleichwertigkeit des in natura (Naturalunterhalt) und des in Form von Geldleistungen (Geldunterhalt bzw. Bar- und Betreuungsunterhalt) erbrachten Unterhalts vor (Urteil 5A_727/2018 vom 22. August 2019 E. 4.3.1 [in: FamPra.ch 2019 S. 1215] mit Hinweis auf
BGE 135 III 66
E. 4 und
BGE 114 II 26
E. 5b).
Eine Privilegierung des nicht mit seinem Kind zusammenlebenden EL-Ansprechers ergibt sich weiter auch daraus, dass die in E. 3.3.1 wiedergegebene Rechtsprechung als Ausgaben im Sinne von Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG nur die Unterhaltsleistungen anerkennt, welche in Bestand und Höhe rechtsverbindlich, d.h. richterlich, behördlich oder vertraglich festgesetzt worden sind. Über einen solchen Titel verfügt der EL-Ansprecher, der mit seinem Kind im selben Haushalt lebt und sowohl in natura als auch in Form von Geldleistungen für den Kindesunterhalt aufkommt, zumeist nicht, dies im Unterschied zum EL-Ansprecher, der von seinem Kind getrennt lebt und dessen Unterhaltspflicht in der Regel behördlich oder gerichtlich (oder allenfalls vertraglich) geregelt ist. Eine Benachteiligung des im selben Haushalt mit dem Kind lebenden EL-Ansprechers, dessen Unterhaltsleistungen (in natura und in Form von Geldleistungen) im Übrigen regelmässig höher ausfallen dürften als diejenigen des nicht im selben Haushalt lebenden EL-Ansprechers, lässt sich nicht rechtfertigen. Im Sinne einer Gleichbehandlung der beiden Versichertenkategorien ist es vielmehr angezeigt, seine Unterhaltsleistungen auch ohne rechtsverbindliche Festsetzung (bzw. ohne behördliche oder gerichtliche Genehmigung oder Festlegung, wie es in Rz. 3272.01 Satz 1 WEL heisst) als Ausgabe anzurechnen.
Bei dieser Sachlage bestehen hinsichtlich der ausgabenseitigen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen, welche die Bezüger einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV an ihre Kinder erbringen, gute Gründe für eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen - die neue Lösung muss besserer Erkenntnis des Gesetzeszwecks, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauen entsprechen (
BGE 146 I 105
E. 5.2.2;
BGE 145 V 50
E. 4.3.1;
BGE 141 II 297
E. 5.5.1;
BGE 140 V 538
E. 4.5 mit Hinweisen) - sind erfüllt: Die Bestimmung
des Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG hat zum Zweck, einen aufgrund von Unterhaltspflichten erhöhten Existenzbedarf auszugleichen. Soll sie diesen auch bei Bezügern einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV erfüllen, deren Kinder nach Art. 9 Abs. 2 ELG ausser Rechnung fallen, darf bei ihnen an dem von der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernis der rechtsverbindlichen Festlegung der Unterhaltsbeiträge nicht länger festgehalten werden. Es kann den EL-Ansprechern, die eine Hilflosenentschädigung oder ein Taggeld der IV beziehen und mit ausser Rechnung fallenden Kindern im gemeinsamen Haushalt leben, nicht zugemutet werden, die Unterhaltsbeiträge für die Kinder einzig deshalb rechtsverbindlich festsetzen zu lassen, damit diese im Rahmen der EL-Berechnung berücksichtigt werden können. Dies widerspräche im Übrigen auch dem seit 1. Januar 2017 in Kraft stehenden neuen Kindesunterhaltsrecht, welches den Unterhaltsanspruch des Kindes unter anderem durch die Förderung einvernehmlicher Lösungen stärken (vgl. BBl 2014 529 ff., 584 Ziff. 2.5) und allen minderjährigen unterhaltsberechtigten Kindern unabhängig vom Schicksal der Beziehung der Eltern Anspruch auf dieselben Leistungen verleihen will (BBl 2014 550 Ziff. 1.5.1, 574 Ziff. 2.1.2). Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf den Grundsatz der Rechtsgleichheit ist es deshalb angezeigt, die entsprechenden Unterhaltsleistungen an minderjährige Kinder bei Bezügern einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV in jedem Fall ausgabenseitig einzubeziehen, mithin ohne Rücksicht darauf, ob die Unterhaltsleistungen rechtsverbindlich (gerichtlich, behördlich oder vertraglich) festgelegt worden sind. Auf dieser Linie liegt die in Rz. 3272.01 WEL getroffene (und in Rz. 3272. 04 WEL konkretisierte [dazu E. 4.3.4]) Regelung.
4.3.4
In welcher Höhe einem EL-Ansprecher, der eine Hilflosenentschädigung oder ein Taggeld der IV bezieht, gestützt auf Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG Unterhaltsleistungen an gemäss Art. 9 Abs. 2 ELG ausser Rechnung fallende, mit ihm im selben Haushalt lebende minderjährige Kinder anzurechnen sind, regelt Rz. 3272.04 WEL. Die darin vorgesehene Berechnungsweise - es ist die Differenz zu ermitteln zwischen dem tatsächlich ausgerichteten EL-Betrag und dem EL-Betrag, den eine gemeinsame EL-Berechnung mit dem Kind gemäss Rz. 3133.02 WEL ergeben würde - korrigiert die in E. 4.3.2 und 4.3.3 aufgezeigte, durch nichts gerechtfertigte Benachteiligung der Bezüger von Hilflosenentschädigungen und Taggeldleistungen der IV. Sie hält damit eine dem Einzelfall gerecht werdende Auslegung
der Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG bereit, gegen welche sich nichts einwenden lässt. Zu beachten bleibt, dass der Betrag praxisgemäss maximal den tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträgen entsprechen darf (vgl. E. 3.3.2 hiervor), welche Grenze in Rz. 3272.04 WEL zwar nicht ausdrücklich erwähnt wird, aber auch nach dem Verständnis des BSV, wie es in der Vernehmlassung zum Ausdruck kommt, Geltung beansprucht.
4.4
Zusammenfassend ergibt sich, dass bei Personen, die ihre EL aufgrund einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV erhalten, gestützt auf Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG und Rz. 3272.04 WEL für im selben Haushalt lebende minderjährige Kinder auch ohne rechtsverbindliche Festlegung und damit abweichend von der bisherigen Rechtsprechung (E. 3.3.1) ein familienrechtlicher Unterhaltsbeitrag als Ausgabe zu berücksichtigen ist. Seine Höhe entspricht der Differenz zwischen dem tatsächlich ausgerichteten EL-Betrag und dem EL-Betrag, den eine gemeinsame EL-Berechnung mit dem Kind nach Art. 9 Abs. 2 ELG ergeben würde, wobei die tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträge nicht überschritten werden dürfen. | de | Art. 9 al. 2 et art. 10 al. 3 let. e LPC; calcul de la prestation complémentaire pour les personnes qui reçoivent une allocation pour impotent de l'AI.
Un calcul global des PC au sens de l'art. 9 al. 2 LPC n'a pas lieu d'être pour les personnes qui reçoivent une allocation pour impotent de l'AI (pas plus que pour les bénéficiaires d'indemnités journalières conformément à l'
ATF 139 V 307
[consid. 3.2]).
Pour les personnes qui perçoivent leurs PC en raison d'une allocation pour impotent ou d'une indemnité journalière de l'AI, une pension alimentaire versée en vertu du droit de la famille pour des enfants mineurs vivant dans le même ménage doit, sur la base de l'art. 10 al. 3 let. e LPC et du ch. 3272.04 DPC, être considérée comme une dépense même sans constatation juridiquement contraignante et, partant, en dérogation à la jurisprudence antérieure (consid. 3.3.1). Son montant correspond à la différence entre le montant des PC effectivement versé et le montant des PC qui aurait été déterminé sur la base d'un calcul global des PC comprenant l'enfant selon l'art. 9 al. 2 LPC, les contributions d'entretien effectivement payées ne devant pas être dépassées (consid. 4.4). | fr | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-441%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,804 | 147 V 441 | 147 V 441
Sachverhalt ab Seite 442
A.
A.a
Der 1993 geborene A.A. leidet an einer schweren Sehbehinderung. Seit 1. November 2011 bezieht er Ergänzungsleistungen (EL) zu einer Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung (IV).
A.b
Nach der Heirat am 11. Juni 2018 und der Geburt seiner Tochter A.B. am 6. Juli 2019 berechnete die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Aargau (SVA) die Ergänzungsleistungen des A.A. neu. Sie setzte den Anspruch rückwirkend ab September 2018 und ab Juli 2019 neu fest (Verfügungen vom 18. Juli 2019 und 7. Februar 2020), wobei sie darauf hinwies, dass die Tochter in der Berechnung unberücksichtigt bleibe, weil sie keinen Anspruch auf eine Kinderrente habe. Daran hielt die SVA auf die von A.A. dagegen erhobenen Einsprachen hin fest (Entscheid vom 14. Mai 2020).
B.
Beschwerdeweise liess A.A. beantragen, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und die Verwaltung zu verpflichten, bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen ab Juli 2019 als Ausgabe die geleisteten familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge im Sinne von Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG (SR 831.30) gemäss der in Rz. 3272.04 der Wegleitung über die Ergänzungsleistungen (WEL) festgelegten Berechnungsweise zu berücksichtigen. Die Ergänzungsleistungen seien ab 1. Juli 2019 in der Höhe anzupassen und auszurichten. Mit Urteil vom 16. November 2020 wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau die Beschwerde ab.
C.
A.A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen, die Aufhebung des Urteils vom 16. November 2020 beantragen und das im kantonalen Verfahren gestellte Rechtsbegehren erneuern.
Die SVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) stellt den Antrag, die Beschwerde sei dahingehend gutzuheissen, als festzustellen sei, dass Rz. 3272.04 WEL der Bestimmung des Art. 9 Abs. 2 ELG nicht widerspreche und Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die genannte Weisungsbestimmung biete.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben unter anderem Personen mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz, die Anspruch auf eine Rente oder eine Hilflosenentschädigung der IV haben oder ununterbrochen während mindestens sechs Monaten ein Taggeld der IV beziehen (Art. 4 Abs. 1 lit. c ELG). Die jährliche Ergänzungsleistung entspricht dabei grundsätzlich dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Art. 9 Abs. 1 ELG).
3.2
Die anerkannten Ausgaben sowie die anrechenbaren Einnahmen von Ehegatten und Personen mit rentenberechtigten Waisen oder mit Kindern, die einen Anspruch auf eine Kinderrente der AHV oder IV begründen, werden zusammengerechnet; dies gilt auch für rentenberechtigte Waisen, die im selben Haushalt leben (Art. 9 Abs. 2 ELG). Kinder, welche diese Voraussetzung nicht erfüllen, fallen bei der Anspruchsberechnung ausser Betracht (Art. 8 Abs. 1 ELV [SR 831.301]).
Die Bestimmung des Art. 9 Abs. 2 ELG sieht bei der EL-Berechnung einen Einbezug lediglich der rentenberechtigten oder an der Rente beteiligten, d.h. einen Anspruch auf eine Kinderrente begründenden Kinder vor. Bei Personen, die ihre EL-Anspruchsberechtigung gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. c ELG nicht aus einer Rente, sondern aus einem Taggeld der IV ableiten und deren Kinder deshalb keinen Anspruch auf eine Kinderrente haben (und in der Regel auch nicht waisenrentenberechtigt sind), ist nach der Rechtsprechung, die von einem qualifizierten Schweigen des Gesetzgebers ausgeht, eine
gemeinsame EL-Berechnung im Sinne dieser Bestimmung ausgeschlossen (
BGE 139 V 307
mit Hinweis auf
BGE 119 V 189
). Gleiches muss für die Personen gelten, die eine Hilflosenentschädigung der IV beziehen, weil auch ihre Kinder keinen Anspruch auf eine Kinderrente begründen (vgl. zum Ganzen auch JÖHL/USINGER-EGGER, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 1740 f. Rz. 45 f.; MICHEL VALTERIO, Commentaire de la loi fédérale sur les prestations complémentaires à l'AVS et à l'AI, 2015, S. 60 f. und 63 Rz. 16; URS MÜLLER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum ELG, 3. Aufl. 2015, N. 92 zu Art. 9 ELG). Eine gemeinsame EL-Berechnung mit Einbezug der Einnahmen und Ausgaben der Kinder findet mithin bei diesen beiden Versichertenkategorien nicht statt.
3.3
Die anerkannten Ausgaben werden in Art. 10 ELG einzeln aufgezählt und abschliessend geregelt (Urteil 9C_69/2013 vom 9. August 2013 E. 6 in fine; JÖHL/USINGER-EGGER, a.a.O., S. 1777 f. Rz. 93). Dazu gehören unter anderem geleistete familienrechtliche Unterhaltsbeiträge (Abs. 3 lit. e).
3.3.1
Nach der Rechtsprechung ist für die Berücksichtigung einer Ausgabe als familienrechtliche Unterhaltszahlung im Sinne von Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG vorausgesetzt, dass sie richterlich, behördlich oder vertraglich festgesetzt und betraglich konkretisiert worden ist. Mit anderen Worten muss die Auseinandersetzung über den Bestand und die Höhe der konkreten familienrechtlichen Unterhaltspflicht der versicherten Person abgeschlossen sein (Urteil 9C_160/2018 vom 9. August 2018 E. 4.1, in: SVR 2018 EL Nr. 19 S. 49; Urteil P 38/06 vom 11. Oktober 2007 E. 4.2.2 mit Hinweisen [zu Art. 3b Abs. 3 lit. e aELG]; vgl. auch MÜLLER, a.a.O., N. 256 zu Art. 10 ELG; CARIGIET/KOCH, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, 2. Aufl. 2009, S. 144). Bei einer richterlich genehmigten Konvention oder vom Gericht festgelegten Unterhaltsbeiträgen sind die Organe der Sozialversicherung an den entsprechenden zivilrechtlichen Entscheid gebunden und nicht befugt, über die rechtskräftig entschiedene Frage selbständig zu befinden (Urteil 9C_396/2018 vom 20. Dezember 2018 E. 5.1, in: SVR 2019 EL Nr. 6 S. 11; Urteil 9C_740/2014 vom 9. März 2015 E. 4.1; JÖHL/USINGER-EGGER, a.a.O., S. 1795 Rz. 113; CARIGIET/KOCH, a.a.O., S. 145 f.).
3.3.2
Weiter sind nach der zu Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG ergangenen Rechtsprechung nur die tatsächlich erbrachten Unterhaltsbeiträge als
abzugsfähige Ausgaben anerkannt (Urteil P 12/04 vom 14. September 2005 E. 4.3, in: SVR 2007 EL Nr. 2 S. 3; Urteil P 53/03 vom 2. März 2004 E. 2 und 3 [zu Art. 3b Abs. 3 lit. e aELG], in: AHI 2004 S. 148; JÖHL/USINGER-EGGER, a.a.O., S. 1792 f. Rz. 111; VALTERIO, a.a.O., S. 112 Rz. 65; CARIGIET/KOCH, a.a.O., S. 147).
4.
Zur gemeinsamen EL-Berechnung nach Art. 9 Abs. 2 ELG und zur ausgabenseitigen Berücksichtigung familienrechtlicher Unterhaltsbeiträge gemäss Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG äussert sich auch die WEL (gültig ab 1. April 2011; Stand 1. Januar 2019). Auf deren Rz. 3272.04 stützt sich der Beschwerdeführer hinsichtlich der Unterhaltspflicht gegenüber seiner minderjährigen Tochter. Die Vorinstanz hält die Wegleitungsbestimmung für gesetzwidrig.
4.1
Gemäss Rz. 3124.04 WEL fallen minderjährige Kinder, die weder Anspruch auf eine Waisenrente haben noch Anspruch auf eine Kinderrente begründen, mit ihren vom Gesetz anerkannten Ausgaben und anrechenbaren Einnahmen sowie dem Vermögen bei der Berechnung der EL der Eltern ausser Betracht (Satz 1). Unterhaltsleistungen der Eltern an diese Kinder werden jedoch bei der Bemessung der den Eltern zustehenden jährlichen EL als Ausgabe berücksichtigt (Satz 2, wobei an dieser Stelle in Klammer auf Kapitel 3.2.7 verwiesen wird).
Im (in Rz. 3124.04 WEL am Ende erwähnten) Kapitel 3.2.7 der WEL, welches die familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge betrifft, wurden mit Wirkung auf 1. Januar 2017 verschiedene Änderungen vorgenommen, welche durch das gleichzeitig in Kraft getretene neue Kindesunterhaltsrecht (Art. 276 ff. ZGB) geprägt sind (vgl. Vorwort zum Nachtrag 6 der WEL). Im Zuge dieser Neuerungen wurden sämtliche Randziffern des bisherigen Kapitels 3.2.7 (d.h. die bisherigen Rz. 3270.01 bis 3270.06 WEL) aufgehoben. Das Kapitel ist neu in die Unterkapitel 3.2.7.1 "behördlich oder gerichtlich genehmigte oder festgelegte Unterhaltsleistungen" (Rz. 3271.01 bis 3271.05 WEL) und 3.2.7.2 "nicht behördlich oder gerichtlich genehmigte oder festgelegte Unterhaltsleistungen" (Rz. 3272.01 bis 3272.05 WEL) gegliedert.
Sowohl die Rz. 3272.04 WEL, auf welche sich der Beschwerdeführer für die von ihm geltend gemachte Anrechnung eines familienrechtlichen Unterhaltsbeitrages stützt, als auch Rz. 3272.01 WEL, die damit im Zusammenhang steht, befinden sich in diesem zweiten, die nicht behördlich oder gerichtlich genehmigten oder
festgelegten Unterhaltsleistungen betreffenden Unterkapitel. Als Grundsatz hält Rz. 3272.01 WEL fest, dass geschuldete und tatsächlich geleistete familienrechtliche Unterhaltsleistungen an Kinder, die nach Rz. 3124.04 WEL ausser Rechnung fallen (ebenso wie an getrennt lebende Ehegatten oder geschiedene Ex-Ehegatten, auf welche hier allerdings nicht weiter einzugehen ist), auch dann als Ausgaben berücksichtigt werden, wenn sie nicht durch eine Behörde oder ein Gericht genehmigt oder festgelegt wurden (Satz 1). Rz. 3272.03 ist zu beachten (Satz 2). Weiter sieht Rz. 3272.04 WEL vor, dass bei Personen, die ihre EL gestützt auf eine Hilflosenentschädigung oder ein Taggeld der IV erhalten, für minderjährige Kinder und für volljährige Kinder in Ausbildung, die das 25. Altersjahr noch nicht vollendet haben, immer ein familienrechtlicher Unterhaltsbeitrag als Ausgabe zu berücksichtigen ist. Wenn die Kinder im selben Haushalt leben, entspricht dessen Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich ausgerichteten EL-Betrag und dem EL-Betrag, den eine gemeinsame EL-Berechnung mit dem Kind gemäss Rz. 3133.02 ergeben würde.
4.2
Verwaltungsweisungen wie hier die WEL richten sich zwar grundsätzlich nur an die Durchführungsstellen und haben keine Verbindlichkeit für die Gerichte. Indessen weicht die Rechtsprechung von einer verwaltungsinternen Weisung nicht ohne triftigen Grund ab, wenn sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulässt und eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben enthält, wodurch dem Bestreben der Verwaltung Rechnung getragen wird, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten (
BGE 147 V 79
E. 7.3.2;
BGE 140 V 543
E. 3.2.2.1; je mit Hinweisen).
4.3
Es stellt sich mithin die Frage, ob Rz. 3272.01 und 3272.04 WEL die anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen - insbesondere auch mit Blick auf die in E. 3.2, 3.3.1 und 3.3.2 dargelegte Rechtsprechung - überzeugend auslegen. Zu prüfen ist dabei angesichts des hier zu beurteilenden Sachverhalts einzig der Fall von Unterhaltsleistungen an minderjährige Kinder, die mit dem EL-Ansprecher im selben Haushalt leben (vgl. zu den in Rz. 3272.04 WEL ebenfalls erwähnten volljährigen, noch in Ausbildung stehenden Kindern: Urteil 9C_396/2018 vom 20. Dezember 2018 E. 5.2, in: SVR 2019 EL Nr. 6 S. 11; MÜLLER, a.a.O., N. 260 zu Art. 10 ELG; vgl. auch Botschaft vom 29. November 2013 zu einer Änderung
des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Kindesunterhalt], BBl 2014 574 f. Ziff. 2.1.2).
4.3.1
Vorab ist klarzustellen, dass im Fall des Beschwerdeführers einzig die ausgabenseitige Anrechnung geleisteter familienrechtlicher Unterhaltsbeiträge gestützt auf Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG und nicht etwa eine gemeinsame Anspruchsberechnung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 ELG in Frage steht. Denn Letztere fällt nach der in E. 3.2 dargelegten Rechtsprechung ausser Betracht, weil die Tochter des Beschwerdeführers, der eine Hilflosenentschädigung der IV (und keine Rente) bezieht, weder Anspruch auf eine Waisen- noch auf eine Kinderrente hat (vgl. dazu auch Rz. 3124.04 Satz 1 WEL). Wie das BSV vernehmlassungsweise zutreffend vorbringt, stützt sich die angerufene Rz. 3272.04 WEL denn auch nicht auf Art. 9 Abs. 2 ELG, sondern auf Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG.
4.3.2
Werden nun aber die Kinder von Rentnern gemäss Art. 9 Abs. 2 ELG in die EL-Berechnung der Eltern einbezogen, während dies bei den Kindern von Bezügern einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV nicht der Fall ist, führt dies zu einer unterschiedlichen Ermittlung des Existenzbedarfs bei diesen beiden Versichertenkategorien: Den Bezügern einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV wird dabei ein geringerer Existenzbedarf zugestanden als den Rentnern, obwohl bei ihnen hinsichtlich der Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern identische Verhältnisse vorliegen (vgl. auch JÖHL/USINGER-EGGER, a.a.O., S. 1741). Dieser durch nichts gerechtfertigte Ungleichbehandlung wirkt Rz. 3272.04 WEL entgegen, wonach auch in der EL-Berechnung der Bezüger einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV ausgabenseitig ein entsprechender Unterhaltsbeitrag für Kinder zu berücksichtigen ist, dies in Konkretisierung der gesetzlichen Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG.
4.3.3
Es lassen sich weitere Argumente für die in Rz. 3272.01 in Verbindung mit Rz. 3272.04 WEL getroffene Lösung anführen: In der Lehre wird als nicht nachvollziehbare Konsequenz der in E. 3.2 wiedergegebenen Rechtsprechung kritisiert, dass der Bezüger einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV seinen in natura geleisteten Unterhalt nicht in der Form einer Erhöhung des massgebenden Lebensbedarfs gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. a Ziff. 3 ELG (die auf 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Änderungen bei dieser Bestimmung spielen im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle) in die Berechnung einbeziehen, aber den seinen Kindern in Geld
geleisteten Unterhalt gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. h ELG zum Abzug bringen kann; damit werde der EL-Ansprecher, der nicht mit seinen Kindern zusammenlebe, ungerechtfertigterweise bessergestellt (JÖHL/USINGER-EGGER, a.a.O., S. 1741). Diese Kritik ist insbesondere auch mit Blick auf das Kindesunterhaltsrecht (vgl. Art. 276 Abs. 1 ZGB), auf welches der Beschwerdeführer hinweist, begründet, denn dieses sieht eine Gleichwertigkeit des in natura (Naturalunterhalt) und des in Form von Geldleistungen (Geldunterhalt bzw. Bar- und Betreuungsunterhalt) erbrachten Unterhalts vor (Urteil 5A_727/2018 vom 22. August 2019 E. 4.3.1 [in: FamPra.ch 2019 S. 1215] mit Hinweis auf
BGE 135 III 66
E. 4 und
BGE 114 II 26
E. 5b).
Eine Privilegierung des nicht mit seinem Kind zusammenlebenden EL-Ansprechers ergibt sich weiter auch daraus, dass die in E. 3.3.1 wiedergegebene Rechtsprechung als Ausgaben im Sinne von Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG nur die Unterhaltsleistungen anerkennt, welche in Bestand und Höhe rechtsverbindlich, d.h. richterlich, behördlich oder vertraglich festgesetzt worden sind. Über einen solchen Titel verfügt der EL-Ansprecher, der mit seinem Kind im selben Haushalt lebt und sowohl in natura als auch in Form von Geldleistungen für den Kindesunterhalt aufkommt, zumeist nicht, dies im Unterschied zum EL-Ansprecher, der von seinem Kind getrennt lebt und dessen Unterhaltspflicht in der Regel behördlich oder gerichtlich (oder allenfalls vertraglich) geregelt ist. Eine Benachteiligung des im selben Haushalt mit dem Kind lebenden EL-Ansprechers, dessen Unterhaltsleistungen (in natura und in Form von Geldleistungen) im Übrigen regelmässig höher ausfallen dürften als diejenigen des nicht im selben Haushalt lebenden EL-Ansprechers, lässt sich nicht rechtfertigen. Im Sinne einer Gleichbehandlung der beiden Versichertenkategorien ist es vielmehr angezeigt, seine Unterhaltsleistungen auch ohne rechtsverbindliche Festsetzung (bzw. ohne behördliche oder gerichtliche Genehmigung oder Festlegung, wie es in Rz. 3272.01 Satz 1 WEL heisst) als Ausgabe anzurechnen.
Bei dieser Sachlage bestehen hinsichtlich der ausgabenseitigen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen, welche die Bezüger einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV an ihre Kinder erbringen, gute Gründe für eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen - die neue Lösung muss besserer Erkenntnis des Gesetzeszwecks, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauen entsprechen (
BGE 146 I 105
E. 5.2.2;
BGE 145 V 50
E. 4.3.1;
BGE 141 II 297
E. 5.5.1;
BGE 140 V 538
E. 4.5 mit Hinweisen) - sind erfüllt: Die Bestimmung
des Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG hat zum Zweck, einen aufgrund von Unterhaltspflichten erhöhten Existenzbedarf auszugleichen. Soll sie diesen auch bei Bezügern einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV erfüllen, deren Kinder nach Art. 9 Abs. 2 ELG ausser Rechnung fallen, darf bei ihnen an dem von der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernis der rechtsverbindlichen Festlegung der Unterhaltsbeiträge nicht länger festgehalten werden. Es kann den EL-Ansprechern, die eine Hilflosenentschädigung oder ein Taggeld der IV beziehen und mit ausser Rechnung fallenden Kindern im gemeinsamen Haushalt leben, nicht zugemutet werden, die Unterhaltsbeiträge für die Kinder einzig deshalb rechtsverbindlich festsetzen zu lassen, damit diese im Rahmen der EL-Berechnung berücksichtigt werden können. Dies widerspräche im Übrigen auch dem seit 1. Januar 2017 in Kraft stehenden neuen Kindesunterhaltsrecht, welches den Unterhaltsanspruch des Kindes unter anderem durch die Förderung einvernehmlicher Lösungen stärken (vgl. BBl 2014 529 ff., 584 Ziff. 2.5) und allen minderjährigen unterhaltsberechtigten Kindern unabhängig vom Schicksal der Beziehung der Eltern Anspruch auf dieselben Leistungen verleihen will (BBl 2014 550 Ziff. 1.5.1, 574 Ziff. 2.1.2). Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf den Grundsatz der Rechtsgleichheit ist es deshalb angezeigt, die entsprechenden Unterhaltsleistungen an minderjährige Kinder bei Bezügern einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV in jedem Fall ausgabenseitig einzubeziehen, mithin ohne Rücksicht darauf, ob die Unterhaltsleistungen rechtsverbindlich (gerichtlich, behördlich oder vertraglich) festgelegt worden sind. Auf dieser Linie liegt die in Rz. 3272.01 WEL getroffene (und in Rz. 3272. 04 WEL konkretisierte [dazu E. 4.3.4]) Regelung.
4.3.4
In welcher Höhe einem EL-Ansprecher, der eine Hilflosenentschädigung oder ein Taggeld der IV bezieht, gestützt auf Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG Unterhaltsleistungen an gemäss Art. 9 Abs. 2 ELG ausser Rechnung fallende, mit ihm im selben Haushalt lebende minderjährige Kinder anzurechnen sind, regelt Rz. 3272.04 WEL. Die darin vorgesehene Berechnungsweise - es ist die Differenz zu ermitteln zwischen dem tatsächlich ausgerichteten EL-Betrag und dem EL-Betrag, den eine gemeinsame EL-Berechnung mit dem Kind gemäss Rz. 3133.02 WEL ergeben würde - korrigiert die in E. 4.3.2 und 4.3.3 aufgezeigte, durch nichts gerechtfertigte Benachteiligung der Bezüger von Hilflosenentschädigungen und Taggeldleistungen der IV. Sie hält damit eine dem Einzelfall gerecht werdende Auslegung
der Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG bereit, gegen welche sich nichts einwenden lässt. Zu beachten bleibt, dass der Betrag praxisgemäss maximal den tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträgen entsprechen darf (vgl. E. 3.3.2 hiervor), welche Grenze in Rz. 3272.04 WEL zwar nicht ausdrücklich erwähnt wird, aber auch nach dem Verständnis des BSV, wie es in der Vernehmlassung zum Ausdruck kommt, Geltung beansprucht.
4.4
Zusammenfassend ergibt sich, dass bei Personen, die ihre EL aufgrund einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV erhalten, gestützt auf Art. 10 Abs. 3 lit. e ELG und Rz. 3272.04 WEL für im selben Haushalt lebende minderjährige Kinder auch ohne rechtsverbindliche Festlegung und damit abweichend von der bisherigen Rechtsprechung (E. 3.3.1) ein familienrechtlicher Unterhaltsbeitrag als Ausgabe zu berücksichtigen ist. Seine Höhe entspricht der Differenz zwischen dem tatsächlich ausgerichteten EL-Betrag und dem EL-Betrag, den eine gemeinsame EL-Berechnung mit dem Kind nach Art. 9 Abs. 2 ELG ergeben würde, wobei die tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträge nicht überschritten werden dürfen. | de | Art. 9 cpv. 2 e art. 10 cpv. 3 let. e LPC; calcolo della prestazione complementare di persone che ricevono un assegno per grandi invalidi dall'AI.
Un calcolo globale della PC nel senso dell'art. 9 cpv. 2 LPC non ha luogo per le persone che ricevono un assegno per grandi invalidi dall'AI (così come neppure per i beneficiari di un'indennità giornaliera conformemente alla
DTF 139 V 307
[consid. 3.2]).
Nel caso di persone che percepiscono la loro PC sulla base di un assegno per grandi invalidi o di un'indennità giornaliera dell'AI, una pensione alimentare versata in virtù del diritto di famiglia per i figli minorenni che vivono nella stessa economia domestica deve per l'art. 10 cpv. 3 lett. e LPC e n. 3272.04 DPC essere presa in considerazione come spesa anche senza accertamento giuridicamente vincolante e quindi in deroga alla giurisprudenza anteriore (consid. 3.3.1). Il suo importo corrisponde alla differenza tra l'importo della PC effettivamente versato e quello della PC che risulterebbe da un calcolo globale della PC con il figlio nel senso dell'art. 9 cpv. 2 LPC, fermo restando che i contributi di mantenimento effettivamente versati non devono essere superati (consid. 4.4). | it | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-441%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,805 | 147 V 450 | 147 V 450
Sachverhalt ab Seite 451
A.
Der Verein A. betreibt das Pflegeheim B. Dieses erbringt im Bereich der Langzeitpflege Leistungen der stationären Grund- und Spezialversorgung (Pflegeheimliste für den Kanton Luzern, gültig ab 1. Juli 2017). Nachdem Verhandlungen mit der Stadt Luzern über den massgebenden Vollkostentarif für das Jahr 2019 gescheitert waren, unterzeichneten die Parteien am 28. Januar 2019 eine provisorische Leistungsvereinbarung mit einem Vollkostentarif von Fr. 1.30 pro Pflegeminute. Auf Antrag des Pflegeheims B. legte die Stadt Luzern anschliessend für das Jahr 2019 einen Vollkostentarif von Fr. 1.30 pro Pflegeminute fest (Stadtratsbeschluss Nr. 267 vom 15. Mai 2019), was sie auf Einsprache hin bestätigte
(Stadtratsbeschluss Nr. 556 vom 11. September 2019). Dieser Tarif basierte auf Vollkosten von Fr. 1.33 pro Pflegeminute gemäss letzter abgeschlossener Kostenrechnung des Pflegeheims B. aus dem Jahr 2017, abzüglich Fr. 0.02 unter dem Titel "Auslastung" und Fr. 0.025 unter dem Titel "KLV-Schlüssel", zuzüglich Fr. 0.015 zum Ausgleich einer Unterdeckung im Jahr 2017.
B.
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 21. August 2020 ab.
C.
Der Verein A. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, es sei das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und für die Leistungen des Pflegeheims B. im Jahre 2019 ein Pflegeminutentarif von Fr. 1.33 festzusetzen. Eventualiter sei die Sache zur Festsetzung eines Pflegeminutentarifs für das Jahr 2019 an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Die Stadt Luzern beantragt, es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten; eventualiter sei diese abzuweisen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Seit Inkrafttreten der Neuordnung der Pflegefinanzierung am 1. Januar 2011 leistet einerseits die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) einen Beitrag an die Pflegeleistungen, die aufgrund einer ärztlichen Anordnung und eines ausgewiesenen Pflegebedarfs ambulant oder im Pflegeheim erbracht werden (Art. 25a Abs. 1 KVG). Andererseits haben sich sowohl die Versicherten (im Umfang von maximal 20 % des höchsten vom Bundesrat festgesetzten Pflegebeitrages, Art. 25a Abs. 5 Satz 1 KVG) als auch die öffentliche Hand (Restfinanzierung, Art. 25a Abs. 5 Satz 3 KVG) an den Pflegekosten zu beteiligen.
Art. 25a Abs. 5 Satz 2 KVG überträgt den Kantonen die Ausgestaltung der konkreten Modalitäten der Restfinanzierung ("Die Kantone regeln die Restfinanzierung", bzw. in den französischen und italienischen Sprachfassungen: "Les cantons règlent le financement résiduel"; "I Cantoni disciplinano il finanziamento residuo"). Dies ändert indes nichts daran, dass der grundsätzliche Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Pflegekosten durch die öffentliche Hand (Kanton oder - aufgrund kantonaler Delegation - Gemeinden)
bundesrechtlicher Natur ist (
BGE 144 V 280
E. 3.1 mit Hinweisen;
BGE 147 V 156
E. 3.1). Bundesrechtlicher Natur ist damit auch die Frage danach, ob sich der Anspruch auf Deckung der Restkosten der stationären Pflege dem Grundsatz nach nur auf wirtschaftlich erbrachte Leistungen bezieht oder auf die gesamten Vollkosten. Sache des kantonalen Rechts ist hingegen - bei Anwendbarkeit des Wirtschaftlichkeitsgebots im Bereich der Restfinanzierung von Pflegeleistungen - die konkrete Ausgestaltung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung.
4.1
Im KVG statuiert Art. 32 Abs. 1 ein allgemein geltendes Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Rechtsprechung hat dazu im Zusammenhang mit der Restfinanzierung festgehalten, es sei "die Aufgabe der Kantone, welchen die Restfinanzierung für die Pflegekosten obliegt, die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben sicherzustellen, allenfalls in Form von Tarifvorschriften, [...]". Seien diese "im Einzelfall jedoch nicht kostendeckend, erweisen sie sich als mit der Regelung von Art. 25a Abs. 5 Satz 2 KVG nicht vereinbar." (
BGE 144 V 280
E. 7.4.3; zur Bedarfsermittlung, die ebenfalls eine Facette der Wirtschaftlichkeitsprüfung bildet, vgl.
BGE 144 V 280
E. 6.2 und 7.4.4.2). Das ist zu präzisieren wie folgt: Der Leistungserbringer hat von Bundesrechts wegen keinen Anspruch auf Entschädigung seiner Vollkosten unbesehen der Wirtschaftlichkeit. Das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot (Art. 32 Abs. 1 KVG) limitiert einerseits den zu deckenden Pflegebedarf (vgl. zur Pflegebedarfsermittlung aktuell Art. 8a ff. KLV [SR 832.112.31]; bis 31. Dezember 2019 aArt. 8 KLV; vgl. ausserdem
BGE 144 V 280
E. 7.4.4.2). Anderseits verlangt es, dass der ermittelte Bedarf möglichst kostengünstig gedeckt wird. Das Erfordernis der Wirtschaftlichkeit begrenzt zum vornherein den Umfang der versicherten Leistungen. Sämtliche der im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung involvierten Akteure haben zu gewährleisten, dass das Ziel von Art. 32 KVG, nämlich die Sicherstellung einer effizienten, qualitativ hochstehenden und zweckmässigen Gesundheitsversorgung zu möglichst günstigen Konditionen, erreicht wird (SVR 2017 KV Nr. 13 S. 59, 9C_176/2016 E. 6.2.1; vgl. analog auch den Wortlaut des Art. 43 Abs. 6 KVG, der so die Wirtschaftlichkeit definiert). Vor diesem - bundesrechtlichen - Hintergrund ist die Freiheit des kantonalen Gesetzgebers zu verstehen, Tarife, Höchstpreise oder Fallpauschalen vorzusehen, um auf die Kosten der Bedarfsdeckung mässigend einzuwirken (vgl.
BGE 144 V 280
E. 7.4.3;
BGE 142 V 94
E. 5.1; Urteil 2C_727/2011 vom 19. April 2012 E. 6.3.1, nicht publ. in:
BGE 138 II 191
).
Dass abstrakte Vorgaben dabei nicht absolut gelten können, sondern nur insoweit, als sie einer Deckung der Kosten wirtschaftlicher Leistungserbringung nicht entgegenstehen, hat die Rechtsprechung unmissverständlich klargestellt: So ist etwa unvereinbar mit der Regelung von Art. 25a Abs. 5 Satz 2 KVG eine Vorgabe fixer betraglicher Höchstansätze, die dazu führt, dass unbesehen jeglicher konkreten Wirtschaftlichkeitsprüfung die Kosten eines bestimmten Anteils der "teuersten" Pflegeheime auf einer kantonalen Liste nicht gedeckt werden (
BGE 144 V 280
E. 7.4.2 f.).
4.2
Als Ausfluss der Freiheit der Kantone in der Ausgestaltung der Restfinanzierung steht es dem Kanton Luzern frei, ein Verfahren vorzusehen, bei dem deren Höhe primär auf tarifvertraglichen Vereinbarungen beruht (§ 7 des Betreuungs- und Pflegegesetzes vom 13. September 2010 [BPG/LU; SRL 867]) mit subsidiärer Regelung für den vertragslosen Zustand (hoheitliche Festsetzung im Einzelfall, § 8 BPG/LU i.V.m. Art. 49 ATSG; vgl.
BGE 142 V 94
E. 5.3 i.V.m. E. 3.1). Ebenso kann der Kanton - wie im Kanton Luzern geschehen - vorsehen, dass das Gemeinwesen bei vertragslosem Zustand - als Basis der (späteren, individuellen) direkten hoheitlichen Festsetzung der Restfinanzierungsbeiträge gemäss § 8 BPG/LU i.V.m. Art. 49 ATSG - den für einen bestimmten Leistungserbringer anwendbaren Pflegeminutentarif hoheitlich festlegt. Damit wird eine gewisse Symmetrie hergestellt im Verhältnis zu Leistungserbringern, mit denen ein Tarifvertrag besteht, der den anwendbaren Pflegeminutentarif fixiert. An dessen Stelle tritt dann der verfügte Tarif. In beiden Fällen richtet sich in einem ersten Schritt die Ermittlung der massgeblichen Gesamtkosten grundsätzlich nach den Vorgaben des kantonalen Rechts (vgl. für den Kanton Luzern insbesondere § 3 ff. BPG/LU und § 3a ff. der Verordnung vom 30. November 2010 zum Betreuungs- und Pflegegesetz [BPV/LU; SRL 867a]). Dies schliesst die Ausgestaltung der Wirtschaftlichkeitsprüfung mit ein (§ 7 Abs. 2 BPG/LU sowie § 4 Abs. 2 lit. b BPV/LU). Darauf folgt - jedenfalls im Streitfall - in einem zweiten Schritt die Verfügung über die konkreten Leistungen gestützt auf Art. 49 ATSG (sowie § 8 BPG/LU) unter Zugrundelegen des zuvor festgelegten Tarifs bzw. Pauschalbetrags.
Konkret berechnet sich der Restfinanzierungsbeitrag im Kanton Luzern - ausgehend vom anwendbaren, hier strittigen, Pflegeminutentarif - wie folgt: Zunächst wird der Pflegeminutentarif (z.B.: Fr. 1.33) multipliziert mit dem durchschnittlichen Minutenaufwand der
Pflegestufe gemäss KLV (z.B.: 131 Minuten pro Person und Tag in der Pflegestufe 7). Dies ergibt die Pflegevollkosten pro Tag (im Beispiel: Fr. 1.33/Minute x 131 Minuten = bei Rundung auf zehn Rappen genau Fr. 174.20 pro Person und Tag in der Pflegestufe 7). Von diesen werden die Beiträge der Krankenversicherer gemäss KLV (z.B.: Fr. 63.- in der Pflegestufe 7 gemäss Art. 7a Abs. 3 lit. g KLV in der bis Ende 2019 geltenden Fassung) sowie der Pflegebedürftigen (bis Ende 2019: Fr. 21.60) abgezogen. Was verbleibt, ist der Restfinanzierungsbeitrag, der im Kanton Luzern nach kantonalem Recht zu Lasten der Gemeinde geht (im Beispiel: Fr. 89.60 pro Person und Tag in der Pflegestufe 7).
5. Fallbezogen überprüfte das Kantonsgericht im Wesentlichen die hoheitliche Tariffestsetzung der Stadt Luzern für das Pflegeheim B. im Jahr 2019, indem es an den vom Beschwerdeführer ausgewiesenen Vollkosten der Pflege (im der Berechnung zugrunde liegenden Jahr 2017) den Massstab des Wirtschaftlichkeitsgebots anlegte. Es gelangte zum Schluss, die Berechnungen der Stadt Luzern seien nachvollziehbar und der verfügte Tarif von Fr. 1.30 pro Pflegeminute korrekt.
5.1
Der Beschwerdeführer macht verschiedene Verletzungen seiner verfassungsmässigen Rechte geltend. Soweit er eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs im Sinne der Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV) rügt, ist eine solche nicht erkennbar, hat sich doch die Vorinstanz einlässlich mit seinen Vorbringen befasst und ihren Entscheid ausführlich begründet. Die Rügen einer Verletzung von Treu und Glauben, des Legalitätsprinzips, der Gebote von Rechtsgleichheit und Verhältnismässigkeit sowie der Wirtschaftsfreiheit begründet er nicht in einer den qualifizierten Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG genügenden Weise. Weiterungen dazu erübrigen sich.
5.2
Weiter rügt der Beschwerdeführer die vorgenommene Wirtschaftlichkeitsprüfung bereits dem Grundsatz nach als unvereinbar mit Art. 25a Abs. 5 KVG, was das Bundesgericht mit freier Kognition prüft (
BGE 142 V 94
E. 1.3 und 2 Ingress). Damit dringt er nicht durch: Nach dem Gesagten (oben E. 4.1) verschafft Art. 25a Abs. 5 KVG entgegen seiner Auffassung keinen unbeschränkten Anspruch auf Deckung der Vollkosten, sondern verpflichtet das Gemeinwesen zur Übernahme der Restkosten nur insoweit, als diesen eine wirtschaftliche Leistungserbringung zugrunde liegt. Der Kanton Luzern unterwirft - wie aus E. 4.2 hiervor sowie der vorinstanzlichen
Erwägung 3.2.2 erhellt - die Restfinanzierung keinen abstrakten, fixen Kostenobergrenzen, sondern prüft die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung im Rahmen der individuellen Tarifvereinbarung mit den einzelnen Pflegeeinrichtungen unter Berücksichtigung deren unterschiedlicher Strukturen und Angebote. Das ist dem Grundsatz nach mit Art. 25a Abs. 5 KVG vereinbar. Fehl geht damit auch die Rüge der fehlenden gesetzlichen Grundlage im Sinne von Art. 5 Abs. 1 BV für die vorgenommenen Kürzungen. Das kantonale Gericht vermochte die vorgenommene Wirtschaftlichkeitsprüfung, die zu diesen geführt hat, vielmehr auf Art. 32 Abs. 1 KVG sowie die (ausführenden) § 7 Abs. 2 BPG/LU und § 4 Abs. 2 lit. b BPV/LU zu stützen.
5.3
Der Beschwerdeführer wirft dem kantonalen Gericht sodann vor, den massgeblichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig (willkürlich, vgl. zur beschränkten Kognition des Bundesgerichts nicht publ. E. 3.2) im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG festgestellt zu haben. Seine Rüge bezieht sich einerseits auf die Feststellung eines markanten realen Kostenanstiegs, anderseits auf die Feststellung, ein hoher KLV-Schlüssel könne auf einen wenig effizienten Einsatz des Pflegepersonals hindeuten, da er bei höheren Lohnkosten und weniger nach KLV abrechenbaren Stunden steige.
5.3.1
Der Beschwerdeführer macht geltend, ein realer Kostenanstieg habe entgegen der Vorinstanz (vgl. deren Erwägung 6) nicht stattgefunden. Die Gesamtkosten seien zufolge einer Darstellungskorrektur in der Kostenrechnung angestiegen. Dies sei für die Kosten im Bereich Pflege und Betreuung, die für die Tarifermittlung relevant seien, weder im Jahr 2017 noch in den Vorjahren massgeblich gewesen. Damit dringt er nicht durch. Inwiefern ein Anstieg der Gesamtkosten - die, soweit nicht direkt einer Hauptkostenstelle (etwa: 110 Pflege und Betreuung) zugewiesen, grundsätzlich auf diese umgelegt werden (vgl. Kostenrechnung 2017) - auf die Höhe der ausgewiesenen Pflege- und Betreuungskosten keinen Einfluss haben soll, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf. Dies leuchtet - mit der Beschwerdegegnerin - auch nicht ein. Selbst wenn aber hinsichtlich der behaupteten Unmassgeblichkeit der Darstellungskorrektur für die Ermittlung der Kosten dem Beschwerdeführer gefolgt würde, könnte er daraus für seinen Standpunkt nichts ableiten: Hätten die Gesamtkosten keinen Einfluss auf die massgeblichen Pflege- und Betreuungskosten, vermöchte ihr Anstieg den geltend gemachten höheren Pflegeminutentarif zum vornherein nicht zu rechtfertigen.
Die Vorinstanz verkannte sodann keineswegs die buchhalterische Natur der gestiegenen Miet- und Abschreibungskosten. Sie erwog vielmehr, diese verhindere nicht, dass der damit verbundene Anstieg der Gesamtkosten (und in logischer Folge der vom Beschwerdeführer gestützt darauf verlangte höhere Pflegeminutentarif) von der Stadt Luzern einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen werde. Damit ist sie nicht in Willkür verfallen. Die Wirtschaftlichkeit der erbrachten Pflegeleistungen beurteilt sich anhand der vom Leistungserbringer tatsächlich geltend gemachten Kosten. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob ein ausgewiesener Kostenanstieg auf tatsächlich gestiegene Kosten oder auf eine neue Darstellungsweise zurückzuführen ist (mithin: ob eine allfällige Unwirtschaftlichkeit tatsächlich neu ist oder ob diese bereits seit jeher bestanden hat und erst aufgrund von technischen Änderungen in der Kostenerfassung kostenwirksam wird). Insgesamt ist die vorinstanzliche Feststellung eines relevanten Anstiegs der Betriebskosten des Pflegeheims B. zwischen 2016 und 2017 nicht offensichtlich unrichtig und bindet demnach das Bundesgericht (nicht publ. E. 3.3).
5.3.2
Mit seiner Auffassung, ein höherer KLV-Schlüssel bedeute einen vermehrten Einsatz von Pflegepersonal für tatsächliche Pflegeleistungen, vermag der Beschwerdeführer die gegenteilige vorinstanzliche Feststellung nicht als offensichtlich unrichtig erscheinen zu lassen. Das kantonale Gericht stellte fest, der KLV-Schlüssel werde in zwei Schritten berechnet. Zunächst werde auf der Zeitebene das Verhältnis zwischen der Gesamtheit der Einsatzstunden des Pflege- und Betreuungsteams und den abrechenbaren Pflegestunden nach KLV gemäss jeweiliger Einstufung ermittelt (z.B. resultiert bei total 100 Einsatzstunden des Pflege- und Betreuungsteams und 60 abrechenbaren Pflegestunden ein Zeitschlüssel von 60). Danach werde in einem zweiten Schritt anhand einer Formel der "Grade-and-Skill-Mix" des Betriebs festgelegt. Dabei wird konkret der Anteil der Löhne des Fachpersonals an den totalen Kosten der Kostenstelle ermittelt und zum Zeitfaktor dazugeschlagen, womit den höheren Kosten für Fachpersonal Rechnung getragen wird. Der Schlüssel für die KLV-Leistungen (KLV-Schlüssel) als Umlageschlüssel für den Besoldungsaufwand des Pflege- und Betreuungspersonals auf die Kostenträger Betreuung und Pflege ergibt sich mithin aus der Zusammenrechnung des Zeitfaktors (welcher Anteil der Arbeitsstunden des Pflege- und Betreuungspersonals kann als KLV-pflichtig abgerechnet werden) und einem Zuschlag bzw. Korrekturfaktor für
höhere fachliche Qualifikation ("Grade-and-Skill-Mix"), da qualifizierteres Personal pro Zeiteinheit teurer ist. Damit sollen die nicht KLV-pflichtigen Leistungen aus dem Leistungsbündel der Kostenstelle 110 (Besoldung Pflegepersonal) ausgeschieden und mit einem wesentlich tieferen Kostensatz dem Betreuungsbereich zugewiesen werden. Die Vorinstanz stellte weiter fest, der KLV-Schlüssel steige bei höheren Lohnkosten und weniger verrechneten (Pflege-)Stunden, was offensichtlich nicht als effizient zu bezeichnen sei.
Der Beschwerdeführer bezieht den KLV-Schlüssel augenscheinlich einzig auf die Lohnkosten des Pflegepersonals (und verwechselt diesen mithin mit dem Grade-and-Skill-Mix als dessen Teilelement, das vom Anteil des Fachpersonals am Pflegepersonal abhängt), statt richtig auf die gesamten Besoldungskosten des Pflege- und Betreuungspersonals. Wird der KLV-Schlüssel richtig auf diese letztere Grösse bezogen, erhellt, dass bei vermehrtem Einsatz des Pflegepersonals für Pflegeleistungen (statt nicht KLV-pflichtiger Betreuungsleistungen) grundsätzlich entweder (bei steigendem Bedarf an Pflegeleistungen) die Zahl der abrechenbaren Pflegeminuten steigen oder (bei konstant bleibendem oder sinkendem Bedarf an Pflegeleistungen) der Anteil der vom Pflegepersonal gearbeiteten Stunden an der Gesamtheit der Einsatzstunden des Pflege- und Betreuungsteams sinken müsste, da die bisher von diesem erbrachten Betreuungsleistungen von weniger qualifiziertem Personal erbracht werden müssten. In beiden Fällen bliebe der KLV-Schlüssel konstant oder würde sinken, jedenfalls nicht steigen. Auch diesbezüglich hat es mithin bei den vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen sein Bewenden.
5.4
Die Vorinstanz habe - so der Beschwerdeführer weiter - das kantonale Recht - in dem die konkreten Modalitäten der vorgenommenen Wirtschaftlichkeitsprüfung ihre Grundlage finden (E. 4.2 und 5.2 hiervor) - willkürlich angewandt (zur diesbezüglich beschränkten Kognition des Bundesgerichts vgl. etwa
BGE 141 I 9
E. 3.3).
5.4.1
Weder ersichtlich noch substanziiert dargelegt ist zunächst, inwiefern der Verzicht auf einen umfassenden und transparenten Quervergleich der (Stadt-)Luzerner Pflegeheime Resultat einer willkürlichen Anwendung des kantonalen Rechts sein sollte. Dass ein solcher Vergleich im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung zwingend vorzunehmen wäre oder in der Praxis regelmässig vorgenommen würde, lässt sich insbesondere weder § 7 Abs. 2 BPG/LU noch
§ 4 Abs. 2 BPV/LU entnehmen. Es kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer keine Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass ein Vergleich mit anderen Leistungserbringern zu einer abweichenden Einschätzung der Wirtschaftlichkeit seiner eigenen Leistungserbringung führen könnte. Dazu hätte umso mehr Anlass bestanden, als die Beschwerdegegnerin bereits vor Vorinstanz darauf hinwies, die Kosten für Pflege und Betreuung in den Stadt-Luzerner Pflegeheimen beliefen sich durchschnittlich pro Tag und Bett auf Fr. 188.-, während der Beschwerdeführer auf Fr. 237.- pro Tag und Bett komme (vorinstanzliche Erwägung 8.8).
5.4.2
Das kantonale Gericht schützte den unter dem Titel "Auslastungsgrad" vorgenommenen Abzug von Fr. 0.02 (von den Vollkosten pro Minute). Dazu erwog es im Wesentlichen, dieser Abzug trage der Tatsache Rechnung, dass das Pflegeheim B. im Rahmen der Berechnung der Vollkosten pro Pflegeminute bei der Auslastung auch die sogenannten "Reservationstage" berücksichtigt habe. Diese seien aber nicht Bestandteil der relevanten Pflegekosten, sondern durch den Kostenträger Pension abzugelten. Durch die Berücksichtigung der Reservationstage und die Verschiebung der an diesen Tagen angefallenen Kosten in den Pflegebereich würden im Umfang der resultierenden Auslastungsdifferenz Pflegekosten generiert, welche nicht mit einer entsprechenden Leistungserhöhung bzw. mit einer Erhöhung der Anzahl geleisteter Pflegeminuten einhergingen. Mit anderen Worten seien bei einer effektiven Auslastung von 96,42 % nicht die gleichen Kosten als wirtschaftlich zu akzeptieren wie bei einer solchen von 98,35 %. Zu Recht habe die Stadt Luzern demnach den geltend gemachten Tarif im Verhältnis der niedrigeren Auslastung um (gerundet) Fr. 0.02 pro Pflegeminute gekürzt. Es könne nicht Aufgabe des Gemeinwesens sein, ein (Über-)Angebot an Pflegeleistungen abzugelten an Tagen, an denen gar keine solchen Leistungen erbracht worden seien.
5.4.2.1
Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, die Reservationstage hätten keinen Einfluss auf die Berechnung des Pflegeminutentarifs, da sich dieser aus den Gesamtkosten dividiert durch die erbrachten Pflegeminuten ergebe. Der "Divisor der Gesamtkosten" bleibe unverändert. Das bedeutet aber umgekehrt, dass sich die Kosten auf weniger Einheiten (Pflegeminuten) aufteilen als bei höherer Auslastung. Werden die Faktoren für die Umlage der Kosten auf die Pflege unter Miteinrechnung der Reservationstage ermittelt, die so zugeteilten Kosten dann aber auf die nach KLV abrechenbaren
Pflegeminuten verteilt, führt dies dazu, dass eigentlich auf Reservationstage - und damit den Kostenträger "Pension" - entfallende Kosten den Pflegeminutentarif in die Höhe treiben. Die Beschwerdegegnerin ergänzt diesbezüglich nachvollziehbar, es sei aus Sicht der Pflegefinanzierung unwirtschaftlich, wenn solchermassen bei stagnierenden Erträgen die Vollkosten der Pflege erhöht würden, wie dies vorliegend geschehen sei. Sei der Auslastungsgrad rückläufig, müsse der Aufwand vielmehr reduziert werden, damit das Ergebnis nicht oder nur leicht schlechter ausfalle (vgl. auch HOFSTETTER/REY, Restkostenfinanzierung und Wirtschaftlichkeitskontrolle, Pflegerecht 2018 S. 213 f.: Die Autoren warnten im Nachgang zu
BGE 144 V 280
vor Fehlanreizen, die ein Heim verleiten könnten, sein betriebswirtschaftliches Ergebnis zu Lasten des Restkostenfinanzierers zu optimieren, indem es Kosten von Betreuungs- und Hotellerieleistungen in die restkostenfinanzierten Pflegekosten verschiebe, um so auf dem Markt für mögliche Bewohner attraktiver auftreten zu können).
Die Vorinstanz erachtete nicht einen bestimmten prozentualen Auslastungsgrad per se als indikativ für Unwirtschaftlichkeit, sondern eine ineffiziente Bewirtschaftung der Kapazitäten und personellen Mittel. In diesem Zusammenhang sei die Abwälzung der Kosten für Tage, an denen die Bewohner tatsächlich gar nicht anwesend gewesen seien (etwa: wegen Spitalaufenthalten, Ferien, Wechseln, etc.), auf das Gemeinwesen nicht zulässig. Inwiefern sie damit kantonales Recht willkürlich angewandt oder ausgelegt haben soll, ist nicht ersichtlich.
5.4.2.2
Zu keinem anderen Ergebnis führt der Verweis des Beschwerdeführers darauf, er habe auf exogene Faktoren wie Spitalaufenthalte, Ferientage oder Leerstände bei Wechseln der Bewohnerschaft keinen Einfluss und könne hierauf auf Ebene des Personalbestands kaum reagieren. Es ist jedenfalls nicht willkürlich, wenn die kantonale Praxis im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung vom Leistungserbringer - dem mit der Vorinstanz grundsätzlich der effiziente Einsatz der personellen Ressourcen obliegt - verlangt, bei der Ermittlung seiner Auslastung Abwesenheitstage der Bewohnerinnen und Bewohner auszuklammern. Ein solches Vorgehen findet seine Rechtfertigung darin, dass Tage, an denen zufolge Abwesenheiten keine Pflegeleistungen zu erbringen sind, bei der Personalplanung aufgrund von (statistischen) Erfahrungswerten und über das Gesamte betrachtet weitestgehend einzuplanen sind, woran die i.d.R. eher kurze Vorankündigung der jeweiligen konkreten Abwesenheiten
nichts ändert. Für die Personalplanung ist der Gesamtbetrieb massgeblich. Aus dessen Sicht ist nicht die Vorhersehbarkeit einzelner Abwesenheiten ausschlaggebend, sondern die Anzahl der in der statistischen Aggregation zu erwartenden Abwesenheitstage, die naturgemäss besser voraussehbar ist. Dies gilt umso mehr, als es bei der Tarifberechnung um eine Durchschnittsbetrachtung geht. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, inwiefern sich die verbleibende Planungsunsicherheit nicht auf ein Mass reduzieren liesse, das etwa mit einer rollenden Planung nicht dringender pflegerischer Verrichtungen, der kurzfristigen Leistung bzw. Kompensation von Überstunden und/oder mit dem Einsatz von Personal auf Abruf zu bewältigen wäre. Insofern verfangen die Ausführungen des Beschwerdeführers zu den praktischen Grenzen eines flexiblen Personaleinsatzes nicht, zumal die Vorinstanz feststellte, dass das Pflegeheim B. keine Aufnahmepflicht trifft und er mithin nicht jederzeit gewisse freie Kapazitäten "vorhalten" muss. Dadurch unterscheidet er sich denn etwa auch von einem Spital, das regelmässig gewisse Vorhalteleistungen zu erbringen hat, um die mit der Erfüllung seines Leistungsauftrages einhergehenden Nachfrageunsicherheiten abdecken zu können (vgl. etwa WALDNER/EGLI, in: Basler Kommentar, Krankenversicherungsgesetz/Krankenversicherungsaufsichtsgesetz, 2020, N. 125 f. zu Art. 49 KVG).
Nicht hinreichend substanziiert (Art. 42 Abs. 2 BGG) ist der Vorwurf, die Vorinstanz habe den tatsächlichen Effekt der Reservationstage auf die Kosten ungenügend abgeklärt und willkürlich eine lineare Kürzung vorgenommen, die etwa Skaleneffekte bei den Personalkosten nicht berücksichtige. Weiterungen dazu erübrigen sich.
5.4.3
Bezüglich des von der Stadt Luzern vorgenommenen Abzugs unter dem Titel "KLV-Schlüssel" erwog die Vorinstanz, es sei unwirtschaftlich, dass das Pflegeheim B. mehr hochqualifiziertes Personal beschäftige als von den Richtstellenplänen vorgesehen und notwendig. Dies führe zum über den Empfehlungen des Branchenverbandes Curaviva liegenden Grade-and-Skill-Mix (dazu oben E. 5.3.2) von 11 % (Empfehlung: maximal 10 %). Im Sinne des Kontinuitätsgrundsatzes seien zudem Schwankungen und Abweichungen der Kosten und Kennzahlen zu den Vorjahren zu begründen. Das gelte insbesondere für eine Anpassung des Grade-and-Skill-Mix und des KLV-Schlüssels. Dem Beschwerdeführer gelinge es nicht, die Kostensteigerung plausibel zu begründen. Vielmehr beschränke er sich
darauf, betriebliche Besonderheiten zu behaupten, die allesamt schon in den Vorjahren bestanden hätten. Insbesondere lasse sich das Argument nicht nachvollziehen, das Pflegepersonal sei vermehrt effektiv für Pflegeleistungen und nicht für Betreuungsleistungen eingesetzt worden, zumal die Anzahl der abgerechneten Pflegeminuten nicht zugenommen habe. Weiter sei eine überdurchschnittliche Qualifikation des Pflegepersonals nicht durch die Allgemeinheit zu tragen. Demnach sei (weiterhin) auf den durchschnittlichen KLV-Schlüssel der letzten fünf Jahre von 80 % abzustellen. Dies führe zu einer Differenz (und mithin einem Abzug) von umgerechnet knapp Fr. 0.025 pro Pflegeminute, was in masslicher Hinsicht nicht bestritten werde.
Darauf sowie auf das bereits oben in E. 5.3.2 Gesagte kann verwiesen werden. Dass die Stadt Luzern in ihrer Berechnung des durchschnittlichen KLV-Schlüssels vergangener Jahre das Jahr 2017 ausklammerte, ist - entgegen dem Beschwerdeführer - sachlich vertretbar, war doch die Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung im Jahr 2017 gerade strittig. Wie die Stadt Luzern richtig darlegt, basierte weiter die Kürzung von 2 % nicht auf dem um 1 % "zu hohen" Grade-and-Skill-Mix, sondern auf der ermittelten Abweichung des KLV-Schlüssels zum Durchschnitt der Vorjahre.
5.4.4
Der Beschwerdeführer will die Wirtschaftlichkeit des für das Jahr 2019 verlangten, im Vergleich zu den Vorjahren höheren, Tarifs daraus ableiten, dass "die einzige tatsächliche Kostensteigerung auf höhere Lohnkosten zurückzuführen ist" und "im Vergleich zu den Jahren 2014 und 2015" die "Besoldung der Pflege pro Pflegeminute sogar von [Fr.] 1.07 auf [Fr.] 1.04 reduziert werden" konnte. Dabei begründet er weder seinen Verweis einzig auf die Jahre 2014 und 2015, nicht aber auf das unmittelbare Vorjahr 2016, noch belegt er seine Berechnungen. So oder anders ist nicht ersichtlich, inwiefern tiefere Personalkosten pro Pflegeminute einen gegenüber den Vorjahren höheren Tarif pro Pflegeminute als wirtschaftlich rechtfertigen und die vorinstanzliche Wirtschaftlichkeitsprüfung als willkürlich erscheinen lassen sollten. Insbesondere wird dadurch auch ein Nachweis gesteigerter Effizienz nicht ohne Weiteres erbracht.
5.4.5
Was die Überlegungen des Beschwerdeführers zur Ausgleichung der Unterdeckung des Vorjahres und zur Berücksichtigung der Kosten für MiGeL-Produkte in den Jahren 2016 und 2017 betrifft, so geht aus diesen nicht hervor, inwiefern konkret die
Vorinstanz mit ihrer diesbezüglichen Erwägung 9 Bundesrecht verletzt oder kantonales Recht willkürlich angewendet haben soll. Vielmehr erschöpfen sich die diesbezüglichen Ausführungen in appellatorischer Kritik an den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz. Weiterungen erübrigen sich.
5.5
Nicht ersichtlich ist schliesslich, inwiefern die Vorinstanz bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung durch den Beschwerdeführer eine rechtswidrige Umkehr der Beweislast vorgenommen haben sollte. Das kantonale Gericht ist - wie vom Beschwerdeführer verlangt - von den durch ihn ermittelten Vollkosten ausgegangen und hat alsdann geprüft, ob Unwirtschaftlichkeit in den zu Abzügen hiervon führenden Punkten (überwiegend wahrscheinlich; vgl. zu diesem im Sozialversicherungsrecht regelhaft anwendbaren Beweisgrad etwa
BGE 144 V 427
E. 3.2 mit Hinweis) nachgewiesen war, was sie bejahte. Mangels Beweislosigkeit hing der Prozessausgang damit nicht von der Verteilung der (materiellen) Beweislast ab.
5.6
Insgesamt vermag der Beschwerdeführer angesichts des Missverhältnisses von steigenden Kosten bei sinkenden Einsatzstunden und nahezu gleichgebliebenen äusseren Umständen - ohne nachvollziehbare Erklärung - nicht aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz mit der Qualifikation seiner Betriebsführung im (dem Pflegeminutentarif 2019 zugrunde liegenden) Referenzjahr 2017 als unwirtschaftlich in Willkür verfallen sein sollte. Widersprüchlich ist, wenn er - sowohl hinsichtlich der Gesamtkosten als etwa auch bezüglich der Lohnstückkosten oder der Mietkosten - einen relevanten Kostenanstieg in Abrede stellt, gleichzeitig aber einen höheren Pflegeminutentarif fordert. Damit hat es beim Urteil des Kantonsgerichts vom 21. August 2020 sein Bewenden. | de | Art. 25a Abs. 5, Art. 32 Abs. 1 KVG; Restfinanzierung von Pflegekosten; Wirtschaftlichkeit. Art. 25a Abs. 5 Satz 2 KVG verschafft einem Leistungserbringer keinen unbeschränkten Anspruch auf Entschädigung seiner Vollkosten. Er schreibt den Kantonen nur die Deckung der Kosten einer wirtschaftlichen Leistungserbringung im Sinne einer Restfinanzierung vor. In deren Ausgestaltung (inkl. der konkreten Modalitäten der Wirtschaftlichkeitsprüfung) sind sie grundsätzlich frei (E. 4).
Im konkreten Fall: Keine willkürliche Anwendung des kantonalen Rechts durch die Vorinstanz, welche die Tariffestsetzung durch die Restfinanziererin schützte, die nach konkreter Wirtschaftlichkeitsprüfung vom durch den Leistungserbringer errechneten Vollkostentarif abwich. Keine Verletzung von Bundes(verfassungs)recht (E. 5). | de | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-450%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,806 | 147 V 450 | 147 V 450
Sachverhalt ab Seite 451
A.
Der Verein A. betreibt das Pflegeheim B. Dieses erbringt im Bereich der Langzeitpflege Leistungen der stationären Grund- und Spezialversorgung (Pflegeheimliste für den Kanton Luzern, gültig ab 1. Juli 2017). Nachdem Verhandlungen mit der Stadt Luzern über den massgebenden Vollkostentarif für das Jahr 2019 gescheitert waren, unterzeichneten die Parteien am 28. Januar 2019 eine provisorische Leistungsvereinbarung mit einem Vollkostentarif von Fr. 1.30 pro Pflegeminute. Auf Antrag des Pflegeheims B. legte die Stadt Luzern anschliessend für das Jahr 2019 einen Vollkostentarif von Fr. 1.30 pro Pflegeminute fest (Stadtratsbeschluss Nr. 267 vom 15. Mai 2019), was sie auf Einsprache hin bestätigte
(Stadtratsbeschluss Nr. 556 vom 11. September 2019). Dieser Tarif basierte auf Vollkosten von Fr. 1.33 pro Pflegeminute gemäss letzter abgeschlossener Kostenrechnung des Pflegeheims B. aus dem Jahr 2017, abzüglich Fr. 0.02 unter dem Titel "Auslastung" und Fr. 0.025 unter dem Titel "KLV-Schlüssel", zuzüglich Fr. 0.015 zum Ausgleich einer Unterdeckung im Jahr 2017.
B.
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 21. August 2020 ab.
C.
Der Verein A. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, es sei das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und für die Leistungen des Pflegeheims B. im Jahre 2019 ein Pflegeminutentarif von Fr. 1.33 festzusetzen. Eventualiter sei die Sache zur Festsetzung eines Pflegeminutentarifs für das Jahr 2019 an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Die Stadt Luzern beantragt, es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten; eventualiter sei diese abzuweisen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Seit Inkrafttreten der Neuordnung der Pflegefinanzierung am 1. Januar 2011 leistet einerseits die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) einen Beitrag an die Pflegeleistungen, die aufgrund einer ärztlichen Anordnung und eines ausgewiesenen Pflegebedarfs ambulant oder im Pflegeheim erbracht werden (Art. 25a Abs. 1 KVG). Andererseits haben sich sowohl die Versicherten (im Umfang von maximal 20 % des höchsten vom Bundesrat festgesetzten Pflegebeitrages, Art. 25a Abs. 5 Satz 1 KVG) als auch die öffentliche Hand (Restfinanzierung, Art. 25a Abs. 5 Satz 3 KVG) an den Pflegekosten zu beteiligen.
Art. 25a Abs. 5 Satz 2 KVG überträgt den Kantonen die Ausgestaltung der konkreten Modalitäten der Restfinanzierung ("Die Kantone regeln die Restfinanzierung", bzw. in den französischen und italienischen Sprachfassungen: "Les cantons règlent le financement résiduel"; "I Cantoni disciplinano il finanziamento residuo"). Dies ändert indes nichts daran, dass der grundsätzliche Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Pflegekosten durch die öffentliche Hand (Kanton oder - aufgrund kantonaler Delegation - Gemeinden)
bundesrechtlicher Natur ist (
BGE 144 V 280
E. 3.1 mit Hinweisen;
BGE 147 V 156
E. 3.1). Bundesrechtlicher Natur ist damit auch die Frage danach, ob sich der Anspruch auf Deckung der Restkosten der stationären Pflege dem Grundsatz nach nur auf wirtschaftlich erbrachte Leistungen bezieht oder auf die gesamten Vollkosten. Sache des kantonalen Rechts ist hingegen - bei Anwendbarkeit des Wirtschaftlichkeitsgebots im Bereich der Restfinanzierung von Pflegeleistungen - die konkrete Ausgestaltung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung.
4.1
Im KVG statuiert Art. 32 Abs. 1 ein allgemein geltendes Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Rechtsprechung hat dazu im Zusammenhang mit der Restfinanzierung festgehalten, es sei "die Aufgabe der Kantone, welchen die Restfinanzierung für die Pflegekosten obliegt, die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben sicherzustellen, allenfalls in Form von Tarifvorschriften, [...]". Seien diese "im Einzelfall jedoch nicht kostendeckend, erweisen sie sich als mit der Regelung von Art. 25a Abs. 5 Satz 2 KVG nicht vereinbar." (
BGE 144 V 280
E. 7.4.3; zur Bedarfsermittlung, die ebenfalls eine Facette der Wirtschaftlichkeitsprüfung bildet, vgl.
BGE 144 V 280
E. 6.2 und 7.4.4.2). Das ist zu präzisieren wie folgt: Der Leistungserbringer hat von Bundesrechts wegen keinen Anspruch auf Entschädigung seiner Vollkosten unbesehen der Wirtschaftlichkeit. Das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot (Art. 32 Abs. 1 KVG) limitiert einerseits den zu deckenden Pflegebedarf (vgl. zur Pflegebedarfsermittlung aktuell Art. 8a ff. KLV [SR 832.112.31]; bis 31. Dezember 2019 aArt. 8 KLV; vgl. ausserdem
BGE 144 V 280
E. 7.4.4.2). Anderseits verlangt es, dass der ermittelte Bedarf möglichst kostengünstig gedeckt wird. Das Erfordernis der Wirtschaftlichkeit begrenzt zum vornherein den Umfang der versicherten Leistungen. Sämtliche der im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung involvierten Akteure haben zu gewährleisten, dass das Ziel von Art. 32 KVG, nämlich die Sicherstellung einer effizienten, qualitativ hochstehenden und zweckmässigen Gesundheitsversorgung zu möglichst günstigen Konditionen, erreicht wird (SVR 2017 KV Nr. 13 S. 59, 9C_176/2016 E. 6.2.1; vgl. analog auch den Wortlaut des Art. 43 Abs. 6 KVG, der so die Wirtschaftlichkeit definiert). Vor diesem - bundesrechtlichen - Hintergrund ist die Freiheit des kantonalen Gesetzgebers zu verstehen, Tarife, Höchstpreise oder Fallpauschalen vorzusehen, um auf die Kosten der Bedarfsdeckung mässigend einzuwirken (vgl.
BGE 144 V 280
E. 7.4.3;
BGE 142 V 94
E. 5.1; Urteil 2C_727/2011 vom 19. April 2012 E. 6.3.1, nicht publ. in:
BGE 138 II 191
).
Dass abstrakte Vorgaben dabei nicht absolut gelten können, sondern nur insoweit, als sie einer Deckung der Kosten wirtschaftlicher Leistungserbringung nicht entgegenstehen, hat die Rechtsprechung unmissverständlich klargestellt: So ist etwa unvereinbar mit der Regelung von Art. 25a Abs. 5 Satz 2 KVG eine Vorgabe fixer betraglicher Höchstansätze, die dazu führt, dass unbesehen jeglicher konkreten Wirtschaftlichkeitsprüfung die Kosten eines bestimmten Anteils der "teuersten" Pflegeheime auf einer kantonalen Liste nicht gedeckt werden (
BGE 144 V 280
E. 7.4.2 f.).
4.2
Als Ausfluss der Freiheit der Kantone in der Ausgestaltung der Restfinanzierung steht es dem Kanton Luzern frei, ein Verfahren vorzusehen, bei dem deren Höhe primär auf tarifvertraglichen Vereinbarungen beruht (§ 7 des Betreuungs- und Pflegegesetzes vom 13. September 2010 [BPG/LU; SRL 867]) mit subsidiärer Regelung für den vertragslosen Zustand (hoheitliche Festsetzung im Einzelfall, § 8 BPG/LU i.V.m. Art. 49 ATSG; vgl.
BGE 142 V 94
E. 5.3 i.V.m. E. 3.1). Ebenso kann der Kanton - wie im Kanton Luzern geschehen - vorsehen, dass das Gemeinwesen bei vertragslosem Zustand - als Basis der (späteren, individuellen) direkten hoheitlichen Festsetzung der Restfinanzierungsbeiträge gemäss § 8 BPG/LU i.V.m. Art. 49 ATSG - den für einen bestimmten Leistungserbringer anwendbaren Pflegeminutentarif hoheitlich festlegt. Damit wird eine gewisse Symmetrie hergestellt im Verhältnis zu Leistungserbringern, mit denen ein Tarifvertrag besteht, der den anwendbaren Pflegeminutentarif fixiert. An dessen Stelle tritt dann der verfügte Tarif. In beiden Fällen richtet sich in einem ersten Schritt die Ermittlung der massgeblichen Gesamtkosten grundsätzlich nach den Vorgaben des kantonalen Rechts (vgl. für den Kanton Luzern insbesondere § 3 ff. BPG/LU und § 3a ff. der Verordnung vom 30. November 2010 zum Betreuungs- und Pflegegesetz [BPV/LU; SRL 867a]). Dies schliesst die Ausgestaltung der Wirtschaftlichkeitsprüfung mit ein (§ 7 Abs. 2 BPG/LU sowie § 4 Abs. 2 lit. b BPV/LU). Darauf folgt - jedenfalls im Streitfall - in einem zweiten Schritt die Verfügung über die konkreten Leistungen gestützt auf Art. 49 ATSG (sowie § 8 BPG/LU) unter Zugrundelegen des zuvor festgelegten Tarifs bzw. Pauschalbetrags.
Konkret berechnet sich der Restfinanzierungsbeitrag im Kanton Luzern - ausgehend vom anwendbaren, hier strittigen, Pflegeminutentarif - wie folgt: Zunächst wird der Pflegeminutentarif (z.B.: Fr. 1.33) multipliziert mit dem durchschnittlichen Minutenaufwand der
Pflegestufe gemäss KLV (z.B.: 131 Minuten pro Person und Tag in der Pflegestufe 7). Dies ergibt die Pflegevollkosten pro Tag (im Beispiel: Fr. 1.33/Minute x 131 Minuten = bei Rundung auf zehn Rappen genau Fr. 174.20 pro Person und Tag in der Pflegestufe 7). Von diesen werden die Beiträge der Krankenversicherer gemäss KLV (z.B.: Fr. 63.- in der Pflegestufe 7 gemäss Art. 7a Abs. 3 lit. g KLV in der bis Ende 2019 geltenden Fassung) sowie der Pflegebedürftigen (bis Ende 2019: Fr. 21.60) abgezogen. Was verbleibt, ist der Restfinanzierungsbeitrag, der im Kanton Luzern nach kantonalem Recht zu Lasten der Gemeinde geht (im Beispiel: Fr. 89.60 pro Person und Tag in der Pflegestufe 7).
5. Fallbezogen überprüfte das Kantonsgericht im Wesentlichen die hoheitliche Tariffestsetzung der Stadt Luzern für das Pflegeheim B. im Jahr 2019, indem es an den vom Beschwerdeführer ausgewiesenen Vollkosten der Pflege (im der Berechnung zugrunde liegenden Jahr 2017) den Massstab des Wirtschaftlichkeitsgebots anlegte. Es gelangte zum Schluss, die Berechnungen der Stadt Luzern seien nachvollziehbar und der verfügte Tarif von Fr. 1.30 pro Pflegeminute korrekt.
5.1
Der Beschwerdeführer macht verschiedene Verletzungen seiner verfassungsmässigen Rechte geltend. Soweit er eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs im Sinne der Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV) rügt, ist eine solche nicht erkennbar, hat sich doch die Vorinstanz einlässlich mit seinen Vorbringen befasst und ihren Entscheid ausführlich begründet. Die Rügen einer Verletzung von Treu und Glauben, des Legalitätsprinzips, der Gebote von Rechtsgleichheit und Verhältnismässigkeit sowie der Wirtschaftsfreiheit begründet er nicht in einer den qualifizierten Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG genügenden Weise. Weiterungen dazu erübrigen sich.
5.2
Weiter rügt der Beschwerdeführer die vorgenommene Wirtschaftlichkeitsprüfung bereits dem Grundsatz nach als unvereinbar mit Art. 25a Abs. 5 KVG, was das Bundesgericht mit freier Kognition prüft (
BGE 142 V 94
E. 1.3 und 2 Ingress). Damit dringt er nicht durch: Nach dem Gesagten (oben E. 4.1) verschafft Art. 25a Abs. 5 KVG entgegen seiner Auffassung keinen unbeschränkten Anspruch auf Deckung der Vollkosten, sondern verpflichtet das Gemeinwesen zur Übernahme der Restkosten nur insoweit, als diesen eine wirtschaftliche Leistungserbringung zugrunde liegt. Der Kanton Luzern unterwirft - wie aus E. 4.2 hiervor sowie der vorinstanzlichen
Erwägung 3.2.2 erhellt - die Restfinanzierung keinen abstrakten, fixen Kostenobergrenzen, sondern prüft die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung im Rahmen der individuellen Tarifvereinbarung mit den einzelnen Pflegeeinrichtungen unter Berücksichtigung deren unterschiedlicher Strukturen und Angebote. Das ist dem Grundsatz nach mit Art. 25a Abs. 5 KVG vereinbar. Fehl geht damit auch die Rüge der fehlenden gesetzlichen Grundlage im Sinne von Art. 5 Abs. 1 BV für die vorgenommenen Kürzungen. Das kantonale Gericht vermochte die vorgenommene Wirtschaftlichkeitsprüfung, die zu diesen geführt hat, vielmehr auf Art. 32 Abs. 1 KVG sowie die (ausführenden) § 7 Abs. 2 BPG/LU und § 4 Abs. 2 lit. b BPV/LU zu stützen.
5.3
Der Beschwerdeführer wirft dem kantonalen Gericht sodann vor, den massgeblichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig (willkürlich, vgl. zur beschränkten Kognition des Bundesgerichts nicht publ. E. 3.2) im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG festgestellt zu haben. Seine Rüge bezieht sich einerseits auf die Feststellung eines markanten realen Kostenanstiegs, anderseits auf die Feststellung, ein hoher KLV-Schlüssel könne auf einen wenig effizienten Einsatz des Pflegepersonals hindeuten, da er bei höheren Lohnkosten und weniger nach KLV abrechenbaren Stunden steige.
5.3.1
Der Beschwerdeführer macht geltend, ein realer Kostenanstieg habe entgegen der Vorinstanz (vgl. deren Erwägung 6) nicht stattgefunden. Die Gesamtkosten seien zufolge einer Darstellungskorrektur in der Kostenrechnung angestiegen. Dies sei für die Kosten im Bereich Pflege und Betreuung, die für die Tarifermittlung relevant seien, weder im Jahr 2017 noch in den Vorjahren massgeblich gewesen. Damit dringt er nicht durch. Inwiefern ein Anstieg der Gesamtkosten - die, soweit nicht direkt einer Hauptkostenstelle (etwa: 110 Pflege und Betreuung) zugewiesen, grundsätzlich auf diese umgelegt werden (vgl. Kostenrechnung 2017) - auf die Höhe der ausgewiesenen Pflege- und Betreuungskosten keinen Einfluss haben soll, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf. Dies leuchtet - mit der Beschwerdegegnerin - auch nicht ein. Selbst wenn aber hinsichtlich der behaupteten Unmassgeblichkeit der Darstellungskorrektur für die Ermittlung der Kosten dem Beschwerdeführer gefolgt würde, könnte er daraus für seinen Standpunkt nichts ableiten: Hätten die Gesamtkosten keinen Einfluss auf die massgeblichen Pflege- und Betreuungskosten, vermöchte ihr Anstieg den geltend gemachten höheren Pflegeminutentarif zum vornherein nicht zu rechtfertigen.
