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Gewerkschaftschef Claus Weselsky stimmt die Lokführer erneut auf Arbeitskampf ein. Sein Vorwurf in Richtung Bahn: "Die Ausschaltung der GDL".
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Die tägliche Streikmeldung ist fast schon Routine. Gerade erst wurde an den Kitas gestreikt, davor hatten die Postboten die Arbeit niedergelegt, davor die Lehrer und davor wiederum - ja, es ist tatsächlich schon eine Weile her - die Lokführer. Bei ihnen wenigstens hatte man zuletzt den Eindruck, die Gemüter hätten sich beruhigt. Doch das täuscht. Das zeigt ein Schreiben, das der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, vor wenigen Tagen an die Gewerkschaftsmitglieder verschickt hat. Darin schreibt Weselsky von "Tricks", "Verzögerungen" und einem großen "Repertoire an Ausreden", die die Bahn parat habe. Auf fünf eng bedruckten Seiten schlägt er plötzlich wieder den Ton an, den man in den vergangenen Monaten von ihm gewohnt war und der für Bahnfahrer nichts Gutes verhieß. Dabei hatte es doch im März noch ganz so ausgesehen, als hätten sich Bahn und GDL endlich angenähert. Erstmals seit langem hatte Weselsky tatsächlich versöhnlich geklungen und von "Fortschritten" gesprochen, die er mit der Bahn erzielt habe. Ostern wurde somit nicht gestreikt, stattdessen herrschte Ruhe. Doch offenbar war es eine trügerische. Im Moment sieht es ganz so aus, als könnte es schon bald wieder hoch hergehen. Die Ende März erzielten Kompromisse seien jedenfalls schon wieder "vom Tisch", schreibt Weselsky: "Offensichtlich schielt die DB noch immer auf das Tarifeinheitsgesetz und verbrennt Zeit und Geld, um ihr Ziel, die Ausschaltung der GDL auf kaltem Weg zu erreichen." Dieses Gesetz aus dem Bundesarbeitsministerium regelt, dass künftig in einem Betrieb nur noch Tarifverträge der Gewerkschaft gelten sollen, die dort die meisten Mitglieder hat. Die GDL hätte somit im Vergleich zur deutlich größeren Eisenbahngewerkschaft EVG das Nachsehen. Geplant ist, dass der Bundestag das Tarifeinheitsgesetz noch im Mai beschließt. Die GDL wirft der Bahn schon länger vor, aus diesem Grund die Tarifgespräche zu verzögern, um abzuwarten, bis die Lokführergewerkschaft entmachtet ist. Die Bahn hat das zwar stets zurückgewiesen, doch Weselsky traut ihr nicht über den Weg. Wo der Arbeitgeber "vorsätzlich, wissentlich und taktierend Ergebnisse verhindert, müssen wir andere Seiten aufziehen", schreibt er weiter: "Jeder in unserer Organisation weiß, dass wir über Mittel und Wege verfügen, den Verhandlungsdruck zu erhöhen, um schnell und nachhaltig Bewegung zu erzeugen!" Am 16. April wird weiterverhandelt. "Sollten wir dort aber erneut einen Arbeitgeber finden, der toter Mann spielt," würden die Gespräche abgebrochen: "Die weiteren Schritte sind faktisch vorprogrammiert." Ausdrücklich sagt er es zwar nicht, aber was Weselsky damit meint, ist klar: Zur Not werden die Lokomotivführer erneut streiken. Es wäre das siebte Mal.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/tarifstreit-streik-zum-siebten-1.2431295
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mlsum-de-1201
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Die Energy Observer will ohne zu tanken den Globus umrunden - angetrieben nur von Sonne, Wind und Wasser.
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Während alle Welt von Elektroautos spricht, dominieren auf See noch immer Schweröl- oder Dieselmotoren, die die Luft Jahr für mit Jahr 20 Millionen Tonnen Schwefeloxid verpesten. Allein die 15 größten Schiffe der Welt produzieren laut dem Naturschutzbund Deutschland NABU so viel Schadstoffe wie 750 Millionen Autos. Trotzdem sind bisher umweltfreundliche Antriebe kaum ein Thema in der Seefahrt. Die beiden Franzosen Victorien Erussard und Jérôme Delafosse wollen das ändern. Im Laufe des Aprils brechen sie mit ihrem Boot "Energy Obeserver" zur Weltumrundung auf. Das Besondere an ihrem Katamaran: Er nutzt die ihn umgebenden Elemente als Antriebsquelle. 130 Quadratemeter Solarzellen bedecken das etwa 30 Meter lange Schiff und speisen per Sonnenenergie vergleichsweise kleine Batterien, die wiederum zwei Elektromotoren antreiben. Alternativ übernehmen zwei Windturbinen. Zusätzlich dazu produziert die Energy Observer Wasserstoff, der statt herkömmlicher Batterien als Energiespeicher dient. Diese Technologie ist bereits aus dem Automobilbau bekannt, doch im Gegensatz dazu muss der Katamaran nie zur Tankstelle. "Wir werden den Wasserstoff an Bord selbst produzieren, direkt aus dem Ozean. Wir säubern das Wasser, elektrolysieren es und speichern es dann komprimiert in einem Tank", erklärte Delafosse der britischen Ausgabe von Wired. Drei Jahre brauchten sie für den Umbau Der Franzose ist Dokumentarfilmer und professioneller Taucher und kaufte zusammen mit seinem Partner Erussard, einem Marineoffizier und Wettkampfsegler, vor einigen Jahren für 500 000 Euro den Katamaran, aus dem die Energy Observer hervorgehen sollte. Sie wollen beweisen, dass sich eine solche Strecke ohne fossile Brennstoffe zurücklegen lässt. Denn auch wenn Elektromotoren keine Abgase ausstoßen, kommt die elektrische Energie zu oft aus fossilen und zu selten aus regenerativen Energiequellen. Zusammen mit ihrem 50-köpfigen Team bauten sie das ehemalige Wettkampfschiff, das unter anderem 1994 die Jules Verne Trophy für eine Non-Stop-Weltumseglung gewann, in dreijähriger Arbeit um. Auf Deck wurden Solarpanele angebracht und der Rumpf um sechs Meter verlängert.
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https://www.sueddeutsche.de/auto/schifffahrt-emissionslos-um-die-welt-im-elektro-schiff-1.3463166
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mlsum-de-1202
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Schon nach einer Viertelstunde ist die Partie entschieden: Die USA gewinnen das einseitigste Frauen-WM-Finale seit langem mit 5:2. Die Japanerinnen weinen.
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Azura Iwashimizu war untröstlich. Tränen kullerten Japans Innenverteidigerin die Wange herunter. Egal wie viele Mitspielerinnen ihr durch die Haare wuschelten oder welche Arme zum Klammergriff ansetzten - sie konnte nicht aufhören zu weinen. Erst 33 Minuten waren im WM-Finale in Vancouver gespielt, als sie durch Homare Sawa, Weltfußballerin des Jahres 2011, ersetzt wurde. Das Gesicht tief in die Hände gepresst, nahm Iwashimizu auf der Bank Platz. Dabei wollte Trainer Norio Sasaki seine Spielerin nicht bestrafen. Es war vielmehr der Versuch, dieses WM-Finale gegen die USA aus dem Einbahnstraßen-Modus rauszuholen, auf eine andere Straße zu manövrieren. Der Versuch scheiterte. Denn Iwashimizus Tränen wurden zwar weniger, doch die Dominanz der USA blieb bestehen und mündete in einem 5:2-Sieg - nie endete ein WM-Finale der Frauen deutlicher. Schon Nadine Angerer hatte die Offensive der Amerikanerinnen vor dem Halbfinale gegen Deutschland mit einem ICE verglichen. Was Angerer damit meinte, dürfte nach dem Finale klar sein. Dieser ICE überrollte die Japanerinnen und entriss ihnen bereits nach einer Viertelstunde die Kontrolle. Lokführerin war erneut Kapitän Carli Lloyd mit drei Treffern. Sie wurde nach dem Spiel zur besten Spielerin der WM gewählt. "Ich war auf einer Mission und wollte dem Team helfen", sagte Lloyd unter Tränen nach dem Spiel. Nach zwei Standardsituationen brachte sie ihr Team per Doppelpack bereits nach fünf Minuten in Führung. Lauren Holiday erhöhte nach verunglückter Kopfballabwehr von Iwashimizu zum 3:0 (14.), ehe Lloyd von der Mittellinie mit ihrem Treffer das 4:0 markierte (16.). Amerikanisches Fast Food ist seiner schönsten und aus japanischer Sicht reichhaltigsten Form. Die "Nadeshiko" verkürzte noch einmal durch Yuki Ogimi (27.) und ein Eigentor von Julie Johnston (52.) zum 2:4. Doch auch die Ehre, den Schlusspunkt hinter ein denkwürdiges Finale zu setzen, ließen sich die USA nicht nehmen: Tobin Heath traf nach Vorarbeit von Morgan Brian zum 5:2. Mission erfüllt. "Ich bedauere, dass das Team am Anfang nicht konzentrierter war", erklärte Japans Coach Sasaki. Schon gegen England hatte sein Team im Halbfinale nicht überzeugt. Nur das kuriose Eigentor des WM-Dritten bescherte Japan den 2:1-Sieg und hielt die Hoffnung auf eine Titelverteidigung aufrecht. Trotz des Blitzstarts der USA versuchte Sasaki im BC Place Stadium in Vancouver mit frischen Kräften noch einmal für Belebung zu sorgen. Die 36-jährige Sawa übernahm nach ihrer Einwechslung die Regie im Mittelfeld, Mizuho Sakaguchi rückte in die Abwehrkette. Japans berühmteste Fußballerin konnte jedoch kaum Akzente setzen, das US-Spiel schien für die 36-Jährige schlichtweg zu schnell. Überraschend kam die Auswechslung von Nahomi Kawasumi (39.). Sie hatte bis dato eine gute Partie gemacht und das Tor von Ogimi vorbereitet. Dennoch musste sie das Feld für Yuika Sugasawa räumen.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/wm-triumph-fuer-die-usa-japan-wird-vom-ice-ueberrollt-1.2552711
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mlsum-de-1203
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Im Kampf um saubere Luft wird nun der Austausch von Diesel-Taxis und -Bussen angedacht. Derweil drohen in rund 70 Kommunen Fahrverbote.
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In London soll die neue Zeit schon Ende des Jahres anbrechen. Dann laufen die ersten Modelle des neuen TX5 vom Band: außen das vertraute klobige, schwarze Stadttaxi - innen ein Elektroantrieb. Das ist auch bitter nötig: Denn von 1. Januar an müssen neue Taxis mindestens 30 Meilen emissionsfrei zurücklegen können - sonst gibt es keine Erstlizenz. Wer ein altes Diesel-Taxi fährt, bekommt umgerechnet 5500 Euro, wenn er es ausmustert. Und bis zu 8000 Euro gibt es für die Anschaffung eines Elektro-Cabs. London ist weiter als jede deutsche Stadt. Am Donnerstag trafen in Berlin Kommunen, Verbände und Ministerien zusammen, um über die eigenen Flotten zumindest einmal nachzudenken. Schließlich tragen Taxis, Busse oder Lieferwagen auch in Deutschland nicht unwesentlich zum Stickoxid-Problem vieler Städte bei. Die Gruppe ist einer von vier Expertenzirkeln, auf die sich der Dieselgipfel Anfang des Monats geeinigt hatte. Wie schwer das ist, davon haben die gut 40 Experten schon einen Eindruck bekommen. Es gebe da durchaus noch technische und rechtliche Fragen, sagte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth nach der ersten Runde. Zwar gebe es einen großen Konsens darüber, dass die Alternative zum Diesel der Elektromotor sein müsse. Aber zum einen erfordere das auch die entsprechende Infrastruktur, zum anderen sei ungeklärt, wie sich die sauberen Flotten durchsetzen lassen. "Im Augenblick fahren auch Uralt-Taxen zu den gleichen wirtschaftlichen Bedingungen wie neue", sagte Flasbarth. Da stelle sich die Frage, inwieweit etwa Konzessionen in Zukunft auch an bestimmte Auflagen geknüpft werden könnten. Parallel wächst der Druck auf die Kommunen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kündigte am Donnerstag an, in den kommenden Tagen für 45 weitere Städte formale Verfahren zur Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO₂) einzuleiten. Legen die Behörden binnen eines Monats keine schlüssigen Konzepte für bessere Luft vor, könne die Organisation klagen, sagte DUH-Chef Jürgen Resch. Damit könnten neuerliche Klagen auch noch zum Wahlkampfthema werden. Die Umwelthilfe hatte sich bereits 16 Städte vorgeknöpft und vor Gericht gebracht. Für Düsseldorf, München und zuletzt Stuttgart hatte die Umwelthilfe schon entsprechende Gerichtsentscheidungen erwirkt. Demnach könnten Diesel-Fahrverbote von 2018 an helfen, die Luftqualitäts-Grenzwerte einzuhalten. Kommt es Ende September zu einer weiteren Klagewelle, drohen in noch mehr deutschen Städten Fahrverbote. Die Luft ist in fast 70 deutschen Städten schmutziger als erlaubt Am wahrscheinlichsten sind diese bislang in Stuttgart. Dort sind nach einem Gerichtsurteil Fahrverbote für Dieselautos möglich. Nun sollen auch die übrigen erklären, wie sie die Luft sauberer machen wollen. "Wir haben gemerkt, dass viele Städte trotz miserabler Luftwerte und erste Gerichtsentscheidungen für bessere Luft immer noch so tun, als ginge sie das Thema nichts an", sagt Resch. Das wolle die Umwelthilfe mit der Ausdehnung des Rechtsstreits ändern. Die Umwelthilfe reagiert mit ihrem Vorstoß aber auch auf neue Berechnungen des Umweltbundesamtes. Demnach bleibt die Luft in fast 70 deutschen Städten trotz der auf dem Dieselgipfel beschlossenen Maßnahmen schmutziger als erlaubt. Die Behörde hatte am Beispiel zweier Messstationen in München und Mainz errechnet, wie stark sich das Update von Motoren-Software und der Kaufanreiz zum Ersatz älterer Diesel auswirken würde - also jene Schritte, auf die sich Bund und Autoindustrie beim Dieselgipfel verständigt hatten. Ergebnis: Selbst unter denkbar guten Bedingungen reicht die Minderung nicht aus, um künftig die Grenzwerte einzuhalten. Im Straßenverkehr darf nach den EU-Vorgaben ein Höchstwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter im Jahresmittel nicht überschritten werden. Maximal 18 Mal im Jahr darf der Spitzenwert höher als 200 Mikrogramm liegen. Nur 20 Städte, so fand die Dessauer Umweltbehörde heraus, könnten durch den Dieselgipfel unter den Grenzwert rutschen. Beim Rest drohen Fahrverbote. Allein 17 Städte, gegen die der Umweltverband klagt, liegen in Nordrhein-Westfalen, weitere 15 in Baden-Württemberg. Betroffen sind Städte wie Hamburg, Dresden, Hannover oder Nürnberg ebenso wie Wuppertal, Tübingen, Norderstedt oder Gießen. Sie alle rissen im vorigen Jahr den Grenzwert. Für neue Gesetze ist es in dieser Legislaturperiode zu spät. Stattdessen wollen die Expertenrunden nun Vorarbeiten für die nächste Bundesregierung schaffen. Im Drei-Wochen-Takt will sich die Busse-und-Taxis-Runde nun treffen, bis Ende Oktober sollen konkrete Vorschläge stehen. Dann dürften die künftigen Regierungspartner schon in Koalitionsverhandlungen stecken. Das Ziel des Gremiums, sagt Staatssekretär Flasbarth, seien Ergebnisse, "die politisch verwertbar sind".
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https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/umweltschutz-diesel-soll-aus-weiteren-staedten-verbannt-werden-1.3638878
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mlsum-de-1204
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Unerwartetes Ende eines Einkaufsbummels: Ein amerikanischer Tourist wurde in einem Buchladen in London versehentlich eingeschlossen und wählte einen ungewöhnlichen Weg, um auf seine missliche Lage aufmerksam zu machen.
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So hätte sich der Tourist David Willis aus Dallas seinen Einkaufsbummel durch die Waterstones- Buchhandlung am Londoner Trafalgar Square sicher nicht vorgestellt. Während der Texaner noch zur Ladenschlusszeit im ersten Stock in den Buchregalen stöberte, verriegelten die Angestellten im Erdgeschoss nichtsahnend die Türen. Als Willis eine viertel Stunde später wieder nach unten ging, fand er sich in völliger Dunkelheit wieder, sämtliche Ausgänge waren verschlossen. Statt die Polizei zu rufen, versuchte der Amerikaner via Twitter zunächst direkt mit dem Betreiber des Buchladens Kontakt aufzunehmen. Wie die britische Tageszeitung Daily Mail berichtete, twitterte Willis an Waterstones die Nachricht "Bitte lasst mich raus". Unglücklicherweise hatten sich die Mitarbeiter des Social-Media-Teams bereits in den Feierabend verabschiedet. Vor neun Uhr am kommenden Morgen war nicht damit zu rechnen, dass man auf seine Nachricht reagieren würde. Hi @Waterstones I've been locked inside of your Trafalgar Square bookstore for 2 hours now. Please let me out. — David Willis (@DWill_) 16. Oktober 2014 Hilfe kam stattdessen schon bald von der Twitter-Gemeinde: Innerhalb kürzester Zeit verbreitete sich Willis virtueller Hilferuf in dem sozialen Netzwerk. Etwa 6000 Mal wurde seine Nachricht retweetet, schreibt The Telegraph. Tipps von der besorgten Comunity Viele Nutzer nahmen Anteil an der misslichen Lage des eingeschlossenen Touristen. Einige empfahlen ihm, die Polizei zu verständigen, andere boten ihm Essen an oder hinterließen ihm Buch-Empfehlungen, mit denen er sich die Zeit bis zum Morgen vertreiben könnte. Zwischendurch kamen Ratschläge, wie Willis die Mitarbeiter des Ladens noch in der Nacht dazu bewegen könnte, ihn zu befreien. "Drohe ihnen doch einfach damit, so lange Chaos in die Bücherregale zu bringen, bis du wieder frei bist. Das dürfte sie etwas antreiben", empfahl Nutzer Tim Archer. Einige brachte das Schicksal des Hilfesuchenden sogar um den Schlaf: "Ich bin zwar hundemüde, aber ich kann nicht eher einschlafen, bis ich weiß, dass David Willis befreit wurde. Ich hoffe, sie schenken ihm ein Buch als Wiedergutmachung", twitterte die Journalistin Gaby Hinsliff. Need my bed but can barely sleep till I know the Waterstones One is free.Poor @DWill_ Hope they give him a book token to make up for it — Gaby Hinsliff (@gabyhinsliff) 16. Oktober 2014 Bis kurz nach 23 Uhr mussten sich Hinsliff und die anderen Twitter-Nutzer, die das Geschehen teils besorgt, teils belustigt verfolgt hatten, noch gedulden. Dann wurde Willis von der Polizei aus seiner Notlage befreit. Auch dies teilte der US-Amerikaner abschließend der Community per Twitter mit. I'm free — David Willis (@DWill_) 16. Oktober 2014 Erst dann gab auch die Buchhandelskette, die bis dahin keinerlei Reaktion auf die Hilferufe des Amerikaners gezeigt hatte, ein Lebenszeichen von sich. Offenbar hatte man bei Waterstones doch noch einen Mitarbeiter des Social-Media-Teams erreicht, so dass das Unternehmen zumindest nachträglich sein Bedauern und seine Erleichterung ausdrücken konnte. "Wir freuen uns, verkünden zu dürfen, dass David Willis wieder ein freier Mann ist. Vielen Dank für die Anteilnahme und Tweets".
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https://www.sueddeutsche.de/panorama/eingesperrter-tourist-twittert-aus-buchhandlung-bitte-lasst-mich-raus-1.2178227
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mlsum-de-1205
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In den Hauptstädten der USA und Europas arbeitet man wieder an einer politischen Lösung des Syrien-Konflikts. Aber was plant eigentlich Russlands Präsident Wladimir Putin?
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Mehr als vier Jahre nach dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs gedeiht die Hoffnung, dass neue diplomatische Initiativen den Konflikt doch noch politisch lösen könnten. US-Außenminister John Kerry erklärte am Wochenende, die Länder der Welt müssten dringend zusammenarbeiten, "um diesen Krieg zu beenden, der schon viel zu lange dauert". Insbesondere wolle er "diesen Moment ausnutzen", da Russland mehr als bisher gegen die Terroristen des Islamischen Staats in Syrien unternimmt, "um Wege hin zu einer politischen Lösung zu finden". Auslöser für die neue diplomatische Bewegung ist ein Angebot Moskaus an die US-Regierung, bei der Bekämpfung der IS-Terroristen in Syrien zusammenzuarbeiten. Russland ist dabei, einen Stützpunkt in der Nähe der syrischen Stadt Latakia auszubauen, um die Terroristen anzugreifen, die Teile Syriens kontrollieren. Allerdings hat die Aufrüstung auch neues Misstrauen gegen Moskau geschürt. Kerry sagte am Wochenende, Russland habe Boden-Luft-Raketen nach Syrien geschafft sowie Flugzeuge mit der Fähigkeit, andere Flugzeuge anzugreifen. Da der Islamische Staat keine Flugzeuge besitzt, rätselt die US-Regierung, was Russlands Präsident Wladimir Putin eigentlich vorhat. "Dies wirft ernste Fragen auf", sagte Kerry. Außerdem befürchtet das Pentagon, dass sich russische und amerikanische Kräfte in Syrien versehentlich gegenseitig angreifen könnten. Amerikaner und Europäer sind bereit, Putins Absichten in Syrien zumindest zu prüfen Putin genießt im Westen kaum noch Vertrauen. Er hat Syriens Diktator Baschar al-Assad - trotz der Gewaltexzesse syrischer Sicherheitskräfte gegen die Opposition - vor jeglicher Kritik des UN-Sicherheitsrats geschützt, und seit dem vergangenen Jahr hat er sich zudem als Aggressor der Ukraine bei den Regierungen der USA und der Europäischen Union diskreditiert. Doch angesichts von mehr als 200 000 Toten in Syrien und einer massiven Flüchtlingskrise sind Amerikaner und Europäer bereit, die neuen Absichten Putins in Syrien zumindest zu prüfen. Bisher sind sie ein Rätsel: Will Putin tatsächlich den IS bekämpfen, gegen den die USA seit einem Jahr mit einer Koalition von 60 Ländern vorgehen, oder möchte er in Wahrheit Assad stützen und Russlands Einfluss in Nahost ausbauen? Das Weiße Haus erklärte jüngst, es wolle Russland jedenfalls ermutigen, sich "konstruktiv" in den Kampf gegen den IS einzubringen. Auch die Bundesregierung setzt immer größere Hoffnungen in die diplomatische Bewegung, die durch die russischen Aktivitäten in Syrien, aber auch durch das Iran-Abkommen ausgelöst wurden. Auch wenn Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Sonntagabend zu einer Reise nach Bangladesch und Sri Lanka aufbrach - längst sind die Bemühungen, den verheerenden Bürgerkrieg endlich zu beenden, ins Zentrum von Steinmeiers Arbeit gerückt. Seine Mitarbeiter bereisen seit Tagen den Nahen Osten, um in den Nachbarstaaten Syriens und in den Golfstaaten für eine neue gemeinsame Initiative zu werben. Seit Langem unterstützt Berlin mit Vehemenz den UN-Sondervermittler Staffan de Mistura. Jetzt aber sieht man in Berlin eine neue Chance, dessen Bemühungen mit einer gemeinsamen Initiative Washingtons und Moskaus unter Beteiligung der großen Europäer, Irans, Saudi-Arabiens und anderer Staaten der Region zu verknüpfen. Aufmerksam verfolgt Berlin, wie Putin Kontakt zur Türkei sucht. Jetzt reist Erdoğan nach Sotschi Wie in Washington herrscht auch in Berlin Misstrauen, was der Kreml mit den Waffenlieferungen und Truppenstationierungen bezweckt. Aber neben der Sorge, dass Moskau damit eigene Interessen verfolgt, um das Regime zu stützen und die einzige russische Marine-Basis im Mittelmeer zu schützen, wächst auch die Hoffnung, dass es gelingen könnte, die Interessen des Westens und Russlands für eine echte Initiative zu nutzen. Aufmerksam verfolgt man in Berlin, wie Putin zuletzt mit den Führungen der Golfstaaten gesprochen hat und offenkundig auch Kontakt zur Türkei sucht. Letzteres ist bemerkenswert, weil Ankara und Moskau bislang im Umgang mit dem Regime in Damaskus weit auseinander gelegen haben. Während Putin das Regime stützt, vertrat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan von Anfang an die Position, dass Assad vor jedem weiteren politischen Schritt gestürzt werden müsse. Offenbar scheinen beide Seiten nun leise von ihren Maximalpositionen abzurücken. Dafür spricht auch, dass Erdoğan Anfang dieser Woche Putin in Sotschi treffen wird. Zentrales Thema: Syrien. Auch Kerry bekräftigte am Wochenende, dass er in der Frage nach der Zukunft Assads flexibel ist: "Ich habe immer gesagt, dass Assad gehen muss, aber es muss nicht an einem speziellen Tag oder Monat geschehen. Dies ist ein Prozess." Eines der Motive Putins ist es zweifellos, sich aus der Isolation zu befreien, in die er wegen seiner Rolle in der Ukraine-Krise geraten ist. Offenbar strebt der russische Staatschef nun sogar ein Treffen mit US-Präsident Barack Obama an; es könnte am Rande der bevorstehenden UN-Generaldebatte in New York stattfinden. Das Weiße Haus hat sich dazu noch nicht geäußert, es ist ein offenes Geheimnis, dass Obama Putin verachtet. Aber es ist nicht zu übersehen, dass Putins Syrien-Initiative beide Seiten wieder ins Gespräch bringt. Am Freitag telefonierten US-Verteidigungsminister Ashton Carter und sein russischer Kollege Sergej Schoigu, wobei es zunächst nur darum ging, dass sich amerikanische und russische Flugzeuge bei Operationen in Syrien nicht in die Quere kommen. Doch im Lichte der desaströsen Lage in Syrien ist Obama offenbar bereit, der russischen Regierung zumindest Interesse zu signalisieren. Die Syrien-Krise nährt auch immer neue innenpolitische Kritik an Obama, dem Tatenlosigkeit vorgeworfen wird. Die Bundesregierung sieht sich in dieser möglichen Annäherung als Vermittlerin zwischen Washington, Moskau, Ankara, Iran und Saudi-Arabien. Das zeigt sich nicht nur in einer Vielzahl von Telefonaten. Steinmeier hat jüngst auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow in Berlin empfangen, am Sonntag kam Kerry in die deutsche Hauptstadt. Und zwei Tage zuvor, am Freitag, hatte Steinmeier in Ankara für eine neue Initiative ohne Maximalforderungen geworben. Dabei geht es Berlin nicht nur um eine bitter nötige Beendigung des Krieges. Angesichts der Flüchtlingskrise versucht die Bundesregierung auch, den Millionen Flüchtlingen im Nahen Osten neue Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Heimat zu geben. Sonst dürften sich noch viel mehr Syrer auf den Weg nach Europa machen.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/syrien-konflikt-hoffen-und-bangen-1.2655798
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mlsum-de-1206
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Anders als bislang vorgesehen, sollen die nationalen Parlamente über das Handelsabkommen mit Kanada entscheiden, schlägt überraschend Jean-Claude Juncker vor.
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Wird Ceta verhindert, wird es auch für das geplante TTIP Abkommen mit den USA schwierig, gegen das hier in Brüssel demonstriert wird. Dem fertig ausgehandelten Handelsabkommen der EU mit Kanada (Ceta) sollen nun doch auch die Parlamente der Mitgliedstaaten zustimmen müssen. Das empfahl am Dienstag überraschend die Europäische Kommission, deren Präsident Jean-Claude Juncker vor einer Woche genau das Gegenteil befürwortet hatte. Junckers Ankündigung hatte heftigen Protest aus den Mitgliedstaaten hervorgerufen: Gerade nach dem Warnschuss durch das britische Referendum dürfe man die überwiegend Ceta-kritische Öffentlichkeit nicht ausschließen. Der Protest hat die Brüsseler Behörde offenbar zur Umkehr bewogen. Für Ceta könnte dies allerdings das Ende bedeuten, was auch das geplante Handelsabkommen mit den USA (TTIP) infrage stellen würde. Über die Entscheidung wurde dem Vernehmen nach in der Kommission lebhaft diskutiert. Die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström erklärte, das Kollegium sei, gestützt auf ein Gutachten des Rechtsdiensts, noch immer der Ansicht, dass es sich um eine reine EU-Angelegenheit handle. Angesichts der unterschiedlichen Meinungen in den Mitgliedstaaten wolle man Ceta aber als "gemischtes Abkommen" ansehen. Auf diese Weise könne man "schnell vorangehen" und Teile des Abkommens vorläufig in Kraft treten lassen, sobald die Brüsseler Institutionen, also der Rat der Mitgliedstaaten und das Europaparlament, zugestimmt hätten. Ein solches Vorgehen ist bei Handelsabkommen üblich. Die Kommission setzt aber offenbar darauf, dass die Ratifizierung durch die nationalen Parlamente noch juristisch gestoppt werden könnte. Laut Malmström erhofft sich die Behörde mehr Klarheit vom Europäischen Gerichtshof, der Ende des Jahres über ein Handelsabkommen der EU mit Singapur entscheidet und dabei wohl auch grundsätzlich zur Ratifizierung solcher Abkommen Stellung beziehen wird. Der EuGH entscheide "allein auf der Basis des Rechts", sagte Malmström, eventuell könnten sich die nationalen Abstimmungen dann erübrigen. Die Europäische Kommission mache das einzig Richtige, sie gebe die Debatte frei Für den Handel ist laut den Verträgen allein die EU zuständig. Bei "reinen" Handelsabkommen würde es daher reichen, wenn die Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit sowie anschließend das Europäische Parlament zustimmen. Wird in einem Abkommen aber noch anderes geregelt, bei Ceta geht es auch um Arbeitsstandards, Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung, müssen die nationalen sowie mehrere regionale Parlamente gefragt werden. Einige Kammern haben ihre Ablehnung schon deutlich gemacht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat angekündigt, auf jeden Fall den Bundestag mit der Entscheidung zu befassen. Dort ist dem Abkommen eine Mehrheit sicher. Nach Ansicht von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) müsste daneben aber auch der Bundesrat zustimmen. Damit würde eine deutsche Zustimmung unwahrscheinlich, da in zehn der 16 Bundesländer die Grünen mitregieren, die Ceta ablehnen. Gabriel begrüßte die Entscheidung der Kommission am Dienstag. Gleichzeitig verteidigte er das Abkommen als "gut und wichtig". Junckers ursprünglichen Plan hatte der Minister als "unglaublich töricht" bezeichnet. Die Grünen werteten das Einlenken der Kommission als "Erfolg für die Zivilgesellschaft", die über Jahre Druck ausgeübt habe. "Das Versteckspiel hat ein Ende", erklärte die EU-Abgeordnete Ska Keller. Die Kommission mache das einzig Richtige, sie gebe die Debatte um Ceta frei. Kritisch äußerte sich hingegen die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Dass Ceta schon vorläufig angewendet werden solle, ohne die nationale Zustimmung abzuwarten, sei "verfassungsrechtlich fraglich und demokratiepolitisch ein Skandal", so Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode. Malmström warb eindringlich für Ceta. Es sei das "bisher wohl ambitionierteste Handelsabkommen überhaupt", schließlich würden dadurch fast 100 Prozent der Zölle zwischen der EU und Kanada wegfallen. "Das bedeutet mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze."
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https://www.sueddeutsche.de/politik/handelsabkommen-eu-laesst-laender-ueber-ceta-abstimmen-1.3065496
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mlsum-de-1207
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Im Gegensatz zur Stromerzeugung spielen erneuerbare Energien beim Heizen nur eine kleine Rolle. Daher gibt es jetzt höhere Zuschüsse für Solarkollektoren, Pelletkessel und Wärmepumpen.
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Dreht Wladimir Putin der EU im Streit um die Ukraine den Gashahn zu? Diese Sorge treibt Politik und Wirtschaft seit Monaten immer wieder um. Deutschland würde ein Lieferstopp hart treffen, da die Importe aus Russland ein Drittel des heimischen Erdgasbedarfs decken. Die Hausbesitzer dagegen reagieren gelassen - sie haben offenbar keine Angst, dass ihnen der Brennstoff ausgehen könnte. Das Heizen mit Erdgas ist so beliebt wie nie zuvor, wie aktuelle Zahlen des Bundesverbands der Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) zeigen: Gaskessel hatten im vergangenen Jahr einen Anteil von 76 Prozent an allen neu installierten Heizungsanlagen in Deutschland. Das ist ein neuer Rekord. Manche Experten hatten eigentlich erwartet, dass die Debatte um die Abhängigkeit vom russischen Erdgas den Erneuerbare-Energien-Heizungen Schub geben würde. Doch das Gegenteil trat ein: Nach dem ohnehin schleppenden Absatz in den Vorjahren haben die Öko-Anlagen 2014 weiter an Marktanteilen verloren. Am besten haben sich noch die Wärmepumpen geschlagen, deren Verkaufszahlen nur um drei Prozent gesunken sind. Der Rückgang geht auf das Konto der effizienten Sole-Wasser-Wärmepumpen, während die weniger sparsamen Luft-Wasser-Wärmepumpen sogar leicht zulegen konnten. Die Hersteller von Solarthermie-Kollektoren mussten ein Minus von zwölf Prozent verbuchen. Bei den Holz-Heizkesseln brach die Nachfrage sogar um ein Viertel ein. BDH-Hauptgeschäftsführer Andreas Lücke verweist dabei auf ein interessantes Phänomen. Die Marktforschung des Verbandes zeige, dass die Hausbesitzer heute ganz anders handeln als noch 2008, als Putin schon einmal mit einem Lieferstopp drohte. "Damals gab es in der Folge einen enormen Boom bei den erneuerbaren Energien", sagt Lücke. Fast jeder zweite Eigentümer entschied sich zu dieser Zeit bei einer Modernisierung oder einem Neubau für eine Heizung, die ausschließlich oder teilweise erneuerbare Energien nutzt - also entweder für eine Wärmepumpe, einen Holzkessel oder eine Kombination aus Gas- beziehungsweise Ölbrenner und Solarthermie-Kollektoren. Heute tut dies nur noch jeder fünfte Hausbesitzer. Der niedrige Ölpreis hat den Absatz alternativer Heizungen abgewürgt Warum lassen die Deutschen derzeit beim Heizen lieber die Finger von Holz, Umweltwärme und Sonnenenergie? "Zum einen hat die leidige Diskussion um die Einführung eines Steuerbonus für energetische Sanierungen dazu geführt, dass Hausbesitzer Investitionen in eine neue Heizung verschoben haben", erklärt Dirk Mobers von der Energieagentur Nordrhein-Westfalen. Dies betrifft allerdings ebenso konventionelle Heizungen. Schwerer dürfte der Preisrutsch beim Heizöl wiegen, den Mobers als zweiten Grund anführt. "Früher wurden Ölheizungen häufig durch Holzkessel ersetzt, wenn eine Modernisierung anstand. Mit dem niedrigen Ölpreis steigen nun deutlich weniger Hausbesitzer auf Holz um", sagt der Energieexperte. Darunter leide in der Folge auch die Solarthermie, die oft mit einer Holzheizung gekoppelt werde. Allerdings sind Holzpellets mit einem Preis von etwa fünf Cent pro Kilowattstunde erzeugter Wärme immer noch deutlich billiger als die fossilen Brennstoffe. Für Gas und Öl müssen die Verbraucher momentan circa sechs bis sieben Cent bezahlen. Bei Wärmepumpen liegt der Preis je nach Anlagentechnik und Stromtarif zwischen fünf und neun Cent pro Kilowattstunde Wärme. Gerade einmal zehn Prozent des heimischen Wärmebedarfs wird aus regenerativen Quellen gedeckt - beim Strom liegt der Anteil fast dreimal so hoch. Viel zu wenig, um die nationalen Klimaschutzziele zu erreichen, meint die Bundesregierung. Sie will den Anteil bis 2020 auf 14 Prozent steigern. Mit dem gewünschten Nebeneffekt, die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu mindern. Wichtigstes Instrument ist die finanzielle Förderung durch das Marktanreizprogramm, kurz MAP, das den Einbau von Ökoheizungen in Bestandsbauten bezuschusst. Zum 1. April hat die Bundesregierung die Fördersätze stark erhöht. Wie groß das Plus konkret ausfällt, hängt von der verwendeten Technologie ab. Zudem werden jetzt auch Anlagen wie etwa Solarthermiesysteme für die Warmwasserbereitung subventioniert, für die es zuvor kein Geld gab. "Das MAP wird damit deutlich attraktiver. Wir erwarten, dass die verbesserte Förderung den Absatz von Wärmepumpen, Solarthermieanlagen und Holzkesseln ankurbeln wird", erklärt BDH-Geschäftsführer Lücke. Die Fördermittel können gleichermaßen von privaten wie gewerblichen Immobilieneigentümern in Anspruch genommen werden. Auch für den Bau von Wärmenetzen, etwa zur Versorgung von Neubauvierteln, steht künftig mehr Geld zur Verfügung. Während das Zuckerbrot also recht üppig ausfällt, lässt die Bundesregierung die Peitsche lieber im Schrank - ein von Klimaschützern und einigen Verbänden geforderter Zwang zur Nutzung erneuerbarer Energien bei der Heizungsmodernisierung ist laut Koalitionsvertrag nicht vorgesehen. Das wäre auch kontraproduktiv, meint Corinna Merzyn, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Privater Bauherren (VBP). "Ein solcher Schritt würde Sanierungsbemühungen vielfach schon im Keim ersticken", ist Merzyn überzeugt. Ihre Sorge: Hausbesitzer würden ihre alten Kessel dann oftmals einfach weiterlaufen lassen, weil sie die Mehrausgaben für die alternative Technik nicht tragen können oder wollen. Ähnlich argumentiert die Heizungsindustrie. Wer dagegen neu baut, ist bereits seit 2009 durch das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) verpflichtet, einen gewissen Prozentsatz des Wärmebedarfs aus regenerativen Quellen zu decken. Alternativ können die Bauherren in Ersatzmaßnahmen wie eine besonders dicke Wärmedämmung investieren. Im Zuge der anstehenden Novellierung des EEWärmeG will die schwarz-rote Koalition das Gesetz mit der Energieeinsparverordnung (EnEV) abgleichen, um die Anwendung zu vereinfachen. Aus dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung ist zu hören, dass das EEWärmeG angesichts der geplanten Verschärfung der EnEV sogar ganz abgeschafft werden könnte. Der Wärmebedarf von Neubauten müsse nämlich künftig so weit gesenkt werden, dass eine eigene Vorgabe für erneuerbare Energien dann überflüssig sei.
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https://www.sueddeutsche.de/geld/waerme-runter-vom-gas-1.2457970
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mlsum-de-1208
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Die Bundeskanzlerin verurteilt die Anschläge von Ansbach und Würzburg. Und kündigt einen Neun-Punkte-Plan gegen den Terror an.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich erstmals nach dem Anschlag von Ansbach öffentlich geäußert. "Dass zwei Männer, die als Flüchtlinge zu uns gekommen waren, für die Taten von Würzburg und Ansbach verantwortlich sind, verhöhnt das Land, das sie aufgenommen hat." Die Täter verhöhnten zudem die zahlreichen Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz suchten, sowie alle, die sich als Helfer engagierten. Merkel bezog sich auf den Anschlag von Ansbach, bei dem sich ein Syrer in die Luft gesprengt und 15 Menschen verletzt hatte sowie auf die Attacke in Würzburg, bei der ein 17-Jähriger vier Menschen in einem Regionalzug mit einer Axt und einem Messer zum Teil schwer verletzte. Beide Täter waren als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Weiter sagte Merkel, die Anschläge von Ansbach und Würzburg, aber auch weitere derartige Vorfälle wie die Tötung eines Priesters in Frankreich oder der Anschlag auf einen Schwulen- und Lesbenclub in Orlando seien "erschütternd, bedrückend und auch deprimierend". Sie brächen "zivilisatorische Tabus". Ebenfalls erwähnte die Kanzlerin den Amoklauf von München mit zehn Toten. Solche Taten fänden an Orten statt, wo "jeder von uns" jederzeit sein könnte. Gleichzeitig trat Merkel dem Vorwurf entgegen, ihre Flüchtlingspolitik sei falsch gewesen. "Ich bin heute wie damals davon überzeugt, dass wir es schaffen, unserer historischen Aufgabe - und dies ist eine historische Bewährungsaufgabe in Zeiten der Globalisierung - gerecht zu werden. Wir schaffen das. Und wir haben im Übrigen in den letzten elf Monaten sehr, sehr viel bereits geschafft." Die Kanzlerin sprach auch darüber, wie die Bundesregierung nun reagieren will. Sie stellte einen Maßnahmenkatalog vor, der neun Punkte umfasst. Unter anderem erwähnte sie ein "Frühwarnsystem", konkrete Details aber nannte sie nicht. Die Täter von Würzburg und Ansbach waren den Behörden bei ihrer Einreise nicht als gefährlich aufgefallen. Zudem sollen Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive konsequenter abgeschoben werden. Die "Rückführungsanstrengungen" müssten erhöht werden, sagte Merkel. Dazu müsse die Zusammenarbeit mit Afghanistan und den nordafrikanischen Ländern verbessert werden. Die Kanzlerin schloss auch nicht aus, die Bundeswehr in terroristische Großlagen im Inland einzubinden. Polizei und Bundeswehr sollen gemeinsame Übungen abhalten, um sich auf einen Terroranschlag vorzubereiten. Merkel plädierte außerdem dafür, die seit Längerem geplante europäische Richtlinie zum Waffenrecht zügig zu verabschieden. So solle der Waffenhandel über das Internet unterbunden werden. Die Süddeutsche Zeitung hatte berichtet, dass der Amokläufer von München seine Waffe im Darknet, einem abgeschotteten Teil des Internets, bekommen hatte. Die Bundeskanzlerin warb für einen besseren internationalen Informationsaustausch und dafür, dass die Geheimdienste verschiedener Länder besser zusammenarbeiten sollen.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/pressekonferenz-merkel-wir-schaffen-das-und-haben-bereits-sehr-sehr-viel-geschafft-1.3098808
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mlsum-de-1209
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Kleiderschränke sind zu Bibliotheken der witzigen Sprüche, der Slogans und Parolen geworden. Politik, Sex, Mode: Für alles gibt es jetzt Slogan-T-Shirts. Woran liegt das?