Die Vorinstanz verkannte sodann keineswegs die buchhalterische Natur der gestiegenen Miet- und Abschreibungskosten. Sie erwog vielmehr, diese verhindere nicht, dass der damit verbundene Anstieg der Gesamtkosten (und in logischer Folge der vom Beschwerdeführer gestützt darauf verlangte höhere Pflegeminutentarif) von der Stadt Luzern einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen werde. Damit ist sie nicht in Willkür verfallen. Die Wirtschaftlichkeit der erbrachten Pflegeleistungen beurteilt sich anhand der vom Leistungserbringer tatsächlich geltend gemachten Kosten. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob ein ausgewiesener Kostenanstieg auf tatsächlich gestiegene Kosten oder auf eine neue Darstellungsweise zurückzuführen ist (mithin: ob eine allfällige Unwirtschaftlichkeit tatsächlich neu ist oder ob diese bereits seit jeher bestanden hat und erst aufgrund von technischen Änderungen in der Kostenerfassung kostenwirksam wird). Insgesamt ist die vorinstanzliche Feststellung eines relevanten Anstiegs der Betriebskosten des Pflegeheims B. zwischen 2016 und 2017 nicht offensichtlich unrichtig und bindet demnach das Bundesgericht (nicht publ. E. 3.3).
5.3.2
Mit seiner Auffassung, ein höherer KLV-Schlüssel bedeute einen vermehrten Einsatz von Pflegepersonal für tatsächliche Pflegeleistungen, vermag der Beschwerdeführer die gegenteilige vorinstanzliche Feststellung nicht als offensichtlich unrichtig erscheinen zu lassen. Das kantonale Gericht stellte fest, der KLV-Schlüssel werde in zwei Schritten berechnet. Zunächst werde auf der Zeitebene das Verhältnis zwischen der Gesamtheit der Einsatzstunden des Pflege- und Betreuungsteams und den abrechenbaren Pflegestunden nach KLV gemäss jeweiliger Einstufung ermittelt (z.B. resultiert bei total 100 Einsatzstunden des Pflege- und Betreuungsteams und 60 abrechenbaren Pflegestunden ein Zeitschlüssel von 60). Danach werde in einem zweiten Schritt anhand einer Formel der "Grade-and-Skill-Mix" des Betriebs festgelegt. Dabei wird konkret der Anteil der Löhne des Fachpersonals an den totalen Kosten der Kostenstelle ermittelt und zum Zeitfaktor dazugeschlagen, womit den höheren Kosten für Fachpersonal Rechnung getragen wird. Der Schlüssel für die KLV-Leistungen (KLV-Schlüssel) als Umlageschlüssel für den Besoldungsaufwand des Pflege- und Betreuungspersonals auf die Kostenträger Betreuung und Pflege ergibt sich mithin aus der Zusammenrechnung des Zeitfaktors (welcher Anteil der Arbeitsstunden des Pflege- und Betreuungspersonals kann als KLV-pflichtig abgerechnet werden) und einem Zuschlag bzw. Korrekturfaktor für
höhere fachliche Qualifikation ("Grade-and-Skill-Mix"), da qualifizierteres Personal pro Zeiteinheit teurer ist. Damit sollen die nicht KLV-pflichtigen Leistungen aus dem Leistungsbündel der Kostenstelle 110 (Besoldung Pflegepersonal) ausgeschieden und mit einem wesentlich tieferen Kostensatz dem Betreuungsbereich zugewiesen werden. Die Vorinstanz stellte weiter fest, der KLV-Schlüssel steige bei höheren Lohnkosten und weniger verrechneten (Pflege-)Stunden, was offensichtlich nicht als effizient zu bezeichnen sei.
Der Beschwerdeführer bezieht den KLV-Schlüssel augenscheinlich einzig auf die Lohnkosten des Pflegepersonals (und verwechselt diesen mithin mit dem Grade-and-Skill-Mix als dessen Teilelement, das vom Anteil des Fachpersonals am Pflegepersonal abhängt), statt richtig auf die gesamten Besoldungskosten des Pflege- und Betreuungspersonals. Wird der KLV-Schlüssel richtig auf diese letztere Grösse bezogen, erhellt, dass bei vermehrtem Einsatz des Pflegepersonals für Pflegeleistungen (statt nicht KLV-pflichtiger Betreuungsleistungen) grundsätzlich entweder (bei steigendem Bedarf an Pflegeleistungen) die Zahl der abrechenbaren Pflegeminuten steigen oder (bei konstant bleibendem oder sinkendem Bedarf an Pflegeleistungen) der Anteil der vom Pflegepersonal gearbeiteten Stunden an der Gesamtheit der Einsatzstunden des Pflege- und Betreuungsteams sinken müsste, da die bisher von diesem erbrachten Betreuungsleistungen von weniger qualifiziertem Personal erbracht werden müssten. In beiden Fällen bliebe der KLV-Schlüssel konstant oder würde sinken, jedenfalls nicht steigen. Auch diesbezüglich hat es mithin bei den vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen sein Bewenden.
5.4
Die Vorinstanz habe - so der Beschwerdeführer weiter - das kantonale Recht - in dem die konkreten Modalitäten der vorgenommenen Wirtschaftlichkeitsprüfung ihre Grundlage finden (E. 4.2 und 5.2 hiervor) - willkürlich angewandt (zur diesbezüglich beschränkten Kognition des Bundesgerichts vgl. etwa
BGE 141 I 9
E. 3.3).
5.4.1
Weder ersichtlich noch substanziiert dargelegt ist zunächst, inwiefern der Verzicht auf einen umfassenden und transparenten Quervergleich der (Stadt-)Luzerner Pflegeheime Resultat einer willkürlichen Anwendung des kantonalen Rechts sein sollte. Dass ein solcher Vergleich im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung zwingend vorzunehmen wäre oder in der Praxis regelmässig vorgenommen würde, lässt sich insbesondere weder § 7 Abs. 2 BPG/LU noch
§ 4 Abs. 2 BPV/LU entnehmen. Es kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer keine Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass ein Vergleich mit anderen Leistungserbringern zu einer abweichenden Einschätzung der Wirtschaftlichkeit seiner eigenen Leistungserbringung führen könnte. Dazu hätte umso mehr Anlass bestanden, als die Beschwerdegegnerin bereits vor Vorinstanz darauf hinwies, die Kosten für Pflege und Betreuung in den Stadt-Luzerner Pflegeheimen beliefen sich durchschnittlich pro Tag und Bett auf Fr. 188.-, während der Beschwerdeführer auf Fr. 237.- pro Tag und Bett komme (vorinstanzliche Erwägung 8.8).
5.4.2
Das kantonale Gericht schützte den unter dem Titel "Auslastungsgrad" vorgenommenen Abzug von Fr. 0.02 (von den Vollkosten pro Minute). Dazu erwog es im Wesentlichen, dieser Abzug trage der Tatsache Rechnung, dass das Pflegeheim B. im Rahmen der Berechnung der Vollkosten pro Pflegeminute bei der Auslastung auch die sogenannten "Reservationstage" berücksichtigt habe. Diese seien aber nicht Bestandteil der relevanten Pflegekosten, sondern durch den Kostenträger Pension abzugelten. Durch die Berücksichtigung der Reservationstage und die Verschiebung der an diesen Tagen angefallenen Kosten in den Pflegebereich würden im Umfang der resultierenden Auslastungsdifferenz Pflegekosten generiert, welche nicht mit einer entsprechenden Leistungserhöhung bzw. mit einer Erhöhung der Anzahl geleisteter Pflegeminuten einhergingen. Mit anderen Worten seien bei einer effektiven Auslastung von 96,42 % nicht die gleichen Kosten als wirtschaftlich zu akzeptieren wie bei einer solchen von 98,35 %. Zu Recht habe die Stadt Luzern demnach den geltend gemachten Tarif im Verhältnis der niedrigeren Auslastung um (gerundet) Fr. 0.02 pro Pflegeminute gekürzt. Es könne nicht Aufgabe des Gemeinwesens sein, ein (Über-)Angebot an Pflegeleistungen abzugelten an Tagen, an denen gar keine solchen Leistungen erbracht worden seien.
5.4.2.1
Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, die Reservationstage hätten keinen Einfluss auf die Berechnung des Pflegeminutentarifs, da sich dieser aus den Gesamtkosten dividiert durch die erbrachten Pflegeminuten ergebe. Der "Divisor der Gesamtkosten" bleibe unverändert. Das bedeutet aber umgekehrt, dass sich die Kosten auf weniger Einheiten (Pflegeminuten) aufteilen als bei höherer Auslastung. Werden die Faktoren für die Umlage der Kosten auf die Pflege unter Miteinrechnung der Reservationstage ermittelt, die so zugeteilten Kosten dann aber auf die nach KLV abrechenbaren
Pflegeminuten verteilt, führt dies dazu, dass eigentlich auf Reservationstage - und damit den Kostenträger "Pension" - entfallende Kosten den Pflegeminutentarif in die Höhe treiben. Die Beschwerdegegnerin ergänzt diesbezüglich nachvollziehbar, es sei aus Sicht der Pflegefinanzierung unwirtschaftlich, wenn solchermassen bei stagnierenden Erträgen die Vollkosten der Pflege erhöht würden, wie dies vorliegend geschehen sei. Sei der Auslastungsgrad rückläufig, müsse der Aufwand vielmehr reduziert werden, damit das Ergebnis nicht oder nur leicht schlechter ausfalle (vgl. auch HOFSTETTER/REY, Restkostenfinanzierung und Wirtschaftlichkeitskontrolle, Pflegerecht 2018 S. 213 f.: Die Autoren warnten im Nachgang zu
BGE 144 V 280
vor Fehlanreizen, die ein Heim verleiten könnten, sein betriebswirtschaftliches Ergebnis zu Lasten des Restkostenfinanzierers zu optimieren, indem es Kosten von Betreuungs- und Hotellerieleistungen in die restkostenfinanzierten Pflegekosten verschiebe, um so auf dem Markt für mögliche Bewohner attraktiver auftreten zu können).
Die Vorinstanz erachtete nicht einen bestimmten prozentualen Auslastungsgrad per se als indikativ für Unwirtschaftlichkeit, sondern eine ineffiziente Bewirtschaftung der Kapazitäten und personellen Mittel. In diesem Zusammenhang sei die Abwälzung der Kosten für Tage, an denen die Bewohner tatsächlich gar nicht anwesend gewesen seien (etwa: wegen Spitalaufenthalten, Ferien, Wechseln, etc.), auf das Gemeinwesen nicht zulässig. Inwiefern sie damit kantonales Recht willkürlich angewandt oder ausgelegt haben soll, ist nicht ersichtlich.
5.4.2.2
Zu keinem anderen Ergebnis führt der Verweis des Beschwerdeführers darauf, er habe auf exogene Faktoren wie Spitalaufenthalte, Ferientage oder Leerstände bei Wechseln der Bewohnerschaft keinen Einfluss und könne hierauf auf Ebene des Personalbestands kaum reagieren. Es ist jedenfalls nicht willkürlich, wenn die kantonale Praxis im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung vom Leistungserbringer - dem mit der Vorinstanz grundsätzlich der effiziente Einsatz der personellen Ressourcen obliegt - verlangt, bei der Ermittlung seiner Auslastung Abwesenheitstage der Bewohnerinnen und Bewohner auszuklammern. Ein solches Vorgehen findet seine Rechtfertigung darin, dass Tage, an denen zufolge Abwesenheiten keine Pflegeleistungen zu erbringen sind, bei der Personalplanung aufgrund von (statistischen) Erfahrungswerten und über das Gesamte betrachtet weitestgehend einzuplanen sind, woran die i.d.R. eher kurze Vorankündigung der jeweiligen konkreten Abwesenheiten
nichts ändert. Für die Personalplanung ist der Gesamtbetrieb massgeblich. Aus dessen Sicht ist nicht die Vorhersehbarkeit einzelner Abwesenheiten ausschlaggebend, sondern die Anzahl der in der statistischen Aggregation zu erwartenden Abwesenheitstage, die naturgemäss besser voraussehbar ist. Dies gilt umso mehr, als es bei der Tarifberechnung um eine Durchschnittsbetrachtung geht. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, inwiefern sich die verbleibende Planungsunsicherheit nicht auf ein Mass reduzieren liesse, das etwa mit einer rollenden Planung nicht dringender pflegerischer Verrichtungen, der kurzfristigen Leistung bzw. Kompensation von Überstunden und/oder mit dem Einsatz von Personal auf Abruf zu bewältigen wäre. Insofern verfangen die Ausführungen des Beschwerdeführers zu den praktischen Grenzen eines flexiblen Personaleinsatzes nicht, zumal die Vorinstanz feststellte, dass das Pflegeheim B. keine Aufnahmepflicht trifft und er mithin nicht jederzeit gewisse freie Kapazitäten "vorhalten" muss. Dadurch unterscheidet er sich denn etwa auch von einem Spital, das regelmässig gewisse Vorhalteleistungen zu erbringen hat, um die mit der Erfüllung seines Leistungsauftrages einhergehenden Nachfrageunsicherheiten abdecken zu können (vgl. etwa WALDNER/EGLI, in: Basler Kommentar, Krankenversicherungsgesetz/Krankenversicherungsaufsichtsgesetz, 2020, N. 125 f. zu Art. 49 KVG).
Nicht hinreichend substanziiert (Art. 42 Abs. 2 BGG) ist der Vorwurf, die Vorinstanz habe den tatsächlichen Effekt der Reservationstage auf die Kosten ungenügend abgeklärt und willkürlich eine lineare Kürzung vorgenommen, die etwa Skaleneffekte bei den Personalkosten nicht berücksichtige. Weiterungen dazu erübrigen sich.
5.4.3
Bezüglich des von der Stadt Luzern vorgenommenen Abzugs unter dem Titel "KLV-Schlüssel" erwog die Vorinstanz, es sei unwirtschaftlich, dass das Pflegeheim B. mehr hochqualifiziertes Personal beschäftige als von den Richtstellenplänen vorgesehen und notwendig. Dies führe zum über den Empfehlungen des Branchenverbandes Curaviva liegenden Grade-and-Skill-Mix (dazu oben E. 5.3.2) von 11 % (Empfehlung: maximal 10 %). Im Sinne des Kontinuitätsgrundsatzes seien zudem Schwankungen und Abweichungen der Kosten und Kennzahlen zu den Vorjahren zu begründen. Das gelte insbesondere für eine Anpassung des Grade-and-Skill-Mix und des KLV-Schlüssels. Dem Beschwerdeführer gelinge es nicht, die Kostensteigerung plausibel zu begründen. Vielmehr beschränke er sich
darauf, betriebliche Besonderheiten zu behaupten, die allesamt schon in den Vorjahren bestanden hätten. Insbesondere lasse sich das Argument nicht nachvollziehen, das Pflegepersonal sei vermehrt effektiv für Pflegeleistungen und nicht für Betreuungsleistungen eingesetzt worden, zumal die Anzahl der abgerechneten Pflegeminuten nicht zugenommen habe. Weiter sei eine überdurchschnittliche Qualifikation des Pflegepersonals nicht durch die Allgemeinheit zu tragen. Demnach sei (weiterhin) auf den durchschnittlichen KLV-Schlüssel der letzten fünf Jahre von 80 % abzustellen. Dies führe zu einer Differenz (und mithin einem Abzug) von umgerechnet knapp Fr. 0.025 pro Pflegeminute, was in masslicher Hinsicht nicht bestritten werde.
Darauf sowie auf das bereits oben in E. 5.3.2 Gesagte kann verwiesen werden. Dass die Stadt Luzern in ihrer Berechnung des durchschnittlichen KLV-Schlüssels vergangener Jahre das Jahr 2017 ausklammerte, ist - entgegen dem Beschwerdeführer - sachlich vertretbar, war doch die Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung im Jahr 2017 gerade strittig. Wie die Stadt Luzern richtig darlegt, basierte weiter die Kürzung von 2 % nicht auf dem um 1 % "zu hohen" Grade-and-Skill-Mix, sondern auf der ermittelten Abweichung des KLV-Schlüssels zum Durchschnitt der Vorjahre.
5.4.4
Der Beschwerdeführer will die Wirtschaftlichkeit des für das Jahr 2019 verlangten, im Vergleich zu den Vorjahren höheren, Tarifs daraus ableiten, dass "die einzige tatsächliche Kostensteigerung auf höhere Lohnkosten zurückzuführen ist" und "im Vergleich zu den Jahren 2014 und 2015" die "Besoldung der Pflege pro Pflegeminute sogar von [Fr.] 1.07 auf [Fr.] 1.04 reduziert werden" konnte. Dabei begründet er weder seinen Verweis einzig auf die Jahre 2014 und 2015, nicht aber auf das unmittelbare Vorjahr 2016, noch belegt er seine Berechnungen. So oder anders ist nicht ersichtlich, inwiefern tiefere Personalkosten pro Pflegeminute einen gegenüber den Vorjahren höheren Tarif pro Pflegeminute als wirtschaftlich rechtfertigen und die vorinstanzliche Wirtschaftlichkeitsprüfung als willkürlich erscheinen lassen sollten. Insbesondere wird dadurch auch ein Nachweis gesteigerter Effizienz nicht ohne Weiteres erbracht.
5.4.5
Was die Überlegungen des Beschwerdeführers zur Ausgleichung der Unterdeckung des Vorjahres und zur Berücksichtigung der Kosten für MiGeL-Produkte in den Jahren 2016 und 2017 betrifft, so geht aus diesen nicht hervor, inwiefern konkret die
Vorinstanz mit ihrer diesbezüglichen Erwägung 9 Bundesrecht verletzt oder kantonales Recht willkürlich angewendet haben soll. Vielmehr erschöpfen sich die diesbezüglichen Ausführungen in appellatorischer Kritik an den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz. Weiterungen erübrigen sich.
5.5
Nicht ersichtlich ist schliesslich, inwiefern die Vorinstanz bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung durch den Beschwerdeführer eine rechtswidrige Umkehr der Beweislast vorgenommen haben sollte. Das kantonale Gericht ist - wie vom Beschwerdeführer verlangt - von den durch ihn ermittelten Vollkosten ausgegangen und hat alsdann geprüft, ob Unwirtschaftlichkeit in den zu Abzügen hiervon führenden Punkten (überwiegend wahrscheinlich; vgl. zu diesem im Sozialversicherungsrecht regelhaft anwendbaren Beweisgrad etwa
BGE 144 V 427
E. 3.2 mit Hinweis) nachgewiesen war, was sie bejahte. Mangels Beweislosigkeit hing der Prozessausgang damit nicht von der Verteilung der (materiellen) Beweislast ab.
5.6
Insgesamt vermag der Beschwerdeführer angesichts des Missverhältnisses von steigenden Kosten bei sinkenden Einsatzstunden und nahezu gleichgebliebenen äusseren Umständen - ohne nachvollziehbare Erklärung - nicht aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz mit der Qualifikation seiner Betriebsführung im (dem Pflegeminutentarif 2019 zugrunde liegenden) Referenzjahr 2017 als unwirtschaftlich in Willkür verfallen sein sollte. Widersprüchlich ist, wenn er - sowohl hinsichtlich der Gesamtkosten als etwa auch bezüglich der Lohnstückkosten oder der Mietkosten - einen relevanten Kostenanstieg in Abrede stellt, gleichzeitig aber einen höheren Pflegeminutentarif fordert. Damit hat es beim Urteil des Kantonsgerichts vom 21. August 2020 sein Bewenden. | de | Art. 25a al. 5, art. 32 al. 1 LAMal; financement résiduel des coûts des soins; caractère économique. L'art. 25a al. 5, 2e phrase, LAMal n'octroie pas au fournisseur de prestations un droit illimité à l'indemnisation de ses coûts effectifs. Il ne prescrit aux cantons que de prendre à leur charge les coûts de prestations fournies de manière économique dans le sens d'un financement résiduel. Les cantons sont en principe libres quant à la manière de les fixer (y compris les modalités concrètes de l'examen du caractère économique) (consid. 4).
En l'espèce, l'autorité précédente n'a pas appliqué le droit cantonal de manière arbitraire en confirmant la fixation du tarif par la collectivité publique chargée du financement résiduel, qui s'est écartée des coûts effectifs calculés par le fournisseur de prestations après un examen concret de leur caractère économique. Il n'y a pas de violation du droit (constitutionnel) fédéral (consid. 5). | fr | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-450%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,807 | 147 V 450 | 147 V 450
Sachverhalt ab Seite 451
A.
Der Verein A. betreibt das Pflegeheim B. Dieses erbringt im Bereich der Langzeitpflege Leistungen der stationären Grund- und Spezialversorgung (Pflegeheimliste für den Kanton Luzern, gültig ab 1. Juli 2017). Nachdem Verhandlungen mit der Stadt Luzern über den massgebenden Vollkostentarif für das Jahr 2019 gescheitert waren, unterzeichneten die Parteien am 28. Januar 2019 eine provisorische Leistungsvereinbarung mit einem Vollkostentarif von Fr. 1.30 pro Pflegeminute. Auf Antrag des Pflegeheims B. legte die Stadt Luzern anschliessend für das Jahr 2019 einen Vollkostentarif von Fr. 1.30 pro Pflegeminute fest (Stadtratsbeschluss Nr. 267 vom 15. Mai 2019), was sie auf Einsprache hin bestätigte
(Stadtratsbeschluss Nr. 556 vom 11. September 2019). Dieser Tarif basierte auf Vollkosten von Fr. 1.33 pro Pflegeminute gemäss letzter abgeschlossener Kostenrechnung des Pflegeheims B. aus dem Jahr 2017, abzüglich Fr. 0.02 unter dem Titel "Auslastung" und Fr. 0.025 unter dem Titel "KLV-Schlüssel", zuzüglich Fr. 0.015 zum Ausgleich einer Unterdeckung im Jahr 2017.
B.
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 21. August 2020 ab.
C.
Der Verein A. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, es sei das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und für die Leistungen des Pflegeheims B. im Jahre 2019 ein Pflegeminutentarif von Fr. 1.33 festzusetzen. Eventualiter sei die Sache zur Festsetzung eines Pflegeminutentarifs für das Jahr 2019 an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Die Stadt Luzern beantragt, es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten; eventualiter sei diese abzuweisen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Seit Inkrafttreten der Neuordnung der Pflegefinanzierung am 1. Januar 2011 leistet einerseits die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) einen Beitrag an die Pflegeleistungen, die aufgrund einer ärztlichen Anordnung und eines ausgewiesenen Pflegebedarfs ambulant oder im Pflegeheim erbracht werden (Art. 25a Abs. 1 KVG). Andererseits haben sich sowohl die Versicherten (im Umfang von maximal 20 % des höchsten vom Bundesrat festgesetzten Pflegebeitrages, Art. 25a Abs. 5 Satz 1 KVG) als auch die öffentliche Hand (Restfinanzierung, Art. 25a Abs. 5 Satz 3 KVG) an den Pflegekosten zu beteiligen.
Art. 25a Abs. 5 Satz 2 KVG überträgt den Kantonen die Ausgestaltung der konkreten Modalitäten der Restfinanzierung ("Die Kantone regeln die Restfinanzierung", bzw. in den französischen und italienischen Sprachfassungen: "Les cantons règlent le financement résiduel"; "I Cantoni disciplinano il finanziamento residuo"). Dies ändert indes nichts daran, dass der grundsätzliche Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Pflegekosten durch die öffentliche Hand (Kanton oder - aufgrund kantonaler Delegation - Gemeinden)
bundesrechtlicher Natur ist (
BGE 144 V 280
E. 3.1 mit Hinweisen;
BGE 147 V 156
E. 3.1). Bundesrechtlicher Natur ist damit auch die Frage danach, ob sich der Anspruch auf Deckung der Restkosten der stationären Pflege dem Grundsatz nach nur auf wirtschaftlich erbrachte Leistungen bezieht oder auf die gesamten Vollkosten. Sache des kantonalen Rechts ist hingegen - bei Anwendbarkeit des Wirtschaftlichkeitsgebots im Bereich der Restfinanzierung von Pflegeleistungen - die konkrete Ausgestaltung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung.
4.1
Im KVG statuiert Art. 32 Abs. 1 ein allgemein geltendes Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Rechtsprechung hat dazu im Zusammenhang mit der Restfinanzierung festgehalten, es sei "die Aufgabe der Kantone, welchen die Restfinanzierung für die Pflegekosten obliegt, die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben sicherzustellen, allenfalls in Form von Tarifvorschriften, [...]". Seien diese "im Einzelfall jedoch nicht kostendeckend, erweisen sie sich als mit der Regelung von Art. 25a Abs. 5 Satz 2 KVG nicht vereinbar." (
BGE 144 V 280
E. 7.4.3; zur Bedarfsermittlung, die ebenfalls eine Facette der Wirtschaftlichkeitsprüfung bildet, vgl.
BGE 144 V 280
E. 6.2 und 7.4.4.2). Das ist zu präzisieren wie folgt: Der Leistungserbringer hat von Bundesrechts wegen keinen Anspruch auf Entschädigung seiner Vollkosten unbesehen der Wirtschaftlichkeit. Das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot (Art. 32 Abs. 1 KVG) limitiert einerseits den zu deckenden Pflegebedarf (vgl. zur Pflegebedarfsermittlung aktuell Art. 8a ff. KLV [SR 832.112.31]; bis 31. Dezember 2019 aArt. 8 KLV; vgl. ausserdem
BGE 144 V 280
E. 7.4.4.2). Anderseits verlangt es, dass der ermittelte Bedarf möglichst kostengünstig gedeckt wird. Das Erfordernis der Wirtschaftlichkeit begrenzt zum vornherein den Umfang der versicherten Leistungen. Sämtliche der im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung involvierten Akteure haben zu gewährleisten, dass das Ziel von Art. 32 KVG, nämlich die Sicherstellung einer effizienten, qualitativ hochstehenden und zweckmässigen Gesundheitsversorgung zu möglichst günstigen Konditionen, erreicht wird (SVR 2017 KV Nr. 13 S. 59, 9C_176/2016 E. 6.2.1; vgl. analog auch den Wortlaut des Art. 43 Abs. 6 KVG, der so die Wirtschaftlichkeit definiert). Vor diesem - bundesrechtlichen - Hintergrund ist die Freiheit des kantonalen Gesetzgebers zu verstehen, Tarife, Höchstpreise oder Fallpauschalen vorzusehen, um auf die Kosten der Bedarfsdeckung mässigend einzuwirken (vgl.
BGE 144 V 280
E. 7.4.3;
BGE 142 V 94
E. 5.1; Urteil 2C_727/2011 vom 19. April 2012 E. 6.3.1, nicht publ. in:
BGE 138 II 191
).
Dass abstrakte Vorgaben dabei nicht absolut gelten können, sondern nur insoweit, als sie einer Deckung der Kosten wirtschaftlicher Leistungserbringung nicht entgegenstehen, hat die Rechtsprechung unmissverständlich klargestellt: So ist etwa unvereinbar mit der Regelung von Art. 25a Abs. 5 Satz 2 KVG eine Vorgabe fixer betraglicher Höchstansätze, die dazu führt, dass unbesehen jeglicher konkreten Wirtschaftlichkeitsprüfung die Kosten eines bestimmten Anteils der "teuersten" Pflegeheime auf einer kantonalen Liste nicht gedeckt werden (
BGE 144 V 280
E. 7.4.2 f.).
4.2
Als Ausfluss der Freiheit der Kantone in der Ausgestaltung der Restfinanzierung steht es dem Kanton Luzern frei, ein Verfahren vorzusehen, bei dem deren Höhe primär auf tarifvertraglichen Vereinbarungen beruht (§ 7 des Betreuungs- und Pflegegesetzes vom 13. September 2010 [BPG/LU; SRL 867]) mit subsidiärer Regelung für den vertragslosen Zustand (hoheitliche Festsetzung im Einzelfall, § 8 BPG/LU i.V.m. Art. 49 ATSG; vgl.
BGE 142 V 94
E. 5.3 i.V.m. E. 3.1). Ebenso kann der Kanton - wie im Kanton Luzern geschehen - vorsehen, dass das Gemeinwesen bei vertragslosem Zustand - als Basis der (späteren, individuellen) direkten hoheitlichen Festsetzung der Restfinanzierungsbeiträge gemäss § 8 BPG/LU i.V.m. Art. 49 ATSG - den für einen bestimmten Leistungserbringer anwendbaren Pflegeminutentarif hoheitlich festlegt. Damit wird eine gewisse Symmetrie hergestellt im Verhältnis zu Leistungserbringern, mit denen ein Tarifvertrag besteht, der den anwendbaren Pflegeminutentarif fixiert. An dessen Stelle tritt dann der verfügte Tarif. In beiden Fällen richtet sich in einem ersten Schritt die Ermittlung der massgeblichen Gesamtkosten grundsätzlich nach den Vorgaben des kantonalen Rechts (vgl. für den Kanton Luzern insbesondere § 3 ff. BPG/LU und § 3a ff. der Verordnung vom 30. November 2010 zum Betreuungs- und Pflegegesetz [BPV/LU; SRL 867a]). Dies schliesst die Ausgestaltung der Wirtschaftlichkeitsprüfung mit ein (§ 7 Abs. 2 BPG/LU sowie § 4 Abs. 2 lit. b BPV/LU). Darauf folgt - jedenfalls im Streitfall - in einem zweiten Schritt die Verfügung über die konkreten Leistungen gestützt auf Art. 49 ATSG (sowie § 8 BPG/LU) unter Zugrundelegen des zuvor festgelegten Tarifs bzw. Pauschalbetrags.
Konkret berechnet sich der Restfinanzierungsbeitrag im Kanton Luzern - ausgehend vom anwendbaren, hier strittigen, Pflegeminutentarif - wie folgt: Zunächst wird der Pflegeminutentarif (z.B.: Fr. 1.33) multipliziert mit dem durchschnittlichen Minutenaufwand der
Pflegestufe gemäss KLV (z.B.: 131 Minuten pro Person und Tag in der Pflegestufe 7). Dies ergibt die Pflegevollkosten pro Tag (im Beispiel: Fr. 1.33/Minute x 131 Minuten = bei Rundung auf zehn Rappen genau Fr. 174.20 pro Person und Tag in der Pflegestufe 7). Von diesen werden die Beiträge der Krankenversicherer gemäss KLV (z.B.: Fr. 63.- in der Pflegestufe 7 gemäss Art. 7a Abs. 3 lit. g KLV in der bis Ende 2019 geltenden Fassung) sowie der Pflegebedürftigen (bis Ende 2019: Fr. 21.60) abgezogen. Was verbleibt, ist der Restfinanzierungsbeitrag, der im Kanton Luzern nach kantonalem Recht zu Lasten der Gemeinde geht (im Beispiel: Fr. 89.60 pro Person und Tag in der Pflegestufe 7).
5. Fallbezogen überprüfte das Kantonsgericht im Wesentlichen die hoheitliche Tariffestsetzung der Stadt Luzern für das Pflegeheim B. im Jahr 2019, indem es an den vom Beschwerdeführer ausgewiesenen Vollkosten der Pflege (im der Berechnung zugrunde liegenden Jahr 2017) den Massstab des Wirtschaftlichkeitsgebots anlegte. Es gelangte zum Schluss, die Berechnungen der Stadt Luzern seien nachvollziehbar und der verfügte Tarif von Fr. 1.30 pro Pflegeminute korrekt.
5.1
Der Beschwerdeführer macht verschiedene Verletzungen seiner verfassungsmässigen Rechte geltend. Soweit er eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs im Sinne der Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV) rügt, ist eine solche nicht erkennbar, hat sich doch die Vorinstanz einlässlich mit seinen Vorbringen befasst und ihren Entscheid ausführlich begründet. Die Rügen einer Verletzung von Treu und Glauben, des Legalitätsprinzips, der Gebote von Rechtsgleichheit und Verhältnismässigkeit sowie der Wirtschaftsfreiheit begründet er nicht in einer den qualifizierten Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG genügenden Weise. Weiterungen dazu erübrigen sich.
5.2
Weiter rügt der Beschwerdeführer die vorgenommene Wirtschaftlichkeitsprüfung bereits dem Grundsatz nach als unvereinbar mit Art. 25a Abs. 5 KVG, was das Bundesgericht mit freier Kognition prüft (
BGE 142 V 94
E. 1.3 und 2 Ingress). Damit dringt er nicht durch: Nach dem Gesagten (oben E. 4.1) verschafft Art. 25a Abs. 5 KVG entgegen seiner Auffassung keinen unbeschränkten Anspruch auf Deckung der Vollkosten, sondern verpflichtet das Gemeinwesen zur Übernahme der Restkosten nur insoweit, als diesen eine wirtschaftliche Leistungserbringung zugrunde liegt. Der Kanton Luzern unterwirft - wie aus E. 4.2 hiervor sowie der vorinstanzlichen
Erwägung 3.2.2 erhellt - die Restfinanzierung keinen abstrakten, fixen Kostenobergrenzen, sondern prüft die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung im Rahmen der individuellen Tarifvereinbarung mit den einzelnen Pflegeeinrichtungen unter Berücksichtigung deren unterschiedlicher Strukturen und Angebote. Das ist dem Grundsatz nach mit Art. 25a Abs. 5 KVG vereinbar. Fehl geht damit auch die Rüge der fehlenden gesetzlichen Grundlage im Sinne von Art. 5 Abs. 1 BV für die vorgenommenen Kürzungen. Das kantonale Gericht vermochte die vorgenommene Wirtschaftlichkeitsprüfung, die zu diesen geführt hat, vielmehr auf Art. 32 Abs. 1 KVG sowie die (ausführenden) § 7 Abs. 2 BPG/LU und § 4 Abs. 2 lit. b BPV/LU zu stützen.
5.3
Der Beschwerdeführer wirft dem kantonalen Gericht sodann vor, den massgeblichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig (willkürlich, vgl. zur beschränkten Kognition des Bundesgerichts nicht publ. E. 3.2) im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG festgestellt zu haben. Seine Rüge bezieht sich einerseits auf die Feststellung eines markanten realen Kostenanstiegs, anderseits auf die Feststellung, ein hoher KLV-Schlüssel könne auf einen wenig effizienten Einsatz des Pflegepersonals hindeuten, da er bei höheren Lohnkosten und weniger nach KLV abrechenbaren Stunden steige.
5.3.1
Der Beschwerdeführer macht geltend, ein realer Kostenanstieg habe entgegen der Vorinstanz (vgl. deren Erwägung 6) nicht stattgefunden. Die Gesamtkosten seien zufolge einer Darstellungskorrektur in der Kostenrechnung angestiegen. Dies sei für die Kosten im Bereich Pflege und Betreuung, die für die Tarifermittlung relevant seien, weder im Jahr 2017 noch in den Vorjahren massgeblich gewesen. Damit dringt er nicht durch. Inwiefern ein Anstieg der Gesamtkosten - die, soweit nicht direkt einer Hauptkostenstelle (etwa: 110 Pflege und Betreuung) zugewiesen, grundsätzlich auf diese umgelegt werden (vgl. Kostenrechnung 2017) - auf die Höhe der ausgewiesenen Pflege- und Betreuungskosten keinen Einfluss haben soll, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf. Dies leuchtet - mit der Beschwerdegegnerin - auch nicht ein. Selbst wenn aber hinsichtlich der behaupteten Unmassgeblichkeit der Darstellungskorrektur für die Ermittlung der Kosten dem Beschwerdeführer gefolgt würde, könnte er daraus für seinen Standpunkt nichts ableiten: Hätten die Gesamtkosten keinen Einfluss auf die massgeblichen Pflege- und Betreuungskosten, vermöchte ihr Anstieg den geltend gemachten höheren Pflegeminutentarif zum vornherein nicht zu rechtfertigen.
Die Vorinstanz verkannte sodann keineswegs die buchhalterische Natur der gestiegenen Miet- und Abschreibungskosten. Sie erwog vielmehr, diese verhindere nicht, dass der damit verbundene Anstieg der Gesamtkosten (und in logischer Folge der vom Beschwerdeführer gestützt darauf verlangte höhere Pflegeminutentarif) von der Stadt Luzern einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen werde. Damit ist sie nicht in Willkür verfallen. Die Wirtschaftlichkeit der erbrachten Pflegeleistungen beurteilt sich anhand der vom Leistungserbringer tatsächlich geltend gemachten Kosten. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob ein ausgewiesener Kostenanstieg auf tatsächlich gestiegene Kosten oder auf eine neue Darstellungsweise zurückzuführen ist (mithin: ob eine allfällige Unwirtschaftlichkeit tatsächlich neu ist oder ob diese bereits seit jeher bestanden hat und erst aufgrund von technischen Änderungen in der Kostenerfassung kostenwirksam wird). Insgesamt ist die vorinstanzliche Feststellung eines relevanten Anstiegs der Betriebskosten des Pflegeheims B. zwischen 2016 und 2017 nicht offensichtlich unrichtig und bindet demnach das Bundesgericht (nicht publ. E. 3.3).
5.3.2
Mit seiner Auffassung, ein höherer KLV-Schlüssel bedeute einen vermehrten Einsatz von Pflegepersonal für tatsächliche Pflegeleistungen, vermag der Beschwerdeführer die gegenteilige vorinstanzliche Feststellung nicht als offensichtlich unrichtig erscheinen zu lassen. Das kantonale Gericht stellte fest, der KLV-Schlüssel werde in zwei Schritten berechnet. Zunächst werde auf der Zeitebene das Verhältnis zwischen der Gesamtheit der Einsatzstunden des Pflege- und Betreuungsteams und den abrechenbaren Pflegestunden nach KLV gemäss jeweiliger Einstufung ermittelt (z.B. resultiert bei total 100 Einsatzstunden des Pflege- und Betreuungsteams und 60 abrechenbaren Pflegestunden ein Zeitschlüssel von 60). Danach werde in einem zweiten Schritt anhand einer Formel der "Grade-and-Skill-Mix" des Betriebs festgelegt. Dabei wird konkret der Anteil der Löhne des Fachpersonals an den totalen Kosten der Kostenstelle ermittelt und zum Zeitfaktor dazugeschlagen, womit den höheren Kosten für Fachpersonal Rechnung getragen wird. Der Schlüssel für die KLV-Leistungen (KLV-Schlüssel) als Umlageschlüssel für den Besoldungsaufwand des Pflege- und Betreuungspersonals auf die Kostenträger Betreuung und Pflege ergibt sich mithin aus der Zusammenrechnung des Zeitfaktors (welcher Anteil der Arbeitsstunden des Pflege- und Betreuungspersonals kann als KLV-pflichtig abgerechnet werden) und einem Zuschlag bzw. Korrekturfaktor für
höhere fachliche Qualifikation ("Grade-and-Skill-Mix"), da qualifizierteres Personal pro Zeiteinheit teurer ist. Damit sollen die nicht KLV-pflichtigen Leistungen aus dem Leistungsbündel der Kostenstelle 110 (Besoldung Pflegepersonal) ausgeschieden und mit einem wesentlich tieferen Kostensatz dem Betreuungsbereich zugewiesen werden. Die Vorinstanz stellte weiter fest, der KLV-Schlüssel steige bei höheren Lohnkosten und weniger verrechneten (Pflege-)Stunden, was offensichtlich nicht als effizient zu bezeichnen sei.
Der Beschwerdeführer bezieht den KLV-Schlüssel augenscheinlich einzig auf die Lohnkosten des Pflegepersonals (und verwechselt diesen mithin mit dem Grade-and-Skill-Mix als dessen Teilelement, das vom Anteil des Fachpersonals am Pflegepersonal abhängt), statt richtig auf die gesamten Besoldungskosten des Pflege- und Betreuungspersonals. Wird der KLV-Schlüssel richtig auf diese letztere Grösse bezogen, erhellt, dass bei vermehrtem Einsatz des Pflegepersonals für Pflegeleistungen (statt nicht KLV-pflichtiger Betreuungsleistungen) grundsätzlich entweder (bei steigendem Bedarf an Pflegeleistungen) die Zahl der abrechenbaren Pflegeminuten steigen oder (bei konstant bleibendem oder sinkendem Bedarf an Pflegeleistungen) der Anteil der vom Pflegepersonal gearbeiteten Stunden an der Gesamtheit der Einsatzstunden des Pflege- und Betreuungsteams sinken müsste, da die bisher von diesem erbrachten Betreuungsleistungen von weniger qualifiziertem Personal erbracht werden müssten. In beiden Fällen bliebe der KLV-Schlüssel konstant oder würde sinken, jedenfalls nicht steigen. Auch diesbezüglich hat es mithin bei den vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen sein Bewenden.
5.4
Die Vorinstanz habe - so der Beschwerdeführer weiter - das kantonale Recht - in dem die konkreten Modalitäten der vorgenommenen Wirtschaftlichkeitsprüfung ihre Grundlage finden (E. 4.2 und 5.2 hiervor) - willkürlich angewandt (zur diesbezüglich beschränkten Kognition des Bundesgerichts vgl. etwa
BGE 141 I 9
E. 3.3).
5.4.1
Weder ersichtlich noch substanziiert dargelegt ist zunächst, inwiefern der Verzicht auf einen umfassenden und transparenten Quervergleich der (Stadt-)Luzerner Pflegeheime Resultat einer willkürlichen Anwendung des kantonalen Rechts sein sollte. Dass ein solcher Vergleich im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung zwingend vorzunehmen wäre oder in der Praxis regelmässig vorgenommen würde, lässt sich insbesondere weder § 7 Abs. 2 BPG/LU noch
§ 4 Abs. 2 BPV/LU entnehmen. Es kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer keine Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass ein Vergleich mit anderen Leistungserbringern zu einer abweichenden Einschätzung der Wirtschaftlichkeit seiner eigenen Leistungserbringung führen könnte. Dazu hätte umso mehr Anlass bestanden, als die Beschwerdegegnerin bereits vor Vorinstanz darauf hinwies, die Kosten für Pflege und Betreuung in den Stadt-Luzerner Pflegeheimen beliefen sich durchschnittlich pro Tag und Bett auf Fr. 188.-, während der Beschwerdeführer auf Fr. 237.- pro Tag und Bett komme (vorinstanzliche Erwägung 8.8).
5.4.2
Das kantonale Gericht schützte den unter dem Titel "Auslastungsgrad" vorgenommenen Abzug von Fr. 0.02 (von den Vollkosten pro Minute). Dazu erwog es im Wesentlichen, dieser Abzug trage der Tatsache Rechnung, dass das Pflegeheim B. im Rahmen der Berechnung der Vollkosten pro Pflegeminute bei der Auslastung auch die sogenannten "Reservationstage" berücksichtigt habe. Diese seien aber nicht Bestandteil der relevanten Pflegekosten, sondern durch den Kostenträger Pension abzugelten. Durch die Berücksichtigung der Reservationstage und die Verschiebung der an diesen Tagen angefallenen Kosten in den Pflegebereich würden im Umfang der resultierenden Auslastungsdifferenz Pflegekosten generiert, welche nicht mit einer entsprechenden Leistungserhöhung bzw. mit einer Erhöhung der Anzahl geleisteter Pflegeminuten einhergingen. Mit anderen Worten seien bei einer effektiven Auslastung von 96,42 % nicht die gleichen Kosten als wirtschaftlich zu akzeptieren wie bei einer solchen von 98,35 %. Zu Recht habe die Stadt Luzern demnach den geltend gemachten Tarif im Verhältnis der niedrigeren Auslastung um (gerundet) Fr. 0.02 pro Pflegeminute gekürzt. Es könne nicht Aufgabe des Gemeinwesens sein, ein (Über-)Angebot an Pflegeleistungen abzugelten an Tagen, an denen gar keine solchen Leistungen erbracht worden seien.
5.4.2.1
Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, die Reservationstage hätten keinen Einfluss auf die Berechnung des Pflegeminutentarifs, da sich dieser aus den Gesamtkosten dividiert durch die erbrachten Pflegeminuten ergebe. Der "Divisor der Gesamtkosten" bleibe unverändert. Das bedeutet aber umgekehrt, dass sich die Kosten auf weniger Einheiten (Pflegeminuten) aufteilen als bei höherer Auslastung. Werden die Faktoren für die Umlage der Kosten auf die Pflege unter Miteinrechnung der Reservationstage ermittelt, die so zugeteilten Kosten dann aber auf die nach KLV abrechenbaren
Pflegeminuten verteilt, führt dies dazu, dass eigentlich auf Reservationstage - und damit den Kostenträger "Pension" - entfallende Kosten den Pflegeminutentarif in die Höhe treiben. Die Beschwerdegegnerin ergänzt diesbezüglich nachvollziehbar, es sei aus Sicht der Pflegefinanzierung unwirtschaftlich, wenn solchermassen bei stagnierenden Erträgen die Vollkosten der Pflege erhöht würden, wie dies vorliegend geschehen sei. Sei der Auslastungsgrad rückläufig, müsse der Aufwand vielmehr reduziert werden, damit das Ergebnis nicht oder nur leicht schlechter ausfalle (vgl. auch HOFSTETTER/REY, Restkostenfinanzierung und Wirtschaftlichkeitskontrolle, Pflegerecht 2018 S. 213 f.: Die Autoren warnten im Nachgang zu
BGE 144 V 280
vor Fehlanreizen, die ein Heim verleiten könnten, sein betriebswirtschaftliches Ergebnis zu Lasten des Restkostenfinanzierers zu optimieren, indem es Kosten von Betreuungs- und Hotellerieleistungen in die restkostenfinanzierten Pflegekosten verschiebe, um so auf dem Markt für mögliche Bewohner attraktiver auftreten zu können).
Die Vorinstanz erachtete nicht einen bestimmten prozentualen Auslastungsgrad per se als indikativ für Unwirtschaftlichkeit, sondern eine ineffiziente Bewirtschaftung der Kapazitäten und personellen Mittel. In diesem Zusammenhang sei die Abwälzung der Kosten für Tage, an denen die Bewohner tatsächlich gar nicht anwesend gewesen seien (etwa: wegen Spitalaufenthalten, Ferien, Wechseln, etc.), auf das Gemeinwesen nicht zulässig. Inwiefern sie damit kantonales Recht willkürlich angewandt oder ausgelegt haben soll, ist nicht ersichtlich.
5.4.2.2
Zu keinem anderen Ergebnis führt der Verweis des Beschwerdeführers darauf, er habe auf exogene Faktoren wie Spitalaufenthalte, Ferientage oder Leerstände bei Wechseln der Bewohnerschaft keinen Einfluss und könne hierauf auf Ebene des Personalbestands kaum reagieren. Es ist jedenfalls nicht willkürlich, wenn die kantonale Praxis im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung vom Leistungserbringer - dem mit der Vorinstanz grundsätzlich der effiziente Einsatz der personellen Ressourcen obliegt - verlangt, bei der Ermittlung seiner Auslastung Abwesenheitstage der Bewohnerinnen und Bewohner auszuklammern. Ein solches Vorgehen findet seine Rechtfertigung darin, dass Tage, an denen zufolge Abwesenheiten keine Pflegeleistungen zu erbringen sind, bei der Personalplanung aufgrund von (statistischen) Erfahrungswerten und über das Gesamte betrachtet weitestgehend einzuplanen sind, woran die i.d.R. eher kurze Vorankündigung der jeweiligen konkreten Abwesenheiten
nichts ändert. Für die Personalplanung ist der Gesamtbetrieb massgeblich. Aus dessen Sicht ist nicht die Vorhersehbarkeit einzelner Abwesenheiten ausschlaggebend, sondern die Anzahl der in der statistischen Aggregation zu erwartenden Abwesenheitstage, die naturgemäss besser voraussehbar ist. Dies gilt umso mehr, als es bei der Tarifberechnung um eine Durchschnittsbetrachtung geht. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, inwiefern sich die verbleibende Planungsunsicherheit nicht auf ein Mass reduzieren liesse, das etwa mit einer rollenden Planung nicht dringender pflegerischer Verrichtungen, der kurzfristigen Leistung bzw. Kompensation von Überstunden und/oder mit dem Einsatz von Personal auf Abruf zu bewältigen wäre. Insofern verfangen die Ausführungen des Beschwerdeführers zu den praktischen Grenzen eines flexiblen Personaleinsatzes nicht, zumal die Vorinstanz feststellte, dass das Pflegeheim B. keine Aufnahmepflicht trifft und er mithin nicht jederzeit gewisse freie Kapazitäten "vorhalten" muss. Dadurch unterscheidet er sich denn etwa auch von einem Spital, das regelmässig gewisse Vorhalteleistungen zu erbringen hat, um die mit der Erfüllung seines Leistungsauftrages einhergehenden Nachfrageunsicherheiten abdecken zu können (vgl. etwa WALDNER/EGLI, in: Basler Kommentar, Krankenversicherungsgesetz/Krankenversicherungsaufsichtsgesetz, 2020, N. 125 f. zu Art. 49 KVG).
Nicht hinreichend substanziiert (Art. 42 Abs. 2 BGG) ist der Vorwurf, die Vorinstanz habe den tatsächlichen Effekt der Reservationstage auf die Kosten ungenügend abgeklärt und willkürlich eine lineare Kürzung vorgenommen, die etwa Skaleneffekte bei den Personalkosten nicht berücksichtige. Weiterungen dazu erübrigen sich.
5.4.3
Bezüglich des von der Stadt Luzern vorgenommenen Abzugs unter dem Titel "KLV-Schlüssel" erwog die Vorinstanz, es sei unwirtschaftlich, dass das Pflegeheim B. mehr hochqualifiziertes Personal beschäftige als von den Richtstellenplänen vorgesehen und notwendig. Dies führe zum über den Empfehlungen des Branchenverbandes Curaviva liegenden Grade-and-Skill-Mix (dazu oben E. 5.3.2) von 11 % (Empfehlung: maximal 10 %). Im Sinne des Kontinuitätsgrundsatzes seien zudem Schwankungen und Abweichungen der Kosten und Kennzahlen zu den Vorjahren zu begründen. Das gelte insbesondere für eine Anpassung des Grade-and-Skill-Mix und des KLV-Schlüssels. Dem Beschwerdeführer gelinge es nicht, die Kostensteigerung plausibel zu begründen. Vielmehr beschränke er sich
darauf, betriebliche Besonderheiten zu behaupten, die allesamt schon in den Vorjahren bestanden hätten. Insbesondere lasse sich das Argument nicht nachvollziehen, das Pflegepersonal sei vermehrt effektiv für Pflegeleistungen und nicht für Betreuungsleistungen eingesetzt worden, zumal die Anzahl der abgerechneten Pflegeminuten nicht zugenommen habe. Weiter sei eine überdurchschnittliche Qualifikation des Pflegepersonals nicht durch die Allgemeinheit zu tragen. Demnach sei (weiterhin) auf den durchschnittlichen KLV-Schlüssel der letzten fünf Jahre von 80 % abzustellen. Dies führe zu einer Differenz (und mithin einem Abzug) von umgerechnet knapp Fr. 0.025 pro Pflegeminute, was in masslicher Hinsicht nicht bestritten werde.
Darauf sowie auf das bereits oben in E. 5.3.2 Gesagte kann verwiesen werden. Dass die Stadt Luzern in ihrer Berechnung des durchschnittlichen KLV-Schlüssels vergangener Jahre das Jahr 2017 ausklammerte, ist - entgegen dem Beschwerdeführer - sachlich vertretbar, war doch die Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung im Jahr 2017 gerade strittig. Wie die Stadt Luzern richtig darlegt, basierte weiter die Kürzung von 2 % nicht auf dem um 1 % "zu hohen" Grade-and-Skill-Mix, sondern auf der ermittelten Abweichung des KLV-Schlüssels zum Durchschnitt der Vorjahre.
5.4.4
Der Beschwerdeführer will die Wirtschaftlichkeit des für das Jahr 2019 verlangten, im Vergleich zu den Vorjahren höheren, Tarifs daraus ableiten, dass "die einzige tatsächliche Kostensteigerung auf höhere Lohnkosten zurückzuführen ist" und "im Vergleich zu den Jahren 2014 und 2015" die "Besoldung der Pflege pro Pflegeminute sogar von [Fr.] 1.07 auf [Fr.] 1.04 reduziert werden" konnte. Dabei begründet er weder seinen Verweis einzig auf die Jahre 2014 und 2015, nicht aber auf das unmittelbare Vorjahr 2016, noch belegt er seine Berechnungen. So oder anders ist nicht ersichtlich, inwiefern tiefere Personalkosten pro Pflegeminute einen gegenüber den Vorjahren höheren Tarif pro Pflegeminute als wirtschaftlich rechtfertigen und die vorinstanzliche Wirtschaftlichkeitsprüfung als willkürlich erscheinen lassen sollten. Insbesondere wird dadurch auch ein Nachweis gesteigerter Effizienz nicht ohne Weiteres erbracht.
5.4.5
Was die Überlegungen des Beschwerdeführers zur Ausgleichung der Unterdeckung des Vorjahres und zur Berücksichtigung der Kosten für MiGeL-Produkte in den Jahren 2016 und 2017 betrifft, so geht aus diesen nicht hervor, inwiefern konkret die
Vorinstanz mit ihrer diesbezüglichen Erwägung 9 Bundesrecht verletzt oder kantonales Recht willkürlich angewendet haben soll. Vielmehr erschöpfen sich die diesbezüglichen Ausführungen in appellatorischer Kritik an den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz. Weiterungen erübrigen sich.
5.5
Nicht ersichtlich ist schliesslich, inwiefern die Vorinstanz bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung durch den Beschwerdeführer eine rechtswidrige Umkehr der Beweislast vorgenommen haben sollte. Das kantonale Gericht ist - wie vom Beschwerdeführer verlangt - von den durch ihn ermittelten Vollkosten ausgegangen und hat alsdann geprüft, ob Unwirtschaftlichkeit in den zu Abzügen hiervon führenden Punkten (überwiegend wahrscheinlich; vgl. zu diesem im Sozialversicherungsrecht regelhaft anwendbaren Beweisgrad etwa
BGE 144 V 427
E. 3.2 mit Hinweis) nachgewiesen war, was sie bejahte. Mangels Beweislosigkeit hing der Prozessausgang damit nicht von der Verteilung der (materiellen) Beweislast ab.
5.6
Insgesamt vermag der Beschwerdeführer angesichts des Missverhältnisses von steigenden Kosten bei sinkenden Einsatzstunden und nahezu gleichgebliebenen äusseren Umständen - ohne nachvollziehbare Erklärung - nicht aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz mit der Qualifikation seiner Betriebsführung im (dem Pflegeminutentarif 2019 zugrunde liegenden) Referenzjahr 2017 als unwirtschaftlich in Willkür verfallen sein sollte. Widersprüchlich ist, wenn er - sowohl hinsichtlich der Gesamtkosten als etwa auch bezüglich der Lohnstückkosten oder der Mietkosten - einen relevanten Kostenanstieg in Abrede stellt, gleichzeitig aber einen höheren Pflegeminutentarif fordert. Damit hat es beim Urteil des Kantonsgerichts vom 21. August 2020 sein Bewenden. | de | Art. 25a cpv. 5, art. 32 cpv. 1 LAMal; finanziamento residuo dei costi delle cure; carattere economico. L'art. 25a cpv. 5 seconda frase LAMal non concede al fornitore di prestazioni un diritto illimitato alla copertura dei suoi costi. Esso prescrive unicamente ai Cantoni di prendere a carico i costi di una prestazione economica come finanziamento residuo. I Cantoni sono di massima liberi di fissare tali limiti (ivi compreso le modalità concrete di verifica del carattere economico) (consid. 4).
Nel caso concreto, l'autorità giudiziaria precedente non ha applicato il diritto cantonale in maniera arbitraria, tutelando l'ammontare della tariffa relativa al finanziamento residuo, che si è scostato, dopo esame concreto dell'economità, dalla tariffa piena dei costi conteggiata dal fornitore di prestazione. Non c'è nessuna violazione del diritto (costituzionale) federale (consid. 5). | it | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-450%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,808 | 147 V 464 | 147 V 464
Sachverhalt ab Seite 465
A.
A.a
Die A. AG ist Zulassungsinhaberin des vom Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) zugelassenen Arzneimittels B., welches auf der Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste [SL]) figuriert. Es enthält den Wirkstoff C. gemäss SL respektive D. gemäss Fachinformation und dient der Behandlung von E.
A.b
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) teilte der A. AG mit Rundschreiben vom x mit, dass B. der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen der in der SL gelisteten Präparate unterzogen werde, und ersuchte um Eingabe der dafür erforderlichen Daten in die bereitgestellte Internet-Applikation bis x. Insbesondere wurden Angaben zur Wirksamkeit und Zweckmässigkeit sowie mit Blick auf das Kriterium der Wirtschaftlichkeit zu den Grundlagen des von der Zulassungsinhaberin vorgenommenen therapeutischen Quervergleichs (TQV) gefordert. In Bezug auf Letzteren schlug die A. AG in ihrer Stellungnahme vom x als Vergleichspräparate insbesondere F., G., H., I. und J. vor. Während das BAG die betreffenden Referenzarzneimittel zunächst akzeptierte, kam es im Rahmen seiner Rückmeldung vom x auf seinen diesbezüglichen Entscheid zurück und hielt fest, in Analogie zur Praxis bei anderen Arzneimitteln mit mehreren Vergleichspräparaten pro Gamme seien die Gammen Oral und OralRetard zu trennen. Der TQV von B. - einem der Gamme OralRetard zuzuordnenden Präparat - sei daher lediglich unter Berücksichtigung der ebenfalls dieser Gamme angehörenden Medikamente H. und I. durchzuführen, wohingegen F., G. und J., welche in der Handelsform Oral angeboten würden, auszuklammern seien. Die Parteien konnten sich in der Folge nicht einigen, sodass das BAG die Fabrikabgabe- (FAP) bzw. Publikumspreise (PP) von B. mit Verfügung vom x in seinem Sinne ermittelte und diese per x (...) senkte.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 16. September 2020 ab.
C.
Die A. AG lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sowie der Verfügung des BAG vom x beantragen; eventualiter sei
die Angelegenheit zur Neuberechnung der wirtschaftlichen Fabrikabgabe- und Publikumspreise an das Bundesverwaltungsgericht oder das BAG zurückzuweisen.
Das BAG schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die A. AG hält replikweise an ihrem Standpunkt fest.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Im Streit steht die Frage, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die vom BAG am x auf x verfügte Senkung der Preise des Medikaments B. bestätigt hat.
(...)
3.
Anerkanntermassen verfügt B. über eine gültige Zulassung von Swissmedic. Einig sind sich die Verfahrensbeteiligten auch dahingehend, dass das Medikament die SL-Aufnahmekriterien der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit (weiterhin) erfüllt und dessen Wirtschaftlichkeit anhand eines Auslandpreisvergleichs (APV) und eines TQV zu beurteilen ist.
Umstritten ist in diesem Zusammenhang jedoch die vom Beschwerdegegner im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen angeordnete und vorinstanzlich bekräftigte Preisreduktion. Dabei wurde die Berechnung des APV nicht beanstandet. Zu Diskussionen Anlass gab und gibt demgegenüber die durch das BAG vorgenommene TQV-Vergleichsgruppenbildung. Die Beschwerdeführerin macht dabei eine unsachgemässe Ausübung des dem BAG in diesem Bereich zustehenden Ermessens geltend; indem mit der Begründung, der TQV sei stets pro Gamme durchzuführen, als Vergleichsarzneimittel einzig die ebenfalls der Gamme OralRetard zugehörigen Präparate H. und I., nicht aber die in die Gamme Oral eingeteilten, therapeutisch jedoch frei austauschbaren Medikamente F., G. und J. berücksichtigt worden seien, hätten Beschwerdegegner und Vorinstanz Art. 65d Abs. 1 KVV (SR 832.102) in Verbindung mit Art. 34d und 34f KLV (SR 832.112.31) verletzt.
(...)
5.
5.1
Zu prüfen ist, ob die - von der Vorinstanz bestätigte - Vorgehensweise des BAG, den TQV von B. mit Medikamenten innerhalb
derselben Gamme vorzunehmen, zu einer Verletzung der genannten bundesrechtlichen Normen führt.
5.2
5.2.1
Der Begriff der Gamme ist weder im KVG noch in den gestützt darauf erlassenen Verordnungen oder im vom BAG herausgegebenen Handbuch betreffend die SL, Stand 2017 (fortan: SL-Handbuch; abrufbar unter www.bag.admin.ch [zu dessen Beweiswertigkeit vgl.
BGE 145 V 289
E. 5.4.2]), definiert. Im pharmazeutischen Bereich wird darunter im Allgemeinen die Produktpalette eines Arzneimittels mit den verschiedenen Dosisstärken und galenischen Form bezeichnet. In ähnlichem Sinne wird der Begriff auch im Zusammenhang mit rechtlichen Fragen der SL verwendet. Dabei werden unter einer Gamme insbesondere die verschiedenen auf der SL aufgeführten Dosisstärken und Packungsgrössen ein und desselben Arzneimittels verstanden (gleicher Wirkstoff, im Wesentlichen gleiche Zusammensetzung, identische Indikationen und übereinstimmende Arzneimittelinformation, namentlich gleiche Dosierungsempfehlung; vgl. Urteil 9C_401/2020 vom 5. März 2021 E. 2.4.3 mit Hinweisen).
5.2.2
Gestützt darauf erarbeitete der Beschwerdegegner zur Umsetzung der dreijährlichen Überprüfung der SL-Aufnahmebedingungen gemäss eigener - vor- wie letztinstanzlich unbestritten gebliebener und daher für das Bundesgericht verbindlicher (vgl. nicht publ. E. 1) - Darstellung in Zusammenarbeit mit den Pharmaverbänden und Krankenversicherern eine Einteilung verschiedener Gammen, wobei, so Ziff. E.1.3 SL-Handbuch, pro Gamme eines Arzneimittels ein separater APV und TQV durchzuführen sei. Damit solle, wie das BAG vorgängig weiter anmerkte, eine Kohärenz innerhalb der verschiedenen Arzneiformen herbeigeführt werden, da es einem Anliegen der Pharmaindustrie entsprochen habe, für spezifische Arzneiformen (beispielsweise für Kinder in Suppositorien- [Zäpfchen-] respektive Sirupform oder mit einer spezifischen Galenik [etwa Retardformulierungen]) eine separate Überprüfung der Wirtschaftlichkeit zu ermöglichen. Die aus 16 Gammen bestehende, in Ziff. E.1.3 SL-Handbuch tabellarisch wiedergegebene Einteilung trage dem Umstand Rechnung, dass ein Arzneimittel unterschiedliche Handelsformen mit unterschiedlichen Preisen in den Referenzländern aufweisen könne. Durch die Gammeneinteilung würden im Rahmen des TQV die am besten miteinander vergleichbaren Arzneimittel
berücksichtigt, womit die Gleichbehandlung aller Zulassungsinhaberinnen und ausserdem die Rechtssicherheit gewährleistet werde.
5.3
Nach den zuvor dargelegten, weiterhin geltenden Prinzipien zur Durchführung des TQV liegt es prinzipiell im Ermessen des BAG, im jeweiligen Einzelfall darüber zu befinden, welche und damit auch wie viele der in Frage kommenden Arzneimittel dem TQV effektiv zugrunde zu legen sind. Auch besteht rechtsprechungsgemäss keine Pflicht, die Vergleichsgruppe auf der Basis sämtlicher der sich grundsätzlich eignenden (d.h. vergleichbaren) (Konkurrenz-)Präparate zu bilden (vgl. nicht publ. E. 4.2.1). Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, weshalb es dem BAG verwehrt sein sollte, im Rahmen des TQV grundsätzlich Referenzarzneimittel zu berücksichtigen, die derselben galenischen Form wie das zu vergleichende Medikament angehören und daher in der Gammeneinteilung der gleichen Gamme zuzuordnen sind. Gerade der Umstand, dass Arzneimittel auf Grund ihrer Handelsform für die Überprüfung der SL-Aufnahmebedingungen kategorisiert und in entsprechende Gruppierungen aufgegliedert werden, lässt es naheliegend erscheinen, den TQV auf Produkte innerhalb derselben Gruppe zu beschränken. Werden für den TQV eines Medikaments Präparate herangezogen, die in derselben Gamme eingeteilt sind, wird dieses einer vergleichenden Wertung mit anderen Arzneimitteln unterzogen, welche dem gleichen Behandlungszweck dienen und sich durch dieselbe galenische Form auszeichnen, und in Zusammenhang mit den Kosten gesetzt, woraus sich - als Teilelement neben dem APV - Rückschlüsse auf dessen Wirtschaftlichkeit ergeben. Gründe, weshalb diese Vorgehensweise nicht zweckmässig sein sollte, sind weder ersichtlich noch ergeben sich solche aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin. Namentlich leuchtet nicht ein, dass die Nichtberücksichtigung der Gammeneinteilung zu sachdienlicheren Ergebnissen führen sollte.
5.3.1
Als Grundsatz ist somit festzuhalten - worauf in den alljährlichen Rundschreiben des BAG betreffend "Umsetzung der Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre im Jahr [...]nunmehr ebenfalls ausdrücklich hingewiesen wurde und wird (vgl. Rundschreiben vom 6. Dezember 2018, 2. Dezember 2019 und 4. Dezember 2020, jeweils Ziff. 6.2.1 ["Auswahl der Vergleichspräparate"], abrufbar unter www.bag.admin.ch) -, dass für die Auswahlder Vergleichsarzneimittel auch die galenische Form respektive deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gamme relevant ist. Orale Formen werden beispielsweise mit oralen Formen verglichen,
retardierte mit retardierten Formen, parenterale mit parenteralen Formen usw. Der Vergleich mit anderen Formen - gammenübergreifend - ist zulässig, wenn keine Vergleichsarzneimittel existieren, die in derselben galenischen Form in der SL aufgeführt und damit in der gleichen Gamme eingeteilt sind. Inwiefern damit eine Verletzung von Art. 65b Abs. 4
bis
KVV und Art. 34f Abs. 1 KLV einhergehen sollte, wie in der Beschwerde geltend gemacht, erschliesst sich nicht.
5.3.2
Darauf hinzuweisen bleibt immerhin, dass das BAG selber in seinen aktuellsten Rundschreiben vom 2. Dezember 2019 und 4. Dezember 2020 im gleichen Kontext präzisiert, dass bei Arzneimitteln der Gammen Oral und OralRetard auch mit Arzneimitteln der Gammen Oral und OralRetard verglichen werden könne, wenn die Präparate Therapiealternativen darstellten und der Vergleich der Kostengünstigkeit entspreche. Ein Arzneimittel der Gamme Oral könne also beispielsweise mit Arzneimitteln der Gammen Oral und OralRetard verglichen werden, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt seien.
5.4
Unbestritten ist, dass die von der Beschwerdeführerin ins Feld geführten Medikamente F., G. und J. bezüglich ihrer Galenik in der Gamme Oral anzusiedeln sind, während es sich bei B., H. und I. um Arzneimittel der Gamme OralRetard handelt. Ebenfalls Einigkeit besteht darüber, dass sämtliche dieser K.-Präparate hinsichtlich ihrer Indikation und Wirkstoffklasse gemäss Fachinformation identisch sind.
5.4.1
Kontrovers beurteilt wird von den Parteien dagegen, ob die Arzneimittel Therapiealternativen im Sinne des Vorgenannten darstellen, sie also therapeutisch austauschbar sind. Der Beschwerdegegner verneinte die Frage in erster Linie mit der Begründung, die Retard- und Nicht-Retard-Formulierungen wichen insbesondere in Bezug auf die damit einhergehende unterschiedliche Absorption des K. voneinander ab, woraus auf eine divergierende Wirksamkeit zu schliessen sei. In der Beschwerde wird demgegenüber geltend gemacht, die Grenzen zwischen den beiden Produktgruppen verliefen fliessend und seien in therapeutischer Hinsicht unbedeutend, sodass die Medikamente F., G. und J. auch ohne Retardierungseffekt Therapiealternativen bildeten, die im Rahmen des TQV von B. ebenfalls zu berücksichtigen seien.
5.4.2
Wie es sich mit letzterem Punkt verhält, braucht nicht abschliessend beantwortet zu werden. Nach den zuvor aufgezeigten
Grundsätzen zur Vergleichsgruppenbildung ist das BAG nicht einmal verpflichtet, stets sämtliche der potentiell zur Verfügung stehenden - d.h. in derselben Gamme befindlichen - Vergleichsarzneimittel in den TQV einzubeziehen. Da mit H. und I. unstreitig zwei in derselben Handelsform angebotene und daher in die gleiche Gamme eingeteilte K.-Präparate ausgewählt wurden, die, zumal von der Beschwerdeführerin selber vorgeschlagen, nach den rechtlichen Vorgaben geeignete Referenzprodukte für den TQV von B. bilden, kann dem Beschwerdegegner, wie vorinstanzlich erkannt, jedenfalls keine unsachgemässe Ausübung seines in diesem Punkt ohnehin weiten Ermessensspielraums vorgehalten werden. Selbst wenn die von der Beschwerdeführerin zusätzlich angerufenen Arzneimittel als ebenfalls vergleichbar im Sinne des in E. 5.3.2 hiervor Ausgeführten zu werten wären (oder sogar Vorzüge aufwiesen), stellte sich letztinstanzlich einzig die Frage, ob die vom BAG getroffene, Ermessenscharakter aufweisende Auswahl der Arzneimittel mit einem Rechtsfehler behaftet ist (nicht publ. E. 4.2.2; vgl. auch
BGE 147 V 194
E. 6.3.1). Dies ist zu verneinen. Im Gegenteil besteht hier kein sachlicher Grund, den TQV gammenübergreifend auf weitere Arzneimittel auszudehnen. Die Vergleichsgruppenbildung ist daher bundesrechtskonform erfolgt und ermöglicht einen aussagekräftigen Wirtschaftlichkeitsvergleich. | de |
Art. 32 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 6 KVG; Art. 65b Abs. 2 lit. b und Abs. 4
bis
sowie Art. 65d Abs. 1 KVV; Art. 34f KLV; dreijährliche Überprüfung der Bedingungen für die Aufnahme eines Medikaments in die Spezialitätenliste; Gammeneinteilung.
Rechtsprechungsgemäss besteht keine Pflicht, die Vergleichsgruppe im Rahmen des für die Wirtschaftlichkeitsbeurteilung vorzunehmenden therapeutischen Quervergleichs (TQV) auf der Basis sämtlicher der sich grundsätzlich eignenden (d.h. vergleichbaren) (Konkurrenz-)Präparate zu bilden. Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern das Bundesamt für Gesundheit seinen in diesem Bereich zustehenden weiten Ermessensspielraum überschritten haben sollte, indem es Referenzmedikamente berücksichtigte, die derselben galenischen Form wie das zu vergleichende Arzneimittel angehören und damit in der Gammeneinteilung der gleichen Gamme zuzuordnen sind (E. 5.3). | de | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-464%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,809 | 147 V 464 | 147 V 464
Sachverhalt ab Seite 465
A.
A.a
Die A. AG ist Zulassungsinhaberin des vom Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) zugelassenen Arzneimittels B., welches auf der Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste [SL]) figuriert. Es enthält den Wirkstoff C. gemäss SL respektive D. gemäss Fachinformation und dient der Behandlung von E.
A.b
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) teilte der A. AG mit Rundschreiben vom x mit, dass B. der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen der in der SL gelisteten Präparate unterzogen werde, und ersuchte um Eingabe der dafür erforderlichen Daten in die bereitgestellte Internet-Applikation bis x. Insbesondere wurden Angaben zur Wirksamkeit und Zweckmässigkeit sowie mit Blick auf das Kriterium der Wirtschaftlichkeit zu den Grundlagen des von der Zulassungsinhaberin vorgenommenen therapeutischen Quervergleichs (TQV) gefordert. In Bezug auf Letzteren schlug die A. AG in ihrer Stellungnahme vom x als Vergleichspräparate insbesondere F., G., H., I. und J. vor. Während das BAG die betreffenden Referenzarzneimittel zunächst akzeptierte, kam es im Rahmen seiner Rückmeldung vom x auf seinen diesbezüglichen Entscheid zurück und hielt fest, in Analogie zur Praxis bei anderen Arzneimitteln mit mehreren Vergleichspräparaten pro Gamme seien die Gammen Oral und OralRetard zu trennen. Der TQV von B. - einem der Gamme OralRetard zuzuordnenden Präparat - sei daher lediglich unter Berücksichtigung der ebenfalls dieser Gamme angehörenden Medikamente H. und I. durchzuführen, wohingegen F., G. und J., welche in der Handelsform Oral angeboten würden, auszuklammern seien. Die Parteien konnten sich in der Folge nicht einigen, sodass das BAG die Fabrikabgabe- (FAP) bzw. Publikumspreise (PP) von B. mit Verfügung vom x in seinem Sinne ermittelte und diese per x (...) senkte.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 16. September 2020 ab.
C.
Die A. AG lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sowie der Verfügung des BAG vom x beantragen; eventualiter sei
die Angelegenheit zur Neuberechnung der wirtschaftlichen Fabrikabgabe- und Publikumspreise an das Bundesverwaltungsgericht oder das BAG zurückzuweisen.
Das BAG schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die A. AG hält replikweise an ihrem Standpunkt fest.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Im Streit steht die Frage, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die vom BAG am x auf x verfügte Senkung der Preise des Medikaments B. bestätigt hat.
(...)
3.
Anerkanntermassen verfügt B. über eine gültige Zulassung von Swissmedic. Einig sind sich die Verfahrensbeteiligten auch dahingehend, dass das Medikament die SL-Aufnahmekriterien der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit (weiterhin) erfüllt und dessen Wirtschaftlichkeit anhand eines Auslandpreisvergleichs (APV) und eines TQV zu beurteilen ist.
Umstritten ist in diesem Zusammenhang jedoch die vom Beschwerdegegner im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen angeordnete und vorinstanzlich bekräftigte Preisreduktion. Dabei wurde die Berechnung des APV nicht beanstandet. Zu Diskussionen Anlass gab und gibt demgegenüber die durch das BAG vorgenommene TQV-Vergleichsgruppenbildung. Die Beschwerdeführerin macht dabei eine unsachgemässe Ausübung des dem BAG in diesem Bereich zustehenden Ermessens geltend; indem mit der Begründung, der TQV sei stets pro Gamme durchzuführen, als Vergleichsarzneimittel einzig die ebenfalls der Gamme OralRetard zugehörigen Präparate H. und I., nicht aber die in die Gamme Oral eingeteilten, therapeutisch jedoch frei austauschbaren Medikamente F., G. und J. berücksichtigt worden seien, hätten Beschwerdegegner und Vorinstanz Art. 65d Abs. 1 KVV (SR 832.102) in Verbindung mit Art. 34d und 34f KLV (SR 832.112.31) verletzt.
(...)
5.
5.1
Zu prüfen ist, ob die - von der Vorinstanz bestätigte - Vorgehensweise des BAG, den TQV von B. mit Medikamenten innerhalb
derselben Gamme vorzunehmen, zu einer Verletzung der genannten bundesrechtlichen Normen führt.
5.2
5.2.1
Der Begriff der Gamme ist weder im KVG noch in den gestützt darauf erlassenen Verordnungen oder im vom BAG herausgegebenen Handbuch betreffend die SL, Stand 2017 (fortan: SL-Handbuch; abrufbar unter www.bag.admin.ch [zu dessen Beweiswertigkeit vgl.
BGE 145 V 289
E. 5.4.2]), definiert. Im pharmazeutischen Bereich wird darunter im Allgemeinen die Produktpalette eines Arzneimittels mit den verschiedenen Dosisstärken und galenischen Form bezeichnet. In ähnlichem Sinne wird der Begriff auch im Zusammenhang mit rechtlichen Fragen der SL verwendet. Dabei werden unter einer Gamme insbesondere die verschiedenen auf der SL aufgeführten Dosisstärken und Packungsgrössen ein und desselben Arzneimittels verstanden (gleicher Wirkstoff, im Wesentlichen gleiche Zusammensetzung, identische Indikationen und übereinstimmende Arzneimittelinformation, namentlich gleiche Dosierungsempfehlung; vgl. Urteil 9C_401/2020 vom 5. März 2021 E. 2.4.3 mit Hinweisen).
5.2.2
Gestützt darauf erarbeitete der Beschwerdegegner zur Umsetzung der dreijährlichen Überprüfung der SL-Aufnahmebedingungen gemäss eigener - vor- wie letztinstanzlich unbestritten gebliebener und daher für das Bundesgericht verbindlicher (vgl. nicht publ. E. 1) - Darstellung in Zusammenarbeit mit den Pharmaverbänden und Krankenversicherern eine Einteilung verschiedener Gammen, wobei, so Ziff. E.1.3 SL-Handbuch, pro Gamme eines Arzneimittels ein separater APV und TQV durchzuführen sei. Damit solle, wie das BAG vorgängig weiter anmerkte, eine Kohärenz innerhalb der verschiedenen Arzneiformen herbeigeführt werden, da es einem Anliegen der Pharmaindustrie entsprochen habe, für spezifische Arzneiformen (beispielsweise für Kinder in Suppositorien- [Zäpfchen-] respektive Sirupform oder mit einer spezifischen Galenik [etwa Retardformulierungen]) eine separate Überprüfung der Wirtschaftlichkeit zu ermöglichen. Die aus 16 Gammen bestehende, in Ziff. E.1.3 SL-Handbuch tabellarisch wiedergegebene Einteilung trage dem Umstand Rechnung, dass ein Arzneimittel unterschiedliche Handelsformen mit unterschiedlichen Preisen in den Referenzländern aufweisen könne. Durch die Gammeneinteilung würden im Rahmen des TQV die am besten miteinander vergleichbaren Arzneimittel
berücksichtigt, womit die Gleichbehandlung aller Zulassungsinhaberinnen und ausserdem die Rechtssicherheit gewährleistet werde.
5.3
Nach den zuvor dargelegten, weiterhin geltenden Prinzipien zur Durchführung des TQV liegt es prinzipiell im Ermessen des BAG, im jeweiligen Einzelfall darüber zu befinden, welche und damit auch wie viele der in Frage kommenden Arzneimittel dem TQV effektiv zugrunde zu legen sind. Auch besteht rechtsprechungsgemäss keine Pflicht, die Vergleichsgruppe auf der Basis sämtlicher der sich grundsätzlich eignenden (d.h. vergleichbaren) (Konkurrenz-)Präparate zu bilden (vgl. nicht publ. E. 4.2.1). Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, weshalb es dem BAG verwehrt sein sollte, im Rahmen des TQV grundsätzlich Referenzarzneimittel zu berücksichtigen, die derselben galenischen Form wie das zu vergleichende Medikament angehören und daher in der Gammeneinteilung der gleichen Gamme zuzuordnen sind. Gerade der Umstand, dass Arzneimittel auf Grund ihrer Handelsform für die Überprüfung der SL-Aufnahmebedingungen kategorisiert und in entsprechende Gruppierungen aufgegliedert werden, lässt es naheliegend erscheinen, den TQV auf Produkte innerhalb derselben Gruppe zu beschränken. Werden für den TQV eines Medikaments Präparate herangezogen, die in derselben Gamme eingeteilt sind, wird dieses einer vergleichenden Wertung mit anderen Arzneimitteln unterzogen, welche dem gleichen Behandlungszweck dienen und sich durch dieselbe galenische Form auszeichnen, und in Zusammenhang mit den Kosten gesetzt, woraus sich - als Teilelement neben dem APV - Rückschlüsse auf dessen Wirtschaftlichkeit ergeben. Gründe, weshalb diese Vorgehensweise nicht zweckmässig sein sollte, sind weder ersichtlich noch ergeben sich solche aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin. Namentlich leuchtet nicht ein, dass die Nichtberücksichtigung der Gammeneinteilung zu sachdienlicheren Ergebnissen führen sollte.
5.3.1
Als Grundsatz ist somit festzuhalten - worauf in den alljährlichen Rundschreiben des BAG betreffend "Umsetzung der Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre im Jahr [...]nunmehr ebenfalls ausdrücklich hingewiesen wurde und wird (vgl. Rundschreiben vom 6. Dezember 2018, 2. Dezember 2019 und 4. Dezember 2020, jeweils Ziff. 6.2.1 ["Auswahl der Vergleichspräparate"], abrufbar unter www.bag.admin.ch) -, dass für die Auswahlder Vergleichsarzneimittel auch die galenische Form respektive deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gamme relevant ist. Orale Formen werden beispielsweise mit oralen Formen verglichen,
retardierte mit retardierten Formen, parenterale mit parenteralen Formen usw. Der Vergleich mit anderen Formen - gammenübergreifend - ist zulässig, wenn keine Vergleichsarzneimittel existieren, die in derselben galenischen Form in der SL aufgeführt und damit in der gleichen Gamme eingeteilt sind. Inwiefern damit eine Verletzung von Art. 65b Abs. 4
bis
KVV und Art. 34f Abs. 1 KLV einhergehen sollte, wie in der Beschwerde geltend gemacht, erschliesst sich nicht.
5.3.2
Darauf hinzuweisen bleibt immerhin, dass das BAG selber in seinen aktuellsten Rundschreiben vom 2. Dezember 2019 und 4. Dezember 2020 im gleichen Kontext präzisiert, dass bei Arzneimitteln der Gammen Oral und OralRetard auch mit Arzneimitteln der Gammen Oral und OralRetard verglichen werden könne, wenn die Präparate Therapiealternativen darstellten und der Vergleich der Kostengünstigkeit entspreche. Ein Arzneimittel der Gamme Oral könne also beispielsweise mit Arzneimitteln der Gammen Oral und OralRetard verglichen werden, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt seien.
5.4
Unbestritten ist, dass die von der Beschwerdeführerin ins Feld geführten Medikamente F., G. und J. bezüglich ihrer Galenik in der Gamme Oral anzusiedeln sind, während es sich bei B., H. und I. um Arzneimittel der Gamme OralRetard handelt. Ebenfalls Einigkeit besteht darüber, dass sämtliche dieser K.-Präparate hinsichtlich ihrer Indikation und Wirkstoffklasse gemäss Fachinformation identisch sind.
5.4.1
Kontrovers beurteilt wird von den Parteien dagegen, ob die Arzneimittel Therapiealternativen im Sinne des Vorgenannten darstellen, sie also therapeutisch austauschbar sind. Der Beschwerdegegner verneinte die Frage in erster Linie mit der Begründung, die Retard- und Nicht-Retard-Formulierungen wichen insbesondere in Bezug auf die damit einhergehende unterschiedliche Absorption des K. voneinander ab, woraus auf eine divergierende Wirksamkeit zu schliessen sei. In der Beschwerde wird demgegenüber geltend gemacht, die Grenzen zwischen den beiden Produktgruppen verliefen fliessend und seien in therapeutischer Hinsicht unbedeutend, sodass die Medikamente F., G. und J. auch ohne Retardierungseffekt Therapiealternativen bildeten, die im Rahmen des TQV von B. ebenfalls zu berücksichtigen seien.