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Über Menschen, die leicht zu durchschauen sind, heißt es, man könne sie lesen wie ein offenes Buch. Dafür braucht man keinen Text. Man sieht sich Gesichtsausdruck, Körperhaltung, Kleidungsstil an, und schon erfährt man viel über jemanden, auch wenn man nicht weiß, wie er heißt oder woher sie kommt. In jüngerer Zeit ist es noch leichter geworden, Menschen zu lesen, denn viele tragen beschriftete Kleidung: T-Shirts, Kappen, Schals, Pullover, Socken. Kleiderschränke sind zu Bibliotheken der witzigen Sprüche, der Polit-Slogans und aktivistischen Parolen geworden. Da ist zum Beispiel die Studentin, die mit ihrer "Ferme La Bouche"-Basecap jedem vermittelt: Halt die Klappe. Die Studentin neben ihr kontert mit einem Shirt, auf dem "Speak up" steht, also: Mach den Mund auf. Daneben der Mode-Hipster, der einen "We Are All Migrants"-Schal des Mailänder Strickwaren-Labels Sansovino 6 trägt und sich auf diese Weise solidarisch mit den Geflüchteten der Welt zeigt. Während der Skater von Welt gerade am liebsten seine "Remove Before Sex"-Tennissocken anzieht, die vom Berliner Style-Magazin 032c angeboten werden. Mit denen kann er nämlich lustige intime Momente teilen (die Anweisung "Vor dem Sex ausziehen" ist unten in die Sohle eingewebt) und sich mit seiner Freundin entscheiden: Wollen wir ganz nackigen Sex haben oder lieber ungehorsamen Sockensex? Ja, die neuere Slogan- und Motto-Mode ist auch lustig. Wer sie verstehen will, muss sie erst einmal abgrenzen von Mode mit prominent platzierten Markennamen und Markenslogans. Labels drucken ihre Slogans ja mal riesig auf ihre Produkte, dann wieder kleiner, dann wieder größer. "Just do it" bei Nike, "Only the brave" bei Diesel und so weiter. Als Konsument empfindet man je nach Saison mal die elegante Dezenz, mal die angeberische Prallheit als passend. Wobei es hier eben nicht um Markenbotschaften gehen soll, sondern um Botschaften, die den Träger oder die Trägerin selbst zur Marke machen, à la: Ich positioniere mich mit einer originellen, prägnanten Textbotschaft im öffentlichen Raum, der immer öfter auch digital ist. "Ich bin Feministin" ist die Botschaft, die gerade am häufigsten zu lesen ist, in verschiedensten Formulierungen, zum Beispiel "The Future Is Female" oder: "Girls Just Want To Have Fun-Damental Rights". Letzteres ist die feministische Verlängerung des hedonistischen Pop-Hits von Cyndi Lauper ("Girls Just Want To Have Fun") um die Forderung nach Anerkennung des Rechts auf Abtreibung. Das liest sich schön aktivistisch, und dass junge Frauen via Brustprint bekräftigen, dass Feminismus sie keineswegs anekelt, ist prinzipiell toll. Wobei es auch den Begriff "Slacktivismus" gibt, abgeleitet vom englischen "Slacker", also dem Faulenzer. Fauler Aktivismus, das wäre ein Aktivismus, der sich mit Symbolen - wie etwa dem Tragen eines feministischen T-Shirt-Spruchs - begnügt. Oder ist es ein Aktivismus, der sich ganz auf die Sprechakttheorie aus der Linguistik beruft, der zufolge Sprechhandlungen selbst immer schon Veränderungen der Realität sind? Was zu den durchaus problematischen Auswüchsen des Feminismus-Modetrends zu sagen ist, hat kürzlich die Autorin Margarete Stokowski eindrucksvoll beschrieben - angefangen beim 500 Euro teuren T-Shirt mit "We Should All Be Feminists"-Aufdruck von Dior. Selbstverständlich gibt es auch positiv besprochene Beispiele für den Slogan-Trend: Wolfgang Tillmans' Brexit-Shirt etwa ("No man is an island. No country by itself"), das Daniel Craig trug. Natürlich ist es kein neues Phänomen, sich mit seiner Kleidung nicht nur als Person auszudrücken, sondern auch expressis verbis. Der Textildruck, mit dem sich wasch- und dehnbare PVC-Farbe auf Stoff aufbringen lässt, ist in den Fünfzigerjahren erfunden worden. Seitdem gibt es T-Shirts, die mit Botschaften bedruckt sind. Bevor sie Mode wurden, gab es sie zunächst beim Militär, im Sport und im Marketing, sprich: zur Bewerbung von Tankstellen, Restaurants und so weiter. Solche Shirts trug man noch nicht als Ausdruck seiner persönlichen Ansichten oder seines Humors, sondern in einer Funktion als Soldat, Mannschaftsmitglied oder Angestellter. In den Siebzigerjahren kam die Inflation der touristischen Souvenir-Shirts dazu: Mein Freund, meine Freundin ist ohne mich nach New York, Paris, Las Vegas gefahren, "... and all I got was this lousy t-shirt"! Auch das waren noch keine Botschaften mit individuellem aktivistischen oder weltanschaulichen Gehalt. "Not another slogan shirt" Deswegen gilt als die Mutter des heutigen Slogan-Shirts die britische Designerin Katharine Hamnett. Sie begann in den Achtzigerjahren auf weiße T-Shirts politische Botschaften mit dicker Blockschrift zu drucken. Das "Use Condom"-Shirt war ihr Aufschrei zur Aids-Krise, die damals von vielen staatlichen Stellen und Medien noch totgeschwiegen wurde. Popbands wie Wham! trugen das Shirt im Fernsehen - eine Frühform dessen, was heute virale Kommunikation genannt wird; eine Strategie, mittels derer Botschaften in Kanäle geschleust werden, in denen sie eigentlich nicht vorgesehen sind. Ein anderes Hamnett-Shirt trug die Aufschrift: "58% Don't Want Pershing". 58 Prozent der Briten waren 1984 gegen die Stationierung von Pershing-Raketen in Großbritannien. Hamnett trat damit bei einem Empfang für britische Modedesigner der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher entgegen. Thatcher stieß vor Schreck einen kleinen Schrei aus. Eine durchaus passende Reaktion, denn Slogan-Mode schreit einen mit ihrer konsequenten Großschreibung ja auch an (siehe in den Neunzigerjahren auch die Girlie-Shirts mit "Zicke"- oder "Schlampe"-Aufdruck). Durchgängiges Großschreiben gilt unter Grafikdesignern und Schriftsetzern als Texten durchs Megafon, als Vermitteln unbedingter Dringlichkeit. POLIZEI liest sich eben anders als Polizei. Majuskelschrift nennt der Duden das, wobei nicht immer einleuchtet, warum T-Shirt-Slogans wie "Not another slogan shirt" oder "No more fashion victims" heute unbedingt in Majuskelschrift gesetzt sein müssen. Außer dass man wohl sagen könnte: Textbotschaften müssen heute viel stärker nach Aufmerksamkeit heischen als früher. Whatsapp, Twitter, Facebook: Wir tippen, tippen, tippen und wir lesen, lesen, lesen. Womit wir also im Internet wären, und das hat mit diesem Trend sehr viel zu tun. Steil behauptet: Die neuere Slogan-Mode gäbe es weder ohne die Foto-Sharing-App Instagram, die seit etwa sechs Jahren populär ist, noch ohne die digitale Meme-Kultur, in der mittels Hashtags und schlagender Kombinationen von Fotos, Gesichtern und Typografie am laufenden Band virale Hits produziert werden, sprich: Memes mit Millionen Verlinkungen und Shares. Wer heute ein Slogan-Shirt trägt, tut dies gar nicht mal für die Straße, sondern um sich selbst damit zu fotografieren (oder fotografiert zu werden) und online möglichst viel digitalen Applaus einzusammeln. Das führt zu einer scheinbar endlosen Feedback-Spirale zwischen sozialen Netzwerken und originellen Shirts. Weswegen die Sprüche inzwischen auch immer bescheuerter werden - so bescheuert, dass sie fast schon wieder gut sind. Das "Ich komm' zum Glück aus Osnabrück!"-Shirt des übercoolen Labels Vetements gibt es tatsächlich, es stammt aus der neuen Herbst/Winter-Kollektion, wird im Laden vermutlich wieder so um die 250 Euro kosten. Aber man muss ja auch einberechnen, wie viele Likes es bringen wird! Man könnte Slogan-Mode also als eine textile Ausstülpung digitaler Kommunikation und digitaler Aufmerksamkeitsökonomien betrachten. In den sozialen Netzwerken haben wir uns - wenn es etwas zu diskutieren gibt - angewöhnt, uns immer gleich anzuschreien (in GROSSBUCHSTABEN!), ansonsten ziehen wir uns gern in die Schutzräume unserer Filterblasen zurück, wo alle Freunde all das mögen, was wir selbst auch mögen. Während wir auf unsere Geräte starren, vermitteln unsere Shirts und Kappen und Schals stellvertretend für uns, welche Einstellung und welchen Humor wir haben. Wobei die gedruckten Botschaften eben nicht als Gesprächsangebote misszuverstehen sind. Wer ein feministisches T-Shirt trägt, will auf der Straße vermutlich nicht wirklich mit anderen über Lohngerechtigkeit für Frauen diskutieren müssen. Slogan-Kleider sind manchmal ganz bequem, wenn man sich selbst nicht lautstark äußern, aber dennoch eine Botschaft senden will.
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https://www.sueddeutsche.de/stil/t-shirts-ihr-brustprint-schreit-mich-an-1.3529799
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mlsum-de-1210
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Eine Novelle für das Baugesetz sollte helfen, knappe Flächen in Innenstädten besser auszunutzen. Doch die CSU schleuste einen kleinen Passus ein.
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Wo die Stadt aufhört, fängt das Bauland an: Geht es nach der CSU, soll im so genannten "Außenbereich" auch ohne Umweltprüfung gebaut werden. Wie es aussieht, hat Barbara Hendricks zumindest gekämpft. Im September schrieb die Bauministerin von der SPD an Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) einen zornigen Brief. Bei der Änderung des Baugesetzes verlange der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein, ganze Gebiete am Rand von Dörfern und Gemeinden, den sogenannten Außenbereich einem verkürzten Planungsverfahren zu unterwerfen, beklagte Hendricks. "Dies würde bedeuten, dass eine Planung im Außenbereich ermöglicht wird, bei der eine förmliche Prüfung der Auswirkungen auf die Umwelt nicht mehr erforderlich ist." Als Umwelt- und Bauministerin könne sie das "in keiner Weise akzeptieren". Am Mittwoch hat das Kabinett die zugehörige Novelle des Baugesetzes verabschiedet. Sie erlaubt die Einrichtung sogenannter urbaner Gebiete - ein Umstand, den auch Hendricks gleich anschließend unterstrich. Diese "urbanen Gebiete" sollen es erlauben, in Innenstädten dichter und höher zu bauen. Neuer Wohnraum kann so entstehen, ohne viele neue Flächen zu versiegeln. Was die offiziellen Statements aber unterschlugen: In der CSU-Angelegenheit blieb der Widerstand der Ministerin ohne viel Erfolg. Denn zu tun hatte sie es nicht nur mit dem Abgeordneten Nüßlein, sondern offenbar auch mit der Staatskanzlei in München, bis hinauf zu Horst Seehofer. Und so versteckt sich nun in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung ein Paragraf, der sich im ursprünglichen Entwurf des Gesetzes nie fand. Paragraf 13 b regelt die "Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren". Die obligatorische Umweltprüfung? Unwichtig! Der Passus, vier Zeilen kurz, hat Sprengkraft. Befristet auf drei Jahre erlaubt er die Ausweisung von neuem Bauland ohne viel Aufhebens. Das vereinfachte Verfahren verzichtet nämlich auf die frühzeitige Unterrichtung der Öffentlichkeit und eine Erörterung. Die sonst obligatorische Umweltprüfung kann ebenso entfallen wie Ausgleichsmaßnahmen, und auch lästige Nachfragen seitens der Umweltbehörden sind nicht vorgesehen. "Die Bundesregierung lässt damit Baulandgenehmigungen in einer Weise zu, wie es sie noch nicht gegeben hat", sagt Michael Krautzberger, Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und über lange Jahre selbst hoher Beamter im Bauministerium. "Und dabei wollen wir doch eigentlich die weitere Zersiedelung verhindern." Auch Hendricks kannte die Gefahren. Im Schreiben an Altmaier warnt sie im September, der Vorstoß aus Bayern widerspreche "massiv den Grundsätzen des Städtebaurechts, untergräbt den wichtigen Ausgleich zwischen den Interessen des Städtebaus und des Umweltschutzes und steht im Widerspruch zu den Bemühungen der Bundesregierung zum Flächenschutz". Diese Bemühungen sind ebenfalls verbrieft, sie finden sich in der Nachhaltigkeitsstrategie der Regierung: Bis 2020 sollen täglich höchstens noch 30 Hektar versiegelt werden - gegenüber derzeit knapp 70. Wenn aber bis zum 31. Dezember 2019 Landwirte ihre Äcker am Ortsrand problemlos zu Bauland umwidmen dürfen, dürfte das Ziel in die Ferne rücken. Daran ändert auch eine Flächenbegrenzung wenig, die in dem kurzen Passus steht: Demnach dürfen jeweils nur Flächen von 10 000 Quadratmetern im vereinfachten Verfahren genehmigt werden. Wie viele dieser Flächen aber am selben Ortsrand liegen dürfen, steht nicht in Paragraf 13 b. "Die Erleichterungen konterkarieren das eigentliche Gesetz", sagt Chris Kühn, baupolitischer Sprecher der Grünen. "Die Bundesregierung verabschiedet sich damit endgültig vom 30-Hektar-Ziel." Am Mittwoch, nach der Entscheidung des Bundeskabinetts, musste Hendricks ihren Gesetzentwurf im Bundestag verteidigen. Der Paragraf sei, "wenn Sie so wollen, naja, ein Probelauf", druckste die Ministerin. Man könne über ihn "geteilter Meinung sein". Anscheinend war er der Preis, um überhaupt die "urbanen Gebiete" durchzusetzen. Sollte sich aber im Parlament eine Mehrheit für eine Änderung des Paragrafen finden, "dann soll es so sein", setzte Hendricks hinzu. "Ich glaube aber nicht, dass es dazu kommt."
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https://www.sueddeutsche.de/politik/baugesetz-vom-acker-zum-neubau-im-schnellverfahren-1.3275281
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mlsum-de-1211
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Spektakel mit drei Stürmer-Toren, 33 Punkte und daheim in diesem Jahr weiter ungeschlagen: Der FCI hätte viele Gründe für frohe Laune - doch das 3:3 gegen Stuttgart schmeckt bitter.
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Es war Winterpause, als beim FC Ingolstadt der Entschluss reifte, noch einmal richtig Geld in die Hand zu nehmen. Der Aufsteiger, der in seiner ersten Bundesliga-Hinserie einen unbequemen Gegner darstellt und viele Punkte einheimst, verstärkte seine bis dato torarme Offensive und investierte 2,5 Millionen Euro für Angreifer Dario Lezcano. Der Auftrag für den Nationalspieler Paraguays war klar: die Sturmflaute zu beenden. Bis zum Samstag absolvierte Lezcano acht Spiele. Der 25-Jährige ackerte viel, eroberte Bälle und legte einen Treffer vor, er fügte sich sofort ein in das Ingolstädter Kollektiv. An seinen eigentlichen Auftrag musste ihn ein Teamkollege aber unter der Woche noch mal erinnern: "Du bist Stürmer. Du musst Tore schießen", sagte Mittelfeldspieler Roger zu Lezcano. Daraufhin übten die beiden Freistöße - bis Lezcano nun beim turbulenten 3:3 gegen Stuttgart einen Freistoß mit 104 Stundenkilometern ins rechte obere Eck schoss - Tor des Monats"! Die Ingolstädter mussten sich in den vergangenen Wochen viel anhören. Eine "Ekel-Mannschaft" seien sie, hatte HSV-Profi Lewis Holtby geätzt, was man in Oberbayern mehr als Kompliment denn als offene Anfeindung aufgenommen hatte. Doch gegen den VfB Stuttgart unterstrich die Mannschaft von Ralph Hasenhüttl, dass sie viel mehr kann als zu kratzen, beißen und foulen: "Wir haben eine tolle Entwicklung genommen. Das war unser bestes Heimspiel der Saison", fand der Trainer, der sich nach 90 rasanten Minuten im Zwiespalt befand. Seine Mannschaft konnte er ja für dieses Spektakel nur loben, "zwischenzeitlich sensationell" fand Hasenhüttl das Gesehene sogar. Zwischenzeitlich hatte er, der Österreicher, auch in seiner blauen Jacke auf dem Feld getanzt - das war nach Lezcanos Freistoß. Dass es am Ende nur ein Punkt wurde, enttäuschte den Trainer im ersten Moment aber doch: "Das Ergebnis fühlt sich noch nicht gut an. Es tut weh." Auch die Stuttgarter hatten geahnt, dass die Partie vor 15 107 Zeugen im Sportpark eine echte Herausforderung sein würde: "Es ist schon speziell hier", sagte VfB-Coach Jürgen Kramny, der die Aufholjagd seines Teams mit einem "Punkt der Moral" belohnt sah. "Wir sind nicht die erste Mannschaft, die es hier schwer hatte", erklärte VfB-Torschütze Lukas Rupp: "Ingolstadt bringt immer Hektik rein, wir haben uns diesmal auch davon anstecken lassen." Doch nicht nur der VfB ließ sich vom Aufsteiger anstecken, auch andersherum ließ sich das Phänomen beobachten: Angestachelt vom Offensivdrang der Schwaben mit dem auf dem Flügel überragenden Filip Kostic spielte auch Ingolstadt mutig nach vorne und erspielte sich Chance um Chance, es entwickelte sich ein Schlagabtausch: "Für die Fans war das sehr aufregend. Aber wenn wir 3:1 führen, müssen wir auch gewinnen", meinte Mathew Leckie, der für den FCI ebenfalls traf. Weltmeister Großkreutz droht nach Verletzung das Saison-Aus Sowohl dem Kopfballtor Leckies zum 2:1 als auch dem Freistoßtreffer von Lezcano waren fragwürdige Entscheidungen von Schiedsrichter Manuel Gräfe vorausgegangen. Auf der anderen Seite hatte der Unparteiische dafür ein Foul von VfB-Schlussmann Przemyslaw Tyton an Lezcano übersehen - und Stuttgart am Ende einen umstrittenen Foulelfmeter zugesprochen, der Didavi den 3:3-Ausgleich ermöglichte. 33 Zähler, zu Hause 2016 ungeschlagen und zum erst zweiten Mal in dieser Spielzeit drei Tore erzielt. Eigentlich hätten die Oberbayern jede Menge Gründe gehabt, sich nach dem Sechs-Tore-Fest zu freuen. Doch die beiden späten Rückschläge durch Rupp und den Foulelfmeter (84.) saßen zunächst tief: "Wir hätten gerne 35 Punkte. Mit dem Unentschieden kann ich mich nicht so anfreunden", sagte Moritz Hartmann, der mit einem furiosen Schuss aus spitzem Winkel den Torreigen nach vier Minuten eröffnet hatte. Er stellte fest: "Wir hatten den VfB weitgehend im Griff." Was für einen Aufsteiger, dem zuletzt überzogene Härte und übertriebene Theatralik vorgeworfen wurde, schon mal gar kein so schlechtes Zeugnis ist. Ohne den gesperrten Pascal Groß präsentierte sich der FCI "variabler als sonst", wie Hasenhüttl bemerkte. Die Verantwortung mussten diesmal eben mehrere Spieler schultern. Und dass alle seine drei Stürmer treffen, das erlebe er auch nicht alle Tage, betonte der Ingolstädter Coach. Der VfB, der sich immer wieder überrumpeln ließ, erfreute sich nicht nur an der Aufholjagd zum 3:3, sondern auch daran, dass das Ergebnis in den letzten Minuten "mit zehneinhalb Mann" verteidigt werden konnte, wie Kapitän Christian Gentner anmerkte. Just in dem Moment, als Didavi ausglich, humpelte Kevin Großkreutz über das Feld. Kramnys Maßnahme: Der Weltmeister rückte von der Position rechts hinten nach ganz vorne. Er schleppte sich durch, jeder Schritt schmerzte. Am Sonntag bestätigte der VfB: Großkreutz erlitt einen Muskelbündelriss, ihm droht damit das Saisonaus.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/ingolstadt-tanzen-tut-weh-1.2905604
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mlsum-de-1212
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Deutschland hatte einen iranischen Diplomaten festgenommen und an Belgien ausgeliefert. Dem Mann wird vorgeworfen, Drahtzieher eines vereitelten Anschlags auf Exil-Iraner gewesen zu sein.
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Nach der Auslieferung eines seiner Diplomaten von Deutschland nach Belgien hat Iran den deutschen Botschafter in Teheran einbestellt. "Bei dem Treffen mit dem Botschafter wurde gegen die Festnahme, Inhaftierung und Auslieferung des iranischen Diplomaten protestiert", sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi am Mittwoch. Teheran habe erneut alle Anschuldigungen gegen den iranischen Diplomaten zurückgewiesen. Der unter Terrorverdacht in Bayern festgenommene Diplomat Assadollah A. war am Dienstag nach Belgien ausgeliefert worden. Das Oberlandesgericht Bamberg hatte vergangene Woche einen entsprechenden Antrag für zulässig erklärt. Dem 46-Jährigen werden Spionage und Verabredung zum Mord vorgeworfen. Er gilt als mutmaßlicher Drahtzieher eines vereitelten Anschlags im Juni auf Exil-Iraner während einer Veranstaltung in Frankreich. Iran bedauert die Auslieferung seines Diplomaten Die ganze Angelegenheit sei eine "inszenierte Verschwörung" von Gruppen, die die verbesserten Beziehungen Irans zur EU sabotieren wollten, so Ghassemi. Er beschuldigte besonders die iranische Oppositionsgruppe Volksmudschahedin (MKO), hinter dem angeblichen Anschlag auf ihre eigene Versammlung zu stecken. Teheran werde sich das Recht vorbehalten, in diesem Fall juristische und diplomatische Schritte zu unternehmen, sagte Ghassemi. Der bei der iranischen Botschaft in Wien eingesetzte Verdächtige hatte einen Antrag gegen seine Auslieferung gestellt und sich dabei auf seine diplomatische Immunität berufen. Da sich der Iraner zum Zeitpunkt der Festnahme aber auf einer mehrtägigen Urlaubsreise außerhalb Österreichs befand, war er vor Strafverfolgung nicht geschützt, wie es weiter hieß. In einem Interview der Nachrichtenagentur Isna am Mittwoch hatte Ghassemi die Auslieferung des iranischen Diplomaten durch ein deutsches Gericht "zutiefst" bedauert. Teheran werde den Fall bis zur endgültigen Aufklärung weiterhin intensiv verfolgen, so der Sprecher in dem Interview.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/internationale-beziehungen-iran-bestellt-deutschen-botschafter-ein-1.4165493
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mlsum-de-1213
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Nach den Tumulten und den hässlichen Bildern versucht die Airline ihr Image zu retten - doch die Probleme bleiben.
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Anzug, ein neues Hemd, Krawatte: Xavier Broseta war für seinen zweiten großen Auftritt innerhalb einer Woche wieder ordentlich angezogen. Er ließ sich in einem Büro seiner Fluggesellschaft Air France filmen, im Hintergrund Mitarbeiter, die offenbar mit Kunden sprechen. "Was sie am Montag gesehen haben, das ist nicht das wahre Gesicht von Air France", sagte der Personalchef des Fluggesellschaft. Was Air France in Wirklichkeit darstelle, das zeigt die Airline im Youtube-Video mit Broseta als Moderator: engagierte Mitarbeiter, mit Herz bei der Sache, den Kunden im Blick. Es ist Imagewerbung in eigener Sache. Broseta hatte sich wenige Tage zuvor, die Kleidung in Fetzen gerissen, die Krawatte um den Hals baumelnd, über einen Zaun in letzter Minute vor den eigenen Leuten in Sicherheit bringen müssen, nachdem er und andere Topmanager dem Betriebsrat Details des neuesten Sparprogrammes hatten erklären wollen. Ein wütender Mob hatte die Sitzung gestört, die Bilder verbreiteten sich in Windeseile und beschädigten das sowieso schon angekratzte Image der Airline so sehr, dass diese sich zum Gegensteuern gezwungen sah: auf Youtube und per Massenbrief an alle Vielflieger. "Ich bin sicher, dass Sie wie wir alle geschockt waren", schreibt Air-France-Chef Frederic Gagey. Die Ausschreitungen spiegelten nicht die Realität und die Ziele von Air France wider. Immerhin: Es wird wieder gesprochen und nicht mehr geprügelt Die Aufräumarbeiten dauern an. Am Montag wurden sechs Mitarbeiter von Air France festgenommen, die im Verdacht stehen, maßgeblich an den Angriffen auf Broseta beteiligt gewesen zu sein. Kurz vor dem Wochenende hatte sich Air-France-KLM-Chef Alexandre de Juniac sogar noch mit Vertretern der Pilotengewerkschaft SNPL zu Sondierungen getroffen, ohne konkretes Ergebnis und offenbar ohne einen neuen Gesprächstermin zu vereinbaren. Am Montag waren die Flugbegleiter an der Reihe. Aber immerhin: Es wird gesprochen und nicht geprügelt. Doch nach einer Woche im Ausnahmezustand ist Air France inhaltlich keinen Schritt weitergekommen, im Gegenteil, es stehen im besten Fall zähe Verhandlungen an, im schlimmsten Fall wohl neue Streiks und Stillstand. Anlass für die Tumulte war, dass Air France und SNPL sich nicht auf die Ziele für das "Perform 2020" genannte Sparprogramm einigen konnten. Darin forderten Gagey und de Juniac von den Piloten, die Zahl der jährlichen Flugstunden von derzeit unter 700 auf bis zu 780 anzuheben. Die Gehälter sollten gleich bleiben. Jeder Pilot käme damit unter Berücksichtigung von Urlaubszeiten rechnerisch auf etwa 16 Flugstunden pro Woche. Das reicht, um einmal von Paris nach New York und zurückzufliegen. Auch die Zeiten zwischen den Einsätzen sollten verringert werden, derzeit haben die Piloten mindestens fünf Tage frei, um sich von den Langstreckenflügen zu erholen. Künftig sollen es nur noch vier sein. Air France hat dabei aktuell mit dem gleichen Dilemma zu kämpfen wie ihr Konkurrent Lufthansa. Der Reformbedarf ist weitgehend unstrittig. Allerdings dienen die aktuellen wirtschaftlichen Ergebnisse nicht gerade als Argumentationshilfe. Der Sommer ist, wie auch Lufthansa-Chef Carsten Spohr schon angedeutet hat, deutlich besser gelaufen, als das ursprünglich vorherzusehen war. Auch bei Air France ist mittlerweile, wie in weiten Teilen der Branche, von einem sehr erfreulich verlaufenden Sommergeschäft die Rede, und das dürfte sich auch in den wirtschaftlichen Ergebnissen niedergeschlagen haben. Es stellen sich strukturelle Fragen, die alle noch gar nicht angegangen wurden Nachdem die Pilotengewerkschaft SNPL die Forderungen abgelehnt hatte, machte sich Gagey an den Plan B: Die Langstrecke wird um zehn Prozent reduziert, 2900 Stellen sollen gestrichen werden, darunter 300 bei den Piloten. Das will die SNPL unbedingt verhindern. Air France-Flugbetriebschef Gilles Laurent bemüht sich in einem Interview mit der französischen Zeitung Les Echos um moderate Töne: "Die Piloten sind sich dessen absolut bewusst, dass man sich in einer sich verändernden Welt anpassen muss", so Laurent. "Das Ziel, die Stückkosten unserer Konkurrenten zu erreichen, ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit, damit Air France auf Kurs bleiben kann." Man müsse aber zwischen kurzfristig möglichen Schritten und längerfristigen Initiativen unterscheiden. Tatsächlich aber stellen sich bei der Airline strukturelle Fragen, die weit über die geplanten Schritte hinausführen. Zwar sind Teile des verlustreichen Kurz- und Mittelstreckengeschäfts in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert. Air France könnte sich sogar gefahrloser als Lufthansa aus dem dezentralen Geschäft zurückziehen, weil sie im zentralisierten Frankreich mit Zubringer- sowie Langstreckenflügen von den beiden Pariser Flughäfen den Markt weitgehend abdecken könnte. Doch dies und weitere Verkäufe stehen immer noch nicht auf der Agenda.
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https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/luftverkehr-das-wahre-gesicht-von-air-france-1.2688059
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mlsum-de-1214
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Die Polizei hatte die Veranstalter über eine "terroristische Gefährdungslage" informiert, das Konzertgelände wurde am Freitagabend geräumt. Heute soll das Festival aber weitergehen.
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Das Musikfestival "Rock am Ring" wird nach einer Unterbrechung fortgesetzt. Das teilten Polizei, Veranstalter und der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit. Die Polizei hatte die Veranstalter am Freitagabend angewiesen, das Festival aufgrund einer "terroristischen Gefährdungslage" zu unterbrechen. Am Abend war Veranstalter Marek Lieberberg sichtlich aufgewühlt auf die Hauptbühne getreten und hatte erklärt, das Konzertgelände müsse geräumt werden. Auch über Lautsprecherdurchsagen und in den sozialen Netzwerken informierte die Festivalleitung ihre Besucher darüber, dass sie das Veranstaltungsgelände in Richtung der Campingplätze verlassen sollten. Die ausgelassene Stimmung, die nach den Auftritten der Bands In Flames, Five Finger Death Punch und den Broilers geherrscht hatte, hielt sich auch während der Evakuierung: Immer wieder stimmten die Festivalbesucher Sprechchöre an oder sangen gemeinsam - unter anderem ein Lied der Band Geier Sturzflug: "Eins kann mir keiner nehmen, und das ist die pure Lust am Leben." Erst weit nach Mitternacht hatten die letzten Festivalbesucher ihre Zelte und Wohnmobile erreicht. Die folgenden Stunden blieben ruhig: "Aus polizeilicher Sicht verlief die Nacht ohne besondere Vorkommnisse", sagte ein Sprecher der Polizei. Die Ermittler durchsuchten das Gelände auf dem Nürburgring, die umliegenden Straßen wurden abgesperrt. Auf einer ersten Pressekonferenz vor Ort hatte Veranstalter Marek Lieberberg erklärt, der vorläufige Abbruch sei eine "Präventivmaßnahme" gewesen. Dass das Gelände geräumt werden musste, sah er dennoch kritisch. "Ich glaube, dass wir hier für das büßen müssen, was im Fall Amri oder anderen zu wenig getan wurde." Am Samstag bekräftigte er seine Aussagen: "Ich bin davon überzeugt, dass meine Bewertungen zu der Entscheidung beigetragen haben, das Festival fortzusetzen." Ihm sei mehrfach vorgeworfen worden, es sei ihm dabei vor allem ums Geld gegangen. "Nichts könnte falscher sein. Wir sind versichert. Auch gegen Terrorismus. Mir ging es bei dem, was ich gesagt habe, ausschließlich um die Fans und um das Festival." Lieberberg lobte auch die gute Stimmung der Besucher und die reibungslose Evakuierung: "Wir haben hier auch ein Zeichen für unsere Kultur gesetzt." Drei Personen aus dem Umfeld der Helfer wurden vorläufig festgenommen Die Polizei teilte mit, dass drei Personen vorläufig festgenommen wurden. Sie werden den Ermittlern zufolge der hessischen Salafistenszene zugerechnet. Inzwischen habe sich die Verdachtslage aber deutlich relativiert, die drei Personen seien am Samstagmorgen wieder freigelassen worden. Nach ersten Erkenntnissen hatte mindestens eine der Personen Zugang zu sicherheitsrelevanten Bereichen, und zwar über eine der auf dem Festivalgelände eingesetzten Firmen. Die Polizei hatte bei ihren Durchsuchungen auf dem Gelände keine verdächtigen Gegenstände gefunden. Es seien unter anderem die Bühnenbereiche und andere Flächen abgesucht worden, sagte ein Polizeisprecher. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich derweil hinter die Entscheidung des Landesinnenministers gestellt, das Musikfestival zu unterbrechen. "Für diese schwierige wie verantwortungsvolle Entscheidung hat er meine volle Unterstützung. So bitter es ist, die Sicherheit der Festivalbesucher muss an erster Stelle stehen." 1200 Polizisten während der Festivaltage eingeplant Mehr als 87 000 Musikfans haben nach Angaben des Veranstalters Tickets für die dreitägige Musikveranstaltung gekauft. Insgesamt sollten bei "Rock am Ring" an diesem Wochenende 85 Bands auf vier verschiedenen Bühnen spielen, darunter die Toten Hosen am Samstag und System Of A Down am Sonntag. Für den Freitagabend war Rammstein als Hauptakt angekündigt, dieses Konzert fiel nach der Evakuierung aus. Stattdessen versammelten sich die Musikfans auf den umliegenden Campingplätzen und versorgten sich zum Beispiel an der Tankstelle an der Nürburgring-Nordschleife noch mit Sandwiches und Getränken. Auch am Samstagvormittag herrschte eine entspannte Stimmung auf dem Gelände. Veranstalter Lieberberg sagte, es werde derzeit werde geprüft, ob einige der ausgefallenen Konzerte nachgeholt werden können. Die Band Rammstein teilte mittlerweile auf ihrer Facebookseite mit, es sei "aufgrund der Festivalabläufe nicht möglich, die Show heute nachzuholen". Ab dem frühen Nachmittag soll das Konzertgelände wieder für die Besucher geöffnet werden, dann soll das Musikprogramm wie geplant weitergehen. Nach zwei Jahren an einem anderen Ort war das Festival in diesem Jahr zurück an die Rennstrecke Nürburgring in Rheinland-Pfalz gekehrt. Im vergangenen Jahr hatte es bei "Rock am Ring" auf dem Flugplatz in Mending einen Blitzeinschlag gegeben. Zahlreiche Besucher wurden verletzt. Mit Blick auf den jüngsten Terroranschlag auf ein Konzert der Popsängerin Ariana Grande in Manchester, war die Veranstaltung unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen gestartet. Etwa 1200 Polizeibeamte sollten während der drei Tage auf dem Gelände präsent sein. Auf dem parallel in Nürnberg stattfindenden Zwillingsfestival "Rock im Park" gingen die Konzerte am Freitagabend weiter. Es gebe dort "keine konkrete Gefährdungslage", sagte ein Sprecher des Veranstalters.
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https://www.sueddeutsche.de/panorama/festival-rock-am-ring-musikfestival-rock-am-ring-wird-fortgesetzt-1.3533703
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mlsum-de-1215
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Der Mann soll vor einer Bäckerei in Fulda randaliert und einen Auslieferungsfahrer schwer verletzt haben. Jetzt rekonstruieren Beamte vom LKA den Tatablauf.
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Eine Bäckerei in Fulda: Hier soll ein Mann am frühen Freitagmorgen mehrere Menschen angegriffen und schwer verletzt haben, bevor er bei einem Polizeieinsatz getötet wurde. Es kommt nicht oft vor, dass Polizisten in Hessen im Dienst ihre Waffen auf Menschen richten. Genau fünf Mal sei das im vergangenen Jahr passiert, sagt ein Sprecher des Landeskriminalamtes, zwei dieser Personen seien dabei ums Leben gekommen. Auch an diesem Freitag ist ein Mensch durch einen Schuss aus einer Polizeiwaffe ums Leben gekommen. Der Einsatz hat sich in Fulda abgespielt. Gegen halb fünf am Morgen wurde die Polizei alarmiert. Vor einer Bäckerei randaliere ein Mann, er habe mehrere Menschen angegriffen, heißt es. Die Beamten fahren sofort hin. Was sich dann ereignet hat, ist derzeit noch nicht restlos klar. Die Staatsanwaltschaft Fulda und das Landeskriminalamt ermitteln und versuchen, die Ereignisse zu rekonstruieren. Dass eine unabhängige Stelle wie das LKA einbezogen wird, ist Routine, wenn bei einem Polizeieinsatz ein Mensch getötet wird. Polizei und Staatsanwaltschaft zufolge soll der Mann vor der Bäckerei einen Auslieferungsfahrer mit Steinen und einem schlagstockartigen Gegenstand attackiert haben. Anschließend soll er die Scheiben der Bäckerei, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht geöffnet hatte, zertrümmert haben. Auch die schließlich eintreffenden Polizisten seien von dem Mann sofort angegriffen worden. Mindestens einer der Polizisten habe daraufhin geschossen und, so der Stand der bisherigen Ermittlungen, mindestens drei Schüsse abgegeben. Der Tatort liegt auf einem ehemaligen Kasernengelände, wo sowohl Wohnhäuser als auch Gewerbebetriebe angesiedelt sind. Auch das Polizeipräsidium ist nur wenige Hundert Meter entfernt. Auf Fotos sieht man zahlreiche Polizeifahrzeuge und eine Absperrung. Inzwischen weiß man auch, wer der mutmaßliche Angreifer ist: Ein 19-jähriger aus Afghanistan stammender Mann, der zuletzt in einer nahe des Tatorts gelegenen Flüchtlingsunterkunft lebte. Das Motiv für die Tat ist noch unklar. Auch, ob der Auslieferungsfahrer ein Zufallsopfer war oder gezielt attackiert wurde, weiß die Polizei noch nicht. Neben dem Auslieferungsfahrer war auch eine Verkäuferin in der Bäckerei anwesend. Sie erlitt einen Schock. "Unseren beiden Mitarbeitern geht es den Umständen entsprechend gut, aber unser Fahrer musste ins Krankenhaus", sagte ein Sprecher der Bäckerei-Kette.
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https://www.sueddeutsche.de/panorama/hessen-polizei-erschiesst-mutmasslichen-angreifer-1.3942729
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mlsum-de-1216
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Gunnar Groebler fördert die grüne Energie bei dem schwedischen Energiekonzern. Der Hamburger will das Image des früheren Atomstromanbieters ändern.
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Nicht mehr lange, dann ist die Braunkohle bei Vattenfall Geschichte. Die Verträge sind unterschrieben; es fehlt nur noch das grüne Licht aus Brüssel, dann trennt sich der schwedische Staatskonzern von Tagebauen und Kraftwerken. Ein Großteil des Geschäfts in Deutschland geht an einen tschechischen Investor namens EPH. Was aber wird aus Vattenfall? Für Gunnar Groebler, Leiter der Windsparte des Konzerns, ist die Antwort einfach. "Die Abspaltung der Braunkohlesparte ist ein wesentlicher Schritt nach vorne", sagt er. "Das verändert unser Gesicht, aber auch unsere Einstellung. Vattenfall wird grüner." Groebler, 44, ist keiner, der sich aufs Abspalten versteht, eher schon auf das Gegenteil. 1999 kam er zur Vereinigten Energiewerke AG, einer Art Auffangbecken für ostdeutsche Braunkohlekraftwerke und einer der Vorläufer der späteren Vattenfall Europe in Deutschland. Eine seiner ersten Aufgaben: den Prospekt für den Verkauf der Energiewerke - kurz Veag - an Vattenfall erstellen. Der Zukauf von Unternehmen, die Verschmelzung von vier unterschiedlichen Firmenteilen in Deutschland unter der Regie von Schweden, das war jahrelang Groeblers Baustelle. Der Hobbyjäger zählte zu denen, die das Wachstum von Vattenfall organisieren sollten. Heute arbeitet er am Wachstum eines Teils dessen, was von Vattenfall bleiben soll: der Ökostrom. Eine wahre Investitionsoffensive wollen die Schweden hier in den nächsten Jahren lostreten. Steckten sie in den zwölf Jahren zwischen 2002 und 2014 insgesamt 5,7 Milliarden Euro in den Ausbau von Windparks, sollen es nun binnen fünf Jahren noch einmal so viel sein. "Wind wird der neue Wachstumsmotor", sagt der Maschinenbau-Ingenieur. Er ist einer von zwei Deutschen im elfköpfigen Vorstand des schwedischen Konzerns. Seine Heimat aber ist Hamburg, dort lebt er mit seiner Familie. Da, wo der Wind weht. Dabei zählte die Windenergie in Deutschland bisher nicht zu den Schwerpunkten bei Vattenfall. Groeblers Sparte baut und betreibt Windparks auch in Großbritannien, Dänemark, Schweden und den Niederlanden. In 80 verschiedenen Windparks stehen insgesamt tausend Windräder, aber nur hundert davon in Deutschland. Das sollte bald mehr werden, findet Groebler. Vor Kurzem sicherte sich Vattenfall alle Rechte an dem Nordsee-Projekt "Global Tech II", einem Windpark nördlich von Borkum, in dem sich irgendwann einmal etwa 80 Windräder drehen sollen. Zusammen mit den Stadtwerken München baut Vattenfall derweil am Windpark Sandbank westlich von Sylt. An Land, wo künftig keine Vattenfall-Braunkohlekraftwerke mehr laufen werden, will der schwedische Konzern ebenfalls investieren. Bisher sei man hier "unterbesetzt". Dabei wachsen vielerorts mit den Windparks auch Vorbehalte und Bürgerinitiativen, oder, wie Groebler es ausdrückt: "Das Bild zu erneuerbaren Energien wird ausgewogener." Damit derlei Widerstand das grüne Wachstum bei Vattenfall nicht bremst, will der Konzern Bürger vermehrt an Windparks beteiligen. "Wir sehen immer dann hohe Akzeptanz, wenn für Betroffene ein direkter Nutzen erkennbar ist", meint der Spartenchef. Erfahrungen habe man mit solchen Modellen in Dänemark und den Niederlanden reichlich gemacht, ebenso mit Ausschreibungen. Schließlich sollen auch in Deutschland künftig nur noch diejenigen bauen dürfen, die mit möglichst wenig Förderung auskommen. Recht so, sagt Groebler. "Unser Ziel ist, in absehbarer Zukunft subventionsfrei zu bauen." Auf Dauer müsse sich Windenergie gegen herkömmliche Kraftwerke behaupten können. Schließlich gebe es einen Konsens, sie peu à peu abzulösen. Wo sie doch schon abgespalten sind.
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https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/vattenfall-oekomann-1.3130032
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mlsum-de-1217
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Der Umsatz des Elektro-Autobauers macht einen Sprung nach oben. Schon zuvor war über einen Überschuss spekuliert worden.
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Das Model 3 ist der Hoffnungsträger von Tesla - mit ihm schaffte der Autobauer nun den Sprung in die Profitabilität. Der US-Elektroautopionier Tesla hat den ersten Quartalsgewinn seit zwei Jahren erzielt. Dank der anziehenden Produktion des Hoffnungsträgers Model 3 stieg das Nettoergebnis im dritten Quartal auf 311,5 Millionen Dollar, wie der Konzern nach US-Börsenschluss mitteilte. Anleger warten seit mehreren Quartalen auf diese Nachricht. Im Vorjahresquartal stand noch ein Verlust von rund 619 Millionen Dollar in der Bilanz. Nachbörslich legte die Aktie sieben Prozent zu. Der Umsatz schoss - angekurbelt vom reißenden Absatz des Hoffnungsträgers Model 3 - um fast 130 Prozent auf 6,8 Milliarden Dollar in die Höhe. Schon vor der Bekanntgabe der Quartalszahlen war über den Sprung in die Gewinnzone spekuliert worden. Tesla-Aktien gewannen über den Tag 13 Prozent hinzu. Erstmals im Mai hatte der umstrittene Firmenchef Elon Musk für die zweite Jahreshälfte Gewinne versprochen, wenn die Produktion besser in Gang gekommen sein würde. Seither ging es bei Musk und Tesla hoch her: Zwischenzeitlich drohte dem Gründer nach irreführenden Twitter-Nachrichten sogar die Abberufung von der Firmenspitze. Letztlich einigte man sich mit der US-Börsenaufsicht SEC auf die Zahlung von je 20 Millionen Dollar durch Tesla wie auch Musk, außerdem muss Musk für drei Jahre das Amt des Chairman abgeben, so nennt sich in den USA der Vorsitzende des übergeordneten Verwaltungsrates. Tesla versucht seit einiger Zeit verstärkt, mehr Augenmerk auf die Reduzierung der Kosten und die Erhöhung des Umsatzes zu legen. Es geht auch darum, um die Aufnahme frischen Kapitals herumzukommen. Im dritten Quartal lieferte das Unternehmen 55 840 Model-3-Fahrzeuge aus und nahm damit mehr als drei Milliarden Dollar ein. Das ist eine Milliarde Dollar mehr als im Vorquartal. Für Tesla ist zukunftsentscheidend, ob es dem Konzern dauerhaft gelingt, für einen Massenmarkt zu produzieren. Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Tesla mache erstmals Gewinn. Der Konzern erzielte allerdings schon 2013 und 2016 einen Quartalsgewinn. Der Fehler wurde korrigiert.
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https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tesla-gewinn-umsatz-model-3-1.4184765
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mlsum-de-1218
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Montag, 18 Uhr, vor der Semperoper: Routiniert spulen Lutz Bachmann und ein paar Tausend Pegida-Anhänger ihr wöchentliches Programm des Fremdenhasses ab.