5.4.2
Wie es sich mit letzterem Punkt verhält, braucht nicht abschliessend beantwortet zu werden. Nach den zuvor aufgezeigten
Grundsätzen zur Vergleichsgruppenbildung ist das BAG nicht einmal verpflichtet, stets sämtliche der potentiell zur Verfügung stehenden - d.h. in derselben Gamme befindlichen - Vergleichsarzneimittel in den TQV einzubeziehen. Da mit H. und I. unstreitig zwei in derselben Handelsform angebotene und daher in die gleiche Gamme eingeteilte K.-Präparate ausgewählt wurden, die, zumal von der Beschwerdeführerin selber vorgeschlagen, nach den rechtlichen Vorgaben geeignete Referenzprodukte für den TQV von B. bilden, kann dem Beschwerdegegner, wie vorinstanzlich erkannt, jedenfalls keine unsachgemässe Ausübung seines in diesem Punkt ohnehin weiten Ermessensspielraums vorgehalten werden. Selbst wenn die von der Beschwerdeführerin zusätzlich angerufenen Arzneimittel als ebenfalls vergleichbar im Sinne des in E. 5.3.2 hiervor Ausgeführten zu werten wären (oder sogar Vorzüge aufwiesen), stellte sich letztinstanzlich einzig die Frage, ob die vom BAG getroffene, Ermessenscharakter aufweisende Auswahl der Arzneimittel mit einem Rechtsfehler behaftet ist (nicht publ. E. 4.2.2; vgl. auch
BGE 147 V 194
E. 6.3.1). Dies ist zu verneinen. Im Gegenteil besteht hier kein sachlicher Grund, den TQV gammenübergreifend auf weitere Arzneimittel auszudehnen. Die Vergleichsgruppenbildung ist daher bundesrechtskonform erfolgt und ermöglicht einen aussagekräftigen Wirtschaftlichkeitsvergleich. | de | Art. 32 al. 1 et art. 43 al. 6 LAMal; art. 65b al. 2 let. b et al. 4
bis
ainsi qu'art. 65d al. 1 OAMal; art. 34f OPAS; réexamen tous les trois ans des conditions d'admission d'un médicament dans la liste des spécialités; répartition dans les gammes.
Selon la jurisprudence, dans le cadre de l'évaluation du caractère économique d'un médicament au moyen de la comparaison thérapeutique (CT), il n'y a pas d'obligation de former le groupe de comparaison en y incluant l'ensemble des préparations (concurrentes) originales appropriées (c'est-à-dire comparables). L'approche de l'Office fédéral de la santé publique consistant à prendre en compte des médicaments de référence qui appartiennent à la même forme galénique que le médicament à comparer et qui sont donc répartis dans la même gamme de médicaments n'est pas critiquable dans le cadre du large pouvoir d'appréciation dont il dispose dans ce domaine (consid. 5.3). | fr | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-464%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,810 | 147 V 464 | 147 V 464
Sachverhalt ab Seite 465
A.
A.a
Die A. AG ist Zulassungsinhaberin des vom Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) zugelassenen Arzneimittels B., welches auf der Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste [SL]) figuriert. Es enthält den Wirkstoff C. gemäss SL respektive D. gemäss Fachinformation und dient der Behandlung von E.
A.b
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) teilte der A. AG mit Rundschreiben vom x mit, dass B. der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen der in der SL gelisteten Präparate unterzogen werde, und ersuchte um Eingabe der dafür erforderlichen Daten in die bereitgestellte Internet-Applikation bis x. Insbesondere wurden Angaben zur Wirksamkeit und Zweckmässigkeit sowie mit Blick auf das Kriterium der Wirtschaftlichkeit zu den Grundlagen des von der Zulassungsinhaberin vorgenommenen therapeutischen Quervergleichs (TQV) gefordert. In Bezug auf Letzteren schlug die A. AG in ihrer Stellungnahme vom x als Vergleichspräparate insbesondere F., G., H., I. und J. vor. Während das BAG die betreffenden Referenzarzneimittel zunächst akzeptierte, kam es im Rahmen seiner Rückmeldung vom x auf seinen diesbezüglichen Entscheid zurück und hielt fest, in Analogie zur Praxis bei anderen Arzneimitteln mit mehreren Vergleichspräparaten pro Gamme seien die Gammen Oral und OralRetard zu trennen. Der TQV von B. - einem der Gamme OralRetard zuzuordnenden Präparat - sei daher lediglich unter Berücksichtigung der ebenfalls dieser Gamme angehörenden Medikamente H. und I. durchzuführen, wohingegen F., G. und J., welche in der Handelsform Oral angeboten würden, auszuklammern seien. Die Parteien konnten sich in der Folge nicht einigen, sodass das BAG die Fabrikabgabe- (FAP) bzw. Publikumspreise (PP) von B. mit Verfügung vom x in seinem Sinne ermittelte und diese per x (...) senkte.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 16. September 2020 ab.
C.
Die A. AG lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sowie der Verfügung des BAG vom x beantragen; eventualiter sei
die Angelegenheit zur Neuberechnung der wirtschaftlichen Fabrikabgabe- und Publikumspreise an das Bundesverwaltungsgericht oder das BAG zurückzuweisen.
Das BAG schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die A. AG hält replikweise an ihrem Standpunkt fest.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Im Streit steht die Frage, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die vom BAG am x auf x verfügte Senkung der Preise des Medikaments B. bestätigt hat.
(...)
3.
Anerkanntermassen verfügt B. über eine gültige Zulassung von Swissmedic. Einig sind sich die Verfahrensbeteiligten auch dahingehend, dass das Medikament die SL-Aufnahmekriterien der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit (weiterhin) erfüllt und dessen Wirtschaftlichkeit anhand eines Auslandpreisvergleichs (APV) und eines TQV zu beurteilen ist.
Umstritten ist in diesem Zusammenhang jedoch die vom Beschwerdegegner im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen angeordnete und vorinstanzlich bekräftigte Preisreduktion. Dabei wurde die Berechnung des APV nicht beanstandet. Zu Diskussionen Anlass gab und gibt demgegenüber die durch das BAG vorgenommene TQV-Vergleichsgruppenbildung. Die Beschwerdeführerin macht dabei eine unsachgemässe Ausübung des dem BAG in diesem Bereich zustehenden Ermessens geltend; indem mit der Begründung, der TQV sei stets pro Gamme durchzuführen, als Vergleichsarzneimittel einzig die ebenfalls der Gamme OralRetard zugehörigen Präparate H. und I., nicht aber die in die Gamme Oral eingeteilten, therapeutisch jedoch frei austauschbaren Medikamente F., G. und J. berücksichtigt worden seien, hätten Beschwerdegegner und Vorinstanz Art. 65d Abs. 1 KVV (SR 832.102) in Verbindung mit Art. 34d und 34f KLV (SR 832.112.31) verletzt.
(...)
5.
5.1
Zu prüfen ist, ob die - von der Vorinstanz bestätigte - Vorgehensweise des BAG, den TQV von B. mit Medikamenten innerhalb
derselben Gamme vorzunehmen, zu einer Verletzung der genannten bundesrechtlichen Normen führt.
5.2
5.2.1
Der Begriff der Gamme ist weder im KVG noch in den gestützt darauf erlassenen Verordnungen oder im vom BAG herausgegebenen Handbuch betreffend die SL, Stand 2017 (fortan: SL-Handbuch; abrufbar unter www.bag.admin.ch [zu dessen Beweiswertigkeit vgl.
BGE 145 V 289
E. 5.4.2]), definiert. Im pharmazeutischen Bereich wird darunter im Allgemeinen die Produktpalette eines Arzneimittels mit den verschiedenen Dosisstärken und galenischen Form bezeichnet. In ähnlichem Sinne wird der Begriff auch im Zusammenhang mit rechtlichen Fragen der SL verwendet. Dabei werden unter einer Gamme insbesondere die verschiedenen auf der SL aufgeführten Dosisstärken und Packungsgrössen ein und desselben Arzneimittels verstanden (gleicher Wirkstoff, im Wesentlichen gleiche Zusammensetzung, identische Indikationen und übereinstimmende Arzneimittelinformation, namentlich gleiche Dosierungsempfehlung; vgl. Urteil 9C_401/2020 vom 5. März 2021 E. 2.4.3 mit Hinweisen).
5.2.2
Gestützt darauf erarbeitete der Beschwerdegegner zur Umsetzung der dreijährlichen Überprüfung der SL-Aufnahmebedingungen gemäss eigener - vor- wie letztinstanzlich unbestritten gebliebener und daher für das Bundesgericht verbindlicher (vgl. nicht publ. E. 1) - Darstellung in Zusammenarbeit mit den Pharmaverbänden und Krankenversicherern eine Einteilung verschiedener Gammen, wobei, so Ziff. E.1.3 SL-Handbuch, pro Gamme eines Arzneimittels ein separater APV und TQV durchzuführen sei. Damit solle, wie das BAG vorgängig weiter anmerkte, eine Kohärenz innerhalb der verschiedenen Arzneiformen herbeigeführt werden, da es einem Anliegen der Pharmaindustrie entsprochen habe, für spezifische Arzneiformen (beispielsweise für Kinder in Suppositorien- [Zäpfchen-] respektive Sirupform oder mit einer spezifischen Galenik [etwa Retardformulierungen]) eine separate Überprüfung der Wirtschaftlichkeit zu ermöglichen. Die aus 16 Gammen bestehende, in Ziff. E.1.3 SL-Handbuch tabellarisch wiedergegebene Einteilung trage dem Umstand Rechnung, dass ein Arzneimittel unterschiedliche Handelsformen mit unterschiedlichen Preisen in den Referenzländern aufweisen könne. Durch die Gammeneinteilung würden im Rahmen des TQV die am besten miteinander vergleichbaren Arzneimittel
berücksichtigt, womit die Gleichbehandlung aller Zulassungsinhaberinnen und ausserdem die Rechtssicherheit gewährleistet werde.
5.3
Nach den zuvor dargelegten, weiterhin geltenden Prinzipien zur Durchführung des TQV liegt es prinzipiell im Ermessen des BAG, im jeweiligen Einzelfall darüber zu befinden, welche und damit auch wie viele der in Frage kommenden Arzneimittel dem TQV effektiv zugrunde zu legen sind. Auch besteht rechtsprechungsgemäss keine Pflicht, die Vergleichsgruppe auf der Basis sämtlicher der sich grundsätzlich eignenden (d.h. vergleichbaren) (Konkurrenz-)Präparate zu bilden (vgl. nicht publ. E. 4.2.1). Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, weshalb es dem BAG verwehrt sein sollte, im Rahmen des TQV grundsätzlich Referenzarzneimittel zu berücksichtigen, die derselben galenischen Form wie das zu vergleichende Medikament angehören und daher in der Gammeneinteilung der gleichen Gamme zuzuordnen sind. Gerade der Umstand, dass Arzneimittel auf Grund ihrer Handelsform für die Überprüfung der SL-Aufnahmebedingungen kategorisiert und in entsprechende Gruppierungen aufgegliedert werden, lässt es naheliegend erscheinen, den TQV auf Produkte innerhalb derselben Gruppe zu beschränken. Werden für den TQV eines Medikaments Präparate herangezogen, die in derselben Gamme eingeteilt sind, wird dieses einer vergleichenden Wertung mit anderen Arzneimitteln unterzogen, welche dem gleichen Behandlungszweck dienen und sich durch dieselbe galenische Form auszeichnen, und in Zusammenhang mit den Kosten gesetzt, woraus sich - als Teilelement neben dem APV - Rückschlüsse auf dessen Wirtschaftlichkeit ergeben. Gründe, weshalb diese Vorgehensweise nicht zweckmässig sein sollte, sind weder ersichtlich noch ergeben sich solche aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin. Namentlich leuchtet nicht ein, dass die Nichtberücksichtigung der Gammeneinteilung zu sachdienlicheren Ergebnissen führen sollte.
5.3.1
Als Grundsatz ist somit festzuhalten - worauf in den alljährlichen Rundschreiben des BAG betreffend "Umsetzung der Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre im Jahr [...]nunmehr ebenfalls ausdrücklich hingewiesen wurde und wird (vgl. Rundschreiben vom 6. Dezember 2018, 2. Dezember 2019 und 4. Dezember 2020, jeweils Ziff. 6.2.1 ["Auswahl der Vergleichspräparate"], abrufbar unter www.bag.admin.ch) -, dass für die Auswahlder Vergleichsarzneimittel auch die galenische Form respektive deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gamme relevant ist. Orale Formen werden beispielsweise mit oralen Formen verglichen,
retardierte mit retardierten Formen, parenterale mit parenteralen Formen usw. Der Vergleich mit anderen Formen - gammenübergreifend - ist zulässig, wenn keine Vergleichsarzneimittel existieren, die in derselben galenischen Form in der SL aufgeführt und damit in der gleichen Gamme eingeteilt sind. Inwiefern damit eine Verletzung von Art. 65b Abs. 4
bis
KVV und Art. 34f Abs. 1 KLV einhergehen sollte, wie in der Beschwerde geltend gemacht, erschliesst sich nicht.
5.3.2
Darauf hinzuweisen bleibt immerhin, dass das BAG selber in seinen aktuellsten Rundschreiben vom 2. Dezember 2019 und 4. Dezember 2020 im gleichen Kontext präzisiert, dass bei Arzneimitteln der Gammen Oral und OralRetard auch mit Arzneimitteln der Gammen Oral und OralRetard verglichen werden könne, wenn die Präparate Therapiealternativen darstellten und der Vergleich der Kostengünstigkeit entspreche. Ein Arzneimittel der Gamme Oral könne also beispielsweise mit Arzneimitteln der Gammen Oral und OralRetard verglichen werden, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt seien.
5.4
Unbestritten ist, dass die von der Beschwerdeführerin ins Feld geführten Medikamente F., G. und J. bezüglich ihrer Galenik in der Gamme Oral anzusiedeln sind, während es sich bei B., H. und I. um Arzneimittel der Gamme OralRetard handelt. Ebenfalls Einigkeit besteht darüber, dass sämtliche dieser K.-Präparate hinsichtlich ihrer Indikation und Wirkstoffklasse gemäss Fachinformation identisch sind.
5.4.1
Kontrovers beurteilt wird von den Parteien dagegen, ob die Arzneimittel Therapiealternativen im Sinne des Vorgenannten darstellen, sie also therapeutisch austauschbar sind. Der Beschwerdegegner verneinte die Frage in erster Linie mit der Begründung, die Retard- und Nicht-Retard-Formulierungen wichen insbesondere in Bezug auf die damit einhergehende unterschiedliche Absorption des K. voneinander ab, woraus auf eine divergierende Wirksamkeit zu schliessen sei. In der Beschwerde wird demgegenüber geltend gemacht, die Grenzen zwischen den beiden Produktgruppen verliefen fliessend und seien in therapeutischer Hinsicht unbedeutend, sodass die Medikamente F., G. und J. auch ohne Retardierungseffekt Therapiealternativen bildeten, die im Rahmen des TQV von B. ebenfalls zu berücksichtigen seien.
5.4.2
Wie es sich mit letzterem Punkt verhält, braucht nicht abschliessend beantwortet zu werden. Nach den zuvor aufgezeigten
Grundsätzen zur Vergleichsgruppenbildung ist das BAG nicht einmal verpflichtet, stets sämtliche der potentiell zur Verfügung stehenden - d.h. in derselben Gamme befindlichen - Vergleichsarzneimittel in den TQV einzubeziehen. Da mit H. und I. unstreitig zwei in derselben Handelsform angebotene und daher in die gleiche Gamme eingeteilte K.-Präparate ausgewählt wurden, die, zumal von der Beschwerdeführerin selber vorgeschlagen, nach den rechtlichen Vorgaben geeignete Referenzprodukte für den TQV von B. bilden, kann dem Beschwerdegegner, wie vorinstanzlich erkannt, jedenfalls keine unsachgemässe Ausübung seines in diesem Punkt ohnehin weiten Ermessensspielraums vorgehalten werden. Selbst wenn die von der Beschwerdeführerin zusätzlich angerufenen Arzneimittel als ebenfalls vergleichbar im Sinne des in E. 5.3.2 hiervor Ausgeführten zu werten wären (oder sogar Vorzüge aufwiesen), stellte sich letztinstanzlich einzig die Frage, ob die vom BAG getroffene, Ermessenscharakter aufweisende Auswahl der Arzneimittel mit einem Rechtsfehler behaftet ist (nicht publ. E. 4.2.2; vgl. auch
BGE 147 V 194
E. 6.3.1). Dies ist zu verneinen. Im Gegenteil besteht hier kein sachlicher Grund, den TQV gammenübergreifend auf weitere Arzneimittel auszudehnen. Die Vergleichsgruppenbildung ist daher bundesrechtskonform erfolgt und ermöglicht einen aussagekräftigen Wirtschaftlichkeitsvergleich. | de | Art. 32 cpv. 1 e art. 43 cpv. 6 LAMal; art. 65b cpv. 2 lett. b e cpv. 4
bis
nonché art. 65d cpv. 1 OAMal; art. 34f OPre; riesame ogni tre anni delle condizioni d'ammissione di un medicamento nell'elenco delle specialità; distribuzione nelle gamme.
Secondo la giurisprudenza, non c'è l'obbligo di formare il gruppo di riferimento nell'ambito del confronto terapeutico (CT) da effettuare per la valutazione del carattere economico sulla base di tutti i preparati (concorrenti) originali in linea di principio idonei (cioè comparabili). Non si vede quindi in che modo l'Ufficio federale della sanità pubblica avrebbe ecceduto il suo ampio potere d'apprezzamento in questo ambito, prendendo in considerazione medicamenti di riferimento che appartengono alla stessa forma galenica del medicamento da confrontare e che quindi devono essere assegnati alla stessa gamma di medicamenti (consid. 5.3). | it | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-464%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,811 | 147 V 470 | 147 V 470
Sachverhalt ab Seite 471
A.
A.a
Die A. GmbH ist Zulassungsinhaberin des vom Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) zugelassenen Arzneimittels B., welches in verschiedenen Packungsgrössen (w, w und w Stück) in der Form von Filmtabletten à x mg auf der Liste der
pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste [SL]) figuriert. Es enthält den Wirkstoff C. und dient der Behandlung (...).
A.b
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) teilte der A. GmbH mit Rundschreiben vom 13. Dezember 2017 mit, dass B. der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen der in der SL gelisteten Präparate unterzogen werde, und ersuchte um Eingabe der dafür erforderlichen Daten in die bereitgestellte Internet-Applikation bis y. Insbesondere wurden Angaben zur Wirksamkeit und Zweckmässigkeit sowie - mit Blick auf das Kriterium der Wirtschaftlichkeit - zu den Grundlagen des von der Zulassungsinhaberin vorgenommenen Therapeutischen Quervergleichs (TQV) gefordert. In Bezug auf Letzteren schlug die A. GmbH in ihrer Stellungnahme vom y als Vergleichspräparate insbesondere D., E., F., G. und H. vor. Während in der Folge Einigkeit bestand hinsichtlich der Referenzarzneimittel sowie der mittleren Dosierungen und ausgewählten Packungen von D., E., F. und G., blieb zwischen den Parteien die Frage der mittleren Dosis von B. und H. sowie der heranzuziehenden (kleinsten) Packungsgrösse von H. umstritten. Mit Verfügung vom 21. September 2018 ermittelte das BAG einen Senkungssatz von -27,7743335 % (TQV von -24,3724854 % und Auslandpreisvergleich [APV] von -31,233726 %) und setzte die Publikumspreise von B. per y entsprechend fest.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 20. August 2020 ab; gleichzeitig änderte es, nachdem es der A. GmbH eine reformatio in peius angedroht hatte, die angefochtene Verfügung dahingehend ab, als es die Publikumspreise nochmals senkte.
C.
Die A. GmbH lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie der Verfügung des BAG vom 21. September 2018 beantragen; eventualiter sei die Angelegenheit zur Neuberechnung der wirtschaftlichen Fabrikabgabe- und Publikumspreise an das Bundesverwaltungsgericht oder an das BAG zurückzuweisen.
Das BAG schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die A. GmbH hält replikweise an ihren Rechtsbegehren fest.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Anerkanntermassen verfügt B. über eine gültige Zulassung von Swissmedic. Einig sind sich die Verfahrensbeteiligten auch dahingehend, dass das Medikament die SL-Aufnahmekriterien der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit (weiterhin) erfüllt und dessen Wirtschaftlichkeit anhand eines APV und eines TQV zu beurteilen ist.
3.2
Umstritten ist in diesem Zusammenhang jedoch die vom Beschwerdegegner im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen angeordnete, durch das Bundesverwaltungsgericht noch erhöhte Preisreduktion. Dabei wurde die Berechnung des APV nicht beanstandet. Zu Diskussionen Anlass gab und gibt demgegenüber der vorinstanzlich vorgenommene TQV. Unterschiedliche Auffassungen vertreten werden in diesem Kontext insbesondere hinsichtlich der massgebenden Erhaltungsdosen von B. und dem Vergleichspräparat H. sowie der Frage, von welcher Packungsgrösse bei letztgenanntem Medikament auszugehen ist.
4.
Zu prüfen ist zunächst - mit Blick auf Art. 65b Abs. 4
bis
KVV (SR 832.102) - die Bundesrechtskonformität der vorinstanzlichen Feststellung, der TQV von B. sei bei B. und H. nach Massgabe der mittleren Erhaltungsdosen durchzuführen, welche wie bei den Referenzprodukten D., E., F. und G. auf der Basis der jeweils mittleren Dosisspanne festzulegen seien und daher x mg (B.) respektive x mg täglich (H.) betrügen.
4.1
Laut Art. 65b Abs. 4
bis
lit. b KVV werden beim TQV die Kosten des Arzneimittels pro Tag oder Kur im Verhältnis zu den Kosten von Arzneimitteln überprüft, die zur Behandlung derselben Krankheit eingesetzt werden. Der TQV hat somit - grundsätzlich unstrittig - anhand der durchschnittlichen Tagestherapiekosten der mittleren Erhaltungsdosen der zu vergleichenden Medikamente zu erfolgen.
4.2
In einem ersten Schritt zu beurteilen ist, auf welche Weise bzw. gestützt auf welche Grundlage die mittlere Erhaltungsdosis eines Medikaments zu ermitteln ist.
4.2.1
Die gültige Zulassung von Swissmedic bildet notwendige (vgl. Art. 65 Abs. 1 KVV und Art. 30 Abs. 1 lit. b KLV [SR 832. 112.31]), aber nicht hinreichende Bedingung für die Aufnahme eines Arzneimittels in die SL. Swissmedic erteilt nach Prüfung insbesondere der Qualität, der Sicherheit und der Wirksamkeit des
Arzneimittels (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte [Heilmittelgesetz, HMG; SR 812.21]) die heilmittelrechtliche Zulassung ausdrücklich für definierte Indikationen oder Anwendungsgebiete; sie genehmigt ferner auch die entsprechende Arzneimittelinformation (Art. 16 Abs. 1 lit. c und Abs. 3, Art. 26 ff. der Verordnung vom 21. September 2018 über die Arzneimittel [Arzneimittelverordnung, VAM; SR 812.212.21]). Eine Aufnahme in die SL ist nur in den Grenzen der Indikationen und Anwendungsvorschriften gemäss der Swissmedic-Zulassung möglich. Das BAG seinerseits prüft, ob die WZW-Kriterien erfüllt sind und entscheidet über die Aufnahme in die SL (vgl. Art. 65 Abs. 3 KVV und Art. 30 Abs. 1 lit. a KLV). Das BAG kann die Aufnahme mit Bedingungen und Auflagen versehen (Art. 65 Abs. 5 KVV); des Weitern kann die Aufnahme in die SL unter der Bedingung einer Limitierung erfolgen (Art. 73 KVV).
Angesichts dieser doppelstufigen Zulassungsprüfung, wobei entscheidend ist, dass die nachgelagerte SL-Zulassung namentlich in Bezug auf die Indikationen nicht weiter gehen darf, als die heilmittelrechtliche Zulassung, muss das BAG auf die Swissmedic-Zulassung respektive die entsprechende Fachinformation abstellen (
BGE 143 V 369
E. 6 mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 147 V 194
E. 5.3.1). Die zugelassenen Arzneimittel und damit einhergehend auch die Fachinformationen überprüft Swissmedic periodisch sowie nach jeweils fünf Jahren anlässlich der Erneuerung der Zulassung (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 und Art. 16b Abs. 1 und 2, Art. 16c HMG; vgl. auch Ziff. 5.1 und 5.2 der von Swissmedic herausgegebenen Wegleitung "Erneuerung und Verzicht der Zulassung/Statuswechsel Haupt- und Exportzulassung HMV4"). Die Zulassungsinhaberin ist verpflichtet, die Arzneimittelinformation laufend und unaufgefordert dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sowie neuen Ereignissen und Bewertungen anzupassen (vgl. Art. 28 Satz 1 VAM).
4.2.2
Die in den Arzneimittelinformationen enthaltenen Indikations- und Diagnoseformulierungen respektive Anwendungsvorschriften widerspiegeln nach dem Gesagten die jeweils gegenwärtigen medizinischen Erkenntnisse. Es rechtfertigt sich daher, diese, soweit aussagekräftig (vgl. E. 4.2.3 hiernach), auch für die Frage nach der mittleren Erhaltungsdosierung eines Arzneimittels heranzuziehen. Gründe, hier von dieser Sichtweise abzuweichen, die namentlich gewährleistet, dass die zu berücksichtigenden Dosierungen
respektive deren zu vergleichenden Mittelwerte ("mittlere Erhaltungsdosis" [vgl. E. 4.1 hiervor]) in transparenter sowie rechtsgleicher Art bestimmt werden, sind nicht auszumachen.
Keine in diesem Sinne relevante Grundlage stellen für die vorliegenden Belange demgegenüber die von der Schweizerischen Gesellschaft I. und der Schweizerischen Gesellschaft J. in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft K. erarbeiteten Behandlungsempfehlungen betreffend "(...)" (publ. in: [...]) dar, auf welche das BAG sich anfänglich abstützte, von denen es sich nunmehr jedoch ebenfalls distanziert hat. Wie die Vorinstanz im angefochtenen Urteil (in Wiedergabe des bereits in ihrem Urteil C-6115/2018 vom 7. Mai 2020 [E. 8.3] Ausgeführten) zutreffend erwogen hat, entsprechen die besagten Empfehlungen nicht dem aktuellen Wissensstand und weichen zudem von den Fachinformationen ab.
4.2.3
Zusammenfassend ist daher wie folgt vorzugehen: Können den Fachinformationen genaue Dosierungsvorschriften entnommen werden, anhand derer sich die durchschnittlichen Tagestherapiekosten berechnen lassen, sind diese zu verwenden. Dabei ist zu beachten, dass bei der Berechnung des TQV grundsätzlich den unterschiedlichen Anwendungsvorschriften gemäss Fachinformation Rechnung zu tragen ist und die verschiedenen, von Swissmedic überprüften und genehmigten Dosierungsangaben zu berücksichtigen sind (in diesem Sinne auch Urteile des Bundesverwaltungsgerichts C-6083/2018 vom 9. Juli 2020 E. 7.3.2 mit Hinweisen und C-595/2015 vom 19. Juni 2018 E. 8.3). Hinsichtlich derjenigen Arzneimittel, für die in den Fachinformationen keine genauen Dosierungsvorschriften vorhanden sind, kann die Bestimmung der Tagesdosis lediglich approximativ erfolgen. Allerdings hat dies im Rahmen der Untersuchungspflicht (Art. 12 VwVG) ebenfalls auf sachgerechte und nachvollziehbare Weise zu geschehen (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts C-6083/2018 vom 9. Juli 2020 E. 7.3.2, C-595/2015 vom 19. Juni 2018 E. 8.4 und C-536/2015 vom 6. Juni 2017 E. 8.3). Massgebend ist, dass die jeweiligen Dosierungen für sämtliche in den TQV einzubeziehenden Arzneimittel nach denselben Bedingungen festgelegt werden (vgl. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-6115/2018 vom 7. Mai 2020 E. 8.9.5).
Enthält die Fachinformation mit Blick auf die durchschnittliche Erhaltungsdosis somit eine klare Aussage zur empfohlenen oder üblichen Dosierung, ist diese dem TQV zugrunde zu legen. Fehlt es an derartigen präzisen Angaben, ist grundsätzlich die gesamte in der
Fachinformation aufgeführte Dosisspanne zu beachten, wobei deren Mittelwert heranzuziehen ist. Die Dosisspanne bildet jedoch dann keine hinreichende Grundlage, wenn beispielsweise direkte Vergleichsstudien vorliegen, welche sachdienliche Informationen zur empfohlenen oder üblichen Erhaltungsdosis beinhalten; diesfalls ist darauf abzustellen. Ergeben sich aus der Fachinformation keinerlei Auskünfte zur durchschnittlichen Erhaltungsdosis - auch nicht in Form von Dosisspannen -, können Äquivalenzdosen aus Leitlinien, klinischen Studien, ausländischen Zulassungsunterlagen etc. beigezogen werden. Dieser, vom BAG zwischenzeitlich im Rundschreiben "Umsetzung der Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre im Jahr 2020" vom 2. Dezember 2019 beschriebenen "Kaskade" zur Ermittlung der durchschnittlichen Erhaltungsdosis wird auch von Seiten der Beschwerdeführerin nicht opponiert. Es sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die gegen eine grundsätzliche Vorgehensweise in diesem Sinne sprechen (zum rechtlichen Stellenwert entsprechender bundesamtlicher Kommentierungen:
BGE 147 V 194
E. 5.3.2;
BGE 145 V 289
E. 5.4.2 mit Hinweisen; Urteile 9C_ 401/2020 vom 5. März 2021 E. 4.1 und 9C_309/2020 vom 4. Dezember 2020 E. 2.3.1 und 2.3.2).
5.
5.1
Die Fachinformationen betreffend B. sowie die einzelnen Vergleichsmedikamente stellen sich, wie im angefochtenen Urteil detailliert wiedergegeben, folgendermassen dar:
B. ist als Filmtablette in verschiedenen Packungsgrössen erhältlich (w, w und w Stück à je x mg). Zur Behandlung der Hauptindikation (...) wird initial als übliche therapeutische Dosis einmal täglich x mg (eine Filmtablette) empfohlen; bei ungenügendem Ansprechen aber guter Verträglichkeit kann die Dosis in wöchentlichen Schritten von nicht mehr als x mg bis zur maximalen Tagesdosis von x mg erhöht werden.
Beim Vergleichsarzneimittel H. beträgt die empfohlene Tagesdosis für die Behandlung von (...) x mg. Falls in Einzelfällen erforderlich, kann die Dosis nach einigen Wochen schrittweise (x mg) erhöht werden, wobei die Höchstdosis x mg pro Tag beträgt.
Bezüglich des Referenzpräparats E. wird ausgeführt, bei (...) werde das Medikament als Einzeldosis von täglich x mg verabreicht; in Abhängigkeit der individuellen Reaktion der Patienten könne die Dosis auf maximal x mg einmal täglich erhöht werden.
Die Fachinformation zum Vergleichsprodukt F. äussert sich dahingehend, dass als Anfangsdosierung bei einer (...) x mg pro Tag empfohlen werde. Spreche eine Patientin oder ein Patient nach drei Wochen nicht auf die Behandlung an, könne die Dosis auf x mg oder x mg erhöht werden.
Die Anfangsdosis beim Vergleichsmedikament D. wird für Erwachsene mit x mg pro Tag veranschlagt und kann, je nach klinischem Zustandsbild, in Intervallen von zwei Wochen auf x mg pro Tag erhöht werden, wobei die Dosis von x mg nicht überschritten werden darf.
Hinsichtlich des Referenzarzneimittels G. liegt die wirksame Tagesdosis zwischen x mg und x mg. Die mindestwirksame Dosis wird mit x mg täglich angegeben.
5.2
Das Bundesverwaltungsgericht hat auf dieser Basis festgestellt, die für den TQV von B. zu berücksichtigenden durchschnittlichen Erhaltungsdosen der Vergleichspräparate E. und F. betrügen - unstreitig - x mg respektive x mg. Es handelt sich dabei um den Mittelwert zwischen der "üblichen Dosis" (im Sinne der empfohlenen Anfangs- bzw. Erhaltungsdosierung) von x mg (E.) respektive x mg (F.) und der bei "ungenügendem Ansprechen" zur Anwendung gelangenden "Maximaldosis" von x mg (E.) bzw. x mg (F.). In Nachachtung des Grundsatzes, dass, damit Arzneimittel im Rahmen des TQV verglichen werden können, die heranzuziehenden Dosierungen einheitlich nach denselben Bedingungen zu bestimmen sind (vgl. E. 4.2.3 hiervor), ist die Vorinstanz sodann zum Schluss gelangt, die vorliegend massgebliche Erhaltungsdosis von B. sei auf x mg respektive diejenige von H. auf x mg zu veranschlagen, entsprechend - wie bei E. und F. - dem rechnerischen Mittelwert zwischen der "üblichen Dosis" von x mg (B.) bzw. x mg (H.) und der "Maximaldosis" von x mg (B.) bzw. x mg (H.).
Dem hält die Beschwerdeführerin auch letztinstanzlich entgegen, dass die jeweiligen Fachinformationen bezogen auf B. und H. klare Dosierungsvorschriften zu der empfohlenen üblichen Tagesdosis enthielten (B.: x mg; H.: x mg). Gemäss dem anwendbaren "Kaskadenmodell" seien dem TQV deshalb diese und nicht der Mittelwert der Dosisspanne (B.: x mg; H.: x mg) zugrunde zu legen. Indem das Bundesverwaltungsgericht die betreffenden Angaben ignoriert habe, verletze es Art. 65b Abs. 4
bis
lit. b KVV und damit Bundesrecht.
5.3
Nach dem vorstehend Ausgeführten ist die durchschnittliche Erhaltungsdosis der betroffenen Medikamente im Rahmen des TQV anhand des sog. "Kaskadenmodells" zu bestimmen. Darüber besteht grundsätzlich Einigkeit. Der TQV von B. ist mithin auf der Basis der jeweils gemäss Fachinformation empfohlenen Anfangs- respektive Erhaltungsdosierung als massgebliche "übliche Dosis" vorzunehmen, soweit entsprechende Angaben vorhanden sind. Trifft Letzteres zu, bleibt kein Raum für das Heranziehen des jeweiligen Mittelwertes der Dosisspanne (welcher, wie dargelegt, nicht in jedem Fall gleichzusetzen ist mit der relevanten "mittleren Erhaltungsdosis" [vgl. E. 4.1 und 4.2.2 hiervor]).
5.4
5.4.1
Die aufgelisteten Fachinformationen zeigen, dass in Bezug auf B. und H. klare Empfehlungen zur üblichen therapeutischen Dosis (B.: x mg täglich; H.: x mg täglich) existieren. Dies wird weder von der Beschwerdeführerin, die Entsprechendes im Gegenteil gerade nachdrücklich geltend macht, bestritten, noch von der Vorinstanz verneint.
Gleiches gilt ferner, wie im angefochtenen Urteil ebenfalls eingeräumt wird, hinsichtlich der Vergleichsmedikamente E. und F. So enthalten die Fachinformationen betreffend E. die Angabe, "[...]: E. wird als Einzeldosis von täglich x mg verabreicht. [...]. In Abhängigkeit der individuellen Reaktion der Patienten kann die Dosis auf maximal x mg einmal täglich erhöht werden" (vgl. E. 5.1 hiervor). Bezogen auf das Arzneimittel F. findet sich folgender Vermerk: "Übliche Dosierung/[...]: Die empfohlene Anfangsdosierung beträgt x mg pro Tag. [...]. Bei einigen Patienten kann es nötig sein, die Dosis zu erhöhen. Wenn ein Patient nach drei Wochen nicht auf die Behandlung anspricht, kann die Dosis auf x mg oder x mg erhöht werden" (vgl. E. 5.1 hiervor). Daraus lässt sich ohne Weiteres eine empfohlene/übliche tägliche Erhaltungsdosis von x mg (E.) respektive von x mg (F.) herleiten. Der Umstand, dass die Fachinformation betreffend H. von "Einzelfällen" spricht (vgl. E. 5.1 hiervor), in welchen eine Steigerung der Dosis zu erfolgen hat, vermag daran nichts zu ändern, wird damit inhaltlich doch ebenfalls nichts Anderes ausgesagt, als dass die "übliche Dosis" x mg beträgt und diese bei "nicht Ansprechen" auf bis zu x mg täglich erhöht werden kann.
Was das Referenzprodukt D. anbelangt, geht auch aus dessen Fachinformation insofern eine klare Angabe zur "üblichen Dosis" hervor,
als diese von einer "Anfangsdosis" von x mg pro Tag spricht, welche bedarfsweise auf maximal x mg täglich erhöht werden kann (vgl. E. 5.1 hiervor).
Einzig hinsichtlich des Vergleichsarzneimittels G. rät die fachliche Dokumentation ausdrücklich zu einer Tagesdosis zwischen x mg und maximal x mg (vgl. E. 5.1 hiervor), woraus sich grundsätzlich Rückschlüsse auf den Mittelwert der Dosisspanne (d.h. von x mg täglich) als massgebliche "übliche Dosis" gemäss "Kaskadenmodell" ziehen liessen.
5.4.2
Der TQV von B. ist vor diesem Hintergrund auf der Basis der erwähnten "üblichen Dosen" der Medikamente B., H., E., F. und D. durchzuführen. Damit wird sowohl der vom BAG initiierten Kaskadenfolge als auch dem Grundsatz Rechnung getragen, wonach die zu erfassenden Dosierungen für sämtliche in den TQV einzubeziehenden Arzneimittel nach denselben Bedingungen festzulegen sind (E. 4.2.3 hiervor). Weil mit den vier letztgenannten Medikamenten Vergleichspräparate in hinreichender Anzahl vorhanden sind - rechtsprechungsgemäss genügt es bereits, den TQV auf ein einziges (Konkurrenz-)Produkt zu beschränken (
BGE 147 V 194
E. 5.3.1 und 6.2;
BGE 143 V 369
E. 5.3.2;
BGE 137 V 295
E. 6.3.2 mit Hinweis; Urteil 9C_710/2020 vom 10. August 2021 E. 4.2.1, nicht publ. in:
BGE 147 V 464
) -, braucht das ebenfalls vorgeschlagene Arzneimittel G. nicht berücksichtigt zu werden. Die von den Verfahrensbeteiligten unterschiedlich beurteilte Frage, ob eine Vergleichbarkeit unter den in den TQV miteinzubeziehenden Arzneimitteln stets nur gegeben ist, wenn deren massgebliche Erhaltungsdosen im Rahmen des "Kaskadenmodells" auf dieselbe Weise eruiert werden (beispielsweise sämtliche Medikamente auf der Basis des Mittelwertes der Dosisspanne) - so Vorinstanz und Beschwerdegegner -, oder ob, wie von der Beschwerdeführerin angeführt, zunächst bei jedem Arzneimittel nach Massgabe des "Kaskadenmodells" die jeweilige "übliche Dosierung" zu ermitteln ist und diese erst in einem zweiten Schritt verglichen werden, braucht daher nicht abschliessend beantwortet zu werden. | de |
Art. 32 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 6 KVG; Art. 65b Abs. 1, Abs. 2 lit. b und Abs. 4
bis
, Art. 65d Abs. 1 und 3 KVV; Art. 34d und 34f KLV; Vergleichsgruppenbildung im Rahmen des therapeutischen Quervergleichs (TQV); Ermittlung der mittleren Erhaltungsdosis.
Der TQV hat gemäss Art. 65b Abs. 4
bis
KVV anhand der durchschnittlichen Tagestherapiekosten der mittleren Erhaltungsdosen der zu vergleichenden Medikamente zu erfolgen (E. 4.1). Massgebend ist, dass die jeweiligen Dosierungen für sämtliche in den TQV miteinzubeziehenden Arzneimittel nach denselben Bedingungen festgelegt werden. Die mittleren Erhaltungsdosen sind dabei gestützt auf das vom Bundesamt für Gesundheit entwickelte sog. "Kaskadenmodell" zu ermitteln; danach ist primär auf die gemäss Fachinformation empfohlene oder übliche Dosierung des fraglichen Medikaments abzustellen (E. 4.2-4.2.3). Im zu beurteilenden Fall enthalten die Fachinformationen sowohl zum zu vergleichenden Medikament als auch zu vier der (insgesamt fünf) vorgeschlagenen Referenzarzneimittel klare Empfehlungen bezüglich der üblichen Dosis, sodass der TQV auf dieser Basis vorzunehmen ist (E. 5). | de | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-470%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,812 | 147 V 470 | 147 V 470
Sachverhalt ab Seite 471
A.
A.a
Die A. GmbH ist Zulassungsinhaberin des vom Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) zugelassenen Arzneimittels B., welches in verschiedenen Packungsgrössen (w, w und w Stück) in der Form von Filmtabletten à x mg auf der Liste der
pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste [SL]) figuriert. Es enthält den Wirkstoff C. und dient der Behandlung (...).
A.b
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) teilte der A. GmbH mit Rundschreiben vom 13. Dezember 2017 mit, dass B. der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen der in der SL gelisteten Präparate unterzogen werde, und ersuchte um Eingabe der dafür erforderlichen Daten in die bereitgestellte Internet-Applikation bis y. Insbesondere wurden Angaben zur Wirksamkeit und Zweckmässigkeit sowie - mit Blick auf das Kriterium der Wirtschaftlichkeit - zu den Grundlagen des von der Zulassungsinhaberin vorgenommenen Therapeutischen Quervergleichs (TQV) gefordert. In Bezug auf Letzteren schlug die A. GmbH in ihrer Stellungnahme vom y als Vergleichspräparate insbesondere D., E., F., G. und H. vor. Während in der Folge Einigkeit bestand hinsichtlich der Referenzarzneimittel sowie der mittleren Dosierungen und ausgewählten Packungen von D., E., F. und G., blieb zwischen den Parteien die Frage der mittleren Dosis von B. und H. sowie der heranzuziehenden (kleinsten) Packungsgrösse von H. umstritten. Mit Verfügung vom 21. September 2018 ermittelte das BAG einen Senkungssatz von -27,7743335 % (TQV von -24,3724854 % und Auslandpreisvergleich [APV] von -31,233726 %) und setzte die Publikumspreise von B. per y entsprechend fest.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 20. August 2020 ab; gleichzeitig änderte es, nachdem es der A. GmbH eine reformatio in peius angedroht hatte, die angefochtene Verfügung dahingehend ab, als es die Publikumspreise nochmals senkte.
C.
Die A. GmbH lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie der Verfügung des BAG vom 21. September 2018 beantragen; eventualiter sei die Angelegenheit zur Neuberechnung der wirtschaftlichen Fabrikabgabe- und Publikumspreise an das Bundesverwaltungsgericht oder an das BAG zurückzuweisen.
Das BAG schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die A. GmbH hält replikweise an ihren Rechtsbegehren fest.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Anerkanntermassen verfügt B. über eine gültige Zulassung von Swissmedic. Einig sind sich die Verfahrensbeteiligten auch dahingehend, dass das Medikament die SL-Aufnahmekriterien der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit (weiterhin) erfüllt und dessen Wirtschaftlichkeit anhand eines APV und eines TQV zu beurteilen ist.
3.2
Umstritten ist in diesem Zusammenhang jedoch die vom Beschwerdegegner im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen angeordnete, durch das Bundesverwaltungsgericht noch erhöhte Preisreduktion. Dabei wurde die Berechnung des APV nicht beanstandet. Zu Diskussionen Anlass gab und gibt demgegenüber der vorinstanzlich vorgenommene TQV. Unterschiedliche Auffassungen vertreten werden in diesem Kontext insbesondere hinsichtlich der massgebenden Erhaltungsdosen von B. und dem Vergleichspräparat H. sowie der Frage, von welcher Packungsgrösse bei letztgenanntem Medikament auszugehen ist.
4.
Zu prüfen ist zunächst - mit Blick auf Art. 65b Abs. 4
bis
KVV (SR 832.102) - die Bundesrechtskonformität der vorinstanzlichen Feststellung, der TQV von B. sei bei B. und H. nach Massgabe der mittleren Erhaltungsdosen durchzuführen, welche wie bei den Referenzprodukten D., E., F. und G. auf der Basis der jeweils mittleren Dosisspanne festzulegen seien und daher x mg (B.) respektive x mg täglich (H.) betrügen.
4.1
Laut Art. 65b Abs. 4
bis
lit. b KVV werden beim TQV die Kosten des Arzneimittels pro Tag oder Kur im Verhältnis zu den Kosten von Arzneimitteln überprüft, die zur Behandlung derselben Krankheit eingesetzt werden. Der TQV hat somit - grundsätzlich unstrittig - anhand der durchschnittlichen Tagestherapiekosten der mittleren Erhaltungsdosen der zu vergleichenden Medikamente zu erfolgen.
4.2
In einem ersten Schritt zu beurteilen ist, auf welche Weise bzw. gestützt auf welche Grundlage die mittlere Erhaltungsdosis eines Medikaments zu ermitteln ist.
4.2.1
Die gültige Zulassung von Swissmedic bildet notwendige (vgl. Art. 65 Abs. 1 KVV und Art. 30 Abs. 1 lit. b KLV [SR 832. 112.31]), aber nicht hinreichende Bedingung für die Aufnahme eines Arzneimittels in die SL. Swissmedic erteilt nach Prüfung insbesondere der Qualität, der Sicherheit und der Wirksamkeit des
Arzneimittels (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte [Heilmittelgesetz, HMG; SR 812.21]) die heilmittelrechtliche Zulassung ausdrücklich für definierte Indikationen oder Anwendungsgebiete; sie genehmigt ferner auch die entsprechende Arzneimittelinformation (Art. 16 Abs. 1 lit. c und Abs. 3, Art. 26 ff. der Verordnung vom 21. September 2018 über die Arzneimittel [Arzneimittelverordnung, VAM; SR 812.212.21]). Eine Aufnahme in die SL ist nur in den Grenzen der Indikationen und Anwendungsvorschriften gemäss der Swissmedic-Zulassung möglich. Das BAG seinerseits prüft, ob die WZW-Kriterien erfüllt sind und entscheidet über die Aufnahme in die SL (vgl. Art. 65 Abs. 3 KVV und Art. 30 Abs. 1 lit. a KLV). Das BAG kann die Aufnahme mit Bedingungen und Auflagen versehen (Art. 65 Abs. 5 KVV); des Weitern kann die Aufnahme in die SL unter der Bedingung einer Limitierung erfolgen (Art. 73 KVV).
Angesichts dieser doppelstufigen Zulassungsprüfung, wobei entscheidend ist, dass die nachgelagerte SL-Zulassung namentlich in Bezug auf die Indikationen nicht weiter gehen darf, als die heilmittelrechtliche Zulassung, muss das BAG auf die Swissmedic-Zulassung respektive die entsprechende Fachinformation abstellen (
BGE 143 V 369
E. 6 mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 147 V 194
E. 5.3.1). Die zugelassenen Arzneimittel und damit einhergehend auch die Fachinformationen überprüft Swissmedic periodisch sowie nach jeweils fünf Jahren anlässlich der Erneuerung der Zulassung (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 und Art. 16b Abs. 1 und 2, Art. 16c HMG; vgl. auch Ziff. 5.1 und 5.2 der von Swissmedic herausgegebenen Wegleitung "Erneuerung und Verzicht der Zulassung/Statuswechsel Haupt- und Exportzulassung HMV4"). Die Zulassungsinhaberin ist verpflichtet, die Arzneimittelinformation laufend und unaufgefordert dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sowie neuen Ereignissen und Bewertungen anzupassen (vgl. Art. 28 Satz 1 VAM).
4.2.2
Die in den Arzneimittelinformationen enthaltenen Indikations- und Diagnoseformulierungen respektive Anwendungsvorschriften widerspiegeln nach dem Gesagten die jeweils gegenwärtigen medizinischen Erkenntnisse. Es rechtfertigt sich daher, diese, soweit aussagekräftig (vgl. E. 4.2.3 hiernach), auch für die Frage nach der mittleren Erhaltungsdosierung eines Arzneimittels heranzuziehen. Gründe, hier von dieser Sichtweise abzuweichen, die namentlich gewährleistet, dass die zu berücksichtigenden Dosierungen
respektive deren zu vergleichenden Mittelwerte ("mittlere Erhaltungsdosis" [vgl. E. 4.1 hiervor]) in transparenter sowie rechtsgleicher Art bestimmt werden, sind nicht auszumachen.
Keine in diesem Sinne relevante Grundlage stellen für die vorliegenden Belange demgegenüber die von der Schweizerischen Gesellschaft I. und der Schweizerischen Gesellschaft J. in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft K. erarbeiteten Behandlungsempfehlungen betreffend "(...)" (publ. in: [...]) dar, auf welche das BAG sich anfänglich abstützte, von denen es sich nunmehr jedoch ebenfalls distanziert hat. Wie die Vorinstanz im angefochtenen Urteil (in Wiedergabe des bereits in ihrem Urteil C-6115/2018 vom 7. Mai 2020 [E. 8.3] Ausgeführten) zutreffend erwogen hat, entsprechen die besagten Empfehlungen nicht dem aktuellen Wissensstand und weichen zudem von den Fachinformationen ab.
4.2.3
Zusammenfassend ist daher wie folgt vorzugehen: Können den Fachinformationen genaue Dosierungsvorschriften entnommen werden, anhand derer sich die durchschnittlichen Tagestherapiekosten berechnen lassen, sind diese zu verwenden. Dabei ist zu beachten, dass bei der Berechnung des TQV grundsätzlich den unterschiedlichen Anwendungsvorschriften gemäss Fachinformation Rechnung zu tragen ist und die verschiedenen, von Swissmedic überprüften und genehmigten Dosierungsangaben zu berücksichtigen sind (in diesem Sinne auch Urteile des Bundesverwaltungsgerichts C-6083/2018 vom 9. Juli 2020 E. 7.3.2 mit Hinweisen und C-595/2015 vom 19. Juni 2018 E. 8.3). Hinsichtlich derjenigen Arzneimittel, für die in den Fachinformationen keine genauen Dosierungsvorschriften vorhanden sind, kann die Bestimmung der Tagesdosis lediglich approximativ erfolgen. Allerdings hat dies im Rahmen der Untersuchungspflicht (Art. 12 VwVG) ebenfalls auf sachgerechte und nachvollziehbare Weise zu geschehen (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts C-6083/2018 vom 9. Juli 2020 E. 7.3.2, C-595/2015 vom 19. Juni 2018 E. 8.4 und C-536/2015 vom 6. Juni 2017 E. 8.3). Massgebend ist, dass die jeweiligen Dosierungen für sämtliche in den TQV einzubeziehenden Arzneimittel nach denselben Bedingungen festgelegt werden (vgl. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-6115/2018 vom 7. Mai 2020 E. 8.9.5).
Enthält die Fachinformation mit Blick auf die durchschnittliche Erhaltungsdosis somit eine klare Aussage zur empfohlenen oder üblichen Dosierung, ist diese dem TQV zugrunde zu legen. Fehlt es an derartigen präzisen Angaben, ist grundsätzlich die gesamte in der
Fachinformation aufgeführte Dosisspanne zu beachten, wobei deren Mittelwert heranzuziehen ist. Die Dosisspanne bildet jedoch dann keine hinreichende Grundlage, wenn beispielsweise direkte Vergleichsstudien vorliegen, welche sachdienliche Informationen zur empfohlenen oder üblichen Erhaltungsdosis beinhalten; diesfalls ist darauf abzustellen. Ergeben sich aus der Fachinformation keinerlei Auskünfte zur durchschnittlichen Erhaltungsdosis - auch nicht in Form von Dosisspannen -, können Äquivalenzdosen aus Leitlinien, klinischen Studien, ausländischen Zulassungsunterlagen etc. beigezogen werden. Dieser, vom BAG zwischenzeitlich im Rundschreiben "Umsetzung der Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre im Jahr 2020" vom 2. Dezember 2019 beschriebenen "Kaskade" zur Ermittlung der durchschnittlichen Erhaltungsdosis wird auch von Seiten der Beschwerdeführerin nicht opponiert. Es sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die gegen eine grundsätzliche Vorgehensweise in diesem Sinne sprechen (zum rechtlichen Stellenwert entsprechender bundesamtlicher Kommentierungen:
BGE 147 V 194
E. 5.3.2;
BGE 145 V 289
E. 5.4.2 mit Hinweisen; Urteile 9C_ 401/2020 vom 5. März 2021 E. 4.1 und 9C_309/2020 vom 4. Dezember 2020 E. 2.3.1 und 2.3.2).
5.
5.1
Die Fachinformationen betreffend B. sowie die einzelnen Vergleichsmedikamente stellen sich, wie im angefochtenen Urteil detailliert wiedergegeben, folgendermassen dar:
B. ist als Filmtablette in verschiedenen Packungsgrössen erhältlich (w, w und w Stück à je x mg). Zur Behandlung der Hauptindikation (...) wird initial als übliche therapeutische Dosis einmal täglich x mg (eine Filmtablette) empfohlen; bei ungenügendem Ansprechen aber guter Verträglichkeit kann die Dosis in wöchentlichen Schritten von nicht mehr als x mg bis zur maximalen Tagesdosis von x mg erhöht werden.
Beim Vergleichsarzneimittel H. beträgt die empfohlene Tagesdosis für die Behandlung von (...) x mg. Falls in Einzelfällen erforderlich, kann die Dosis nach einigen Wochen schrittweise (x mg) erhöht werden, wobei die Höchstdosis x mg pro Tag beträgt.
Bezüglich des Referenzpräparats E. wird ausgeführt, bei (...) werde das Medikament als Einzeldosis von täglich x mg verabreicht; in Abhängigkeit der individuellen Reaktion der Patienten könne die Dosis auf maximal x mg einmal täglich erhöht werden.
Die Fachinformation zum Vergleichsprodukt F. äussert sich dahingehend, dass als Anfangsdosierung bei einer (...) x mg pro Tag empfohlen werde. Spreche eine Patientin oder ein Patient nach drei Wochen nicht auf die Behandlung an, könne die Dosis auf x mg oder x mg erhöht werden.
Die Anfangsdosis beim Vergleichsmedikament D. wird für Erwachsene mit x mg pro Tag veranschlagt und kann, je nach klinischem Zustandsbild, in Intervallen von zwei Wochen auf x mg pro Tag erhöht werden, wobei die Dosis von x mg nicht überschritten werden darf.
Hinsichtlich des Referenzarzneimittels G. liegt die wirksame Tagesdosis zwischen x mg und x mg. Die mindestwirksame Dosis wird mit x mg täglich angegeben.
5.2
Das Bundesverwaltungsgericht hat auf dieser Basis festgestellt, die für den TQV von B. zu berücksichtigenden durchschnittlichen Erhaltungsdosen der Vergleichspräparate E. und F. betrügen - unstreitig - x mg respektive x mg. Es handelt sich dabei um den Mittelwert zwischen der "üblichen Dosis" (im Sinne der empfohlenen Anfangs- bzw. Erhaltungsdosierung) von x mg (E.) respektive x mg (F.) und der bei "ungenügendem Ansprechen" zur Anwendung gelangenden "Maximaldosis" von x mg (E.) bzw. x mg (F.). In Nachachtung des Grundsatzes, dass, damit Arzneimittel im Rahmen des TQV verglichen werden können, die heranzuziehenden Dosierungen einheitlich nach denselben Bedingungen zu bestimmen sind (vgl. E. 4.2.3 hiervor), ist die Vorinstanz sodann zum Schluss gelangt, die vorliegend massgebliche Erhaltungsdosis von B. sei auf x mg respektive diejenige von H. auf x mg zu veranschlagen, entsprechend - wie bei E. und F. - dem rechnerischen Mittelwert zwischen der "üblichen Dosis" von x mg (B.) bzw. x mg (H.) und der "Maximaldosis" von x mg (B.) bzw. x mg (H.).
Dem hält die Beschwerdeführerin auch letztinstanzlich entgegen, dass die jeweiligen Fachinformationen bezogen auf B. und H. klare Dosierungsvorschriften zu der empfohlenen üblichen Tagesdosis enthielten (B.: x mg; H.: x mg). Gemäss dem anwendbaren "Kaskadenmodell" seien dem TQV deshalb diese und nicht der Mittelwert der Dosisspanne (B.: x mg; H.: x mg) zugrunde zu legen. Indem das Bundesverwaltungsgericht die betreffenden Angaben ignoriert habe, verletze es Art. 65b Abs. 4
bis
lit. b KVV und damit Bundesrecht.
5.3
Nach dem vorstehend Ausgeführten ist die durchschnittliche Erhaltungsdosis der betroffenen Medikamente im Rahmen des TQV anhand des sog. "Kaskadenmodells" zu bestimmen. Darüber besteht grundsätzlich Einigkeit. Der TQV von B. ist mithin auf der Basis der jeweils gemäss Fachinformation empfohlenen Anfangs- respektive Erhaltungsdosierung als massgebliche "übliche Dosis" vorzunehmen, soweit entsprechende Angaben vorhanden sind. Trifft Letzteres zu, bleibt kein Raum für das Heranziehen des jeweiligen Mittelwertes der Dosisspanne (welcher, wie dargelegt, nicht in jedem Fall gleichzusetzen ist mit der relevanten "mittleren Erhaltungsdosis" [vgl. E. 4.1 und 4.2.2 hiervor]).
5.4
5.4.1
Die aufgelisteten Fachinformationen zeigen, dass in Bezug auf B. und H. klare Empfehlungen zur üblichen therapeutischen Dosis (B.: x mg täglich; H.: x mg täglich) existieren. Dies wird weder von der Beschwerdeführerin, die Entsprechendes im Gegenteil gerade nachdrücklich geltend macht, bestritten, noch von der Vorinstanz verneint.
Gleiches gilt ferner, wie im angefochtenen Urteil ebenfalls eingeräumt wird, hinsichtlich der Vergleichsmedikamente E. und F. So enthalten die Fachinformationen betreffend E. die Angabe, "[...]: E. wird als Einzeldosis von täglich x mg verabreicht. [...]. In Abhängigkeit der individuellen Reaktion der Patienten kann die Dosis auf maximal x mg einmal täglich erhöht werden" (vgl. E. 5.1 hiervor). Bezogen auf das Arzneimittel F. findet sich folgender Vermerk: "Übliche Dosierung/[...]: Die empfohlene Anfangsdosierung beträgt x mg pro Tag. [...]. Bei einigen Patienten kann es nötig sein, die Dosis zu erhöhen. Wenn ein Patient nach drei Wochen nicht auf die Behandlung anspricht, kann die Dosis auf x mg oder x mg erhöht werden" (vgl. E. 5.1 hiervor). Daraus lässt sich ohne Weiteres eine empfohlene/übliche tägliche Erhaltungsdosis von x mg (E.) respektive von x mg (F.) herleiten. Der Umstand, dass die Fachinformation betreffend H. von "Einzelfällen" spricht (vgl. E. 5.1 hiervor), in welchen eine Steigerung der Dosis zu erfolgen hat, vermag daran nichts zu ändern, wird damit inhaltlich doch ebenfalls nichts Anderes ausgesagt, als dass die "übliche Dosis" x mg beträgt und diese bei "nicht Ansprechen" auf bis zu x mg täglich erhöht werden kann.
Was das Referenzprodukt D. anbelangt, geht auch aus dessen Fachinformation insofern eine klare Angabe zur "üblichen Dosis" hervor,
als diese von einer "Anfangsdosis" von x mg pro Tag spricht, welche bedarfsweise auf maximal x mg täglich erhöht werden kann (vgl. E. 5.1 hiervor).
Einzig hinsichtlich des Vergleichsarzneimittels G. rät die fachliche Dokumentation ausdrücklich zu einer Tagesdosis zwischen x mg und maximal x mg (vgl. E. 5.1 hiervor), woraus sich grundsätzlich Rückschlüsse auf den Mittelwert der Dosisspanne (d.h. von x mg täglich) als massgebliche "übliche Dosis" gemäss "Kaskadenmodell" ziehen liessen.
5.4.2
Der TQV von B. ist vor diesem Hintergrund auf der Basis der erwähnten "üblichen Dosen" der Medikamente B., H., E., F. und D. durchzuführen. Damit wird sowohl der vom BAG initiierten Kaskadenfolge als auch dem Grundsatz Rechnung getragen, wonach die zu erfassenden Dosierungen für sämtliche in den TQV einzubeziehenden Arzneimittel nach denselben Bedingungen festzulegen sind (E. 4.2.3 hiervor). Weil mit den vier letztgenannten Medikamenten Vergleichspräparate in hinreichender Anzahl vorhanden sind - rechtsprechungsgemäss genügt es bereits, den TQV auf ein einziges (Konkurrenz-)Produkt zu beschränken (
BGE 147 V 194
E. 5.3.1 und 6.2;
BGE 143 V 369
E. 5.3.2;
BGE 137 V 295
E. 6.3.2 mit Hinweis; Urteil 9C_710/2020 vom 10. August 2021 E. 4.2.1, nicht publ. in:
BGE 147 V 464
) -, braucht das ebenfalls vorgeschlagene Arzneimittel G. nicht berücksichtigt zu werden. Die von den Verfahrensbeteiligten unterschiedlich beurteilte Frage, ob eine Vergleichbarkeit unter den in den TQV miteinzubeziehenden Arzneimitteln stets nur gegeben ist, wenn deren massgebliche Erhaltungsdosen im Rahmen des "Kaskadenmodells" auf dieselbe Weise eruiert werden (beispielsweise sämtliche Medikamente auf der Basis des Mittelwertes der Dosisspanne) - so Vorinstanz und Beschwerdegegner -, oder ob, wie von der Beschwerdeführerin angeführt, zunächst bei jedem Arzneimittel nach Massgabe des "Kaskadenmodells" die jeweilige "übliche Dosierung" zu ermitteln ist und diese erst in einem zweiten Schritt verglichen werden, braucht daher nicht abschliessend beantwortet zu werden. | de | Art. 32 al. 1 et art. 43 al. 6 LAMal; art. 65b al. 1, al. 2 let. b et al. 4
bis
, art. 65d al. 1 et 3 OAMal; art. 34d et 34f OPAS; composition du groupe de comparaison dans le cadre de la comparaison thérapeutique (CT); détermination du dosage d'entretien moyen.
Selon l'art. 65b al. 4
bis
OAMal, la CT doit être effectuée en se fondant sur les coûts thérapeutiques journaliers moyens des dosages d'entretien moyens des médicaments à comparer (consid. 4.1). Il est déterminant que les dosages respectifs de tous les médicaments à inclure dans la CT soient définis selon les mêmes conditions. Les dosages d'entretien moyens doivent être déterminés sur la base du "modèle en cascade" développé par l'Office fédéral de la santé publique; selon celui-ci, il convient de se fonder prioritairement sur la posologie du médicament en question recommandée ou habituelle selon les indications fournies par l'information professionnelle (consid. 4.2-4.2.3). Dans le cas d'espèce, les informations professionnelles concernant le médicament à comparer et quatre (sur cinq) des médicaments de référence proposés contiennent des recommandations claires concernant la dose habituelle, de sorte que la CT doit être effectuée sur cette base (consid. 5). | fr | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-470%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,813 | 147 V 470 | 147 V 470
Sachverhalt ab Seite 471
A.
A.a
Die A. GmbH ist Zulassungsinhaberin des vom Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) zugelassenen Arzneimittels B., welches in verschiedenen Packungsgrössen (w, w und w Stück) in der Form von Filmtabletten à x mg auf der Liste der
pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel mit Preisen (Spezialitätenliste [SL]) figuriert. Es enthält den Wirkstoff C. und dient der Behandlung (...).
A.b
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) teilte der A. GmbH mit Rundschreiben vom 13. Dezember 2017 mit, dass B. der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen der in der SL gelisteten Präparate unterzogen werde, und ersuchte um Eingabe der dafür erforderlichen Daten in die bereitgestellte Internet-Applikation bis y. Insbesondere wurden Angaben zur Wirksamkeit und Zweckmässigkeit sowie - mit Blick auf das Kriterium der Wirtschaftlichkeit - zu den Grundlagen des von der Zulassungsinhaberin vorgenommenen Therapeutischen Quervergleichs (TQV) gefordert. In Bezug auf Letzteren schlug die A. GmbH in ihrer Stellungnahme vom y als Vergleichspräparate insbesondere D., E., F., G. und H. vor. Während in der Folge Einigkeit bestand hinsichtlich der Referenzarzneimittel sowie der mittleren Dosierungen und ausgewählten Packungen von D., E., F. und G., blieb zwischen den Parteien die Frage der mittleren Dosis von B. und H. sowie der heranzuziehenden (kleinsten) Packungsgrösse von H. umstritten. Mit Verfügung vom 21. September 2018 ermittelte das BAG einen Senkungssatz von -27,7743335 % (TQV von -24,3724854 % und Auslandpreisvergleich [APV] von -31,233726 %) und setzte die Publikumspreise von B. per y entsprechend fest.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 20. August 2020 ab; gleichzeitig änderte es, nachdem es der A. GmbH eine reformatio in peius angedroht hatte, die angefochtene Verfügung dahingehend ab, als es die Publikumspreise nochmals senkte.
C.
Die A. GmbH lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie der Verfügung des BAG vom 21. September 2018 beantragen; eventualiter sei die Angelegenheit zur Neuberechnung der wirtschaftlichen Fabrikabgabe- und Publikumspreise an das Bundesverwaltungsgericht oder an das BAG zurückzuweisen.
Das BAG schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die A. GmbH hält replikweise an ihren Rechtsbegehren fest.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Anerkanntermassen verfügt B. über eine gültige Zulassung von Swissmedic. Einig sind sich die Verfahrensbeteiligten auch dahingehend, dass das Medikament die SL-Aufnahmekriterien der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit (weiterhin) erfüllt und dessen Wirtschaftlichkeit anhand eines APV und eines TQV zu beurteilen ist.
3.2
Umstritten ist in diesem Zusammenhang jedoch die vom Beschwerdegegner im Rahmen der dreijährlichen Überprüfung der Aufnahmebedingungen angeordnete, durch das Bundesverwaltungsgericht noch erhöhte Preisreduktion. Dabei wurde die Berechnung des APV nicht beanstandet. Zu Diskussionen Anlass gab und gibt demgegenüber der vorinstanzlich vorgenommene TQV. Unterschiedliche Auffassungen vertreten werden in diesem Kontext insbesondere hinsichtlich der massgebenden Erhaltungsdosen von B. und dem Vergleichspräparat H. sowie der Frage, von welcher Packungsgrösse bei letztgenanntem Medikament auszugehen ist.
4.
Zu prüfen ist zunächst - mit Blick auf Art. 65b Abs. 4
bis
KVV (SR 832.102) - die Bundesrechtskonformität der vorinstanzlichen Feststellung, der TQV von B. sei bei B. und H. nach Massgabe der mittleren Erhaltungsdosen durchzuführen, welche wie bei den Referenzprodukten D., E., F. und G. auf der Basis der jeweils mittleren Dosisspanne festzulegen seien und daher x mg (B.) respektive x mg täglich (H.) betrügen.
4.1
Laut Art. 65b Abs. 4
bis
lit. b KVV werden beim TQV die Kosten des Arzneimittels pro Tag oder Kur im Verhältnis zu den Kosten von Arzneimitteln überprüft, die zur Behandlung derselben Krankheit eingesetzt werden. Der TQV hat somit - grundsätzlich unstrittig - anhand der durchschnittlichen Tagestherapiekosten der mittleren Erhaltungsdosen der zu vergleichenden Medikamente zu erfolgen.
4.2
In einem ersten Schritt zu beurteilen ist, auf welche Weise bzw. gestützt auf welche Grundlage die mittlere Erhaltungsdosis eines Medikaments zu ermitteln ist.
4.2.1
Die gültige Zulassung von Swissmedic bildet notwendige (vgl. Art. 65 Abs. 1 KVV und Art. 30 Abs. 1 lit. b KLV [SR 832. 112.31]), aber nicht hinreichende Bedingung für die Aufnahme eines Arzneimittels in die SL. Swissmedic erteilt nach Prüfung insbesondere der Qualität, der Sicherheit und der Wirksamkeit des
Arzneimittels (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte [Heilmittelgesetz, HMG; SR 812.21]) die heilmittelrechtliche Zulassung ausdrücklich für definierte Indikationen oder Anwendungsgebiete; sie genehmigt ferner auch die entsprechende Arzneimittelinformation (Art. 16 Abs. 1 lit. c und Abs. 3, Art. 26 ff. der Verordnung vom 21. September 2018 über die Arzneimittel [Arzneimittelverordnung, VAM; SR 812.212.21]). Eine Aufnahme in die SL ist nur in den Grenzen der Indikationen und Anwendungsvorschriften gemäss der Swissmedic-Zulassung möglich. Das BAG seinerseits prüft, ob die WZW-Kriterien erfüllt sind und entscheidet über die Aufnahme in die SL (vgl. Art. 65 Abs. 3 KVV und Art. 30 Abs. 1 lit. a KLV). Das BAG kann die Aufnahme mit Bedingungen und Auflagen versehen (Art. 65 Abs. 5 KVV); des Weitern kann die Aufnahme in die SL unter der Bedingung einer Limitierung erfolgen (Art. 73 KVV).
Angesichts dieser doppelstufigen Zulassungsprüfung, wobei entscheidend ist, dass die nachgelagerte SL-Zulassung namentlich in Bezug auf die Indikationen nicht weiter gehen darf, als die heilmittelrechtliche Zulassung, muss das BAG auf die Swissmedic-Zulassung respektive die entsprechende Fachinformation abstellen (
BGE 143 V 369
E. 6 mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 147 V 194
E. 5.3.1). Die zugelassenen Arzneimittel und damit einhergehend auch die Fachinformationen überprüft Swissmedic periodisch sowie nach jeweils fünf Jahren anlässlich der Erneuerung der Zulassung (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 und Art. 16b Abs. 1 und 2, Art. 16c HMG; vgl. auch Ziff. 5.1 und 5.2 der von Swissmedic herausgegebenen Wegleitung "Erneuerung und Verzicht der Zulassung/Statuswechsel Haupt- und Exportzulassung HMV4"). Die Zulassungsinhaberin ist verpflichtet, die Arzneimittelinformation laufend und unaufgefordert dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sowie neuen Ereignissen und Bewertungen anzupassen (vgl. Art. 28 Satz 1 VAM).
4.2.2
Die in den Arzneimittelinformationen enthaltenen Indikations- und Diagnoseformulierungen respektive Anwendungsvorschriften widerspiegeln nach dem Gesagten die jeweils gegenwärtigen medizinischen Erkenntnisse. Es rechtfertigt sich daher, diese, soweit aussagekräftig (vgl. E. 4.2.3 hiernach), auch für die Frage nach der mittleren Erhaltungsdosierung eines Arzneimittels heranzuziehen. Gründe, hier von dieser Sichtweise abzuweichen, die namentlich gewährleistet, dass die zu berücksichtigenden Dosierungen
respektive deren zu vergleichenden Mittelwerte ("mittlere Erhaltungsdosis" [vgl. E. 4.1 hiervor]) in transparenter sowie rechtsgleicher Art bestimmt werden, sind nicht auszumachen.
Keine in diesem Sinne relevante Grundlage stellen für die vorliegenden Belange demgegenüber die von der Schweizerischen Gesellschaft I. und der Schweizerischen Gesellschaft J. in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft K. erarbeiteten Behandlungsempfehlungen betreffend "(...)" (publ. in: [...]) dar, auf welche das BAG sich anfänglich abstützte, von denen es sich nunmehr jedoch ebenfalls distanziert hat. Wie die Vorinstanz im angefochtenen Urteil (in Wiedergabe des bereits in ihrem Urteil C-6115/2018 vom 7. Mai 2020 [E. 8.3] Ausgeführten) zutreffend erwogen hat, entsprechen die besagten Empfehlungen nicht dem aktuellen Wissensstand und weichen zudem von den Fachinformationen ab.
4.2.3
Zusammenfassend ist daher wie folgt vorzugehen: Können den Fachinformationen genaue Dosierungsvorschriften entnommen werden, anhand derer sich die durchschnittlichen Tagestherapiekosten berechnen lassen, sind diese zu verwenden. Dabei ist zu beachten, dass bei der Berechnung des TQV grundsätzlich den unterschiedlichen Anwendungsvorschriften gemäss Fachinformation Rechnung zu tragen ist und die verschiedenen, von Swissmedic überprüften und genehmigten Dosierungsangaben zu berücksichtigen sind (in diesem Sinne auch Urteile des Bundesverwaltungsgerichts C-6083/2018 vom 9. Juli 2020 E. 7.3.2 mit Hinweisen und C-595/2015 vom 19. Juni 2018 E. 8.3). Hinsichtlich derjenigen Arzneimittel, für die in den Fachinformationen keine genauen Dosierungsvorschriften vorhanden sind, kann die Bestimmung der Tagesdosis lediglich approximativ erfolgen. Allerdings hat dies im Rahmen der Untersuchungspflicht (Art. 12 VwVG) ebenfalls auf sachgerechte und nachvollziehbare Weise zu geschehen (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts C-6083/2018 vom 9. Juli 2020 E. 7.3.2, C-595/2015 vom 19. Juni 2018 E. 8.4 und C-536/2015 vom 6. Juni 2017 E. 8.3). Massgebend ist, dass die jeweiligen Dosierungen für sämtliche in den TQV einzubeziehenden Arzneimittel nach denselben Bedingungen festgelegt werden (vgl. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-6115/2018 vom 7. Mai 2020 E. 8.9.5).
Enthält die Fachinformation mit Blick auf die durchschnittliche Erhaltungsdosis somit eine klare Aussage zur empfohlenen oder üblichen Dosierung, ist diese dem TQV zugrunde zu legen. Fehlt es an derartigen präzisen Angaben, ist grundsätzlich die gesamte in der
Fachinformation aufgeführte Dosisspanne zu beachten, wobei deren Mittelwert heranzuziehen ist. Die Dosisspanne bildet jedoch dann keine hinreichende Grundlage, wenn beispielsweise direkte Vergleichsstudien vorliegen, welche sachdienliche Informationen zur empfohlenen oder üblichen Erhaltungsdosis beinhalten; diesfalls ist darauf abzustellen. Ergeben sich aus der Fachinformation keinerlei Auskünfte zur durchschnittlichen Erhaltungsdosis - auch nicht in Form von Dosisspannen -, können Äquivalenzdosen aus Leitlinien, klinischen Studien, ausländischen Zulassungsunterlagen etc. beigezogen werden. Dieser, vom BAG zwischenzeitlich im Rundschreiben "Umsetzung der Überprüfung der Aufnahmebedingungen alle drei Jahre im Jahr 2020" vom 2. Dezember 2019 beschriebenen "Kaskade" zur Ermittlung der durchschnittlichen Erhaltungsdosis wird auch von Seiten der Beschwerdeführerin nicht opponiert. Es sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die gegen eine grundsätzliche Vorgehensweise in diesem Sinne sprechen (zum rechtlichen Stellenwert entsprechender bundesamtlicher Kommentierungen:
BGE 147 V 194
E. 5.3.2;
BGE 145 V 289
E. 5.4.2 mit Hinweisen; Urteile 9C_ 401/2020 vom 5. März 2021 E. 4.1 und 9C_309/2020 vom 4. Dezember 2020 E. 2.3.1 und 2.3.2).
5.
5.1
Die Fachinformationen betreffend B. sowie die einzelnen Vergleichsmedikamente stellen sich, wie im angefochtenen Urteil detailliert wiedergegeben, folgendermassen dar:
B. ist als Filmtablette in verschiedenen Packungsgrössen erhältlich (w, w und w Stück à je x mg). Zur Behandlung der Hauptindikation (...) wird initial als übliche therapeutische Dosis einmal täglich x mg (eine Filmtablette) empfohlen; bei ungenügendem Ansprechen aber guter Verträglichkeit kann die Dosis in wöchentlichen Schritten von nicht mehr als x mg bis zur maximalen Tagesdosis von x mg erhöht werden.
Beim Vergleichsarzneimittel H. beträgt die empfohlene Tagesdosis für die Behandlung von (...) x mg. Falls in Einzelfällen erforderlich, kann die Dosis nach einigen Wochen schrittweise (x mg) erhöht werden, wobei die Höchstdosis x mg pro Tag beträgt.
Bezüglich des Referenzpräparats E. wird ausgeführt, bei (...) werde das Medikament als Einzeldosis von täglich x mg verabreicht; in Abhängigkeit der individuellen Reaktion der Patienten könne die Dosis auf maximal x mg einmal täglich erhöht werden.
Die Fachinformation zum Vergleichsprodukt F. äussert sich dahingehend, dass als Anfangsdosierung bei einer (...) x mg pro Tag empfohlen werde. Spreche eine Patientin oder ein Patient nach drei Wochen nicht auf die Behandlung an, könne die Dosis auf x mg oder x mg erhöht werden.
Die Anfangsdosis beim Vergleichsmedikament D. wird für Erwachsene mit x mg pro Tag veranschlagt und kann, je nach klinischem Zustandsbild, in Intervallen von zwei Wochen auf x mg pro Tag erhöht werden, wobei die Dosis von x mg nicht überschritten werden darf.
Hinsichtlich des Referenzarzneimittels G. liegt die wirksame Tagesdosis zwischen x mg und x mg. Die mindestwirksame Dosis wird mit x mg täglich angegeben.
5.2
Das Bundesverwaltungsgericht hat auf dieser Basis festgestellt, die für den TQV von B. zu berücksichtigenden durchschnittlichen Erhaltungsdosen der Vergleichspräparate E. und F. betrügen - unstreitig - x mg respektive x mg. Es handelt sich dabei um den Mittelwert zwischen der "üblichen Dosis" (im Sinne der empfohlenen Anfangs- bzw. Erhaltungsdosierung) von x mg (E.) respektive x mg (F.) und der bei "ungenügendem Ansprechen" zur Anwendung gelangenden "Maximaldosis" von x mg (E.) bzw. x mg (F.). In Nachachtung des Grundsatzes, dass, damit Arzneimittel im Rahmen des TQV verglichen werden können, die heranzuziehenden Dosierungen einheitlich nach denselben Bedingungen zu bestimmen sind (vgl. E. 4.2.3 hiervor), ist die Vorinstanz sodann zum Schluss gelangt, die vorliegend massgebliche Erhaltungsdosis von B. sei auf x mg respektive diejenige von H. auf x mg zu veranschlagen, entsprechend - wie bei E. und F. - dem rechnerischen Mittelwert zwischen der "üblichen Dosis" von x mg (B.) bzw. x mg (H.) und der "Maximaldosis" von x mg (B.) bzw. x mg (H.).
Dem hält die Beschwerdeführerin auch letztinstanzlich entgegen, dass die jeweiligen Fachinformationen bezogen auf B. und H. klare Dosierungsvorschriften zu der empfohlenen üblichen Tagesdosis enthielten (B.: x mg; H.: x mg). Gemäss dem anwendbaren "Kaskadenmodell" seien dem TQV deshalb diese und nicht der Mittelwert der Dosisspanne (B.: x mg; H.: x mg) zugrunde zu legen. Indem das Bundesverwaltungsgericht die betreffenden Angaben ignoriert habe, verletze es Art. 65b Abs. 4
bis
lit. b KVV und damit Bundesrecht.
5.3
Nach dem vorstehend Ausgeführten ist die durchschnittliche Erhaltungsdosis der betroffenen Medikamente im Rahmen des TQV anhand des sog. "Kaskadenmodells" zu bestimmen. Darüber besteht grundsätzlich Einigkeit. Der TQV von B. ist mithin auf der Basis der jeweils gemäss Fachinformation empfohlenen Anfangs- respektive Erhaltungsdosierung als massgebliche "übliche Dosis" vorzunehmen, soweit entsprechende Angaben vorhanden sind. Trifft Letzteres zu, bleibt kein Raum für das Heranziehen des jeweiligen Mittelwertes der Dosisspanne (welcher, wie dargelegt, nicht in jedem Fall gleichzusetzen ist mit der relevanten "mittleren Erhaltungsdosis" [vgl. E. 4.1 und 4.2.2 hiervor]).
5.4
5.4.1
Die aufgelisteten Fachinformationen zeigen, dass in Bezug auf B. und H. klare Empfehlungen zur üblichen therapeutischen Dosis (B.: x mg täglich; H.: x mg täglich) existieren. Dies wird weder von der Beschwerdeführerin, die Entsprechendes im Gegenteil gerade nachdrücklich geltend macht, bestritten, noch von der Vorinstanz verneint.
Gleiches gilt ferner, wie im angefochtenen Urteil ebenfalls eingeräumt wird, hinsichtlich der Vergleichsmedikamente E. und F. So enthalten die Fachinformationen betreffend E. die Angabe, "[...]: E. wird als Einzeldosis von täglich x mg verabreicht. [...]. In Abhängigkeit der individuellen Reaktion der Patienten kann die Dosis auf maximal x mg einmal täglich erhöht werden" (vgl. E. 5.1 hiervor). Bezogen auf das Arzneimittel F. findet sich folgender Vermerk: "Übliche Dosierung/[...]: Die empfohlene Anfangsdosierung beträgt x mg pro Tag. [...]. Bei einigen Patienten kann es nötig sein, die Dosis zu erhöhen. Wenn ein Patient nach drei Wochen nicht auf die Behandlung anspricht, kann die Dosis auf x mg oder x mg erhöht werden" (vgl. E. 5.1 hiervor). Daraus lässt sich ohne Weiteres eine empfohlene/übliche tägliche Erhaltungsdosis von x mg (E.) respektive von x mg (F.) herleiten. Der Umstand, dass die Fachinformation betreffend H. von "Einzelfällen" spricht (vgl. E. 5.1 hiervor), in welchen eine Steigerung der Dosis zu erfolgen hat, vermag daran nichts zu ändern, wird damit inhaltlich doch ebenfalls nichts Anderes ausgesagt, als dass die "übliche Dosis" x mg beträgt und diese bei "nicht Ansprechen" auf bis zu x mg täglich erhöht werden kann.
Was das Referenzprodukt D. anbelangt, geht auch aus dessen Fachinformation insofern eine klare Angabe zur "üblichen Dosis" hervor,
als diese von einer "Anfangsdosis" von x mg pro Tag spricht, welche bedarfsweise auf maximal x mg täglich erhöht werden kann (vgl. E. 5.1 hiervor).
Einzig hinsichtlich des Vergleichsarzneimittels G. rät die fachliche Dokumentation ausdrücklich zu einer Tagesdosis zwischen x mg und maximal x mg (vgl. E. 5.1 hiervor), woraus sich grundsätzlich Rückschlüsse auf den Mittelwert der Dosisspanne (d.h. von x mg täglich) als massgebliche "übliche Dosis" gemäss "Kaskadenmodell" ziehen liessen.