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Die Sonne geht unter, der Himmel über dem Dresdner Barockensemble ist rot-orange und eine japanische Touristengruppe macht Fotos. Ein Bild der Semperoper, ein Bild von der Gruppe vor der Semperoper. Auf den Fotos wird später eine große Video-Leinwand über dem Eingang der Oper zu sehen sein. "Wir sind kein Bühnenbild für Fremdenhass" steht drauf. Um die Gruppe bildet sich langsam eine Menschenmasse. Die Japaner gehen weiter, Menschen mit Fahnen und Plakaten strömen auf den Platz. Es ist 18 Uhr. Gleich soll hier wieder die Pegida-Demonstration stattfinden, aber der Theaterplatz in Dresden ist eine halbe Stunde davor noch halbleer. Die, die da sind, scheinen sich alle gut zu kennen, sie grüßen sich freundlich. Ältere Männer und Frauen diskutieren über Zahlen. Wie viele waren es denn nun, am vergangenen Montag, als die Bewegung ihren einjährigen Geburtstag feierte? 15 000, wie es offiziell heißt und wie die "Lügenpresse" schreibt? 30 000, wie hier alle glauben, weil es viel realistischer sei und das die ausländische Presse geschrieben haben soll. Und es wird über Björn Höckes Auftritt in Günther Jauchs Talkshow geredet. Ein Herr in Funtionsjacke fand den Fraktionsvorsitzenden der AfD in Thüringen rhetorisch stark. Und über den Redner Akif Pirincci debattieren sie, der vergangene Woche meinte, die "KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb". Einer sagt, dass er das übertrieben fand. Viele nicken. Der Platz füllt sich. Viele tragen Schilder mit Sinnsprüchen. "Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht", zitiert eine Demonstrantin Heinrich Heine. Daneben hängt eine russische Fahne. Überhaupt sieht man viele russische Farben. Außerdem natürlich Schwarz-Rot-Gold, Flaggen von Bundesländern und eine Fahne mit schwarzem Kreuz mit gelbem Rand auf rotem Grund. Das Motiv hat Josef Wimmer entwickelt, der zum Kreis der Stauffenberg-Attentäter gehörte und sie als neue Deutschland-Fahne entwarf. Für Pegida ist sie darum Symbol eines anderen Deutschlands. Die meisten Fahnen auf dem Platz zeigen dieses liegende Kreuz. Die Grenzen müssten dicht gemacht werden Ansonsten hört man die üblichen Argumente: Die Presse lüge, Merkel müsse weg, die Grenzen müssten dicht gemacht werden, die meisten Flüchtlinge seien in Wirklichkeit Schmarotzer. Einer sagt, dass Cem Özdemir bald Bundeskanzler sei und Yasmin Fahimi Außenministerin. Für ihn ist das ein Schreckensszenario. Um 18.30 Uhr ist der Platz voll. Pegida-Organisator Lutz Bachmann tritt ans Mikrofon. Er hält eine seiner üblichen Reden. Die Menge klatscht bei den Parolen und fängt an zu skandieren: "Widerstand, Widerstand." Wie viele sind es? Die Frage, über die so viele debattieren, ist unglaublich schwer zu beantworten. An manchen Stellen des Theaterplatzes stehen die Menschen dicht gedrängt, an anderen sind große Löcher. Einige Demonstranten meinen, es seien "weniger als vergangene Woche, aber mehr als erwartet." Polizeibeamte im Einsatz sagen in einer ersten Einschätzung, es könnten schon so viele wie vergangenen Montag sein. Das Studentenbündnis "Durchgezählt" schätzt 10 000 bis 12 000 Menschen. Bachmann lobt derweil die Polen, die am Sonntag die nationalkonservative Partei PiS mit absoluter Mehrheit gewählt haben. Zum Schluss sagt er, dass Pegida so schnell nicht verschwinden wird. Ein Kleintransporter vollgestopft mit vier Lautsprechern Aus einer Straße um die Ecke wummert irgendwann Musik. Mehrere hundert Gegendemonstranten haben sich einen Kleintransporter besorgt und ihn mit vier Lautsprechern vollgestopft. Bachmann spricht einfach weiter. Zur Gegendemonstration hatte ein Bündnis namens "Gepida" aufgerufen, das steht für "Genervte Einwohner protestieren gegen Intoleranz Dresdner Außenseiter". Die meisten Polizisten versuchen, die Demonstranten voneinander zu trennen, auf dem Platz selbst sind nur wenige Beamte. Es bleibt friedlich. Nach einer halben Stunde fangen die Leute an, durch Dresden zu "spazieren", wie sie es nennen. "Jedem sein Land, nicht jedem sein Stück Deutschland" steht auf einem Schild, "Für unsere Enkelkinder" in Abwandlungen auf vielen Transparenten. Am Postplatz stehen sich beide Lager gegenüber, aber die Polizei hat die Lage im Griff. Danach wandert der Spaziergang wieder auf den Platz vor der Semperoper. Die ist übrigens mit einem rot-weißen Band im Abstand von etwa fünf Metern abgesperrt. Bachmann kommentierte das höhnisch. Während die Menge wieder auf den Platz marschiert, wechselt die Botschaft auf der Video-Leinwand. "Wir sind keine Kulisse für Intoleranz" steht nun da.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/dresden-tausende-pegida-anhaenger-gegen-genervte-einwohner-1.2710028
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mlsum-de-1219
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Größer, stärker, härter: Nach dem frühen Playoff-Aus hat der EHC München Spieler verpflichtet, die mehr physische Präsenz und Siegeswillen garantieren sollen. Einen Kampf haben sie trotzdem schon verloren
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Der Körper von Eishockeyprofi Steve Pinizzotto ist von Tattoos übersät. Seinen Rumpf zieren die Wörter strength und courage, die englischen Begriffe für Stärke und Mut. Sie stehen damit nicht nur sinnbildlich für das Credo ihres Trägers. Pinizzottos Körper ist gewissermaßen Leib und Seele seines neuen Arbeitgebers. Die Saison des EHC München war gerade erst zwei Wochen vorbei, als Cheftrainer Don Jackson sie vor dem Abflug in seine amerikanische Heimat aufgearbeitet hatte. Sein Fazit: Der EHC, im Viertelfinale sang- und klang- und teilweise körperlos 0:4 am Hauptrunden-Siebten Wolfsburg gescheitert, habe viel zu wenig Tore geschossen - auf eigenem Eis blieben die Münchner zweimal ohne jeden Treffer. Vor allem aber habe es ihm "an Größe und Präsenz auf dem Eis gefehlt", so Jackson. Nach dem desillusionierenden Playoff-Aus hatte sich im Verein die Erkenntnis durchgesetzt, dass es dem Team an Robustheit, Härte und Durchsetzungsvermögen fehle, mental und physisch. Der im Eishockey äußerst beliebte Spruch, man müsse dahin gehen, wo es weh tut, wurde beim EHC zwar regelmäßig bemüht, auf dem Eis aber war davon wenig zu erkennen. Speziell in den Playoffs, wenn das Spiel noch einmal ruppiger und körperlicher wird, waren die Münchner trotz der großzügigen Verstärkungen durch ihren Eigentümer Red Bull wieder nur zweite Sieger. Die Vorgabe bei der Zusammenstellung des Kaders für die Saison 2015/16 ließ sich unter dem Motto "Größer, stärker, härter" zusammenfassen - und wird, nach allem, was bisher zu erkennen ist, konsequent umgesetzt. Die Vertragsverlängerung mit Abwehrhüne Matt Smaby, der seine 1,96 Meter und 109 Kilogramm weiter für den EHC über das Eis wuchten wird, ist da nur ein Mosaiksteinchen. Nicht jeder Zugang fügt sich freilich sofort in dieses Bild. Der 37-jährige Finne Toni Söderholm etwa bringt lediglich 1,86 Meter und 85 Kilogramm mit, dafür aber viel Erfahrung. Nationalspieler Frank Mauer, der von Meister Mannheim kommt, ist eher in der Abteilung Höchstgeschwindigkeit einzuordnen. Und der Kanadier Derek Mayer war zwar einst ein gefürchteter DEL-Verteidiger, kommt aber nur als Nachfolger für Co-Trainer Helmut de Raaf, der nach Schwenningen gegangen ist, vom eigenen Nachwuchsteam. "Don und ich kennen uns schon seit unserer gemeinsamen Berliner Zeit", erklärt der 48-Jährige. "In München werde ich eine ähnliche Rolle übernehmen. Mein Hauptaugenmerk liegt auf den jungen Spielern, darüber hinaus werde ich auch in den Bereichen Video-Coaching und Statistik arbeiten", sagt Mayer. Wie kein Zweiter aber verkörpert Pinizzotto die Sehnsucht des EHC nach Dominanz. Die Maße des Kanadiers (1,85 Meter, 91 Kilogramm), der unter anderem für die Vancouver Canucks stürmte, sind an sich noch nicht beängstigend. Wie er seinen Körper einsetzt, dagegen schon. In acht Spielzeiten in der AHL, der zweiten Ebene im nordamerikanischen Profi-Eishockey unterhalb der NHL, kassierte der 31-Jährige viermal mehr als 100 Strafminuten. Die Liste seiner Faustkämpfe ist beachtlich. "Härte ist nur ein Teil meines Spiels", sagt Pinizzotto. "Ich bin aber auch ein Offensivspieler und habe gute Statistiken vorzuweisen." Und dazu einen deutschen Pass: Pinizzottos Mutter ist deutsche, sein Bruder Jason spielt seit zehn Jahren in Deutschland, vergangene Saison gewann er mit Bietigheim den Titel in der DEL2. Pinizzotto will sich nicht als Rollenspieler abstempeln lassen. "Ich will in München ein Punktelieferant sein", betont er. In seinen Worten schwingt mit: Einer, der in der vergangenen Saison 18 NHL-Spiele für die Edmonton Oilers bestritten hat (zwei Tore, zwei Vorlagen), möchte in Deutschland als Scorer agieren. Die Harter-Hund-Rolle hat er für die beste Liga der Welt reserviert. "Ich soll einfach ich selbst sein", antwortet er auf die Frage, was die Verantwortlichen beim EHC von ihm erwarten. Er wisse, was er zu tun habe. Jackson verwies bei Pinizzottos Verpflichtung auf dessen "Vielzahl wichtiger Eigenschaften" und hob explizit seine Physis hervor. Das dürfte auch auf Jerome Samson zutreffen. Der 27-jährige kanadische Stürmer bezeichnet sich selbst als "Arbeiter", bescheinigt sich "fighting spirit", also Kampfgeist, und sagt: "In den Ecken bin ich wirklich stark." Samson glaubt, dass er ein Führungsspieler sein kann. Genau das, einen Kämpfer mit Leaderqualitäten, kann der EHC gut gebrauchen. In der vergangenen Saison hatten die Münchner zahlreiche technisch versierte Angreifer im Kader, die ihre Qualitäten meist vor, nicht hinter dem Tor oder gar in den Ecken - da, wo es wehtut - einzubringen versuchten. Samson gilt als Energiebündel. Er gebe "immer alles", sei "topfit" und wisse, "wie man scort", sagt Jackson. Samson dürfte die schnelle EHC-Reaktion auf die überraschende Vertragsauflösung mit David Meckler gewesen sein, der seine Karriere aufgrund einer Wirbelsäulenverletzung erst einmal unterbrechen muss. Einen Kampf haben die Münchner allerdings bereits verloren: Verteidiger Jim Sharrow, zuletzt fünf Jahre in Berlin unter Vertrag und als Zugang beim EHC gehandelt, wird nicht nach München kommen. Der Sieger heißt, wieder einmal: Wolfsburg. Auch dort passen 1,88 Meter große und 90 Kilo schwere Spieler ins Konzept.
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https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/eishockey-mit-leib-und-seele-1.2507313
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mlsum-de-1220
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Der ehemalige Trainer der englischen Nationalmannschaft trainiert künftig einen chinesischen Verein. Baseball-Profi Giancarlo Stanton erhält 325 Millionen für einen 13-Jahresvertrag. Dirk Nowitzki knackt die nächste Bestmarke.
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Fußball, Sven-Göran Eriksson: Sven-Göran Eriksson, ehemaliger Teammanager der englischen Fußball-Nationalmannschaft, entpuppt sich immer mehr als Weltenbummler. Am Dienstag wurde der Schwede durchaus überraschend als neuer Trainer des chinesischen Klubs FC Shanghai Dongya vorgestellt. "Ich bin glücklich und stolz, dass es endlich offiziell ist und wir mit der Arbeit beginnen können", sagte Eriksson bei seiner Präsentation. Der 66-Jährige soll beim Tabellenfünften der vergangenen Saison ein Jahressalär von sechs Millionen Dollar (rund 4,8 Millionen Euro) erhalten. Zudem spekulieren chinesische Medien, dass der Verein in der kommenden Saison einen Großangriff auf die Konkurrenz wagen und dafür bis zu 82 Millionen Dollar (rund 65,5 Millionen Euro) ausgeben will. Eriksson darf mit der Unterschrift in Shanghai damit den nächsten Haken auf der Weltkarte setzen. Begonnen hatte er seine Karriere als Trainer in der schwedischen Heimat, ehe Stationen in Italien, Portugal und England folgten. Für kurze Zeit betreute er danach die mexikanische und ivorische Nationalmannschaft, ehe es ihn nach Thailand und China zog. Baseball, Rekordvertrag: Baseballer Giancarlo Stanton verdient in den nächsten 13 Jahren 325 Millionen Dollar. Der Outfielder und die Miami Marlins aus der Major League Baseball (MLB) einigten sich am Montag (Ortszeit) auf einen 13-Jahresvertrag, der Stanton umgerechnet rund 260 Millionen Euro einbringt. Der 25-Jährige, der seit 2010 für die Marlins spielt, hat somit den lukrativsten Kontrakt im nordamerikanischen Profisport unterschrieben. "Das ist ein bedeutender Tag. Ich freue mich für die Stadt, für ihn und für den Baseball", sagte Marlins-Besitzer Jeffrey Loria. In der gerade beendeten Saison hatten die Marlins mit einer Summe 52,3 Millionen Dollar die geringsten Gehaltskosten aller 30 MLB-Teams. Der bisherige Rekordvertrag des Vereins aus Südflorida lag bei sechs Jahren und 106 Millionen Dollar für Shortstop Jose Reyes. Stanton überbietet mit seinem Kontrakt die bisherige MLB-Bestmarke von Miguel Cabrera, der im März bei den Detroit Tigers für zehn Jahre und 292 Millionen verlängert hatte. Der Amerikaner verdient künftig im Schnitt 25 Millionen Dollar im Jahr oder 15 4321 Dollar pro Partie. Basketball, Dirk Nowitzki: Basketballer Dirk Nowitzki hat den nächsten Meilenstein seiner Karriere erreicht. Beim 107:80-Sieg der Dallas Mavericks bei den Charlotte Hornets am Montag (Ortszeit) erzielte er seinen siebenundzwanzigtausendsten Karriere-Punkt in der Profiliga NBA. Der 36-Jährige ist erst der vierte Spieler nach Karl Malone, Michael Jordan and Kobe Bryant, der dies in nur einer Mannschaft geschafft hat. "Es bedeutet mir sehr viel, dass ich diesen Rekord bei einem Team aufgestellt habe", sagte Nowitzki. "Die Leute hier waren von Beginn an großartig zu mir. Jeder hat mich in meinem ersten Jahr, als ich noch Probleme hatte, unterstützt. Ich bin sehr stolz darauf und hoffe, dass noch viele Körbe und Punkte dazukommen." Nowitzki spielt seit 1998 in der NBA für Dallas. Gegen die Hornets kam Nowitzki vor 15 345 Zuschauern in 25 Minuten Spielzeit auf 13 Punkte. Der Nationalspieler hat nun genau 27 002 Punkte erzielt. Beste Dallas-Werfer waren Monta Ellis (18 Punkte) und Tyson Chandler (14). Für die Texaner war es der vierte Sieg in Serie. Fußball, Giovanni Trapattoni: Italiens Trainer-Urgestein Giovanni Trapattoni (75) hat sich öffentlich um einen Job als Trainer der griechischen Fußball-Nationalmannschaft und die Nachfolge seines gefeuerten Landsmannes Claudio Ranieri beworben. "Ich verspüre noch das Feuer in mir und würde noch gern weiter trainieren. Es wäre eine Ehre für mich, die griechische Nationalelf zu trainieren, doch bis jetzt ist nichts entschieden worden", wird Trapattoni in italienischen Medien zitiert. Der einstige Cheftrainer von Bayern München und des VfB Stuttgart war schon Nationalcoach Italiens (2000 bis 2004) und Irland (2008 bis 2013). Zuletzt war Trapattoni in verschiedenen Ländern als Nationaltrainer gehandelt worden. Fußball, TSV 1860: Nach einem Gerichtsstreit um die rechtmäßige Wahl von Gerhard Mayrhofer zum Präsidenten des TSV 1860 München muss sich der "Löwen"-Boss noch einmmal von der Vereinsbasis bestätigen lassen. Für den 2. Dezember hat der Fußball-Zweitligist eine außerordentliche Delegiertenversammlung einberufen, auf der sich Mayrhofer wie schon im Juli 2013 zur Wahl stellt. Hintergrund ist eine Entscheidung des Landgerichts München I. Es hatte einem Vereinsmitglied, das gegen die Wahl des 1860-Vorstands geklagt hatte, im Sommer recht gegeben. Die Richterin entschied damals, dass Mayrhofers Präsidentwahl durch die Mitglieder im vergangenen Jahr wegen eines Formfehlers ungültig sei. Überdies sei die damals verabschiedete neue Satzung insgesamt nicht ordnungsgemäß beschlossen worden. Die Funktionäre um Mayrhofer und Schatzmeister Heinz Schmidt blieben allerdings zunächst als "Notvorstand" vorerst im Amt und führten die Geschäfte weiter. Im Dezember soll auch nochmals über die neue Satzung abgestimmt werden. Fußball, Bosnien-Herzegowina: Safet Susic ist nicht mehr Trainer der Fußball-Nationalmannschaft Bosnien-Herzegowinas. Wie der Verband am Montagabend nach einer Sitzung des Exekutivkomitees mitteilte, wurden der 59-Jährige und seine Assistenten von ihren Aufgaben entbunden. Einen Tag zuvor hatte das Team in Haifa gegen Israel mit 0:3 in der EM-Qualifikation verloren. In der Gruppe B sind die Bosnier nach vier Spielen noch ohne Sieg und rangieren mit zwei Punkten auf dem fünften und vorletzten Tabellenplatz. Die Chancen auf die EM-Endrunde 2016 in Frankreich sind minimal. Ein Nachfolger für Susic wurde noch nicht benannt. Susic war Ende 2009 für die bosnische Nationalmannschaft verantwortlich. Sein größter Erfolg war die erstmalige Qualifikation Bosniens zur WM in diesem Jahr in Brasilien. Dort schied die Mannschaft um den Ex-Wolfsburger Stürmerstar Edin Dzeko in der Vorrunde aus.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-in-china-eriksson-unterschreibt-in-shanghai-1.2226005
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mlsum-de-1221
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Realismus siegt: Die Münchnerin Christina Hering schafft es nach einer schwierigen Saison ins Halbfinale über 800 Meter. Zuvor versuchte sie wochenlang, die Zeit zur WM-Nominierung zu laufen.
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Wochenlang war die 800-Meter-Läuferin Christina Hering einer imaginären Gegnerin hinterhergerannt, einer Zeit, die der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) als Voraussetzung für die WM-Nominierung gesetzt hatte - 2:01,00 Minuten. Als Hering diese Gegnerin endlich überholt hatte, in 2:00,77 Minuten Mitte Juli in Bellinzona, war das Rennen im Grunde längst vorbei - die Nominierungsfrist war abgelaufen. Doch der DLV zeigte sich gnädig und nominierte die Münchnerin nach. In London durfte Christina Hering realen Gegnerinnen hinterherrennen, zweimal sogar - im Vorlauf und im Halbfinale. "Wenn man realistisch ist, bin ich nicht angereist, um ins Finale zu kommen", bilanzierte die 22-Jährige: "Aber ich glaube, ich habe meine Nominierung gerechtfertigt. Und ich bin dankbar, dass ich die Chance bekommen habe, hier zu starten. Es war ein tolles Erlebnis." Eines, das "Lust auf mehr" mache, wie sie sagte, von dem sie viel Motivation für die Zukunft mitnehme, für die Europameisterschaften 2018 in Berlin zum Beispiel. "Ich hoffe, dass ich nächstes Jahr noch was drauflegen und die Erfahrungen von hier mitnehmen kann", sagte sie. Die wichtigste Erfahrung war wohl eine, die sie sowieso schon gesammelt hat während dieser Saison: immer weiterlaufen, nicht aufgeben, auch wenn das Rennen gegen imaginäre und reale Gegnerinnen schon verloren zu sein scheint. Während Hering am Donnerstag auf ihren Einsatz wartete, beobachtete sie "interessante Vorläufe", andere als bei der WM 2015 in Peking oder Olympia 2016 in Rio, wo sie schon dabei war. "In Rio waren 2:00 Minuten nötig, um weiterzukommen", erinnerte sie an die schnellen Rennen vor einem Jahr: "Heute waren sie viel taktischer. Ich habe Glück gehabt, in einem schnellen Lauf zu sein." Die deutsche Meisterin von der LG Stadtwerke war im letzten der sechs Vorläufe eingeteilt, die Athletinnen wussten also, dass sie besser mal aufs Tempo drücken. Aus jedem Lauf kamen nur die ersten Drei sicher weiter, dazu noch die insgesamt sechs schnellsten Läuferinnen. Aus Herings Vorlauf schafften es gleich vier Starterinnen über die Zeitregel in die nächste Runde, darunter war sie, als Fünfte in 2:01,13. "Auf der Zielgeraden war mir klar, dass es nicht mehr für die ersten Drei reicht", erzählte sie, "da ist mir der Spruch eingefallen: immer bis zum Letzten kämpfen, bis ins Ziel." Nächster Start: Universiade. "Ich hoffe, dass ich zeigen kann, was wirklich in mir steckt." Das tat die von Daniel Stoll und Andreas Knauer trainierte Läuferin zwar auch anderntags im Halbfinale. Doch da war ihr die Konkurrenz schon zu weit enteilt. "Ich wusste, dass das Tempo ab 400 Meter abgeht, aber ich konnte nicht so schnell umschalten", sagte die 1,85 Meter große Frau: "Vielleicht liegt es an meiner Größe, dass ich mir schwer tue, vom einen auf den anderen Moment zu beschleunigen." Vielleicht, räumte sie ein, sei es auch bloß eine Kopfsache, müsse sie sich nur trauen, die Angst vor der Laktat-Anhäufung in den Muskeln zu überwinden, die so eine Tempoverschärfung während des Rennens unweigerlich nach sich zieht. Wie auch immer: Nach 2:02,69 Minuten war die WM zu Ende für Christina Hering. "Ich bin total zufrieden", versicherte sie, "ich wollte wenigstens nicht Letzte werden." Zumindest die Südafrikanerin Gena Löfstrand hatte sie hinter sich gelassen. Nun hat Hering noch die Universiade in Taipeh vor sich, die Studenten-WM. Da läuft sie wieder einer imaginären Gegnerin hinterher, ihrer Bestzeit von 1:59,54. "Ich hoffe, dass ich zeigen kann, was wirklich in mir steckt", sagte sie vor dem Abflug aus London: "Mal schauen, wie in Taipeh die Bedingungen und das Feld sind."
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https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/leichtathletik-wm-in-london-wenigstens-nicht-letzte-1.3627050
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mlsum-de-1222
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Der ehemalige Bayern-Spieler Ali Daei wird als Trainer von Persepolis Teheran beurlaubt - und wirft dem Klub Mafiamethoden vor. Die spanischen Basketballer verlieren bei der WM überraschend gegen Frankreich. BVB-Spieler Jakub Blaszczykowski muss länger pausieren.
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Fußball, Ali Daei: Nach der Entlassung von Trainer Ali Daei ist es in Teheran zu Fanausschreitungen gekommen. Der Vorstand von Persepolis Teheran hatte den ehemaligen Bundesligaprofi nach schwachen Leistungen des Teams beurlaubt. Der Titelaspirant belegt in Irans Fußball-Liga mit zehn Punkten Rückstand auf den Erzrivalen Esteghlal Teheran derzeit nur den enttäuschenden neunten Platz. Der frühere Spieler von Arminia Bielefeld und Bayern München warf dem Vorstand Mafiamethoden vor. Der iranische Rekord-Nationalspieler will solange Trainer bleiben, bis er eine schriftliche Erklärung für seine Entlassung bekommt. Viele der Fans des Klubs stehen auf Daeis Seite und sind gegen den neuen Trainer Hamid Derachschan. Am Donnerstag versuchten Hunderte gewaltbereiter Fans das Tor zum Trainingsplatz in Teheran aufzubrechen. Sie wollten Medienberichten zufolge das Abschlusstraining des Teams vor dem nächsten Ligaspiel am Freitag verhindern. Außerdem fordern sie eine Intervention von Präsident Hassan Ruhani zugunsten Daeis und gegen den Vorstand. Die Persepolis-Funktionäre schalteten die Polizei ein, die alle Straßen rund um den Trainingsplatz sperrte. Auch Daei selbst wurde der Zutritt zum Trainingsplatz untersagt, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Basketball, WM: Gastgeber Spanien ist bei der Basketball-WM völlig überraschend im Viertelfinale ausgeschieden. Die Iberer verloren am Mittwochabend in Madrid gegen Frankreich mit 52:65 (28:35) und erlebten damit eine bittere Enttäuschung. Bester Werfer bei den ohne Superstar Tony Parker spielenden Franzosen war Boris Diaw mit 15 Punkten. Bei den Spaniern kam Pau Gasol auf 17 Zähler. In der Vorschlussrunde trifft Frankreich nun auf Serbien. Der WM-Vierte von 2010 setzte sich unerwartet deutlich gegen Brasilien mit 84:56 (37:32) durch. Im ersten Halbfinale spielen an diesem Donnerstag (21.00 Uhr/Sport) Topfavorit USA und Litauen gegeneinander. Bundesliga, Borussia Dortmund: Das Comeback von Jakub Blaszczykowski beim Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund lässt weiter auf sich warten. Wie der polnische Nationalspieler am Mittwoch auf seiner Facebook-Seite bekanntgab, muss er wegen einer Muskelverletzung im Oberschenkel vier Wochen pausieren. Er hatte am Vortag das Training abgebrochen. Wie schwerwiegend die Verletzung ist, soll eine medizinische Untersuchung am Donnerstag ergeben. Der von einem Kreuzbandriss genesene Flügelspieler sollte ursprünglich in der Partie gegen den SC Freiburg am Samstag wieder zum Kader gehören. Es wäre sein erstes Pflichtspiel seit Ende Januar gewesen. Ringen, WM: Aline Focken (23) hat mit dem Gewinn der Goldmedaille bei den Ringer-Weltmeisterschaften im usbekischen Taschkent ihren größten Karriere-Erfolg gefeiert und dem Deutschen Ringer-Bund (DRB) am dritten Tag der Titelkämpfe das erste Edelmetall beschert. In der olympischen Klasse bis 69 kg setzte sich Focken (KSV Krefeld) gegen die Japanerin Sara Dosho durch. "Ich kann es noch gar nicht begreifen", sagte Focken, die sich erst in den Schlusssekunden mit dem letzten Angriff die entscheidenden Punkte zum 5:4-Sieg gesichert hatte. "Diese Goldmedaille ist das Ergebnis einer kontinuierlichen, zielstrebigen Arbeit", sagte DRB-Sportdirektor Jannis Zamanduridis. "Das ist der absolute Hammer. Für Aline ist das die Krönung nach einer extrem guten und extrem konstanten Leistung", sagte DRB-Präsident Manfred Werner dem SID: "Nach den überhaupt nicht zufriedenstellenden Leistungen im Freistil, worüber noch zu reden sein wird, fällt mir jetzt natürlich ein Stein vom Herzen." Auf dem Weg in den Endkampf hatte Focken souverän ihre drei Duelle gegen die Kasachin Elmira Syzdykowa, Diana Gonzales aus Mexiko und die Lettin Laura Skujina gewonnen. Im Limit bis 48 kg war Jaqueline Schellin (TV Mühlacker) im ersten Duell mit der Polin Iwona Matkowska chancenlos. In der Hoffnungsrunde folgte gegen Emilia Vuc (Rumänien) das Aus. Die Gewichtsklassen 55 kg und 60 kg ließ Bundestrainer Patrick Loes unbesetzt. Tennis, Québec: Fed-Cup-Spielerin Julia Görges (Bad Oldesloe/Nr. 5) hat beim WTA-Turnier in Québec/Kanada die nächste Gegnerin im Eiltempo ausgeschaltet. Die 25-Jährige setzte sich im Achtelfinale nach nur 62 Minuten mit 6:2, 6:2 gegen Melanie Oudin (USA) durch. Görges, die schon zum Auftakt ohne Satzverlust geblieben war, trifft in ihrem dritten Viertelfinale des Jahres auf Andrea Hlavackova (Tschechien) oder Ajla Tomljanovic (Kroatien). Bereits zuvor war Tatjana Maria (Bad Saulgau) in die Runde der letzten Acht eingezogen. Die 27-Jährige bezwang Madison Brengle aus den USA mit 4:6, 6:4, 6:0 und könnte nun mit einem Erfolg gegen deren Landsfrau Shelby Rogers (USA) erstmals in ein WTA-Halbfinale einziehen. Für die ehemalige Fed-Cup-Spielerin Tatjana Maria ist es die erste Viertelfinal-Teilnahme bei einem WTA-Turnier seit April 2010, damals schied sie in Marbella gegen die Spanierin Carla Suárez Navarro aus. Volleyball, WM:Die deutschen Volleyballer sind bei der WM in Polen erfolgreich in die zweite Runde gestartet. Die Mannschaft von Bundestrainer Vital Heynen bezwang am Mittwochabend in Kattowitz den Weltranglisten-19. China mit 3:0 (25:19, 25:22, 25:17) und holte damit in Gruppe F den erwarteten Pflichtsieg. Der Olympia-Fünfte zeigte gegen die unbequemen Asiaten eine konzentrierte Leistung und untermauerte damit seine Ambitionen auf eine Medaille. Auf Georg Grozer und seine Teamkollegen wartet nun am Donnerstag (20.25 Uhr) Angstgegner Bulgarien. Bei Olympia 2012 und der EM 2013 war gegen den aktuellen Weltranglisten-Achten jeweils im Viertelfinale Schluss. Handball, Bundesliga: Die Rhein-Neckar Löwen haben ihre Tabellenführung in der Handball-Bundesliga gefestigt. Nach dem 32:27 (16:15) beim VfL Gummersbach bleibt das Team von Trainer Nikolaj Jacobsen als einziges Team verlustpunktfrei. Vor 3119 Zuschauern in der Schwalbe Arena sorgten Andy Schmid (11) und Patrick Groetzki (5) am Mittwochabend für die meisten Tore der Gäste. Die besten Schützen der Oberbergischen waren Raul Santos (6) und Andreas Schröder (5). Im ersten Spiel nach dem 28:26 über den HSV Hamburg am vergangenen Wochenende mit einem Weltrekord-Besuch von über 44 000 Fans in Frankfurt taten sich die Rhein-Neckar Löwen nur in der ersten Halbzeit schwer. Nach der Pause übernahmen sie die Kontrolle und bauten ihren Vorsprung kontinuierlich aus. Der Erfolg in Gummersbach, wo die Gäste vor knapp vier Monaten trotz eines 40:35-Erfolges den Meistertitel am letzten Spieltag verspielt hatten, war der fünfte Sieg der Löwen im fünften Saisonspiel.
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mlsum-de-1223
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Kommissionschef Jean-Claude Juncker droht im Streit um den Posten des Generalsekretärs mit Rücktritt. Derweil darf Premierministerin Theresa May einen Erfolg verbuchen.
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Jean-Claude Juncker mag viele Talente haben, ein Diplomat ist der Präsident der EU-Kommission nicht. Die Affäre um die umstrittene Blitz-Beförderung seines früheren Kabinettschefs Martin Selmayr zum Generalsekretär seiner Behörde hat Juncker nun selbst neu angeheizt - mit einer überraschenden Rücktrittsdrohung. "Wenn er (Selmayr) gehen muss, gehe ich auch", soll er bei einem Treffen von Europas Christdemokraten vor dem Gipfel in Brüssel gesagt haben, aus Ärger über mangelnden Rückhalt. Von der Kommission kommt weder eine Bestätigung noch ein Dementi. Juncker selbst sieht seine Drohung als rein hypothetisch an: "Selmayr wird nicht zurücktreten", sagte er, "denn ich bin der Einzige, der ihn dazu auffordern kann." Das wird im EU-Parlament, das 130 Fragen zu Selmayr an die Kommission geschickt hat, wohl anders gesehen. Es gebe einfach zu viele Deutsche auf wichtigen Posten, heißt es in Brüssel allerorten. Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte Selmayr: "Ich schätze seine Arbeit sehr." Sie habe aber nicht den Eindruck, dass er nur das tue, was Deutschland passe. Die Effizienz seiner Arbeit begrüße sie. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte, es gehe "immer um die Professionalität des Betroffenen". Die Polemik in der Debatte brächten die Umstände der Ernennung mit sich. Es sei nun wichtig, dass das Europäische Parlament die richtigen Schlussfolgerungen ziehe, wenn alle Tatsachen auf dem Tisch lägen. Auch in den Brexit-Verhandlungen spielt Selmayr eine wichtige Rolle, doch die britische Premierministerin Theresa May hat andere Sorgen. Bis zum Austritt Großbritanniens Ende März 2019 bleibt nicht mehr viel Zeit. Für May ist deshalb wichtig, dass die Staats- und Regierungschefs am Freitag einer Übergangsphase bis Ende 2020 zustimmen, in der alle EU-Regeln für Großbritannien weiter gelten. "Das schafft Sicherheit für Menschen und Unternehmen", lobt sie. Die 27er-EU beschließt überdies Leitlinien für Verhandlungen über das künftige Verhältnis zur EU. May kann zufrieden sein. Das lässt sich von Emmanuel Macron nicht unbedingt behaupten. Seit seinem Amtsantritt wartet er auf eine Antwort aus Berlin, um die Euro-Zone zu reformieren. Doch nach dem Euro-Gipfel am Freitag muss er feststellen: "Wir kennen unsere gegenseitigen Zwänge." Nun, die kannte man auch schon vorher. Im Dezember hatte Merkel angekündigt, dass Paris und Berlin ihre Haltungen "bis März zusammenbringen werden". Doch daraus wurde nichts. Man werde nun an einem "gemeinsamen Fahrplan bis Juni" arbeiten, verspricht Macron. Oder wie die Kanzlerin sagt: Man habe "letzte Woche begonnen zu arbeiten".
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mlsum-de-1224
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In den großen Städten der Welt entsteht eine neue Form von Ungleichheit. Sie ist gefährlich.
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Ungleichheit wird in der Regel durch den Vergleich der Haushaltseinkommen innerhalb eines Landes gemessen. Doch es besteht noch eine andere Art der Ungleichheit, und die hat mit der Erschwinglichkeit von Wohnungen zu tun. Die Auswirkungen dieser Form von Ungleichheit sind um nichts weniger beunruhigend als die der anderen. In vielen Metropolen dieser Welt wird Wohnen für Menschen mit bescheidenerem Einkommen unerschwinglich. Steigen die Immobilienpreise in einer Stadt, sind manche Einwohner gezwungen wegzuziehen. Besitzen sie selbst eine Immobilie, die sie verkaufen können, bedeutet der Preisanstieg noch ein Geldgeschenk zum Abschied. Wenn nicht, werden sie ohne Gegenleistung aus der Stadt gedrängt. Die Folgen sind nicht nur wirtschaftlicher Natur. Menschen werden aus Städten vertrieben, in denen sie ihr ganzes bisheriges Leben verbracht haben. Sie verlieren langjährige Beziehungen zu anderen Menschen; das kann traumatisch sein. Wenn zu viele alteingesessene Einwohner aufgrund steigender Immobilienpreise hinausgedrängt werden, leidet auch die Stadt selbst unter einem Verlust der Identität und sogar der Kultur. Mit dem Abschied dieser Menschen entwickelt sich eine teure Stadt schrittweise zu einer Enklave von Haushalten mit hohen Einkommen, in der die Werte dieser Menschen Platz greifen. Die zunehmende geografische Trennung von Menschen unterschiedlicher Einkommen kann die Ungleichheit noch verschärfen, die Gefahr sozialer Polarisierung - und sogar ernsthafter Konflikte - wächst. Wie eine neue Untersuchung ( "Demographia International Housing Affordability Survey") zeigt, bestehen in bedeutenden Weltstädten bereits massive Disparitäten (gemessen am Verhältnis zwischen dem mittleren Preis für Wohneigentum und dem mittleren Haushaltseinkommen). Je höher der Wert, desto größer der Druck, die Stadt zu verlassen. Nach der Untersuchung, die 92 Städte in neun Ländern umfasst, waren Ende 2016 die Immobilien in Hongkong am teuersten. Das Preis-Einkommensverhältnis liegt hier bei 18,1; das heißt: Wer hier ein mittleres Einkommen bezieht und eine Immobilie von mittlerem Wert erwirbt, der muss für die Abzahlung einer 30-jährigen Hypothek mehr als die Hälfte seines Einkommens aufwenden - und das ohne Zinsen. Die Hypothekenzinsen in Hongkong sind zwar niedrig, aber nicht null, weswegen es naheliegt, dass es für Haushalte mit mittlerem Einkommen eigentlich unmöglich ist, Wohneigentum zu erwerben. Hinter Beschränkungen für den Wohnungsbau stehen oft mächtige Interessengruppen Nach Hongkong folgen auf der Liste Sydney (12,2), Vancouver (11,8), Auckland (10), San Jose/Silicon Valley (9,6), Melbourne (9,5) und Los Angeles (9,3). Daran schließen sich London (8,5) und Toronto (7,7) an, die zwar extrem teuer sind, wo aber auch sehr viel verdient wird. Manche Weltstädte sind im Verhältnis zu den Einkommen noch erschwinglich. In New York liegt der mittlere Preis für eine Wohnung 5,7 mal höher als das mittlerer Haushaltseinkommen. In Montreal und Singapur beträgt der entsprechende Wert 4,8; in Tokio und Yokohama 4,7; und in Chicago 3,8. Möglicherweise stimmen die Zahlen für diese Städte aber auch nicht ganz. Sie sind schwer zu überprüfen, und es dürfte Diskrepanzen in der Erhebung zwischen Städten, Ländern und Kontinenten geben. Unwahrscheinlich ist allerdings, dass die Fehler so signifikant sind, um die grundlegende Schlussfolgerung infrage zu stellen: dass sich die Preise für Wohnraum weltweit extrem unterscheiden. Die Frage lautet: Warum haben es die Einwohner einiger Städte mit so extrem hohen - bisweilen prohibitiven - Preisen zu tun? Oft scheint die Antwort mit Hindernissen für den Wohnungsbau in Zusammenhang zu stehen. Unter Verwendung von Satellitendaten großer amerikanischer Städte, bestätigte der Ökonom Albert Saiz vom MIT, dass topografische Beschränkungen - wie etwa Gewässer oder steile Hänge - mit höheren Eigenheimpreisen korrelieren. Die Hindernisse können allerdings auch politischer Natur sein. Umfangreicher Wohnungsbau für Menschen mit moderatem Einkommen hätte enorme Auswirkungen auf die Erschwinglichkeit. Doch die Eigentümer teurer Immobilien haben wenig Anreiz, derartige Bauprojekte zu unterstützen, weil sie den Wert ihrer eigenen Anlagen mindern würden. Aus diesem Grund weigern sich Stadtverwaltungen oft, neue Bauprojekte zu genehmigen. Der Mangel an Möglichkeiten für neuen Wohnungsbau kann die treibende Kraft hinter einem steigenden Preis-Einkommensverhältnis sein. Dabei steigen die Preise langfristig oft auch dann, wenn eine Stadt weder neue Industrien noch Prestigeprojekte bekommt und auch keine neuen Talente anzieht. Sind die verfügbaren Grundstücke einmal bebaut, muss das weitere Wachstum der Stadt durch den Weggang von Menschen mit niedrigerem Einkommen ermöglicht werden. Meist werden die Immobilienpreise im Verhältnis zu den Einkommen nicht abrupt steigen, nicht zuletzt deshalb, weil Spekulanten den Preisanstieg oft schon vorweggenommen haben. Dabei können sie auch übertreiben und das Preis-Einkommensverhältnis vorübergehend mehr steigen lassen als notwendig. Das sorgt unter den Einwohnern unnötig für Angst. Doch diese Tendenzen können gemildert werden, wenn die Zivilgesellschaft erkennt, wie wichtig es ist, Wohnraum für niedrigere Einkommen bereitzustellen. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Forderung nach einer Beschränkung für den Wohnungsbau oft von Partikularinteressen geleitet wird; tatsächlich läuft es auf eine Art Strategie ("Rent-Seeking") durch Immobilienbesitzer hinaus, die so den Wiederverkaufswert ihrer Immobilie steigern wollen. In seinem neuen Buch "The New Urban Crisis" prangert Richard Florida von der University of Toronto dieses Phänomen an und vergleicht die Wohnbaugegner mit den Maschinenstürmern des frühen 19. Jahrhunderts. Es kann sein, dass eine Stadt dabei ist, eine "großartige Stadt" besonderer Qualität zu werden; den Marktkräften sollte es dann ermöglicht werden, Menschen mit niedrigerem Einkommen, die an dieser Großartigkeit nicht in vollem Umfang teilnehmen können, zu verdrängen, um jenen Platz zu machen, die dazu in der Lage sind. Viel häufiger ist eine Stadt mit einem hohen Preis-Einkommensverhältnis weniger eine "großartige" als eine angebotsbeschränkte Stadt, der es an Empathie, humanitären Impulsen und zunehmend auch an Vielfalt fehlt. Und das nährt gefährliche Animositäten. Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier
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mlsum-de-1225
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James "Jim" Rowan wird neuer Chef bei Dyson, dem englischen Hersteller von beutellosen Staubsaugern und ohrenbetäubend lauten Händetrocknern. Weitere Personalien: Joe Gebbia und Jeroen Dijsselbloom.