5.4.2
Der TQV von B. ist vor diesem Hintergrund auf der Basis der erwähnten "üblichen Dosen" der Medikamente B., H., E., F. und D. durchzuführen. Damit wird sowohl der vom BAG initiierten Kaskadenfolge als auch dem Grundsatz Rechnung getragen, wonach die zu erfassenden Dosierungen für sämtliche in den TQV einzubeziehenden Arzneimittel nach denselben Bedingungen festzulegen sind (E. 4.2.3 hiervor). Weil mit den vier letztgenannten Medikamenten Vergleichspräparate in hinreichender Anzahl vorhanden sind - rechtsprechungsgemäss genügt es bereits, den TQV auf ein einziges (Konkurrenz-)Produkt zu beschränken (
BGE 147 V 194
E. 5.3.1 und 6.2;
BGE 143 V 369
E. 5.3.2;
BGE 137 V 295
E. 6.3.2 mit Hinweis; Urteil 9C_710/2020 vom 10. August 2021 E. 4.2.1, nicht publ. in:
BGE 147 V 464
) -, braucht das ebenfalls vorgeschlagene Arzneimittel G. nicht berücksichtigt zu werden. Die von den Verfahrensbeteiligten unterschiedlich beurteilte Frage, ob eine Vergleichbarkeit unter den in den TQV miteinzubeziehenden Arzneimitteln stets nur gegeben ist, wenn deren massgebliche Erhaltungsdosen im Rahmen des "Kaskadenmodells" auf dieselbe Weise eruiert werden (beispielsweise sämtliche Medikamente auf der Basis des Mittelwertes der Dosisspanne) - so Vorinstanz und Beschwerdegegner -, oder ob, wie von der Beschwerdeführerin angeführt, zunächst bei jedem Arzneimittel nach Massgabe des "Kaskadenmodells" die jeweilige "übliche Dosierung" zu ermitteln ist und diese erst in einem zweiten Schritt verglichen werden, braucht daher nicht abschliessend beantwortet zu werden. | de | Art. 32 cpv. 1 e art. 43 cpv. 6 LAMal; art. 65b cpv. 1, cpv. 2 lett. b e cpv. 4
bis
, art. 65d cpv. 1 e 3 OAMal; art. 34d e 34f OPre; costituzione di un gruppo di riferimento nel quadro di un confronto terapeutico trasversale (CT); determinazione della dose media di mantenimento.
Secondo l'art. 65b cpv. 4
bis
OAMal, il CT deve essere effettuato sulla base dei costi medi giornalieri di terapia delle dosi medie di mantenimento dei medicamenti da confrontare (consid. 4.1). Decisivo è che i rispettivi dosaggi per tutti i medicamenti da includere nel CT siano definiti secondo le stesse condizioni. Le dosi medie di mantenimento devono essere determinate sulla base del cosiddetto "modello a cascata" sviluppato dall'Ufficio federale della sanità pubblica; in seguito, il dosaggio raccomandato o abituale secondo l'informazione specialistica del medicamento in questione deve essere preso in considerazione in modo prioritario (consid. 4.2-4.2.3). Nel caso in esame, le informazioni specialistiche sia per il medicamento da confrontare che per quattro dei (complessivamente cinque) medicamenti di riferimento proposti contengono chiare raccomandazioni sulla dose abituale, cosicché il CT deve essere effettuato su questa base (consid. 5). | it | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-470%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,814 | 147 V 55 | 147 V 55
Sachverhalt ab Seite 55
A.
A.a A., geboren 1977, war ab 1. Dezember 2005 bei der B. AG angestellt und in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 9. Dezember 2010 erlitt er einen Arbeitsunfall, als er den Abfall beim Einzug einer Maschine entfernen wollte, die Einzugswalze seinen Arbeitshandschuh erfasste und seine linke Hand in die Einzugswalze riss. (...) Der Kreisarzt, Facharzt für orthopädische Chirurgie und Traumatologie, Suva, attestierte ihm am 7. März 2013 eine zumutbare volle Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit und hielt einen psychisch auffälligen Zustand fest. Nachdem die Suva A. am 4. April 2011, am 11. Mai 2011 und am 21. Juli 2011 zur Anmeldung bei der Invalidenversicherung aufgefordert hatte, kam er dem am 23. August 2011 nach. Die IV-Stelle des Kantons Thurgau verneinte am 6. August 2014 einen Anspruch von A. auf berufliche Massnahmen und auf eine Invalidenrente, da sich dieser der angeordneten psychiatrischen Begutachtung nicht unterzogen hatte. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft. (...) Mit Verfügung vom 11. Dezember 2014 sprach die Suva A. ab 1. November 2011 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 100 % sowie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse aus somatischen Gründen von 30 % zu. Am 9. November 2015 verfügte sie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 25 % aus psychischen Gründen. Beide Verfügungen erwuchsen unangefochten in Rechtskraft.
A.b Mit Verfügung vom 22. November 2018 berechnete die Suva die Invalidenrente von A. unter Hinweis auf die infolge Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen des invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens neu als Komplementärrente. Nachdem A. dagegen hatte Einsprache erheben lassen, kam die Suva am 1. Februar 2019 auf ihre Verfügung zurück und ersetzte sie mit der Anweisung an A., sich bei der Invalidenversicherung bis zum 31. März 2019 anzumelden sowie seinen Mitwirkungspflichten, namentlich im Rahmen von Abklärungsmassnahmen, nachzukommen; im Unterlassungsfall werde die Rente als Komplementärrente berechnet. (...) Mit Verfügung vom 1. April 2019 richtete die Suva ihre Rente ab 1. April 2019 als Komplementärrente aus. Mit Einspracheentscheid vom 15. Juli 2019 (...) hielt sie an ihrer Verfügung vom 1. April 2019 fest.
B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 11. Dezember 2019 gut, hob den Einspracheentscheid vom 15. Juli 2019 auf und wies die von A. beantragte Ausrichtung eines Verzugszinses ab.
C. Die Suva führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 15. Juli 2019 zu bestätigen.
Die Vorinstanz schliesst auf Abweisung der Beschwerde. A. lässt die Abweisung der Beschwerde beantragen; zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Stellungnahme.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht die von der Suva zugesprochene Komplementärrente aufgehoben und die Weiterausrichtung der bisherigen Invalidenrente angeordnet hat. Zwischen den Parteien ist namentlich streitig, ob die Anmeldung bei anderen Sozialversicherungen nach Art. 51 Abs. 2 UVV (SR 832.202) von der zuständigen Unfallversicherung nur im Vorfeld der erstmaligen Zusprechung einer Rente verlangt werden kann oder auch noch zu einem späteren Zeitpunkt. Weiter ist streitig, ob - wie die Suva geltend macht - ein Wiedererwägungsgrund gegeben ist.
3. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über die Modalitäten der Ausrichtung einer Komplementärrente (Art. 20 Abs. 2 UVG i.V.m. Art. 69 ATSG [SR 830.1]) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
4. Die Vorinstanz erwog, hinsichtlich der Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 ATSG begründe die Suva die geltend gemachte zweifellose Unrichtigkeit der Verfügung mit der damaligen Nichtanwendung von Art. 51 Abs. 2 UVV. Dem könne nicht gefolgt werden. Der Versicherte habe sich 2011 auf Aufforderung der Suva hin bei der Invalidenversicherung angemeldet. Die IV-Stelle habe wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen der angeordneten psychiatrischen Abklärung den Anspruch auf berufliche Massnahmen und auf eine Invalidenrente verneint. Die Suva habe erst über den Rentenanspruch verfügt, nachdem die IV-Stelle ihre Leistungspflicht verneint habe. Somit habe zu keinem Zeitpunkt eine Konstellation vorgelegen, welche die Ausrichtung einer Komplementärrente zur Folge gehabt hätte, da zu keinem Zeitpunkt ein Rentenanspruch der Invalidenversicherung mit der unfallversicherungsrechtlichen Invalidenrente zusammengetroffen sei. Es könne auf Grund der Aktenlage nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die IV-Stelle dem Versicherten eine ganze Rente zugesprochen hätte, wenn er seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen wäre und sich der von der IV-Stelle für notwendig erachteten psychiatrischen Begutachtung unterzogen hätte. Auch sei der Wiedererwägungsgrund der fehlenden Adäquanzprüfung nicht gegeben, da die Suva diese implizit bejaht habe. Dazu verwies die Vorinstanz auf die Beurteilungen des Dr. med. C. vom 18. März 2014 und vom 23. September 2014, gemäss welchen ein schwerer Unfall gegeben sei. Daraus schloss sie, dass es für das Vorliegen der Adäquanz bloss eines der Kriterien bedürfe, was angesichts der dramatischen Begleitumstände des Unfallgeschehens gegeben sei. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die Suva die Rentenzusprechung gemäss Verfügung vom 11. Dezember 2014 zu Unrecht abgeändert habe, und der Einspracheentscheid vom 15. Juli 2019 aufzuheben sei. Abschliessend verneinte das kantonale Gericht den Anspruch des Versicherten auf einen Verzugszins.
5. Die Suva macht geltend, sie hätte das Recht gehabt, die Leistung mit Wirkung "ex nunc et pro futuro" ohne Berufung auf einen Rückkommenstitel mit der Invalidenversicherung zu koordinieren. Dabei beruft sie sich auf Art. 51 Abs. 2 UVV.
5.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm und ihren Zweck, auf die dem Text zu Grunde liegenden Wertungen sowie auf die Bedeutung, die der Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf das grammatikalische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergab (BGE 145 V 2 E. 4.1 S. 6; BGE 142 V 442 E. 5.1 S. 445; je mit Hinweisen).
5.2 Art. 51 Abs. 2 UVV lautet wie folgt:
"Der leistungspflichtige Versicherer kann das Mass seiner Leistungen von der Anmeldung des Falles bei anderen Sozialversicherungen abhängig machen."
"L'assureur tenu de fournir une prestation peut faire dépendre l'ampleur de celle-ci du fait que l'assuré communique ou non son cas à d'autres assurances sociales."
"L'assicuratore tenuto a fornire prestazioni può subordinarne l'entità alla notifica del caso, da parte dell'assicurato, ad altre assicurazioni sociali."
5.3 Aus dem Wortlaut ergibt sich - entgegen den Behauptungen des Versicherten - weder, dass die damit eingeräumte Möglichkeit der Leistungsbemessung nur einmal zulässig sein soll noch dass dies vor der erstmaligen Ausrichtung einer Rente zu erfolgen hat.
Das Bundesgericht hat sich zu diesen beiden Fragen - soweit ersichtlich - bis anhin nicht geäussert. Sofern es zu Art. 51 Abs. 2 UVV Ausführungen gemacht hat, ergeben sich immerhin Hinweise auf sein Verständnis der Norm. In SVR 2009 UV Nr. 55 S. 194, 8C_607/2008 E. 2.7 führte es aus, soweit die Beschwerdeführerin geltend mache, sie hätte auf die Invalidenrente verzichten können, um dadurch bei der Suva der Komplementärrentenberechnung zu entgehen, hätten in diesem Falle die beanspruchbaren Leistungen im Rahmen einer Leistungskoordination angerechnet werden dürfen. Im nicht publizierten Urteil K 57/98 vom 16. Februar 1999 E. 4b hielt das damalige Eidg. Versicherungsgericht (EVG) fest, einzelne Sozialversicherungszweige würden das Mass ihrer Leistungen von der Anmeldung bei andern Sozialversicherungen abhängig machen (Art. 51 Abs. 2 UVV) oder Leistungen anderer Sozialversicherungen, auf welche die versicherte Person trotz Anspruch verzichtet habe, bei der Überversicherung anrechnen (Art. 72 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über die Militärversicherung [MVG; SR 833.1]); diesen Bestimmungen sei gemeinsam, dass nicht nur effektiv bezogene, sondern auch solche Leistungen anderer Sozialversicherer berücksichtigt würden, die rechtlich zwar bestünden, aus irgendeinem Grund aber nicht zur Ausrichtung gelangten.
Diese Urteile indizieren, dass - ungeachtet davon, ob der andere Sozialversicherungszweig Leistungen auch tatsächlich erbringt - diese (mutmasslichen) Ansprüche der versicherten Person angerechnet werden können, wenn sie es unterlässt, sich beim anderen Sozialversicherungszweig anzumelden und ihren Pflichten nachzukommen. Eine direkte Antwort auf die beiden Fragen ergibt sich daraus aber (noch) nicht. In der Folge ist demnach anhand der übrigen Auslegungselemente zu ermitteln, wie es sich damit verhält.
5.4 Da es sich um eine Norm auf Stufe Verordnung handelt, sind die Materialien dazu spärlich. Immerhin wurde anlässlich der Sitzung der Kommission zur Vorbereitung der Verordnung über die obligatorische Unfallversicherung vom 13./14. August 1980 zum damaligen Art. 45 festgehalten, die von der Suva vorgeschlagene Ergänzung des Artikels entspreche Art. 17 Abs. 3 der Verordnung III vom 15. Januar 1965 über die Krankenversicherung betreffend die Leistungen der vom Bund anerkannten Krankenkassen und Rückversicherungsverbände (VO III; in Kraft von 1. Januar 1965 bis 31. Dezember 1995; AS 1965 41 und AS 1995 3867) und habe sich in der Krankenversicherung bestens bewährt. In der Folge wurde dieser Absatz in den Verordnungsentwurf aufgenommen (S. 20). Anlässlich der weiteren Sitzungen wurde diese mittlerweilen im Entwurf als Art. 49 Abs. 2 geführte Bestimmung von der Kommission nicht mehr diskutiert (Protokoll der Sitzung der Kommission zur Vorbereitung der Verordnung über die Unfallversicherung vom 29./30. April und 5. Mai 1981, S. 68) resp. nur noch redaktionell überarbeitet (Ersetzung des Begriffs "Sozialversicherer" durch "Sozialversicherungen"; Protokoll der Kommission zur Vorbereitung der Verordnung über die Unfallversicherung vom 29./30. März 1982, S. 28).
In EVGE 1966 S. 24 führte das EVG aus, die vom Bundesamt für Sozialversicherungen vorgeschlagene Lösung würde Art. 17 Abs. 3 VO III widersprechen; diese Norm zeige gerade auf, dass das positive Recht keinen Verzicht auf eine direkte Anmeldung des Krankenkassenpatienten bei der Invalidenversicherung zulasse. In RKUV 1984 Nr. K 574 S. 84 kam es zum Schluss, der Rückforderungsanspruch der Krankenkasse sei berechtigt, da der Rückzug der Anmeldung bei der Invalidenversicherung durch die versicherte Person zu Unrecht erfolgt und daher mit einer unterlassenen Anmeldung gleichzustellen sei und angesichts der zu erwartenden halben Invalidenrente einem Leistungsverzicht gleichkomme. Weiter hielt es fest, die massgebende Bestimmung zur Anmeldepflicht bei der Invalidenversicherung könne nicht anders verstanden werden, als dass von der versicherten Person nicht nur die rechtzeitige Anmeldung verlangt werde, sondern dass diese auch bis zum Entscheid der Verwaltung über den Leistungsanspruch aufrecht erhalten bleibe und dass darauf nicht nachträglich verzichtet werde. In RKUV 1984 Nr. K 575 S. 89 führte das EVG aus, die Krankenkasse könne sich nur auf die Anmeldepflicht bei der Invalidenversicherung berufen, wenn auch begründete Aussicht auf Leistungen der Invalidenversicherung, z.B. medizinische und berufliche Massnahmen oder eine Invalidenrente, bestehe. Diese Entscheide, die sich auf Art. 17 Abs. 3 VO III beziehen, der Grundlage für den hier strittigen Art. 51 Abs. 2 UVV war, zeigen, dass die versicherte Person nicht bloss zur Anmeldung verpflichtet ist, sondern auch nichts unternehmen darf, was der Realisierung ihres Anspruchs bei der anderen Sozialversicherung entgegenstehen könnte. Allerdings ist die Anwendung der Bestimmung auf Fälle beschränkt, bei welchen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von einem bestehenden Anspruch ausgegangen werden kann.
5.5 Es stellt sich die Frage, ob sich aus der Praxis zu anderen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts Erkenntnisse zum Verständnis von Art. 51 Abs. 2 UVV ergeben:
5.5.1 Nach Art. 29 Abs. 2 der Verordnung vom 10. November 1993 über die Militärversicherung (MVV; SR 833.11) kann die Militärversicherung das Mass ihrer Leistungen von der Anmeldung des Falles bei anderen Sozialversicherungen abhängig machen. Diese Norm ist inhaltlich identisch mit dem hier zur Diskussion stehenden Art. 51 Abs. 2 UVV. Allerdings gibt es bis anhin - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung zu Art. 29 Abs. 2 MVV, welche vorliegend in analoger Weise berücksichtigt werden könnte.
5.5.2 Die berechtigte Person kann nach Art. 23 Abs. 1 ATSG auf Versicherungsleistungen verzichten, diesen Verzicht jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, wobei Verzicht und Widerruf schriftlich zu erfolgen haben. Da dieser Verzicht schriftlich zu erfolgen hat und somit ein aktives Verhalten der versicherten Person voraussetzt, lässt sich für die vorliegend zu beurteilende Konstellation nichts gewinnen. Denn im hier zu beurteilenden Fall geht es nicht um einen aktiven Verzicht, sondern um ein passives Verhalten resp. die Verweigerung der gesetzlich statuierten Mitwirkung (vgl. dazu E. 5.6.2).
5.5.3 Auch aus Art. 20 Abs. 2 UVG lässt sich für die hier zu beantwortende Frage nichts ableiten. Denn der Zeitpunkt der Koordination nach dieser Bestimmung kann erst entstehen, wenn die versicherte Person sich beim anderen Sozialversicherer anmeldet und ihren Mitwirkungspflichten unterzieht, so dass eine materielle Prüfung des Leistungsanspruchs erfolgen kann. Dies ist aber in der hier strittigen Konstellation gerade nicht der Fall.
5.6
5.6.1 Von der Gesetzessystematik und dem Sinn und Zweck her ist mit der Suva festzuhalten, dass sich der Umfang von Art. 51 Abs. 2 UVV nicht auf die blosse Anmeldung beim Sozialversicherer beschränken kann, sondern dass damit auch die Pflicht zur Erfüllung der mit der Anmeldung zusammenhängenden Mitwirkung einhergeht. Denn wenn es bloss um die Anmeldung ginge, wäre Art. 51 Abs. 2 UVV obsolet. Die Frage, ob dem Unfallversicherer ein eigenes Anmelderecht zusteht, soweit er durch die Verweigerung von Versicherungsleistungen berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an der Gewährung der Leistungen hat, kann vorliegend offenbleiben. Dasselbe gilt für die Frage, ob er ein Anmelderecht gestützt auf die Regelung im einzelnen Versicherungszweig hat, hier Art. 66 Abs. 1 IVV, wonach zur Geltendmachung eines Anspruchs auch Behörden und Stellen befugt sind, welche die versicherte Person regelmässig unterstützen oder betreuen, wie etwa der Hausarzt (Urteil 9C_61/2011 vom 4. Mai 2011 E. 2.4) oder die Sozialhilfebehörden (Urteil 8C_905/2014 vom 23. Juli 2015 E. 2.2 mit Hinweisen). Denn nach BGE 133 V 188 E. 4.2 S. 191 deckt sich das Beschwerderecht mit der Parteistellung im Verwaltungsverfahren, so dass der leistungspflichtige Unfallversicherer nicht nur bezüglich einer Verfügung der IV-Stelle beschwerdelegitimiert ist, sondern damit auch Parteistellung im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren hat, was folglich ein Anmelderecht einschliesst (vgl. dazu auch FRANZISKA MARTHA BETSCHART, in: Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts, 2020, N. 17 zu Art. 34 ATSG).
5.6.2 Eine Anmeldepflicht der versicherten Person nach Art. 51 Abs. 2 UVV wäre zudem völlig sinn- und zwecklos, wenn letztere nicht auch verpflichtet wäre, zur Feststellung, ob dieser andere Sozialversicherungszweig ebenfalls leistungspflichtig ist, beizutragen. Ebenso wie die Mitwirkungspflicht in Zusammenhang mit der nach Art. 21 Abs. 4 ATSG angeordneten Durchführung einer zumutbaren Therapie nicht mit bloss einer einmaligen Konsultation eines entsprechenden Facharztes erfüllt wird (vgl. SVR 2008 IV Nr. 7 S. 19, I 824/06 E. 3.3.2), ist der Pflicht zur Geltendmachung von Leistungen bei einem anderen Sozialversicherungszweig nicht mit der blossen Anmeldung Genüge getan, sondern verlangt auch die Mitwirkung zur Feststellung, ob ein (allfälliger) Anspruch besteht. Im Übrigen ist auf BGE 140 V 267 hinzuweisen, wo das Bundesgericht in E. 5.2.2 festgehalten hat, dass der im Rahmen des invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens erfolgten Verletzung der Mitwirkungspflicht auch im Bereich der Ergänzungsleistungen Rechnung zu tragen ist, indem zur Ermittlung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen auf das nach Durchführung der konkret verweigerten Eingliederungsmassnahmen erzielbare Einkommen abgestellt wird. Dabei hielt das Bundesgericht explizit fest, dass die fehlende Kooperation damit doppelt - invalidenversicherungs- und ergänzungsleistungsrechtlich - berücksichtigt werde, sei in Anbetracht der Abhängigkeit der Ergänzungsleistungen von der Invalidenversicherung systemimmanent; anders zu entscheiden hiesse, dass sich die versicherte Person für die invalidenversicherungsrechtlichen Folgen ihrer Widersetzlichkeit mittels Ergänzungsleistungen schadlos halten könnte.
5.6.3 Auf das Verhältnis von Unfall- und Invalidenversicherung übertragen bedeutet dies, dass sich auch in dieser Konstellation die versicherte Person, die ihre Pflichten im Rahmen des invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens verletzt, nicht durch die unfallversicherungsrechtlichen Leistungen soll schadlos halten können, obwohl sie durch ihr Verhalten die vom Gesetzgeber vorgesehene Koordination zwischen den verschiedenen Sozialversicherungszweigen unterläuft. Auch hier geht es somit nicht an, dass ein Unfallversicherer mehr Leistungen erbringen muss, als er bei pflichtgemässem Verhalten der versicherten Person im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren mutmasslich gehalten gewesen wäre. Dies hat vorliegend umso mehr zu gelten, da nach Ansicht des Gesetzgebers den Renten der Invalidenversicherung (und nicht der Unfallversicherung) der Charakter der Basisleistung zukommt (vgl. etwa Botschaft vom 17. Februar 1967 zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung, BBl 1967 I 687 zu Art. 45 Abs. 3 IVG). In diesem Zusammenhang ist auch auf FRÉSARD/MOSER-SZELESS zu verweisen, die ebenfalls festhalten, dass der Unfallversicherer im Rahmen seiner Leistungspflicht die Weigerung der versicherten Person an der Teilnahme einer invalidenversicherungsrechtlichen Eingliederungsmassnahme berücksichtigen können soll (L'assurance-accidents obligatoire, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 1028 Rz. 442).
5.7 Unter Würdigung aller Auslegungselemente kann Art. 51 Abs. 2 UVV kein anderes Verständnis zugeordnet werden, als dass die Aufforderung zur Anmeldung bei einem anderen, möglicherweise leistungspflichtigen Sozialversicherer nicht bloss einmalig und auch nicht nur vor der erstmaligen Leistungszusprechung zulässig ist und dass diese Pflicht zur Anmeldung bei einer anderen Sozialversicherung auch die Pflicht beinhaltet, in jenem Verfahren für die Feststellung des Leistungsanspruchs im erforderlichen Ausmass mitzuwirken.
5.8 Nach dem Gesagten war die Suva berechtigt, den Versicherten zur Anmeldung bei der Invalidenversicherung zu verpflichten. Sie hat auch das Mahn- und Bedenkzeitverfahren korrekt durchgeführt, so dass sie befugt war, die angedrohte Rechtsfolge zu verfügen. Soweit der Versicherte geltend macht, es sei nicht zulässig, in dieser Konstellation seine Rente zu kürzen, ist er darauf hinzuweisen, dass ein Sozialversicherer bei Nichtbefolgen der Mitwirkungspflicht nach Durchführung des Mahn- und Bedenkzeitverfahrens berechtigt ist, seine Leistungen für die Dauer der Verletzung der Mitwirkungspflicht komplett einzustellen (BGE 139 V 585). Folglich muss es erst recht zulässig sein, die Leistungen während dieser Zeit bloss zu reduzieren.
Ob die unterlassene Durchsetzung des Vorgehens nach Art. 51 Abs. 2 UVV einen Wiedererwägungsgrund nach Art. 53 Abs. 2 ATSG darstellt, kann offenbleiben, da - wie nachfolgend gezeigt wird (nicht publ.) - sich bereits aus anderen Umständen ein Wiedererwägungsgrund ergibt. | de | Art. 51 Abs. 2 UVV; Anmeldung bei einer anderen Sozialversicherung. Die Aufforderung zur Anmeldung bei einer anderen, möglicherweise leistungspflichtigen Sozialversicherung ist nicht bloss einmalig und auch nicht nur vor der erstmaligen Leistungszusprechung zulässig; zudem beinhaltet diese Pflicht zur Anmeldung bei einer anderen Sozialversicherung auch die Pflicht, in jenem Verfahren für die Feststellung des Leistungsanspruchs im erforderlichen Ausmass mitzuwirken (E. 5). | de | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-55%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,815 | 147 V 55 | 147 V 55
Sachverhalt ab Seite 55
A.
A.a A., geboren 1977, war ab 1. Dezember 2005 bei der B. AG angestellt und in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 9. Dezember 2010 erlitt er einen Arbeitsunfall, als er den Abfall beim Einzug einer Maschine entfernen wollte, die Einzugswalze seinen Arbeitshandschuh erfasste und seine linke Hand in die Einzugswalze riss. (...) Der Kreisarzt, Facharzt für orthopädische Chirurgie und Traumatologie, Suva, attestierte ihm am 7. März 2013 eine zumutbare volle Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit und hielt einen psychisch auffälligen Zustand fest. Nachdem die Suva A. am 4. April 2011, am 11. Mai 2011 und am 21. Juli 2011 zur Anmeldung bei der Invalidenversicherung aufgefordert hatte, kam er dem am 23. August 2011 nach. Die IV-Stelle des Kantons Thurgau verneinte am 6. August 2014 einen Anspruch von A. auf berufliche Massnahmen und auf eine Invalidenrente, da sich dieser der angeordneten psychiatrischen Begutachtung nicht unterzogen hatte. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft. (...) Mit Verfügung vom 11. Dezember 2014 sprach die Suva A. ab 1. November 2011 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 100 % sowie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse aus somatischen Gründen von 30 % zu. Am 9. November 2015 verfügte sie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 25 % aus psychischen Gründen. Beide Verfügungen erwuchsen unangefochten in Rechtskraft.
A.b Mit Verfügung vom 22. November 2018 berechnete die Suva die Invalidenrente von A. unter Hinweis auf die infolge Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen des invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens neu als Komplementärrente. Nachdem A. dagegen hatte Einsprache erheben lassen, kam die Suva am 1. Februar 2019 auf ihre Verfügung zurück und ersetzte sie mit der Anweisung an A., sich bei der Invalidenversicherung bis zum 31. März 2019 anzumelden sowie seinen Mitwirkungspflichten, namentlich im Rahmen von Abklärungsmassnahmen, nachzukommen; im Unterlassungsfall werde die Rente als Komplementärrente berechnet. (...) Mit Verfügung vom 1. April 2019 richtete die Suva ihre Rente ab 1. April 2019 als Komplementärrente aus. Mit Einspracheentscheid vom 15. Juli 2019 (...) hielt sie an ihrer Verfügung vom 1. April 2019 fest.
B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 11. Dezember 2019 gut, hob den Einspracheentscheid vom 15. Juli 2019 auf und wies die von A. beantragte Ausrichtung eines Verzugszinses ab.
C. Die Suva führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 15. Juli 2019 zu bestätigen.
Die Vorinstanz schliesst auf Abweisung der Beschwerde. A. lässt die Abweisung der Beschwerde beantragen; zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Stellungnahme.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht die von der Suva zugesprochene Komplementärrente aufgehoben und die Weiterausrichtung der bisherigen Invalidenrente angeordnet hat. Zwischen den Parteien ist namentlich streitig, ob die Anmeldung bei anderen Sozialversicherungen nach Art. 51 Abs. 2 UVV (SR 832.202) von der zuständigen Unfallversicherung nur im Vorfeld der erstmaligen Zusprechung einer Rente verlangt werden kann oder auch noch zu einem späteren Zeitpunkt. Weiter ist streitig, ob - wie die Suva geltend macht - ein Wiedererwägungsgrund gegeben ist.
3. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über die Modalitäten der Ausrichtung einer Komplementärrente (Art. 20 Abs. 2 UVG i.V.m. Art. 69 ATSG [SR 830.1]) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
4. Die Vorinstanz erwog, hinsichtlich der Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 ATSG begründe die Suva die geltend gemachte zweifellose Unrichtigkeit der Verfügung mit der damaligen Nichtanwendung von Art. 51 Abs. 2 UVV. Dem könne nicht gefolgt werden. Der Versicherte habe sich 2011 auf Aufforderung der Suva hin bei der Invalidenversicherung angemeldet. Die IV-Stelle habe wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen der angeordneten psychiatrischen Abklärung den Anspruch auf berufliche Massnahmen und auf eine Invalidenrente verneint. Die Suva habe erst über den Rentenanspruch verfügt, nachdem die IV-Stelle ihre Leistungspflicht verneint habe. Somit habe zu keinem Zeitpunkt eine Konstellation vorgelegen, welche die Ausrichtung einer Komplementärrente zur Folge gehabt hätte, da zu keinem Zeitpunkt ein Rentenanspruch der Invalidenversicherung mit der unfallversicherungsrechtlichen Invalidenrente zusammengetroffen sei. Es könne auf Grund der Aktenlage nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die IV-Stelle dem Versicherten eine ganze Rente zugesprochen hätte, wenn er seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen wäre und sich der von der IV-Stelle für notwendig erachteten psychiatrischen Begutachtung unterzogen hätte. Auch sei der Wiedererwägungsgrund der fehlenden Adäquanzprüfung nicht gegeben, da die Suva diese implizit bejaht habe. Dazu verwies die Vorinstanz auf die Beurteilungen des Dr. med. C. vom 18. März 2014 und vom 23. September 2014, gemäss welchen ein schwerer Unfall gegeben sei. Daraus schloss sie, dass es für das Vorliegen der Adäquanz bloss eines der Kriterien bedürfe, was angesichts der dramatischen Begleitumstände des Unfallgeschehens gegeben sei. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die Suva die Rentenzusprechung gemäss Verfügung vom 11. Dezember 2014 zu Unrecht abgeändert habe, und der Einspracheentscheid vom 15. Juli 2019 aufzuheben sei. Abschliessend verneinte das kantonale Gericht den Anspruch des Versicherten auf einen Verzugszins.
5. Die Suva macht geltend, sie hätte das Recht gehabt, die Leistung mit Wirkung "ex nunc et pro futuro" ohne Berufung auf einen Rückkommenstitel mit der Invalidenversicherung zu koordinieren. Dabei beruft sie sich auf Art. 51 Abs. 2 UVV.
5.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm und ihren Zweck, auf die dem Text zu Grunde liegenden Wertungen sowie auf die Bedeutung, die der Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf das grammatikalische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergab (BGE 145 V 2 E. 4.1 S. 6; BGE 142 V 442 E. 5.1 S. 445; je mit Hinweisen).
5.2 Art. 51 Abs. 2 UVV lautet wie folgt:
"Der leistungspflichtige Versicherer kann das Mass seiner Leistungen von der Anmeldung des Falles bei anderen Sozialversicherungen abhängig machen."
"L'assureur tenu de fournir une prestation peut faire dépendre l'ampleur de celle-ci du fait que l'assuré communique ou non son cas à d'autres assurances sociales."
"L'assicuratore tenuto a fornire prestazioni può subordinarne l'entità alla notifica del caso, da parte dell'assicurato, ad altre assicurazioni sociali."
5.3 Aus dem Wortlaut ergibt sich - entgegen den Behauptungen des Versicherten - weder, dass die damit eingeräumte Möglichkeit der Leistungsbemessung nur einmal zulässig sein soll noch dass dies vor der erstmaligen Ausrichtung einer Rente zu erfolgen hat.
Das Bundesgericht hat sich zu diesen beiden Fragen - soweit ersichtlich - bis anhin nicht geäussert. Sofern es zu Art. 51 Abs. 2 UVV Ausführungen gemacht hat, ergeben sich immerhin Hinweise auf sein Verständnis der Norm. In SVR 2009 UV Nr. 55 S. 194, 8C_607/2008 E. 2.7 führte es aus, soweit die Beschwerdeführerin geltend mache, sie hätte auf die Invalidenrente verzichten können, um dadurch bei der Suva der Komplementärrentenberechnung zu entgehen, hätten in diesem Falle die beanspruchbaren Leistungen im Rahmen einer Leistungskoordination angerechnet werden dürfen. Im nicht publizierten Urteil K 57/98 vom 16. Februar 1999 E. 4b hielt das damalige Eidg. Versicherungsgericht (EVG) fest, einzelne Sozialversicherungszweige würden das Mass ihrer Leistungen von der Anmeldung bei andern Sozialversicherungen abhängig machen (Art. 51 Abs. 2 UVV) oder Leistungen anderer Sozialversicherungen, auf welche die versicherte Person trotz Anspruch verzichtet habe, bei der Überversicherung anrechnen (Art. 72 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über die Militärversicherung [MVG; SR 833.1]); diesen Bestimmungen sei gemeinsam, dass nicht nur effektiv bezogene, sondern auch solche Leistungen anderer Sozialversicherer berücksichtigt würden, die rechtlich zwar bestünden, aus irgendeinem Grund aber nicht zur Ausrichtung gelangten.
Diese Urteile indizieren, dass - ungeachtet davon, ob der andere Sozialversicherungszweig Leistungen auch tatsächlich erbringt - diese (mutmasslichen) Ansprüche der versicherten Person angerechnet werden können, wenn sie es unterlässt, sich beim anderen Sozialversicherungszweig anzumelden und ihren Pflichten nachzukommen. Eine direkte Antwort auf die beiden Fragen ergibt sich daraus aber (noch) nicht. In der Folge ist demnach anhand der übrigen Auslegungselemente zu ermitteln, wie es sich damit verhält.
5.4 Da es sich um eine Norm auf Stufe Verordnung handelt, sind die Materialien dazu spärlich. Immerhin wurde anlässlich der Sitzung der Kommission zur Vorbereitung der Verordnung über die obligatorische Unfallversicherung vom 13./14. August 1980 zum damaligen Art. 45 festgehalten, die von der Suva vorgeschlagene Ergänzung des Artikels entspreche Art. 17 Abs. 3 der Verordnung III vom 15. Januar 1965 über die Krankenversicherung betreffend die Leistungen der vom Bund anerkannten Krankenkassen und Rückversicherungsverbände (VO III; in Kraft von 1. Januar 1965 bis 31. Dezember 1995; AS 1965 41 und AS 1995 3867) und habe sich in der Krankenversicherung bestens bewährt. In der Folge wurde dieser Absatz in den Verordnungsentwurf aufgenommen (S. 20). Anlässlich der weiteren Sitzungen wurde diese mittlerweilen im Entwurf als Art. 49 Abs. 2 geführte Bestimmung von der Kommission nicht mehr diskutiert (Protokoll der Sitzung der Kommission zur Vorbereitung der Verordnung über die Unfallversicherung vom 29./30. April und 5. Mai 1981, S. 68) resp. nur noch redaktionell überarbeitet (Ersetzung des Begriffs "Sozialversicherer" durch "Sozialversicherungen"; Protokoll der Kommission zur Vorbereitung der Verordnung über die Unfallversicherung vom 29./30. März 1982, S. 28).
In EVGE 1966 S. 24 führte das EVG aus, die vom Bundesamt für Sozialversicherungen vorgeschlagene Lösung würde Art. 17 Abs. 3 VO III widersprechen; diese Norm zeige gerade auf, dass das positive Recht keinen Verzicht auf eine direkte Anmeldung des Krankenkassenpatienten bei der Invalidenversicherung zulasse. In RKUV 1984 Nr. K 574 S. 84 kam es zum Schluss, der Rückforderungsanspruch der Krankenkasse sei berechtigt, da der Rückzug der Anmeldung bei der Invalidenversicherung durch die versicherte Person zu Unrecht erfolgt und daher mit einer unterlassenen Anmeldung gleichzustellen sei und angesichts der zu erwartenden halben Invalidenrente einem Leistungsverzicht gleichkomme. Weiter hielt es fest, die massgebende Bestimmung zur Anmeldepflicht bei der Invalidenversicherung könne nicht anders verstanden werden, als dass von der versicherten Person nicht nur die rechtzeitige Anmeldung verlangt werde, sondern dass diese auch bis zum Entscheid der Verwaltung über den Leistungsanspruch aufrecht erhalten bleibe und dass darauf nicht nachträglich verzichtet werde. In RKUV 1984 Nr. K 575 S. 89 führte das EVG aus, die Krankenkasse könne sich nur auf die Anmeldepflicht bei der Invalidenversicherung berufen, wenn auch begründete Aussicht auf Leistungen der Invalidenversicherung, z.B. medizinische und berufliche Massnahmen oder eine Invalidenrente, bestehe. Diese Entscheide, die sich auf Art. 17 Abs. 3 VO III beziehen, der Grundlage für den hier strittigen Art. 51 Abs. 2 UVV war, zeigen, dass die versicherte Person nicht bloss zur Anmeldung verpflichtet ist, sondern auch nichts unternehmen darf, was der Realisierung ihres Anspruchs bei der anderen Sozialversicherung entgegenstehen könnte. Allerdings ist die Anwendung der Bestimmung auf Fälle beschränkt, bei welchen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von einem bestehenden Anspruch ausgegangen werden kann.
5.5 Es stellt sich die Frage, ob sich aus der Praxis zu anderen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts Erkenntnisse zum Verständnis von Art. 51 Abs. 2 UVV ergeben:
5.5.1 Nach Art. 29 Abs. 2 der Verordnung vom 10. November 1993 über die Militärversicherung (MVV; SR 833.11) kann die Militärversicherung das Mass ihrer Leistungen von der Anmeldung des Falles bei anderen Sozialversicherungen abhängig machen. Diese Norm ist inhaltlich identisch mit dem hier zur Diskussion stehenden Art. 51 Abs. 2 UVV. Allerdings gibt es bis anhin - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung zu Art. 29 Abs. 2 MVV, welche vorliegend in analoger Weise berücksichtigt werden könnte.
5.5.2 Die berechtigte Person kann nach Art. 23 Abs. 1 ATSG auf Versicherungsleistungen verzichten, diesen Verzicht jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, wobei Verzicht und Widerruf schriftlich zu erfolgen haben. Da dieser Verzicht schriftlich zu erfolgen hat und somit ein aktives Verhalten der versicherten Person voraussetzt, lässt sich für die vorliegend zu beurteilende Konstellation nichts gewinnen. Denn im hier zu beurteilenden Fall geht es nicht um einen aktiven Verzicht, sondern um ein passives Verhalten resp. die Verweigerung der gesetzlich statuierten Mitwirkung (vgl. dazu E. 5.6.2).
5.5.3 Auch aus Art. 20 Abs. 2 UVG lässt sich für die hier zu beantwortende Frage nichts ableiten. Denn der Zeitpunkt der Koordination nach dieser Bestimmung kann erst entstehen, wenn die versicherte Person sich beim anderen Sozialversicherer anmeldet und ihren Mitwirkungspflichten unterzieht, so dass eine materielle Prüfung des Leistungsanspruchs erfolgen kann. Dies ist aber in der hier strittigen Konstellation gerade nicht der Fall.
5.6
5.6.1 Von der Gesetzessystematik und dem Sinn und Zweck her ist mit der Suva festzuhalten, dass sich der Umfang von Art. 51 Abs. 2 UVV nicht auf die blosse Anmeldung beim Sozialversicherer beschränken kann, sondern dass damit auch die Pflicht zur Erfüllung der mit der Anmeldung zusammenhängenden Mitwirkung einhergeht. Denn wenn es bloss um die Anmeldung ginge, wäre Art. 51 Abs. 2 UVV obsolet. Die Frage, ob dem Unfallversicherer ein eigenes Anmelderecht zusteht, soweit er durch die Verweigerung von Versicherungsleistungen berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an der Gewährung der Leistungen hat, kann vorliegend offenbleiben. Dasselbe gilt für die Frage, ob er ein Anmelderecht gestützt auf die Regelung im einzelnen Versicherungszweig hat, hier Art. 66 Abs. 1 IVV, wonach zur Geltendmachung eines Anspruchs auch Behörden und Stellen befugt sind, welche die versicherte Person regelmässig unterstützen oder betreuen, wie etwa der Hausarzt (Urteil 9C_61/2011 vom 4. Mai 2011 E. 2.4) oder die Sozialhilfebehörden (Urteil 8C_905/2014 vom 23. Juli 2015 E. 2.2 mit Hinweisen). Denn nach BGE 133 V 188 E. 4.2 S. 191 deckt sich das Beschwerderecht mit der Parteistellung im Verwaltungsverfahren, so dass der leistungspflichtige Unfallversicherer nicht nur bezüglich einer Verfügung der IV-Stelle beschwerdelegitimiert ist, sondern damit auch Parteistellung im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren hat, was folglich ein Anmelderecht einschliesst (vgl. dazu auch FRANZISKA MARTHA BETSCHART, in: Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts, 2020, N. 17 zu Art. 34 ATSG).
5.6.2 Eine Anmeldepflicht der versicherten Person nach Art. 51 Abs. 2 UVV wäre zudem völlig sinn- und zwecklos, wenn letztere nicht auch verpflichtet wäre, zur Feststellung, ob dieser andere Sozialversicherungszweig ebenfalls leistungspflichtig ist, beizutragen. Ebenso wie die Mitwirkungspflicht in Zusammenhang mit der nach Art. 21 Abs. 4 ATSG angeordneten Durchführung einer zumutbaren Therapie nicht mit bloss einer einmaligen Konsultation eines entsprechenden Facharztes erfüllt wird (vgl. SVR 2008 IV Nr. 7 S. 19, I 824/06 E. 3.3.2), ist der Pflicht zur Geltendmachung von Leistungen bei einem anderen Sozialversicherungszweig nicht mit der blossen Anmeldung Genüge getan, sondern verlangt auch die Mitwirkung zur Feststellung, ob ein (allfälliger) Anspruch besteht. Im Übrigen ist auf BGE 140 V 267 hinzuweisen, wo das Bundesgericht in E. 5.2.2 festgehalten hat, dass der im Rahmen des invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens erfolgten Verletzung der Mitwirkungspflicht auch im Bereich der Ergänzungsleistungen Rechnung zu tragen ist, indem zur Ermittlung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen auf das nach Durchführung der konkret verweigerten Eingliederungsmassnahmen erzielbare Einkommen abgestellt wird. Dabei hielt das Bundesgericht explizit fest, dass die fehlende Kooperation damit doppelt - invalidenversicherungs- und ergänzungsleistungsrechtlich - berücksichtigt werde, sei in Anbetracht der Abhängigkeit der Ergänzungsleistungen von der Invalidenversicherung systemimmanent; anders zu entscheiden hiesse, dass sich die versicherte Person für die invalidenversicherungsrechtlichen Folgen ihrer Widersetzlichkeit mittels Ergänzungsleistungen schadlos halten könnte.
5.6.3 Auf das Verhältnis von Unfall- und Invalidenversicherung übertragen bedeutet dies, dass sich auch in dieser Konstellation die versicherte Person, die ihre Pflichten im Rahmen des invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens verletzt, nicht durch die unfallversicherungsrechtlichen Leistungen soll schadlos halten können, obwohl sie durch ihr Verhalten die vom Gesetzgeber vorgesehene Koordination zwischen den verschiedenen Sozialversicherungszweigen unterläuft. Auch hier geht es somit nicht an, dass ein Unfallversicherer mehr Leistungen erbringen muss, als er bei pflichtgemässem Verhalten der versicherten Person im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren mutmasslich gehalten gewesen wäre. Dies hat vorliegend umso mehr zu gelten, da nach Ansicht des Gesetzgebers den Renten der Invalidenversicherung (und nicht der Unfallversicherung) der Charakter der Basisleistung zukommt (vgl. etwa Botschaft vom 17. Februar 1967 zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung, BBl 1967 I 687 zu Art. 45 Abs. 3 IVG). In diesem Zusammenhang ist auch auf FRÉSARD/MOSER-SZELESS zu verweisen, die ebenfalls festhalten, dass der Unfallversicherer im Rahmen seiner Leistungspflicht die Weigerung der versicherten Person an der Teilnahme einer invalidenversicherungsrechtlichen Eingliederungsmassnahme berücksichtigen können soll (L'assurance-accidents obligatoire, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 1028 Rz. 442).
5.7 Unter Würdigung aller Auslegungselemente kann Art. 51 Abs. 2 UVV kein anderes Verständnis zugeordnet werden, als dass die Aufforderung zur Anmeldung bei einem anderen, möglicherweise leistungspflichtigen Sozialversicherer nicht bloss einmalig und auch nicht nur vor der erstmaligen Leistungszusprechung zulässig ist und dass diese Pflicht zur Anmeldung bei einer anderen Sozialversicherung auch die Pflicht beinhaltet, in jenem Verfahren für die Feststellung des Leistungsanspruchs im erforderlichen Ausmass mitzuwirken.
5.8 Nach dem Gesagten war die Suva berechtigt, den Versicherten zur Anmeldung bei der Invalidenversicherung zu verpflichten. Sie hat auch das Mahn- und Bedenkzeitverfahren korrekt durchgeführt, so dass sie befugt war, die angedrohte Rechtsfolge zu verfügen. Soweit der Versicherte geltend macht, es sei nicht zulässig, in dieser Konstellation seine Rente zu kürzen, ist er darauf hinzuweisen, dass ein Sozialversicherer bei Nichtbefolgen der Mitwirkungspflicht nach Durchführung des Mahn- und Bedenkzeitverfahrens berechtigt ist, seine Leistungen für die Dauer der Verletzung der Mitwirkungspflicht komplett einzustellen (BGE 139 V 585). Folglich muss es erst recht zulässig sein, die Leistungen während dieser Zeit bloss zu reduzieren.
Ob die unterlassene Durchsetzung des Vorgehens nach Art. 51 Abs. 2 UVV einen Wiedererwägungsgrund nach Art. 53 Abs. 2 ATSG darstellt, kann offenbleiben, da - wie nachfolgend gezeigt wird (nicht publ.) - sich bereits aus anderen Umständen ein Wiedererwägungsgrund ergibt. | de | Art. 51 al. 2 OLAA; communication du cas à d'autres assurances sociales. L'assureur-accidents peut enjoindre plus d'une fois à l'assuré de communiquer son cas à une autre assurance sociale susceptible de prester et n'est pas tenu de le faire dans le cadre du premier octroi des prestations; en outre, l'obligation de l'assuré de communiquer son cas à une autre assurance sociale comprend également l'obligation de collaborer à la reconnaissance du droit aux prestations dans cette autre procédure (consid. 5). | fr | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-55%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
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Sachverhalt ab Seite 55
A.
A.a A., geboren 1977, war ab 1. Dezember 2005 bei der B. AG angestellt und in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 9. Dezember 2010 erlitt er einen Arbeitsunfall, als er den Abfall beim Einzug einer Maschine entfernen wollte, die Einzugswalze seinen Arbeitshandschuh erfasste und seine linke Hand in die Einzugswalze riss. (...) Der Kreisarzt, Facharzt für orthopädische Chirurgie und Traumatologie, Suva, attestierte ihm am 7. März 2013 eine zumutbare volle Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit und hielt einen psychisch auffälligen Zustand fest. Nachdem die Suva A. am 4. April 2011, am 11. Mai 2011 und am 21. Juli 2011 zur Anmeldung bei der Invalidenversicherung aufgefordert hatte, kam er dem am 23. August 2011 nach. Die IV-Stelle des Kantons Thurgau verneinte am 6. August 2014 einen Anspruch von A. auf berufliche Massnahmen und auf eine Invalidenrente, da sich dieser der angeordneten psychiatrischen Begutachtung nicht unterzogen hatte. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft. (...) Mit Verfügung vom 11. Dezember 2014 sprach die Suva A. ab 1. November 2011 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 100 % sowie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse aus somatischen Gründen von 30 % zu. Am 9. November 2015 verfügte sie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 25 % aus psychischen Gründen. Beide Verfügungen erwuchsen unangefochten in Rechtskraft.
A.b Mit Verfügung vom 22. November 2018 berechnete die Suva die Invalidenrente von A. unter Hinweis auf die infolge Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen des invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens neu als Komplementärrente. Nachdem A. dagegen hatte Einsprache erheben lassen, kam die Suva am 1. Februar 2019 auf ihre Verfügung zurück und ersetzte sie mit der Anweisung an A., sich bei der Invalidenversicherung bis zum 31. März 2019 anzumelden sowie seinen Mitwirkungspflichten, namentlich im Rahmen von Abklärungsmassnahmen, nachzukommen; im Unterlassungsfall werde die Rente als Komplementärrente berechnet. (...) Mit Verfügung vom 1. April 2019 richtete die Suva ihre Rente ab 1. April 2019 als Komplementärrente aus. Mit Einspracheentscheid vom 15. Juli 2019 (...) hielt sie an ihrer Verfügung vom 1. April 2019 fest.
B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 11. Dezember 2019 gut, hob den Einspracheentscheid vom 15. Juli 2019 auf und wies die von A. beantragte Ausrichtung eines Verzugszinses ab.
C. Die Suva führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 15. Juli 2019 zu bestätigen.
Die Vorinstanz schliesst auf Abweisung der Beschwerde. A. lässt die Abweisung der Beschwerde beantragen; zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Stellungnahme.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht die von der Suva zugesprochene Komplementärrente aufgehoben und die Weiterausrichtung der bisherigen Invalidenrente angeordnet hat. Zwischen den Parteien ist namentlich streitig, ob die Anmeldung bei anderen Sozialversicherungen nach Art. 51 Abs. 2 UVV (SR 832.202) von der zuständigen Unfallversicherung nur im Vorfeld der erstmaligen Zusprechung einer Rente verlangt werden kann oder auch noch zu einem späteren Zeitpunkt. Weiter ist streitig, ob - wie die Suva geltend macht - ein Wiedererwägungsgrund gegeben ist.
3. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über die Modalitäten der Ausrichtung einer Komplementärrente (Art. 20 Abs. 2 UVG i.V.m. Art. 69 ATSG [SR 830.1]) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
4. Die Vorinstanz erwog, hinsichtlich der Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 ATSG begründe die Suva die geltend gemachte zweifellose Unrichtigkeit der Verfügung mit der damaligen Nichtanwendung von Art. 51 Abs. 2 UVV. Dem könne nicht gefolgt werden. Der Versicherte habe sich 2011 auf Aufforderung der Suva hin bei der Invalidenversicherung angemeldet. Die IV-Stelle habe wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen der angeordneten psychiatrischen Abklärung den Anspruch auf berufliche Massnahmen und auf eine Invalidenrente verneint. Die Suva habe erst über den Rentenanspruch verfügt, nachdem die IV-Stelle ihre Leistungspflicht verneint habe. Somit habe zu keinem Zeitpunkt eine Konstellation vorgelegen, welche die Ausrichtung einer Komplementärrente zur Folge gehabt hätte, da zu keinem Zeitpunkt ein Rentenanspruch der Invalidenversicherung mit der unfallversicherungsrechtlichen Invalidenrente zusammengetroffen sei. Es könne auf Grund der Aktenlage nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die IV-Stelle dem Versicherten eine ganze Rente zugesprochen hätte, wenn er seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen wäre und sich der von der IV-Stelle für notwendig erachteten psychiatrischen Begutachtung unterzogen hätte. Auch sei der Wiedererwägungsgrund der fehlenden Adäquanzprüfung nicht gegeben, da die Suva diese implizit bejaht habe. Dazu verwies die Vorinstanz auf die Beurteilungen des Dr. med. C. vom 18. März 2014 und vom 23. September 2014, gemäss welchen ein schwerer Unfall gegeben sei. Daraus schloss sie, dass es für das Vorliegen der Adäquanz bloss eines der Kriterien bedürfe, was angesichts der dramatischen Begleitumstände des Unfallgeschehens gegeben sei. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die Suva die Rentenzusprechung gemäss Verfügung vom 11. Dezember 2014 zu Unrecht abgeändert habe, und der Einspracheentscheid vom 15. Juli 2019 aufzuheben sei. Abschliessend verneinte das kantonale Gericht den Anspruch des Versicherten auf einen Verzugszins.
5. Die Suva macht geltend, sie hätte das Recht gehabt, die Leistung mit Wirkung "ex nunc et pro futuro" ohne Berufung auf einen Rückkommenstitel mit der Invalidenversicherung zu koordinieren. Dabei beruft sie sich auf Art. 51 Abs. 2 UVV.
5.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm und ihren Zweck, auf die dem Text zu Grunde liegenden Wertungen sowie auf die Bedeutung, die der Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf das grammatikalische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergab (BGE 145 V 2 E. 4.1 S. 6; BGE 142 V 442 E. 5.1 S. 445; je mit Hinweisen).
5.2 Art. 51 Abs. 2 UVV lautet wie folgt:
"Der leistungspflichtige Versicherer kann das Mass seiner Leistungen von der Anmeldung des Falles bei anderen Sozialversicherungen abhängig machen."
"L'assureur tenu de fournir une prestation peut faire dépendre l'ampleur de celle-ci du fait que l'assuré communique ou non son cas à d'autres assurances sociales."
"L'assicuratore tenuto a fornire prestazioni può subordinarne l'entità alla notifica del caso, da parte dell'assicurato, ad altre assicurazioni sociali."
5.3 Aus dem Wortlaut ergibt sich - entgegen den Behauptungen des Versicherten - weder, dass die damit eingeräumte Möglichkeit der Leistungsbemessung nur einmal zulässig sein soll noch dass dies vor der erstmaligen Ausrichtung einer Rente zu erfolgen hat.
Das Bundesgericht hat sich zu diesen beiden Fragen - soweit ersichtlich - bis anhin nicht geäussert. Sofern es zu Art. 51 Abs. 2 UVV Ausführungen gemacht hat, ergeben sich immerhin Hinweise auf sein Verständnis der Norm. In SVR 2009 UV Nr. 55 S. 194, 8C_607/2008 E. 2.7 führte es aus, soweit die Beschwerdeführerin geltend mache, sie hätte auf die Invalidenrente verzichten können, um dadurch bei der Suva der Komplementärrentenberechnung zu entgehen, hätten in diesem Falle die beanspruchbaren Leistungen im Rahmen einer Leistungskoordination angerechnet werden dürfen. Im nicht publizierten Urteil K 57/98 vom 16. Februar 1999 E. 4b hielt das damalige Eidg. Versicherungsgericht (EVG) fest, einzelne Sozialversicherungszweige würden das Mass ihrer Leistungen von der Anmeldung bei andern Sozialversicherungen abhängig machen (Art. 51 Abs. 2 UVV) oder Leistungen anderer Sozialversicherungen, auf welche die versicherte Person trotz Anspruch verzichtet habe, bei der Überversicherung anrechnen (Art. 72 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über die Militärversicherung [MVG; SR 833.1]); diesen Bestimmungen sei gemeinsam, dass nicht nur effektiv bezogene, sondern auch solche Leistungen anderer Sozialversicherer berücksichtigt würden, die rechtlich zwar bestünden, aus irgendeinem Grund aber nicht zur Ausrichtung gelangten.
Diese Urteile indizieren, dass - ungeachtet davon, ob der andere Sozialversicherungszweig Leistungen auch tatsächlich erbringt - diese (mutmasslichen) Ansprüche der versicherten Person angerechnet werden können, wenn sie es unterlässt, sich beim anderen Sozialversicherungszweig anzumelden und ihren Pflichten nachzukommen. Eine direkte Antwort auf die beiden Fragen ergibt sich daraus aber (noch) nicht. In der Folge ist demnach anhand der übrigen Auslegungselemente zu ermitteln, wie es sich damit verhält.
5.4 Da es sich um eine Norm auf Stufe Verordnung handelt, sind die Materialien dazu spärlich. Immerhin wurde anlässlich der Sitzung der Kommission zur Vorbereitung der Verordnung über die obligatorische Unfallversicherung vom 13./14. August 1980 zum damaligen Art. 45 festgehalten, die von der Suva vorgeschlagene Ergänzung des Artikels entspreche Art. 17 Abs. 3 der Verordnung III vom 15. Januar 1965 über die Krankenversicherung betreffend die Leistungen der vom Bund anerkannten Krankenkassen und Rückversicherungsverbände (VO III; in Kraft von 1. Januar 1965 bis 31. Dezember 1995; AS 1965 41 und AS 1995 3867) und habe sich in der Krankenversicherung bestens bewährt. In der Folge wurde dieser Absatz in den Verordnungsentwurf aufgenommen (S. 20). Anlässlich der weiteren Sitzungen wurde diese mittlerweilen im Entwurf als Art. 49 Abs. 2 geführte Bestimmung von der Kommission nicht mehr diskutiert (Protokoll der Sitzung der Kommission zur Vorbereitung der Verordnung über die Unfallversicherung vom 29./30. April und 5. Mai 1981, S. 68) resp. nur noch redaktionell überarbeitet (Ersetzung des Begriffs "Sozialversicherer" durch "Sozialversicherungen"; Protokoll der Kommission zur Vorbereitung der Verordnung über die Unfallversicherung vom 29./30. März 1982, S. 28).
In EVGE 1966 S. 24 führte das EVG aus, die vom Bundesamt für Sozialversicherungen vorgeschlagene Lösung würde Art. 17 Abs. 3 VO III widersprechen; diese Norm zeige gerade auf, dass das positive Recht keinen Verzicht auf eine direkte Anmeldung des Krankenkassenpatienten bei der Invalidenversicherung zulasse. In RKUV 1984 Nr. K 574 S. 84 kam es zum Schluss, der Rückforderungsanspruch der Krankenkasse sei berechtigt, da der Rückzug der Anmeldung bei der Invalidenversicherung durch die versicherte Person zu Unrecht erfolgt und daher mit einer unterlassenen Anmeldung gleichzustellen sei und angesichts der zu erwartenden halben Invalidenrente einem Leistungsverzicht gleichkomme. Weiter hielt es fest, die massgebende Bestimmung zur Anmeldepflicht bei der Invalidenversicherung könne nicht anders verstanden werden, als dass von der versicherten Person nicht nur die rechtzeitige Anmeldung verlangt werde, sondern dass diese auch bis zum Entscheid der Verwaltung über den Leistungsanspruch aufrecht erhalten bleibe und dass darauf nicht nachträglich verzichtet werde. In RKUV 1984 Nr. K 575 S. 89 führte das EVG aus, die Krankenkasse könne sich nur auf die Anmeldepflicht bei der Invalidenversicherung berufen, wenn auch begründete Aussicht auf Leistungen der Invalidenversicherung, z.B. medizinische und berufliche Massnahmen oder eine Invalidenrente, bestehe. Diese Entscheide, die sich auf Art. 17 Abs. 3 VO III beziehen, der Grundlage für den hier strittigen Art. 51 Abs. 2 UVV war, zeigen, dass die versicherte Person nicht bloss zur Anmeldung verpflichtet ist, sondern auch nichts unternehmen darf, was der Realisierung ihres Anspruchs bei der anderen Sozialversicherung entgegenstehen könnte. Allerdings ist die Anwendung der Bestimmung auf Fälle beschränkt, bei welchen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von einem bestehenden Anspruch ausgegangen werden kann.
5.5 Es stellt sich die Frage, ob sich aus der Praxis zu anderen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts Erkenntnisse zum Verständnis von Art. 51 Abs. 2 UVV ergeben:
5.5.1 Nach Art. 29 Abs. 2 der Verordnung vom 10. November 1993 über die Militärversicherung (MVV; SR 833.11) kann die Militärversicherung das Mass ihrer Leistungen von der Anmeldung des Falles bei anderen Sozialversicherungen abhängig machen. Diese Norm ist inhaltlich identisch mit dem hier zur Diskussion stehenden Art. 51 Abs. 2 UVV. Allerdings gibt es bis anhin - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung zu Art. 29 Abs. 2 MVV, welche vorliegend in analoger Weise berücksichtigt werden könnte.
5.5.2 Die berechtigte Person kann nach Art. 23 Abs. 1 ATSG auf Versicherungsleistungen verzichten, diesen Verzicht jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, wobei Verzicht und Widerruf schriftlich zu erfolgen haben. Da dieser Verzicht schriftlich zu erfolgen hat und somit ein aktives Verhalten der versicherten Person voraussetzt, lässt sich für die vorliegend zu beurteilende Konstellation nichts gewinnen. Denn im hier zu beurteilenden Fall geht es nicht um einen aktiven Verzicht, sondern um ein passives Verhalten resp. die Verweigerung der gesetzlich statuierten Mitwirkung (vgl. dazu E. 5.6.2).
5.5.3 Auch aus Art. 20 Abs. 2 UVG lässt sich für die hier zu beantwortende Frage nichts ableiten. Denn der Zeitpunkt der Koordination nach dieser Bestimmung kann erst entstehen, wenn die versicherte Person sich beim anderen Sozialversicherer anmeldet und ihren Mitwirkungspflichten unterzieht, so dass eine materielle Prüfung des Leistungsanspruchs erfolgen kann. Dies ist aber in der hier strittigen Konstellation gerade nicht der Fall.
5.6
5.6.1 Von der Gesetzessystematik und dem Sinn und Zweck her ist mit der Suva festzuhalten, dass sich der Umfang von Art. 51 Abs. 2 UVV nicht auf die blosse Anmeldung beim Sozialversicherer beschränken kann, sondern dass damit auch die Pflicht zur Erfüllung der mit der Anmeldung zusammenhängenden Mitwirkung einhergeht. Denn wenn es bloss um die Anmeldung ginge, wäre Art. 51 Abs. 2 UVV obsolet. Die Frage, ob dem Unfallversicherer ein eigenes Anmelderecht zusteht, soweit er durch die Verweigerung von Versicherungsleistungen berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an der Gewährung der Leistungen hat, kann vorliegend offenbleiben. Dasselbe gilt für die Frage, ob er ein Anmelderecht gestützt auf die Regelung im einzelnen Versicherungszweig hat, hier Art. 66 Abs. 1 IVV, wonach zur Geltendmachung eines Anspruchs auch Behörden und Stellen befugt sind, welche die versicherte Person regelmässig unterstützen oder betreuen, wie etwa der Hausarzt (Urteil 9C_61/2011 vom 4. Mai 2011 E. 2.4) oder die Sozialhilfebehörden (Urteil 8C_905/2014 vom 23. Juli 2015 E. 2.2 mit Hinweisen). Denn nach BGE 133 V 188 E. 4.2 S. 191 deckt sich das Beschwerderecht mit der Parteistellung im Verwaltungsverfahren, so dass der leistungspflichtige Unfallversicherer nicht nur bezüglich einer Verfügung der IV-Stelle beschwerdelegitimiert ist, sondern damit auch Parteistellung im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren hat, was folglich ein Anmelderecht einschliesst (vgl. dazu auch FRANZISKA MARTHA BETSCHART, in: Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts, 2020, N. 17 zu Art. 34 ATSG).
5.6.2 Eine Anmeldepflicht der versicherten Person nach Art. 51 Abs. 2 UVV wäre zudem völlig sinn- und zwecklos, wenn letztere nicht auch verpflichtet wäre, zur Feststellung, ob dieser andere Sozialversicherungszweig ebenfalls leistungspflichtig ist, beizutragen. Ebenso wie die Mitwirkungspflicht in Zusammenhang mit der nach Art. 21 Abs. 4 ATSG angeordneten Durchführung einer zumutbaren Therapie nicht mit bloss einer einmaligen Konsultation eines entsprechenden Facharztes erfüllt wird (vgl. SVR 2008 IV Nr. 7 S. 19, I 824/06 E. 3.3.2), ist der Pflicht zur Geltendmachung von Leistungen bei einem anderen Sozialversicherungszweig nicht mit der blossen Anmeldung Genüge getan, sondern verlangt auch die Mitwirkung zur Feststellung, ob ein (allfälliger) Anspruch besteht. Im Übrigen ist auf BGE 140 V 267 hinzuweisen, wo das Bundesgericht in E. 5.2.2 festgehalten hat, dass der im Rahmen des invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens erfolgten Verletzung der Mitwirkungspflicht auch im Bereich der Ergänzungsleistungen Rechnung zu tragen ist, indem zur Ermittlung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen auf das nach Durchführung der konkret verweigerten Eingliederungsmassnahmen erzielbare Einkommen abgestellt wird. Dabei hielt das Bundesgericht explizit fest, dass die fehlende Kooperation damit doppelt - invalidenversicherungs- und ergänzungsleistungsrechtlich - berücksichtigt werde, sei in Anbetracht der Abhängigkeit der Ergänzungsleistungen von der Invalidenversicherung systemimmanent; anders zu entscheiden hiesse, dass sich die versicherte Person für die invalidenversicherungsrechtlichen Folgen ihrer Widersetzlichkeit mittels Ergänzungsleistungen schadlos halten könnte.
5.6.3 Auf das Verhältnis von Unfall- und Invalidenversicherung übertragen bedeutet dies, dass sich auch in dieser Konstellation die versicherte Person, die ihre Pflichten im Rahmen des invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens verletzt, nicht durch die unfallversicherungsrechtlichen Leistungen soll schadlos halten können, obwohl sie durch ihr Verhalten die vom Gesetzgeber vorgesehene Koordination zwischen den verschiedenen Sozialversicherungszweigen unterläuft. Auch hier geht es somit nicht an, dass ein Unfallversicherer mehr Leistungen erbringen muss, als er bei pflichtgemässem Verhalten der versicherten Person im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren mutmasslich gehalten gewesen wäre. Dies hat vorliegend umso mehr zu gelten, da nach Ansicht des Gesetzgebers den Renten der Invalidenversicherung (und nicht der Unfallversicherung) der Charakter der Basisleistung zukommt (vgl. etwa Botschaft vom 17. Februar 1967 zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung, BBl 1967 I 687 zu Art. 45 Abs. 3 IVG). In diesem Zusammenhang ist auch auf FRÉSARD/MOSER-SZELESS zu verweisen, die ebenfalls festhalten, dass der Unfallversicherer im Rahmen seiner Leistungspflicht die Weigerung der versicherten Person an der Teilnahme einer invalidenversicherungsrechtlichen Eingliederungsmassnahme berücksichtigen können soll (L'assurance-accidents obligatoire, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 1028 Rz. 442).
5.7 Unter Würdigung aller Auslegungselemente kann Art. 51 Abs. 2 UVV kein anderes Verständnis zugeordnet werden, als dass die Aufforderung zur Anmeldung bei einem anderen, möglicherweise leistungspflichtigen Sozialversicherer nicht bloss einmalig und auch nicht nur vor der erstmaligen Leistungszusprechung zulässig ist und dass diese Pflicht zur Anmeldung bei einer anderen Sozialversicherung auch die Pflicht beinhaltet, in jenem Verfahren für die Feststellung des Leistungsanspruchs im erforderlichen Ausmass mitzuwirken.
5.8 Nach dem Gesagten war die Suva berechtigt, den Versicherten zur Anmeldung bei der Invalidenversicherung zu verpflichten. Sie hat auch das Mahn- und Bedenkzeitverfahren korrekt durchgeführt, so dass sie befugt war, die angedrohte Rechtsfolge zu verfügen. Soweit der Versicherte geltend macht, es sei nicht zulässig, in dieser Konstellation seine Rente zu kürzen, ist er darauf hinzuweisen, dass ein Sozialversicherer bei Nichtbefolgen der Mitwirkungspflicht nach Durchführung des Mahn- und Bedenkzeitverfahrens berechtigt ist, seine Leistungen für die Dauer der Verletzung der Mitwirkungspflicht komplett einzustellen (BGE 139 V 585). Folglich muss es erst recht zulässig sein, die Leistungen während dieser Zeit bloss zu reduzieren.
Ob die unterlassene Durchsetzung des Vorgehens nach Art. 51 Abs. 2 UVV einen Wiedererwägungsgrund nach Art. 53 Abs. 2 ATSG darstellt, kann offenbleiben, da - wie nachfolgend gezeigt wird (nicht publ.) - sich bereits aus anderen Umständen ein Wiedererwägungsgrund ergibt. | de | Art. 51 cpv. 2 OAINF; notifica del caso ad altre assicurazioni sociali. L'assicuratore contro gli infortuni può richiedere all'assicurato, più di una volta e non solo nell'ambito della prima concessione di prestazioni, di notificare il suo caso a un'altra assicurazione sociale suscettibile di dovere verosimilmente provvedere alle prestazioni assicurative; inoltre l'obbligo dell'assicurato di notificare il suo caso a un'altra assicurazione sociale comprende pure l'obbligo di collaborare nella misura necessaria, in questa procedura, all'accertamento del suo diritto a prestazioni (consid. 5). | it | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-55%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,817 | 147 V 65 | 147 V 65
Sachverhalt ab Seite 66
A.
Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen sprach A., geboren 1960, mit Verfügung vom 7. Oktober 2011 ab 1. Januar 2008 eine ganze Invalidenrente zu. Auf Grund von anonymen Hinweisen leitete sie ein Revisionsverfahren ein. Nach medizinischen und erwerblichen Abklärungen hob sie am 25. April 2016 die Invalidenrente per 1. Juni 2016 auf. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die von A. dagegen erhobene Beschwerde gestützt auf das beim Spital B. eingeholte polydisziplinäre Gerichtsgutachten vom 31. Dezember 2017 mit Entscheid vom 6. September 2018 teilweise gut und sprach ihm ab 1. Juni 2016 eine halbe Rente zu. Mit Urteil 8C_776/2018 vom 9. Mai 2019 hob das Bundesgericht diesen Entscheid auf und wies die Sache zu weiteren Abklärungen und neuem Entscheid an die Vorinstanz zurück. Gestützt auf die Nachfrage beim psychiatrischen Experten des Gerichtsgutachtens hob das Versicherungsgericht mit Entscheid vom 11. Dezember 2019 die Verfügung vom 25. April 2016 erneut auf und reduzierte den Anspruch von A. auf eine halbe Invalidenrente ab 1. Juni 2016; zudem auferlegte es der IV-Stelle die Kosten des Gerichtsgutachtens in der Höhe von Fr. 13'588.30. A. erhob am 3. Februar 2020 dagegen Beschwerde beim Bundesgericht.
B.
Am 31. Dezember 2019 (Versendedatum: 13. Januar 2020) stellte das Spital B. Rechnung über Fr. 1'540.- für die Ergänzung des Gerichtsgutachtens vom 12. September 2019 durch den psychiatrischen Experten. Das Versicherungsgericht gewährte den Parteien am 16. Januar 2020 das rechtliche Gehör und kündigte am 12. Februar 2020 an, es werde über die Verlegung der Kosten der Ergänzung des Gerichtsgutachtens nach Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens entscheiden. Nachdem das Bundesgericht auf die von A. am 3. Februar 2020 erhobene Beschwerde mit Urteil 8C_105/2020 vom 2. Juni 2020 nicht eingetreten war, auferlegte das Versicherungsgericht mit Entscheid vom 16. Juli 2020 diese Kosten in Ergänzung des Entscheids vom 11. Dezember 2019 der IV-Stelle.
C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.
Das Versicherungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde. A. verzichtet auf eine Stellungnahme.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie der IV-Stelle mit Entscheid vom 16. Juli 2020 die nachträglich in Rechnung gestellten Kosten für die Ergänzung des Gerichtsgutachtens auferlegte.
3.
3.1
Die IV-Stelle macht geltend, die Vorinstanz habe ihre Begründungspflicht verletzt, indem sie nicht darlege, auf welche rechtliche Grundlage sich die Korrektur des rechtskräftigen Entscheids stütze.
3.2
Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, haben u.a. die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art, insbesondere die Angabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen, zu enthalten (Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG).
Zwar führt die Vorinstanz aus, dass gestützt auf Art. 45 ATSG die Kosten eines Gerichtsgutachtens grundsätzlich der IV-Stelle auferlegt werden können. Damit ist aber noch nichts gesagt über die rechtliche Grundlage für ihr Zurückkommen auf den rechtskräftigen Entscheid vom 11. Dezember 2019. Daran ändert auch der Verweis auf das Verfahren nach Art. 18 des Reglements vom 15. März 2017 über Organisation und Geschäftsgang des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen (sGS 941.114) nichts, da es dabei nur um die Zuständigkeit des Einzelrichters geht, nicht jedoch um die Zulässigkeit des Zurückkommens auf einen rechtskräftigen Entscheid. Ebenso wenig vermag die ausführliche Stellungnahme der Vorinstanz im bundesgerichtlichen Verfahren nachträglich die Anforderungen an die Begründung zu erfüllen. Der Entscheid vom 16. Juli 2020 genügt insofern den Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG nicht. Dies stellt zugleich eine Verletzung der Begründungspflicht nach Art. 29 Abs. 2 BV dar (vgl. dazu etwa Urteil 8C_776/2018 vom 9. Mai 2019 E. 5.2 mit Hinweisen), die auch von der IV-Stelle gerügt werden kann (vgl. etwa die Urteile 8C_746/2019 vom 1. Mai 2020 E. 5 in fine; 9C_856/2016 vom 9. März 2017 E. 3.1 und 3.3 sowie 8C_79/2014 vom 23. Juni 2014 E. 4.1 und 4.2; je mit Hinweisen).
4.
4.1
Wie die Vorinstanz im Entscheid vom 16. Juli 2020 ausführt, ist ihr Entscheid vom 11. Dezember 2019 nach dem Nichteintretensurteil 8C_105/2020 des Bundesgerichts vom 2. Juni 2020 in Rechtskraft erwachsen. Dies bedeutet, dass das Rechtsverhältnis zwischen dem Beschwerdegegner und der IV-Stelle hinsichtlich der Revision der Invalidenrente und den damit zusammenhängenden Abklärungskosten abschliessend geregelt worden ist. Demzufolge braucht es für eine "Ergänzung" dieses Entscheids einen Rückkommenstitel. Die Vorinstanz stellt sich in ihrer Stellungnahme vor Bundesgericht auf den Standpunkt, es handle sich bei ihrem Vorgehen um eine blosse Berichtigung nach Art. 93
septies
des Gesetzes des Kantons St. Gallen vom 16. Mai 1965 über die Verwaltungsrechtspflege (VRP; sGS 951.1), zu deren Vornahme sie von Amtes wegen berechtigt sei.
4.2
Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Denn der Rechtsbehelf der Berichtigung dient dazu, offenkundige Versehen eines Entscheids, wie Schreibfehler, Rechnungsirrtümer oder irrige Bezeichnung der Beteiligten, zu berichtigen (Art. 93
septies
Abs. 1 VRP). Im vorliegenden Fall geht es aber nicht darum, einen Rechnungsfehler zu korrigieren. Vielmehr werden mit dem Entscheid vom 16. Juli 2020 der IV-Stelle zusätzliche Kosten auferlegt, die von der Gutachterstelle erst nach dessen Erlass geltend gemacht wurden und von denen folglich im Entscheid vom 11. Dezember 2019 nicht die Rede war. Somit wird mit dem Entscheid vom 16. Juli 2020 nicht etwas klargestellt, was sich bereits aus jenem vom 11. Dezember 2019 ergeben würde, aber bloss falsch berechnet worden wäre, sondern es werden der IV-Stelle zusätzliche Pflichten auferlegt, indem sie weitere Kosten zu übernehmen hat. Daran ändert auch der Verweis der Vorinstanz in ihrer Stellungnahme vor Bundesgericht auf Art. 129 Abs. 1 BGG sowie auf das Urteil 9G_1/2020 vom 26. Mai 2020 nichts. Denn dabei ging es nicht um die Auferlegung zusätzlicher Pflichten an eine Partei, sondern um eine blosse Ergänzung des Dispositivs, welche sich aus den vorausgegangenen Erwägungen ergab, jedoch vergessen gegangen war. Auch handelte es sich dabei nicht um eine Berichtigung, sondern um eine mit Art. 93
quater
VRP vergleichbare Erläuterung. Im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1 BGG) bleibt daher zu prüfen, ob anderweitig ein Rückkommenstitel ersichtlich ist.
4.3
Nicht in Frage kommt eine Wiedererwägung. Denn einerseits gelten für das Zurückkommen auf einen Gerichtsentscheid strengere
Regeln als für das Zurückkommen auf eine Verwaltungsverfügung, da eine Rechtsanwendung durch ein unabhängiges Gericht grössere Gewähr für ein richtiges Ergebnis bietet als jene durch die am Rechtsverhältnis als Partei beteiligte Verwaltung (FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, 1986, S. 308). Andererseits sieht das ATSG die Möglichkeit einer Wiedererwägung bezüglich Entscheiden der Sozialversicherungsgerichte nicht vor und das kantonale Recht schliesst eine Wiedererwägung von Versicherungsgerichtsentscheiden aus (Art. 58 Abs. 2 VRP; vgl. dazu Entscheide des Versicherungsgerichts UV2016/22 und UV2016/60 vom 22. Februar 2019 E. 1.5 sowie bereits St. Gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis [GVP] 1967 Nr. 25).
4.4
Denkbar wäre schliesslich eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Art. 81 ff. VRP (vgl. dazu Art. 61 lit. i ATSG). Allerdings ergibt sich aus dem Wortlaut der Bestimmungen nicht, dass dies auch von Amtes wegen erfolgen könnte; vielmehr setzt das Gesetz ein entsprechendes Gesuch voraus (Wiederaufnahmebegehren; vgl. dazu explizit Art. 81 Abs. 2 und Art. 82 Abs. 1 VRP). Nach CAVELTI/VÖGELI besteht die Wiederaufnahme von Amtes wegen nur als Besonderheit im Steuerrevisionsverfahren (Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, 2. Aufl. 2003, Rz. 1203). Anzufügen bleibt, dass nur Tatsachen, die zur Zeit der Erstbeurteilung bereits bestanden haben, sowie Beweismittel zu solchen Tatsachen revisionsbegründend sein können (CAVELTI/VÖGELI, a.a.O., Rz. 1192). Nachdem das Spital B. erst nach Erlass des Entscheids vom 11. Dezember 2019 Rechnung stellte, wäre auch kein zulässiger Revisionsgrund gegeben. | de | Art. 61 lit. i ATSG; Art. 58 Abs. 2 und Art. 81 ff. des Gesetzes des Kantons St. Gallen vom 16. Mai 1965 über die Verwaltungsrechtspflege (VRP); nachträgliche Auferlegung von Gutachterkosten. Für die Auferlegung von nachträglich in Rechnung gestellten Gutachterkosten bedarf es eines Rückkommenstitels. Im vorliegenden Fall schliesst das kantonale Recht die Wiedererwägung von Verwaltungsgerichtsentscheiden aus (Art. 58 Abs. 2 VRP) und sieht keine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Art. 81 ff. VRP von Amtes wegen vor (E. 4). | de | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-65%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,818 | 147 V 65 | 147 V 65
Sachverhalt ab Seite 66
A.
Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen sprach A., geboren 1960, mit Verfügung vom 7. Oktober 2011 ab 1. Januar 2008 eine ganze Invalidenrente zu. Auf Grund von anonymen Hinweisen leitete sie ein Revisionsverfahren ein. Nach medizinischen und erwerblichen Abklärungen hob sie am 25. April 2016 die Invalidenrente per 1. Juni 2016 auf. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die von A. dagegen erhobene Beschwerde gestützt auf das beim Spital B. eingeholte polydisziplinäre Gerichtsgutachten vom 31. Dezember 2017 mit Entscheid vom 6. September 2018 teilweise gut und sprach ihm ab 1. Juni 2016 eine halbe Rente zu. Mit Urteil 8C_776/2018 vom 9. Mai 2019 hob das Bundesgericht diesen Entscheid auf und wies die Sache zu weiteren Abklärungen und neuem Entscheid an die Vorinstanz zurück. Gestützt auf die Nachfrage beim psychiatrischen Experten des Gerichtsgutachtens hob das Versicherungsgericht mit Entscheid vom 11. Dezember 2019 die Verfügung vom 25. April 2016 erneut auf und reduzierte den Anspruch von A. auf eine halbe Invalidenrente ab 1. Juni 2016; zudem auferlegte es der IV-Stelle die Kosten des Gerichtsgutachtens in der Höhe von Fr. 13'588.30. A. erhob am 3. Februar 2020 dagegen Beschwerde beim Bundesgericht.
B.
Am 31. Dezember 2019 (Versendedatum: 13. Januar 2020) stellte das Spital B. Rechnung über Fr. 1'540.- für die Ergänzung des Gerichtsgutachtens vom 12. September 2019 durch den psychiatrischen Experten. Das Versicherungsgericht gewährte den Parteien am 16. Januar 2020 das rechtliche Gehör und kündigte am 12. Februar 2020 an, es werde über die Verlegung der Kosten der Ergänzung des Gerichtsgutachtens nach Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens entscheiden. Nachdem das Bundesgericht auf die von A. am 3. Februar 2020 erhobene Beschwerde mit Urteil 8C_105/2020 vom 2. Juni 2020 nicht eingetreten war, auferlegte das Versicherungsgericht mit Entscheid vom 16. Juli 2020 diese Kosten in Ergänzung des Entscheids vom 11. Dezember 2019 der IV-Stelle.
C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.
Das Versicherungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde. A. verzichtet auf eine Stellungnahme.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie der IV-Stelle mit Entscheid vom 16. Juli 2020 die nachträglich in Rechnung gestellten Kosten für die Ergänzung des Gerichtsgutachtens auferlegte.
3.
3.1
Die IV-Stelle macht geltend, die Vorinstanz habe ihre Begründungspflicht verletzt, indem sie nicht darlege, auf welche rechtliche Grundlage sich die Korrektur des rechtskräftigen Entscheids stütze.
3.2
Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, haben u.a. die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art, insbesondere die Angabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen, zu enthalten (Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG).
Zwar führt die Vorinstanz aus, dass gestützt auf Art. 45 ATSG die Kosten eines Gerichtsgutachtens grundsätzlich der IV-Stelle auferlegt werden können. Damit ist aber noch nichts gesagt über die rechtliche Grundlage für ihr Zurückkommen auf den rechtskräftigen Entscheid vom 11. Dezember 2019. Daran ändert auch der Verweis auf das Verfahren nach Art. 18 des Reglements vom 15. März 2017 über Organisation und Geschäftsgang des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen (sGS 941.114) nichts, da es dabei nur um die Zuständigkeit des Einzelrichters geht, nicht jedoch um die Zulässigkeit des Zurückkommens auf einen rechtskräftigen Entscheid. Ebenso wenig vermag die ausführliche Stellungnahme der Vorinstanz im bundesgerichtlichen Verfahren nachträglich die Anforderungen an die Begründung zu erfüllen. Der Entscheid vom 16. Juli 2020 genügt insofern den Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG nicht. Dies stellt zugleich eine Verletzung der Begründungspflicht nach Art. 29 Abs. 2 BV dar (vgl. dazu etwa Urteil 8C_776/2018 vom 9. Mai 2019 E. 5.2 mit Hinweisen), die auch von der IV-Stelle gerügt werden kann (vgl. etwa die Urteile 8C_746/2019 vom 1. Mai 2020 E. 5 in fine; 9C_856/2016 vom 9. März 2017 E. 3.1 und 3.3 sowie 8C_79/2014 vom 23. Juni 2014 E. 4.1 und 4.2; je mit Hinweisen).