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Neue Führung in spannenden Zeiten Detailansicht öffnen (Foto: oh) James "Jim" Rowan, 51, Manager, ist neuer Chef des britischen Technologiekonzerns Dyson. Er löst den Deutschen Max Conze ab. Conze hat das Unternehmen, das für seine beutellosen Staubsauger und ohrenbetäubend lauten Händetrockner bekannt ist, seit 2011 geführt und in dieser Zeit den Umsatz verdoppelt. Gründer und Chairman James Dyson dankte ihm für seine "großartige" Arbeit. Rowan wechselte 2012 von Research in Motion, dem Hersteller der Blackberry-Handys, zu Dyson. Bei Research in Motion war der Brite, der in Glasgow Elektrotechnik studiert hat, Produktionsvorstand. Den gleichen Posten übernahm er bei Dyson. Sein Büro war in Singapur, denn die Firma fertigt ihre Geräte in Singapur, Malaysia und auf den Philippinen. Rowans Aufstieg zum Chef fällt in spannende Zeiten: Der Konzern mit Sitz im englischen Malmesbury gab vor zwei Wochen bekannt, bis 2020 ein Elektroauto auf den Markt bringen zu wollen. Björn Finke Auf Charme-Offensive Detailansicht öffnen (Foto: Riccardo Savi/Getty Images) Joe Gebbia, 36, Mitgründer der Zimmervermittlung Airbnb und Start-up-Milliardär mit sizilianischen Vorfahren und einer Schwäche für Design, stattet Italien einen Besuch ab. Gebbia ist auf Charme-Offensive unterwegs. Die PR-Kampagne begann mit einer Titelgeschichte der Mailänder Wohnzeitschrift Living. Gebbia posiert in seinem Apartment in San Francisco für die exklusive Home-Story. In Palermo präsentierte er dann die Italiens-schönste-Dörfer-Initiative von Airbnb, an der Mailänder Designhochschule hielt er am Dienstag eine Lectio Magistralis. Thema: "Das Klebeband als Designlösung - wie Airbnb". In Rom, wo ein heftiger Streit zwischen dem US-Konzern und dem italienischen Finanzministerium tobt, schickt er lieber Anwälte ins Feld. Airbnb weigert sich, die in Italien für Vermieter fällige Steuer von 21 Prozent ihrer Einnahmen an das Finanzamt abzuführen. Ein Gesetz verpflichtet die Vermittler seit Juni dazu. Ulrike Sauer Er bleibt noch Detailansicht öffnen (Foto: Jasper Juinen/Bloomberg) Jeroen Dijsselbloem, 51, niederländischer Finanzminister auf Abruf, bleibt bis Mitte Januar das, was er ist: Präsident der Euro-Gruppe. Damit wird erstmals ein bald nicht mehr aktiver Finanzminister den Vorsitz der Euro-Kollegen innehaben. Denn Dijsselbloem wird der neuen Regierung in Den Haag nicht mehr angehören; seine sozialdemokratische Partei wurde bei den Wahlen im März von den Wählern derart abgestraft, dass es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Dijsselbloems Mandat als Euro-Gruppen-Chef läuft am 13. Januar aus. Er kündigte nun an, dass sein Nachfolger im Dezember gewählt werde. Ob es, gemäß der Brüsseler Macht-Arithmetik, wieder ein Sozialdemokrat wird, ist offen. Zuletzt brachte sich der französische Finanzminister Bruno Le Maire in Stellung. Er ist als En-Marche-Mitglied parteipolitisch nicht zuzuordnen. Alexander Mühlauer
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mlsum-de-1226
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Mehr als 300 Geistliche in den USA sollen mindestens 1000 Kinder missbraucht haben. Der Vatikan fordert, Täter und Vertuscher zur Rechenschaft zu ziehen.
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Der Vatikan hat sich betroffen über den mutmaßlichen Kindesmissbrauch durch Priester im US-Bundesstaat Pennsylvania gezeigt. Für die in einem Bericht der Staatsanwaltschaft angeführten Missbrauchsfälle gebe es "nur zwei Worte: Scham und Bedauern", erklärte Vatikan-Sprecher Greg Burke. Sie hätten den Opfern ihre Würde und ihren Glauben geraubt. Papst Franziskus stehe auf der Seite der Opfer, versicherte er und nutzte dabei ungewöhnlich starke Worte, um die Ansichten des Pontifex zu verdeutlichen. Eine Grand Jury in Pennsylvania hatte in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht mehr als 300 inzwischen zumeist verstorbene Geistliche beschuldigt, seit den 1940er-Jahren mehr als 1000 Kinder missbraucht zu haben. Wahrscheinlich gebe es sogar noch viel mehr Opfer. Fast alle mutmaßlichen Fälle gelten inzwischen als verjährt. Unter anderem war ans Licht gekommen, dass Kardinal Donald Wuerl, derzeit Leiter der Erzdiözese Washington, geholfen haben soll, beschuldigte Priester zu schützen. "Die Kirche muss ihre Lektion aus der Vergangenheit lernen" In der Mitteilung ging der Vatikan weder auf Rücktrittsforderungen gegen Wuerl ein, noch zitierte sie Papst Franziskus persönlich. "Die Kirche muss ihre harten Lektionen aus der Vergangenheit lernen", hieß es. Täter wie Vertuscher müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Zuletzt hatte der Papst den Rücktritt des früheren Washingtoner Erzbischofs Theodore McCarrick vom Kardinalsposten akzeptiert. Es war das erste Mal, dass ein hoher kirchlicher Wüdenträger den Rang des Kardinals in einem sexuellen Missbrauchsskandal verlor. McCarrick wird vorgeworfen, Jungen und Priesteramtskandidaten missbraucht zu haben. Franziskus sei klar, wie sehr solche Verbrechen Glauben und Geist erschüttern könnten, sagte Vatikan-Sprecher Burke. Für Minderjährige und verletzliche Erwachsene in der Kirche und in der gesamten Gesellschaft müsse ein sicheres Umfeld geschaffen werden. In dem Bericht hatte die Jury aufgelistet, wie pädophile Priester oftmals durch die Hierarchie in der Kirche geschützt worden waren. Vielfach wurden sie an andere Stellen versetzt, während die Gemeinden vor Ort nichts über die Vorgeschichte der Geistlichen erfuhren.
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mlsum-de-1227
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Von Suchenden, Alleinunterhaltern und einem Zugang: Warum in der Bayernliga Süd Pullach wieder nicht aufsteigen und Wolfratshausen nicht Meister werden wird.
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Detailansicht öffnen Trikotwechsel: Peter Beierkuhnlein (re., hier als Kapitän des SV Pullach) spielt künftig nicht mehr gegen, sondern für den SV Heimstetten. (Foto: Claus Schunk) War was? Na? Richtig: Fußball-Sommerpause. Wer kurz nicht aufgepasst hat seit den Relegationsspielen Anfang Juni, wer sich danach vielleicht kurz mal in die Sonne gelegt hat oder ablenken ließ von Confed-Cup, U21-EM, Kracher-Testspielen wie Freising gegen Sechzig oder Wolfratshausen gegen Bayern, von anrollenden Baggern in Pipinsried oder Umzugsvorbereitungen der Unterföhringer nach Heimstetten, tja: Der könnte überrumpelt sein. Aber tatsächlich, die neue Saison im Amateurfußball beginnt, an diesem Samstag auch in der Bayernliga. Das bisschen Zeit seit Juni hat immerhin dazu gereicht, dass der BCF Wolfratshausen Spieler in Mannschaftsstärke verlor, der SV Heimstetten und der FC Ismaning ihre Trainer wechselten, und auch Zwangsabsteiger 1860 München II trotz aller Hektik irgendwie ein Team zusammengebastelt und mit einer Art Trainerstab versorgt hat. Zumindest eine Prognose kann man wohl ohne Kristallkugel wagen: Der BCF Wolfratshausen wird nicht Meister. Der Ligaverbleib gelang via Relegation, was sich Trainer Marco Stier unbedingt als Erfolg gutschreiben lassen darf, doch seine Zuversicht, noch ein paar Neue zu holen, ist gesunken. "Aktuell werden wir so in die Hinrunde gehen und schauen, was bis Winter passiert", sagt er. Will heißen: ohne den individuell starken Jona Lehr ("das schmerzt am meisten"), ohne den nach Garching gewechselten Hiroki Kotani, ohne Top-Talent Gregoire Diep, der ein USA-Stipendium bekam, ohne den Routinier Michael Rödl, der ins Trainerteam wechselt. Wobei: Am Samstag (17 Uhr) in Rain am Lech wird Jona Lehr mitspielen. "Da hat er Zeit. Er wird standby-mäßig aushelfen." Stier macht für sein "Ausnahmetalent" eine Ausnahme, weil Lehr auch ohne viel Training für jedes Team wertvoll sei. Stier rechnet damit, dass sich der BCF im unteren Drittel einordnen wird, "aber nicht so krass in Abstiegsangst wie letztes Jahr". Ihm ist weder in der Viererkette bange, die starke Außenspieler (Wolfinger, Skoro) und eine große Auswahl an Innenverteidigern hat, noch im Mittelfeld. Zwar kommen alle Neuen aus unterklassigen Vereinen, aber etwa von Anto Bonic, Ivan Vidovic oder Michael Ott erwarte er sich durchaus einiges; auch vom torgefährlichen Marian Knecht, der die ersten drei Partien gesperrt ist. Aber im Sturm? "Da haben wir", sagt Stier und zögert - "eigentlich nur Angelo." Also Kapitän Hauk. "Das ist ein bisschen dünn", weiß der Trainer, "hier haben wir sicher Handlungsbedarf." Auch Marcel Richter ist ein Mann klarer Worte, ob am Spielfeldrand oder bei der Nachbesprechung. Dass der Sportliche Leiter des TSV 1865 Dachau jetzt schon sehr deutlich in seiner Bewertung wird, überrascht dennoch, schließlich hat die Saison noch nicht begonnen. Dennoch warf er seinen Spielern vor, sie würden davon ausgehen, dass die vor ihnen liegende Spielzeit ein "Selbstläufer" werde. Auslöser seines Ärgers war das deutliche Scheitern in der ersten Runde des Toto-Pokals gegen den Landesligisten SE Freising (2:5). Das wurmt auch Spielertrainer Fabian Lamotte. Der 34-jährige Ex-Profi gibt Richter recht: Was die Einstellung betrifft, sei das "einfach zu wenig" gewesen. Beim TSV wollen sie schon jetzt verhindern, dass der Schlendrian einzieht. "Aufgrund der letzten Spielzeit haben wir uns ein bisschen Prestige erarbeitet", sagt Lamotte. Der Trend der vergangenen Jahre ist klar: Auf Platz zwölf in der ersten Bayernliga-Saison 2014/15 folgten ein achter und zuletzt ein fünfter Rang. Lamottes Ziel ist es nun, die vergangene Spielzeit zu bestätigen. Helfen dürfte ihm die geringe Fluktuation im Kader. Von den Stammspielern verließ nur Yemi Oyewoie den TSV in Richtung FC Ismaning, dafür kommt von dort in Alexander Buch ein zweit- und drittligaerprobter Mittelfeldspieler. Lamotte erwartet sich vom 29-Jährigen eine gute Portion Körperlichkeit. Auch die jungen Neulinge Moritz Hannemann, 19, und Thomas Ettenberger, 22, hinterließen beim Trainer einen "absolut positiven" Eindruck. Im Vergleich zum Vorjahr, sagt Lamotte, "sind wir etwas breiter aufgestellt". Beim TSV 1860 München II verbietet sich ein solcher Vergleich. Im Nachwuchs-Leistungszentrum (NLZ) der Löwen hatten sie sogar überlegt, die U21 aufzulösen, denn die Frage nach dem Zwangsabstieg war: Wer soll dort noch spielen? Ein Großteil des bisherigen Kaders ist in die erste Mannschaft gerückt, und die ebenfalls abgestiegene U19 soll schnellstmöglich wieder nach oben. Letztlich hielten es die Verantwortlichen dennoch für sinnvoll, die ältesten Jugendlichen in der Bayernliga an den Erwachsenenfußball heranzuführen. Entstanden ist eine Sandwich-Mannschaft mit einem Altersschnitt von weniger als 18 Jahren, eigentlich also eine zweite U19. In der Praxis sieht die Sache etwas anders aus: Zum Auftakt am Sonntag bei der DJK Vilzing (16 Uhr) kündigt NLZ-Chef Wolfgang Schellenberg für die Startelf vier Spieler aus dem Regionalliga-Kader an. Er selbst wird mit U19-Assistent Josef Gutsmiedel an der Seitenlinie stehen, einen festen Trainer gibt es nicht. Ähnlich wie im Kader werde es hier im Lauf der Saison immer wieder Wechsel geben. Vilzing zählt er "zu den Favoriten", doch trotz des schweren Starts ist Schellenberg zuversichtlich: "Ich denke, dass wir die Klasse halten können, das sind ja alles gute Jungs". Die sich spätestens zur Rückrunde an den Männerfußball gewöhnt haben sollten. Auch der FC Ismaning wird sich erst finden müssen. Trainer Rainer Elfinger ist neu, manche Zugänge sind nicht halb so alt wie Stürmer Mijo Stijepic, der immer mehr als Co-Trainer arbeitet. Am ersten Spieltag (So. 16 Uhr) kommt im TSV Kornburg ein weitgehend unbekannter Gegner - der vielleicht sich selbst, sicher aber den Weg finden muss: Die Mittelfranken hatten erfolglos gegen ihre Einteilung in die Bayernliga Süd protestiert. "Wir haben sie beobachtet, aber sie dürften viele neue Spieler haben", sagt FCI-Manager Florian Hahn. Rainer Elfinger kehrt nach sieben Jahren zurück in die Bayernliga, um mit einem Kader zu arbeiten, der in Ismaning als langfristiges Experiment angesehen wird: "Ein Gerüst aus erfahrenen Spielern, von denen die jungen lernen sollen", so Hahn. Zum Gerüst zählt er Stijepic, Gianfranco Soave im Mittelfeld und Anton Siedlitzki in der Abwehr. Neu im Betreuerstab sind Kevin Staudigl, Peter Rein und dessen Sohn Florian. Gegen Kornburg ist Ismaning Favorit, aber Hahn warnt: "Das ist ein Aufsteiger, da herrscht immer Euphorie." Detailansicht öffnen Meistertrainer mit -zigarre: Frank Schmöller. (Foto: Claus Schunk) 1200 Zuschauer passen ins Stadion des SV Pullach, das hat das Testspiel gegen 1860 München Ende Juni gezeigt. Eigentlich hätte dieses Duell auch ein Pflichtspiel sein können - wenn das Stadion an der Gistlstraße regionalligatauglich wäre. Ist es aber nicht. Deshalb wird der aktuelle Meister auf absehbare Zeit weiter in der Bayernliga spielen, wo er zwangsläufig als Mitfavorit auf den Titel gilt. Trainer Frank Schmöller relativiert das: Die jungen Spieler bräuchten Zeit. Allerdings deutet er an, dass der Kader bis Ende August noch ein bisschen älter werden könnte, also: mehr als nur sechs Wochen. Leicht dürfte es nicht sein, etwa Tim Sulmer (Wacker Burghausen) zu ersetzen, oder Peter Beierkuhnlein, der nun beim SV Heimstetten spielt, dem Gegner an diesem Samstag (14 Uhr). Der SV Heimstetten, der zum erweiterten Favoritenkreis zählt, ist ja auch Schmöllers ehemaliger Klub, es wird nach der Partie also viel Händeschütteln und Schulterklopfen geben. Auch Pullachs neuer Torwart Marijan Krasnic trifft gleich zum Auftakt auf seinen Ex-Klub. Er will seinem Vorgänger, dem ehemaligen Profi Michael Hofmann, in Sachen Selbstvertrauen in nichts nachstehen. Und kündigt an, in Heimstetten unbedingt gewinnen zu wollen.
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mlsum-de-1228
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Italiens Fußball versucht sich nach der verpassten WM immer noch zu erneuern. Nationaltrainer Mancini probiert so einiges, Mut der Verzweiflung ist es aber nicht.
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Zittern gilt nicht. Klagen nützt nichts. Polen ist überstanden, am Freitagabend in Bologna mit einem gnädigen 1:1, Elfmeter Jorginho. Am Montag wartet in der Nations League als nächster Gegner der Italiener die portugiesische Auswahl in Lissabon, ein Match für Kenner und Genießer. Denn Portugal wird ohne Cristiano Ronaldo spielen und Italien ohne Mittelfeld, weil erstens CR7 in Turin noch behutsam in seine neue Mannschaft Juventus integriert werden muss, wobei ein hochsensibler Hochbegabter wie er keine Störungen von außen verträgt. Und weil zweitens die Squadra Azzurra in ihrer Schaltzentrale Spieler wie Roberto Gagliardini, Lorenzo Pellegrini und Jorginho walten lassen muss, aus Mangel an Alternativen. Der Italo-Brasilianer Jorginho, 26, Ex-Napoli, nun Chelsea, ist der Älteste und Erfahrenste, vielleicht auch nur der Abgezockteste eines Terzetts, das gegen die rustikalen Polen konsequent bestürzende Harmlosigkeit verbreitete. Sehr anschaulich urteilte etwa La Repubblica über Gagliardini: "Versank wie eine Fliege im Martini." In Polen sind zwar andere Getränke angesagt, aber abgesehen davon wäre dem Satz nichts Wesentliches hinzuzufügen. Die Azzurri versanken tatsächlich wie die Fliegen eifrig strampelnd im Wodka, während die Polen beflügelten cyniczny-Fußball spielten, eine Variante jenes calcio cinico, in dem die Italiener mal Weltmeister waren, als sie noch an Weltmeisterschaften teilnahmen. Angeführt von ihrem Chefzyniker Robert Lewandowski zogen sie ungerührt und so gut wie ungehindert ihr Catenaccio-Konter-Programm durch, schüttelten die jungen Fliegen im italienischen Mittelfeld von sich ab und verscheuchten energisch die alten Abwehr-Brummer Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci. Dass es zur Pause nur 0:1 stand (40. Piotr Zielinksi), hatten die Italiener ihrem Schlussmann Gianluigi Donnarumma zu verdanken. Der hält wie ein Alter und ist zugleich so flink, wie ein 19-Jähriger sein sollte. Zwei Meter Standfestigkeit mit einem Namen wie ein Gewitter. Doch, es gibt auch gute Nachrichten von den Azzurri: im Tor kein Fliegengewicht. "In der zweiten Halbzeit waren wir dann viel besser", verkündete ein erleichterter Roberto Mancini. Der Commissario Tecnico, am Spielfeldrand zwischenzeitlich zur eleganten Säule erstarrt, klang aufgeräumt, schließlich hatte Mancini bei seinem Debüt gegen die "erfahrenen und soliden Polen" einen wichtigen Punkt ergattert. Nach der Pause kam wirklich Leben in die Mannschaft, was vor allem an Mancinis klugen Einwechslungen lag. Da wurde etwa der fahrig wirkende Mario Balotelli unter lautem Gepfeife gegen Andrea Belotti vom FC Turin ausgewechselt. Dass Mancini überhaupt auf Balotelli gesetzt hatte, der in den vergangenen vier Jahren aus der Landesauswahl ausgeschlossen war, war nicht nur der Not geschuldet. Sondern durchaus ein Statement. Der Trainer wollte beweisen, dass er sich bei seinen Entscheidungen von niemandem beeinflussen lässt - auch nicht von der italienischen Rechten, die keine Gelegenheit auslässt, den dunkelhäutigen Balotelli herabzuwürdigen. Stets steht der Spieler unter besonderer Beobachtung, ja unter Rechtfertigungszwang. Zuverlässig bewerten auch die Medien ihn viel strenger als etwa die matten Veteranen Bonucci und Chiellini, deren Bewegungs- und Ideenlosigkeit mindestens so offensichtlich waren wie Balotellis Formtief. "Mario muss einfach mehr spielen", befand Mancini. In Nizza ist Balotelli bei seinem neuen Coach Patrick Vieira gleich in Ungnade gefallen, weil er nicht pünktlich zum Training angetreten war. Aber 33 Tore in 51 Ligue- 1-Einsätzen sprechen für sich. Mit seinem Sturmpartner Lorenzo Insigne kam Balotelli offenkundig nicht zurecht. Zu unterschiedlich sind der athletische 1,90-Meter-Mann und der 163 Zentimeter kleine Neapolitaner Insigne. Für ihn brachte Mancini in der Mitte der zweiten Halbzeit Federico Chiesa vom AC Florenz. Und Chiesa wusste die knappe Zeit so gut zu nutzen, dass er gegen Portugal den Stammplatz wohl sicher hat. Der wichtigste Mann der Azzurri, unverzichtbar - ruft in seltenem Einklang der Chor der Sportpresse. "Chiesa in die Mitte des Azzurri-Dorfs!", fordert die Gazzetta in einem netten Wortspiel, denn der Nachname des 20-Jährigen vom AC Florenz bedeutet: Kirche. Wenig orthodox begann der Sohn des Fiorentina-Urgesteins Enrico Chiesa sofort, die Polen zu umkurven, setzte den ersten richtigen Schuss aufs Tor und verschaffte Italien nach einen Strafraumfoul von Jakub Blaszczykowski den für die Partie überlebensnotwendigen Elfmeter. "Im modernen Fußball spielt man mit 14 Männern", behauptet Giorgio Chiellini, nach dem Rücktritt von Gigi Buffon der neue Kapitän der Squadra Azzurra mit einem Master in Betriebswirtschaft. Chiellinis kreative Buchführung könnte darauf hindeuten, dass Mancini auch in Lissabon eifrig wechselt. An Mut zum Experiment mangelt es dem neuen Nationaltrainer nicht - und es ist nicht der Mut der Verzweiflung. Die Lage ist schwierig aber durchaus nicht hoffnungslos. Gegen Portugal ohne seinen Halbgott Ronaldo werden die Azzurri deshalb ganz bestimmt die Kirche im Dorf lassen.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/nations-league-umbruch-mit-balotelli-1.4122686
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mlsum-de-1229
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Drei Selbstmordattentäter sollen um sich geschossen und sich dann selbst in die Luft gesprengt haben. Der türkische Premierminister spricht von 36 Todesopfern und mehr als 140 Verletzten.