4.
4.1
Wie die Vorinstanz im Entscheid vom 16. Juli 2020 ausführt, ist ihr Entscheid vom 11. Dezember 2019 nach dem Nichteintretensurteil 8C_105/2020 des Bundesgerichts vom 2. Juni 2020 in Rechtskraft erwachsen. Dies bedeutet, dass das Rechtsverhältnis zwischen dem Beschwerdegegner und der IV-Stelle hinsichtlich der Revision der Invalidenrente und den damit zusammenhängenden Abklärungskosten abschliessend geregelt worden ist. Demzufolge braucht es für eine "Ergänzung" dieses Entscheids einen Rückkommenstitel. Die Vorinstanz stellt sich in ihrer Stellungnahme vor Bundesgericht auf den Standpunkt, es handle sich bei ihrem Vorgehen um eine blosse Berichtigung nach Art. 93
septies
des Gesetzes des Kantons St. Gallen vom 16. Mai 1965 über die Verwaltungsrechtspflege (VRP; sGS 951.1), zu deren Vornahme sie von Amtes wegen berechtigt sei.
4.2
Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Denn der Rechtsbehelf der Berichtigung dient dazu, offenkundige Versehen eines Entscheids, wie Schreibfehler, Rechnungsirrtümer oder irrige Bezeichnung der Beteiligten, zu berichtigen (Art. 93
septies
Abs. 1 VRP). Im vorliegenden Fall geht es aber nicht darum, einen Rechnungsfehler zu korrigieren. Vielmehr werden mit dem Entscheid vom 16. Juli 2020 der IV-Stelle zusätzliche Kosten auferlegt, die von der Gutachterstelle erst nach dessen Erlass geltend gemacht wurden und von denen folglich im Entscheid vom 11. Dezember 2019 nicht die Rede war. Somit wird mit dem Entscheid vom 16. Juli 2020 nicht etwas klargestellt, was sich bereits aus jenem vom 11. Dezember 2019 ergeben würde, aber bloss falsch berechnet worden wäre, sondern es werden der IV-Stelle zusätzliche Pflichten auferlegt, indem sie weitere Kosten zu übernehmen hat. Daran ändert auch der Verweis der Vorinstanz in ihrer Stellungnahme vor Bundesgericht auf Art. 129 Abs. 1 BGG sowie auf das Urteil 9G_1/2020 vom 26. Mai 2020 nichts. Denn dabei ging es nicht um die Auferlegung zusätzlicher Pflichten an eine Partei, sondern um eine blosse Ergänzung des Dispositivs, welche sich aus den vorausgegangenen Erwägungen ergab, jedoch vergessen gegangen war. Auch handelte es sich dabei nicht um eine Berichtigung, sondern um eine mit Art. 93
quater
VRP vergleichbare Erläuterung. Im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1 BGG) bleibt daher zu prüfen, ob anderweitig ein Rückkommenstitel ersichtlich ist.
4.3
Nicht in Frage kommt eine Wiedererwägung. Denn einerseits gelten für das Zurückkommen auf einen Gerichtsentscheid strengere
Regeln als für das Zurückkommen auf eine Verwaltungsverfügung, da eine Rechtsanwendung durch ein unabhängiges Gericht grössere Gewähr für ein richtiges Ergebnis bietet als jene durch die am Rechtsverhältnis als Partei beteiligte Verwaltung (FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, 1986, S. 308). Andererseits sieht das ATSG die Möglichkeit einer Wiedererwägung bezüglich Entscheiden der Sozialversicherungsgerichte nicht vor und das kantonale Recht schliesst eine Wiedererwägung von Versicherungsgerichtsentscheiden aus (Art. 58 Abs. 2 VRP; vgl. dazu Entscheide des Versicherungsgerichts UV2016/22 und UV2016/60 vom 22. Februar 2019 E. 1.5 sowie bereits St. Gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis [GVP] 1967 Nr. 25).
4.4
Denkbar wäre schliesslich eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Art. 81 ff. VRP (vgl. dazu Art. 61 lit. i ATSG). Allerdings ergibt sich aus dem Wortlaut der Bestimmungen nicht, dass dies auch von Amtes wegen erfolgen könnte; vielmehr setzt das Gesetz ein entsprechendes Gesuch voraus (Wiederaufnahmebegehren; vgl. dazu explizit Art. 81 Abs. 2 und Art. 82 Abs. 1 VRP). Nach CAVELTI/VÖGELI besteht die Wiederaufnahme von Amtes wegen nur als Besonderheit im Steuerrevisionsverfahren (Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, 2. Aufl. 2003, Rz. 1203). Anzufügen bleibt, dass nur Tatsachen, die zur Zeit der Erstbeurteilung bereits bestanden haben, sowie Beweismittel zu solchen Tatsachen revisionsbegründend sein können (CAVELTI/VÖGELI, a.a.O., Rz. 1192). Nachdem das Spital B. erst nach Erlass des Entscheids vom 11. Dezember 2019 Rechnung stellte, wäre auch kein zulässiger Revisionsgrund gegeben. | de | Art. 61 let. i LPGA; art. 58 al. 2 et art. 81 ss de la loi du canton de St-Gall du 16 mai 1965 sur la procédure administrative; répartition ultérieure de frais d'expertise. Un motif de révocation est nécessaire pour mettre à la charge d'une partie des frais d'expertise facturés après coup. En l'espèce, le droit cantonal exclut la reconsidération des jugements des tribunaux administratifs (art. 58 al. 2 de la loi sur la procédure administrative) et ne prévoit pas de révision procédurale au sens des art. 81 ss de la loi sur la procédure administrative pouvant avoir lieu d'office (consid. 4). | fr | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-65%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,819 | 147 V 65 | 147 V 65
Sachverhalt ab Seite 66
A.
Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen sprach A., geboren 1960, mit Verfügung vom 7. Oktober 2011 ab 1. Januar 2008 eine ganze Invalidenrente zu. Auf Grund von anonymen Hinweisen leitete sie ein Revisionsverfahren ein. Nach medizinischen und erwerblichen Abklärungen hob sie am 25. April 2016 die Invalidenrente per 1. Juni 2016 auf. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die von A. dagegen erhobene Beschwerde gestützt auf das beim Spital B. eingeholte polydisziplinäre Gerichtsgutachten vom 31. Dezember 2017 mit Entscheid vom 6. September 2018 teilweise gut und sprach ihm ab 1. Juni 2016 eine halbe Rente zu. Mit Urteil 8C_776/2018 vom 9. Mai 2019 hob das Bundesgericht diesen Entscheid auf und wies die Sache zu weiteren Abklärungen und neuem Entscheid an die Vorinstanz zurück. Gestützt auf die Nachfrage beim psychiatrischen Experten des Gerichtsgutachtens hob das Versicherungsgericht mit Entscheid vom 11. Dezember 2019 die Verfügung vom 25. April 2016 erneut auf und reduzierte den Anspruch von A. auf eine halbe Invalidenrente ab 1. Juni 2016; zudem auferlegte es der IV-Stelle die Kosten des Gerichtsgutachtens in der Höhe von Fr. 13'588.30. A. erhob am 3. Februar 2020 dagegen Beschwerde beim Bundesgericht.
B.
Am 31. Dezember 2019 (Versendedatum: 13. Januar 2020) stellte das Spital B. Rechnung über Fr. 1'540.- für die Ergänzung des Gerichtsgutachtens vom 12. September 2019 durch den psychiatrischen Experten. Das Versicherungsgericht gewährte den Parteien am 16. Januar 2020 das rechtliche Gehör und kündigte am 12. Februar 2020 an, es werde über die Verlegung der Kosten der Ergänzung des Gerichtsgutachtens nach Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens entscheiden. Nachdem das Bundesgericht auf die von A. am 3. Februar 2020 erhobene Beschwerde mit Urteil 8C_105/2020 vom 2. Juni 2020 nicht eingetreten war, auferlegte das Versicherungsgericht mit Entscheid vom 16. Juli 2020 diese Kosten in Ergänzung des Entscheids vom 11. Dezember 2019 der IV-Stelle.
C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.
Das Versicherungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde. A. verzichtet auf eine Stellungnahme.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie der IV-Stelle mit Entscheid vom 16. Juli 2020 die nachträglich in Rechnung gestellten Kosten für die Ergänzung des Gerichtsgutachtens auferlegte.
3.
3.1
Die IV-Stelle macht geltend, die Vorinstanz habe ihre Begründungspflicht verletzt, indem sie nicht darlege, auf welche rechtliche Grundlage sich die Korrektur des rechtskräftigen Entscheids stütze.
3.2
Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, haben u.a. die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art, insbesondere die Angabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen, zu enthalten (Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG).
Zwar führt die Vorinstanz aus, dass gestützt auf Art. 45 ATSG die Kosten eines Gerichtsgutachtens grundsätzlich der IV-Stelle auferlegt werden können. Damit ist aber noch nichts gesagt über die rechtliche Grundlage für ihr Zurückkommen auf den rechtskräftigen Entscheid vom 11. Dezember 2019. Daran ändert auch der Verweis auf das Verfahren nach Art. 18 des Reglements vom 15. März 2017 über Organisation und Geschäftsgang des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen (sGS 941.114) nichts, da es dabei nur um die Zuständigkeit des Einzelrichters geht, nicht jedoch um die Zulässigkeit des Zurückkommens auf einen rechtskräftigen Entscheid. Ebenso wenig vermag die ausführliche Stellungnahme der Vorinstanz im bundesgerichtlichen Verfahren nachträglich die Anforderungen an die Begründung zu erfüllen. Der Entscheid vom 16. Juli 2020 genügt insofern den Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG nicht. Dies stellt zugleich eine Verletzung der Begründungspflicht nach Art. 29 Abs. 2 BV dar (vgl. dazu etwa Urteil 8C_776/2018 vom 9. Mai 2019 E. 5.2 mit Hinweisen), die auch von der IV-Stelle gerügt werden kann (vgl. etwa die Urteile 8C_746/2019 vom 1. Mai 2020 E. 5 in fine; 9C_856/2016 vom 9. März 2017 E. 3.1 und 3.3 sowie 8C_79/2014 vom 23. Juni 2014 E. 4.1 und 4.2; je mit Hinweisen).
4.
4.1
Wie die Vorinstanz im Entscheid vom 16. Juli 2020 ausführt, ist ihr Entscheid vom 11. Dezember 2019 nach dem Nichteintretensurteil 8C_105/2020 des Bundesgerichts vom 2. Juni 2020 in Rechtskraft erwachsen. Dies bedeutet, dass das Rechtsverhältnis zwischen dem Beschwerdegegner und der IV-Stelle hinsichtlich der Revision der Invalidenrente und den damit zusammenhängenden Abklärungskosten abschliessend geregelt worden ist. Demzufolge braucht es für eine "Ergänzung" dieses Entscheids einen Rückkommenstitel. Die Vorinstanz stellt sich in ihrer Stellungnahme vor Bundesgericht auf den Standpunkt, es handle sich bei ihrem Vorgehen um eine blosse Berichtigung nach Art. 93
septies
des Gesetzes des Kantons St. Gallen vom 16. Mai 1965 über die Verwaltungsrechtspflege (VRP; sGS 951.1), zu deren Vornahme sie von Amtes wegen berechtigt sei.
4.2
Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Denn der Rechtsbehelf der Berichtigung dient dazu, offenkundige Versehen eines Entscheids, wie Schreibfehler, Rechnungsirrtümer oder irrige Bezeichnung der Beteiligten, zu berichtigen (Art. 93
septies
Abs. 1 VRP). Im vorliegenden Fall geht es aber nicht darum, einen Rechnungsfehler zu korrigieren. Vielmehr werden mit dem Entscheid vom 16. Juli 2020 der IV-Stelle zusätzliche Kosten auferlegt, die von der Gutachterstelle erst nach dessen Erlass geltend gemacht wurden und von denen folglich im Entscheid vom 11. Dezember 2019 nicht die Rede war. Somit wird mit dem Entscheid vom 16. Juli 2020 nicht etwas klargestellt, was sich bereits aus jenem vom 11. Dezember 2019 ergeben würde, aber bloss falsch berechnet worden wäre, sondern es werden der IV-Stelle zusätzliche Pflichten auferlegt, indem sie weitere Kosten zu übernehmen hat. Daran ändert auch der Verweis der Vorinstanz in ihrer Stellungnahme vor Bundesgericht auf Art. 129 Abs. 1 BGG sowie auf das Urteil 9G_1/2020 vom 26. Mai 2020 nichts. Denn dabei ging es nicht um die Auferlegung zusätzlicher Pflichten an eine Partei, sondern um eine blosse Ergänzung des Dispositivs, welche sich aus den vorausgegangenen Erwägungen ergab, jedoch vergessen gegangen war. Auch handelte es sich dabei nicht um eine Berichtigung, sondern um eine mit Art. 93
quater
VRP vergleichbare Erläuterung. Im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1 BGG) bleibt daher zu prüfen, ob anderweitig ein Rückkommenstitel ersichtlich ist.
4.3
Nicht in Frage kommt eine Wiedererwägung. Denn einerseits gelten für das Zurückkommen auf einen Gerichtsentscheid strengere
Regeln als für das Zurückkommen auf eine Verwaltungsverfügung, da eine Rechtsanwendung durch ein unabhängiges Gericht grössere Gewähr für ein richtiges Ergebnis bietet als jene durch die am Rechtsverhältnis als Partei beteiligte Verwaltung (FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, 1986, S. 308). Andererseits sieht das ATSG die Möglichkeit einer Wiedererwägung bezüglich Entscheiden der Sozialversicherungsgerichte nicht vor und das kantonale Recht schliesst eine Wiedererwägung von Versicherungsgerichtsentscheiden aus (Art. 58 Abs. 2 VRP; vgl. dazu Entscheide des Versicherungsgerichts UV2016/22 und UV2016/60 vom 22. Februar 2019 E. 1.5 sowie bereits St. Gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis [GVP] 1967 Nr. 25).
4.4
Denkbar wäre schliesslich eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Art. 81 ff. VRP (vgl. dazu Art. 61 lit. i ATSG). Allerdings ergibt sich aus dem Wortlaut der Bestimmungen nicht, dass dies auch von Amtes wegen erfolgen könnte; vielmehr setzt das Gesetz ein entsprechendes Gesuch voraus (Wiederaufnahmebegehren; vgl. dazu explizit Art. 81 Abs. 2 und Art. 82 Abs. 1 VRP). Nach CAVELTI/VÖGELI besteht die Wiederaufnahme von Amtes wegen nur als Besonderheit im Steuerrevisionsverfahren (Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, 2. Aufl. 2003, Rz. 1203). Anzufügen bleibt, dass nur Tatsachen, die zur Zeit der Erstbeurteilung bereits bestanden haben, sowie Beweismittel zu solchen Tatsachen revisionsbegründend sein können (CAVELTI/VÖGELI, a.a.O., Rz. 1192). Nachdem das Spital B. erst nach Erlass des Entscheids vom 11. Dezember 2019 Rechnung stellte, wäre auch kein zulässiger Revisionsgrund gegeben. | de | Art. 61 lett. i LPGA; art. 58 cpv. 2 e art. 81 segg. della legge del Canton S. Gallo del 16 maggio 1965 sulla procedura amministrativa; imposizione a posteriori di spese peritali. Per l'imposizione di spese peritali conteggiate successivamente è necessario un motivo di revoca. Nel caso concreto il diritto cantonale esclude la riconsiderazione di sentenze di tribunali amministrativi (art. 58 cpv. 2 della legge sulla procedura amministrativa) e non prevede una revisione processuale d'ufficio secondo gli art. 81 segg. della legge sulla procedura amministrativa (consid. 4). | it | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-65%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,820 | 147 V 70 | 147 V 70
Sachverhalt ab Seite 70
A. Der im Dezember 1950 geborene A. ersuchte im September 2018 die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) um eine Vorausberechnung seiner Altersrente, wobei er bekanntgab, dass er die Rente um drei Jahre aufschieben wolle. Mit Schreiben vom 11. September 2018 wies die Ausgleichskasse des Kantons Zürich den Versicherten darauf hin, dass er das ordentliche Rentenalter bereits im Dezember 2015 erreicht und somit den Rentenaufschub nicht fristgerecht geltend gemacht habe. Im Juni 2019 meldete sich A. zum Bezug einer Altersrente mit Rentenaufschub an. Mit Verfügung vom 21. August 2019 wies die Ausgleichskasse das Gesuch um Rentenaufschub inklusive Aufschubszuschlag ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 4. Oktober 2019 fest. Sodann sprach sie A. mit Verfügung vom 12. November 2019 eine monatliche Altersrente von Fr. 961.- ab dem 1. Januar 2016 resp. von Fr. 970.- ab dem 1. Januar 2019 zu.
B. Mit Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 4. Oktober 2019 verlangte A. den Aufschub der Altersrente bis zur Vollendung des 70. Altersjahres. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies das Rechtsmittel mit Entscheid vom 23. Juni 2020 ab.
C. A. beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, unter Aufhebung des Entscheids vom 23. Juni 2020 sei ihm der Aufschub der ordentlichen AHV-Altersrente bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres und ab dann die Altersrente mit dem Gegenwert der nicht bezogenen Leistung ("Aufschubszuschlag") zu gewähren.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass der Versicherte gegenüber der AHV den Aufschub seiner Altersrente erstmals im September 2018 (mit dem Gesuch um Rentenvorausberechnung) thematisiert und somit nicht innert der Ende 2016 abgelaufenen Frist von Art. 55quater Abs. 1 AHVV (SR 831.101) schriftlich erklärt hat.
3.2 (...)
3.2.3 Nach dem klaren Wortlaut von Art. 39 Abs. 3 AHVG hat der Gesetzgeber die Regelung des Verfahrens im Zusammenhang mit dem Rentenaufschub umfassend und ohne Einschränkung an den Bundesrat delegiert ("le Conseil fédéral [...] règle la procédure"; "il Consiglio federale [...] istituisce la procedura"). Vorschriften, wonach ein Recht nur innert einer bestimmten Frist (und allenfalls in einer bestimmten Form) rechtswirksam geltend gemacht werden kann, sind häufig vorkommende verfahrensrechtliche Bestimmungen. So sind etwa Art. 29 Abs. 3 ATSG, der die Einhaltung von Fristen und daran geknüpfte Rechtswirkungen bei der Geltendmachung eines Anspruchs betrifft, sowie Art. 52 Abs. 1 und Art. 60 Abs. 1 ATSG, die materielle Fristvorgaben enthalten, im 4. Kapitel des ATSG über die "Allgemeinen Verfahrensbestimmungen" eingeordnet. Aus der Botschaft vom 4. März 1968 zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung und zum Volksbegehren für den weiteren Ausbau von Alters- und Hinterlassenenversicherung und Invalidenversicherung (BBl 1968 I 602) ergibt sich kein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber den Ermessensspielraum des Bundesrats bei der Verfahrensregelung einschränken und die Wahl des Rentenaufschubs unbefristet resp. mindestens bis zum Ablauf der maximalen Aufschubsdauer ermöglichen wollte. Es entspricht denn auch nicht Sinn und Zweck des gesetzlich vorgesehenen Rentenaufschubs, die Versicherten für mehrere Jahre in die Lage zu versetzen, dass sie auf die individuelle Entwicklung ihres Gesundheitszustands reagieren und dementsprechend - rückwirkend - die für sie wirtschaftlich bessere Lösung wählen können, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat. Zudem lässt sich der versicherungstechnische Gegenwert der nicht bezogenen Leistung und damit der Erhöhungsfaktor (vgl. Art. 39 Abs. 2 und 3 AHVG sowie Art. 55ter AHVV) nur zuverlässig berechnen, wenn eine Wahl zwischen Nachzahlung oder Zuschlag (ab einem gewissen Zeitpunkt) ausgeschlossen ist (BGE 105 V 50 E. 2b S. 52; BGE 98 V 255 E. 1 S. 257).
Nach dem Gesagten respektierte der Bundesrat die Grenzen der gesetzlich delegierten Kompetenz, als er in Art. 55quater Abs. 1 Satz 2 AHVV eine Frist zur Erklärung des Rentenaufschubs statuierte. Die Frist - deren Länge den Rentenaufschub und die damit bezweckten gesetzgeberischen Ziele (vgl. dazu BBl 1968 I 635) nicht verunmöglicht und zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass gibt - ist sachlich begründet und entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht bloss "toter Formalismus" (vgl. auch BGE 98 V 255 E. 1 in fine S. 257). Daran ändert nichts, dass die AHV "strukturell immer defizitär ist", wie der Beschwerdeführer vorbringt. Eine Verfassungswidrigkeit - soweit sie überhaupt qualifiziert gerügt wird (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG) - im Zusammenhang mit der hier interessierenden Frist ist somit auch nicht erkennbar.
3.3 Sodann erblickt der Versicherte im Umstand, dass er auch nach Erreichen des AHV-Rentenalters weiterhin AHV-Beiträge bezahlt und keine Rente verlangt habe, eine konkludente, aber dennoch verbindliche Erklärung des Rentenaufschubs. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden, wie bereits im Urteil H 196/90 vom 8. August 1991 E. 2c entschieden wurde. Insbesondere setzt der klare Wortlaut (vgl. zu dessen Bedeutung bei der Auslegung nicht publ. E. 3.2.2.1) von Art. 55quater Abs. 1 AHVV eine Erklärung in Schriftform ("par écrit", "per iscritto") voraus. Dies dient der Rechtssicherheit und wird denn auch vom Beschwerdeführer nicht substanziiert bestritten (vgl. nicht publ. E. 1).
3.4 Indem der Versicherte schliesslich darlegt, er sei nicht rechtzeitig über die Aufschubsmöglichkeit informiert worden, obwohl die Ausgleichskasse jedem betroffenen Versicherten eine entsprechende Mitteilung "automatisch schreiben und versenden lassen" könnte, macht er sinngemäss eine Verletzung von Art. 27 ATSG geltend. Diesbezüglich hat die Vorinstanz zutreffend erkannt, dass nach der Rechtsprechung die Verwaltung nicht verpflichtet ist, von sich aus, ohne entsprechende Nachfrage, jeden Versicherten individuell aufzuklären und zu beraten (Urteil 9C_675/2015 vom 31. Mai 2016 E. 4.2; vgl. auch BGE 133 V 249 E. 7.2 S. 255; SVR 2012 EL Nr. 15 S. 48, 9C_787/2011 E. 5.2). Ein Grund für eine Praxisänderung (vgl. dazu BGE 145 V 304 E. 4.4 S. 309; BGE 141 II 297 E. 5.5.1 S. 303) ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht (vgl. nicht publ. E. 1). Weshalb die Verwaltung in concreto - über die allgemeine Informationspflicht hinaus (vgl. Art. 67 Abs. 2 AHVV; SVR 2007 ALV Nr. 20 S. 64, C 36/06 E. 5.2; AHV Merkblatt 3.04, Leistungen der AHV, Flexibler Rentenbezug) - vor September 2018 einen individuellen Aufklärungsbedarf des Beschwerdeführers hätte erkennen müssen, wird ebenfalls nicht substanziiert dargelegt. Die Beschwerde ist demnach auch in diesem Punkt unbegründet. | de | Art. 39 Abs. 3 AHVG; Art. 55quater Abs. 1 Satz 2 AHVV; Rentenaufschub. Die in Art. 55quater Abs. 1 Satz 2 AHVV statuierte Frist zur Erklärung des Rentenaufschubs ist gesetzes- und verfassungskonform (E. 3.2.3). | de | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-70%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,821 | 147 V 70 | 147 V 70
Sachverhalt ab Seite 70
A. Der im Dezember 1950 geborene A. ersuchte im September 2018 die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) um eine Vorausberechnung seiner Altersrente, wobei er bekanntgab, dass er die Rente um drei Jahre aufschieben wolle. Mit Schreiben vom 11. September 2018 wies die Ausgleichskasse des Kantons Zürich den Versicherten darauf hin, dass er das ordentliche Rentenalter bereits im Dezember 2015 erreicht und somit den Rentenaufschub nicht fristgerecht geltend gemacht habe. Im Juni 2019 meldete sich A. zum Bezug einer Altersrente mit Rentenaufschub an. Mit Verfügung vom 21. August 2019 wies die Ausgleichskasse das Gesuch um Rentenaufschub inklusive Aufschubszuschlag ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 4. Oktober 2019 fest. Sodann sprach sie A. mit Verfügung vom 12. November 2019 eine monatliche Altersrente von Fr. 961.- ab dem 1. Januar 2016 resp. von Fr. 970.- ab dem 1. Januar 2019 zu.
B. Mit Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 4. Oktober 2019 verlangte A. den Aufschub der Altersrente bis zur Vollendung des 70. Altersjahres. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies das Rechtsmittel mit Entscheid vom 23. Juni 2020 ab.
C. A. beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, unter Aufhebung des Entscheids vom 23. Juni 2020 sei ihm der Aufschub der ordentlichen AHV-Altersrente bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres und ab dann die Altersrente mit dem Gegenwert der nicht bezogenen Leistung ("Aufschubszuschlag") zu gewähren.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass der Versicherte gegenüber der AHV den Aufschub seiner Altersrente erstmals im September 2018 (mit dem Gesuch um Rentenvorausberechnung) thematisiert und somit nicht innert der Ende 2016 abgelaufenen Frist von Art. 55quater Abs. 1 AHVV (SR 831.101) schriftlich erklärt hat.
3.2 (...)
3.2.3 Nach dem klaren Wortlaut von Art. 39 Abs. 3 AHVG hat der Gesetzgeber die Regelung des Verfahrens im Zusammenhang mit dem Rentenaufschub umfassend und ohne Einschränkung an den Bundesrat delegiert ("le Conseil fédéral [...] règle la procédure"; "il Consiglio federale [...] istituisce la procedura"). Vorschriften, wonach ein Recht nur innert einer bestimmten Frist (und allenfalls in einer bestimmten Form) rechtswirksam geltend gemacht werden kann, sind häufig vorkommende verfahrensrechtliche Bestimmungen. So sind etwa Art. 29 Abs. 3 ATSG, der die Einhaltung von Fristen und daran geknüpfte Rechtswirkungen bei der Geltendmachung eines Anspruchs betrifft, sowie Art. 52 Abs. 1 und Art. 60 Abs. 1 ATSG, die materielle Fristvorgaben enthalten, im 4. Kapitel des ATSG über die "Allgemeinen Verfahrensbestimmungen" eingeordnet. Aus der Botschaft vom 4. März 1968 zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung und zum Volksbegehren für den weiteren Ausbau von Alters- und Hinterlassenenversicherung und Invalidenversicherung (BBl 1968 I 602) ergibt sich kein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber den Ermessensspielraum des Bundesrats bei der Verfahrensregelung einschränken und die Wahl des Rentenaufschubs unbefristet resp. mindestens bis zum Ablauf der maximalen Aufschubsdauer ermöglichen wollte. Es entspricht denn auch nicht Sinn und Zweck des gesetzlich vorgesehenen Rentenaufschubs, die Versicherten für mehrere Jahre in die Lage zu versetzen, dass sie auf die individuelle Entwicklung ihres Gesundheitszustands reagieren und dementsprechend - rückwirkend - die für sie wirtschaftlich bessere Lösung wählen können, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat. Zudem lässt sich der versicherungstechnische Gegenwert der nicht bezogenen Leistung und damit der Erhöhungsfaktor (vgl. Art. 39 Abs. 2 und 3 AHVG sowie Art. 55ter AHVV) nur zuverlässig berechnen, wenn eine Wahl zwischen Nachzahlung oder Zuschlag (ab einem gewissen Zeitpunkt) ausgeschlossen ist (BGE 105 V 50 E. 2b S. 52; BGE 98 V 255 E. 1 S. 257).
Nach dem Gesagten respektierte der Bundesrat die Grenzen der gesetzlich delegierten Kompetenz, als er in Art. 55quater Abs. 1 Satz 2 AHVV eine Frist zur Erklärung des Rentenaufschubs statuierte. Die Frist - deren Länge den Rentenaufschub und die damit bezweckten gesetzgeberischen Ziele (vgl. dazu BBl 1968 I 635) nicht verunmöglicht und zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass gibt - ist sachlich begründet und entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht bloss "toter Formalismus" (vgl. auch BGE 98 V 255 E. 1 in fine S. 257). Daran ändert nichts, dass die AHV "strukturell immer defizitär ist", wie der Beschwerdeführer vorbringt. Eine Verfassungswidrigkeit - soweit sie überhaupt qualifiziert gerügt wird (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG) - im Zusammenhang mit der hier interessierenden Frist ist somit auch nicht erkennbar.
3.3 Sodann erblickt der Versicherte im Umstand, dass er auch nach Erreichen des AHV-Rentenalters weiterhin AHV-Beiträge bezahlt und keine Rente verlangt habe, eine konkludente, aber dennoch verbindliche Erklärung des Rentenaufschubs. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden, wie bereits im Urteil H 196/90 vom 8. August 1991 E. 2c entschieden wurde. Insbesondere setzt der klare Wortlaut (vgl. zu dessen Bedeutung bei der Auslegung nicht publ. E. 3.2.2.1) von Art. 55quater Abs. 1 AHVV eine Erklärung in Schriftform ("par écrit", "per iscritto") voraus. Dies dient der Rechtssicherheit und wird denn auch vom Beschwerdeführer nicht substanziiert bestritten (vgl. nicht publ. E. 1).
3.4 Indem der Versicherte schliesslich darlegt, er sei nicht rechtzeitig über die Aufschubsmöglichkeit informiert worden, obwohl die Ausgleichskasse jedem betroffenen Versicherten eine entsprechende Mitteilung "automatisch schreiben und versenden lassen" könnte, macht er sinngemäss eine Verletzung von Art. 27 ATSG geltend. Diesbezüglich hat die Vorinstanz zutreffend erkannt, dass nach der Rechtsprechung die Verwaltung nicht verpflichtet ist, von sich aus, ohne entsprechende Nachfrage, jeden Versicherten individuell aufzuklären und zu beraten (Urteil 9C_675/2015 vom 31. Mai 2016 E. 4.2; vgl. auch BGE 133 V 249 E. 7.2 S. 255; SVR 2012 EL Nr. 15 S. 48, 9C_787/2011 E. 5.2). Ein Grund für eine Praxisänderung (vgl. dazu BGE 145 V 304 E. 4.4 S. 309; BGE 141 II 297 E. 5.5.1 S. 303) ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht (vgl. nicht publ. E. 1). Weshalb die Verwaltung in concreto - über die allgemeine Informationspflicht hinaus (vgl. Art. 67 Abs. 2 AHVV; SVR 2007 ALV Nr. 20 S. 64, C 36/06 E. 5.2; AHV Merkblatt 3.04, Leistungen der AHV, Flexibler Rentenbezug) - vor September 2018 einen individuellen Aufklärungsbedarf des Beschwerdeführers hätte erkennen müssen, wird ebenfalls nicht substanziiert dargelegt. Die Beschwerde ist demnach auch in diesem Punkt unbegründet. | de | Art. 39 al. 3 LAVS; art. 55quater al. 1, 2e phrase, RAVS; ajournement de la rente. Le délai prévu à l'art. 55quater al. 1, 2e phrase, RAVS pour présenter la déclaration d'ajournement du droit à la rente est conforme à la loi et à la Constitution (consid. 3.2.3). | fr | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-70%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,822 | 147 V 70 | 147 V 70
Sachverhalt ab Seite 70
A. Der im Dezember 1950 geborene A. ersuchte im September 2018 die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) um eine Vorausberechnung seiner Altersrente, wobei er bekanntgab, dass er die Rente um drei Jahre aufschieben wolle. Mit Schreiben vom 11. September 2018 wies die Ausgleichskasse des Kantons Zürich den Versicherten darauf hin, dass er das ordentliche Rentenalter bereits im Dezember 2015 erreicht und somit den Rentenaufschub nicht fristgerecht geltend gemacht habe. Im Juni 2019 meldete sich A. zum Bezug einer Altersrente mit Rentenaufschub an. Mit Verfügung vom 21. August 2019 wies die Ausgleichskasse das Gesuch um Rentenaufschub inklusive Aufschubszuschlag ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 4. Oktober 2019 fest. Sodann sprach sie A. mit Verfügung vom 12. November 2019 eine monatliche Altersrente von Fr. 961.- ab dem 1. Januar 2016 resp. von Fr. 970.- ab dem 1. Januar 2019 zu.
B. Mit Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 4. Oktober 2019 verlangte A. den Aufschub der Altersrente bis zur Vollendung des 70. Altersjahres. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies das Rechtsmittel mit Entscheid vom 23. Juni 2020 ab.
C. A. beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, unter Aufhebung des Entscheids vom 23. Juni 2020 sei ihm der Aufschub der ordentlichen AHV-Altersrente bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres und ab dann die Altersrente mit dem Gegenwert der nicht bezogenen Leistung ("Aufschubszuschlag") zu gewähren.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass der Versicherte gegenüber der AHV den Aufschub seiner Altersrente erstmals im September 2018 (mit dem Gesuch um Rentenvorausberechnung) thematisiert und somit nicht innert der Ende 2016 abgelaufenen Frist von Art. 55quater Abs. 1 AHVV (SR 831.101) schriftlich erklärt hat.
3.2 (...)
3.2.3 Nach dem klaren Wortlaut von Art. 39 Abs. 3 AHVG hat der Gesetzgeber die Regelung des Verfahrens im Zusammenhang mit dem Rentenaufschub umfassend und ohne Einschränkung an den Bundesrat delegiert ("le Conseil fédéral [...] règle la procédure"; "il Consiglio federale [...] istituisce la procedura"). Vorschriften, wonach ein Recht nur innert einer bestimmten Frist (und allenfalls in einer bestimmten Form) rechtswirksam geltend gemacht werden kann, sind häufig vorkommende verfahrensrechtliche Bestimmungen. So sind etwa Art. 29 Abs. 3 ATSG, der die Einhaltung von Fristen und daran geknüpfte Rechtswirkungen bei der Geltendmachung eines Anspruchs betrifft, sowie Art. 52 Abs. 1 und Art. 60 Abs. 1 ATSG, die materielle Fristvorgaben enthalten, im 4. Kapitel des ATSG über die "Allgemeinen Verfahrensbestimmungen" eingeordnet. Aus der Botschaft vom 4. März 1968 zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung und zum Volksbegehren für den weiteren Ausbau von Alters- und Hinterlassenenversicherung und Invalidenversicherung (BBl 1968 I 602) ergibt sich kein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber den Ermessensspielraum des Bundesrats bei der Verfahrensregelung einschränken und die Wahl des Rentenaufschubs unbefristet resp. mindestens bis zum Ablauf der maximalen Aufschubsdauer ermöglichen wollte. Es entspricht denn auch nicht Sinn und Zweck des gesetzlich vorgesehenen Rentenaufschubs, die Versicherten für mehrere Jahre in die Lage zu versetzen, dass sie auf die individuelle Entwicklung ihres Gesundheitszustands reagieren und dementsprechend - rückwirkend - die für sie wirtschaftlich bessere Lösung wählen können, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat. Zudem lässt sich der versicherungstechnische Gegenwert der nicht bezogenen Leistung und damit der Erhöhungsfaktor (vgl. Art. 39 Abs. 2 und 3 AHVG sowie Art. 55ter AHVV) nur zuverlässig berechnen, wenn eine Wahl zwischen Nachzahlung oder Zuschlag (ab einem gewissen Zeitpunkt) ausgeschlossen ist (BGE 105 V 50 E. 2b S. 52; BGE 98 V 255 E. 1 S. 257).
Nach dem Gesagten respektierte der Bundesrat die Grenzen der gesetzlich delegierten Kompetenz, als er in Art. 55quater Abs. 1 Satz 2 AHVV eine Frist zur Erklärung des Rentenaufschubs statuierte. Die Frist - deren Länge den Rentenaufschub und die damit bezweckten gesetzgeberischen Ziele (vgl. dazu BBl 1968 I 635) nicht verunmöglicht und zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass gibt - ist sachlich begründet und entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht bloss "toter Formalismus" (vgl. auch BGE 98 V 255 E. 1 in fine S. 257). Daran ändert nichts, dass die AHV "strukturell immer defizitär ist", wie der Beschwerdeführer vorbringt. Eine Verfassungswidrigkeit - soweit sie überhaupt qualifiziert gerügt wird (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG) - im Zusammenhang mit der hier interessierenden Frist ist somit auch nicht erkennbar.
3.3 Sodann erblickt der Versicherte im Umstand, dass er auch nach Erreichen des AHV-Rentenalters weiterhin AHV-Beiträge bezahlt und keine Rente verlangt habe, eine konkludente, aber dennoch verbindliche Erklärung des Rentenaufschubs. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden, wie bereits im Urteil H 196/90 vom 8. August 1991 E. 2c entschieden wurde. Insbesondere setzt der klare Wortlaut (vgl. zu dessen Bedeutung bei der Auslegung nicht publ. E. 3.2.2.1) von Art. 55quater Abs. 1 AHVV eine Erklärung in Schriftform ("par écrit", "per iscritto") voraus. Dies dient der Rechtssicherheit und wird denn auch vom Beschwerdeführer nicht substanziiert bestritten (vgl. nicht publ. E. 1).
3.4 Indem der Versicherte schliesslich darlegt, er sei nicht rechtzeitig über die Aufschubsmöglichkeit informiert worden, obwohl die Ausgleichskasse jedem betroffenen Versicherten eine entsprechende Mitteilung "automatisch schreiben und versenden lassen" könnte, macht er sinngemäss eine Verletzung von Art. 27 ATSG geltend. Diesbezüglich hat die Vorinstanz zutreffend erkannt, dass nach der Rechtsprechung die Verwaltung nicht verpflichtet ist, von sich aus, ohne entsprechende Nachfrage, jeden Versicherten individuell aufzuklären und zu beraten (Urteil 9C_675/2015 vom 31. Mai 2016 E. 4.2; vgl. auch BGE 133 V 249 E. 7.2 S. 255; SVR 2012 EL Nr. 15 S. 48, 9C_787/2011 E. 5.2). Ein Grund für eine Praxisänderung (vgl. dazu BGE 145 V 304 E. 4.4 S. 309; BGE 141 II 297 E. 5.5.1 S. 303) ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht (vgl. nicht publ. E. 1). Weshalb die Verwaltung in concreto - über die allgemeine Informationspflicht hinaus (vgl. Art. 67 Abs. 2 AHVV; SVR 2007 ALV Nr. 20 S. 64, C 36/06 E. 5.2; AHV Merkblatt 3.04, Leistungen der AHV, Flexibler Rentenbezug) - vor September 2018 einen individuellen Aufklärungsbedarf des Beschwerdeführers hätte erkennen müssen, wird ebenfalls nicht substanziiert dargelegt. Die Beschwerde ist demnach auch in diesem Punkt unbegründet. | de | Art. 39 cpv. 3 LAVS; art. 55quater cpv. 1 seconda frase OAVS; rinvio della rendita. Il termine di rinvio previsto all'art. 55quater cpv. 1 seconda frase OAVS per presentare la dichiarazione di rinvio del diritto alla rendita è conforme alla legge e alla Costituzione (consid. 3.2.3). | it | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-70%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,823 | 147 V 73 | 147 V 73
Sachverhalt ab Seite 74
A. Der 2014 geborene A. leidet an verschiedenen Geburtsgebrechen, weshalb ihm die IV-Stelle Luzern insbesondere medizinische Massnahmen und eine Entschädigung für leichte Hilflosigkeit vom 28. Januar 2015 bis zum 31. Juli 2017 gewährte.
Nach Abklärungen und Durchführung der entsprechenden Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle mit Verfügungen vom 8. Mai 2018 einen Anspruch auf medizinische Massnahmen im Ausland (stationäre einwöchige Intensivtherapie nach Konzept Padovan in Deutschland) und auf einen Assistenzbeitrag. Sodann sprach sie A. mit Verfügung vom 17. Mai 2018 eine Entschädigung für mittelschwere Hilflosigkeit vom 1. Juli 2017 bis zum 31. Dezember 2018 zu, wobei sie in Bezug auf dessen Höhe einen Intensivpflegezuschlag ablehnte. Schliesslich verweigerte sie mit Verfügung vom 26. Juni 2018 eine Kostengutsprache für medizinische Pflege durch Angehörige.
B. A. liess sowohl die Verfügungen vom 8. und 17. Mai 2018 als auch die Verfügung vom 26. Juni 2018 anfechten. Nach Vereinigung der Verfahren hiess das Kantonsgericht mit Entscheid vom 16. Oktober 2019 die erste Beschwerde insoweit teilweise gut, als es dem Versicherten eine Entschädigung für schwere Hilflosigkeit vom 1. Juli 2017 bis zum 31. Dezember 2018 zusprach. Im Übrigen wies es das Rechtsmittel ab, ebenso die zweite Beschwerde.
C. A. lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, der Entscheid vom 16. Oktober 2019 sei aufzuheben, und die Sache sei im Sinne der Erwägungen an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Die Vorinstanz hat erwogen, dass der Versicherte in sämtlichen sechs alltäglichen Lebensverrichtungen auf altersunübliche Dritthilfe angewiesen sei. Damit sei nicht von einer mittleren, sondern von einer schweren Hilflosigkeit und einem entsprechend höheren Entschädigungsanspruch auszugehen. Sodann hat sie den täglichen Mehraufwand für die Pflege (resp. Betreuung) auf 601 Minuten festgelegt und davon die Leistungen der Kinderspitex B. im Umfang von 557 Minuten abgezogen. Beim verbleibenden Mehraufwand von täglich 44 Minuten hat sie den Anspruch auf einen Pflegezuschlag verneint. Weiter hat das kantonale Gericht einen Anspruch auf Assistenzbeitrag verneint, weil es keine der besonderen Voraussetzungen für Minderjährige - Anspruch auf Pflegezuschlag, Schulbesuch, Ausbildung oder Erwerbstätigkeit - als gegeben erachtet hat. Ausserdem hat es die beantragte stationäre einwöchige Intensivtherapie nach Konzept Padovan in Deutschland verweigert mit der Begründung, eine Behandlung nach dieser Methode sei auch in der Schweiz möglich, und es fehlten beachtliche Gründe für die Durchführung der Massnahme im Ausland. Schliesslich hat die Vorinstanz in Bezug auf medizinische Pflege durch Angehörige erwogen, zwar seien die Tante und Grossmutter des Versicherten an dessen Pflege beteiligt und bei der C. GmbH angestellte diplomierte Pflegefachfrauen. Indessen seien sie keine anerkannten Leistungserbringerinnen. Die in der Krankenversicherung geltenden Grundsätze(vgl. BGE 145 V 161 E. 5 S. 165 ff.) liessen sich nicht ohne Weiteres auf die Invalidenversicherung übertragen. Zudem werde der Mehraufwand der Angehörigen bereits im Rahmen der Hilflosenentschädigung und der persönlichen Überwachung berücksichtigt, weshalb diesbezüglich kein Leistungsanspruch bestehe.
Streitig (vgl. zur Auslegung der Rechtsbegehren im Lichte der Beschwerdebegründung Urteil 8C_62/2018 vom 19. September 2018 E. 1.2.2, nicht publ. in: BGE 144 V 418) ist einzig, ob einerseits (dazu nachfolgend E. 4) bei der Hilflosenentschädigung ein Intensivpflegezuschlag zu gewähren ist und (folglich) Anspruch auf einen Assistenzbeitrag besteht, und ob anderseits (dazu nicht publ. E. 5) die C. GmbH mit zwei bei ihr angestellten Angehörigen des Versicherten - Grossmutter und Tante - Pflegeleistungen zu Lasten der Invalidenversicherung erbringen darf.
4.
4.1 Gemäss Art. 42ter Abs. 3 IVG (in der bis Ende 2017 geltenden resp. aktuellen Fassung) wird die Hilflosenentschädigung für Minderjährige, die zusätzlich eine intensive Betreuung brauchen, um einen Intensivpflegezuschlag erhöht; dieser Zuschlag wird nicht gewährt bei einem Aufenthalt in einem Heim. Der monatliche Intensivpflegezuschlag beträgt bei einem invaliditätsbedingten Betreuungsaufwand von mindestens acht Stunden pro Tag 60 resp. 100 %, bei einem solchen von mindestens sechs Stunden pro Tag 40 resp. 70 % und bei einem solchen von mindestens vier Stunden pro Tag 20 resp. 40 % des Höchstbetrages der Altersrente nach Art. 34 Abs. 3 und 5 AHVG. Der Zuschlag berechnet sich pro Tag. Der Bundesrat regelt im Übrigen die Einzelheiten.
Nach Art. 39 IVV (SR 831.201) liegt eine intensive Betreuung im Sinne von Art. 42ter Abs. 3 IVG bei Minderjährigen vor, wenn diese im Tagesdurchschnitt infolge Beeinträchtigung der Gesundheit zusätzliche Betreuung von mindestens vier Stunden benötigen (Abs. 1). Anrechenbar als Betreuung ist der Mehrbedarf an Behandlungs- und Grundpflege im Vergleich zu nichtbehinderten Minderjährigen gleichen Alters. Nicht anrechenbar ist der Zeitaufwand für ärztlich verordnete medizinische Massnahmen, welche durch medizinische Hilfspersonen vorgenommen werden sowie für pädagogisch-therapeutische Massnahmen (Abs. 2). Bedarf eine minderjährige Person infolge Beeinträchtigung der Gesundheit zusätzlich einer dauernden Überwachung, so kann diese als Betreuung von zwei Stunden angerechnet werden. Eine besonders intensive behinderungsbedingte Überwachung ist als Betreuung von vier Stunden anrechenbar (Abs. 3).
Im Kreisschreiben des BSV über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung (KSIH), gültig ab 1. Januar 2015, werden die in Art. 39 Abs. 2 und 3 IVV geregelten Tatbestände konkretisiert (vgl. zur Tragweite von Weisungen der Aufsichtsbehörde BGE 136 V 16 E. 5.1.2 in fine S. 20 und BGE 133 V 257 E. 3.2 S. 258; vgl. auch nachfolgende E. 4.3).
4.2 Aus dem Abklärungsbericht über die Hilflosigkeit und den Betreuungsaufwand vom 28. März 2018 geht Folgendes hervor: Der Versicherte atmet über ein Tracheostoma resp. eine Trachealkanüle; wenn diese (etwa durch Sekret) verstopft ist, besteht Lebensgefahr. Wenn nicht rechtzeitig interveniert wird, erleidet der Versicherte eine Panikattacke und reisst sich dabei die Kanüle heraus. Um das Ersticken zu vermeiden, muss immer wieder Sekret abgesaugt werden; jederzeit muss mit der plötzlichen Notwendigkeit einer Sauerstoffabgabe oder Beatmung mit dem Ambubeutel gerechnet werden. Der Versicherte kann sich nicht verbal bemerkbar machen. Er ist immer in Sicht- und Hörweite einer Überwachungsperson; nachts wird er mittels Monitor überwacht.
In diesem Zusammenhang hat die Vorinstanz in Anwendung von Art. 39 Abs. 3 IVV den Bedarf einer besonders intensiven Überwachung im Umfang von vier Stunden anerkannt. Der Beschwerdeführer macht geltend, damit er nicht ersticke, bedürfe er rund um die Uhr der Überwachung und sofortigen Interventionsbereitschaft einer geeigneten Person. Der ständige Interventionsbedarf sei nicht als Überwachung, sondern als (Behandlungs-)Pflege im Sinne von Art. 39 Abs. 2 IVV zu qualifizieren. Das ist als Rechtsfrage (vgl. nicht publ. E. 1) zu prüfen.
4.3 Der in Art. 42ter Abs. 2 IVG und Art. 39 Abs. 1 IVV verwendete Begriff der "Betreuung" umfasst die Grund- und dieBehandlungspflege gemäss Art. 39 Abs. 2 IVV sowie die Überwachung gemäss Art. 39 Abs. 3 IVV. Die Tragweite der Grund- und Behandlungspflege im Sinn dieser Bestimmungen ergibt sich in Anlehnung an die (beim Erlass von Art. 39 IVV am 21. Mai 2003 geltenden) Vorgaben von Art. 7 Abs. 2 lit. b und c der Verordnung vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV; SR 832. 112.31). Der Bundesrat als Verordnungsgeber verzichtete auf einen ausdrücklichen Verweis auf die KLV, um der Konkretisierung auf Weisungsebene (KSIH) Vorrang einzuräumen. Damit bezweckte er, der Invalidenversicherung einen grösseren Handlungsspielraum und die Unabhängigkeit von allfälligen Veränderungen innerhalb der Krankenversicherung zu sichern(Erläuterungen des BSV zu den Änderungen der IVV vom 21. Mai 2003, insbesondere zu Art. 39, AHI 5/2003 S. 329).
4.4
4.4.1 Gemäss Rz. 8075 KSIH gehören zu den pflegerischen Massnahmen insbesondere das Spülen, Reinigen und Versorgen von Wunden und Körperhöhlen (einschliesslich Massnahmen bei Stomaträgern), Massnahmen zur Atemtherapie (wie Sauerstoffverabreichung, Inhalation, einfache Atemübungen) und solche zur medizinisch-technischen Überwachung (Infusionen und Transfusionen; Überwachung von Geräten, die der Kontrolle und Erhaltung von vitalen Funktionen dienen). Laut Rz. 8077.3 KSIH (vgl. auch IV-Rundschreiben Nr. 394 des BSV vom 12. Dezember 2019 zu Kinderspitex-Leistungen nach Art. 13 f. IVG) kann im Rahmen einer medizinischen Massnahme eine Langzeitüberwachung zugesprochen werden.
4.4.2 Nach Art. 7 Abs. 2 lit. b KLV (der in den hier interessierenden Punkten keine Änderung erfuhr) gelten als Massnahmen der Untersuchung und Behandlung insbesondere die Messung der Vitalzeichen (Puls, Blutdruck, Temperatur, Atem, Gewicht; Ziff. 1), Massnahmen zur Atemtherapie (wie O2 -Verabreichung, Inhalation, einfache Atemübungen, Absaugen; Ziff. 4) und Massnahmen zur Überwachung von Infusionen, Transfusionen und Geräten, die der Behandlung oder der Kontrolle und Erhaltung von vitalen Funktionen dienen (Ziff. 9).
Im Lichte dieser Bestimmungen bestätigte das Bundesgericht die Qualifikation der nächtlichen Beatmungsüberwachung einer am Undine-Syndrom leidenden Versicherten als Behandlungspflege (BGE 142 V 144 E. 5.2 S. 150). Im Urteil 9C_43/2012 vom 12. Juli 2012 E. 4.1 wurden "tote Zeiten", die im Zusammenhang mit Behandlungspflege (im engeren Sinn) anfielen, als nicht blosse Überwachung qualifiziert. Auch im (die Unfallversicherung betreffenden) Urteil 8C_457/2014 vom 5. September 2014 E. 3.2 wurde die Überwachung der Beatmung als medizinische Pflegeleistung anerkannt. Entscheidend war dabei jeweils, dass auch in "toten" Zeiten (Zeiten ohne Vornahme von pflegerischen oder medizinischen Massnahmen) eine stetige Interventionsbereitschaft (durch medizinisch geschultes Personal) gewährleistet sein musste, und die notwendigen Interventionen bzw. behandlungspflegerischen Massnahmen weder planbar waren noch durch ein Alarmsystem organisiert werden konnten.
4.5 In concreto geht es um Massnahmen im Zusammenhang mit der Atmung über die Trachealkanüle, die ohne Weiteres unter die soeben (in E. 4.4) genannten Vorgaben des KSIH und der KLV zu subsumieren sind. Diese Massnahmen sind nicht planbar und können auch nicht durch ein Alarmsystem organisiert werden; sie erfordern eine stetige unmittelbare Interventionsbereitschaft und vorgängig eine medizinische Schulung der damit betrauten Personen. Dem Beschwerdeführer ist somit beizupflichten, dass die in diesem Zusammenhang notwendige Überwachung der Atmung als Pflegeleistung im Sinn von Art. 39 Abs. 2 IVV und nicht als Überwachung gemäss Art. 39 Abs. 3 IVV zu berücksichtigen ist. Dies erkannte denn auch die IV-Stelle (implizit), als sie bei der Kostengutsprache für medizinische Massnahmen wöchentlich sechs Nachteinsätze der Kinderspitex zu je acht Stunden bewilligte.
Damit erübrigen sich Ausführungen zur - in der Beschwerde ebenfalls aufgeworfenen - Frage, ob die in Art. 39 Abs. 3 IVV auf vier Stunden begrenzte Anrechenbarkeit der Überwachung verfassungs- und gesetzmässig ist. Die IV-Stelle wird festzulegen haben, in welchem Umfang die Überwachung der Atmung als Pflegemassnahme bei der Betreuung - insbesondere mit Blick auf den Mehraufwand gegenüber gleichaltrigen nicht behinderten Kindern (vgl. Art. 39 Abs. 1 und 2 IVV; Rz. 8074 KSIH) - zu berücksichtigen ist. Anschliessend wird sie über den Intensivpflegezuschlag resp. über die Höhe der Entschädigung für schwere (vgl. vorangehende E. 3) Hilflosigkeit eine neue Verfügung erlassen. Sodann wird sie im Lichte von Art. 39a lit. c IVV i.V.m. Art.42quater Abs. 3 IVG und gegebenenfalls der weiteren Voraussetzungen erneut über den Anspruch auf Assistenzbeitrag zu befinden haben. | de | Art. 42ter Abs. 3 IVG; Art. 39 IVV; Intensivpflegezuschlag zur Hilflosenentschädigung. Die Überwachung der Atmung über eine Trachealkanüle, die eine stetige unmittelbare Interventionsbereitschaft durch medizinisch geschultes Personal erfordert, ist eine Pflegeleistung im Sinne von Art. 39 Abs. 2 IVV und nicht blosse Überwachung gemäss Art. 39 Abs. 3 IVV (E. 4.5). | de | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-73%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,824 | 147 V 73 | 147 V 73
Sachverhalt ab Seite 74
A. Der 2014 geborene A. leidet an verschiedenen Geburtsgebrechen, weshalb ihm die IV-Stelle Luzern insbesondere medizinische Massnahmen und eine Entschädigung für leichte Hilflosigkeit vom 28. Januar 2015 bis zum 31. Juli 2017 gewährte.
Nach Abklärungen und Durchführung der entsprechenden Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle mit Verfügungen vom 8. Mai 2018 einen Anspruch auf medizinische Massnahmen im Ausland (stationäre einwöchige Intensivtherapie nach Konzept Padovan in Deutschland) und auf einen Assistenzbeitrag. Sodann sprach sie A. mit Verfügung vom 17. Mai 2018 eine Entschädigung für mittelschwere Hilflosigkeit vom 1. Juli 2017 bis zum 31. Dezember 2018 zu, wobei sie in Bezug auf dessen Höhe einen Intensivpflegezuschlag ablehnte. Schliesslich verweigerte sie mit Verfügung vom 26. Juni 2018 eine Kostengutsprache für medizinische Pflege durch Angehörige.
B. A. liess sowohl die Verfügungen vom 8. und 17. Mai 2018 als auch die Verfügung vom 26. Juni 2018 anfechten. Nach Vereinigung der Verfahren hiess das Kantonsgericht mit Entscheid vom 16. Oktober 2019 die erste Beschwerde insoweit teilweise gut, als es dem Versicherten eine Entschädigung für schwere Hilflosigkeit vom 1. Juli 2017 bis zum 31. Dezember 2018 zusprach. Im Übrigen wies es das Rechtsmittel ab, ebenso die zweite Beschwerde.
C. A. lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, der Entscheid vom 16. Oktober 2019 sei aufzuheben, und die Sache sei im Sinne der Erwägungen an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Die Vorinstanz hat erwogen, dass der Versicherte in sämtlichen sechs alltäglichen Lebensverrichtungen auf altersunübliche Dritthilfe angewiesen sei. Damit sei nicht von einer mittleren, sondern von einer schweren Hilflosigkeit und einem entsprechend höheren Entschädigungsanspruch auszugehen. Sodann hat sie den täglichen Mehraufwand für die Pflege (resp. Betreuung) auf 601 Minuten festgelegt und davon die Leistungen der Kinderspitex B. im Umfang von 557 Minuten abgezogen. Beim verbleibenden Mehraufwand von täglich 44 Minuten hat sie den Anspruch auf einen Pflegezuschlag verneint. Weiter hat das kantonale Gericht einen Anspruch auf Assistenzbeitrag verneint, weil es keine der besonderen Voraussetzungen für Minderjährige - Anspruch auf Pflegezuschlag, Schulbesuch, Ausbildung oder Erwerbstätigkeit - als gegeben erachtet hat. Ausserdem hat es die beantragte stationäre einwöchige Intensivtherapie nach Konzept Padovan in Deutschland verweigert mit der Begründung, eine Behandlung nach dieser Methode sei auch in der Schweiz möglich, und es fehlten beachtliche Gründe für die Durchführung der Massnahme im Ausland. Schliesslich hat die Vorinstanz in Bezug auf medizinische Pflege durch Angehörige erwogen, zwar seien die Tante und Grossmutter des Versicherten an dessen Pflege beteiligt und bei der C. GmbH angestellte diplomierte Pflegefachfrauen. Indessen seien sie keine anerkannten Leistungserbringerinnen. Die in der Krankenversicherung geltenden Grundsätze(vgl. BGE 145 V 161 E. 5 S. 165 ff.) liessen sich nicht ohne Weiteres auf die Invalidenversicherung übertragen. Zudem werde der Mehraufwand der Angehörigen bereits im Rahmen der Hilflosenentschädigung und der persönlichen Überwachung berücksichtigt, weshalb diesbezüglich kein Leistungsanspruch bestehe.
Streitig (vgl. zur Auslegung der Rechtsbegehren im Lichte der Beschwerdebegründung Urteil 8C_62/2018 vom 19. September 2018 E. 1.2.2, nicht publ. in: BGE 144 V 418) ist einzig, ob einerseits (dazu nachfolgend E. 4) bei der Hilflosenentschädigung ein Intensivpflegezuschlag zu gewähren ist und (folglich) Anspruch auf einen Assistenzbeitrag besteht, und ob anderseits (dazu nicht publ. E. 5) die C. GmbH mit zwei bei ihr angestellten Angehörigen des Versicherten - Grossmutter und Tante - Pflegeleistungen zu Lasten der Invalidenversicherung erbringen darf.
4.
4.1 Gemäss Art. 42ter Abs. 3 IVG (in der bis Ende 2017 geltenden resp. aktuellen Fassung) wird die Hilflosenentschädigung für Minderjährige, die zusätzlich eine intensive Betreuung brauchen, um einen Intensivpflegezuschlag erhöht; dieser Zuschlag wird nicht gewährt bei einem Aufenthalt in einem Heim. Der monatliche Intensivpflegezuschlag beträgt bei einem invaliditätsbedingten Betreuungsaufwand von mindestens acht Stunden pro Tag 60 resp. 100 %, bei einem solchen von mindestens sechs Stunden pro Tag 40 resp. 70 % und bei einem solchen von mindestens vier Stunden pro Tag 20 resp. 40 % des Höchstbetrages der Altersrente nach Art. 34 Abs. 3 und 5 AHVG. Der Zuschlag berechnet sich pro Tag. Der Bundesrat regelt im Übrigen die Einzelheiten.
Nach Art. 39 IVV (SR 831.201) liegt eine intensive Betreuung im Sinne von Art. 42ter Abs. 3 IVG bei Minderjährigen vor, wenn diese im Tagesdurchschnitt infolge Beeinträchtigung der Gesundheit zusätzliche Betreuung von mindestens vier Stunden benötigen (Abs. 1). Anrechenbar als Betreuung ist der Mehrbedarf an Behandlungs- und Grundpflege im Vergleich zu nichtbehinderten Minderjährigen gleichen Alters. Nicht anrechenbar ist der Zeitaufwand für ärztlich verordnete medizinische Massnahmen, welche durch medizinische Hilfspersonen vorgenommen werden sowie für pädagogisch-therapeutische Massnahmen (Abs. 2). Bedarf eine minderjährige Person infolge Beeinträchtigung der Gesundheit zusätzlich einer dauernden Überwachung, so kann diese als Betreuung von zwei Stunden angerechnet werden. Eine besonders intensive behinderungsbedingte Überwachung ist als Betreuung von vier Stunden anrechenbar (Abs. 3).
Im Kreisschreiben des BSV über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung (KSIH), gültig ab 1. Januar 2015, werden die in Art. 39 Abs. 2 und 3 IVV geregelten Tatbestände konkretisiert (vgl. zur Tragweite von Weisungen der Aufsichtsbehörde BGE 136 V 16 E. 5.1.2 in fine S. 20 und BGE 133 V 257 E. 3.2 S. 258; vgl. auch nachfolgende E. 4.3).
4.2 Aus dem Abklärungsbericht über die Hilflosigkeit und den Betreuungsaufwand vom 28. März 2018 geht Folgendes hervor: Der Versicherte atmet über ein Tracheostoma resp. eine Trachealkanüle; wenn diese (etwa durch Sekret) verstopft ist, besteht Lebensgefahr. Wenn nicht rechtzeitig interveniert wird, erleidet der Versicherte eine Panikattacke und reisst sich dabei die Kanüle heraus. Um das Ersticken zu vermeiden, muss immer wieder Sekret abgesaugt werden; jederzeit muss mit der plötzlichen Notwendigkeit einer Sauerstoffabgabe oder Beatmung mit dem Ambubeutel gerechnet werden. Der Versicherte kann sich nicht verbal bemerkbar machen. Er ist immer in Sicht- und Hörweite einer Überwachungsperson; nachts wird er mittels Monitor überwacht.
In diesem Zusammenhang hat die Vorinstanz in Anwendung von Art. 39 Abs. 3 IVV den Bedarf einer besonders intensiven Überwachung im Umfang von vier Stunden anerkannt. Der Beschwerdeführer macht geltend, damit er nicht ersticke, bedürfe er rund um die Uhr der Überwachung und sofortigen Interventionsbereitschaft einer geeigneten Person. Der ständige Interventionsbedarf sei nicht als Überwachung, sondern als (Behandlungs-)Pflege im Sinne von Art. 39 Abs. 2 IVV zu qualifizieren. Das ist als Rechtsfrage (vgl. nicht publ. E. 1) zu prüfen.
4.3 Der in Art. 42ter Abs. 2 IVG und Art. 39 Abs. 1 IVV verwendete Begriff der "Betreuung" umfasst die Grund- und dieBehandlungspflege gemäss Art. 39 Abs. 2 IVV sowie die Überwachung gemäss Art. 39 Abs. 3 IVV. Die Tragweite der Grund- und Behandlungspflege im Sinn dieser Bestimmungen ergibt sich in Anlehnung an die (beim Erlass von Art. 39 IVV am 21. Mai 2003 geltenden) Vorgaben von Art. 7 Abs. 2 lit. b und c der Verordnung vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV; SR 832. 112.31). Der Bundesrat als Verordnungsgeber verzichtete auf einen ausdrücklichen Verweis auf die KLV, um der Konkretisierung auf Weisungsebene (KSIH) Vorrang einzuräumen. Damit bezweckte er, der Invalidenversicherung einen grösseren Handlungsspielraum und die Unabhängigkeit von allfälligen Veränderungen innerhalb der Krankenversicherung zu sichern(Erläuterungen des BSV zu den Änderungen der IVV vom 21. Mai 2003, insbesondere zu Art. 39, AHI 5/2003 S. 329).
4.4
4.4.1 Gemäss Rz. 8075 KSIH gehören zu den pflegerischen Massnahmen insbesondere das Spülen, Reinigen und Versorgen von Wunden und Körperhöhlen (einschliesslich Massnahmen bei Stomaträgern), Massnahmen zur Atemtherapie (wie Sauerstoffverabreichung, Inhalation, einfache Atemübungen) und solche zur medizinisch-technischen Überwachung (Infusionen und Transfusionen; Überwachung von Geräten, die der Kontrolle und Erhaltung von vitalen Funktionen dienen). Laut Rz. 8077.3 KSIH (vgl. auch IV-Rundschreiben Nr. 394 des BSV vom 12. Dezember 2019 zu Kinderspitex-Leistungen nach Art. 13 f. IVG) kann im Rahmen einer medizinischen Massnahme eine Langzeitüberwachung zugesprochen werden.
4.4.2 Nach Art. 7 Abs. 2 lit. b KLV (der in den hier interessierenden Punkten keine Änderung erfuhr) gelten als Massnahmen der Untersuchung und Behandlung insbesondere die Messung der Vitalzeichen (Puls, Blutdruck, Temperatur, Atem, Gewicht; Ziff. 1), Massnahmen zur Atemtherapie (wie O2 -Verabreichung, Inhalation, einfache Atemübungen, Absaugen; Ziff. 4) und Massnahmen zur Überwachung von Infusionen, Transfusionen und Geräten, die der Behandlung oder der Kontrolle und Erhaltung von vitalen Funktionen dienen (Ziff. 9).
Im Lichte dieser Bestimmungen bestätigte das Bundesgericht die Qualifikation der nächtlichen Beatmungsüberwachung einer am Undine-Syndrom leidenden Versicherten als Behandlungspflege (BGE 142 V 144 E. 5.2 S. 150). Im Urteil 9C_43/2012 vom 12. Juli 2012 E. 4.1 wurden "tote Zeiten", die im Zusammenhang mit Behandlungspflege (im engeren Sinn) anfielen, als nicht blosse Überwachung qualifiziert. Auch im (die Unfallversicherung betreffenden) Urteil 8C_457/2014 vom 5. September 2014 E. 3.2 wurde die Überwachung der Beatmung als medizinische Pflegeleistung anerkannt. Entscheidend war dabei jeweils, dass auch in "toten" Zeiten (Zeiten ohne Vornahme von pflegerischen oder medizinischen Massnahmen) eine stetige Interventionsbereitschaft (durch medizinisch geschultes Personal) gewährleistet sein musste, und die notwendigen Interventionen bzw. behandlungspflegerischen Massnahmen weder planbar waren noch durch ein Alarmsystem organisiert werden konnten.
4.5 In concreto geht es um Massnahmen im Zusammenhang mit der Atmung über die Trachealkanüle, die ohne Weiteres unter die soeben (in E. 4.4) genannten Vorgaben des KSIH und der KLV zu subsumieren sind. Diese Massnahmen sind nicht planbar und können auch nicht durch ein Alarmsystem organisiert werden; sie erfordern eine stetige unmittelbare Interventionsbereitschaft und vorgängig eine medizinische Schulung der damit betrauten Personen. Dem Beschwerdeführer ist somit beizupflichten, dass die in diesem Zusammenhang notwendige Überwachung der Atmung als Pflegeleistung im Sinn von Art. 39 Abs. 2 IVV und nicht als Überwachung gemäss Art. 39 Abs. 3 IVV zu berücksichtigen ist. Dies erkannte denn auch die IV-Stelle (implizit), als sie bei der Kostengutsprache für medizinische Massnahmen wöchentlich sechs Nachteinsätze der Kinderspitex zu je acht Stunden bewilligte.
Damit erübrigen sich Ausführungen zur - in der Beschwerde ebenfalls aufgeworfenen - Frage, ob die in Art. 39 Abs. 3 IVV auf vier Stunden begrenzte Anrechenbarkeit der Überwachung verfassungs- und gesetzmässig ist. Die IV-Stelle wird festzulegen haben, in welchem Umfang die Überwachung der Atmung als Pflegemassnahme bei der Betreuung - insbesondere mit Blick auf den Mehraufwand gegenüber gleichaltrigen nicht behinderten Kindern (vgl. Art. 39 Abs. 1 und 2 IVV; Rz. 8074 KSIH) - zu berücksichtigen ist. Anschliessend wird sie über den Intensivpflegezuschlag resp. über die Höhe der Entschädigung für schwere (vgl. vorangehende E. 3) Hilflosigkeit eine neue Verfügung erlassen. Sodann wird sie im Lichte von Art. 39a lit. c IVV i.V.m. Art.42quater Abs. 3 IVG und gegebenenfalls der weiteren Voraussetzungen erneut über den Anspruch auf Assistenzbeitrag zu befinden haben. | de | Art. 42ter al. 3 LAI; art. 39 RAI; supplément pour soins intenses à l'allocation pour impotent. La surveillance de la respiration au moyen d'une canule trachéale, qui requiert la disponibilité constante et immédiate d'un personnel formé sur le plan médical, est une prestation de soins au sens de l'art. 39 al. 2 RAI et non pas une simple surveillance au sens de l'art. 39 al. 3 RAI (consid. 4.5). | fr | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-73%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
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Sachverhalt ab Seite 74
A. Der 2014 geborene A. leidet an verschiedenen Geburtsgebrechen, weshalb ihm die IV-Stelle Luzern insbesondere medizinische Massnahmen und eine Entschädigung für leichte Hilflosigkeit vom 28. Januar 2015 bis zum 31. Juli 2017 gewährte.
Nach Abklärungen und Durchführung der entsprechenden Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle mit Verfügungen vom 8. Mai 2018 einen Anspruch auf medizinische Massnahmen im Ausland (stationäre einwöchige Intensivtherapie nach Konzept Padovan in Deutschland) und auf einen Assistenzbeitrag. Sodann sprach sie A. mit Verfügung vom 17. Mai 2018 eine Entschädigung für mittelschwere Hilflosigkeit vom 1. Juli 2017 bis zum 31. Dezember 2018 zu, wobei sie in Bezug auf dessen Höhe einen Intensivpflegezuschlag ablehnte. Schliesslich verweigerte sie mit Verfügung vom 26. Juni 2018 eine Kostengutsprache für medizinische Pflege durch Angehörige.
B. A. liess sowohl die Verfügungen vom 8. und 17. Mai 2018 als auch die Verfügung vom 26. Juni 2018 anfechten. Nach Vereinigung der Verfahren hiess das Kantonsgericht mit Entscheid vom 16. Oktober 2019 die erste Beschwerde insoweit teilweise gut, als es dem Versicherten eine Entschädigung für schwere Hilflosigkeit vom 1. Juli 2017 bis zum 31. Dezember 2018 zusprach. Im Übrigen wies es das Rechtsmittel ab, ebenso die zweite Beschwerde.
C. A. lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, der Entscheid vom 16. Oktober 2019 sei aufzuheben, und die Sache sei im Sinne der Erwägungen an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Die Vorinstanz hat erwogen, dass der Versicherte in sämtlichen sechs alltäglichen Lebensverrichtungen auf altersunübliche Dritthilfe angewiesen sei. Damit sei nicht von einer mittleren, sondern von einer schweren Hilflosigkeit und einem entsprechend höheren Entschädigungsanspruch auszugehen. Sodann hat sie den täglichen Mehraufwand für die Pflege (resp. Betreuung) auf 601 Minuten festgelegt und davon die Leistungen der Kinderspitex B. im Umfang von 557 Minuten abgezogen. Beim verbleibenden Mehraufwand von täglich 44 Minuten hat sie den Anspruch auf einen Pflegezuschlag verneint. Weiter hat das kantonale Gericht einen Anspruch auf Assistenzbeitrag verneint, weil es keine der besonderen Voraussetzungen für Minderjährige - Anspruch auf Pflegezuschlag, Schulbesuch, Ausbildung oder Erwerbstätigkeit - als gegeben erachtet hat. Ausserdem hat es die beantragte stationäre einwöchige Intensivtherapie nach Konzept Padovan in Deutschland verweigert mit der Begründung, eine Behandlung nach dieser Methode sei auch in der Schweiz möglich, und es fehlten beachtliche Gründe für die Durchführung der Massnahme im Ausland. Schliesslich hat die Vorinstanz in Bezug auf medizinische Pflege durch Angehörige erwogen, zwar seien die Tante und Grossmutter des Versicherten an dessen Pflege beteiligt und bei der C. GmbH angestellte diplomierte Pflegefachfrauen. Indessen seien sie keine anerkannten Leistungserbringerinnen. Die in der Krankenversicherung geltenden Grundsätze(vgl. BGE 145 V 161 E. 5 S. 165 ff.) liessen sich nicht ohne Weiteres auf die Invalidenversicherung übertragen. Zudem werde der Mehraufwand der Angehörigen bereits im Rahmen der Hilflosenentschädigung und der persönlichen Überwachung berücksichtigt, weshalb diesbezüglich kein Leistungsanspruch bestehe.
Streitig (vgl. zur Auslegung der Rechtsbegehren im Lichte der Beschwerdebegründung Urteil 8C_62/2018 vom 19. September 2018 E. 1.2.2, nicht publ. in: BGE 144 V 418) ist einzig, ob einerseits (dazu nachfolgend E. 4) bei der Hilflosenentschädigung ein Intensivpflegezuschlag zu gewähren ist und (folglich) Anspruch auf einen Assistenzbeitrag besteht, und ob anderseits (dazu nicht publ. E. 5) die C. GmbH mit zwei bei ihr angestellten Angehörigen des Versicherten - Grossmutter und Tante - Pflegeleistungen zu Lasten der Invalidenversicherung erbringen darf.
4.
4.1 Gemäss Art. 42ter Abs. 3 IVG (in der bis Ende 2017 geltenden resp. aktuellen Fassung) wird die Hilflosenentschädigung für Minderjährige, die zusätzlich eine intensive Betreuung brauchen, um einen Intensivpflegezuschlag erhöht; dieser Zuschlag wird nicht gewährt bei einem Aufenthalt in einem Heim. Der monatliche Intensivpflegezuschlag beträgt bei einem invaliditätsbedingten Betreuungsaufwand von mindestens acht Stunden pro Tag 60 resp. 100 %, bei einem solchen von mindestens sechs Stunden pro Tag 40 resp. 70 % und bei einem solchen von mindestens vier Stunden pro Tag 20 resp. 40 % des Höchstbetrages der Altersrente nach Art. 34 Abs. 3 und 5 AHVG. Der Zuschlag berechnet sich pro Tag. Der Bundesrat regelt im Übrigen die Einzelheiten.
Nach Art. 39 IVV (SR 831.201) liegt eine intensive Betreuung im Sinne von Art. 42ter Abs. 3 IVG bei Minderjährigen vor, wenn diese im Tagesdurchschnitt infolge Beeinträchtigung der Gesundheit zusätzliche Betreuung von mindestens vier Stunden benötigen (Abs. 1). Anrechenbar als Betreuung ist der Mehrbedarf an Behandlungs- und Grundpflege im Vergleich zu nichtbehinderten Minderjährigen gleichen Alters. Nicht anrechenbar ist der Zeitaufwand für ärztlich verordnete medizinische Massnahmen, welche durch medizinische Hilfspersonen vorgenommen werden sowie für pädagogisch-therapeutische Massnahmen (Abs. 2). Bedarf eine minderjährige Person infolge Beeinträchtigung der Gesundheit zusätzlich einer dauernden Überwachung, so kann diese als Betreuung von zwei Stunden angerechnet werden. Eine besonders intensive behinderungsbedingte Überwachung ist als Betreuung von vier Stunden anrechenbar (Abs. 3).
Im Kreisschreiben des BSV über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung (KSIH), gültig ab 1. Januar 2015, werden die in Art. 39 Abs. 2 und 3 IVV geregelten Tatbestände konkretisiert (vgl. zur Tragweite von Weisungen der Aufsichtsbehörde BGE 136 V 16 E. 5.1.2 in fine S. 20 und BGE 133 V 257 E. 3.2 S. 258; vgl. auch nachfolgende E. 4.3).
4.2 Aus dem Abklärungsbericht über die Hilflosigkeit und den Betreuungsaufwand vom 28. März 2018 geht Folgendes hervor: Der Versicherte atmet über ein Tracheostoma resp. eine Trachealkanüle; wenn diese (etwa durch Sekret) verstopft ist, besteht Lebensgefahr. Wenn nicht rechtzeitig interveniert wird, erleidet der Versicherte eine Panikattacke und reisst sich dabei die Kanüle heraus. Um das Ersticken zu vermeiden, muss immer wieder Sekret abgesaugt werden; jederzeit muss mit der plötzlichen Notwendigkeit einer Sauerstoffabgabe oder Beatmung mit dem Ambubeutel gerechnet werden. Der Versicherte kann sich nicht verbal bemerkbar machen. Er ist immer in Sicht- und Hörweite einer Überwachungsperson; nachts wird er mittels Monitor überwacht.
In diesem Zusammenhang hat die Vorinstanz in Anwendung von Art. 39 Abs. 3 IVV den Bedarf einer besonders intensiven Überwachung im Umfang von vier Stunden anerkannt. Der Beschwerdeführer macht geltend, damit er nicht ersticke, bedürfe er rund um die Uhr der Überwachung und sofortigen Interventionsbereitschaft einer geeigneten Person. Der ständige Interventionsbedarf sei nicht als Überwachung, sondern als (Behandlungs-)Pflege im Sinne von Art. 39 Abs. 2 IVV zu qualifizieren. Das ist als Rechtsfrage (vgl. nicht publ. E. 1) zu prüfen.
4.3 Der in Art. 42ter Abs. 2 IVG und Art. 39 Abs. 1 IVV verwendete Begriff der "Betreuung" umfasst die Grund- und dieBehandlungspflege gemäss Art. 39 Abs. 2 IVV sowie die Überwachung gemäss Art. 39 Abs. 3 IVV. Die Tragweite der Grund- und Behandlungspflege im Sinn dieser Bestimmungen ergibt sich in Anlehnung an die (beim Erlass von Art. 39 IVV am 21. Mai 2003 geltenden) Vorgaben von Art. 7 Abs. 2 lit. b und c der Verordnung vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV; SR 832. 112.31). Der Bundesrat als Verordnungsgeber verzichtete auf einen ausdrücklichen Verweis auf die KLV, um der Konkretisierung auf Weisungsebene (KSIH) Vorrang einzuräumen. Damit bezweckte er, der Invalidenversicherung einen grösseren Handlungsspielraum und die Unabhängigkeit von allfälligen Veränderungen innerhalb der Krankenversicherung zu sichern(Erläuterungen des BSV zu den Änderungen der IVV vom 21. Mai 2003, insbesondere zu Art. 39, AHI 5/2003 S. 329).
4.4
4.4.1 Gemäss Rz. 8075 KSIH gehören zu den pflegerischen Massnahmen insbesondere das Spülen, Reinigen und Versorgen von Wunden und Körperhöhlen (einschliesslich Massnahmen bei Stomaträgern), Massnahmen zur Atemtherapie (wie Sauerstoffverabreichung, Inhalation, einfache Atemübungen) und solche zur medizinisch-technischen Überwachung (Infusionen und Transfusionen; Überwachung von Geräten, die der Kontrolle und Erhaltung von vitalen Funktionen dienen). Laut Rz. 8077.3 KSIH (vgl. auch IV-Rundschreiben Nr. 394 des BSV vom 12. Dezember 2019 zu Kinderspitex-Leistungen nach Art. 13 f. IVG) kann im Rahmen einer medizinischen Massnahme eine Langzeitüberwachung zugesprochen werden.
4.4.2 Nach Art. 7 Abs. 2 lit. b KLV (der in den hier interessierenden Punkten keine Änderung erfuhr) gelten als Massnahmen der Untersuchung und Behandlung insbesondere die Messung der Vitalzeichen (Puls, Blutdruck, Temperatur, Atem, Gewicht; Ziff. 1), Massnahmen zur Atemtherapie (wie O2 -Verabreichung, Inhalation, einfache Atemübungen, Absaugen; Ziff. 4) und Massnahmen zur Überwachung von Infusionen, Transfusionen und Geräten, die der Behandlung oder der Kontrolle und Erhaltung von vitalen Funktionen dienen (Ziff. 9).
Im Lichte dieser Bestimmungen bestätigte das Bundesgericht die Qualifikation der nächtlichen Beatmungsüberwachung einer am Undine-Syndrom leidenden Versicherten als Behandlungspflege (BGE 142 V 144 E. 5.2 S. 150). Im Urteil 9C_43/2012 vom 12. Juli 2012 E. 4.1 wurden "tote Zeiten", die im Zusammenhang mit Behandlungspflege (im engeren Sinn) anfielen, als nicht blosse Überwachung qualifiziert. Auch im (die Unfallversicherung betreffenden) Urteil 8C_457/2014 vom 5. September 2014 E. 3.2 wurde die Überwachung der Beatmung als medizinische Pflegeleistung anerkannt. Entscheidend war dabei jeweils, dass auch in "toten" Zeiten (Zeiten ohne Vornahme von pflegerischen oder medizinischen Massnahmen) eine stetige Interventionsbereitschaft (durch medizinisch geschultes Personal) gewährleistet sein musste, und die notwendigen Interventionen bzw. behandlungspflegerischen Massnahmen weder planbar waren noch durch ein Alarmsystem organisiert werden konnten.
4.5 In concreto geht es um Massnahmen im Zusammenhang mit der Atmung über die Trachealkanüle, die ohne Weiteres unter die soeben (in E. 4.4) genannten Vorgaben des KSIH und der KLV zu subsumieren sind. Diese Massnahmen sind nicht planbar und können auch nicht durch ein Alarmsystem organisiert werden; sie erfordern eine stetige unmittelbare Interventionsbereitschaft und vorgängig eine medizinische Schulung der damit betrauten Personen. Dem Beschwerdeführer ist somit beizupflichten, dass die in diesem Zusammenhang notwendige Überwachung der Atmung als Pflegeleistung im Sinn von Art. 39 Abs. 2 IVV und nicht als Überwachung gemäss Art. 39 Abs. 3 IVV zu berücksichtigen ist. Dies erkannte denn auch die IV-Stelle (implizit), als sie bei der Kostengutsprache für medizinische Massnahmen wöchentlich sechs Nachteinsätze der Kinderspitex zu je acht Stunden bewilligte.
Damit erübrigen sich Ausführungen zur - in der Beschwerde ebenfalls aufgeworfenen - Frage, ob die in Art. 39 Abs. 3 IVV auf vier Stunden begrenzte Anrechenbarkeit der Überwachung verfassungs- und gesetzmässig ist. Die IV-Stelle wird festzulegen haben, in welchem Umfang die Überwachung der Atmung als Pflegemassnahme bei der Betreuung - insbesondere mit Blick auf den Mehraufwand gegenüber gleichaltrigen nicht behinderten Kindern (vgl. Art. 39 Abs. 1 und 2 IVV; Rz. 8074 KSIH) - zu berücksichtigen ist. Anschliessend wird sie über den Intensivpflegezuschlag resp. über die Höhe der Entschädigung für schwere (vgl. vorangehende E. 3) Hilflosigkeit eine neue Verfügung erlassen. Sodann wird sie im Lichte von Art. 39a lit. c IVV i.V.m. Art.42quater Abs. 3 IVG und gegebenenfalls der weiteren Voraussetzungen erneut über den Anspruch auf Assistenzbeitrag zu befinden haben. | de | Art. 42ter cpv. 3 LAI; art. 39 OAI; supplemento per cure intensive dell'assegno per grandi invalidi. La sorveglianza della respirazione attraverso una cannula tracheale, che necessita una costante e immediata disponibilità di intervento tramite una persona formata dal punto di vista medico, è una prestazione di cura a norma dell'art. 39 cpv. 2 OAI e non soltanto una semplice sorveglianza secondo l'art. 39 cpv. 3 OAI (consid. 4.5). | it | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-73%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,826 | 147 V 79 | 147 V 79
Sachverhalt ab Seite 80
A. Der 1966 geborene A., der zuletzt als Geschäftsführer, Teilinhaber und Sprachlehrer der B. GmbH tätig war, meldete sich im September 2014 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich nahm verschiedene erwerbliche und medizinische Abklärungen vor. Nachdem der Regionale Ärztliche Dienst (RAD) die divergierenden medizinischen Beurteilungen der Dres. med. C., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, und D., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, für nicht nachvollziehbar erachtet hatte, veranlasste sie eine polydisziplinäre Begutachtung des Versicherten in der Ärztliches Begutachtungsinstitut (ABI) GmbH, Basel. Alsdann stellte die Verwaltung A. vorbescheidweise die Ablehnung eines Rentenanspruchs in Aussicht, wogegen dieser Einwände erhob und verschiedene Berichte einreichte. Die IV-Stelle orientierte ihn daraufhin, dass eine polydisziplinäre Verlaufsbegutachtung in der ABI notwendig sei. Daran hielt die Verwaltung mit unangefochten gebliebener Zwischenverfügung vom 20. September 2017 fest. Am 19. März 2018 erstattete die ABI das Verlaufsgutachten und ergänzte dieses betreffend die Arbeitsfähigkeit am 19. April 2018. Anschliessend verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch (Verfügung vom 4. Mai 2018).
B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 27. Januar 2020 ab.
C. A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen mit dem Auftrag, den Sachverhalt beweiswertig festzustellen und die geschuldete Rente zuzusprechen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1 Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat, indem es in Bestätigung der Verfügung vom 4. Mai 2018 aufgrund der ABI-Gutachten einen Rentenanspruch verneinte.
(...)
5. (...)
5.2 Der Beschwerdeführer führt im Wesentlichen aus, Art. 72bis Abs. 2 IVV (SR 831.201), gemäss welchem eine Vergabe von polydisziplinären Gutachten nach dem Zufallsprinzip zu erfolgen habe, sei verletzt: Das Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) über das Verfahren in der Invalidenversicherung (KSVI) verstosse gegen diese Bestimmung. Zudem rügt der Beschwerdeführer die vorinstanzliche Beweiswürdigung und die Feststellungen gestützt auf die ABI-Gutachten in verschiedener Hinsicht.
(...)
7.
7.1 Nach Art. 72bis IVV haben medizinische Gutachten, an denen drei und mehr Fachdisziplinen beteiligt sind, bei einer Gutachterstelle zu erfolgen, mit welcher das Bundesamt eine Vereinbarung getroffen hat (Abs. 1). Die Vergabe der Aufträge erfolgt nach dem Zufallsprinzip (Abs. 2).
7.2 Rz. 2077.5 KSVI in der seit 1. Januar 2018 gültigen Fassung bestimmt, Verlaufsgutachten können derselben Gutachterstelle in Auftrag gegeben werden, die bereits das erste polydisziplinäre Gutachten erstellt hat, vorausgesetzt, dieses ist über die Plattform SuisseMED@P vergeben worden. Ferner sieht die Muster-Vereinbarung zwischen dem BSV und der Gutachterstelle xy betreffend die Durchführung von polydisziplinären Gutachten zur Beurteilung von Leistungsansprüchen in der Invalidenversicherung (gestützt auf Art. 72bis IVV) vor, dass vom Zufallsprinzip die Aufträge für Verlaufsgutachten ausgenommen sind, welche innerhalb einer Frist von drei Jahren seit der ersten polydisziplinären Begutachtung notwendig sind (Art. 3 lit. a [www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialversicherungen/iv/grundlagen-gesetze/organisation-iv/medizinische-gutachten-iv.html]).
7.3
7.3.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der massgeblichen Norm. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei alle Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrunde liegenden Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die Entstehungsgeschichte ist zwar nicht unmittelbar entscheidend, dient aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Namentlich zur Auslegung neuerer Texte, die noch auf wenig veränderte Umstände und ein kaum gewandeltes Rechtsverständnis treffen, kommt den Materialien eine besondere Bedeutung zu. Vom Wortlaut darf abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Regelung wiedergibt. Sind mehrere Auslegungen möglich, ist jene zu wählen, die der Verfassung am besten entspricht. Allerdings findet auch eine verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung (BGE 145 V 2 E. 4.1 S. 7 mit Hinweisen).
7.3.2 Verwaltungsweisungen, wie das KSVI, richten sich grundsätzlich nur an die Durchführungsstellen und sind für die Gerichte nicht verbindlich. Indes berücksichtigen die Gerichte die Kreisschreiben insbesondere dann und weichen nicht ohne triftigen Grund davon ab, wenn diese eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen und eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben enthalten. Dadurch wird dem Bestreben der Verwaltung Rechnung getragen, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten (BGE 138 V 346 E. 6.2 S. 362; BGE 137 V 1 E. 5.2.3 S. 8; BGE 133 V 257 E. 3.2 S. 258 mit Hinweisen; vgl. BGE 133 II 305 E. 8.1 S. 315). Auf dem Wege von Verwaltungsweisungen dürfen keine über Gesetz und Verordnung hinausgehenden Einschränkungen eines materiellen Rechtsanspruchs eingeführt werden (BGE 140 V 543 E. 3.2.2.1 S. 547 f.; BGE 132 V 121 E. 4.4 S. 125; Urteil 2C_209/2017 vom 16. Dezember 2019 E. 4.1).
7.4
7.4.1 Der deutsche Wortlaut von Art. 72bis IVV stimmt mit demjenigen der französischen und italienischen Fassung überein. Daraus ergibt sich, dass die Vergabe von Aufträgen für interdisziplinäre medizinische Gutachten nach dem Zufallsprinzip zu erfolgen hat (vgl. auch BGE 139 V 349 E. 5.2.1 S. 354). Es wird nicht zwischen dem Auftrag für die Erst- und Verlaufsbegutachtung unterschieden. Es geht damit aus der Bestimmung nicht hinreichend klar hervor, ob die einmal bestimmte Gutachterstelle im Verlauf des Verfahrens erneut herangezogen werden kann oder ob die Vergabe des Verlaufsgutachtens im gleichen Abklärungsverfahren zwingend neu nach dem Zufallsprinzip zu erfolgen hat. Um die Tragweite von Art. 72bis
IVV zu bestimmen, ist deshalb auf die anderen Auslegungselemente zurückzugreifen.
7.4.2 Nach Art. 43 Abs. 1 ATSG prüft der Versicherungsträger die Begehren, nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die erforderlichen Auskünfte ein (Satz 1; vgl. auch Art. 57 Abs. 3 IVG). Die grosse Vielfalt von Begutachtungssituationen erfordert Flexibilität (BGE 139 V 349 E. 3.2 S. 352). Dem Versicherungsträger kommt in Bezug auf Notwendigkeit, Umfang und Zweckmässigkeit von medizinischen Erhebungen denn auch ein grosser Ermessensspielraum zu (Urteil 8C_481/2013 vom 7. November 2013 E. 3.4, nicht publ. in: BGE 139 V 585, aber in: SVR 2014 UV Nr. 7 S. 21). Hier ordnet sich Art. 72bis IVV in gesetzessystematischer Hinsicht auf Verordnungsstufe ein, indem er in verfahrensmässiger Hinsicht die Abklärung der Verhältnisse mittels polydisziplinären medizinischen Gutachten (Fünfter Abschnitt des IVV "Das Verfahren", lit. B "Die Abklärung der Verhältnisse", Titel von Art. 72bis IVV "polydisziplinäre medizinische Gutachten") regelt.
7.4.3 Art. 72bis IVV, in Kraft seit 1. März 2012, erliess der Bundesrat im Nachgang zum Grundsatzurteil BGE 137 V 210 (vgl. Erläuterungen betreffend Änderungen der IVV vom 1. März 2012 S. 23, abrufbar unter www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialversicherungen/ iv/grundlagen-gesetze/gesetze-verordnungen.html).
7.4.3.1 In diesem Urteil befasste sich das Bundesgericht in umfassender und einlässlicher Weise mit der Verfassungs- und EMRK-Konformität des sozialversicherungsrechtlichen Abklärungsverfahrens schweizerischen Zuschnitts. Zur Gewährleistung der Rechtmässigkeit dieses Verfahrens und um den aus dem Ertragspotenzial der involvierten medizinischen Abklärungsstellen (MEDAS) entstehenden Gefährdungen der Verfahrensgarantien zu begegnen, schuf das Bundesgericht verschiedene Korrektive. Dazu gehörte insbesondere die Stärkung der Partizipationsrechte der betroffenen Versicherten und die zufallsbasierte Vergabe bei MEDAS-Gutachteraufträgen (BGE 143 V 269 E. 3.1 S. 272; BGE 137 V 210 E. 3.1.1 S. 242). Mit Letzterem soll dem potenziellen Risiko für sachfremde Einflüsse auf die gutachterliche Unabhängigkeit vorgebeugt werden. Die Auftragsvergabe an externe Gutachterstellen soll nicht von nicht rechtlich determinierten Zielorientierungen im Sinne einer unzulässigen ergebnisbezogenen Steuerung von medizinischen Feststellungsprozessen überlagert werden, beispielsweise bei der Auswahl der Experten (BGE 137 V 210 E. 2.4.4 S. 239 f.).
7.4.3.2 Für die Auslegung von Art. 72bis IVV und die Beantwortung der Frage, inwiefern das Zufallsprinzip zur Anwendung kommt, ist somit massgebend, in welchem Ausmass strukturelle Korrektive aus rechtsstaatlicher Sicht erforderlich sind, um die Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Gutachterwesens zu garantieren.
7.4.4 Die Auftragsvergabe nach dem Zufallsprinzip neutralisiert - zusammen mit den weiteren Vorgaben nach BGE 137 V 210 - generelle, aus den Rahmenbedingungen des Gutachterwesens fliessende Abhängigkeits- und Befangenheitsbefürchtungen; nicht einzelfallbezogene Bedenken werden gegenstandslos (BGE 139 V 349 E. 5.2.2.1 S. 355). Die Unabhängigkeit und Unbefangenheit der bestimmten Gutachterstelle gilt diesfalls generell und beschränkt sich in zeitlicher Hinsicht nicht bis zur Erstattung des Erstgutachtens. Vielmehr sollen offene Fragen oder Zweifel an den gutachterlichen Schlussfolgerungen in erster Linie mit den Verfassern des betreffenden Gutachtens geklärt werden (vgl. BGE 137 V 210 E. 3.3.1 S. 245). Ferner vermag der Umstand, dass ein Sachverständiger sich schon einmal mit einer Person befasst hat, objektiv keinen Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit begründen, dies selbst, wenn ein Gutachter zu (für eine Partei) ungünstigen Schlussfolgerungen gelangte (BGE 132 V 93 E. 7.2.2 S. 110). Vielmehr kann die Begutachtung bei der gleichen Abklärungsstelle den Aufschlusswert zur Beurteilung der medizinischen Entwicklung erhöhen, insbesondere wenn das Verlaufsgutachten durch einen bereits mit dem Fall vertrauten medizinischen Gutachter erfolgt (vgl. Urteil 9C_1032/2010 vom 1. September 2011 E. 4.1). Das Kreisschreiben und die Muster-Vereinbarung betreffend die Durchführung von polydisziplinären Gutachten zur Beurteilung von Leistungsansprüchen in der Invalidenversicherung (E. 7.2 hiervor) tragen somit dem spezifischen Abklärungsbedarf Rechnung und beruhen nicht auf ergebnisorientierten Überlegungen.
7.4.5 Nachdem allgemeine Abhängigkeits- und Befangenheitsbefürchtungen durch eine zufallsbasierte Auftragserteilung für das Erstgutachten eliminiert und die Erstgutachter dadurch nicht unzulässig vorbefasst sind, ist gegen ein Verlaufsgutachten innert drei Jahren nach dem Erstgutachten durch die gleiche Abklärungsstelle nichts einzuwenden. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass ein Verlaufsgutachten nicht der Einholung einer Zweitmeinung (sog. second opinion) dient und zu einer solchen auch nicht verkommen soll. Mit dem Zufallsprinzip werden strukturelle Nachteile beseitigt, es bezweckt aber nicht die Verbesserung der objektiven materiellen Erfolgsaussichten im Einzelfall (vgl. BGE 137 V 210 E. 2.1.2.3 S. 230): So auch nicht, wenn ein erstes Gutachten zu (für eine Partei) ungünstigen Schlussfolgerungen gelangte. Art. 72bis IVV ist somit nicht verletzt, wenn im Rahmen des gleichen Abklärungsverfahrens ein Verlaufsgutachten bei der gleichen medizinischen Abklärungsstelle eingeholt wird, falls die Auftragsvergabe für das Erstgutachten nach dem Zufallsprinzip erfolgte.
7.5 Das Erstgutachten der ABI vom 1. März 2016 erfolgte nach einer Auftragsvergabe gemäss dem Zufallsprinzip. Der RAD hat dieses Gutachten - auch mit Blick auf die Einwendungen des Beschwerdeführers - als beweiswertig eingeschätzt. Aufgrund einer möglichen psychischen Verschlechterung empfahl der RAD aber am 23. Mai 2017 ein Verlaufsgutachten bei der ABI einzuholen. Es war somit nach etwas mehr als einem Jahr im Rahmen der erstmaligen Abklärung des Rentenanspruchs zu prüfen, ob sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zwischenzeitlich verschlechtert hatte. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs zum Erstgutachten und in Anbetracht, dass nach dem hiervor Dargelegten keine Abhängigkeits- und Befangenheitsbefürchtungen gegen eine Verlaufsbegutachtung in der ABI sprachen, verletzt das Einholen eines Verlaufsgutachtens bei der ABI kein Bundesrecht. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit dem Abklärungsergebnis der ABI im Erstgutachten nicht einverstanden war, ändert daran nichts. Es bestand - auch mit Blick auf die nachfolgenden Erwägungen (nicht publ.) zum Beweiswert der Einschätzungen der ABI - kein Anlass, ein Zweitgutachten (second opinion) einzuholen. | de | Art. 72bis IVV; polydisziplinäre Verlaufsgutachten. Eine Gutachterstelle darf im Rahmen eines laufenden Abklärungsverfahrens ohne Zuhilfenahme des Zufallsprinzips mit dem polydisziplinären Verlaufsgutachten beauftragt werden, wenn die von ihr erstattete Erstexpertise auf einer zufallsbasierten Auftragserteilung beruht hat (E. 7.4.5). | de | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-79%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,827 | 147 V 79 | 147 V 79
Sachverhalt ab Seite 80
A. Der 1966 geborene A., der zuletzt als Geschäftsführer, Teilinhaber und Sprachlehrer der B. GmbH tätig war, meldete sich im September 2014 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich nahm verschiedene erwerbliche und medizinische Abklärungen vor. Nachdem der Regionale Ärztliche Dienst (RAD) die divergierenden medizinischen Beurteilungen der Dres. med. C., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, und D., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, für nicht nachvollziehbar erachtet hatte, veranlasste sie eine polydisziplinäre Begutachtung des Versicherten in der Ärztliches Begutachtungsinstitut (ABI) GmbH, Basel. Alsdann stellte die Verwaltung A. vorbescheidweise die Ablehnung eines Rentenanspruchs in Aussicht, wogegen dieser Einwände erhob und verschiedene Berichte einreichte. Die IV-Stelle orientierte ihn daraufhin, dass eine polydisziplinäre Verlaufsbegutachtung in der ABI notwendig sei. Daran hielt die Verwaltung mit unangefochten gebliebener Zwischenverfügung vom 20. September 2017 fest. Am 19. März 2018 erstattete die ABI das Verlaufsgutachten und ergänzte dieses betreffend die Arbeitsfähigkeit am 19. April 2018. Anschliessend verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch (Verfügung vom 4. Mai 2018).
B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 27. Januar 2020 ab.
C. A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen mit dem Auftrag, den Sachverhalt beweiswertig festzustellen und die geschuldete Rente zuzusprechen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1 Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat, indem es in Bestätigung der Verfügung vom 4. Mai 2018 aufgrund der ABI-Gutachten einen Rentenanspruch verneinte.
(...)
5. (...)
5.2 Der Beschwerdeführer führt im Wesentlichen aus, Art. 72bis Abs. 2 IVV (SR 831.201), gemäss welchem eine Vergabe von polydisziplinären Gutachten nach dem Zufallsprinzip zu erfolgen habe, sei verletzt: Das Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) über das Verfahren in der Invalidenversicherung (KSVI) verstosse gegen diese Bestimmung. Zudem rügt der Beschwerdeführer die vorinstanzliche Beweiswürdigung und die Feststellungen gestützt auf die ABI-Gutachten in verschiedener Hinsicht.
(...)
7.
7.1 Nach Art. 72bis IVV haben medizinische Gutachten, an denen drei und mehr Fachdisziplinen beteiligt sind, bei einer Gutachterstelle zu erfolgen, mit welcher das Bundesamt eine Vereinbarung getroffen hat (Abs. 1). Die Vergabe der Aufträge erfolgt nach dem Zufallsprinzip (Abs. 2).
7.2 Rz. 2077.5 KSVI in der seit 1. Januar 2018 gültigen Fassung bestimmt, Verlaufsgutachten können derselben Gutachterstelle in Auftrag gegeben werden, die bereits das erste polydisziplinäre Gutachten erstellt hat, vorausgesetzt, dieses ist über die Plattform SuisseMED@P vergeben worden. Ferner sieht die Muster-Vereinbarung zwischen dem BSV und der Gutachterstelle xy betreffend die Durchführung von polydisziplinären Gutachten zur Beurteilung von Leistungsansprüchen in der Invalidenversicherung (gestützt auf Art. 72bis IVV) vor, dass vom Zufallsprinzip die Aufträge für Verlaufsgutachten ausgenommen sind, welche innerhalb einer Frist von drei Jahren seit der ersten polydisziplinären Begutachtung notwendig sind (Art. 3 lit. a [www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialversicherungen/iv/grundlagen-gesetze/organisation-iv/medizinische-gutachten-iv.html]).
7.3
7.3.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der massgeblichen Norm. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei alle Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrunde liegenden Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die Entstehungsgeschichte ist zwar nicht unmittelbar entscheidend, dient aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Namentlich zur Auslegung neuerer Texte, die noch auf wenig veränderte Umstände und ein kaum gewandeltes Rechtsverständnis treffen, kommt den Materialien eine besondere Bedeutung zu. Vom Wortlaut darf abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Regelung wiedergibt. Sind mehrere Auslegungen möglich, ist jene zu wählen, die der Verfassung am besten entspricht. Allerdings findet auch eine verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung (BGE 145 V 2 E. 4.1 S. 7 mit Hinweisen).
7.3.2 Verwaltungsweisungen, wie das KSVI, richten sich grundsätzlich nur an die Durchführungsstellen und sind für die Gerichte nicht verbindlich. Indes berücksichtigen die Gerichte die Kreisschreiben insbesondere dann und weichen nicht ohne triftigen Grund davon ab, wenn diese eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen und eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben enthalten. Dadurch wird dem Bestreben der Verwaltung Rechnung getragen, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten (BGE 138 V 346 E. 6.2 S. 362; BGE 137 V 1 E. 5.2.3 S. 8; BGE 133 V 257 E. 3.2 S. 258 mit Hinweisen; vgl. BGE 133 II 305 E. 8.1 S. 315). Auf dem Wege von Verwaltungsweisungen dürfen keine über Gesetz und Verordnung hinausgehenden Einschränkungen eines materiellen Rechtsanspruchs eingeführt werden (BGE 140 V 543 E. 3.2.2.1 S. 547 f.; BGE 132 V 121 E. 4.4 S. 125; Urteil 2C_209/2017 vom 16. Dezember 2019 E. 4.1).
7.4
7.4.1 Der deutsche Wortlaut von Art. 72bis IVV stimmt mit demjenigen der französischen und italienischen Fassung überein. Daraus ergibt sich, dass die Vergabe von Aufträgen für interdisziplinäre medizinische Gutachten nach dem Zufallsprinzip zu erfolgen hat (vgl. auch BGE 139 V 349 E. 5.2.1 S. 354). Es wird nicht zwischen dem Auftrag für die Erst- und Verlaufsbegutachtung unterschieden. Es geht damit aus der Bestimmung nicht hinreichend klar hervor, ob die einmal bestimmte Gutachterstelle im Verlauf des Verfahrens erneut herangezogen werden kann oder ob die Vergabe des Verlaufsgutachtens im gleichen Abklärungsverfahren zwingend neu nach dem Zufallsprinzip zu erfolgen hat. Um die Tragweite von Art. 72bis
IVV zu bestimmen, ist deshalb auf die anderen Auslegungselemente zurückzugreifen.
7.4.2 Nach Art. 43 Abs. 1 ATSG prüft der Versicherungsträger die Begehren, nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die erforderlichen Auskünfte ein (Satz 1; vgl. auch Art. 57 Abs. 3 IVG). Die grosse Vielfalt von Begutachtungssituationen erfordert Flexibilität (BGE 139 V 349 E. 3.2 S. 352). Dem Versicherungsträger kommt in Bezug auf Notwendigkeit, Umfang und Zweckmässigkeit von medizinischen Erhebungen denn auch ein grosser Ermessensspielraum zu (Urteil 8C_481/2013 vom 7. November 2013 E. 3.4, nicht publ. in: BGE 139 V 585, aber in: SVR 2014 UV Nr. 7 S. 21). Hier ordnet sich Art. 72bis IVV in gesetzessystematischer Hinsicht auf Verordnungsstufe ein, indem er in verfahrensmässiger Hinsicht die Abklärung der Verhältnisse mittels polydisziplinären medizinischen Gutachten (Fünfter Abschnitt des IVV "Das Verfahren", lit. B "Die Abklärung der Verhältnisse", Titel von Art. 72bis IVV "polydisziplinäre medizinische Gutachten") regelt.
7.4.3 Art. 72bis IVV, in Kraft seit 1. März 2012, erliess der Bundesrat im Nachgang zum Grundsatzurteil BGE 137 V 210 (vgl. Erläuterungen betreffend Änderungen der IVV vom 1. März 2012 S. 23, abrufbar unter www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialversicherungen/ iv/grundlagen-gesetze/gesetze-verordnungen.html).
7.4.3.1 In diesem Urteil befasste sich das Bundesgericht in umfassender und einlässlicher Weise mit der Verfassungs- und EMRK-Konformität des sozialversicherungsrechtlichen Abklärungsverfahrens schweizerischen Zuschnitts. Zur Gewährleistung der Rechtmässigkeit dieses Verfahrens und um den aus dem Ertragspotenzial der involvierten medizinischen Abklärungsstellen (MEDAS) entstehenden Gefährdungen der Verfahrensgarantien zu begegnen, schuf das Bundesgericht verschiedene Korrektive. Dazu gehörte insbesondere die Stärkung der Partizipationsrechte der betroffenen Versicherten und die zufallsbasierte Vergabe bei MEDAS-Gutachteraufträgen (BGE 143 V 269 E. 3.1 S. 272; BGE 137 V 210 E. 3.1.1 S. 242). Mit Letzterem soll dem potenziellen Risiko für sachfremde Einflüsse auf die gutachterliche Unabhängigkeit vorgebeugt werden. Die Auftragsvergabe an externe Gutachterstellen soll nicht von nicht rechtlich determinierten Zielorientierungen im Sinne einer unzulässigen ergebnisbezogenen Steuerung von medizinischen Feststellungsprozessen überlagert werden, beispielsweise bei der Auswahl der Experten (BGE 137 V 210 E. 2.4.4 S. 239 f.).
7.4.3.2 Für die Auslegung von Art. 72bis IVV und die Beantwortung der Frage, inwiefern das Zufallsprinzip zur Anwendung kommt, ist somit massgebend, in welchem Ausmass strukturelle Korrektive aus rechtsstaatlicher Sicht erforderlich sind, um die Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Gutachterwesens zu garantieren.
7.4.4 Die Auftragsvergabe nach dem Zufallsprinzip neutralisiert - zusammen mit den weiteren Vorgaben nach BGE 137 V 210 - generelle, aus den Rahmenbedingungen des Gutachterwesens fliessende Abhängigkeits- und Befangenheitsbefürchtungen; nicht einzelfallbezogene Bedenken werden gegenstandslos (BGE 139 V 349 E. 5.2.2.1 S. 355). Die Unabhängigkeit und Unbefangenheit der bestimmten Gutachterstelle gilt diesfalls generell und beschränkt sich in zeitlicher Hinsicht nicht bis zur Erstattung des Erstgutachtens. Vielmehr sollen offene Fragen oder Zweifel an den gutachterlichen Schlussfolgerungen in erster Linie mit den Verfassern des betreffenden Gutachtens geklärt werden (vgl. BGE 137 V 210 E. 3.3.1 S. 245). Ferner vermag der Umstand, dass ein Sachverständiger sich schon einmal mit einer Person befasst hat, objektiv keinen Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit begründen, dies selbst, wenn ein Gutachter zu (für eine Partei) ungünstigen Schlussfolgerungen gelangte (BGE 132 V 93 E. 7.2.2 S. 110). Vielmehr kann die Begutachtung bei der gleichen Abklärungsstelle den Aufschlusswert zur Beurteilung der medizinischen Entwicklung erhöhen, insbesondere wenn das Verlaufsgutachten durch einen bereits mit dem Fall vertrauten medizinischen Gutachter erfolgt (vgl. Urteil 9C_1032/2010 vom 1. September 2011 E. 4.1). Das Kreisschreiben und die Muster-Vereinbarung betreffend die Durchführung von polydisziplinären Gutachten zur Beurteilung von Leistungsansprüchen in der Invalidenversicherung (E. 7.2 hiervor) tragen somit dem spezifischen Abklärungsbedarf Rechnung und beruhen nicht auf ergebnisorientierten Überlegungen.
7.4.5 Nachdem allgemeine Abhängigkeits- und Befangenheitsbefürchtungen durch eine zufallsbasierte Auftragserteilung für das Erstgutachten eliminiert und die Erstgutachter dadurch nicht unzulässig vorbefasst sind, ist gegen ein Verlaufsgutachten innert drei Jahren nach dem Erstgutachten durch die gleiche Abklärungsstelle nichts einzuwenden. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass ein Verlaufsgutachten nicht der Einholung einer Zweitmeinung (sog. second opinion) dient und zu einer solchen auch nicht verkommen soll. Mit dem Zufallsprinzip werden strukturelle Nachteile beseitigt, es bezweckt aber nicht die Verbesserung der objektiven materiellen Erfolgsaussichten im Einzelfall (vgl. BGE 137 V 210 E. 2.1.2.3 S. 230): So auch nicht, wenn ein erstes Gutachten zu (für eine Partei) ungünstigen Schlussfolgerungen gelangte. Art. 72bis IVV ist somit nicht verletzt, wenn im Rahmen des gleichen Abklärungsverfahrens ein Verlaufsgutachten bei der gleichen medizinischen Abklärungsstelle eingeholt wird, falls die Auftragsvergabe für das Erstgutachten nach dem Zufallsprinzip erfolgte.
7.5 Das Erstgutachten der ABI vom 1. März 2016 erfolgte nach einer Auftragsvergabe gemäss dem Zufallsprinzip. Der RAD hat dieses Gutachten - auch mit Blick auf die Einwendungen des Beschwerdeführers - als beweiswertig eingeschätzt. Aufgrund einer möglichen psychischen Verschlechterung empfahl der RAD aber am 23. Mai 2017 ein Verlaufsgutachten bei der ABI einzuholen. Es war somit nach etwas mehr als einem Jahr im Rahmen der erstmaligen Abklärung des Rentenanspruchs zu prüfen, ob sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zwischenzeitlich verschlechtert hatte. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs zum Erstgutachten und in Anbetracht, dass nach dem hiervor Dargelegten keine Abhängigkeits- und Befangenheitsbefürchtungen gegen eine Verlaufsbegutachtung in der ABI sprachen, verletzt das Einholen eines Verlaufsgutachtens bei der ABI kein Bundesrecht. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit dem Abklärungsergebnis der ABI im Erstgutachten nicht einverstanden war, ändert daran nichts. Es bestand - auch mit Blick auf die nachfolgenden Erwägungen (nicht publ.) zum Beweiswert der Einschätzungen der ABI - kein Anlass, ein Zweitgutachten (second opinion) einzuholen. | de | Art. 72bis RAI; expertises de suivi pluridisciplinaires. Un centre d'expertise peut, dans le cadre d'une procédure d'instruction en cours, être mandaté pour une expertise de suivi pluridisciplinaire sans recourir au principe de l'attribution aléatoire, lorsque le mandat afférent à l'expertise initiale qu'il a effectuée lui a été attribué de manière aléatoire (consid. 7.4.5). | fr | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-79%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,828 | 147 V 79 | 147 V 79
Sachverhalt ab Seite 80
A. Der 1966 geborene A., der zuletzt als Geschäftsführer, Teilinhaber und Sprachlehrer der B. GmbH tätig war, meldete sich im September 2014 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich nahm verschiedene erwerbliche und medizinische Abklärungen vor. Nachdem der Regionale Ärztliche Dienst (RAD) die divergierenden medizinischen Beurteilungen der Dres. med. C., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, und D., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, für nicht nachvollziehbar erachtet hatte, veranlasste sie eine polydisziplinäre Begutachtung des Versicherten in der Ärztliches Begutachtungsinstitut (ABI) GmbH, Basel. Alsdann stellte die Verwaltung A. vorbescheidweise die Ablehnung eines Rentenanspruchs in Aussicht, wogegen dieser Einwände erhob und verschiedene Berichte einreichte. Die IV-Stelle orientierte ihn daraufhin, dass eine polydisziplinäre Verlaufsbegutachtung in der ABI notwendig sei. Daran hielt die Verwaltung mit unangefochten gebliebener Zwischenverfügung vom 20. September 2017 fest. Am 19. März 2018 erstattete die ABI das Verlaufsgutachten und ergänzte dieses betreffend die Arbeitsfähigkeit am 19. April 2018. Anschliessend verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch (Verfügung vom 4. Mai 2018).
B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 27. Januar 2020 ab.
C. A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen mit dem Auftrag, den Sachverhalt beweiswertig festzustellen und die geschuldete Rente zuzusprechen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1 Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat, indem es in Bestätigung der Verfügung vom 4. Mai 2018 aufgrund der ABI-Gutachten einen Rentenanspruch verneinte.
(...)
5. (...)
5.2 Der Beschwerdeführer führt im Wesentlichen aus, Art. 72bis Abs. 2 IVV (SR 831.201), gemäss welchem eine Vergabe von polydisziplinären Gutachten nach dem Zufallsprinzip zu erfolgen habe, sei verletzt: Das Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) über das Verfahren in der Invalidenversicherung (KSVI) verstosse gegen diese Bestimmung. Zudem rügt der Beschwerdeführer die vorinstanzliche Beweiswürdigung und die Feststellungen gestützt auf die ABI-Gutachten in verschiedener Hinsicht.
(...)
7.
7.1 Nach Art. 72bis IVV haben medizinische Gutachten, an denen drei und mehr Fachdisziplinen beteiligt sind, bei einer Gutachterstelle zu erfolgen, mit welcher das Bundesamt eine Vereinbarung getroffen hat (Abs. 1). Die Vergabe der Aufträge erfolgt nach dem Zufallsprinzip (Abs. 2).
7.2 Rz. 2077.5 KSVI in der seit 1. Januar 2018 gültigen Fassung bestimmt, Verlaufsgutachten können derselben Gutachterstelle in Auftrag gegeben werden, die bereits das erste polydisziplinäre Gutachten erstellt hat, vorausgesetzt, dieses ist über die Plattform SuisseMED@P vergeben worden. Ferner sieht die Muster-Vereinbarung zwischen dem BSV und der Gutachterstelle xy betreffend die Durchführung von polydisziplinären Gutachten zur Beurteilung von Leistungsansprüchen in der Invalidenversicherung (gestützt auf Art. 72bis IVV) vor, dass vom Zufallsprinzip die Aufträge für Verlaufsgutachten ausgenommen sind, welche innerhalb einer Frist von drei Jahren seit der ersten polydisziplinären Begutachtung notwendig sind (Art. 3 lit. a [www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialversicherungen/iv/grundlagen-gesetze/organisation-iv/medizinische-gutachten-iv.html]).
7.3
7.3.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der massgeblichen Norm. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei alle Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrunde liegenden Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die Entstehungsgeschichte ist zwar nicht unmittelbar entscheidend, dient aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Namentlich zur Auslegung neuerer Texte, die noch auf wenig veränderte Umstände und ein kaum gewandeltes Rechtsverständnis treffen, kommt den Materialien eine besondere Bedeutung zu. Vom Wortlaut darf abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Regelung wiedergibt. Sind mehrere Auslegungen möglich, ist jene zu wählen, die der Verfassung am besten entspricht. Allerdings findet auch eine verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung (BGE 145 V 2 E. 4.1 S. 7 mit Hinweisen).
7.3.2 Verwaltungsweisungen, wie das KSVI, richten sich grundsätzlich nur an die Durchführungsstellen und sind für die Gerichte nicht verbindlich. Indes berücksichtigen die Gerichte die Kreisschreiben insbesondere dann und weichen nicht ohne triftigen Grund davon ab, wenn diese eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen und eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben enthalten. Dadurch wird dem Bestreben der Verwaltung Rechnung getragen, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten (BGE 138 V 346 E. 6.2 S. 362; BGE 137 V 1 E. 5.2.3 S. 8; BGE 133 V 257 E. 3.2 S. 258 mit Hinweisen; vgl. BGE 133 II 305 E. 8.1 S. 315). Auf dem Wege von Verwaltungsweisungen dürfen keine über Gesetz und Verordnung hinausgehenden Einschränkungen eines materiellen Rechtsanspruchs eingeführt werden (BGE 140 V 543 E. 3.2.2.1 S. 547 f.; BGE 132 V 121 E. 4.4 S. 125; Urteil 2C_209/2017 vom 16. Dezember 2019 E. 4.1).
7.4
7.4.1 Der deutsche Wortlaut von Art. 72bis IVV stimmt mit demjenigen der französischen und italienischen Fassung überein. Daraus ergibt sich, dass die Vergabe von Aufträgen für interdisziplinäre medizinische Gutachten nach dem Zufallsprinzip zu erfolgen hat (vgl. auch BGE 139 V 349 E. 5.2.1 S. 354). Es wird nicht zwischen dem Auftrag für die Erst- und Verlaufsbegutachtung unterschieden. Es geht damit aus der Bestimmung nicht hinreichend klar hervor, ob die einmal bestimmte Gutachterstelle im Verlauf des Verfahrens erneut herangezogen werden kann oder ob die Vergabe des Verlaufsgutachtens im gleichen Abklärungsverfahren zwingend neu nach dem Zufallsprinzip zu erfolgen hat. Um die Tragweite von Art. 72bis
IVV zu bestimmen, ist deshalb auf die anderen Auslegungselemente zurückzugreifen.
7.4.2 Nach Art. 43 Abs. 1 ATSG prüft der Versicherungsträger die Begehren, nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die erforderlichen Auskünfte ein (Satz 1; vgl. auch Art. 57 Abs. 3 IVG). Die grosse Vielfalt von Begutachtungssituationen erfordert Flexibilität (BGE 139 V 349 E. 3.2 S. 352). Dem Versicherungsträger kommt in Bezug auf Notwendigkeit, Umfang und Zweckmässigkeit von medizinischen Erhebungen denn auch ein grosser Ermessensspielraum zu (Urteil 8C_481/2013 vom 7. November 2013 E. 3.4, nicht publ. in: BGE 139 V 585, aber in: SVR 2014 UV Nr. 7 S. 21). Hier ordnet sich Art. 72bis IVV in gesetzessystematischer Hinsicht auf Verordnungsstufe ein, indem er in verfahrensmässiger Hinsicht die Abklärung der Verhältnisse mittels polydisziplinären medizinischen Gutachten (Fünfter Abschnitt des IVV "Das Verfahren", lit. B "Die Abklärung der Verhältnisse", Titel von Art. 72bis IVV "polydisziplinäre medizinische Gutachten") regelt.
7.4.3 Art. 72bis IVV, in Kraft seit 1. März 2012, erliess der Bundesrat im Nachgang zum Grundsatzurteil BGE 137 V 210 (vgl. Erläuterungen betreffend Änderungen der IVV vom 1. März 2012 S. 23, abrufbar unter www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialversicherungen/ iv/grundlagen-gesetze/gesetze-verordnungen.html).
7.4.3.1 In diesem Urteil befasste sich das Bundesgericht in umfassender und einlässlicher Weise mit der Verfassungs- und EMRK-Konformität des sozialversicherungsrechtlichen Abklärungsverfahrens schweizerischen Zuschnitts. Zur Gewährleistung der Rechtmässigkeit dieses Verfahrens und um den aus dem Ertragspotenzial der involvierten medizinischen Abklärungsstellen (MEDAS) entstehenden Gefährdungen der Verfahrensgarantien zu begegnen, schuf das Bundesgericht verschiedene Korrektive. Dazu gehörte insbesondere die Stärkung der Partizipationsrechte der betroffenen Versicherten und die zufallsbasierte Vergabe bei MEDAS-Gutachteraufträgen (BGE 143 V 269 E. 3.1 S. 272; BGE 137 V 210 E. 3.1.1 S. 242). Mit Letzterem soll dem potenziellen Risiko für sachfremde Einflüsse auf die gutachterliche Unabhängigkeit vorgebeugt werden. Die Auftragsvergabe an externe Gutachterstellen soll nicht von nicht rechtlich determinierten Zielorientierungen im Sinne einer unzulässigen ergebnisbezogenen Steuerung von medizinischen Feststellungsprozessen überlagert werden, beispielsweise bei der Auswahl der Experten (BGE 137 V 210 E. 2.4.4 S. 239 f.).
7.4.3.2 Für die Auslegung von Art. 72bis IVV und die Beantwortung der Frage, inwiefern das Zufallsprinzip zur Anwendung kommt, ist somit massgebend, in welchem Ausmass strukturelle Korrektive aus rechtsstaatlicher Sicht erforderlich sind, um die Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Gutachterwesens zu garantieren.
7.4.4 Die Auftragsvergabe nach dem Zufallsprinzip neutralisiert - zusammen mit den weiteren Vorgaben nach BGE 137 V 210 - generelle, aus den Rahmenbedingungen des Gutachterwesens fliessende Abhängigkeits- und Befangenheitsbefürchtungen; nicht einzelfallbezogene Bedenken werden gegenstandslos (BGE 139 V 349 E. 5.2.2.1 S. 355). Die Unabhängigkeit und Unbefangenheit der bestimmten Gutachterstelle gilt diesfalls generell und beschränkt sich in zeitlicher Hinsicht nicht bis zur Erstattung des Erstgutachtens. Vielmehr sollen offene Fragen oder Zweifel an den gutachterlichen Schlussfolgerungen in erster Linie mit den Verfassern des betreffenden Gutachtens geklärt werden (vgl. BGE 137 V 210 E. 3.3.1 S. 245). Ferner vermag der Umstand, dass ein Sachverständiger sich schon einmal mit einer Person befasst hat, objektiv keinen Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit begründen, dies selbst, wenn ein Gutachter zu (für eine Partei) ungünstigen Schlussfolgerungen gelangte (BGE 132 V 93 E. 7.2.2 S. 110). Vielmehr kann die Begutachtung bei der gleichen Abklärungsstelle den Aufschlusswert zur Beurteilung der medizinischen Entwicklung erhöhen, insbesondere wenn das Verlaufsgutachten durch einen bereits mit dem Fall vertrauten medizinischen Gutachter erfolgt (vgl. Urteil 9C_1032/2010 vom 1. September 2011 E. 4.1). Das Kreisschreiben und die Muster-Vereinbarung betreffend die Durchführung von polydisziplinären Gutachten zur Beurteilung von Leistungsansprüchen in der Invalidenversicherung (E. 7.2 hiervor) tragen somit dem spezifischen Abklärungsbedarf Rechnung und beruhen nicht auf ergebnisorientierten Überlegungen.
7.4.5 Nachdem allgemeine Abhängigkeits- und Befangenheitsbefürchtungen durch eine zufallsbasierte Auftragserteilung für das Erstgutachten eliminiert und die Erstgutachter dadurch nicht unzulässig vorbefasst sind, ist gegen ein Verlaufsgutachten innert drei Jahren nach dem Erstgutachten durch die gleiche Abklärungsstelle nichts einzuwenden. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass ein Verlaufsgutachten nicht der Einholung einer Zweitmeinung (sog. second opinion) dient und zu einer solchen auch nicht verkommen soll. Mit dem Zufallsprinzip werden strukturelle Nachteile beseitigt, es bezweckt aber nicht die Verbesserung der objektiven materiellen Erfolgsaussichten im Einzelfall (vgl. BGE 137 V 210 E. 2.1.2.3 S. 230): So auch nicht, wenn ein erstes Gutachten zu (für eine Partei) ungünstigen Schlussfolgerungen gelangte. Art. 72bis IVV ist somit nicht verletzt, wenn im Rahmen des gleichen Abklärungsverfahrens ein Verlaufsgutachten bei der gleichen medizinischen Abklärungsstelle eingeholt wird, falls die Auftragsvergabe für das Erstgutachten nach dem Zufallsprinzip erfolgte.
7.5 Das Erstgutachten der ABI vom 1. März 2016 erfolgte nach einer Auftragsvergabe gemäss dem Zufallsprinzip. Der RAD hat dieses Gutachten - auch mit Blick auf die Einwendungen des Beschwerdeführers - als beweiswertig eingeschätzt. Aufgrund einer möglichen psychischen Verschlechterung empfahl der RAD aber am 23. Mai 2017 ein Verlaufsgutachten bei der ABI einzuholen. Es war somit nach etwas mehr als einem Jahr im Rahmen der erstmaligen Abklärung des Rentenanspruchs zu prüfen, ob sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zwischenzeitlich verschlechtert hatte. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs zum Erstgutachten und in Anbetracht, dass nach dem hiervor Dargelegten keine Abhängigkeits- und Befangenheitsbefürchtungen gegen eine Verlaufsbegutachtung in der ABI sprachen, verletzt das Einholen eines Verlaufsgutachtens bei der ABI kein Bundesrecht. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit dem Abklärungsergebnis der ABI im Erstgutachten nicht einverstanden war, ändert daran nichts. Es bestand - auch mit Blick auf die nachfolgenden Erwägungen (nicht publ.) zum Beweiswert der Einschätzungen der ABI - kein Anlass, ein Zweitgutachten (second opinion) einzuholen. | de | Art. 72bis OAI; perizie pluridisciplinari integrative. Nell'ambito di una procedura d'istruzione pendente, il mandato per una perizia pluridisciplinare integrativa può essere attribuito a un centro peritale senza ricorrere al metodo aleatorio, quando la prima perizia eseguita gli era stata già attribuita con il metodo aleatorio (consid. 7.4.5). | it | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-79%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,829 | 147 V 86 | 147 V 86
Regeste b
Art. 53d Abs. 6 und Art. 73 BVG; Zuständigkeit. Die Verzinsung der aus der (Teil-)Liquidation resultierenden individuellen Austrittsleistung ist im Klageverfahren zu klären (E. 3.2).
Sachverhalt ab Seite 86
A.
A.a
A. war vom 13. März 2007 bis 19. Juni 2014 als Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift der "B. Carrosserie - Spritzwerk GmbH" (Firmennummer x; nachfolgend: altB. GmbH)
im Handelsregister eingetragen. Seit 19. Juni 2014 war er lediglich als Gesellschafter (mit Einzelunterschrift) vermerkt, während seine Ehefrau unverändert als Gesellschafterin und Geschäftsführerin mit Einzelunterschrift eingetragen blieb. Am 2. Dezember 2014 wurde die Gesellschaft in "C. GmbH" umbenannt. Gleichentags wurde die "B. Carrosserie - Spritzwerk GmbH" unter der Firmennummer y neu im Handelsregister eingetragen, wobei A. als Gesellschafter und Vorsitzender der Geschäftsführung mit Einzelunterschrift fungiert.
A.b
Seit 1. April 2007 war die altB. GmbH der META Sammelstiftung für die berufliche Vorsorge (mit Verfügung der Aufsichtsbehörde vom 20. September 2018 aufgehoben resp. in Liquidation gesetzt; nachfolgend: Meta) angeschlossen, wobei für die Arbeitgeberin ein eigenes - lediglich die obligatorische Vorsorge abdeckendes - Vorsorgewerk errichtet wurde. Per 31. Dezember 2008 betrug der Deckungsgrad der Meta 69,2 %, während der Pool 1 der Meta, dem das Vorsorgewerk der altB. GmbH angehörte, einen Deckungsgrad von 68,2 % aufwies. Im Januar 2009 und im Dezember 2011 erliess der Stiftungsrat (jeweils rückwirkend per 1. Januar 2009) Anhang 4 zum Vorsorgereglement der Meta vom 9. November 2010 (nachfolgend: Vorsorgereglement) mit "Massnahmen zur Behebung der Unterdeckung" (Minder-/Nullverzinsung, Reduktion des Umwandlungssatzes, Beschränkung des Vorbezugs für Wohneigentum, Erhebung von Sanierungsbeiträgen von Arbeitgebern und -nehmern).
Am 30. Mai 2012 kündigte die altB. GmbH den Anschlussvertrag auf den 31. Dezember 2012. Am 20. September 2012 teilte ihr die Meta mit, infolge der Unterdeckung des Vorsorgewerks reichten die verfügbaren Mittel nicht aus, die minimalen gesetzlichen Austrittsleistungen gemäss BVG zu finanzieren; gemäss Weisung der Aufsichtsbehörde könne der Anschlussvertrag erst aufgelöst werden, wenn der erforderliche Deckungsgrad erreicht sei oder der Arbeitgeber die fehlenden Mittel einbringe. Ohne Gegenbericht werde sie den Vorsorgeplan wie bis anhin weiterführen. Die altB. GmbH beharrte auf der Kündigung und war nicht bereit, zusätzliche Mittel einzuschiessen. Sowohl sie als auch die Meta hielten an ihren Positionen fest.
Der Stiftungsrat der Meta beschloss am 24. April 2013 weitere, z.T. bereits ab 1. Juli 2013 umzusetzende Sanierungsmassnahmen (insbesondere Minder-/Nullverzinsung mit gleichzeitiger Reduktion des Mindestzinssatzes gemäss BVG; Erhöhung der von Arbeitgebern
und -nehmern erhobenen Sanierungsbeiträge). Am 16. September 2013 zeigte die altB. GmbH der Meta den Austritt von D. wegen Stellenwechsels auf Ende September 2013 und am 13. Januar 2014 jenen von A. aus "anderem Grund" auf Ende Januar 2014 an.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2014 hielt die Meta fest, mit A. seien alle Versicherten aus dem Vorsorgewerk der altB. GmbH ausgetreten; damit sei der Tatbestand einer Teilliquidation erfüllt. Die Freizügigkeitsleistung des Mitarbeiters könne erst an die neue Vorsorgeeinrichtung überwiesen werden, wenn der Deckungsgrad des Vorsorgewerks bekannt, revidiert und vom Stiftungsrat verabschiedet sei. Am 14. April 2014 bekräftigte die Meta ihren Standpunkt, dass sie erst nach Eingang des "BVG-Fehlbetrags" den Anschlussvertrag auflösen und das Freizügigkeitsguthaben (d.h. das Altersguthaben nach BVG) des A. überweisen werde.
A.c
A. liess am 14. April 2014 Klage erheben mit dem Antrag, die Meta sei zu verpflichten, seine Austrittsleistung von Fr. 58'175.40 an die Raiffeisen Freizügigkeitsstiftung zu überweisen, zuzüglich Zins zu 1,75 % seit 1. Februar 2014 und zu 2,75 % seit 3. März 2014. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies die Klage mit Entscheid vom 17. September 2014 ab.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil 9C_826/2014 vom 22. September 2015 (teilweise publiziert in:
BGE 141 V 597
) ab. Dabei war entscheidend, dass bei der Meta noch kein Teilliquidationsverfahren durchgeführt worden und daher die klageweise Geltendmachung der Austrittsleistung verfrüht war.
A.d
Am 8. April 2016 beschloss die Meta die Durchführung einer Teilliquidation (zugleich Totalliquidation des betroffenen Vorsorgewerks) mit Stichtag 31. Dezember 2014. Den massgeblichen Deckungsgrad setzte sie auf 86,94 % fest. Den Fehlbetrag belastete sie vollumfänglich (anteilmässig) den Austrittsleistungen des A. und des D. Dabei versagte sie den betroffenen Versicherten den Schutz des Altersguthabens gemäss Art. 15 BVG, weil die Ursache der Teilliquidation nur gesetzt worden sei, damit sich "das Vorsorgewerk" den laufenden Sanierungsmassnahmen entziehen könne.
Mit Eingabe vom 31. März 2017 stellten A. und D. (gemeinsam) bei der BSABB BVG- und Stiftungsaufsicht beider Basel (nachfolgend: BSABB) als zuständiger Aufsichtsbehörde ein Überprüfungsbegehren. Sie beantragten, der Beschluss der Meta vom 8. April 2016 sei insofern zu ändern, als ihnen das ungekürzte Altersguthaben
zuzüglich Zins zu 5 % seit dem jeweiligen Austritt aus der Meta mitzugeben und ein anteilsmässiger Anspruch auf den Erlös der Verantwortlichkeitsansprüche gegen die ehemaligen Organe der Meta einzuräumen sei. Mit Verfügung vom 5. Februar 2018 wies die BSABB die Anträge resp. die "Aufsichtsbeschwerde" ab.
B.
Dagegen erhoben A. und D. Beschwerde, die das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 3. März 2020 teilweise - mit Bezug auf die Mitgabe der ungekürzten und zu verzinsenden Altersguthaben - guthiess. Es hob dementsprechend die Verfügung vom 5. Februar 2018 auf und wies die Angelegenheit im Sinne der Erwägungen zur Regelung der Einzelheiten der Verzinsung und zur Neuverlegung der Kosten und Entschädigungen an die BSABB zurück. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab.
C.
Die Meta beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, der Entscheid vom 3. März 2020 sei aufzuheben und die Verfügung der BSABB vom 5. Februar 2018 sei zu bestätigen. Eventualiter sei die Sache zu neuem Entscheid an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen, unter der Auflage, dass es sich auf den Streitgegenstand beschränke und prüfe, ob die Betroffenen ihre Ansprüche nicht missbräuchlich geltend machten. Subeventualiter seien die auszurichtenden Austrittsleistungen erst ab dem Datum der Rechtskraft des Teilliquidationsentscheids zu verzinsen. Ferner lässt sie um aufschiebende Wirkung der Beschwerde ersuchen.
A. und D. schliessen (gemeinsam) auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die BSABB, die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichteten auf eine Stellungnahme.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
2.1.1
Sowohl Art. 53d Abs. 3 BVG (der i.V.m. Art. 18a Abs. 2 FZG [SR 831.42] zur Anwendung gelangt und im hier interessierenden Punkt mit Art. 18 FZG übereinstimmt) als auch die Regelung in Ziff. 5.7 des Anschlussvertrags vom 7. Juli 2007 und in Art. 2 Abs. 1 des Teilliquidationsreglements vom 24. November 2009 (Anhang 3 zum Vorsorgereglement) halten unmissverständlich fest, dass bei einer (Teil-)Liquidation das Altersguthaben nach Art. 15 BVG nicht geschmälert werden darf (so auch E. 4.2.2 Abs. 1 des angefochtenen
Entscheids). Ein anderes Verständnis dieser normativen Vorgaben, das von der - vor allem vertraglich - formulierten Absolutheit abweicht, war in keinem Zeitpunkt Thema und wird auch hier nicht substanziiert vorgebracht. Im Übrigen räumt die Meta selber ein, dass das bei einer (Teil-)Liquidation für die Zuweisung des Fehlbetrags zu beachtende Gleichbehandlungsgebot (vgl.
BGE 135 V 113
E. 2.1.6 S. 118 f.) durch die Garantie des Altersguthabens gemäss Art. 15 BVG durchbrochen werde. Diesbezügliche Weiterungen sind daher obsolet.
2.1.2
Anders als in
BGE 144 V 173
(vgl. dortige E. 3.3.5.2 S. 182), in welchem Fall die Rentner bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung verblieben, gibt es vorliegend nach der Auflösung des Anschlussvertrags keine "Rest-Vertrags-Beziehung" (vgl. Art. 53e Abs. 6 BVG), die weitere Pflichten der altB. GmbH nach sich zieht. Innerhalb des hier interessierenden Vorsorgewerks bleiben keine Versicherten zurück und es wird auch kein neuer Anschlussvertrag angestrebt (für das Bundesgericht verbindliche Feststellung in E. 4.5 des angefochtenen Entscheids). Für die direkte oder analoge Anwendung von Art. 53e BVG (die in E. 4.5 des angefochtenen Entscheids ohnehin als fraglich beurteilt wurde) verbleibt daher von vornherein kein Raum. Gleichzeitig erübrigen sich weitere Ausführungen zur Gleichbehandlung des Fort- und Abgangsbestands (vgl. dazu auch E. 2.1.6 nachfolgend).
2.1.3
Die arbeitgeberseitige Pflicht zur Ausfinanzierung von Fehlbeträgen ist bundesrechtlich nicht geregelt. Die Vorsorgeeinrichtungen haben zur Regelung ihres Finanzierungssystems einen weitgehenden Handlungsspielraum (vgl. Art. 65 Abs. 2 BVG). Eine solche Pflicht ergibt sich daher entweder aus einer reglementarischen oder anschlussvertraglichen Bestimmung (
BGE 144 V 173
E. 3.3.3 S. 180 und [ebenfalls die Meta betreffend] SVR 2017 BVG Nr. 37 S. 169, 9C_938/2015 E. 6.2.1). Eine reglementarische Ausfinanzierungspflicht fehlt hier, wie die Vorinstanz (in E. 4.6 Abs. 1 des angefochtenen Entscheids) für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat. Auch im Anschlussvertrag findet sich keine solche Vorgabe.
2.1.4
Dass seitens der Beschwerdegegner oder der altB. GmbH ein Ausstand von geschuldeten Sanierungsbeiträgen (vgl. dazu E. 4.8 des angefochtenen Entscheids) bestehen soll, wurde resp. wird nicht ansatzweise geltend gemacht (vgl. zur Mitwirkungs- und Substanziierungspflicht unter Geltung des Untersuchungsgrundsatzes Urteil
9C_711/2017 vom 4. Juli 2018 E. 3.1.1 mit Hinweisen) und ist auch nicht ersichtlich. Diesbezüglich erübrigen sich Weiterungen.
2.1.5
Weder aus dem von der Meta angerufenen Art. 27h Abs. 5 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1), der vom kollektiven Anspruch auf Rückstellungen und Schwankungsreserven handelt, noch aus
BGE 119 Ib 46
E. 4d S. 55 f. lässt sich eine Relativierung von Art. 53d Abs. 3 BVG resp. der vertraglichen Regelung ableiten, da sie das nicht-individualisierte Kapital betreffen (vgl. dazu
BGE 146 V 28
E. 3.4 S. 34).
2.1.6
Bei Sammelstiftungen - wie der Meta - werden Vorsorgewerke als organisatorisch und wirtschaftlich getrennte Vorsorgekassen mit jeweils eigenem Reglement geführt. Es besteht keine Solidarität zwischen den Vorsorgewerken (
BGE 146 V 169
E. 3.1.1 S. 175;
BGE 145 V 106
E. 3.1 S. 109; vgl. auch E. 6.4 Abs. 3 des angefochtenen Entscheids). Diese Grundsätze übergeht die Meta, indem sie - pauschal und ohne weitere Begründung - vorbringt, wenn der Fehlbetrag nicht den Beschwerdegegnern zugewiesen würde, müsste er aus Vermögen der in einem anderen Vorsorgewerk Versicherten finanziert werden.
2.2
Nach dem Gesagten entbehrt das Ansinnen der Beschwerdeführerin, das obligatorische Altersguthaben - ungeachtet der gesetzlichen und vertraglichen Vorgabe - nur in der Höhe der vorhandenen Mittel mitzugeben, jeglicher Grundlage. Insbesondere scheint sie ausser Acht zu lassen, dass es Aufgabe und Pflicht der Vorsorgeeinrichtung ist, grundsätzlich jederzeit finanzielle Sicherheit zu bieten (Art. 65 BVG), wie die Vorinstanz (in E. 4.6 Abs. 2 des angefochtenen Entscheids) zutreffend erkannt hat. Anders als die in
BGE 144 V 173
betroffene Vorsorgeeinrichtung (vgl. dortige E. 3.3.2 S. 179 f.) verzichtete die Meta auf den "Einbau" auch nur eines einzigen anschlussvertraglichen oder reglementarischen "Instruments" in dem Sinne, dass es bei einem teil- resp. gesamtliquidationsbedingten Austritt mindestens der (z.B. arbeitgeberseitigen) Sicherstellung der gesetzlich garantierten Mindestleistung bedarf. Damit stellt sich die Frage nach der Verantwortlichkeit (vgl. Art. 52 BVG), über die aber nicht im vorliegenden Verfahren zu befinden ist (vgl. auch E. 6 des angefochtenen Entscheids). Demgegenüber erweist sich die Kündigung des Anschlussvertrags als rechtmässig (vgl. nicht publ. E. 1), ohne dass die austretende Arbeitgeberin, wie soeben dargelegt, weitergehenden finanziellen Obliegenheiten nachzukommen hat. Bei
dieser Rechtslage kann - entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin - von einer rechtsmissbräuchlichen Berufung auf Art. 53d Abs. 3 BVG keine Rede sein (
BGE 141 V 597
E. 4.1 Abs. 2 erster Satz S. 602). Die Vorbringen der Meta betreffend vorinstanzlicher Verkennung resp. Ausweitung des Streitgegenstandes helfen nicht weiter, und es ist in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht festzuhalten, dass die beiden Versicherten Anspruch auf ein ungeschmälertes Altersguthaben gemäss Art. 15 BVG haben (vorinstanzliche E. 4.10). Die Teil- resp. Gesamtliquidation kann grundsätzlich vollzogen werden.
2.3
Was die Finanzierung der soeben festgestellten Ansprüche betrifft, so ist hierüber mangels eines entsprechenden Anfechtungs- und Streitgegenstands nicht zu befinden. Auch wenn der angefochtene Entscheid (in dessen E. 4.9) Ausführungen betreffend den Sicherheitsfonds enthält, hat das Bundesverwaltungsgericht - zu Recht - die Frage nach der Sicherstellung nicht beantwortet. Anders als die Meta anzunehmen scheint, hat es die Sicherstellung nicht zum Gegenstand des (gesetzlich und reglementarisch vorgesehenen) Verfahrens betreffend die (Teil-)Liquidation gemacht.
An dieser Stelle sei nur, aber immerhin, Folgendes festgehalten: Der Sicherheitsfonds stellt die gesetzlichen Leistungen von zahlungsunfähig gewordenen Vorsorgeeinrichtungen resp. Vorsorgewerken sicher (Art. 56 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 BVG). Das heisst, er sichert die gesetzlichen Ansprüche der obligatorisch versicherten Personen bei Zahlungsunfähigkeit der Vorsorgeeinrichtung und ist nicht dazu bestimmt,
diese
schadlos zu halten (
BGE 145 V 106
E. 7.1 S. 115;
BGE 141 V 650
E. 5.2.3 S. 655). Auf Antrag der zahlungsunfähig gewordenen Vorsorgeeinrichtung oder der Rechtsträgerin des insolvent gewordenen Versichertenkollektivs (Art. 24 Abs. 1 der Verordnung vom 22. Juni 1998 über den Sicherheitsfonds BVG [SFV; SR 831. 432.1]) entscheidet der Sicherheitsfonds mittels Verfügung über die Sicherstellung (Art. 20 Abs. 3 SFV).
3.
3.1
Streitig bleibt die Verzinsung. Es ist zu differenzieren zwischen dem Zins bis zur Fälligkeit der Austrittsleistung, jenem ab Fälligkeit (vgl. Art. 2 Abs. 3 FZG) und dem Verzugszins (vgl. Art. 2 Abs. 4 FZG). Gemäss
BGE 141 V 597
E. 3.2 Abs. 2 S. 601 f. wird das individuelle Altersguthaben im Rahmen einer (Teil-)Liquidation erst im Zeitpunkt fällig, in dem seine Höhe definitiv bestimmt ist (vgl. dazu vorangehende E. 2.2 in fine); dieses ist erst dann durch die
Art. 2 ff. FZG geschützt. Selbstredend bedeutet dies, dass das Altersguthaben, soweit nicht bereits ganz oder teilweise überwiesen, bis zur Fälligkeit der "üblichen" reglementarischen Verzinsung unterliegt, die bei überobligatorischen Sparguthaben unter dem vom Bundesrat festgelegten Zinssatz sein kann (vgl. dazu
BGE 140 V 16
; zum Fall einer gesetzlich zulässigen Unterschreitung des BVG-Mindestzinses vgl. Art. 65d Abs. 4 BVG). Anders als die Beschwerdegegner glauben machen wollen, ist in
BGE 144 V 369
E. 4.1.3 S. 373 die Unterscheidung, ob der Anspruch auf die Austrittsleistung im Zusammenhang mit einem (Teil-)Liquidationstatbestand oder mit einem - hier nicht gegebenen (vgl. nicht publ. E. 1) - "gewöhnlichen" Freizügigkeitsfall nach Art. 2 FZG steht, nicht fallengelassen worden.
3.2
Ob der Umstand, dass die Durchführung einer (Teil-)Liquidation "mehrmals ungerechtfertigt verweigert" wurde, Anlass für eine Abweichung von der soeben (in E. 3.1) dargelegten Rechtslage ist und für die Vorverlegung der Fälligkeit spricht, wie das Bundesverwaltungsgericht (in E. 5.4.3 des angefochtenen Entscheids) entschied, oder ob dem besagten Umstand vielmehr durch das Beschreiten des aufsichtsrechtlichen Wegs (vgl. Art. 53d Abs. 6 BVG) zu begegnen wäre, wie die Meta vorbringt, kann offenbleiben.
Die Vorinstanz hat (in E. 5.4 des angefochtenen Entscheids) zutreffend erkannt, dass der Zins zur jeweiligen individuellen Forderung akzessorisch ist und deshalb wie diese im Klageverfahren nach Art. 73 BVG zu klären ist. "Aus prozessökonomischen Gründen" hat sie sich dennoch dazu geäussert und die Sache im Sinne der Erwägungen (vgl. zu deren Teilhabe an der formellen Rechtskraft des Dispositivs
BGE 144 V 418
E. 4.2 S. 425;
BGE 113 V 159
) zur Festlegung von Einzelheiten an die Aufsichtsbehörde zurückgewiesen. Dabei ist laut vorinstanzlicher Feststellung (in E. 5.4.2 des angefochtenen Entscheids) weder klar, wann die (teilweise zu Unrecht gekürzten) Austrittsleistungen erbracht wurden, noch ob und gegebenenfalls zu welchem Satz sie bereits verzinst wurden. Demnach war die Sache von vornherein nicht liquid (vgl. SVR 2012 BVG Nr. 23 S. 92, 9C_378/2011 E. 4.2.1 betreffend zivilrechtliche [Vor-] Frage) und folglich deren Behandlung durch das Bundesverwaltungsgericht auch nicht prozessökonomisch. Davon abgesehen gilt es, die strikte Zweiteilung der Zuständigkeit und des Verfahrens je nach vorsorgerechtlichem Gegenstand zu respektieren (SVR 2017 BVG Nr. 37 S. 169, 9C_938/2015 E. 6.2.3). Hinsichtlich der
Verzinsung hätte das Bundesverwaltungsgericht (wie auch die BSABB) nicht auf die bei ihm erhobene Beschwerde eintreten dürfen; in diesem Umfang ist der angefochtene Entscheid (wie auch die aufsichtsrechtliche Verfügung) von Amtes wegen (vgl.
BGE 144 V 138
E. 4.1 S. 144; SVR 2017 BVG Nr. 37 S. 169, 9C_938/2015 E. 3.1) aufzuheben und auf die vorliegende Beschwerde nicht einzutreten. | de | Regeste a
Art. 53d Abs. 3 BVG; Zuweisung des Fehlbetrags bei (Teil-)Liquidation. Bei einer (Teil-)Liquidation darf das Altersguthaben gemäss Art. 15 BVG nicht geschmälert werden. I.c. keine rechtsmissbräuchliche Berufung auf diese Vorgabe (E. 2.1 und 2.2). | de | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-86%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,830 | 147 V 86 | 147 V 86
Regeste b
Art. 53d Abs. 6 und Art. 73 BVG; Zuständigkeit. Die Verzinsung der aus der (Teil-)Liquidation resultierenden individuellen Austrittsleistung ist im Klageverfahren zu klären (E. 3.2).
Sachverhalt ab Seite 86
A.
A.a
A. war vom 13. März 2007 bis 19. Juni 2014 als Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift der "B. Carrosserie - Spritzwerk GmbH" (Firmennummer x; nachfolgend: altB. GmbH)
im Handelsregister eingetragen. Seit 19. Juni 2014 war er lediglich als Gesellschafter (mit Einzelunterschrift) vermerkt, während seine Ehefrau unverändert als Gesellschafterin und Geschäftsführerin mit Einzelunterschrift eingetragen blieb. Am 2. Dezember 2014 wurde die Gesellschaft in "C. GmbH" umbenannt. Gleichentags wurde die "B. Carrosserie - Spritzwerk GmbH" unter der Firmennummer y neu im Handelsregister eingetragen, wobei A. als Gesellschafter und Vorsitzender der Geschäftsführung mit Einzelunterschrift fungiert.
A.b
Seit 1. April 2007 war die altB. GmbH der META Sammelstiftung für die berufliche Vorsorge (mit Verfügung der Aufsichtsbehörde vom 20. September 2018 aufgehoben resp. in Liquidation gesetzt; nachfolgend: Meta) angeschlossen, wobei für die Arbeitgeberin ein eigenes - lediglich die obligatorische Vorsorge abdeckendes - Vorsorgewerk errichtet wurde. Per 31. Dezember 2008 betrug der Deckungsgrad der Meta 69,2 %, während der Pool 1 der Meta, dem das Vorsorgewerk der altB. GmbH angehörte, einen Deckungsgrad von 68,2 % aufwies. Im Januar 2009 und im Dezember 2011 erliess der Stiftungsrat (jeweils rückwirkend per 1. Januar 2009) Anhang 4 zum Vorsorgereglement der Meta vom 9. November 2010 (nachfolgend: Vorsorgereglement) mit "Massnahmen zur Behebung der Unterdeckung" (Minder-/Nullverzinsung, Reduktion des Umwandlungssatzes, Beschränkung des Vorbezugs für Wohneigentum, Erhebung von Sanierungsbeiträgen von Arbeitgebern und -nehmern).
Am 30. Mai 2012 kündigte die altB. GmbH den Anschlussvertrag auf den 31. Dezember 2012. Am 20. September 2012 teilte ihr die Meta mit, infolge der Unterdeckung des Vorsorgewerks reichten die verfügbaren Mittel nicht aus, die minimalen gesetzlichen Austrittsleistungen gemäss BVG zu finanzieren; gemäss Weisung der Aufsichtsbehörde könne der Anschlussvertrag erst aufgelöst werden, wenn der erforderliche Deckungsgrad erreicht sei oder der Arbeitgeber die fehlenden Mittel einbringe. Ohne Gegenbericht werde sie den Vorsorgeplan wie bis anhin weiterführen. Die altB. GmbH beharrte auf der Kündigung und war nicht bereit, zusätzliche Mittel einzuschiessen. Sowohl sie als auch die Meta hielten an ihren Positionen fest.
Der Stiftungsrat der Meta beschloss am 24. April 2013 weitere, z.T. bereits ab 1. Juli 2013 umzusetzende Sanierungsmassnahmen (insbesondere Minder-/Nullverzinsung mit gleichzeitiger Reduktion des Mindestzinssatzes gemäss BVG; Erhöhung der von Arbeitgebern
und -nehmern erhobenen Sanierungsbeiträge). Am 16. September 2013 zeigte die altB. GmbH der Meta den Austritt von D. wegen Stellenwechsels auf Ende September 2013 und am 13. Januar 2014 jenen von A. aus "anderem Grund" auf Ende Januar 2014 an.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2014 hielt die Meta fest, mit A. seien alle Versicherten aus dem Vorsorgewerk der altB. GmbH ausgetreten; damit sei der Tatbestand einer Teilliquidation erfüllt. Die Freizügigkeitsleistung des Mitarbeiters könne erst an die neue Vorsorgeeinrichtung überwiesen werden, wenn der Deckungsgrad des Vorsorgewerks bekannt, revidiert und vom Stiftungsrat verabschiedet sei. Am 14. April 2014 bekräftigte die Meta ihren Standpunkt, dass sie erst nach Eingang des "BVG-Fehlbetrags" den Anschlussvertrag auflösen und das Freizügigkeitsguthaben (d.h. das Altersguthaben nach BVG) des A. überweisen werde.
A.c
A. liess am 14. April 2014 Klage erheben mit dem Antrag, die Meta sei zu verpflichten, seine Austrittsleistung von Fr. 58'175.40 an die Raiffeisen Freizügigkeitsstiftung zu überweisen, zuzüglich Zins zu 1,75 % seit 1. Februar 2014 und zu 2,75 % seit 3. März 2014. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies die Klage mit Entscheid vom 17. September 2014 ab.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil 9C_826/2014 vom 22. September 2015 (teilweise publiziert in:
BGE 141 V 597
) ab. Dabei war entscheidend, dass bei der Meta noch kein Teilliquidationsverfahren durchgeführt worden und daher die klageweise Geltendmachung der Austrittsleistung verfrüht war.
A.d
Am 8. April 2016 beschloss die Meta die Durchführung einer Teilliquidation (zugleich Totalliquidation des betroffenen Vorsorgewerks) mit Stichtag 31. Dezember 2014. Den massgeblichen Deckungsgrad setzte sie auf 86,94 % fest. Den Fehlbetrag belastete sie vollumfänglich (anteilmässig) den Austrittsleistungen des A. und des D. Dabei versagte sie den betroffenen Versicherten den Schutz des Altersguthabens gemäss Art. 15 BVG, weil die Ursache der Teilliquidation nur gesetzt worden sei, damit sich "das Vorsorgewerk" den laufenden Sanierungsmassnahmen entziehen könne.
Mit Eingabe vom 31. März 2017 stellten A. und D. (gemeinsam) bei der BSABB BVG- und Stiftungsaufsicht beider Basel (nachfolgend: BSABB) als zuständiger Aufsichtsbehörde ein Überprüfungsbegehren. Sie beantragten, der Beschluss der Meta vom 8. April 2016 sei insofern zu ändern, als ihnen das ungekürzte Altersguthaben
zuzüglich Zins zu 5 % seit dem jeweiligen Austritt aus der Meta mitzugeben und ein anteilsmässiger Anspruch auf den Erlös der Verantwortlichkeitsansprüche gegen die ehemaligen Organe der Meta einzuräumen sei. Mit Verfügung vom 5. Februar 2018 wies die BSABB die Anträge resp. die "Aufsichtsbeschwerde" ab.
B.
Dagegen erhoben A. und D. Beschwerde, die das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 3. März 2020 teilweise - mit Bezug auf die Mitgabe der ungekürzten und zu verzinsenden Altersguthaben - guthiess. Es hob dementsprechend die Verfügung vom 5. Februar 2018 auf und wies die Angelegenheit im Sinne der Erwägungen zur Regelung der Einzelheiten der Verzinsung und zur Neuverlegung der Kosten und Entschädigungen an die BSABB zurück. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab.
C.
Die Meta beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, der Entscheid vom 3. März 2020 sei aufzuheben und die Verfügung der BSABB vom 5. Februar 2018 sei zu bestätigen. Eventualiter sei die Sache zu neuem Entscheid an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen, unter der Auflage, dass es sich auf den Streitgegenstand beschränke und prüfe, ob die Betroffenen ihre Ansprüche nicht missbräuchlich geltend machten. Subeventualiter seien die auszurichtenden Austrittsleistungen erst ab dem Datum der Rechtskraft des Teilliquidationsentscheids zu verzinsen. Ferner lässt sie um aufschiebende Wirkung der Beschwerde ersuchen.
A. und D. schliessen (gemeinsam) auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die BSABB, die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichteten auf eine Stellungnahme.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
2.1.1
Sowohl Art. 53d Abs. 3 BVG (der i.V.m. Art. 18a Abs. 2 FZG [SR 831.42] zur Anwendung gelangt und im hier interessierenden Punkt mit Art. 18 FZG übereinstimmt) als auch die Regelung in Ziff. 5.7 des Anschlussvertrags vom 7. Juli 2007 und in Art. 2 Abs. 1 des Teilliquidationsreglements vom 24. November 2009 (Anhang 3 zum Vorsorgereglement) halten unmissverständlich fest, dass bei einer (Teil-)Liquidation das Altersguthaben nach Art. 15 BVG nicht geschmälert werden darf (so auch E. 4.2.2 Abs. 1 des angefochtenen
Entscheids). Ein anderes Verständnis dieser normativen Vorgaben, das von der - vor allem vertraglich - formulierten Absolutheit abweicht, war in keinem Zeitpunkt Thema und wird auch hier nicht substanziiert vorgebracht. Im Übrigen räumt die Meta selber ein, dass das bei einer (Teil-)Liquidation für die Zuweisung des Fehlbetrags zu beachtende Gleichbehandlungsgebot (vgl.
BGE 135 V 113
E. 2.1.6 S. 118 f.) durch die Garantie des Altersguthabens gemäss Art. 15 BVG durchbrochen werde. Diesbezügliche Weiterungen sind daher obsolet.
2.1.2
Anders als in
BGE 144 V 173
(vgl. dortige E. 3.3.5.2 S. 182), in welchem Fall die Rentner bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung verblieben, gibt es vorliegend nach der Auflösung des Anschlussvertrags keine "Rest-Vertrags-Beziehung" (vgl. Art. 53e Abs. 6 BVG), die weitere Pflichten der altB. GmbH nach sich zieht. Innerhalb des hier interessierenden Vorsorgewerks bleiben keine Versicherten zurück und es wird auch kein neuer Anschlussvertrag angestrebt (für das Bundesgericht verbindliche Feststellung in E. 4.5 des angefochtenen Entscheids). Für die direkte oder analoge Anwendung von Art. 53e BVG (die in E. 4.5 des angefochtenen Entscheids ohnehin als fraglich beurteilt wurde) verbleibt daher von vornherein kein Raum. Gleichzeitig erübrigen sich weitere Ausführungen zur Gleichbehandlung des Fort- und Abgangsbestands (vgl. dazu auch E. 2.1.6 nachfolgend).
2.1.3
Die arbeitgeberseitige Pflicht zur Ausfinanzierung von Fehlbeträgen ist bundesrechtlich nicht geregelt. Die Vorsorgeeinrichtungen haben zur Regelung ihres Finanzierungssystems einen weitgehenden Handlungsspielraum (vgl. Art. 65 Abs. 2 BVG). Eine solche Pflicht ergibt sich daher entweder aus einer reglementarischen oder anschlussvertraglichen Bestimmung (
BGE 144 V 173
E. 3.3.3 S. 180 und [ebenfalls die Meta betreffend] SVR 2017 BVG Nr. 37 S. 169, 9C_938/2015 E. 6.2.1). Eine reglementarische Ausfinanzierungspflicht fehlt hier, wie die Vorinstanz (in E. 4.6 Abs. 1 des angefochtenen Entscheids) für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat. Auch im Anschlussvertrag findet sich keine solche Vorgabe.
2.1.4
Dass seitens der Beschwerdegegner oder der altB. GmbH ein Ausstand von geschuldeten Sanierungsbeiträgen (vgl. dazu E. 4.8 des angefochtenen Entscheids) bestehen soll, wurde resp. wird nicht ansatzweise geltend gemacht (vgl. zur Mitwirkungs- und Substanziierungspflicht unter Geltung des Untersuchungsgrundsatzes Urteil
9C_711/2017 vom 4. Juli 2018 E. 3.1.1 mit Hinweisen) und ist auch nicht ersichtlich. Diesbezüglich erübrigen sich Weiterungen.
2.1.5
Weder aus dem von der Meta angerufenen Art. 27h Abs. 5 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1), der vom kollektiven Anspruch auf Rückstellungen und Schwankungsreserven handelt, noch aus
BGE 119 Ib 46
E. 4d S. 55 f. lässt sich eine Relativierung von Art. 53d Abs. 3 BVG resp. der vertraglichen Regelung ableiten, da sie das nicht-individualisierte Kapital betreffen (vgl. dazu
BGE 146 V 28
E. 3.4 S. 34).
2.1.6
Bei Sammelstiftungen - wie der Meta - werden Vorsorgewerke als organisatorisch und wirtschaftlich getrennte Vorsorgekassen mit jeweils eigenem Reglement geführt. Es besteht keine Solidarität zwischen den Vorsorgewerken (
BGE 146 V 169
E. 3.1.1 S. 175;
BGE 145 V 106
E. 3.1 S. 109; vgl. auch E. 6.4 Abs. 3 des angefochtenen Entscheids). Diese Grundsätze übergeht die Meta, indem sie - pauschal und ohne weitere Begründung - vorbringt, wenn der Fehlbetrag nicht den Beschwerdegegnern zugewiesen würde, müsste er aus Vermögen der in einem anderen Vorsorgewerk Versicherten finanziert werden.
2.2
Nach dem Gesagten entbehrt das Ansinnen der Beschwerdeführerin, das obligatorische Altersguthaben - ungeachtet der gesetzlichen und vertraglichen Vorgabe - nur in der Höhe der vorhandenen Mittel mitzugeben, jeglicher Grundlage. Insbesondere scheint sie ausser Acht zu lassen, dass es Aufgabe und Pflicht der Vorsorgeeinrichtung ist, grundsätzlich jederzeit finanzielle Sicherheit zu bieten (Art. 65 BVG), wie die Vorinstanz (in E. 4.6 Abs. 2 des angefochtenen Entscheids) zutreffend erkannt hat. Anders als die in
BGE 144 V 173
betroffene Vorsorgeeinrichtung (vgl. dortige E. 3.3.2 S. 179 f.) verzichtete die Meta auf den "Einbau" auch nur eines einzigen anschlussvertraglichen oder reglementarischen "Instruments" in dem Sinne, dass es bei einem teil- resp. gesamtliquidationsbedingten Austritt mindestens der (z.B. arbeitgeberseitigen) Sicherstellung der gesetzlich garantierten Mindestleistung bedarf. Damit stellt sich die Frage nach der Verantwortlichkeit (vgl. Art. 52 BVG), über die aber nicht im vorliegenden Verfahren zu befinden ist (vgl. auch E. 6 des angefochtenen Entscheids). Demgegenüber erweist sich die Kündigung des Anschlussvertrags als rechtmässig (vgl. nicht publ. E. 1), ohne dass die austretende Arbeitgeberin, wie soeben dargelegt, weitergehenden finanziellen Obliegenheiten nachzukommen hat. Bei
dieser Rechtslage kann - entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin - von einer rechtsmissbräuchlichen Berufung auf Art. 53d Abs. 3 BVG keine Rede sein (
BGE 141 V 597
E. 4.1 Abs. 2 erster Satz S. 602). Die Vorbringen der Meta betreffend vorinstanzlicher Verkennung resp. Ausweitung des Streitgegenstandes helfen nicht weiter, und es ist in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht festzuhalten, dass die beiden Versicherten Anspruch auf ein ungeschmälertes Altersguthaben gemäss Art. 15 BVG haben (vorinstanzliche E. 4.10). Die Teil- resp. Gesamtliquidation kann grundsätzlich vollzogen werden.
2.3
Was die Finanzierung der soeben festgestellten Ansprüche betrifft, so ist hierüber mangels eines entsprechenden Anfechtungs- und Streitgegenstands nicht zu befinden. Auch wenn der angefochtene Entscheid (in dessen E. 4.9) Ausführungen betreffend den Sicherheitsfonds enthält, hat das Bundesverwaltungsgericht - zu Recht - die Frage nach der Sicherstellung nicht beantwortet. Anders als die Meta anzunehmen scheint, hat es die Sicherstellung nicht zum Gegenstand des (gesetzlich und reglementarisch vorgesehenen) Verfahrens betreffend die (Teil-)Liquidation gemacht.
An dieser Stelle sei nur, aber immerhin, Folgendes festgehalten: Der Sicherheitsfonds stellt die gesetzlichen Leistungen von zahlungsunfähig gewordenen Vorsorgeeinrichtungen resp. Vorsorgewerken sicher (Art. 56 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 BVG). Das heisst, er sichert die gesetzlichen Ansprüche der obligatorisch versicherten Personen bei Zahlungsunfähigkeit der Vorsorgeeinrichtung und ist nicht dazu bestimmt,
diese
schadlos zu halten (
BGE 145 V 106
E. 7.1 S. 115;
BGE 141 V 650
E. 5.2.3 S. 655). Auf Antrag der zahlungsunfähig gewordenen Vorsorgeeinrichtung oder der Rechtsträgerin des insolvent gewordenen Versichertenkollektivs (Art. 24 Abs. 1 der Verordnung vom 22. Juni 1998 über den Sicherheitsfonds BVG [SFV; SR 831. 432.1]) entscheidet der Sicherheitsfonds mittels Verfügung über die Sicherstellung (Art. 20 Abs. 3 SFV).
3.
3.1
Streitig bleibt die Verzinsung. Es ist zu differenzieren zwischen dem Zins bis zur Fälligkeit der Austrittsleistung, jenem ab Fälligkeit (vgl. Art. 2 Abs. 3 FZG) und dem Verzugszins (vgl. Art. 2 Abs. 4 FZG). Gemäss
BGE 141 V 597
E. 3.2 Abs. 2 S. 601 f. wird das individuelle Altersguthaben im Rahmen einer (Teil-)Liquidation erst im Zeitpunkt fällig, in dem seine Höhe definitiv bestimmt ist (vgl. dazu vorangehende E. 2.2 in fine); dieses ist erst dann durch die
Art. 2 ff. FZG geschützt. Selbstredend bedeutet dies, dass das Altersguthaben, soweit nicht bereits ganz oder teilweise überwiesen, bis zur Fälligkeit der "üblichen" reglementarischen Verzinsung unterliegt, die bei überobligatorischen Sparguthaben unter dem vom Bundesrat festgelegten Zinssatz sein kann (vgl. dazu
BGE 140 V 16
; zum Fall einer gesetzlich zulässigen Unterschreitung des BVG-Mindestzinses vgl. Art. 65d Abs. 4 BVG). Anders als die Beschwerdegegner glauben machen wollen, ist in
BGE 144 V 369
E. 4.1.3 S. 373 die Unterscheidung, ob der Anspruch auf die Austrittsleistung im Zusammenhang mit einem (Teil-)Liquidationstatbestand oder mit einem - hier nicht gegebenen (vgl. nicht publ. E. 1) - "gewöhnlichen" Freizügigkeitsfall nach Art. 2 FZG steht, nicht fallengelassen worden.
3.2
Ob der Umstand, dass die Durchführung einer (Teil-)Liquidation "mehrmals ungerechtfertigt verweigert" wurde, Anlass für eine Abweichung von der soeben (in E. 3.1) dargelegten Rechtslage ist und für die Vorverlegung der Fälligkeit spricht, wie das Bundesverwaltungsgericht (in E. 5.4.3 des angefochtenen Entscheids) entschied, oder ob dem besagten Umstand vielmehr durch das Beschreiten des aufsichtsrechtlichen Wegs (vgl. Art. 53d Abs. 6 BVG) zu begegnen wäre, wie die Meta vorbringt, kann offenbleiben.
Die Vorinstanz hat (in E. 5.4 des angefochtenen Entscheids) zutreffend erkannt, dass der Zins zur jeweiligen individuellen Forderung akzessorisch ist und deshalb wie diese im Klageverfahren nach Art. 73 BVG zu klären ist. "Aus prozessökonomischen Gründen" hat sie sich dennoch dazu geäussert und die Sache im Sinne der Erwägungen (vgl. zu deren Teilhabe an der formellen Rechtskraft des Dispositivs
BGE 144 V 418
E. 4.2 S. 425;
BGE 113 V 159
) zur Festlegung von Einzelheiten an die Aufsichtsbehörde zurückgewiesen. Dabei ist laut vorinstanzlicher Feststellung (in E. 5.4.2 des angefochtenen Entscheids) weder klar, wann die (teilweise zu Unrecht gekürzten) Austrittsleistungen erbracht wurden, noch ob und gegebenenfalls zu welchem Satz sie bereits verzinst wurden. Demnach war die Sache von vornherein nicht liquid (vgl. SVR 2012 BVG Nr. 23 S. 92, 9C_378/2011 E. 4.2.1 betreffend zivilrechtliche [Vor-] Frage) und folglich deren Behandlung durch das Bundesverwaltungsgericht auch nicht prozessökonomisch. Davon abgesehen gilt es, die strikte Zweiteilung der Zuständigkeit und des Verfahrens je nach vorsorgerechtlichem Gegenstand zu respektieren (SVR 2017 BVG Nr. 37 S. 169, 9C_938/2015 E. 6.2.3). Hinsichtlich der
Verzinsung hätte das Bundesverwaltungsgericht (wie auch die BSABB) nicht auf die bei ihm erhobene Beschwerde eintreten dürfen; in diesem Umfang ist der angefochtene Entscheid (wie auch die aufsichtsrechtliche Verfügung) von Amtes wegen (vgl.
BGE 144 V 138
E. 4.1 S. 144; SVR 2017 BVG Nr. 37 S. 169, 9C_938/2015 E. 3.1) aufzuheben und auf die vorliegende Beschwerde nicht einzutreten. | de | Art. 53d al. 3 LPP; affectation du découvert en cas de liquidation (partielle). L'avoir de vieillesse selon l'art. 15 LPP ne peut pas être réduit en cas de liquidation (partielle). Pas de référence abusive à cette prescription en l'occurrence (consid. 2.1 et 2.2). | fr | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-86%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,831 | 147 V 86 | 147 V 86
Regeste b
Art. 53d Abs. 6 und Art. 73 BVG; Zuständigkeit. Die Verzinsung der aus der (Teil-)Liquidation resultierenden individuellen Austrittsleistung ist im Klageverfahren zu klären (E. 3.2).
Sachverhalt ab Seite 86
A.
A.a
A. war vom 13. März 2007 bis 19. Juni 2014 als Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift der "B. Carrosserie - Spritzwerk GmbH" (Firmennummer x; nachfolgend: altB. GmbH)
im Handelsregister eingetragen. Seit 19. Juni 2014 war er lediglich als Gesellschafter (mit Einzelunterschrift) vermerkt, während seine Ehefrau unverändert als Gesellschafterin und Geschäftsführerin mit Einzelunterschrift eingetragen blieb. Am 2. Dezember 2014 wurde die Gesellschaft in "C. GmbH" umbenannt. Gleichentags wurde die "B. Carrosserie - Spritzwerk GmbH" unter der Firmennummer y neu im Handelsregister eingetragen, wobei A. als Gesellschafter und Vorsitzender der Geschäftsführung mit Einzelunterschrift fungiert.
A.b
Seit 1. April 2007 war die altB. GmbH der META Sammelstiftung für die berufliche Vorsorge (mit Verfügung der Aufsichtsbehörde vom 20. September 2018 aufgehoben resp. in Liquidation gesetzt; nachfolgend: Meta) angeschlossen, wobei für die Arbeitgeberin ein eigenes - lediglich die obligatorische Vorsorge abdeckendes - Vorsorgewerk errichtet wurde. Per 31. Dezember 2008 betrug der Deckungsgrad der Meta 69,2 %, während der Pool 1 der Meta, dem das Vorsorgewerk der altB. GmbH angehörte, einen Deckungsgrad von 68,2 % aufwies. Im Januar 2009 und im Dezember 2011 erliess der Stiftungsrat (jeweils rückwirkend per 1. Januar 2009) Anhang 4 zum Vorsorgereglement der Meta vom 9. November 2010 (nachfolgend: Vorsorgereglement) mit "Massnahmen zur Behebung der Unterdeckung" (Minder-/Nullverzinsung, Reduktion des Umwandlungssatzes, Beschränkung des Vorbezugs für Wohneigentum, Erhebung von Sanierungsbeiträgen von Arbeitgebern und -nehmern).
Am 30. Mai 2012 kündigte die altB. GmbH den Anschlussvertrag auf den 31. Dezember 2012. Am 20. September 2012 teilte ihr die Meta mit, infolge der Unterdeckung des Vorsorgewerks reichten die verfügbaren Mittel nicht aus, die minimalen gesetzlichen Austrittsleistungen gemäss BVG zu finanzieren; gemäss Weisung der Aufsichtsbehörde könne der Anschlussvertrag erst aufgelöst werden, wenn der erforderliche Deckungsgrad erreicht sei oder der Arbeitgeber die fehlenden Mittel einbringe. Ohne Gegenbericht werde sie den Vorsorgeplan wie bis anhin weiterführen. Die altB. GmbH beharrte auf der Kündigung und war nicht bereit, zusätzliche Mittel einzuschiessen. Sowohl sie als auch die Meta hielten an ihren Positionen fest.
Der Stiftungsrat der Meta beschloss am 24. April 2013 weitere, z.T. bereits ab 1. Juli 2013 umzusetzende Sanierungsmassnahmen (insbesondere Minder-/Nullverzinsung mit gleichzeitiger Reduktion des Mindestzinssatzes gemäss BVG; Erhöhung der von Arbeitgebern
und -nehmern erhobenen Sanierungsbeiträge). Am 16. September 2013 zeigte die altB. GmbH der Meta den Austritt von D. wegen Stellenwechsels auf Ende September 2013 und am 13. Januar 2014 jenen von A. aus "anderem Grund" auf Ende Januar 2014 an.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2014 hielt die Meta fest, mit A. seien alle Versicherten aus dem Vorsorgewerk der altB. GmbH ausgetreten; damit sei der Tatbestand einer Teilliquidation erfüllt. Die Freizügigkeitsleistung des Mitarbeiters könne erst an die neue Vorsorgeeinrichtung überwiesen werden, wenn der Deckungsgrad des Vorsorgewerks bekannt, revidiert und vom Stiftungsrat verabschiedet sei. Am 14. April 2014 bekräftigte die Meta ihren Standpunkt, dass sie erst nach Eingang des "BVG-Fehlbetrags" den Anschlussvertrag auflösen und das Freizügigkeitsguthaben (d.h. das Altersguthaben nach BVG) des A. überweisen werde.
A.c
A. liess am 14. April 2014 Klage erheben mit dem Antrag, die Meta sei zu verpflichten, seine Austrittsleistung von Fr. 58'175.40 an die Raiffeisen Freizügigkeitsstiftung zu überweisen, zuzüglich Zins zu 1,75 % seit 1. Februar 2014 und zu 2,75 % seit 3. März 2014. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies die Klage mit Entscheid vom 17. September 2014 ab.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil 9C_826/2014 vom 22. September 2015 (teilweise publiziert in:
BGE 141 V 597
) ab. Dabei war entscheidend, dass bei der Meta noch kein Teilliquidationsverfahren durchgeführt worden und daher die klageweise Geltendmachung der Austrittsleistung verfrüht war.
A.d
Am 8. April 2016 beschloss die Meta die Durchführung einer Teilliquidation (zugleich Totalliquidation des betroffenen Vorsorgewerks) mit Stichtag 31. Dezember 2014. Den massgeblichen Deckungsgrad setzte sie auf 86,94 % fest. Den Fehlbetrag belastete sie vollumfänglich (anteilmässig) den Austrittsleistungen des A. und des D. Dabei versagte sie den betroffenen Versicherten den Schutz des Altersguthabens gemäss Art. 15 BVG, weil die Ursache der Teilliquidation nur gesetzt worden sei, damit sich "das Vorsorgewerk" den laufenden Sanierungsmassnahmen entziehen könne.
Mit Eingabe vom 31. März 2017 stellten A. und D. (gemeinsam) bei der BSABB BVG- und Stiftungsaufsicht beider Basel (nachfolgend: BSABB) als zuständiger Aufsichtsbehörde ein Überprüfungsbegehren. Sie beantragten, der Beschluss der Meta vom 8. April 2016 sei insofern zu ändern, als ihnen das ungekürzte Altersguthaben
zuzüglich Zins zu 5 % seit dem jeweiligen Austritt aus der Meta mitzugeben und ein anteilsmässiger Anspruch auf den Erlös der Verantwortlichkeitsansprüche gegen die ehemaligen Organe der Meta einzuräumen sei. Mit Verfügung vom 5. Februar 2018 wies die BSABB die Anträge resp. die "Aufsichtsbeschwerde" ab.
B.
Dagegen erhoben A. und D. Beschwerde, die das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 3. März 2020 teilweise - mit Bezug auf die Mitgabe der ungekürzten und zu verzinsenden Altersguthaben - guthiess. Es hob dementsprechend die Verfügung vom 5. Februar 2018 auf und wies die Angelegenheit im Sinne der Erwägungen zur Regelung der Einzelheiten der Verzinsung und zur Neuverlegung der Kosten und Entschädigungen an die BSABB zurück. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab.
C.
Die Meta beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, der Entscheid vom 3. März 2020 sei aufzuheben und die Verfügung der BSABB vom 5. Februar 2018 sei zu bestätigen. Eventualiter sei die Sache zu neuem Entscheid an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen, unter der Auflage, dass es sich auf den Streitgegenstand beschränke und prüfe, ob die Betroffenen ihre Ansprüche nicht missbräuchlich geltend machten. Subeventualiter seien die auszurichtenden Austrittsleistungen erst ab dem Datum der Rechtskraft des Teilliquidationsentscheids zu verzinsen. Ferner lässt sie um aufschiebende Wirkung der Beschwerde ersuchen.
A. und D. schliessen (gemeinsam) auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die BSABB, die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichteten auf eine Stellungnahme.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
2.1.1
Sowohl Art. 53d Abs. 3 BVG (der i.V.m. Art. 18a Abs. 2 FZG [SR 831.42] zur Anwendung gelangt und im hier interessierenden Punkt mit Art. 18 FZG übereinstimmt) als auch die Regelung in Ziff. 5.7 des Anschlussvertrags vom 7. Juli 2007 und in Art. 2 Abs. 1 des Teilliquidationsreglements vom 24. November 2009 (Anhang 3 zum Vorsorgereglement) halten unmissverständlich fest, dass bei einer (Teil-)Liquidation das Altersguthaben nach Art. 15 BVG nicht geschmälert werden darf (so auch E. 4.2.2 Abs. 1 des angefochtenen
Entscheids). Ein anderes Verständnis dieser normativen Vorgaben, das von der - vor allem vertraglich - formulierten Absolutheit abweicht, war in keinem Zeitpunkt Thema und wird auch hier nicht substanziiert vorgebracht. Im Übrigen räumt die Meta selber ein, dass das bei einer (Teil-)Liquidation für die Zuweisung des Fehlbetrags zu beachtende Gleichbehandlungsgebot (vgl.
BGE 135 V 113
E. 2.1.6 S. 118 f.) durch die Garantie des Altersguthabens gemäss Art. 15 BVG durchbrochen werde. Diesbezügliche Weiterungen sind daher obsolet.
2.1.2
Anders als in
BGE 144 V 173
(vgl. dortige E. 3.3.5.2 S. 182), in welchem Fall die Rentner bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung verblieben, gibt es vorliegend nach der Auflösung des Anschlussvertrags keine "Rest-Vertrags-Beziehung" (vgl. Art. 53e Abs. 6 BVG), die weitere Pflichten der altB. GmbH nach sich zieht. Innerhalb des hier interessierenden Vorsorgewerks bleiben keine Versicherten zurück und es wird auch kein neuer Anschlussvertrag angestrebt (für das Bundesgericht verbindliche Feststellung in E. 4.5 des angefochtenen Entscheids). Für die direkte oder analoge Anwendung von Art. 53e BVG (die in E. 4.5 des angefochtenen Entscheids ohnehin als fraglich beurteilt wurde) verbleibt daher von vornherein kein Raum. Gleichzeitig erübrigen sich weitere Ausführungen zur Gleichbehandlung des Fort- und Abgangsbestands (vgl. dazu auch E. 2.1.6 nachfolgend).
2.1.3
Die arbeitgeberseitige Pflicht zur Ausfinanzierung von Fehlbeträgen ist bundesrechtlich nicht geregelt. Die Vorsorgeeinrichtungen haben zur Regelung ihres Finanzierungssystems einen weitgehenden Handlungsspielraum (vgl. Art. 65 Abs. 2 BVG). Eine solche Pflicht ergibt sich daher entweder aus einer reglementarischen oder anschlussvertraglichen Bestimmung (
BGE 144 V 173
E. 3.3.3 S. 180 und [ebenfalls die Meta betreffend] SVR 2017 BVG Nr. 37 S. 169, 9C_938/2015 E. 6.2.1). Eine reglementarische Ausfinanzierungspflicht fehlt hier, wie die Vorinstanz (in E. 4.6 Abs. 1 des angefochtenen Entscheids) für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat. Auch im Anschlussvertrag findet sich keine solche Vorgabe.
2.1.4
Dass seitens der Beschwerdegegner oder der altB. GmbH ein Ausstand von geschuldeten Sanierungsbeiträgen (vgl. dazu E. 4.8 des angefochtenen Entscheids) bestehen soll, wurde resp. wird nicht ansatzweise geltend gemacht (vgl. zur Mitwirkungs- und Substanziierungspflicht unter Geltung des Untersuchungsgrundsatzes Urteil
9C_711/2017 vom 4. Juli 2018 E. 3.1.1 mit Hinweisen) und ist auch nicht ersichtlich. Diesbezüglich erübrigen sich Weiterungen.
2.1.5
Weder aus dem von der Meta angerufenen Art. 27h Abs. 5 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1), der vom kollektiven Anspruch auf Rückstellungen und Schwankungsreserven handelt, noch aus
BGE 119 Ib 46
E. 4d S. 55 f. lässt sich eine Relativierung von Art. 53d Abs. 3 BVG resp. der vertraglichen Regelung ableiten, da sie das nicht-individualisierte Kapital betreffen (vgl. dazu
BGE 146 V 28
E. 3.4 S. 34).
2.1.6
Bei Sammelstiftungen - wie der Meta - werden Vorsorgewerke als organisatorisch und wirtschaftlich getrennte Vorsorgekassen mit jeweils eigenem Reglement geführt. Es besteht keine Solidarität zwischen den Vorsorgewerken (
BGE 146 V 169
E. 3.1.1 S. 175;
BGE 145 V 106
E. 3.1 S. 109; vgl. auch E. 6.4 Abs. 3 des angefochtenen Entscheids). Diese Grundsätze übergeht die Meta, indem sie - pauschal und ohne weitere Begründung - vorbringt, wenn der Fehlbetrag nicht den Beschwerdegegnern zugewiesen würde, müsste er aus Vermögen der in einem anderen Vorsorgewerk Versicherten finanziert werden.
2.2
Nach dem Gesagten entbehrt das Ansinnen der Beschwerdeführerin, das obligatorische Altersguthaben - ungeachtet der gesetzlichen und vertraglichen Vorgabe - nur in der Höhe der vorhandenen Mittel mitzugeben, jeglicher Grundlage. Insbesondere scheint sie ausser Acht zu lassen, dass es Aufgabe und Pflicht der Vorsorgeeinrichtung ist, grundsätzlich jederzeit finanzielle Sicherheit zu bieten (Art. 65 BVG), wie die Vorinstanz (in E. 4.6 Abs. 2 des angefochtenen Entscheids) zutreffend erkannt hat. Anders als die in
BGE 144 V 173
betroffene Vorsorgeeinrichtung (vgl. dortige E. 3.3.2 S. 179 f.) verzichtete die Meta auf den "Einbau" auch nur eines einzigen anschlussvertraglichen oder reglementarischen "Instruments" in dem Sinne, dass es bei einem teil- resp. gesamtliquidationsbedingten Austritt mindestens der (z.B. arbeitgeberseitigen) Sicherstellung der gesetzlich garantierten Mindestleistung bedarf. Damit stellt sich die Frage nach der Verantwortlichkeit (vgl. Art. 52 BVG), über die aber nicht im vorliegenden Verfahren zu befinden ist (vgl. auch E. 6 des angefochtenen Entscheids). Demgegenüber erweist sich die Kündigung des Anschlussvertrags als rechtmässig (vgl. nicht publ. E. 1), ohne dass die austretende Arbeitgeberin, wie soeben dargelegt, weitergehenden finanziellen Obliegenheiten nachzukommen hat. Bei
dieser Rechtslage kann - entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin - von einer rechtsmissbräuchlichen Berufung auf Art. 53d Abs. 3 BVG keine Rede sein (
BGE 141 V 597
E. 4.1 Abs. 2 erster Satz S. 602). Die Vorbringen der Meta betreffend vorinstanzlicher Verkennung resp. Ausweitung des Streitgegenstandes helfen nicht weiter, und es ist in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht festzuhalten, dass die beiden Versicherten Anspruch auf ein ungeschmälertes Altersguthaben gemäss Art. 15 BVG haben (vorinstanzliche E. 4.10). Die Teil- resp. Gesamtliquidation kann grundsätzlich vollzogen werden.
2.3
Was die Finanzierung der soeben festgestellten Ansprüche betrifft, so ist hierüber mangels eines entsprechenden Anfechtungs- und Streitgegenstands nicht zu befinden. Auch wenn der angefochtene Entscheid (in dessen E. 4.9) Ausführungen betreffend den Sicherheitsfonds enthält, hat das Bundesverwaltungsgericht - zu Recht - die Frage nach der Sicherstellung nicht beantwortet. Anders als die Meta anzunehmen scheint, hat es die Sicherstellung nicht zum Gegenstand des (gesetzlich und reglementarisch vorgesehenen) Verfahrens betreffend die (Teil-)Liquidation gemacht.
An dieser Stelle sei nur, aber immerhin, Folgendes festgehalten: Der Sicherheitsfonds stellt die gesetzlichen Leistungen von zahlungsunfähig gewordenen Vorsorgeeinrichtungen resp. Vorsorgewerken sicher (Art. 56 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 BVG). Das heisst, er sichert die gesetzlichen Ansprüche der obligatorisch versicherten Personen bei Zahlungsunfähigkeit der Vorsorgeeinrichtung und ist nicht dazu bestimmt,
diese
schadlos zu halten (
BGE 145 V 106
E. 7.1 S. 115;
BGE 141 V 650
E. 5.2.3 S. 655). Auf Antrag der zahlungsunfähig gewordenen Vorsorgeeinrichtung oder der Rechtsträgerin des insolvent gewordenen Versichertenkollektivs (Art. 24 Abs. 1 der Verordnung vom 22. Juni 1998 über den Sicherheitsfonds BVG [SFV; SR 831. 432.1]) entscheidet der Sicherheitsfonds mittels Verfügung über die Sicherstellung (Art. 20 Abs. 3 SFV).
3.
3.1
Streitig bleibt die Verzinsung. Es ist zu differenzieren zwischen dem Zins bis zur Fälligkeit der Austrittsleistung, jenem ab Fälligkeit (vgl. Art. 2 Abs. 3 FZG) und dem Verzugszins (vgl. Art. 2 Abs. 4 FZG). Gemäss
BGE 141 V 597
E. 3.2 Abs. 2 S. 601 f. wird das individuelle Altersguthaben im Rahmen einer (Teil-)Liquidation erst im Zeitpunkt fällig, in dem seine Höhe definitiv bestimmt ist (vgl. dazu vorangehende E. 2.2 in fine); dieses ist erst dann durch die
Art. 2 ff. FZG geschützt. Selbstredend bedeutet dies, dass das Altersguthaben, soweit nicht bereits ganz oder teilweise überwiesen, bis zur Fälligkeit der "üblichen" reglementarischen Verzinsung unterliegt, die bei überobligatorischen Sparguthaben unter dem vom Bundesrat festgelegten Zinssatz sein kann (vgl. dazu
BGE 140 V 16
; zum Fall einer gesetzlich zulässigen Unterschreitung des BVG-Mindestzinses vgl. Art. 65d Abs. 4 BVG). Anders als die Beschwerdegegner glauben machen wollen, ist in
BGE 144 V 369
E. 4.1.3 S. 373 die Unterscheidung, ob der Anspruch auf die Austrittsleistung im Zusammenhang mit einem (Teil-)Liquidationstatbestand oder mit einem - hier nicht gegebenen (vgl. nicht publ. E. 1) - "gewöhnlichen" Freizügigkeitsfall nach Art. 2 FZG steht, nicht fallengelassen worden.
3.2
Ob der Umstand, dass die Durchführung einer (Teil-)Liquidation "mehrmals ungerechtfertigt verweigert" wurde, Anlass für eine Abweichung von der soeben (in E. 3.1) dargelegten Rechtslage ist und für die Vorverlegung der Fälligkeit spricht, wie das Bundesverwaltungsgericht (in E. 5.4.3 des angefochtenen Entscheids) entschied, oder ob dem besagten Umstand vielmehr durch das Beschreiten des aufsichtsrechtlichen Wegs (vgl. Art. 53d Abs. 6 BVG) zu begegnen wäre, wie die Meta vorbringt, kann offenbleiben.
Die Vorinstanz hat (in E. 5.4 des angefochtenen Entscheids) zutreffend erkannt, dass der Zins zur jeweiligen individuellen Forderung akzessorisch ist und deshalb wie diese im Klageverfahren nach Art. 73 BVG zu klären ist. "Aus prozessökonomischen Gründen" hat sie sich dennoch dazu geäussert und die Sache im Sinne der Erwägungen (vgl. zu deren Teilhabe an der formellen Rechtskraft des Dispositivs
BGE 144 V 418
E. 4.2 S. 425;
BGE 113 V 159
) zur Festlegung von Einzelheiten an die Aufsichtsbehörde zurückgewiesen. Dabei ist laut vorinstanzlicher Feststellung (in E. 5.4.2 des angefochtenen Entscheids) weder klar, wann die (teilweise zu Unrecht gekürzten) Austrittsleistungen erbracht wurden, noch ob und gegebenenfalls zu welchem Satz sie bereits verzinst wurden. Demnach war die Sache von vornherein nicht liquid (vgl. SVR 2012 BVG Nr. 23 S. 92, 9C_378/2011 E. 4.2.1 betreffend zivilrechtliche [Vor-] Frage) und folglich deren Behandlung durch das Bundesverwaltungsgericht auch nicht prozessökonomisch. Davon abgesehen gilt es, die strikte Zweiteilung der Zuständigkeit und des Verfahrens je nach vorsorgerechtlichem Gegenstand zu respektieren (SVR 2017 BVG Nr. 37 S. 169, 9C_938/2015 E. 6.2.3). Hinsichtlich der
Verzinsung hätte das Bundesverwaltungsgericht (wie auch die BSABB) nicht auf die bei ihm erhobene Beschwerde eintreten dürfen; in diesem Umfang ist der angefochtene Entscheid (wie auch die aufsichtsrechtliche Verfügung) von Amtes wegen (vgl.
BGE 144 V 138
E. 4.1 S. 144; SVR 2017 BVG Nr. 37 S. 169, 9C_938/2015 E. 3.1) aufzuheben und auf die vorliegende Beschwerde nicht einzutreten. | de | Art. 53d cpv. 3 LPP; ripartizione dell'importo del disavanzo in caso di liquidazione (parziale). In caso di liquidazione (parziale) l'avere di vecchiaia nel senso dell'art. 15 LPP non può essere ridotto. In concreto nessun riferimento abusivo a tale disposizione (consid. 2.1 e 2.2). | it | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-86%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,832 | 147 V 94 | 147 V 94
Sachverhalt ab Seite 95
A.
A.a A. (Jahrgang 1988) verunfallte am 21. Juli 2016 während seiner Arbeit als Zimmermann für die B. AG, indem er mit der linken Hand in das rotierende Fräsenblatt einer Kreissäge geriet. Das führte unter anderem zum ganzen oder teilweisen Verlust verschiedener Finger. Die dafür zuständige Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) erbrachte in der Folge die gesetzlichen Leistungen in Form von Kostenerstattung für Heilbehandlung und Taggeldzahlungen.
A.b Am 15. Dezember 2016 endete das Arbeitsverhältnis des Versicherten, worauf er sich aus der Schweiz abmeldete und nach Deutschland zog. Die Suva leistete bei unvermindert bestehender vollständiger Arbeitsunfähigkeit weiterhin Taggeldzahlungen. Mit Schreiben vom 6. Januar 2017 verwies sie den Versicherten auf die Möglichkeit beruflicher Eingliederungsmassnahmen und empfahl ihm, sich deswegen frühzeitig bei der Invalidenversicherung (IV) anzumelden. Genau dies tat er in der Folge, was die IV-Stelle für Versicherte im Ausland (IVSTA) der Suva am 7. Februar 2017 im Rahmen eines Akteneinsichtsgesuchs zur Kenntnis brachte.
A.c Mit Vorbescheid vom 27. Februar 2017 kündigte die IVSTA dem Versicherten an, dass sie aufgrund fehlender Beitragszeiten keine Rentenleistungen zu erbringen gedenke. Weiter teilte sie ihm gleichentags - formlos - mit, dass gegenüber der IV kein Anspruch auf berufliche Massnahmen bestehe; diese Leistungen seien bei den in einem Land der Europäischen Union (EU) wohnhaften Personen im Wohnsitzstaat nach Massgabe des dortigen Leistungskatalogs zu erbringen, und zwar zulasten der Suva, die als Verbindungsstelle (neben dem Unfallversicherer in Deutschland) sämtliche Anfragen entgegennehme.
A.d Hierauf bemühte sich A. in Deutschland um Eingliederungsmassnahmen. Am 7. November 2017 wandte sich die als deutsche Verbindungsstelle in Unfallversicherungssachen wirkende Berufsgenossenschaft "Gastgewerbe und Nahrungsmittel" mit einem Gesuch um Akteneinsicht an die Suva. Das verband sie mit der Anfrage, ob es sich um einen Berufsunfall handle und, im Hinblick auf allfällige Sachleistungsaushilfe, mit der Bitte um Zusendung einer Anspruchsbescheinigung (E 123) ausdrücklich für Berufshilfemassnahmen.
A.e Am 15. November 2017 verfügte die Suva gegenüber dem Versicherten, dass sie weder Kostengutsprache für Umschulungsmassnahmen noch Taggelder während deren Dauer leiste, da nach hiesigem Recht beides in die Zuständigkeit der IV und nicht des Unfallversicherers falle. Im Wesentlichen dasselbe verfügte sie gleichentags zuhanden der Berufsgenossenschaft. Ein Erstattungsanspruch für Sachhilfe sowie auf Ausrichtung von Taggeldern während der Umschulungsmassnahme bestehe nicht ihr gegenüber, sondern gegenüber der IV. Die dagegen sowohl von der Berufsgenossenschaft als auch von der IVSTA erhobenen Einsprachen wies die Suva mit Einspracheentscheid vom 31. Januar 2018 ab.
B. Das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden hiess die dagegen von der Berufsgenossenschaft und der IVSTA je getrennt geführten Beschwerden mit Entscheid vom 21. Mai 2019 gut. Es hob den Einspracheentscheid mitsamt den zugrunde liegenden Verfügungen auf und verpflichtete die Suva dazu, Kostengutsprache für die in Deutschland im Fall des Versicherten erbrachten beruflichen Massnahmen zu leisten bzw. die dafür aufgelaufenen Kosten zu erstatten.
C. Die Suva führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und ihr Einspracheentscheid vom 31. Januar 2018 sei zu bestätigen.
Die Berufsgenossenschaft, nunmehr vertreten durch die Deutsche Verbindungsstelle (Unfallversicherung - Ausland), schliesst sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde. Gleiches tun die IVSTA sowie das nachträglich eingeladene Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV). Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat sich nicht vernehmen lassen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1 Streitig ist, ob das kantonale Gericht die Beschwerdeführerin zu Recht dazu verhalten hat, der Berufsgenossenschaft Kostengutsprache für die in Deutschland zugunsten des Versicherten erbrachten beruflichen Massnahmen zu leisten bzw. die dafür aufgelaufenen Kosten zu erstatten.
2.2 Es steht ausser Frage, dass die Beschwerdeführerin aufgrund des am 21. Juli 2016 erlittenen Unfalls leistungspflichtig wurde und dem Versicherten auch nach seiner Ausreise nach Deutschland noch Taggeldzahlungen ausrichtete. Ebenfalls ist unbestritten, dass ein hiesiger Versicherungsträger für die in Deutschland unfallbedingt im Rahmen der Leistungsaushilfe erfolgten oder erfolgenden beruflichen Eingliederungs- bzw. "Rehabilitationsmassnahmen" Kostenersatz zu leisten hat. Nach schweizerischem Recht erbringt der Unfallversicherer im Wesentlichen Heilbehandlung (Art. 10 UVG) und Taggelder (Art. 16 UVG), des Weiteren besteht ihm gegenüber allenfalls Anspruch auf Invalidenrente (Art. 18 UVG) und/oder Integritätsentschädigung (Art. 24 UVG). Hingegen fallen die vor Entstehung des Rentenanspruchs notwendigen Eingliederungsmassnahmen (vgl. Art. 19 Abs. 1 UVG) gemäss Landesrecht nicht in die Leistungszuständigkeit des Unfallversicherers, sondern in diejenige der IV (vgl. Art. 8 ff. IVG). Dies betrifft insbesondere auch die Massnahmen beruflicher Art (Art. 15 ff. IVG), die unter anderem den Anspruch auf Umschulung umfassen (Art. 17 IVG). Während deren Dauer besteht gegenüber der IV auch ein Anspruch auf Taggelder (Art. 22 ff. IVG). Diesfalls wird das Taggeld der Unfallversicherung nicht gewährt (Art. 16 Abs. 3 UVG). Mit Blick auf diese Rechtslage läge von der Sache her eine Leistungspflicht der IV nahe, dies namentlich mit Blick auf die konkret betroffenen Versicherungsleistungen, die auch innerstaatlich - trotz unfallbedingter Verursachung - zu Lasten derselben gingen. Unmittelbar und ausschliesslich gestützt auf das Landesrecht liesse sich eine Leistungspflicht der IV allerdings nicht begründen. Denn zum einen endet der Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen mit dem Ende der Versicherung (Art. 9 Abs. 1 bis IVG), bedingt durch die Aufgabe der Erwerbstätigkeit hierzulande und die Rückkehr nach Deutschland (Art. 1b IVG in Verbindung mit Art. 1a Abs. 1 lit. a und b AHVG; vgl. BGE 145 V 266 E. 4.2 S. 271). Zum andern fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage im Landesrecht, die die Kostenerstattung durch die IV positivrechtlich vorschreiben würde. Zu prüfen ist jedoch, was sich aus dem internationalen Bezug und den insofern anwendbaren besonderen Bestimmungen ergibt bzw. welche Folgerungen aus diesen zu ziehen sein werden.
3.
3.1 Das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) enthält in Art. 8 die Grundlage für Anhang II FZA, der seinerseits Bestandteil des Abkommens bildet (Art. 15 FZA). Nach Art. 1 Abs. 1 dieses Anhangs (in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung) in Verbindung mit dessen Abschnitt A befolgen die Vertragsparteien untereinander insbesondere die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (AS 2004 121), und Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (AS 2005 3909) oder gleichwertige Vorschriften.
Mit Wirkung auf den 1. April 2012 sind diese beiden Rechtsakte durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.1; nachfolgend: Grundverordnung oder VO Nr. 883/2004) sowie die von den nämlichen Gremien am 16. September 2009 verabschiedete Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der VO Nr. 883/2004 (SR 0.831.109.268.11; nachfolgend: Durchführungsverordnung oder VO Nr. 987/2009) abgelöst worden (BGE 146 V 152 E. 4.1 S. 156; BGE 144 V 127 E. 4.1 S. 129; BGE 143 V 52 E. 6.1 S. 55 f.; BGE 141 V 246 E. 2.1 S. 248 f.). Diese Verordnungen, auf deren Geltung im Übrigen in Art. 115a UVG (in der ab 1. Januar 2017 geltenden Fassung; AS 2016 5233) verwiesen wird, sind auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt in zeitlicher, persönlicher und sachlicher Hinsicht (vgl. auch E. 3.2.1 und 3.2.3 unten) anwendbar, was auch aus Sicht sämtlicher Parteien ausser Frage steht.
3.2
3.2.1 Die VO Nr. 883/2004 bezweckt nicht die inhaltliche Angleichung nationaler Systeme sozialer Sicherheit im Sinne einer Harmonisierung, sondern - wie schon ihr Titel besagt - ihre Koordination (BGE 143 V 1 E. 5.2.3 S. 5; BGE 141 V 246 E. 5.1 S. 251). Ihr sachlicher Geltungsbereich umfasst unter anderem gemäss ihrem Art. 3 Abs. 1 Bst. f die Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Im Titel III finden sich sodann Kollisionsnormen für besondere Situationen im jeweiligen Zweig des Systems der sozialen Sicherheit, so in Kapitel 1 (Art. 17-35) für Leistungen bei Krankheit sowie Leistungen bei Mutterschaft (und gleichgestellten Leistungen bei Vaterschaft) und in Kapitel 2 (Art. 36-41) für Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Der Charakter als Kollisionsnorm ergibt sich nicht immer bereits aus dem Wortlaut. Bei diesen Bestimmungen (des Titels III) handelt es sich im Unterschied zu Titel II regelmässig nur um punktuelle Regelungen bezüglich einzelner Zweige der sozialen Sicherheit oder einzelner Rechtsgebiete (BGE 146 V 152 E. 4.2.2.1 S. 158, mit Hinweisen auf das Schrifttum).
3.2.2 So bestimmt Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004, dass eine Person, die einen Arbeitsunfall erlitten oder sich eine Berufskrankheit zugezogen hat und in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnt oder sich dort aufhält, Anspruch auf die besonderen Sachleistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten hat, die vom Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht werden, als ob die betreffende Person nach diesen Rechtsvorschriften versichert wäre.
3.2.2.1
3.2.2.1.1 Damit verankert Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004 (nebst anderen Bestimmungen - vgl. auch: Art. 17, 40 VO Nr. 883/2004) das Prinzip der Sachleistungsaushilfe. Dabei handelt es sich um ein Surrogat für den eigentlichen Leistungsexport (der seinerseits namentlich bei Geldleistungen zum Zuge kommt - vgl. Art. 7, 21 und 36 Abs. 3 VO Nr. 883/2004), um den damit verbundenen logistischen und bürokratischen Schwierigkeiten, den zeitlichen Verzögerungen sowie der faktischen Unmöglichkeit des Exports stationärer Mittel Rechnung zu tragen. An die Stelle des Leistungsexports tritt die Erbringung der Sachleistung durch den Träger des Wohnorts nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften (FRANK SCHREIBER, in: VO [EG] Nr. 883/2004, Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, Kommentar [nachfolgend: Kommentar], 2012, N. 7 zu Art. 17 VO Nr. 883/2004; FRÉSARD/MOSER-SZELESS, Unfallversicherungsrecht, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 1009 f. Rz. 358). Der Geschädigte wird so gestellt, als ob er nach den Vorschriften des Trägers am Wohn- oder Aufenthaltsort versichert wäre (ANNET WUNDER, Kommentar, a.a.O., N. 16 zu Art. 36 VO Nr. 883/2004; zum Ganzen auch: BETTINA KAHIL-WOLFF, Droit social européen, Union européenne et pays associés, 2017, S. 420 ff. Ziff. 691 ff., S. 430 Ziff. 708). Damit einher geht, dass der aushelfende Träger (am Wohnort) über das Vorliegen der spezifischen Leistungsvoraussetzungen gemäss seinem Recht entscheidet, mithin darüber, welche Leistungen (Typus der Leistung, Art und Modalitäten sowie Umfang der Leistungserbringung) zu erbringen sind (vgl. KARL-JÜRGEN BIEBACK, in: Europäisches Sozialrecht [nachfolgend: Sozialrecht], Maximilian Fuchs [Hrsg.], 7. Aufl. 2018, N. 14 zu Art. 17 VO Nr. 883/2004; PETER BAUMEISTER, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht, in: Enzyklopädie Europarecht, Schlachter/Heinig [Hrsg.], 2016, § 24 Rz. 36 und 48). Ist eine Leistung im zuständigen Staat, nicht aber im Recht des aushelfenden Trägers vorgesehen, können also Lücken im Versicherungsschutz entstehen (BIEBACK, a.a.O., N. 18 zu Art. 17 VO Nr. 883/2004). Gleichbehandlung über die Staatsgrenzen hinweg führt hier demnach nicht zu einer solchen mit den Versicherten des zuständigen Staates, sondern nur mit jenen des Wohnortsstaates (BAUMEISTER, a.a.O., § 24 Rz. 36). Von den spezifischen Leistungsvoraussetzungen zu unterscheiden gilt es hingegen die grundsätzlichen Fragen der Versicherungsunterstellung ("Versicherungsstatus") oder des Versicherungsfalls; soweit es darum geht, bleibt das Recht des zuständigen Staates massgebend (BAUMEISTER, a.a.O., § 24 Rz. 28 sowie Rz. 48, vgl. zum Ganzen ferner § 24 Rz. 35 f.; vgl. auch BIEBACK, a.a.O., N. 16 f. zu Art. 17 VO Nr. 883/2004).
3.2.2.1.2 Zur administrativen Erledigung des Antrags auf Leistungen braucht es einen Informationsaustausch zwischen dem Träger des Wohnorts und den involvierten Stellen des zuständigen Mitgliedstaats. In diesem Rahmen gilt es vor allem die Anspruchsberechtigung zu klären. Dafür verweist Art. 33 Abs. 1 VO Nr. 987/2009 auf Art. 24 Abs. 1 der nämlichen Verordnung. Danach muss der zuständige Träger auf Antrag des Versicherten oder auf Antrag des Trägers des Wohnorts ein Dokument ausstellen, das den Sachleistungsanspruch bestätigt (vgl. auch Art. 25 Abs. 1 der Durchführungsverordnung; MAXIMILIAN FUCHS, Sozialrecht, a.a.O., N. 6 und 14 zu Art. 36 VO Nr. 883/2004). In der Praxis findet dafür das Formular DA1 bzw. (vorher) E 123 ("Bescheinigung über den Anspruch auf Sachleistungen der Versicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten") der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeiter Verwendung. Bestreitet der zuständige Träger nach Art. 36 Abs. 2 der Grundverordnung, dass die Rechtsvorschriften über Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten anzuwenden sind, so teilt er dies unverzüglich dem Träger des Wohn- und Aufenthaltsortes mit, der die Sachleistungen gewährt hat; diese Sachleistungen gelten dann als Leistungen der Krankenversicherung (Art. 35 Abs. 1 VO Nr. 987/2009; FRÉSARD/MOSER-SZELESS, a.a.O., S. 1010 Rz. 362). Ist zu dieser Frage eine endgültige Entscheidung ergangen, so teilt der zuständige Träger dies unverzüglich dem Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts mit, der die Sachleistungen gewährt hat (Abs. 2, Unterabsatz 1 der nämlichen Bestimmung). Wird kein Arbeitsunfall bzw. keine Berufskrankheit festgestellt, so werden die Sachleistungen weiterhin als Leistungen der Krankenversicherung gewährt, sofern die betreffende Person Anspruch darauf hat (Unterabsatz 2).
3.2.2.2
3.2.2.2.1 Mit der Sachleistungsaushilfe zwingend verknüpft ist die Erstattung zwischen den Trägern: Unter diesem Titel bestimmt Art. 35 Abs. 1 VO Nr. 883/2004, dass die vom Träger eines Mitgliedstaats für Rechnung des Trägers eines anderen Mitgliedstaats nach diesem Kapitel gewährten Sachleistungen in voller Höhe zu erstatten sind (vgl. FRÉSARD/MOSER-SZELESS, a.a.O., S. 1010 Rz. 358). Die Erstattungen nach Absatz 1 werden nach Massgabe der Durchführungsverordnung festgestellt und vorgenommen, und zwar entweder gegen Nachweis der tatsächlichen Aufwendungen oder auf der Grundlage von Pauschalbeträgen für Mitgliedstaaten, bei deren Rechts- und Verwaltungsstruktur eine Erstattung auf der Grundlage der tatsächlichen Aufwendungen nicht zweckmässig ist (Abs. 2). Diese für Leistungen bei Krankheit (u.a.) geltende Bestimmung greift gemäss Art. 41 VO Nr. 883/2004 auch für Leistungen nach dem 2. Kapitel, mithin im Fall von Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten; die Erstattung erfolgt auf der Grundlage der tatsächlichen Aufwendungen (Abs. 1). Zwei oder mehr Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden können (wortlautidentisch mit Art. 35 Abs. 3 VO Nr. 883/2004) andere Erstattungsverfahren vereinbaren oder auf jegliche Erstattung zwischen den in ihre Zuständigkeit fallenden Trägern verzichten (Abs. 2).
3.2.2.2.2 Die Erstattungsnorm wird in der Durchführungsverordnung bekräftigt und ergänzt: So hält Abs. 3 von Art. 35 VO Nr. 987/ 2009 fest, dass deren Art. 6 Abs. 5 Unterabsatz 2 (betreffend die [...] vorläufige Gewährung von Leistungen) entsprechend gelte. Danach werden Sachleistungen, die von einem Träger (...) vorläufig gewährt wurden, von dem zuständigen Träger nach Titel IV der Durchführungsverordnung erstattet. In diesem Titel IV finden sich Finanzvorschriften, namentlich in den Art. 62 bis 69. Im Grundsatz unterstreicht Art. 62 VO Nr. 987/2009, dass der "zuständige Träger" dem Träger, der die Sachleistung gewährt hat, diese in Höhe der tatsächlichen Ausgaben (...) erstattet (Abs. 1). Die Erstattung soll nach Art. 66 Abs. 1 Durchführungsverordnung so rasch wie möglich vorgenommen werden (WUNDER, Kommentar, a.a.O., N. 6 zu Art. 41 VO Nr. 883/2004; vgl. ferner ROBERTUS CORNELISSEN, Sozialrecht, a.a.O., N. 3 zu Art. 74 VO Nr. 883/2004, der von Erstattung innerhalb eines vernünftigen Zeitraums spricht). Zusätzlich unterstrichen wird dies mit der Vorgabe bestimmter Fristen (Art. 67 VO Nr. 987/ 2009; vgl. auch den Vorbehalt in dessen Abs. 5, wonach die Frist nicht gilt, wenn der leistungspflichtige Träger die Forderung aus einem berechtigten Grund zurückweist) bzw. einer Verzugszinspflicht (Art. 68 VO Nr. 987/2009). Eine reibungslose Anwendung des Erstattungssystems ist grundlegend für das Funktionieren der Koordinationsregeln der Grundverordnung, widrigenfalls droht Gefahr ihrer Aushöhlung (CORNELISSEN, a.a.O.). Allerdings soll das tatsächliche Erstattungsverhalten einiger Mitgliedstaaten gegenüber der Deutschen Verbindungsstelle (Unfallversicherung - Ausland) erhebliche Defizite aufweisen (BAUMEISTER, a.a.O., § 24 Rz. 67 mit Hinweis auf HELMUT MAXEINER, in: Juristischer Praxiskommentar SGB I, 2. Aufl. 2011, N. 30 zu Art. 41 VO Nr. 883/2004).
3.2.2.2.3 Erstattungen zwischen den Trägern der Mitgliedstaaten nach Art. 35 und 41 VO Nr. 883/2004 werden gemäss Art. 66 Abs. 2 VO Nr. 987/2009 über die Verbindungsstelle abgewickelt. Gemäss Legaldefinition hat sie die Anfragen und Amtshilfeersuchen für die Zwecke der Anwendung der Grund- und der Durchführungsverordnung zu beantworten und die ihr nach deren Titel IV zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen (vgl. Art. 1 Abs. 2 Bst. b VO Nr. 987/2009). Die Aufgabenzuweisungen finden sich in Art. 2 bis 4 VO Nr. 987/ 2009 (Datenaustausch) und in Art. 66 bis 69 VO Nr. 987/2009 (Titel IV: Erstattungswesen; vgl. E. 3.2.2.2.2 oben; vgl. ferner FRANK SCHREIBER, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht, in: Enzyklopädie Europarecht, Schlachter/Heinig [Hrsg.],2016, § 33 Rz. 55 und 93; derselbe, Kommentar, a.a.O., N. 18 ff. zu Art. 35 VO Nr. 883/2004). Im Schrifttum wird die Verbindungsstelle definiert "als ganz allgemein jene Einrichtung eines Mitgliedstaates, die Anfragen und Aushilfeersuchen aus anderen Mitgliedstaaten entgegennimmt und durch die betroffenen Träger, die sie repräsentiert, beantworten lässt, sowie die Kostenerstattung zwischen den Mitgliedstaaten abwickelt" (BERNHARD SPIEGEL, Sozialrecht, a.a.O., N. 7 zu Art. 78 VO Nr. 883/2004).
3.2.2.2.4 Als Schweizer Verbindungsstelle, der die Durchführung der Leistungsaushilfe obliegt, amtet in Unfallversicherungssachen nach Art. 103a UVV (SR 832.202) die Suva (vgl. auch Urteil 8C_66/2009 vom 7. September 2009 E. 5.2; FRÉSARD/MOSER-SZELESS, a.a.O., S. 1010 Rz. 359; USINGER-EGGER, in: Kommentar zum schweizerischen Sozialversicherungsrecht, UVG [nachfolgend: UVG], Hürzeler/Kieser [Hrsg.], 2018, N. 25 zu Art. 115a UVG; Kreisschreiben [Unfallversicherung] Nr. 19 des BAG vom 14. Dezember 2017, S. 5). Die dadurch verursachten Kosten werden zu zwei Dritteln von der Suva und zu einem Drittel von den Versicherern nach Art. 68 des Gesetzes getragen (Abs. 2). Der Bund übernimmt die durch die Vorfinanzierung der Leistungsaushilfe entstehenden Zinskosten (Abs. 3). In der betreffenden Botschaft hat der Bundesrat dazu ausgeführt, dass sich das bisherige System der Leistungsaushilferegelung (auch in den meisten der bestehenden bilateralen Sozialversicherungsabkommen enthalten) bewährt habe, weshalb es im Rahmen des vorliegenden Abkommens fortzuführen sei; danach sorge die Suva für die vorschussweise Übernahme von Versicherten ausländischer Versicherungen in der Schweiz und wirke anderseits als Verbindungsstelle für Versicherungsfälle im Ausland (Botschaft vom 23. Juni 1999 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG, BBl 1999 6344 f.).
3.2.2.3 Von der Verbindungsstelle zu unterscheiden ist der zuständige Träger. Diesem wird in Art. 19 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 die Erstattungspflicht überbunden (KAHIL-WOLFF, in: EU Social Security Law, A Commentary on EU Regulations 883/ 2004 and 987/2009, Fuchs/Cornelissen [Hrsg.], 2015, N. 19 zu Art. 1 VO Nr. 883/2004). Gleiches tut zwangsläufig auch die Durchführungsverordnung (Art. 6 Abs. 5, Art. 62 VO Nr. 987/2009). Zum Begriff des zuständigen Trägers finden sich in Art. 1 Bst. q VO Nr. 883/2004 Legaldefinitionen, und zwar vier an der Zahl (i-iv), wodurch die Bedeutung des Rechtsbegriffs normativ, eigenständig autonom europarechtlich, umfassend und abschliessend festgelegt wird (KAHIL-WOLFF, Sozialrecht, a.a.O., N. 2 zu Art. 1 VO Nr. 883/ 2004). Im Einzelnen meint zuständiger Träger:
i) den Träger, bei dem die betreffende Person zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Leistungen versichert ist,
oder
ii) den Träger, gegenüber dem die betreffende Person einen Anspruch auf Leistungen hat oder hätte, wenn sie selbst oder ihr Familienangehöriger bzw. ihre Familienangehörigen in dem Mitgliedstaat wohnen würden, in dem dieser Träger seinen Sitz hat,
oder
iii) den von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats bezeichneten Träger,
oder
iv) bei einem System, das die Verpflichtungen des Arbeitgebers hinsichtlich der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Leistungen betrifft, den Arbeitgeber oder den betreffenden Versicherer oder, falls es einen solchen nicht gibt, die von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats bezeichnete Einrichtung oder Behörde.
Daraus wird im Schrifttum gefolgert, zuständiger Träger sei die Behörde oder Einrichtung des zuständigen Staates, bei dem eine aktuelle Versicherung bestehe oder die gegenüber dem Berechtigten zur Erbringung von Leistungen verpflichtet sei (KAHIL-WOLFF, Sozialrecht, a.a.O., N. 31 zu Art. 1 VO Nr. 883/2004; ebenso SPIEGEL, in der Vorauflage desselben Werks, am gleichen Ort; ALBRECHT OTTING, in: EU-Sozialrecht, Kommentar, Hauck/Noftz [Hrsg.], 2015, N. 51 zu K Art. 1 VO Nr. 883/2004).
3.2.3 Was die in Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004 erwähnten besonderen Sachleistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten angeht (E. 3.2.2 oben), soll damit dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die diesbezüglichen Leistungskataloge der meisten Mitgliedstaaten über dasjenige hinausgehen, was das nationale Krankenversicherungsrecht vorsieht. Dieses erweiterte, auf Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten bezogene, Leistungsspektrum soll nach dem erklärten Willen des Verordnungsgebers auch im Wohnstaat zur Verfügung stehen (FUCHS, Sozialrecht, a.a.O., N. 7 zu Art. 36 VO Nr. 883/2004). Zum Begriff selbst existiert sodann ebenfalls eine Legaldefinition, und zwar in Art. 1 Bst. va ii ("vbis ii" in der französisch- bzw. italienischsprachigen Fassung) derselben Verordnung. Darin wird zunächst auf die Sachleistungen bei Krankheit sowie Leistungen bei Mutterschaft (...) verwiesen, sodass die wörtliche Wiedergabe auch dieser Bestimmung unerlässlich ist:
i) für Titel III Kapitel 1 (Leistungen bei Krankheit sowie Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft) Sachleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgesehen sind und die den Zweck verfolgen, die ärztliche Behandlung und die diese Behandlung ergänzenden Produkte und Dienstleistungen zu erbringen bzw. zur Verfügung zu stellen oder direkt zu bezahlen oder die diesbezüglichen Kosten zu erstatten. Dazu gehören auch Sachleistungen bei Pflegebedürftigkeit;
ii) für Titel III Kapitel 2 (Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten) alle Sachleistungen im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten gemäss der Definition nach Ziffer i, die nach den Arbeitsunfall- und Berufskrankheitenregelungen der Mitgliedstaaten vorgesehen sind.
In diesem Zusammenhang wird für das im vorliegenden Fall am Wohnort des Versicherten geltende deutsche Recht in der Literatur vermerkt, es gehörten neben den klassischen Sachleistungen der medizinischen Versorgung die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 35 SGB VII), am Leben in der Gemeinschaft (§ 39 SGB VII) und anderes mehr bzw. sämtliche Sachleistungen des Sozialgesetzbuchs/siebtes Buch (SGB VII) dazu (BAUMEISTER, a.a.O., § 24 Rz. 50; vgl. auch HELMUT MAXEINER, Sachleistungsaushilfe, Trauma und Berufskrankheit, Sonderheft 5/2016 S. 434 ff. sowie WUNDER, Kommentar, a.a.O., N. 4 zu Art. 36 mit Hinweis auf den in § 1 Nr. 2 SGB VII formulierten Auftrag, wonach bei Arbeitsunfall oder Berufskrankheit nicht bloss Genesung das Ziel sei, sondern in besonderem Masse auch die Wiedererlangung bzw. Erhaltung der Arbeitsfähigkeit). Dass demnach berufliche Eingliederungsmassnahmen ebenfalls zu den besonderen Sachleistungen gemäss Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004 zählen, wird auch hierzulande vertreten (BETTINA KAHIL-WOLFF HUMMER, in: Basler Kommentar zum Unfallversicherungsgesetz, 2019, N. 14 zu Art. 115a UVG; PATRICIA USINGER-EGGER, Die Verordnung [EG] Nr. 883/2004 und deren Durchführungsverordnung, JaSo 2013 S. 106, insbesondere auch Fn. 70; dieselbe, UVG, a.a.O., N. 17 zu Art. 115a UVG; vgl. ferner, wenn auch weniger explizit: BAG-Kreisschreiben [Unfallversicherung] Nr. 19, a.a.O., S. 5 f.).Im Übrigen bringen weder die Beschwerdeführerin noch das BSV in dieser Hinsicht Gegenteiliges vor.
4.
4.1 Die Vorinstanz hat erwogen, es stehe unbestrittenermassen fest, dass die Berufsgenossenschaft einen Erstattungsanspruch gestützt auf Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004 habe und dass der zugrunde liegende Schadenfall als Arbeitsunfall im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Koordinationsrechts zu qualifizieren sei. Bei der Frage nach dem zuständigen Träger für die Erstattung hat sie erkannt, dass die Suva einerseits als Durchführungsstelle zuständig für die Abwicklung der Kostenerstattung für die aushilfsweise erbrachten Sachleistungen sei (Art. 66 Abs. 2 VO Nr. 987/2009). Anderseits sei sie - da der Versicherte im Zeitpunkt des Unfalls bei ihr versichert gewesen sei - auch zuständiger Unfallversicherer im Sinne von Art. 1 Bst. q der Grundverordnung, weshalb offenbleiben könne, wie sich im Bereich der Unfallversicherung die Kostenerstattung innerstaatlich bei einem Auseinanderfallen zwischen Verbindungsstelle und Trägerschaft gestalten würde (mit Hinweis auf BGE 141 V 612 E. 3.3.2 S. 617). Das einschlägige Koordinationsrecht bezwecke nicht zuletzt die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Trägern der sozialen Sicherheit der einzelnen Mitgliedstaaten und die Gewährleistung eines effektiven und verbindlichen Erstattungsverfahrens (mit Hinweis auf die Erwägungsgründe 2 und 19 sowie Art. 62 ff. der Durchführungsverordnung). Damit sei unvereinbar, dass sich eine nationale Verbindungsstelle bzw. der zum Unfallzeitpunkt zuständige Unfallversicherer unter Berufung auf innerstaatliche Besonderheiten der Zuordnung von Versicherungsleistungen ihrer Erstattungspflicht gegenüber dem ausländischen aushelfenden Träger entziehe. Die Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten gemäss Art. 3 Abs. 1 Bst. f und Art. 36 ff. VO Nr. 883/2004 seien nicht nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts, sondern nach gemeinschaftsrechtlichen Kriterien zu verstehen. So gesehen gehe es im vorliegenden Fall bei den fraglichen Eingliederungsmassnahmen um Leistungen bei Arbeitsunfall und Berufskrankheit, die in die Zuständigkeit der Suva fielen, woran nichts ändere, dass sie in der Schweiz von der IV zu erbringen wären.
4.2 Die beschwerdeführende Suva wendet dagegen im Wesentlichen ein, dass die IV nicht nur nach innerstaatlichem Recht leistungszuständig (Art. 8 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 IVG), sondern auch nach Art. 1 Bst. q/ii VO Nr. 883/2004 als zuständiger Träger zu qualifizieren sei. Entscheidend für die Annahme der Trägerschaft sei demgegenüber nicht, dass der Versicherte im Unfallzeitpunkt versichert gewesen sei. Unter welchem Titel eine Leistung gemeinschaftsrechtlich zu erbringen sei, bleibe ohne Einfluss darauf, welcher Sozialversicherungszweig die Leistung innerstaatlich zu übernehmen habe bzw. rückerstattungspflichtig sei. Das Koordinationsrecht wolle dem Versicherten den komplikationslosen Zugang zu den "ortsgebundenen" Leistungen verschaffen, hingegen beabsichtige es nicht, diesen Anspruch in demjenigen Staat, in dem der Anspruch überhaupt erst entstehe, einem anderen Versicherungszweig und einer anderen Risikogemeinschaft zuzuordnen. Im Übrigen könne aus dem Umstand, dass sie - die Suva - hier als Verbindungsstelle für die Abwicklung zuständig sei, nicht abgeleitet werden, dass sie letztlich die Kosten zu tragen habe.
4.3 Die IVSTA verweist ihrerseits darauf, dass sie mangels Versicherteneigenschaft nach innerstaatlichem Recht nach Dezember 2016 keine Leistungspflicht treffe. Die Zuordnung zu den in Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 enumerierten Risiken erfolge rechtsprechungsgemäss unabhängig vom innerstaatlichen Recht nach gemeinschaftsrechtlichen Kriterien. Insofern gehe es im vorliegenden Fall um Sachleistungen - wozu die Eingliederungsmassnahmen gehörten - aus Arbeitsunfall, wofür die Suva der für die Kostentragung zuständige Träger sei. Der Umstand, dass die Suva nun plötzlich ihre Zuständigkeit verneine, befremde. Auch habe sie, soweit ersehbar, nie gegen ihre Eintragung als zuständiger Träger für Sachleistungen und Rehabilitationsleistungen bei Arbeitsunfall im öffentlichen Verzeichnis der europäischen Institutionen der Sozialen Sicherheit opponiert.
5.
5.1 Zu Recht hat das kantonale Gericht den Grundsatz besonders hervorgehoben, dass sich aus einem negativen Kompetenzkonflikt unter den hiesigen Sozialversicherern kein Nachteil für den Träger am Wohnmitgliedstaat ergeben darf, der dort aushilfsweise Sachleistungen zu erbringen und deswegen Anspruch auf Erstattung in voller Höhe hat. Erst recht nicht darf derlei zulasten des oder der Versicherten gehen. Ebenfalls zu Recht - und insoweit unbestritten - hat die Vorinstanz erkannt, dass die Suva im vorliegenden Fall als Verbindungsstelle involviert ist. Ob sie daneben zugleich als zuständiger Träger im Sinne von Art. 1 Bst. q/i VO Nr. 883/2004 in Betracht fällt, ist nachfolgend zu prüfen.
5.2 Die Legaldefinition in Art. 1 Bst. q VO Nr. 883/2004 sieht vier alternative Möglichkeiten vor, ohne dass sich daraus eine Prioritätenordnung ergeben würde (vgl. E. 3.2.2.3 oben). Ebenso wenig lässt sich eine solche dem oben zitierten Schrifttum entnehmen. Das erstaunt insofern nicht, als der Zweck des Koordinationsrechts keine Prioritätenordnung erfordert. Vielmehr ruft er nach einer umfassenden, lückenlosen Zuordnung sämtlicher Versicherungsfälle im Bereich der sozialen Sicherheit zu einem als zuständig zu erachtenden Träger. Und welcher Träger dies im konkreten Fall letztlich ist, ergibt sich im Fall mehrerer Möglichkeiten nicht allein aus dem Koordinationsrecht selbst, sondern bestimmt sich unter Einbezug des Landesrechts, dessen Anwendung selbstredend nicht zu einer Vereitelung der Koordinationsbemühungen führen darf.
5.3
5.3.1 Die oben dargelegte Legaldefinition (vgl. E. 3.2.2.3 oben) ist vom Wortlaut her so gefasst, dass sich im vorliegenden Fall sowohl die Suva als auch die IV als zuständiger Träger qualifizieren liessen.
5.3.2 Letzteres folgt - worauf die Beschwerdeführerin zu Recht verweist - aus Art. 1 Bst. q/ii der Grundverordnung, wonach auch an einer aus hypothetischem Wohnen hierzulande abgeleiteten Leistungspflicht angeknüpft werden kann. In diesem Zusammenhang sei zudem Anhang XI zur VO Nr. 883/2004 angeführt, der besondere Vorschriften für die Anwendung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten enthält. Dort findet sich für die Schweiz unter Ziff. 8 der Passus, dass ein Arbeitnehmer oder Selbstständiger, der den schweizerischen Rechtsvorschriften über die IV nicht mehr unterliegt, weil er seine existenzsichernde Erwerbstätigkeit in der Schweiz infolge Unfalls oder Krankheit aufgeben musste, in dieser Versicherung für den Erwerb des Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen als versichert gilt bis zur Zahlung einer Invalidenrente und während der Durchführung dieser Massnahmen, sofern er keine anderweitige Erwerbstätigkeit im Ausland aufnimmt (vgl. dazu BGE 132 V 244 E. 5 f. S. 250 ff.). Demnach bestünde jedenfalls dann weiterhin ein auf Eingliederungsmassnahmen gerichteter Leistungsanspruch gegenüber der IV, wenn der Versicherte hier wohnen würde, womit Bst. q/ii erfüllt ist.
5.3.3 Was die Suva angeht, gelangt Art. 1 Bst. q/i VO Nr. 883/2004 in den Blick, wonach auf die Versicherungsunterstellung im Zeitpunkt des Antrags auf Leistungen abgestellt wird. Das lässt die Trägerschaft des hiesigen Unfallversicherers dann fraglich werden, wenn dieser Antrag im Begehren um Sachleistungen gegenüber dem Träger des Wohnstaates erblickt würde. Im vorliegenden Fall schon deswegen die Trägerschaft der Suva zu verwerfen, ginge jedoch nicht an. Insbesondere wäre dies mit ihrer unbestrittenermassen bestehenden Leistungspflicht aufgrund des Unfalls vom 21. Juli 2016 nicht zu vereinbaren. So richtete sie auch nach der Rückkehr nach Deutschland weiterhin Taggelder dorthin aus (vgl. Art. 7 VO Nr. 883/2004). Vor allem aber hätte sie einem Begehren um Wiederaufnahme der Heilbehandlung - einer Sachleistung - im Wohnortsstaat jedenfalls nicht mit dem Argument entgegentreten können, es bestehe im Zeitpunkt dieses Gesuchs keine Versicherungsdeckung mehr.
5.4
5.4.1 Der Wortlaut von Art. 1 Bst. q VO Nr. 883/2004 liesse demnach verschiedene Anknüpfungen zu. Anderseits steht ausser Frage, dass es sich bei den streitbetroffenen Leistungen aus koordinationsrechtlicher Sicht um solche bei Arbeitsunfällen (Art. 3 Abs. 1 Bst. f VO Nr. 883/2004) und nicht etwa um solche bei Invalidität (Art. 3 Abs. 1 Bst. c VO Nr. 883/2004) handelt, wie das kantonale Gericht in der Sache richtig erkannt hat (vgl. BGE 133 V 320 E. 5.6 S. 328; zur Massgeblichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Kriterien: BGE 134 V 284 E. 3.2 S. 288; Urteil 8C_870/2012 vom 8. Juli 2013 E. 2.4). Auch das BSV verweist hierauf. Darüber hinaus legt es dar, dass die Schweiz im Rahmen der Mitteilungen und Verzeichnisse gemäss Art. 88 Abs. 1 und 4 VO Nr. 987/2009 (wie schon in Anhang 2 der zuvor gültig gewesenen Verordnung Nr. 574/72 sub Schweiz Ziff. 4a) ausschliesslich den zuständigen Unfallversicherer aufführt. Zudem ist nunmehr im Zuge der jüngsten Änderung des ATSG vom 21. Juni 2019 mit Art. 75a eine explizite formellgesetzliche Grundlage dafür geschaffen worden, die dem Bundesrat die Befugnis einräumt, die betreffenden Stellen zu bestimmen, die damit beauftragt sind, für die einzelnen Sozialversicherungen die Aufgaben, insbesondere als zuständige Behörde, Verbindungsstelle und zuständiger Träger, gemäss den Erlassen in der für die Schweiz verbindlichen Fassung von Anhang II des FZA (...) wahrzunehmen (BBl 2019 4475 ff., 4478). Die bundesrätliche Botschaft vom 2. März 2018 hält dazu fest, Art. 75a ATSG kodifiziere die bestehende Aufgabenzuteilung formell in einer gesetzlichen Grundlage, wobei weder inhaltliche noch organisatorische Änderungen der Zuständigkeiten der betroffenen Stellen vorgesehen seien (BBl 2018 1607 ff., 1641). Ob Art. 75a ATSG tatsächlich in diesem weitgehenden Sinne zu verstehen sein wird, ist hier nicht zu beurteilen. Immerhin ergibt sich daraus aber doch insofern ein Bekenntnis zur bestehenden (und auch nach aussen hin bekundeten) Ordnung, als dieser Punkt im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsprozess nicht aufgegriffen oder gar in Frage gestellt wurde (AB 2018 S 667 ff., 670; 2019 N 329 ff., 341).
5.4.2 Namentlich die Zuordnung der streitbetroffenen Leistungen zu Art. 3 Abs. 1 Bst. f VO Nr. 883/2004 spricht für die Erstattungspflicht der beschwerdeführenden Suva. Dagegen steht zwar die klare Leistungszuständigkeit gemäss Landesrecht (vgl. E. 2.2 oben; vgl. dazu insbesondere USINGER-EGGER, UVG, a.a.O., N. 17 zu Art. 115a; dieselbe, JaSo, a.a.O., S. 106 Fn. 70). Allerdings drängt sich eine Involvierung der IV hinsichtlich der beruflichen Eingliederungsmassnahmen unter dem Titel der "besonderen Sachleistungen" nach Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004 auch von der Sache her nicht auf. Denn die betreffende Erstattung erfordert aufgrund der im Wohnortsstaat gemäss dortigem Recht erfolgenden Sachleistungsaushilfe gerade keine Prüfung der Frage, ob und inwieweit gemäss hiesigem IVG ein Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen bestünde. Vielmehr geht es im Wesentlichen einzig um die Klärung, ob ein hier versicherter Arbeitsunfall vorliegt (vgl. E. 3.2.2.1.1 oben), wozu der Unfallversicherer allemal berufen ist. Nicht zu vernachlässigen sind sodann Erschwernisse praktischer Art, die entstehen können, wenn neben dem Unfallversicherer, der für die eigentliche Heilbehandlung bzw. für die Erstattung ihrer Kosten aufzukommen hat, mit dem Einbezug der IV (agierend durch die IVSTA) in ein und demselben Fall - wenigstens zeitverschoben - ein weiterer Träger beteiligt wäre. Ob sich solchen Erschwernissen dadurch befriedigend begegnen liesse, dass die Suva als Verbindungsstelle mitzuwirken und so den Erstattungsfall nicht nur für die übrigen Unfallversicherer (Art. 68 ff. UVG), sondern gleichermassen für die IV abzuwickeln hätte (vgl. Art. 1 Abs. 2 Bst. b und Art. 66 Abs. 2 VO Nr. 987/2009 sowie E. 3.2.2.2.3 oben), scheint zumindest fraglich.
5.4.3 Die Beschwerdeführerin verweist sodann zur Untermauerung ihres Standpunkts auch auf die gebotene Äquivalenz, wonach zwischen den zu erbringenden Versicherungsleistungen und deren Finanzierung durch Nettoprämien über die Zeit hin ein Gleichgewicht bestehen soll (vgl. ALFRED MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 1985, S. 46; KIESER/SCHEIWILLER, in: Kommentar zum schweizerischen Sozialversicherungsrecht, UVG, Hürzeler/Kieser [Hrsg.], 2018, N. 4 zu Art. 92 UVG; speziell für den versicherten Verdienst: BGE 139 V 148 E. 7.2.2 S. 156). Tatsächlich lässt sich auf Anhieb nicht ersehen, dass und wo im geltenden Landesrecht, geschweige denn im Koordinationsrecht, eine entsprechende Grundlage für eine Schadloshaltung des Unfallversicherers zu finden wäre. Das BSV schliesst derlei explizit aus. Dennoch muss bezweifelt werden, dass das erwähnte Gleichgewicht durch die endgültige Belastung des Unfallversicherers mit den ihm aus der Erstattungspflicht erwachsenden Kosten auf die Dauer tatsächlich unter Druck geraten wird. Die Beschwerdeführerin wartet in diesem Zusammenhang auch nicht mit entsprechenden Erfahrungswerten und Zahlen aus der Vergangenheit auf, die ihren Standpunkt zu erhärten vermöchten. Auch der Gesichtspunkt der Finanzierung unter Einschluss desjenigen der "intersystemischen" Abgeltung spricht darum ebenfalls nicht zwingend dafür, hier die IV bzw. die IVSTA als den massgeblichen zuständigen Träger ins Recht zu fassen.
5.5 Nach dem Erwogenen kann der angefochtene Gerichtsentscheid bestätigt werden. Selbst unter Berücksichtigung landesrechtlicher Aspekte besteht keine zwingende Veranlassung, die IV zur Erstattung der Kosten zu verhalten, die nach einem Arbeitsunfall durch die im ausländischen Wohnstaat unter dem Titel berufliche Eingliederungsmassnahmen aushilfsweise geleistete Sachhilfe entstanden sind. Mithin bleibt es bei der Erstattungspflicht der Suva, wie vom kantonalen Gericht entschieden. Bei diesem Ergebnis kann auch die Frage offenbleiben, ob die Suva nicht sogar gehalten gewesen wäre, von sich aus bereits gegen die (allerdings nicht förmlich verfügte und auch von ihrem verpflichtenden Gehalt her auslegungsbedürftige) Mitteilung vom 27. Februar 2017 vorzugehen. | de | Art. 1 Bst. q, Art. 3 Abs. 1 Bst. f, Art. 19 Abs. 1, Art. 35 Abs. 1 und Art. 36 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit; Art. 19 Abs. 1 UVG; Art. 15 ff. IVG; internationale Sachleistungsaushilfe; Erstattung zwischen den Trägern. Im Rahmen der internationalen Sachleistungsaushilfe ist der schweizerische Unfallversicherer als zuständiger innerstaatlicher Träger erstattungspflichtig für die Kosten, die nach einem in der Schweiz erlittenen Arbeitsunfall durch die im ausländischen Wohnstaat unter dem Titel berufliche Eingliederungsmassnahmen aushilfsweise geleistete Sachhilfe entstanden sind (E. 2-5). | de | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-94%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,833 | 147 V 94 | 147 V 94
Sachverhalt ab Seite 95
A.
A.a A. (Jahrgang 1988) verunfallte am 21. Juli 2016 während seiner Arbeit als Zimmermann für die B. AG, indem er mit der linken Hand in das rotierende Fräsenblatt einer Kreissäge geriet. Das führte unter anderem zum ganzen oder teilweisen Verlust verschiedener Finger. Die dafür zuständige Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) erbrachte in der Folge die gesetzlichen Leistungen in Form von Kostenerstattung für Heilbehandlung und Taggeldzahlungen.
A.b Am 15. Dezember 2016 endete das Arbeitsverhältnis des Versicherten, worauf er sich aus der Schweiz abmeldete und nach Deutschland zog. Die Suva leistete bei unvermindert bestehender vollständiger Arbeitsunfähigkeit weiterhin Taggeldzahlungen. Mit Schreiben vom 6. Januar 2017 verwies sie den Versicherten auf die Möglichkeit beruflicher Eingliederungsmassnahmen und empfahl ihm, sich deswegen frühzeitig bei der Invalidenversicherung (IV) anzumelden. Genau dies tat er in der Folge, was die IV-Stelle für Versicherte im Ausland (IVSTA) der Suva am 7. Februar 2017 im Rahmen eines Akteneinsichtsgesuchs zur Kenntnis brachte.
A.c Mit Vorbescheid vom 27. Februar 2017 kündigte die IVSTA dem Versicherten an, dass sie aufgrund fehlender Beitragszeiten keine Rentenleistungen zu erbringen gedenke. Weiter teilte sie ihm gleichentags - formlos - mit, dass gegenüber der IV kein Anspruch auf berufliche Massnahmen bestehe; diese Leistungen seien bei den in einem Land der Europäischen Union (EU) wohnhaften Personen im Wohnsitzstaat nach Massgabe des dortigen Leistungskatalogs zu erbringen, und zwar zulasten der Suva, die als Verbindungsstelle (neben dem Unfallversicherer in Deutschland) sämtliche Anfragen entgegennehme.
A.d Hierauf bemühte sich A. in Deutschland um Eingliederungsmassnahmen. Am 7. November 2017 wandte sich die als deutsche Verbindungsstelle in Unfallversicherungssachen wirkende Berufsgenossenschaft "Gastgewerbe und Nahrungsmittel" mit einem Gesuch um Akteneinsicht an die Suva. Das verband sie mit der Anfrage, ob es sich um einen Berufsunfall handle und, im Hinblick auf allfällige Sachleistungsaushilfe, mit der Bitte um Zusendung einer Anspruchsbescheinigung (E 123) ausdrücklich für Berufshilfemassnahmen.
A.e Am 15. November 2017 verfügte die Suva gegenüber dem Versicherten, dass sie weder Kostengutsprache für Umschulungsmassnahmen noch Taggelder während deren Dauer leiste, da nach hiesigem Recht beides in die Zuständigkeit der IV und nicht des Unfallversicherers falle. Im Wesentlichen dasselbe verfügte sie gleichentags zuhanden der Berufsgenossenschaft. Ein Erstattungsanspruch für Sachhilfe sowie auf Ausrichtung von Taggeldern während der Umschulungsmassnahme bestehe nicht ihr gegenüber, sondern gegenüber der IV. Die dagegen sowohl von der Berufsgenossenschaft als auch von der IVSTA erhobenen Einsprachen wies die Suva mit Einspracheentscheid vom 31. Januar 2018 ab.
B. Das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden hiess die dagegen von der Berufsgenossenschaft und der IVSTA je getrennt geführten Beschwerden mit Entscheid vom 21. Mai 2019 gut. Es hob den Einspracheentscheid mitsamt den zugrunde liegenden Verfügungen auf und verpflichtete die Suva dazu, Kostengutsprache für die in Deutschland im Fall des Versicherten erbrachten beruflichen Massnahmen zu leisten bzw. die dafür aufgelaufenen Kosten zu erstatten.
C. Die Suva führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und ihr Einspracheentscheid vom 31. Januar 2018 sei zu bestätigen.
Die Berufsgenossenschaft, nunmehr vertreten durch die Deutsche Verbindungsstelle (Unfallversicherung - Ausland), schliesst sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde. Gleiches tun die IVSTA sowie das nachträglich eingeladene Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV). Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat sich nicht vernehmen lassen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1 Streitig ist, ob das kantonale Gericht die Beschwerdeführerin zu Recht dazu verhalten hat, der Berufsgenossenschaft Kostengutsprache für die in Deutschland zugunsten des Versicherten erbrachten beruflichen Massnahmen zu leisten bzw. die dafür aufgelaufenen Kosten zu erstatten.
2.2 Es steht ausser Frage, dass die Beschwerdeführerin aufgrund des am 21. Juli 2016 erlittenen Unfalls leistungspflichtig wurde und dem Versicherten auch nach seiner Ausreise nach Deutschland noch Taggeldzahlungen ausrichtete. Ebenfalls ist unbestritten, dass ein hiesiger Versicherungsträger für die in Deutschland unfallbedingt im Rahmen der Leistungsaushilfe erfolgten oder erfolgenden beruflichen Eingliederungs- bzw. "Rehabilitationsmassnahmen" Kostenersatz zu leisten hat. Nach schweizerischem Recht erbringt der Unfallversicherer im Wesentlichen Heilbehandlung (Art. 10 UVG) und Taggelder (Art. 16 UVG), des Weiteren besteht ihm gegenüber allenfalls Anspruch auf Invalidenrente (Art. 18 UVG) und/oder Integritätsentschädigung (Art. 24 UVG). Hingegen fallen die vor Entstehung des Rentenanspruchs notwendigen Eingliederungsmassnahmen (vgl. Art. 19 Abs. 1 UVG) gemäss Landesrecht nicht in die Leistungszuständigkeit des Unfallversicherers, sondern in diejenige der IV (vgl. Art. 8 ff. IVG). Dies betrifft insbesondere auch die Massnahmen beruflicher Art (Art. 15 ff. IVG), die unter anderem den Anspruch auf Umschulung umfassen (Art. 17 IVG). Während deren Dauer besteht gegenüber der IV auch ein Anspruch auf Taggelder (Art. 22 ff. IVG). Diesfalls wird das Taggeld der Unfallversicherung nicht gewährt (Art. 16 Abs. 3 UVG). Mit Blick auf diese Rechtslage läge von der Sache her eine Leistungspflicht der IV nahe, dies namentlich mit Blick auf die konkret betroffenen Versicherungsleistungen, die auch innerstaatlich - trotz unfallbedingter Verursachung - zu Lasten derselben gingen. Unmittelbar und ausschliesslich gestützt auf das Landesrecht liesse sich eine Leistungspflicht der IV allerdings nicht begründen. Denn zum einen endet der Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen mit dem Ende der Versicherung (Art. 9 Abs. 1 bis IVG), bedingt durch die Aufgabe der Erwerbstätigkeit hierzulande und die Rückkehr nach Deutschland (Art. 1b IVG in Verbindung mit Art. 1a Abs. 1 lit. a und b AHVG; vgl. BGE 145 V 266 E. 4.2 S. 271). Zum andern fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage im Landesrecht, die die Kostenerstattung durch die IV positivrechtlich vorschreiben würde. Zu prüfen ist jedoch, was sich aus dem internationalen Bezug und den insofern anwendbaren besonderen Bestimmungen ergibt bzw. welche Folgerungen aus diesen zu ziehen sein werden.
3.
3.1 Das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) enthält in Art. 8 die Grundlage für Anhang II FZA, der seinerseits Bestandteil des Abkommens bildet (Art. 15 FZA). Nach Art. 1 Abs. 1 dieses Anhangs (in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung) in Verbindung mit dessen Abschnitt A befolgen die Vertragsparteien untereinander insbesondere die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (AS 2004 121), und Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (AS 2005 3909) oder gleichwertige Vorschriften.
Mit Wirkung auf den 1. April 2012 sind diese beiden Rechtsakte durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.1; nachfolgend: Grundverordnung oder VO Nr. 883/2004) sowie die von den nämlichen Gremien am 16. September 2009 verabschiedete Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der VO Nr. 883/2004 (SR 0.831.109.268.11; nachfolgend: Durchführungsverordnung oder VO Nr. 987/2009) abgelöst worden (BGE 146 V 152 E. 4.1 S. 156; BGE 144 V 127 E. 4.1 S. 129; BGE 143 V 52 E. 6.1 S. 55 f.; BGE 141 V 246 E. 2.1 S. 248 f.). Diese Verordnungen, auf deren Geltung im Übrigen in Art. 115a UVG (in der ab 1. Januar 2017 geltenden Fassung; AS 2016 5233) verwiesen wird, sind auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt in zeitlicher, persönlicher und sachlicher Hinsicht (vgl. auch E. 3.2.1 und 3.2.3 unten) anwendbar, was auch aus Sicht sämtlicher Parteien ausser Frage steht.
3.2
3.2.1 Die VO Nr. 883/2004 bezweckt nicht die inhaltliche Angleichung nationaler Systeme sozialer Sicherheit im Sinne einer Harmonisierung, sondern - wie schon ihr Titel besagt - ihre Koordination (BGE 143 V 1 E. 5.2.3 S. 5; BGE 141 V 246 E. 5.1 S. 251). Ihr sachlicher Geltungsbereich umfasst unter anderem gemäss ihrem Art. 3 Abs. 1 Bst. f die Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Im Titel III finden sich sodann Kollisionsnormen für besondere Situationen im jeweiligen Zweig des Systems der sozialen Sicherheit, so in Kapitel 1 (Art. 17-35) für Leistungen bei Krankheit sowie Leistungen bei Mutterschaft (und gleichgestellten Leistungen bei Vaterschaft) und in Kapitel 2 (Art. 36-41) für Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Der Charakter als Kollisionsnorm ergibt sich nicht immer bereits aus dem Wortlaut. Bei diesen Bestimmungen (des Titels III) handelt es sich im Unterschied zu Titel II regelmässig nur um punktuelle Regelungen bezüglich einzelner Zweige der sozialen Sicherheit oder einzelner Rechtsgebiete (BGE 146 V 152 E. 4.2.2.1 S. 158, mit Hinweisen auf das Schrifttum).
3.2.2 So bestimmt Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004, dass eine Person, die einen Arbeitsunfall erlitten oder sich eine Berufskrankheit zugezogen hat und in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnt oder sich dort aufhält, Anspruch auf die besonderen Sachleistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten hat, die vom Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht werden, als ob die betreffende Person nach diesen Rechtsvorschriften versichert wäre.
3.2.2.1
3.2.2.1.1 Damit verankert Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004 (nebst anderen Bestimmungen - vgl. auch: Art. 17, 40 VO Nr. 883/2004) das Prinzip der Sachleistungsaushilfe. Dabei handelt es sich um ein Surrogat für den eigentlichen Leistungsexport (der seinerseits namentlich bei Geldleistungen zum Zuge kommt - vgl. Art. 7, 21 und 36 Abs. 3 VO Nr. 883/2004), um den damit verbundenen logistischen und bürokratischen Schwierigkeiten, den zeitlichen Verzögerungen sowie der faktischen Unmöglichkeit des Exports stationärer Mittel Rechnung zu tragen. An die Stelle des Leistungsexports tritt die Erbringung der Sachleistung durch den Träger des Wohnorts nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften (FRANK SCHREIBER, in: VO [EG] Nr. 883/2004, Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, Kommentar [nachfolgend: Kommentar], 2012, N. 7 zu Art. 17 VO Nr. 883/2004; FRÉSARD/MOSER-SZELESS, Unfallversicherungsrecht, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 1009 f. Rz. 358). Der Geschädigte wird so gestellt, als ob er nach den Vorschriften des Trägers am Wohn- oder Aufenthaltsort versichert wäre (ANNET WUNDER, Kommentar, a.a.O., N. 16 zu Art. 36 VO Nr. 883/2004; zum Ganzen auch: BETTINA KAHIL-WOLFF, Droit social européen, Union européenne et pays associés, 2017, S. 420 ff. Ziff. 691 ff., S. 430 Ziff. 708). Damit einher geht, dass der aushelfende Träger (am Wohnort) über das Vorliegen der spezifischen Leistungsvoraussetzungen gemäss seinem Recht entscheidet, mithin darüber, welche Leistungen (Typus der Leistung, Art und Modalitäten sowie Umfang der Leistungserbringung) zu erbringen sind (vgl. KARL-JÜRGEN BIEBACK, in: Europäisches Sozialrecht [nachfolgend: Sozialrecht], Maximilian Fuchs [Hrsg.], 7. Aufl. 2018, N. 14 zu Art. 17 VO Nr. 883/2004; PETER BAUMEISTER, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht, in: Enzyklopädie Europarecht, Schlachter/Heinig [Hrsg.], 2016, § 24 Rz. 36 und 48). Ist eine Leistung im zuständigen Staat, nicht aber im Recht des aushelfenden Trägers vorgesehen, können also Lücken im Versicherungsschutz entstehen (BIEBACK, a.a.O., N. 18 zu Art. 17 VO Nr. 883/2004). Gleichbehandlung über die Staatsgrenzen hinweg führt hier demnach nicht zu einer solchen mit den Versicherten des zuständigen Staates, sondern nur mit jenen des Wohnortsstaates (BAUMEISTER, a.a.O., § 24 Rz. 36). Von den spezifischen Leistungsvoraussetzungen zu unterscheiden gilt es hingegen die grundsätzlichen Fragen der Versicherungsunterstellung ("Versicherungsstatus") oder des Versicherungsfalls; soweit es darum geht, bleibt das Recht des zuständigen Staates massgebend (BAUMEISTER, a.a.O., § 24 Rz. 28 sowie Rz. 48, vgl. zum Ganzen ferner § 24 Rz. 35 f.; vgl. auch BIEBACK, a.a.O., N. 16 f. zu Art. 17 VO Nr. 883/2004).
3.2.2.1.2 Zur administrativen Erledigung des Antrags auf Leistungen braucht es einen Informationsaustausch zwischen dem Träger des Wohnorts und den involvierten Stellen des zuständigen Mitgliedstaats. In diesem Rahmen gilt es vor allem die Anspruchsberechtigung zu klären. Dafür verweist Art. 33 Abs. 1 VO Nr. 987/2009 auf Art. 24 Abs. 1 der nämlichen Verordnung. Danach muss der zuständige Träger auf Antrag des Versicherten oder auf Antrag des Trägers des Wohnorts ein Dokument ausstellen, das den Sachleistungsanspruch bestätigt (vgl. auch Art. 25 Abs. 1 der Durchführungsverordnung; MAXIMILIAN FUCHS, Sozialrecht, a.a.O., N. 6 und 14 zu Art. 36 VO Nr. 883/2004). In der Praxis findet dafür das Formular DA1 bzw. (vorher) E 123 ("Bescheinigung über den Anspruch auf Sachleistungen der Versicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten") der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeiter Verwendung. Bestreitet der zuständige Träger nach Art. 36 Abs. 2 der Grundverordnung, dass die Rechtsvorschriften über Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten anzuwenden sind, so teilt er dies unverzüglich dem Träger des Wohn- und Aufenthaltsortes mit, der die Sachleistungen gewährt hat; diese Sachleistungen gelten dann als Leistungen der Krankenversicherung (Art. 35 Abs. 1 VO Nr. 987/2009; FRÉSARD/MOSER-SZELESS, a.a.O., S. 1010 Rz. 362). Ist zu dieser Frage eine endgültige Entscheidung ergangen, so teilt der zuständige Träger dies unverzüglich dem Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts mit, der die Sachleistungen gewährt hat (Abs. 2, Unterabsatz 1 der nämlichen Bestimmung). Wird kein Arbeitsunfall bzw. keine Berufskrankheit festgestellt, so werden die Sachleistungen weiterhin als Leistungen der Krankenversicherung gewährt, sofern die betreffende Person Anspruch darauf hat (Unterabsatz 2).
3.2.2.2
3.2.2.2.1 Mit der Sachleistungsaushilfe zwingend verknüpft ist die Erstattung zwischen den Trägern: Unter diesem Titel bestimmt Art. 35 Abs. 1 VO Nr. 883/2004, dass die vom Träger eines Mitgliedstaats für Rechnung des Trägers eines anderen Mitgliedstaats nach diesem Kapitel gewährten Sachleistungen in voller Höhe zu erstatten sind (vgl. FRÉSARD/MOSER-SZELESS, a.a.O., S. 1010 Rz. 358). Die Erstattungen nach Absatz 1 werden nach Massgabe der Durchführungsverordnung festgestellt und vorgenommen, und zwar entweder gegen Nachweis der tatsächlichen Aufwendungen oder auf der Grundlage von Pauschalbeträgen für Mitgliedstaaten, bei deren Rechts- und Verwaltungsstruktur eine Erstattung auf der Grundlage der tatsächlichen Aufwendungen nicht zweckmässig ist (Abs. 2). Diese für Leistungen bei Krankheit (u.a.) geltende Bestimmung greift gemäss Art. 41 VO Nr. 883/2004 auch für Leistungen nach dem 2. Kapitel, mithin im Fall von Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten; die Erstattung erfolgt auf der Grundlage der tatsächlichen Aufwendungen (Abs. 1). Zwei oder mehr Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden können (wortlautidentisch mit Art. 35 Abs. 3 VO Nr. 883/2004) andere Erstattungsverfahren vereinbaren oder auf jegliche Erstattung zwischen den in ihre Zuständigkeit fallenden Trägern verzichten (Abs. 2).
3.2.2.2.2 Die Erstattungsnorm wird in der Durchführungsverordnung bekräftigt und ergänzt: So hält Abs. 3 von Art. 35 VO Nr. 987/ 2009 fest, dass deren Art. 6 Abs. 5 Unterabsatz 2 (betreffend die [...] vorläufige Gewährung von Leistungen) entsprechend gelte. Danach werden Sachleistungen, die von einem Träger (...) vorläufig gewährt wurden, von dem zuständigen Träger nach Titel IV der Durchführungsverordnung erstattet. In diesem Titel IV finden sich Finanzvorschriften, namentlich in den Art. 62 bis 69. Im Grundsatz unterstreicht Art. 62 VO Nr. 987/2009, dass der "zuständige Träger" dem Träger, der die Sachleistung gewährt hat, diese in Höhe der tatsächlichen Ausgaben (...) erstattet (Abs. 1). Die Erstattung soll nach Art. 66 Abs. 1 Durchführungsverordnung so rasch wie möglich vorgenommen werden (WUNDER, Kommentar, a.a.O., N. 6 zu Art. 41 VO Nr. 883/2004; vgl. ferner ROBERTUS CORNELISSEN, Sozialrecht, a.a.O., N. 3 zu Art. 74 VO Nr. 883/2004, der von Erstattung innerhalb eines vernünftigen Zeitraums spricht). Zusätzlich unterstrichen wird dies mit der Vorgabe bestimmter Fristen (Art. 67 VO Nr. 987/ 2009; vgl. auch den Vorbehalt in dessen Abs. 5, wonach die Frist nicht gilt, wenn der leistungspflichtige Träger die Forderung aus einem berechtigten Grund zurückweist) bzw. einer Verzugszinspflicht (Art. 68 VO Nr. 987/2009). Eine reibungslose Anwendung des Erstattungssystems ist grundlegend für das Funktionieren der Koordinationsregeln der Grundverordnung, widrigenfalls droht Gefahr ihrer Aushöhlung (CORNELISSEN, a.a.O.). Allerdings soll das tatsächliche Erstattungsverhalten einiger Mitgliedstaaten gegenüber der Deutschen Verbindungsstelle (Unfallversicherung - Ausland) erhebliche Defizite aufweisen (BAUMEISTER, a.a.O., § 24 Rz. 67 mit Hinweis auf HELMUT MAXEINER, in: Juristischer Praxiskommentar SGB I, 2. Aufl. 2011, N. 30 zu Art. 41 VO Nr. 883/2004).
3.2.2.2.3 Erstattungen zwischen den Trägern der Mitgliedstaaten nach Art. 35 und 41 VO Nr. 883/2004 werden gemäss Art. 66 Abs. 2 VO Nr. 987/2009 über die Verbindungsstelle abgewickelt. Gemäss Legaldefinition hat sie die Anfragen und Amtshilfeersuchen für die Zwecke der Anwendung der Grund- und der Durchführungsverordnung zu beantworten und die ihr nach deren Titel IV zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen (vgl. Art. 1 Abs. 2 Bst. b VO Nr. 987/2009). Die Aufgabenzuweisungen finden sich in Art. 2 bis 4 VO Nr. 987/ 2009 (Datenaustausch) und in Art. 66 bis 69 VO Nr. 987/2009 (Titel IV: Erstattungswesen; vgl. E. 3.2.2.2.2 oben; vgl. ferner FRANK SCHREIBER, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht, in: Enzyklopädie Europarecht, Schlachter/Heinig [Hrsg.],2016, § 33 Rz. 55 und 93; derselbe, Kommentar, a.a.O., N. 18 ff. zu Art. 35 VO Nr. 883/2004). Im Schrifttum wird die Verbindungsstelle definiert "als ganz allgemein jene Einrichtung eines Mitgliedstaates, die Anfragen und Aushilfeersuchen aus anderen Mitgliedstaaten entgegennimmt und durch die betroffenen Träger, die sie repräsentiert, beantworten lässt, sowie die Kostenerstattung zwischen den Mitgliedstaaten abwickelt" (BERNHARD SPIEGEL, Sozialrecht, a.a.O., N. 7 zu Art. 78 VO Nr. 883/2004).
3.2.2.2.4 Als Schweizer Verbindungsstelle, der die Durchführung der Leistungsaushilfe obliegt, amtet in Unfallversicherungssachen nach Art. 103a UVV (SR 832.202) die Suva (vgl. auch Urteil 8C_66/2009 vom 7. September 2009 E. 5.2; FRÉSARD/MOSER-SZELESS, a.a.O., S. 1010 Rz. 359; USINGER-EGGER, in: Kommentar zum schweizerischen Sozialversicherungsrecht, UVG [nachfolgend: UVG], Hürzeler/Kieser [Hrsg.], 2018, N. 25 zu Art. 115a UVG; Kreisschreiben [Unfallversicherung] Nr. 19 des BAG vom 14. Dezember 2017, S. 5). Die dadurch verursachten Kosten werden zu zwei Dritteln von der Suva und zu einem Drittel von den Versicherern nach Art. 68 des Gesetzes getragen (Abs. 2). Der Bund übernimmt die durch die Vorfinanzierung der Leistungsaushilfe entstehenden Zinskosten (Abs. 3). In der betreffenden Botschaft hat der Bundesrat dazu ausgeführt, dass sich das bisherige System der Leistungsaushilferegelung (auch in den meisten der bestehenden bilateralen Sozialversicherungsabkommen enthalten) bewährt habe, weshalb es im Rahmen des vorliegenden Abkommens fortzuführen sei; danach sorge die Suva für die vorschussweise Übernahme von Versicherten ausländischer Versicherungen in der Schweiz und wirke anderseits als Verbindungsstelle für Versicherungsfälle im Ausland (Botschaft vom 23. Juni 1999 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG, BBl 1999 6344 f.).
3.2.2.3 Von der Verbindungsstelle zu unterscheiden ist der zuständige Träger. Diesem wird in Art. 19 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 die Erstattungspflicht überbunden (KAHIL-WOLFF, in: EU Social Security Law, A Commentary on EU Regulations 883/ 2004 and 987/2009, Fuchs/Cornelissen [Hrsg.], 2015, N. 19 zu Art. 1 VO Nr. 883/2004). Gleiches tut zwangsläufig auch die Durchführungsverordnung (Art. 6 Abs. 5, Art. 62 VO Nr. 987/2009). Zum Begriff des zuständigen Trägers finden sich in Art. 1 Bst. q VO Nr. 883/2004 Legaldefinitionen, und zwar vier an der Zahl (i-iv), wodurch die Bedeutung des Rechtsbegriffs normativ, eigenständig autonom europarechtlich, umfassend und abschliessend festgelegt wird (KAHIL-WOLFF, Sozialrecht, a.a.O., N. 2 zu Art. 1 VO Nr. 883/ 2004). Im Einzelnen meint zuständiger Träger:
i) den Träger, bei dem die betreffende Person zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Leistungen versichert ist,
oder
ii) den Träger, gegenüber dem die betreffende Person einen Anspruch auf Leistungen hat oder hätte, wenn sie selbst oder ihr Familienangehöriger bzw. ihre Familienangehörigen in dem Mitgliedstaat wohnen würden, in dem dieser Träger seinen Sitz hat,
oder
iii) den von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats bezeichneten Träger,
oder
iv) bei einem System, das die Verpflichtungen des Arbeitgebers hinsichtlich der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Leistungen betrifft, den Arbeitgeber oder den betreffenden Versicherer oder, falls es einen solchen nicht gibt, die von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats bezeichnete Einrichtung oder Behörde.
Daraus wird im Schrifttum gefolgert, zuständiger Träger sei die Behörde oder Einrichtung des zuständigen Staates, bei dem eine aktuelle Versicherung bestehe oder die gegenüber dem Berechtigten zur Erbringung von Leistungen verpflichtet sei (KAHIL-WOLFF, Sozialrecht, a.a.O., N. 31 zu Art. 1 VO Nr. 883/2004; ebenso SPIEGEL, in der Vorauflage desselben Werks, am gleichen Ort; ALBRECHT OTTING, in: EU-Sozialrecht, Kommentar, Hauck/Noftz [Hrsg.], 2015, N. 51 zu K Art. 1 VO Nr. 883/2004).
3.2.3 Was die in Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004 erwähnten besonderen Sachleistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten angeht (E. 3.2.2 oben), soll damit dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die diesbezüglichen Leistungskataloge der meisten Mitgliedstaaten über dasjenige hinausgehen, was das nationale Krankenversicherungsrecht vorsieht. Dieses erweiterte, auf Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten bezogene, Leistungsspektrum soll nach dem erklärten Willen des Verordnungsgebers auch im Wohnstaat zur Verfügung stehen (FUCHS, Sozialrecht, a.a.O., N. 7 zu Art. 36 VO Nr. 883/2004). Zum Begriff selbst existiert sodann ebenfalls eine Legaldefinition, und zwar in Art. 1 Bst. va ii ("vbis ii" in der französisch- bzw. italienischsprachigen Fassung) derselben Verordnung. Darin wird zunächst auf die Sachleistungen bei Krankheit sowie Leistungen bei Mutterschaft (...) verwiesen, sodass die wörtliche Wiedergabe auch dieser Bestimmung unerlässlich ist:
i) für Titel III Kapitel 1 (Leistungen bei Krankheit sowie Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft) Sachleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgesehen sind und die den Zweck verfolgen, die ärztliche Behandlung und die diese Behandlung ergänzenden Produkte und Dienstleistungen zu erbringen bzw. zur Verfügung zu stellen oder direkt zu bezahlen oder die diesbezüglichen Kosten zu erstatten. Dazu gehören auch Sachleistungen bei Pflegebedürftigkeit;
ii) für Titel III Kapitel 2 (Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten) alle Sachleistungen im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten gemäss der Definition nach Ziffer i, die nach den Arbeitsunfall- und Berufskrankheitenregelungen der Mitgliedstaaten vorgesehen sind.
In diesem Zusammenhang wird für das im vorliegenden Fall am Wohnort des Versicherten geltende deutsche Recht in der Literatur vermerkt, es gehörten neben den klassischen Sachleistungen der medizinischen Versorgung die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 35 SGB VII), am Leben in der Gemeinschaft (§ 39 SGB VII) und anderes mehr bzw. sämtliche Sachleistungen des Sozialgesetzbuchs/siebtes Buch (SGB VII) dazu (BAUMEISTER, a.a.O., § 24 Rz. 50; vgl. auch HELMUT MAXEINER, Sachleistungsaushilfe, Trauma und Berufskrankheit, Sonderheft 5/2016 S. 434 ff. sowie WUNDER, Kommentar, a.a.O., N. 4 zu Art. 36 mit Hinweis auf den in § 1 Nr. 2 SGB VII formulierten Auftrag, wonach bei Arbeitsunfall oder Berufskrankheit nicht bloss Genesung das Ziel sei, sondern in besonderem Masse auch die Wiedererlangung bzw. Erhaltung der Arbeitsfähigkeit). Dass demnach berufliche Eingliederungsmassnahmen ebenfalls zu den besonderen Sachleistungen gemäss Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004 zählen, wird auch hierzulande vertreten (BETTINA KAHIL-WOLFF HUMMER, in: Basler Kommentar zum Unfallversicherungsgesetz, 2019, N. 14 zu Art. 115a UVG; PATRICIA USINGER-EGGER, Die Verordnung [EG] Nr. 883/2004 und deren Durchführungsverordnung, JaSo 2013 S. 106, insbesondere auch Fn. 70; dieselbe, UVG, a.a.O., N. 17 zu Art. 115a UVG; vgl. ferner, wenn auch weniger explizit: BAG-Kreisschreiben [Unfallversicherung] Nr. 19, a.a.O., S. 5 f.).Im Übrigen bringen weder die Beschwerdeführerin noch das BSV in dieser Hinsicht Gegenteiliges vor.
4.
4.1 Die Vorinstanz hat erwogen, es stehe unbestrittenermassen fest, dass die Berufsgenossenschaft einen Erstattungsanspruch gestützt auf Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004 habe und dass der zugrunde liegende Schadenfall als Arbeitsunfall im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Koordinationsrechts zu qualifizieren sei. Bei der Frage nach dem zuständigen Träger für die Erstattung hat sie erkannt, dass die Suva einerseits als Durchführungsstelle zuständig für die Abwicklung der Kostenerstattung für die aushilfsweise erbrachten Sachleistungen sei (Art. 66 Abs. 2 VO Nr. 987/2009). Anderseits sei sie - da der Versicherte im Zeitpunkt des Unfalls bei ihr versichert gewesen sei - auch zuständiger Unfallversicherer im Sinne von Art. 1 Bst. q der Grundverordnung, weshalb offenbleiben könne, wie sich im Bereich der Unfallversicherung die Kostenerstattung innerstaatlich bei einem Auseinanderfallen zwischen Verbindungsstelle und Trägerschaft gestalten würde (mit Hinweis auf BGE 141 V 612 E. 3.3.2 S. 617). Das einschlägige Koordinationsrecht bezwecke nicht zuletzt die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Trägern der sozialen Sicherheit der einzelnen Mitgliedstaaten und die Gewährleistung eines effektiven und verbindlichen Erstattungsverfahrens (mit Hinweis auf die Erwägungsgründe 2 und 19 sowie Art. 62 ff. der Durchführungsverordnung). Damit sei unvereinbar, dass sich eine nationale Verbindungsstelle bzw. der zum Unfallzeitpunkt zuständige Unfallversicherer unter Berufung auf innerstaatliche Besonderheiten der Zuordnung von Versicherungsleistungen ihrer Erstattungspflicht gegenüber dem ausländischen aushelfenden Träger entziehe. Die Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten gemäss Art. 3 Abs. 1 Bst. f und Art. 36 ff. VO Nr. 883/2004 seien nicht nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts, sondern nach gemeinschaftsrechtlichen Kriterien zu verstehen. So gesehen gehe es im vorliegenden Fall bei den fraglichen Eingliederungsmassnahmen um Leistungen bei Arbeitsunfall und Berufskrankheit, die in die Zuständigkeit der Suva fielen, woran nichts ändere, dass sie in der Schweiz von der IV zu erbringen wären.
4.2 Die beschwerdeführende Suva wendet dagegen im Wesentlichen ein, dass die IV nicht nur nach innerstaatlichem Recht leistungszuständig (Art. 8 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 IVG), sondern auch nach Art. 1 Bst. q/ii VO Nr. 883/2004 als zuständiger Träger zu qualifizieren sei. Entscheidend für die Annahme der Trägerschaft sei demgegenüber nicht, dass der Versicherte im Unfallzeitpunkt versichert gewesen sei. Unter welchem Titel eine Leistung gemeinschaftsrechtlich zu erbringen sei, bleibe ohne Einfluss darauf, welcher Sozialversicherungszweig die Leistung innerstaatlich zu übernehmen habe bzw. rückerstattungspflichtig sei. Das Koordinationsrecht wolle dem Versicherten den komplikationslosen Zugang zu den "ortsgebundenen" Leistungen verschaffen, hingegen beabsichtige es nicht, diesen Anspruch in demjenigen Staat, in dem der Anspruch überhaupt erst entstehe, einem anderen Versicherungszweig und einer anderen Risikogemeinschaft zuzuordnen. Im Übrigen könne aus dem Umstand, dass sie - die Suva - hier als Verbindungsstelle für die Abwicklung zuständig sei, nicht abgeleitet werden, dass sie letztlich die Kosten zu tragen habe.
4.3 Die IVSTA verweist ihrerseits darauf, dass sie mangels Versicherteneigenschaft nach innerstaatlichem Recht nach Dezember 2016 keine Leistungspflicht treffe. Die Zuordnung zu den in Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 enumerierten Risiken erfolge rechtsprechungsgemäss unabhängig vom innerstaatlichen Recht nach gemeinschaftsrechtlichen Kriterien. Insofern gehe es im vorliegenden Fall um Sachleistungen - wozu die Eingliederungsmassnahmen gehörten - aus Arbeitsunfall, wofür die Suva der für die Kostentragung zuständige Träger sei. Der Umstand, dass die Suva nun plötzlich ihre Zuständigkeit verneine, befremde. Auch habe sie, soweit ersehbar, nie gegen ihre Eintragung als zuständiger Träger für Sachleistungen und Rehabilitationsleistungen bei Arbeitsunfall im öffentlichen Verzeichnis der europäischen Institutionen der Sozialen Sicherheit opponiert.
5.
5.1 Zu Recht hat das kantonale Gericht den Grundsatz besonders hervorgehoben, dass sich aus einem negativen Kompetenzkonflikt unter den hiesigen Sozialversicherern kein Nachteil für den Träger am Wohnmitgliedstaat ergeben darf, der dort aushilfsweise Sachleistungen zu erbringen und deswegen Anspruch auf Erstattung in voller Höhe hat. Erst recht nicht darf derlei zulasten des oder der Versicherten gehen. Ebenfalls zu Recht - und insoweit unbestritten - hat die Vorinstanz erkannt, dass die Suva im vorliegenden Fall als Verbindungsstelle involviert ist. Ob sie daneben zugleich als zuständiger Träger im Sinne von Art. 1 Bst. q/i VO Nr. 883/2004 in Betracht fällt, ist nachfolgend zu prüfen.
5.2 Die Legaldefinition in Art. 1 Bst. q VO Nr. 883/2004 sieht vier alternative Möglichkeiten vor, ohne dass sich daraus eine Prioritätenordnung ergeben würde (vgl. E. 3.2.2.3 oben). Ebenso wenig lässt sich eine solche dem oben zitierten Schrifttum entnehmen. Das erstaunt insofern nicht, als der Zweck des Koordinationsrechts keine Prioritätenordnung erfordert. Vielmehr ruft er nach einer umfassenden, lückenlosen Zuordnung sämtlicher Versicherungsfälle im Bereich der sozialen Sicherheit zu einem als zuständig zu erachtenden Träger. Und welcher Träger dies im konkreten Fall letztlich ist, ergibt sich im Fall mehrerer Möglichkeiten nicht allein aus dem Koordinationsrecht selbst, sondern bestimmt sich unter Einbezug des Landesrechts, dessen Anwendung selbstredend nicht zu einer Vereitelung der Koordinationsbemühungen führen darf.
5.3
5.3.1 Die oben dargelegte Legaldefinition (vgl. E. 3.2.2.3 oben) ist vom Wortlaut her so gefasst, dass sich im vorliegenden Fall sowohl die Suva als auch die IV als zuständiger Träger qualifizieren liessen.
5.3.2 Letzteres folgt - worauf die Beschwerdeführerin zu Recht verweist - aus Art. 1 Bst. q/ii der Grundverordnung, wonach auch an einer aus hypothetischem Wohnen hierzulande abgeleiteten Leistungspflicht angeknüpft werden kann. In diesem Zusammenhang sei zudem Anhang XI zur VO Nr. 883/2004 angeführt, der besondere Vorschriften für die Anwendung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten enthält. Dort findet sich für die Schweiz unter Ziff. 8 der Passus, dass ein Arbeitnehmer oder Selbstständiger, der den schweizerischen Rechtsvorschriften über die IV nicht mehr unterliegt, weil er seine existenzsichernde Erwerbstätigkeit in der Schweiz infolge Unfalls oder Krankheit aufgeben musste, in dieser Versicherung für den Erwerb des Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen als versichert gilt bis zur Zahlung einer Invalidenrente und während der Durchführung dieser Massnahmen, sofern er keine anderweitige Erwerbstätigkeit im Ausland aufnimmt (vgl. dazu BGE 132 V 244 E. 5 f. S. 250 ff.). Demnach bestünde jedenfalls dann weiterhin ein auf Eingliederungsmassnahmen gerichteter Leistungsanspruch gegenüber der IV, wenn der Versicherte hier wohnen würde, womit Bst. q/ii erfüllt ist.
5.3.3 Was die Suva angeht, gelangt Art. 1 Bst. q/i VO Nr. 883/2004 in den Blick, wonach auf die Versicherungsunterstellung im Zeitpunkt des Antrags auf Leistungen abgestellt wird. Das lässt die Trägerschaft des hiesigen Unfallversicherers dann fraglich werden, wenn dieser Antrag im Begehren um Sachleistungen gegenüber dem Träger des Wohnstaates erblickt würde. Im vorliegenden Fall schon deswegen die Trägerschaft der Suva zu verwerfen, ginge jedoch nicht an. Insbesondere wäre dies mit ihrer unbestrittenermassen bestehenden Leistungspflicht aufgrund des Unfalls vom 21. Juli 2016 nicht zu vereinbaren. So richtete sie auch nach der Rückkehr nach Deutschland weiterhin Taggelder dorthin aus (vgl. Art. 7 VO Nr. 883/2004). Vor allem aber hätte sie einem Begehren um Wiederaufnahme der Heilbehandlung - einer Sachleistung - im Wohnortsstaat jedenfalls nicht mit dem Argument entgegentreten können, es bestehe im Zeitpunkt dieses Gesuchs keine Versicherungsdeckung mehr.
5.4
5.4.1 Der Wortlaut von Art. 1 Bst. q VO Nr. 883/2004 liesse demnach verschiedene Anknüpfungen zu. Anderseits steht ausser Frage, dass es sich bei den streitbetroffenen Leistungen aus koordinationsrechtlicher Sicht um solche bei Arbeitsunfällen (Art. 3 Abs. 1 Bst. f VO Nr. 883/2004) und nicht etwa um solche bei Invalidität (Art. 3 Abs. 1 Bst. c VO Nr. 883/2004) handelt, wie das kantonale Gericht in der Sache richtig erkannt hat (vgl. BGE 133 V 320 E. 5.6 S. 328; zur Massgeblichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Kriterien: BGE 134 V 284 E. 3.2 S. 288; Urteil 8C_870/2012 vom 8. Juli 2013 E. 2.4). Auch das BSV verweist hierauf. Darüber hinaus legt es dar, dass die Schweiz im Rahmen der Mitteilungen und Verzeichnisse gemäss Art. 88 Abs. 1 und 4 VO Nr. 987/2009 (wie schon in Anhang 2 der zuvor gültig gewesenen Verordnung Nr. 574/72 sub Schweiz Ziff. 4a) ausschliesslich den zuständigen Unfallversicherer aufführt. Zudem ist nunmehr im Zuge der jüngsten Änderung des ATSG vom 21. Juni 2019 mit Art. 75a eine explizite formellgesetzliche Grundlage dafür geschaffen worden, die dem Bundesrat die Befugnis einräumt, die betreffenden Stellen zu bestimmen, die damit beauftragt sind, für die einzelnen Sozialversicherungen die Aufgaben, insbesondere als zuständige Behörde, Verbindungsstelle und zuständiger Träger, gemäss den Erlassen in der für die Schweiz verbindlichen Fassung von Anhang II des FZA (...) wahrzunehmen (BBl 2019 4475 ff., 4478). Die bundesrätliche Botschaft vom 2. März 2018 hält dazu fest, Art. 75a ATSG kodifiziere die bestehende Aufgabenzuteilung formell in einer gesetzlichen Grundlage, wobei weder inhaltliche noch organisatorische Änderungen der Zuständigkeiten der betroffenen Stellen vorgesehen seien (BBl 2018 1607 ff., 1641). Ob Art. 75a ATSG tatsächlich in diesem weitgehenden Sinne zu verstehen sein wird, ist hier nicht zu beurteilen. Immerhin ergibt sich daraus aber doch insofern ein Bekenntnis zur bestehenden (und auch nach aussen hin bekundeten) Ordnung, als dieser Punkt im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsprozess nicht aufgegriffen oder gar in Frage gestellt wurde (AB 2018 S 667 ff., 670; 2019 N 329 ff., 341).
5.4.2 Namentlich die Zuordnung der streitbetroffenen Leistungen zu Art. 3 Abs. 1 Bst. f VO Nr. 883/2004 spricht für die Erstattungspflicht der beschwerdeführenden Suva. Dagegen steht zwar die klare Leistungszuständigkeit gemäss Landesrecht (vgl. E. 2.2 oben; vgl. dazu insbesondere USINGER-EGGER, UVG, a.a.O., N. 17 zu Art. 115a; dieselbe, JaSo, a.a.O., S. 106 Fn. 70). Allerdings drängt sich eine Involvierung der IV hinsichtlich der beruflichen Eingliederungsmassnahmen unter dem Titel der "besonderen Sachleistungen" nach Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004 auch von der Sache her nicht auf. Denn die betreffende Erstattung erfordert aufgrund der im Wohnortsstaat gemäss dortigem Recht erfolgenden Sachleistungsaushilfe gerade keine Prüfung der Frage, ob und inwieweit gemäss hiesigem IVG ein Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen bestünde. Vielmehr geht es im Wesentlichen einzig um die Klärung, ob ein hier versicherter Arbeitsunfall vorliegt (vgl. E. 3.2.2.1.1 oben), wozu der Unfallversicherer allemal berufen ist. Nicht zu vernachlässigen sind sodann Erschwernisse praktischer Art, die entstehen können, wenn neben dem Unfallversicherer, der für die eigentliche Heilbehandlung bzw. für die Erstattung ihrer Kosten aufzukommen hat, mit dem Einbezug der IV (agierend durch die IVSTA) in ein und demselben Fall - wenigstens zeitverschoben - ein weiterer Träger beteiligt wäre. Ob sich solchen Erschwernissen dadurch befriedigend begegnen liesse, dass die Suva als Verbindungsstelle mitzuwirken und so den Erstattungsfall nicht nur für die übrigen Unfallversicherer (Art. 68 ff. UVG), sondern gleichermassen für die IV abzuwickeln hätte (vgl. Art. 1 Abs. 2 Bst. b und Art. 66 Abs. 2 VO Nr. 987/2009 sowie E. 3.2.2.2.3 oben), scheint zumindest fraglich.
5.4.3 Die Beschwerdeführerin verweist sodann zur Untermauerung ihres Standpunkts auch auf die gebotene Äquivalenz, wonach zwischen den zu erbringenden Versicherungsleistungen und deren Finanzierung durch Nettoprämien über die Zeit hin ein Gleichgewicht bestehen soll (vgl. ALFRED MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 1985, S. 46; KIESER/SCHEIWILLER, in: Kommentar zum schweizerischen Sozialversicherungsrecht, UVG, Hürzeler/Kieser [Hrsg.], 2018, N. 4 zu Art. 92 UVG; speziell für den versicherten Verdienst: BGE 139 V 148 E. 7.2.2 S. 156). Tatsächlich lässt sich auf Anhieb nicht ersehen, dass und wo im geltenden Landesrecht, geschweige denn im Koordinationsrecht, eine entsprechende Grundlage für eine Schadloshaltung des Unfallversicherers zu finden wäre. Das BSV schliesst derlei explizit aus. Dennoch muss bezweifelt werden, dass das erwähnte Gleichgewicht durch die endgültige Belastung des Unfallversicherers mit den ihm aus der Erstattungspflicht erwachsenden Kosten auf die Dauer tatsächlich unter Druck geraten wird. Die Beschwerdeführerin wartet in diesem Zusammenhang auch nicht mit entsprechenden Erfahrungswerten und Zahlen aus der Vergangenheit auf, die ihren Standpunkt zu erhärten vermöchten. Auch der Gesichtspunkt der Finanzierung unter Einschluss desjenigen der "intersystemischen" Abgeltung spricht darum ebenfalls nicht zwingend dafür, hier die IV bzw. die IVSTA als den massgeblichen zuständigen Träger ins Recht zu fassen.
5.5 Nach dem Erwogenen kann der angefochtene Gerichtsentscheid bestätigt werden. Selbst unter Berücksichtigung landesrechtlicher Aspekte besteht keine zwingende Veranlassung, die IV zur Erstattung der Kosten zu verhalten, die nach einem Arbeitsunfall durch die im ausländischen Wohnstaat unter dem Titel berufliche Eingliederungsmassnahmen aushilfsweise geleistete Sachhilfe entstanden sind. Mithin bleibt es bei der Erstattungspflicht der Suva, wie vom kantonalen Gericht entschieden. Bei diesem Ergebnis kann auch die Frage offenbleiben, ob die Suva nicht sogar gehalten gewesen wäre, von sich aus bereits gegen die (allerdings nicht förmlich verfügte und auch von ihrem verpflichtenden Gehalt her auslegungsbedürftige) Mitteilung vom 27. Februar 2017 vorzugehen. | de | Art. 1 let. q, art. 3 par. 1 let. f, art. 19 par. 1, art. 35 par. 1 et art. 36 par. 2 du Règlement (CE) n° 883/2004 du Parlement européen et du Conseil du 29 avril 2004 portant sur la coordination des systèmes de sécurité sociale; art. 19 al. 1 LAA; art. 15 ss LAI; entraide internationale visant à faciliter l'accès aux soins et aux prestations en nature; remboursement entre les institutions. Dans le cadre de l'entraide internationale visant à faciliter l'accès aux soins et aux prestations en nature, l'assureur-accidents suisse, en tant qu'institution nationale compétente, est tenu de rembourser les frais engagés à la suite d'un accident professionnel survenu en Suisse pour l'aide en nature fournie dans le pays de résidence étranger à titre de mesures de réadaptation professionnelle (consid. 2-5). | fr | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-94%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
59,834 | 147 V 94 | 147 V 94
Sachverhalt ab Seite 95
A.
A.a A. (Jahrgang 1988) verunfallte am 21. Juli 2016 während seiner Arbeit als Zimmermann für die B. AG, indem er mit der linken Hand in das rotierende Fräsenblatt einer Kreissäge geriet. Das führte unter anderem zum ganzen oder teilweisen Verlust verschiedener Finger. Die dafür zuständige Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) erbrachte in der Folge die gesetzlichen Leistungen in Form von Kostenerstattung für Heilbehandlung und Taggeldzahlungen.
A.b Am 15. Dezember 2016 endete das Arbeitsverhältnis des Versicherten, worauf er sich aus der Schweiz abmeldete und nach Deutschland zog. Die Suva leistete bei unvermindert bestehender vollständiger Arbeitsunfähigkeit weiterhin Taggeldzahlungen. Mit Schreiben vom 6. Januar 2017 verwies sie den Versicherten auf die Möglichkeit beruflicher Eingliederungsmassnahmen und empfahl ihm, sich deswegen frühzeitig bei der Invalidenversicherung (IV) anzumelden. Genau dies tat er in der Folge, was die IV-Stelle für Versicherte im Ausland (IVSTA) der Suva am 7. Februar 2017 im Rahmen eines Akteneinsichtsgesuchs zur Kenntnis brachte.
A.c Mit Vorbescheid vom 27. Februar 2017 kündigte die IVSTA dem Versicherten an, dass sie aufgrund fehlender Beitragszeiten keine Rentenleistungen zu erbringen gedenke. Weiter teilte sie ihm gleichentags - formlos - mit, dass gegenüber der IV kein Anspruch auf berufliche Massnahmen bestehe; diese Leistungen seien bei den in einem Land der Europäischen Union (EU) wohnhaften Personen im Wohnsitzstaat nach Massgabe des dortigen Leistungskatalogs zu erbringen, und zwar zulasten der Suva, die als Verbindungsstelle (neben dem Unfallversicherer in Deutschland) sämtliche Anfragen entgegennehme.
A.d Hierauf bemühte sich A. in Deutschland um Eingliederungsmassnahmen. Am 7. November 2017 wandte sich die als deutsche Verbindungsstelle in Unfallversicherungssachen wirkende Berufsgenossenschaft "Gastgewerbe und Nahrungsmittel" mit einem Gesuch um Akteneinsicht an die Suva. Das verband sie mit der Anfrage, ob es sich um einen Berufsunfall handle und, im Hinblick auf allfällige Sachleistungsaushilfe, mit der Bitte um Zusendung einer Anspruchsbescheinigung (E 123) ausdrücklich für Berufshilfemassnahmen.
A.e Am 15. November 2017 verfügte die Suva gegenüber dem Versicherten, dass sie weder Kostengutsprache für Umschulungsmassnahmen noch Taggelder während deren Dauer leiste, da nach hiesigem Recht beides in die Zuständigkeit der IV und nicht des Unfallversicherers falle. Im Wesentlichen dasselbe verfügte sie gleichentags zuhanden der Berufsgenossenschaft. Ein Erstattungsanspruch für Sachhilfe sowie auf Ausrichtung von Taggeldern während der Umschulungsmassnahme bestehe nicht ihr gegenüber, sondern gegenüber der IV. Die dagegen sowohl von der Berufsgenossenschaft als auch von der IVSTA erhobenen Einsprachen wies die Suva mit Einspracheentscheid vom 31. Januar 2018 ab.
B. Das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden hiess die dagegen von der Berufsgenossenschaft und der IVSTA je getrennt geführten Beschwerden mit Entscheid vom 21. Mai 2019 gut. Es hob den Einspracheentscheid mitsamt den zugrunde liegenden Verfügungen auf und verpflichtete die Suva dazu, Kostengutsprache für die in Deutschland im Fall des Versicherten erbrachten beruflichen Massnahmen zu leisten bzw. die dafür aufgelaufenen Kosten zu erstatten.
C. Die Suva führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und ihr Einspracheentscheid vom 31. Januar 2018 sei zu bestätigen.
Die Berufsgenossenschaft, nunmehr vertreten durch die Deutsche Verbindungsstelle (Unfallversicherung - Ausland), schliesst sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde. Gleiches tun die IVSTA sowie das nachträglich eingeladene Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV). Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat sich nicht vernehmen lassen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1 Streitig ist, ob das kantonale Gericht die Beschwerdeführerin zu Recht dazu verhalten hat, der Berufsgenossenschaft Kostengutsprache für die in Deutschland zugunsten des Versicherten erbrachten beruflichen Massnahmen zu leisten bzw. die dafür aufgelaufenen Kosten zu erstatten.
2.2 Es steht ausser Frage, dass die Beschwerdeführerin aufgrund des am 21. Juli 2016 erlittenen Unfalls leistungspflichtig wurde und dem Versicherten auch nach seiner Ausreise nach Deutschland noch Taggeldzahlungen ausrichtete. Ebenfalls ist unbestritten, dass ein hiesiger Versicherungsträger für die in Deutschland unfallbedingt im Rahmen der Leistungsaushilfe erfolgten oder erfolgenden beruflichen Eingliederungs- bzw. "Rehabilitationsmassnahmen" Kostenersatz zu leisten hat. Nach schweizerischem Recht erbringt der Unfallversicherer im Wesentlichen Heilbehandlung (Art. 10 UVG) und Taggelder (Art. 16 UVG), des Weiteren besteht ihm gegenüber allenfalls Anspruch auf Invalidenrente (Art. 18 UVG) und/oder Integritätsentschädigung (Art. 24 UVG). Hingegen fallen die vor Entstehung des Rentenanspruchs notwendigen Eingliederungsmassnahmen (vgl. Art. 19 Abs. 1 UVG) gemäss Landesrecht nicht in die Leistungszuständigkeit des Unfallversicherers, sondern in diejenige der IV (vgl. Art. 8 ff. IVG). Dies betrifft insbesondere auch die Massnahmen beruflicher Art (Art. 15 ff. IVG), die unter anderem den Anspruch auf Umschulung umfassen (Art. 17 IVG). Während deren Dauer besteht gegenüber der IV auch ein Anspruch auf Taggelder (Art. 22 ff. IVG). Diesfalls wird das Taggeld der Unfallversicherung nicht gewährt (Art. 16 Abs. 3 UVG). Mit Blick auf diese Rechtslage läge von der Sache her eine Leistungspflicht der IV nahe, dies namentlich mit Blick auf die konkret betroffenen Versicherungsleistungen, die auch innerstaatlich - trotz unfallbedingter Verursachung - zu Lasten derselben gingen. Unmittelbar und ausschliesslich gestützt auf das Landesrecht liesse sich eine Leistungspflicht der IV allerdings nicht begründen. Denn zum einen endet der Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen mit dem Ende der Versicherung (Art. 9 Abs. 1 bis IVG), bedingt durch die Aufgabe der Erwerbstätigkeit hierzulande und die Rückkehr nach Deutschland (Art. 1b IVG in Verbindung mit Art. 1a Abs. 1 lit. a und b AHVG; vgl. BGE 145 V 266 E. 4.2 S. 271). Zum andern fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage im Landesrecht, die die Kostenerstattung durch die IV positivrechtlich vorschreiben würde. Zu prüfen ist jedoch, was sich aus dem internationalen Bezug und den insofern anwendbaren besonderen Bestimmungen ergibt bzw. welche Folgerungen aus diesen zu ziehen sein werden.
3.
3.1 Das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) enthält in Art. 8 die Grundlage für Anhang II FZA, der seinerseits Bestandteil des Abkommens bildet (Art. 15 FZA). Nach Art. 1 Abs. 1 dieses Anhangs (in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung) in Verbindung mit dessen Abschnitt A befolgen die Vertragsparteien untereinander insbesondere die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (AS 2004 121), und Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (AS 2005 3909) oder gleichwertige Vorschriften.
Mit Wirkung auf den 1. April 2012 sind diese beiden Rechtsakte durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.1; nachfolgend: Grundverordnung oder VO Nr. 883/2004) sowie die von den nämlichen Gremien am 16. September 2009 verabschiedete Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der VO Nr. 883/2004 (SR 0.831.109.268.11; nachfolgend: Durchführungsverordnung oder VO Nr. 987/2009) abgelöst worden (BGE 146 V 152 E. 4.1 S. 156; BGE 144 V 127 E. 4.1 S. 129; BGE 143 V 52 E. 6.1 S. 55 f.; BGE 141 V 246 E. 2.1 S. 248 f.). Diese Verordnungen, auf deren Geltung im Übrigen in Art. 115a UVG (in der ab 1. Januar 2017 geltenden Fassung; AS 2016 5233) verwiesen wird, sind auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt in zeitlicher, persönlicher und sachlicher Hinsicht (vgl. auch E. 3.2.1 und 3.2.3 unten) anwendbar, was auch aus Sicht sämtlicher Parteien ausser Frage steht.
3.2
3.2.1 Die VO Nr. 883/2004 bezweckt nicht die inhaltliche Angleichung nationaler Systeme sozialer Sicherheit im Sinne einer Harmonisierung, sondern - wie schon ihr Titel besagt - ihre Koordination (BGE 143 V 1 E. 5.2.3 S. 5; BGE 141 V 246 E. 5.1 S. 251). Ihr sachlicher Geltungsbereich umfasst unter anderem gemäss ihrem Art. 3 Abs. 1 Bst. f die Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Im Titel III finden sich sodann Kollisionsnormen für besondere Situationen im jeweiligen Zweig des Systems der sozialen Sicherheit, so in Kapitel 1 (Art. 17-35) für Leistungen bei Krankheit sowie Leistungen bei Mutterschaft (und gleichgestellten Leistungen bei Vaterschaft) und in Kapitel 2 (Art. 36-41) für Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Der Charakter als Kollisionsnorm ergibt sich nicht immer bereits aus dem Wortlaut. Bei diesen Bestimmungen (des Titels III) handelt es sich im Unterschied zu Titel II regelmässig nur um punktuelle Regelungen bezüglich einzelner Zweige der sozialen Sicherheit oder einzelner Rechtsgebiete (BGE 146 V 152 E. 4.2.2.1 S. 158, mit Hinweisen auf das Schrifttum).
3.2.2 So bestimmt Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004, dass eine Person, die einen Arbeitsunfall erlitten oder sich eine Berufskrankheit zugezogen hat und in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnt oder sich dort aufhält, Anspruch auf die besonderen Sachleistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten hat, die vom Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht werden, als ob die betreffende Person nach diesen Rechtsvorschriften versichert wäre.
3.2.2.1
3.2.2.1.1 Damit verankert Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004 (nebst anderen Bestimmungen - vgl. auch: Art. 17, 40 VO Nr. 883/2004) das Prinzip der Sachleistungsaushilfe. Dabei handelt es sich um ein Surrogat für den eigentlichen Leistungsexport (der seinerseits namentlich bei Geldleistungen zum Zuge kommt - vgl. Art. 7, 21 und 36 Abs. 3 VO Nr. 883/2004), um den damit verbundenen logistischen und bürokratischen Schwierigkeiten, den zeitlichen Verzögerungen sowie der faktischen Unmöglichkeit des Exports stationärer Mittel Rechnung zu tragen. An die Stelle des Leistungsexports tritt die Erbringung der Sachleistung durch den Träger des Wohnorts nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften (FRANK SCHREIBER, in: VO [EG] Nr. 883/2004, Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, Kommentar [nachfolgend: Kommentar], 2012, N. 7 zu Art. 17 VO Nr. 883/2004; FRÉSARD/MOSER-SZELESS, Unfallversicherungsrecht, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 1009 f. Rz. 358). Der Geschädigte wird so gestellt, als ob er nach den Vorschriften des Trägers am Wohn- oder Aufenthaltsort versichert wäre (ANNET WUNDER, Kommentar, a.a.O., N. 16 zu Art. 36 VO Nr. 883/2004; zum Ganzen auch: BETTINA KAHIL-WOLFF, Droit social européen, Union européenne et pays associés, 2017, S. 420 ff. Ziff. 691 ff., S. 430 Ziff. 708). Damit einher geht, dass der aushelfende Träger (am Wohnort) über das Vorliegen der spezifischen Leistungsvoraussetzungen gemäss seinem Recht entscheidet, mithin darüber, welche Leistungen (Typus der Leistung, Art und Modalitäten sowie Umfang der Leistungserbringung) zu erbringen sind (vgl. KARL-JÜRGEN BIEBACK, in: Europäisches Sozialrecht [nachfolgend: Sozialrecht], Maximilian Fuchs [Hrsg.], 7. Aufl. 2018, N. 14 zu Art. 17 VO Nr. 883/2004; PETER BAUMEISTER, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht, in: Enzyklopädie Europarecht, Schlachter/Heinig [Hrsg.], 2016, § 24 Rz. 36 und 48). Ist eine Leistung im zuständigen Staat, nicht aber im Recht des aushelfenden Trägers vorgesehen, können also Lücken im Versicherungsschutz entstehen (BIEBACK, a.a.O., N. 18 zu Art. 17 VO Nr. 883/2004). Gleichbehandlung über die Staatsgrenzen hinweg führt hier demnach nicht zu einer solchen mit den Versicherten des zuständigen Staates, sondern nur mit jenen des Wohnortsstaates (BAUMEISTER, a.a.O., § 24 Rz. 36). Von den spezifischen Leistungsvoraussetzungen zu unterscheiden gilt es hingegen die grundsätzlichen Fragen der Versicherungsunterstellung ("Versicherungsstatus") oder des Versicherungsfalls; soweit es darum geht, bleibt das Recht des zuständigen Staates massgebend (BAUMEISTER, a.a.O., § 24 Rz. 28 sowie Rz. 48, vgl. zum Ganzen ferner § 24 Rz. 35 f.; vgl. auch BIEBACK, a.a.O., N. 16 f. zu Art. 17 VO Nr. 883/2004).
3.2.2.1.2 Zur administrativen Erledigung des Antrags auf Leistungen braucht es einen Informationsaustausch zwischen dem Träger des Wohnorts und den involvierten Stellen des zuständigen Mitgliedstaats. In diesem Rahmen gilt es vor allem die Anspruchsberechtigung zu klären. Dafür verweist Art. 33 Abs. 1 VO Nr. 987/2009 auf Art. 24 Abs. 1 der nämlichen Verordnung. Danach muss der zuständige Träger auf Antrag des Versicherten oder auf Antrag des Trägers des Wohnorts ein Dokument ausstellen, das den Sachleistungsanspruch bestätigt (vgl. auch Art. 25 Abs. 1 der Durchführungsverordnung; MAXIMILIAN FUCHS, Sozialrecht, a.a.O., N. 6 und 14 zu Art. 36 VO Nr. 883/2004). In der Praxis findet dafür das Formular DA1 bzw. (vorher) E 123 ("Bescheinigung über den Anspruch auf Sachleistungen der Versicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten") der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeiter Verwendung. Bestreitet der zuständige Träger nach Art. 36 Abs. 2 der Grundverordnung, dass die Rechtsvorschriften über Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten anzuwenden sind, so teilt er dies unverzüglich dem Träger des Wohn- und Aufenthaltsortes mit, der die Sachleistungen gewährt hat; diese Sachleistungen gelten dann als Leistungen der Krankenversicherung (Art. 35 Abs. 1 VO Nr. 987/2009; FRÉSARD/MOSER-SZELESS, a.a.O., S. 1010 Rz. 362). Ist zu dieser Frage eine endgültige Entscheidung ergangen, so teilt der zuständige Träger dies unverzüglich dem Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts mit, der die Sachleistungen gewährt hat (Abs. 2, Unterabsatz 1 der nämlichen Bestimmung). Wird kein Arbeitsunfall bzw. keine Berufskrankheit festgestellt, so werden die Sachleistungen weiterhin als Leistungen der Krankenversicherung gewährt, sofern die betreffende Person Anspruch darauf hat (Unterabsatz 2).
3.2.2.2
3.2.2.2.1 Mit der Sachleistungsaushilfe zwingend verknüpft ist die Erstattung zwischen den Trägern: Unter diesem Titel bestimmt Art. 35 Abs. 1 VO Nr. 883/2004, dass die vom Träger eines Mitgliedstaats für Rechnung des Trägers eines anderen Mitgliedstaats nach diesem Kapitel gewährten Sachleistungen in voller Höhe zu erstatten sind (vgl. FRÉSARD/MOSER-SZELESS, a.a.O., S. 1010 Rz. 358). Die Erstattungen nach Absatz 1 werden nach Massgabe der Durchführungsverordnung festgestellt und vorgenommen, und zwar entweder gegen Nachweis der tatsächlichen Aufwendungen oder auf der Grundlage von Pauschalbeträgen für Mitgliedstaaten, bei deren Rechts- und Verwaltungsstruktur eine Erstattung auf der Grundlage der tatsächlichen Aufwendungen nicht zweckmässig ist (Abs. 2). Diese für Leistungen bei Krankheit (u.a.) geltende Bestimmung greift gemäss Art. 41 VO Nr. 883/2004 auch für Leistungen nach dem 2. Kapitel, mithin im Fall von Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten; die Erstattung erfolgt auf der Grundlage der tatsächlichen Aufwendungen (Abs. 1). Zwei oder mehr Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden können (wortlautidentisch mit Art. 35 Abs. 3 VO Nr. 883/2004) andere Erstattungsverfahren vereinbaren oder auf jegliche Erstattung zwischen den in ihre Zuständigkeit fallenden Trägern verzichten (Abs. 2).
3.2.2.2.2 Die Erstattungsnorm wird in der Durchführungsverordnung bekräftigt und ergänzt: So hält Abs. 3 von Art. 35 VO Nr. 987/ 2009 fest, dass deren Art. 6 Abs. 5 Unterabsatz 2 (betreffend die [...] vorläufige Gewährung von Leistungen) entsprechend gelte. Danach werden Sachleistungen, die von einem Träger (...) vorläufig gewährt wurden, von dem zuständigen Träger nach Titel IV der Durchführungsverordnung erstattet. In diesem Titel IV finden sich Finanzvorschriften, namentlich in den Art. 62 bis 69. Im Grundsatz unterstreicht Art. 62 VO Nr. 987/2009, dass der "zuständige Träger" dem Träger, der die Sachleistung gewährt hat, diese in Höhe der tatsächlichen Ausgaben (...) erstattet (Abs. 1). Die Erstattung soll nach Art. 66 Abs. 1 Durchführungsverordnung so rasch wie möglich vorgenommen werden (WUNDER, Kommentar, a.a.O., N. 6 zu Art. 41 VO Nr. 883/2004; vgl. ferner ROBERTUS CORNELISSEN, Sozialrecht, a.a.O., N. 3 zu Art. 74 VO Nr. 883/2004, der von Erstattung innerhalb eines vernünftigen Zeitraums spricht). Zusätzlich unterstrichen wird dies mit der Vorgabe bestimmter Fristen (Art. 67 VO Nr. 987/ 2009; vgl. auch den Vorbehalt in dessen Abs. 5, wonach die Frist nicht gilt, wenn der leistungspflichtige Träger die Forderung aus einem berechtigten Grund zurückweist) bzw. einer Verzugszinspflicht (Art. 68 VO Nr. 987/2009). Eine reibungslose Anwendung des Erstattungssystems ist grundlegend für das Funktionieren der Koordinationsregeln der Grundverordnung, widrigenfalls droht Gefahr ihrer Aushöhlung (CORNELISSEN, a.a.O.). Allerdings soll das tatsächliche Erstattungsverhalten einiger Mitgliedstaaten gegenüber der Deutschen Verbindungsstelle (Unfallversicherung - Ausland) erhebliche Defizite aufweisen (BAUMEISTER, a.a.O., § 24 Rz. 67 mit Hinweis auf HELMUT MAXEINER, in: Juristischer Praxiskommentar SGB I, 2. Aufl. 2011, N. 30 zu Art. 41 VO Nr. 883/2004).
3.2.2.2.3 Erstattungen zwischen den Trägern der Mitgliedstaaten nach Art. 35 und 41 VO Nr. 883/2004 werden gemäss Art. 66 Abs. 2 VO Nr. 987/2009 über die Verbindungsstelle abgewickelt. Gemäss Legaldefinition hat sie die Anfragen und Amtshilfeersuchen für die Zwecke der Anwendung der Grund- und der Durchführungsverordnung zu beantworten und die ihr nach deren Titel IV zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen (vgl. Art. 1 Abs. 2 Bst. b VO Nr. 987/2009). Die Aufgabenzuweisungen finden sich in Art. 2 bis 4 VO Nr. 987/ 2009 (Datenaustausch) und in Art. 66 bis 69 VO Nr. 987/2009 (Titel IV: Erstattungswesen; vgl. E. 3.2.2.2.2 oben; vgl. ferner FRANK SCHREIBER, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht, in: Enzyklopädie Europarecht, Schlachter/Heinig [Hrsg.],2016, § 33 Rz. 55 und 93; derselbe, Kommentar, a.a.O., N. 18 ff. zu Art. 35 VO Nr. 883/2004). Im Schrifttum wird die Verbindungsstelle definiert "als ganz allgemein jene Einrichtung eines Mitgliedstaates, die Anfragen und Aushilfeersuchen aus anderen Mitgliedstaaten entgegennimmt und durch die betroffenen Träger, die sie repräsentiert, beantworten lässt, sowie die Kostenerstattung zwischen den Mitgliedstaaten abwickelt" (BERNHARD SPIEGEL, Sozialrecht, a.a.O., N. 7 zu Art. 78 VO Nr. 883/2004).
3.2.2.2.4 Als Schweizer Verbindungsstelle, der die Durchführung der Leistungsaushilfe obliegt, amtet in Unfallversicherungssachen nach Art. 103a UVV (SR 832.202) die Suva (vgl. auch Urteil 8C_66/2009 vom 7. September 2009 E. 5.2; FRÉSARD/MOSER-SZELESS, a.a.O., S. 1010 Rz. 359; USINGER-EGGER, in: Kommentar zum schweizerischen Sozialversicherungsrecht, UVG [nachfolgend: UVG], Hürzeler/Kieser [Hrsg.], 2018, N. 25 zu Art. 115a UVG; Kreisschreiben [Unfallversicherung] Nr. 19 des BAG vom 14. Dezember 2017, S. 5). Die dadurch verursachten Kosten werden zu zwei Dritteln von der Suva und zu einem Drittel von den Versicherern nach Art. 68 des Gesetzes getragen (Abs. 2). Der Bund übernimmt die durch die Vorfinanzierung der Leistungsaushilfe entstehenden Zinskosten (Abs. 3). In der betreffenden Botschaft hat der Bundesrat dazu ausgeführt, dass sich das bisherige System der Leistungsaushilferegelung (auch in den meisten der bestehenden bilateralen Sozialversicherungsabkommen enthalten) bewährt habe, weshalb es im Rahmen des vorliegenden Abkommens fortzuführen sei; danach sorge die Suva für die vorschussweise Übernahme von Versicherten ausländischer Versicherungen in der Schweiz und wirke anderseits als Verbindungsstelle für Versicherungsfälle im Ausland (Botschaft vom 23. Juni 1999 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG, BBl 1999 6344 f.).
3.2.2.3 Von der Verbindungsstelle zu unterscheiden ist der zuständige Träger. Diesem wird in Art. 19 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 die Erstattungspflicht überbunden (KAHIL-WOLFF, in: EU Social Security Law, A Commentary on EU Regulations 883/ 2004 and 987/2009, Fuchs/Cornelissen [Hrsg.], 2015, N. 19 zu Art. 1 VO Nr. 883/2004). Gleiches tut zwangsläufig auch die Durchführungsverordnung (Art. 6 Abs. 5, Art. 62 VO Nr. 987/2009). Zum Begriff des zuständigen Trägers finden sich in Art. 1 Bst. q VO Nr. 883/2004 Legaldefinitionen, und zwar vier an der Zahl (i-iv), wodurch die Bedeutung des Rechtsbegriffs normativ, eigenständig autonom europarechtlich, umfassend und abschliessend festgelegt wird (KAHIL-WOLFF, Sozialrecht, a.a.O., N. 2 zu Art. 1 VO Nr. 883/ 2004). Im Einzelnen meint zuständiger Träger:
i) den Träger, bei dem die betreffende Person zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Leistungen versichert ist,
oder
ii) den Träger, gegenüber dem die betreffende Person einen Anspruch auf Leistungen hat oder hätte, wenn sie selbst oder ihr Familienangehöriger bzw. ihre Familienangehörigen in dem Mitgliedstaat wohnen würden, in dem dieser Träger seinen Sitz hat,
oder
iii) den von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats bezeichneten Träger,
oder
iv) bei einem System, das die Verpflichtungen des Arbeitgebers hinsichtlich der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Leistungen betrifft, den Arbeitgeber oder den betreffenden Versicherer oder, falls es einen solchen nicht gibt, die von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats bezeichnete Einrichtung oder Behörde.
Daraus wird im Schrifttum gefolgert, zuständiger Träger sei die Behörde oder Einrichtung des zuständigen Staates, bei dem eine aktuelle Versicherung bestehe oder die gegenüber dem Berechtigten zur Erbringung von Leistungen verpflichtet sei (KAHIL-WOLFF, Sozialrecht, a.a.O., N. 31 zu Art. 1 VO Nr. 883/2004; ebenso SPIEGEL, in der Vorauflage desselben Werks, am gleichen Ort; ALBRECHT OTTING, in: EU-Sozialrecht, Kommentar, Hauck/Noftz [Hrsg.], 2015, N. 51 zu K Art. 1 VO Nr. 883/2004).
3.2.3 Was die in Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004 erwähnten besonderen Sachleistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten angeht (E. 3.2.2 oben), soll damit dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die diesbezüglichen Leistungskataloge der meisten Mitgliedstaaten über dasjenige hinausgehen, was das nationale Krankenversicherungsrecht vorsieht. Dieses erweiterte, auf Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten bezogene, Leistungsspektrum soll nach dem erklärten Willen des Verordnungsgebers auch im Wohnstaat zur Verfügung stehen (FUCHS, Sozialrecht, a.a.O., N. 7 zu Art. 36 VO Nr. 883/2004). Zum Begriff selbst existiert sodann ebenfalls eine Legaldefinition, und zwar in Art. 1 Bst. va ii ("vbis ii" in der französisch- bzw. italienischsprachigen Fassung) derselben Verordnung. Darin wird zunächst auf die Sachleistungen bei Krankheit sowie Leistungen bei Mutterschaft (...) verwiesen, sodass die wörtliche Wiedergabe auch dieser Bestimmung unerlässlich ist:
i) für Titel III Kapitel 1 (Leistungen bei Krankheit sowie Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft) Sachleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgesehen sind und die den Zweck verfolgen, die ärztliche Behandlung und die diese Behandlung ergänzenden Produkte und Dienstleistungen zu erbringen bzw. zur Verfügung zu stellen oder direkt zu bezahlen oder die diesbezüglichen Kosten zu erstatten. Dazu gehören auch Sachleistungen bei Pflegebedürftigkeit;
ii) für Titel III Kapitel 2 (Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten) alle Sachleistungen im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten gemäss der Definition nach Ziffer i, die nach den Arbeitsunfall- und Berufskrankheitenregelungen der Mitgliedstaaten vorgesehen sind.
In diesem Zusammenhang wird für das im vorliegenden Fall am Wohnort des Versicherten geltende deutsche Recht in der Literatur vermerkt, es gehörten neben den klassischen Sachleistungen der medizinischen Versorgung die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 35 SGB VII), am Leben in der Gemeinschaft (§ 39 SGB VII) und anderes mehr bzw. sämtliche Sachleistungen des Sozialgesetzbuchs/siebtes Buch (SGB VII) dazu (BAUMEISTER, a.a.O., § 24 Rz. 50; vgl. auch HELMUT MAXEINER, Sachleistungsaushilfe, Trauma und Berufskrankheit, Sonderheft 5/2016 S. 434 ff. sowie WUNDER, Kommentar, a.a.O., N. 4 zu Art. 36 mit Hinweis auf den in § 1 Nr. 2 SGB VII formulierten Auftrag, wonach bei Arbeitsunfall oder Berufskrankheit nicht bloss Genesung das Ziel sei, sondern in besonderem Masse auch die Wiedererlangung bzw. Erhaltung der Arbeitsfähigkeit). Dass demnach berufliche Eingliederungsmassnahmen ebenfalls zu den besonderen Sachleistungen gemäss Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004 zählen, wird auch hierzulande vertreten (BETTINA KAHIL-WOLFF HUMMER, in: Basler Kommentar zum Unfallversicherungsgesetz, 2019, N. 14 zu Art. 115a UVG; PATRICIA USINGER-EGGER, Die Verordnung [EG] Nr. 883/2004 und deren Durchführungsverordnung, JaSo 2013 S. 106, insbesondere auch Fn. 70; dieselbe, UVG, a.a.O., N. 17 zu Art. 115a UVG; vgl. ferner, wenn auch weniger explizit: BAG-Kreisschreiben [Unfallversicherung] Nr. 19, a.a.O., S. 5 f.).Im Übrigen bringen weder die Beschwerdeführerin noch das BSV in dieser Hinsicht Gegenteiliges vor.
4.
4.1 Die Vorinstanz hat erwogen, es stehe unbestrittenermassen fest, dass die Berufsgenossenschaft einen Erstattungsanspruch gestützt auf Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004 habe und dass der zugrunde liegende Schadenfall als Arbeitsunfall im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Koordinationsrechts zu qualifizieren sei. Bei der Frage nach dem zuständigen Träger für die Erstattung hat sie erkannt, dass die Suva einerseits als Durchführungsstelle zuständig für die Abwicklung der Kostenerstattung für die aushilfsweise erbrachten Sachleistungen sei (Art. 66 Abs. 2 VO Nr. 987/2009). Anderseits sei sie - da der Versicherte im Zeitpunkt des Unfalls bei ihr versichert gewesen sei - auch zuständiger Unfallversicherer im Sinne von Art. 1 Bst. q der Grundverordnung, weshalb offenbleiben könne, wie sich im Bereich der Unfallversicherung die Kostenerstattung innerstaatlich bei einem Auseinanderfallen zwischen Verbindungsstelle und Trägerschaft gestalten würde (mit Hinweis auf BGE 141 V 612 E. 3.3.2 S. 617). Das einschlägige Koordinationsrecht bezwecke nicht zuletzt die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Trägern der sozialen Sicherheit der einzelnen Mitgliedstaaten und die Gewährleistung eines effektiven und verbindlichen Erstattungsverfahrens (mit Hinweis auf die Erwägungsgründe 2 und 19 sowie Art. 62 ff. der Durchführungsverordnung). Damit sei unvereinbar, dass sich eine nationale Verbindungsstelle bzw. der zum Unfallzeitpunkt zuständige Unfallversicherer unter Berufung auf innerstaatliche Besonderheiten der Zuordnung von Versicherungsleistungen ihrer Erstattungspflicht gegenüber dem ausländischen aushelfenden Träger entziehe. Die Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten gemäss Art. 3 Abs. 1 Bst. f und Art. 36 ff. VO Nr. 883/2004 seien nicht nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts, sondern nach gemeinschaftsrechtlichen Kriterien zu verstehen. So gesehen gehe es im vorliegenden Fall bei den fraglichen Eingliederungsmassnahmen um Leistungen bei Arbeitsunfall und Berufskrankheit, die in die Zuständigkeit der Suva fielen, woran nichts ändere, dass sie in der Schweiz von der IV zu erbringen wären.
4.2 Die beschwerdeführende Suva wendet dagegen im Wesentlichen ein, dass die IV nicht nur nach innerstaatlichem Recht leistungszuständig (Art. 8 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 IVG), sondern auch nach Art. 1 Bst. q/ii VO Nr. 883/2004 als zuständiger Träger zu qualifizieren sei. Entscheidend für die Annahme der Trägerschaft sei demgegenüber nicht, dass der Versicherte im Unfallzeitpunkt versichert gewesen sei. Unter welchem Titel eine Leistung gemeinschaftsrechtlich zu erbringen sei, bleibe ohne Einfluss darauf, welcher Sozialversicherungszweig die Leistung innerstaatlich zu übernehmen habe bzw. rückerstattungspflichtig sei. Das Koordinationsrecht wolle dem Versicherten den komplikationslosen Zugang zu den "ortsgebundenen" Leistungen verschaffen, hingegen beabsichtige es nicht, diesen Anspruch in demjenigen Staat, in dem der Anspruch überhaupt erst entstehe, einem anderen Versicherungszweig und einer anderen Risikogemeinschaft zuzuordnen. Im Übrigen könne aus dem Umstand, dass sie - die Suva - hier als Verbindungsstelle für die Abwicklung zuständig sei, nicht abgeleitet werden, dass sie letztlich die Kosten zu tragen habe.
4.3 Die IVSTA verweist ihrerseits darauf, dass sie mangels Versicherteneigenschaft nach innerstaatlichem Recht nach Dezember 2016 keine Leistungspflicht treffe. Die Zuordnung zu den in Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 883/2004 enumerierten Risiken erfolge rechtsprechungsgemäss unabhängig vom innerstaatlichen Recht nach gemeinschaftsrechtlichen Kriterien. Insofern gehe es im vorliegenden Fall um Sachleistungen - wozu die Eingliederungsmassnahmen gehörten - aus Arbeitsunfall, wofür die Suva der für die Kostentragung zuständige Träger sei. Der Umstand, dass die Suva nun plötzlich ihre Zuständigkeit verneine, befremde. Auch habe sie, soweit ersehbar, nie gegen ihre Eintragung als zuständiger Träger für Sachleistungen und Rehabilitationsleistungen bei Arbeitsunfall im öffentlichen Verzeichnis der europäischen Institutionen der Sozialen Sicherheit opponiert.
5.
5.1 Zu Recht hat das kantonale Gericht den Grundsatz besonders hervorgehoben, dass sich aus einem negativen Kompetenzkonflikt unter den hiesigen Sozialversicherern kein Nachteil für den Träger am Wohnmitgliedstaat ergeben darf, der dort aushilfsweise Sachleistungen zu erbringen und deswegen Anspruch auf Erstattung in voller Höhe hat. Erst recht nicht darf derlei zulasten des oder der Versicherten gehen. Ebenfalls zu Recht - und insoweit unbestritten - hat die Vorinstanz erkannt, dass die Suva im vorliegenden Fall als Verbindungsstelle involviert ist. Ob sie daneben zugleich als zuständiger Träger im Sinne von Art. 1 Bst. q/i VO Nr. 883/2004 in Betracht fällt, ist nachfolgend zu prüfen.
5.2 Die Legaldefinition in Art. 1 Bst. q VO Nr. 883/2004 sieht vier alternative Möglichkeiten vor, ohne dass sich daraus eine Prioritätenordnung ergeben würde (vgl. E. 3.2.2.3 oben). Ebenso wenig lässt sich eine solche dem oben zitierten Schrifttum entnehmen. Das erstaunt insofern nicht, als der Zweck des Koordinationsrechts keine Prioritätenordnung erfordert. Vielmehr ruft er nach einer umfassenden, lückenlosen Zuordnung sämtlicher Versicherungsfälle im Bereich der sozialen Sicherheit zu einem als zuständig zu erachtenden Träger. Und welcher Träger dies im konkreten Fall letztlich ist, ergibt sich im Fall mehrerer Möglichkeiten nicht allein aus dem Koordinationsrecht selbst, sondern bestimmt sich unter Einbezug des Landesrechts, dessen Anwendung selbstredend nicht zu einer Vereitelung der Koordinationsbemühungen führen darf.
5.3
5.3.1 Die oben dargelegte Legaldefinition (vgl. E. 3.2.2.3 oben) ist vom Wortlaut her so gefasst, dass sich im vorliegenden Fall sowohl die Suva als auch die IV als zuständiger Träger qualifizieren liessen.
5.3.2 Letzteres folgt - worauf die Beschwerdeführerin zu Recht verweist - aus Art. 1 Bst. q/ii der Grundverordnung, wonach auch an einer aus hypothetischem Wohnen hierzulande abgeleiteten Leistungspflicht angeknüpft werden kann. In diesem Zusammenhang sei zudem Anhang XI zur VO Nr. 883/2004 angeführt, der besondere Vorschriften für die Anwendung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten enthält. Dort findet sich für die Schweiz unter Ziff. 8 der Passus, dass ein Arbeitnehmer oder Selbstständiger, der den schweizerischen Rechtsvorschriften über die IV nicht mehr unterliegt, weil er seine existenzsichernde Erwerbstätigkeit in der Schweiz infolge Unfalls oder Krankheit aufgeben musste, in dieser Versicherung für den Erwerb des Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen als versichert gilt bis zur Zahlung einer Invalidenrente und während der Durchführung dieser Massnahmen, sofern er keine anderweitige Erwerbstätigkeit im Ausland aufnimmt (vgl. dazu BGE 132 V 244 E. 5 f. S. 250 ff.). Demnach bestünde jedenfalls dann weiterhin ein auf Eingliederungsmassnahmen gerichteter Leistungsanspruch gegenüber der IV, wenn der Versicherte hier wohnen würde, womit Bst. q/ii erfüllt ist.
5.3.3 Was die Suva angeht, gelangt Art. 1 Bst. q/i VO Nr. 883/2004 in den Blick, wonach auf die Versicherungsunterstellung im Zeitpunkt des Antrags auf Leistungen abgestellt wird. Das lässt die Trägerschaft des hiesigen Unfallversicherers dann fraglich werden, wenn dieser Antrag im Begehren um Sachleistungen gegenüber dem Träger des Wohnstaates erblickt würde. Im vorliegenden Fall schon deswegen die Trägerschaft der Suva zu verwerfen, ginge jedoch nicht an. Insbesondere wäre dies mit ihrer unbestrittenermassen bestehenden Leistungspflicht aufgrund des Unfalls vom 21. Juli 2016 nicht zu vereinbaren. So richtete sie auch nach der Rückkehr nach Deutschland weiterhin Taggelder dorthin aus (vgl. Art. 7 VO Nr. 883/2004). Vor allem aber hätte sie einem Begehren um Wiederaufnahme der Heilbehandlung - einer Sachleistung - im Wohnortsstaat jedenfalls nicht mit dem Argument entgegentreten können, es bestehe im Zeitpunkt dieses Gesuchs keine Versicherungsdeckung mehr.
5.4
5.4.1 Der Wortlaut von Art. 1 Bst. q VO Nr. 883/2004 liesse demnach verschiedene Anknüpfungen zu. Anderseits steht ausser Frage, dass es sich bei den streitbetroffenen Leistungen aus koordinationsrechtlicher Sicht um solche bei Arbeitsunfällen (Art. 3 Abs. 1 Bst. f VO Nr. 883/2004) und nicht etwa um solche bei Invalidität (Art. 3 Abs. 1 Bst. c VO Nr. 883/2004) handelt, wie das kantonale Gericht in der Sache richtig erkannt hat (vgl. BGE 133 V 320 E. 5.6 S. 328; zur Massgeblichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Kriterien: BGE 134 V 284 E. 3.2 S. 288; Urteil 8C_870/2012 vom 8. Juli 2013 E. 2.4). Auch das BSV verweist hierauf. Darüber hinaus legt es dar, dass die Schweiz im Rahmen der Mitteilungen und Verzeichnisse gemäss Art. 88 Abs. 1 und 4 VO Nr. 987/2009 (wie schon in Anhang 2 der zuvor gültig gewesenen Verordnung Nr. 574/72 sub Schweiz Ziff. 4a) ausschliesslich den zuständigen Unfallversicherer aufführt. Zudem ist nunmehr im Zuge der jüngsten Änderung des ATSG vom 21. Juni 2019 mit Art. 75a eine explizite formellgesetzliche Grundlage dafür geschaffen worden, die dem Bundesrat die Befugnis einräumt, die betreffenden Stellen zu bestimmen, die damit beauftragt sind, für die einzelnen Sozialversicherungen die Aufgaben, insbesondere als zuständige Behörde, Verbindungsstelle und zuständiger Träger, gemäss den Erlassen in der für die Schweiz verbindlichen Fassung von Anhang II des FZA (...) wahrzunehmen (BBl 2019 4475 ff., 4478). Die bundesrätliche Botschaft vom 2. März 2018 hält dazu fest, Art. 75a ATSG kodifiziere die bestehende Aufgabenzuteilung formell in einer gesetzlichen Grundlage, wobei weder inhaltliche noch organisatorische Änderungen der Zuständigkeiten der betroffenen Stellen vorgesehen seien (BBl 2018 1607 ff., 1641). Ob Art. 75a ATSG tatsächlich in diesem weitgehenden Sinne zu verstehen sein wird, ist hier nicht zu beurteilen. Immerhin ergibt sich daraus aber doch insofern ein Bekenntnis zur bestehenden (und auch nach aussen hin bekundeten) Ordnung, als dieser Punkt im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsprozess nicht aufgegriffen oder gar in Frage gestellt wurde (AB 2018 S 667 ff., 670; 2019 N 329 ff., 341).
5.4.2 Namentlich die Zuordnung der streitbetroffenen Leistungen zu Art. 3 Abs. 1 Bst. f VO Nr. 883/2004 spricht für die Erstattungspflicht der beschwerdeführenden Suva. Dagegen steht zwar die klare Leistungszuständigkeit gemäss Landesrecht (vgl. E. 2.2 oben; vgl. dazu insbesondere USINGER-EGGER, UVG, a.a.O., N. 17 zu Art. 115a; dieselbe, JaSo, a.a.O., S. 106 Fn. 70). Allerdings drängt sich eine Involvierung der IV hinsichtlich der beruflichen Eingliederungsmassnahmen unter dem Titel der "besonderen Sachleistungen" nach Art. 36 Abs. 2 VO Nr. 883/2004 auch von der Sache her nicht auf. Denn die betreffende Erstattung erfordert aufgrund der im Wohnortsstaat gemäss dortigem Recht erfolgenden Sachleistungsaushilfe gerade keine Prüfung der Frage, ob und inwieweit gemäss hiesigem IVG ein Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen bestünde. Vielmehr geht es im Wesentlichen einzig um die Klärung, ob ein hier versicherter Arbeitsunfall vorliegt (vgl. E. 3.2.2.1.1 oben), wozu der Unfallversicherer allemal berufen ist. Nicht zu vernachlässigen sind sodann Erschwernisse praktischer Art, die entstehen können, wenn neben dem Unfallversicherer, der für die eigentliche Heilbehandlung bzw. für die Erstattung ihrer Kosten aufzukommen hat, mit dem Einbezug der IV (agierend durch die IVSTA) in ein und demselben Fall - wenigstens zeitverschoben - ein weiterer Träger beteiligt wäre. Ob sich solchen Erschwernissen dadurch befriedigend begegnen liesse, dass die Suva als Verbindungsstelle mitzuwirken und so den Erstattungsfall nicht nur für die übrigen Unfallversicherer (Art. 68 ff. UVG), sondern gleichermassen für die IV abzuwickeln hätte (vgl. Art. 1 Abs. 2 Bst. b und Art. 66 Abs. 2 VO Nr. 987/2009 sowie E. 3.2.2.2.3 oben), scheint zumindest fraglich.
5.4.3 Die Beschwerdeführerin verweist sodann zur Untermauerung ihres Standpunkts auch auf die gebotene Äquivalenz, wonach zwischen den zu erbringenden Versicherungsleistungen und deren Finanzierung durch Nettoprämien über die Zeit hin ein Gleichgewicht bestehen soll (vgl. ALFRED MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 1985, S. 46; KIESER/SCHEIWILLER, in: Kommentar zum schweizerischen Sozialversicherungsrecht, UVG, Hürzeler/Kieser [Hrsg.], 2018, N. 4 zu Art. 92 UVG; speziell für den versicherten Verdienst: BGE 139 V 148 E. 7.2.2 S. 156). Tatsächlich lässt sich auf Anhieb nicht ersehen, dass und wo im geltenden Landesrecht, geschweige denn im Koordinationsrecht, eine entsprechende Grundlage für eine Schadloshaltung des Unfallversicherers zu finden wäre. Das BSV schliesst derlei explizit aus. Dennoch muss bezweifelt werden, dass das erwähnte Gleichgewicht durch die endgültige Belastung des Unfallversicherers mit den ihm aus der Erstattungspflicht erwachsenden Kosten auf die Dauer tatsächlich unter Druck geraten wird. Die Beschwerdeführerin wartet in diesem Zusammenhang auch nicht mit entsprechenden Erfahrungswerten und Zahlen aus der Vergangenheit auf, die ihren Standpunkt zu erhärten vermöchten. Auch der Gesichtspunkt der Finanzierung unter Einschluss desjenigen der "intersystemischen" Abgeltung spricht darum ebenfalls nicht zwingend dafür, hier die IV bzw. die IVSTA als den massgeblichen zuständigen Träger ins Recht zu fassen.
5.5 Nach dem Erwogenen kann der angefochtene Gerichtsentscheid bestätigt werden. Selbst unter Berücksichtigung landesrechtlicher Aspekte besteht keine zwingende Veranlassung, die IV zur Erstattung der Kosten zu verhalten, die nach einem Arbeitsunfall durch die im ausländischen Wohnstaat unter dem Titel berufliche Eingliederungsmassnahmen aushilfsweise geleistete Sachhilfe entstanden sind. Mithin bleibt es bei der Erstattungspflicht der Suva, wie vom kantonalen Gericht entschieden. Bei diesem Ergebnis kann auch die Frage offenbleiben, ob die Suva nicht sogar gehalten gewesen wäre, von sich aus bereits gegen die (allerdings nicht förmlich verfügte und auch von ihrem verpflichtenden Gehalt her auslegungsbedürftige) Mitteilung vom 27. Februar 2017 vorzugehen. | de | Art. 1 lett. q, art. 3 n. 1 lett. f, art. 19 n. 1, art. 35 n. 1 e art. 36 n. 2 del Regolamento (CE) n. 883/2004 del Parlamento europeo e del Consiglio del 29 aprile 2004 relativo al coordinamento dei sistemi di sicurezza sociale; art. 19 cpv. 1 LAINF; art. 15 segg. LAI; aiuto reciproco internazionale in materia di prestazioni in natura; rimborso tra enti assicurativi. Nell'ambito dell'aiuto reciproco internazionale in materia di prestazioni in natura, l'assicuratore contro gli infortuni svizzero, in qualità di ente assicurativo statale competente, è tenuto al rimborso, a titolo di aiuto reciproco internazionale in materia di prestazioni in natura, delle spese causate nello Stato di residenza estero da misure di reintegrazione professionale in seguito a un infortunio professionale occorso in Svizzera (consid. 2-5). | it | social security law | 2,021 | V | https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F147-V-94%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document |
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