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Bei einem Attentat auf den Atatürk-Flughafen von Istanbul sind am Dienstagabend 36 Menschen getötet und mehr als 140 verletzt worden. Diese Zahlen bestätigte Ministerpräsident Binali Yıldırım am frühen Mittwochmorgen bei einem Besuch am Tatort. Die drei getöteten Selbstmordattentäter seien in der Zahl 36 nicht enthalten. Die türkische Regierung verdächtigt laut Yıldırım die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Erste Hinweise deuteten auf den IS als Urheber hin, sagte der Premier. Nach bisherigen Erkenntnissen seien die Angreifer mit dem Taxi zum Flughafen gefahren. Zwei von ihnen hätten den Ankunftsbereich betreten, wo die Sicherheitsvorkehrungen weniger streng seien und dort mit Kalaschnikows um sich geschossen, bevor sie sich in die Luft gesprengt hätten. Der dritte Mann habe die eigene Explosion auf einem Parkplatz ausgelöst. Yıldırım sagte, sowohl Türken als auch Ausländer seien unter den Opfern. Es gebe eine Vielzahl an Verletzten. Justizminister Bekir Bozdağ hatte kurz zuvor von 147 Verletzten gesprochen. Angaben über die Nationalitäten der ausländischen Opfer lagen zunächst nicht vor. Dem Auswärtigen Amt in Berlin lagen nach Angaben einer Sprecherin keine Hinweise auf deutsche Opfer vor. Erdoğan: Attacke soll Türkei destabilisieren Der Anschlag auf den Atatürk-Flughafen zielt nach Ansicht von Präsident Recep Tayyip Erdoğan darauf, die Türkei zu untergraben. "Es ist eindeutig, dass dieser Angriff keinen anderen Zweck hat, als Propaganda gegen unser Land zu betreiben", erklärte Erdoğan in der Nacht. Dazu werde das Blut unschuldiger Menschen vergossen und Angst verbreitet. Er erwarte, dass die Weltgemeinschaft eine "entschlossene Haltung" gegenüber Terrorgruppen einnehme, hieß es in einer Erklärung. Der Präsident versprach, dass sein Land die Bemühungen gegen terroristische Vereinigungen aufrechterhalten werde: "Die Türkei hat die Kraft, Entschlossenheit und Kapazität, um den Kampf gegen Terrorismus bis zum Ende fortzusetzen." Der Atatürk-Flughafen ist der größte der Türkei und ein wichtiges Drehkreuz für Reisende aus aller Welt. Die US-Luftfahrtbehörde FAA setzte nach dem Anschlag alle Flüge zwischen den USA und dem Atatürk-Flughafen aus. Ankunfts- und Abflugbereich des größten Flughafens der Türkei wurden kurzfristig vollständig gesperrt, sämtliche Flüge gestrichen. Fotos vom Anschlagsort zeigten ein Bild der Verwüstung außerhalb des Ankunftsterminals, wo Passagiere gewöhnlich auf Taxis warten. Auf Bildern sind zahlreiche Krankenwagen vor dem Flughafen zu sehen. Videos aus dem Inneren des Flughafens zeigen, wie Sicherheitspersonal die Menschen auffordert, aus dem Gebäude zu rennen. Mängel an den Sicherheitsvorkehrungen des Flughafens bestritt der türkische Premier Yıldırım. Flugverkehr wieder aufgenommen Der Luftverkehr ist am Mittwoch wieder aufgenommen worden. Erste Flüge von Turkish Airlines landeten am frühen Morgen. 340 Flüge wurden allerdings gestrichen. Entgegen erster Angaben ist auch ein Flug von Berlin nach Istanbul gestartet. Ob weitere starten oder abgesagt werden, obliegt der Fluggesellschaft so der Flughafensprecher. USA verurteilen Anschlag, Steinmeier "entsetzt" Die US-Regierung hat den Terroranschlag auf das Schärfste verurteilt. "Unser tiefstes Mitgefühl gilt den Familien und Angehörigen der Getöteten, und wir wünschen den Verletzten eine baldige Genesung", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, in einer Mitteilung. Die USA stünden fest an der Seite der Türkei und man werde den Kampf gegen die terroristische Bedrohung fortsetzen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich "entsetzt" über die Nachrichten aus Istanbul. "Unsere Gedanken gelten in diesen Stunden den Menschen in der Türkei", schrieb er auf Twitter. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte: "Ich möchte dem ganzen türkischen Volk aber sagen, dass wir uns im Kampf gegen den Terrorismus vereint sehen und uns gegenseitig unterstützen werden." In den vergangenen Monaten hatte es bereits mehrere Anschläge in der Türkei gegeben. Dazu bekannt hatten sich Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat und kurdische Extremisten. Allein in Istanbul hat es in den ersten sechs Monaten des Jahres vier schwere Terror-Attacken gegeben.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/terror-anschlag-auf-istanbuler-flughafen-tuerkische-regierung-vermutet-is-als-drahtzieher-1.3055566
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mlsum-de-1230
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Ohne Ausweis keine Ausreise: Die Innenmininster wollen gewaltbereite deutsche Islamisten an der Reise in Kampfgebiete hindern. Indes schiebt Bayern einen Allgäuer Salafisten in die Türkei ab.
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Keine Ausreise ohne Ausweis Gewaltbereite Islamisten in Deutschland sollen künftig auch durch den Entzug des Personalausweises an der Ausreise zum Kampf im Dschihad in Syrien oder dem Irak gehindert werden. Das beschlossen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und seine Länderkollegen bei einem Treffen in Berlin. Bislang war nur ein Entzug des Reisepasses möglich, was jedoch nicht die Einreise in die Türkei - ein Nachbarland von Syrien und dem Irak - verhinderte; für diese reicht der Personalausweis aus. Ersatzdokument Künftig soll den Verdächtigen ein Ersatzdokument ausgestellt werden, mit dem sie sich weiterhin ausweisen, aber nicht ausreisen können. Dadurch sollen sie am Verlassen der Bundesrepublik und der unbemerkten Wiedereinreise gehindert werden, sagte de Maizière. Er sprach von einem "grundrechteschonenden und effektiven Mittel". Die Innenminister der Länder hätten dieser Initiative zugestimmt. Der Bund solle unverzüglich eine Lösung erarbeiten. Zudem verständigten sich Bund und Länder darauf, den Informationsaustausch der Behörden zu intensivieren, um etwa Reisepläne radikaler Islamisten zu erkennen. Den Behörden zufolge sind aus Deutschland mindestens 450 Personen ausgereist, um sich Extremistenorganisationen wie dem "Islamischen Staat" anzuschließen. Etwa 150 sollen zurückgekehrt sein. Es wird befürchtet, dass diese, radikalisiert und an Waffen ausgebildet, auch in der Bundesrepublik Anschläge verüben könnten. Bayern weist Allgauer Salafisten aus Ein 22-jähriger Unterstützer der Terrormiliz "Islamischer Staat" ist indes von Bayern in die Türkei abgeschoben worden. Das teilte das bayerische Innenministerium mit. Der Allgäuer Erhan A. hatte in einem Interview mit dem SZ-Magazin die Enthauptung von Journalisten gerechtfertigt und gesagt, er würde sogar seine Familie umbringen, wenn sie sich gegen den Islamischen Staat stelle. Er war vor zwei Wochen in Abschiebehaft genommen worden. Der 22-Jährige kam in der Türkei zur Welt, lebte aber seit 20 Jahren in Deutschland. Den Vorwurf, dass Bayern damit die Verantwortung auf die Türkei abschiebe, wies Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zurück: "Wir prüfen solche Einzelfälle von Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit sehr genau." Wenn jedoch "unmittelbar die innere Sicherheit Deutschlands" gefährdet sei, gingen nationale Interessen vor. Herrmann vertraue darauf, dass die türkischen Sicherheitsbehörden alles dafür tun, die Teilnahme ihres türkischen Staatsbürgers am Kampf des IS zu verhindern.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/innenminister-treffen-radikalen-islamisten-soll-ausweis-entzogen-werden-1.2178742
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mlsum-de-1231
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Einige Fans von Hannover 96 leisten gewaltsamen Widerstand gegen die Übernahme ihres Klubs durch Präsident Martin Kind. Der gibt sich unbeeindruckt, die Lage könnte noch weiter eskalieren.
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Die beiden Aufsteiger zur neuen Bundesliga-Saison kommen aus Stuttgart und Hannover - und da hören die Gemeinsamkeiten bereits auf. Stuttgart liegt im Südwesten des Landes, Hannover zentral im Norden. Beim VfB herrscht Euphorie ob der Rückkehr in die Eliteklasse, man hat Spieler wie Holger Badstuber verpflichtet und dem großen FC Bayern sogar den Kaderplaner Michael Reschke abspenstig gemacht. Und bei Hannover 96? Was herrscht da eigentlich? Es wirkt jedenfalls, als stünde die Lust, endlich wieder Bundesliga zu spielen, nicht sonderlich im Vordergrund. Stattdessen schwelt ein großer Konflikt im Klub, und einige Anhänger sind dabei, den Verein mit öffentlichen Gewaltaktionen in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken. Klubchef Martin Kind, kurz davor, endgültig die Mehrheit im Klub zu übernehmen, antwortet gewohnt scharfzüngig, und so wird anderthalb Wochen vor dem Ligastart über vieles diskutiert, nur nicht über die erste Partie am 19. August auswärts bei Mainz 05. Der Protest gegen die Allmachtspläne des Klubchefs begleitet den Verein seit Jahren, doch diesmal ist es besonders schlimm. Seit Kind im Sommer verblüffend geräuschlos die Mehrheitsanteile der "96 Management GmbH" übernommen hat, zu einem ebenso verblüffend geringen Preis von 12 750 Euro, setzen die Ultras scheinbar endgültig auf Gewalt. Schon am letzten Spieltag der Zweitligasaison hatten 96-Krawallmacher das Stadion in Sandhausen beschädigt, nun nutzten sie das Test-Auswärtsspiel im nordwestenglischen Burnley dazu, das Ansehen des Vereins (und damit auch von Martin Kind) nachhaltig zu schädigen. Sie versuchten, den Heim-Block zu stürmen, warfen Sitzschalen auf die britischen Anhänger, eine Ordnerin wurde verletzt, das Spiel schließlich abgebrochen. Schon bei anderen Testspielen war es zu Zwischenfällen gekommen, der Verein gab den Ultras die Schuld und erklärte öffentlich, diese hätten Hannover 96 "immensen Schaden zugefügt". In England müsse sich der Klub nicht mehr blicken lassen. Geht das am 19. August in Mainz so weiter, wenn die Bundesliga-Spielzeit startet? Das steht zu befürchten, denn die Ultras unter den kritischen Fans fühlen sich machtlos, was die geplante Übernahme von Präsident und Unternehmer Martin Kind angeht. Er engagiert sich bald 20 Jahre im Verein, in diesem Fall greift eine Ausnahmeregelung im deutschen Fußball, sodass Hannover nicht mehr an die 50+1-Maßgabe gebunden sein wird, ähnlich wie Bayer Leverkusen, die TSG Hoffenheim oder der VfL Wolfsburg, die in der Hand von Großkonzernen oder Mäzen Dietmar Hopp sind. Für manche in Hannover eine Horrorvision und Gewalt das einzige Mittel, sich noch Gehör zu verschaffen. Kind gibt einen Vorgeschmack, was sein Plan für die Fans bedeutet Kind wird Ernst machen, daran besteht wenig Zweifel, und gibt dieser Tage einen Vorgeschmack, was dies für die Fanszene in Hannover bedeuten wird. Erst im Juli lehnte der Klub 119 Mitgliedsanträge mutmaßlich Kind-kritischer Fans nach langer Prüfung ab. "Im Sinne des Vereins", hieß es in der Begründung bloß, was bedeutete: Diese 119 Fans sollen bei der nächsten Mitgliederversammlung nicht gegen Kinds Vorhaben stimmen. Der Bild-Zeitung gab Kind auch noch ein Interview, in dem abermals deutlich wird, wie er mit den Ultragruppen umzugehen gedenkt. "Wir werden versuchen, sie auszugrenzen", erklärte Kind: "Die wollen wir eigentlich gar nicht, wir brauchen sie nicht." Man werde sich lieber um die 49 000 Fans im Stadion kümmern, die die Vereinspolitik billigen, nicht um die kritischen 300 bis 500, so Kind: "Das wird unser Ziel sein, daran werden wir arbeiten." Ein Antrag des Aufsichtsratsmitglied Ralf Nestler auf einstweilige Verfügung gegen Kinds Übernahmepläne wurde vom Landgericht in dieser Woche zurückgewiesen. Doch die Ultras haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie sich kaum geschlagen geben werden. Die Chance auf einen Friedensschluss zum Bundesligastart geht damit gen null.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/hannover-96-gewalt-gegen-den-eigenen-verein-1.3622847
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mlsum-de-1232
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Das britische Luftschiff "Airlander" soll Hubschraubern und Jets Konkurrenz machen. Doch beim dritten Probeflug ging dann die Landung schief.
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Am Rande des Dorfes erheben sich zwei riesige grüne Hallen aus der langweilig-flachen Landschaft. Die Hangars bei Cardington, einer Gemeinde 80 Kilometer nördlich von London, beherbergten früher eine Zeppelinwerft. Dort wurde das Luftschiff R101 gebaut, das 1930 in Nord-Frankreich abstürzte. Dabei starben 48 Passagiere. Als dann sieben Jahre später auch der deutsche Zeppelin Hindenburg in Flammen aufging, bedeutete dies endgültig das Aus für die leisen Giganten. Sie spielen seitdem keine Rolle mehr in der kommerziellen Luftfahrt. Doch einer der beiden Hangars in Cardington verbirgt ein ebenso großes wie ungewöhnlich aussehendes Flugobjekt, ein Hybridluftschiff. Das heißt Airlander, und es soll beweisen, dass Zeppelinen in moderner Form durchaus ein wichtiger Platz am Himmel zusteht: für den Transport schwerer Lasten, für die Überwachung von Grenzen, als fliegender Handymast. Der Hersteller, die britische Firma Hybrid Air Vehicles (HAV) hofft, schon im Juni bei der Pariser Luftfahrtmesse den ersten Auftrag verkünden zu können. "Eine Regierung aus dem Mittleren Osten will einen Airlander kaufen, um damit die Staatsgrenze aus der Luft zu beobachten", sagt Vorstandschef Stephen McGlennan. Der Preis liege bei 40 Millionen Dollar. Größer als ein A 380 und fast 150 Stundenkilometer schnell In der kühlen, dunklen Halle ruht ein weißer Koloss, mit 92 Metern länger als ein Doppelstock-Airbus und 26 Meter hoch. Die mit Helium gefüllte Hülle hat aber nicht die klassische Zigarrenform. Der Airlander ähnelt eher zwei Zeppelinen, die verbunden und in der Mitte eingedrückt wurden. "Flying Bum", fliegender Popo, wird das Gerät scherzhaft genannt, und dieser Spitzname ist sehr treffend. Zwischen den Pobacken ist unten die Kabine befestigt. Männer mit Schutzhelmen stehen am Pilotensitz und schauen auf die Kontrolleinheiten. Am anderen Ende des Airlander hebt eine Arbeitsplattform einen Monteur hoch zur Hülle. Hinten und an der Seite hängen vier Diesel-Propeller made in Germany. Sie beschleunigen das Luftschiff auf bis zu 148 Kilometer pro Stunde. Ein normaler Zeppelin schwebt, weil das Helium in der Hülle leichter als Luft ist. Doch beim Airlander steht dieser Effekt nur für 60 Prozent des Auftriebs. Den Rest steuert die gewöhnungsbedürftige Form bei, die wie ein Flugzeugflügel wirkt, sobald Propeller das Fahrzeug antreiben. Daher wird das Gerät Hybridluftschiff genannt. Stoppt der Pilot die Motoren, schwebt der Airlander sanft zu Boden und bleibt dort auch. Daher soll das Fluggerät schneller, zuverlässiger und deutlich simpler zu handhaben sein als ein klassischer Zeppelin. Die deutsche Firma Cargolifter hatte versucht, einen Lastenzeppelin mit traditioneller Zigarrenform zu entwickeln, ging aber 2002 pleite, auch wegen der technischen Schwierigkeiten. Cargolifters Hangar in Brandenburg beherbergt nun den Freizeitpark Tropical Islands. Eine noch größere Version ist schon in Planung Der Airlander kann, anders als Hubschrauber, dank des geringen Spritverbrauchs tagelang am Himmel bleiben - praktisch für Überwachungsmissionen. Telekom-Konzerne könnten das Luftschiff auch als Handymast nutzen, um etwa bei mehrtägigen Musikfestivals den Zehntausenden Besuchern besseren Empfang zu ermöglichen, sagt Firmenchef McGlennan: "Wir bereiten Flugtests über fünf Tage vor, mit drei Piloten und Betten in der Kabine." Fliegende Kreuzfahrten für Touristen seien ebenfalls möglich. Das Luftschiff im Hangar kann zehn Tonnen transportieren, doch für das kommende Jahrzehnt plant der Manager eine 30 Meter längere Version, die 50 Tonnen schleppen soll. Dann würde der Airlander interessant für Logistikkonzerne, die viele Container auf einen Schlag in unwegsame Gegenden transportieren wollen, zum Beispiel in Afrika oder am Polarkreis. Eine betonierte Landebahn benötigt der fliegende Popo nicht, eine kurze ebene Fläche reicht fürs Beschleunigen beim Start. "Die weltweite Nachfrage nach solchen Hybridluftschiffen könnte bei 700 bis 1000 liegen", sagt der 47-Jährige. Der Erstflug war in Lakehurst - wo einst die "Hindenburg" brannte Im Hangar wird der Airlander gerade auf neue Testflüge vorbereitet, die kommende Woche starten sollen. Bisher kreuzte das Hybridluftschiff erst dreimal am Himmel. Die Firma, die 2007 gegründet wurde, erhielt 2010 von der US-Armee den Auftrag, ein neuartiges Luftschiff zu bauen, das lange am Himmel bleiben und Krisengebiete wie Afghanistan überwachen kann. 2012 flog dieser Spionage-Airlander erstmals, ausgerechnet am Marine-Stützpunkt Lakehurst in New Jersey, wo 1937 die Hindenburg in Flammen aufging. Aus Kostengründen stellte die US-Regierung das Programm ein, doch das britische Unternehmen überzeugte das Pentagon 2013, ihm den Prototypen für 300 000 Dollar zurückzuverkaufen. Das war ein Schnäppchenpreis, schließlich hatte Washington 62 Millionen Pfund, damals knapp 100 Millionen Dollar, in die Entwicklung investiert, wie McGlennan vorrechnet. Seine Firma HAV baute das Spionage-Luftschiff um, damit es mehr Einsatzmöglichkeiten hat. Dieser neue Airlander stieg im vergangenen August zum zweiten und dritten Mal zu Probeflügen in die Luft. Doch beim dritten Flug ging die Landung schief. Der Airlander setzte in einem zu steilen Winkel auf; die Kabine wurde schwer beschädigt, verletzt aber zum Glück niemand. "Wir haben zwei Millionen Pfund in die Reparatur gesteckt und fünf Millionen Pfund in Verbesserungen, damit sich so etwas nicht wiederholt", sagt McGlennan. So befinden sich nun rechts und links der Kabine große aufblasbare Kissen, um die Landung abzufedern. Kommende Woche soll der überholte Airlander zum vierten Flug abheben und dann den Sommer über Hunderte Flugstunden absolvieren. "Die Bruchlandung hat unseren Zeitplan und die Finanzen belastet, aber das passiert eben bei Testflügen", sagt der Chef. Börsengang im kommenden Jahr geplant Das Unternehmen mit 110 Beschäftigten musste mehr Geld auftreiben, doch "zum Glück waren einige unser größten Anteilseigner sehr hilfsbereit", sagt der Jurist. Zu den wichtigsten Investoren gehörten zwei deutsche Industriellenfamilien, sagt er. Bekanntester Geldgeber ist allerdings Bruce Dickinson, der flugbegeisterte Sänger der Heavy-Metal-Band Iron Maiden. Daneben hat HAV Kapital über die Internet-Plattform Crowdcube eingesammelt, bei der Kleinanleger in Start-ups investieren können. Insgesamt verfügt die Firma daher über mehr als 2000 Anteilseigner. Bei der Entwicklung des Luftschiffs halfen zudem Fördergelder der britischen Regierung und der EU. Für das kommende Jahr peilt McGlennan einen Börsengang an. Manche der gut 2000 Investoren wollten vielleicht Anteile verkaufen, und das sei so einfacher, sagt er. HAV wiederum könne sich über die Börse einfach Kapital besorgen, um irgendwann das größere Modell mit 50 Tonnen Tragkraft zu entwickeln. Zunächst gilt es aber, für den Kunden im Mittleren Osten den existierenden Prototypen nachzubauen. Der soll 2018 in die Luft gehen. Die Firma hofft, 2019 von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit die Serienzulassung für den Airlander zu erhalten. Das ist der amtliche Nachweis, dass das Luftschiff sicher ist. "Im Jahr 2020 wollen wir dann zwölf Airlander bauen", sagt der Chef. "Diese Marke ist eine hübsche Herausforderung." Der Hersteller würde bei solchen Verkaufszahlen 70 Millionen Pfund Betriebsgewinn erzielen. HAV soll die Luftschiffe nur montieren, sämtliche Teile sollen Zulieferer beisteuern. Damit solche Träume wahr werden können, muss der Airlander erst einmal weitere Testflüge meistern. Für den Spätsommer plant McGlennan etwas Besonderes: "Der Airlander soll von London über Rotterdam entlang des Rheins zur Zeppelinwerft nach Friedrichshafen am Bodensee fliegen", sagt er. "Das dauert sieben Stunden." Dann wäre der fliegende Popo auch am deutschen Himmel lang und breit zu bewundern.
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https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/luftschiff-airlander-der-popo-fliegt-wieder-1.3455372
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mlsum-de-1233
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Die Deutsche Fußball Liga einigt sich über die Verteilung der Fernseheinnahmen. Bayern-Boss Rummenigge wird gelobt, andere Klubvertreter bekommen eine moralische Standpauke.
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Neben dem Spielfeldrand bauen Mitarbeiter von Sportcast, der TV-Produktionsfirma der Fußball-Bundesliga, Monitore auf. Wer alle Begegnungen lieber vom Sofa aus sehen will, kann das nur mit zwei Abos. Rüdiger Fritsch, der Präsident von Darmstadt 98, war einer der Ersten, die nach der Sitzung der 36 Bundesligavertreter zügig dem Ausgang des Frankfurter Tagungshotels zustrebten. Befragt, ob er zur Sache schon etwas sagen könne, erwiderte der Rechtsanwalt: "Ich weiß nichts. Ich habe nichts verstanden." Ob Fritsch sein Nicht-Wissen vortäuschte, weil er sich der Diskretion verpflichtet fühlte, oder ob er vor lauter Verwirrung davonlief, ließ sich nicht klären. Tatsächlich ist es aber nicht unwahrscheinlich, dass mancher Funktionär mehr irritiert als aufgeklärt das Haus verlassen hat, nachdem ihn der DFL-Vorstand unterrichtet hatte, wie die Millionen aus dem nächsten TV-Vertrag unter den Profiklubs verteilt werden sollen. Man habe "viele Modell hin- und her- und durchgerechnet und sich mit viel Fantasie und Fleiß auf einen gemeinsamen Nenner geeinigt", sagte DFL-Chef Reinhard Rauball. Das Ergebnis - vom Neun-Mann-Präsidium im Namen der beiden Ligen einstimmig beschlossen - werde sich nicht "auf den ersten Blick erschließen", ergänzte DFL-Geschäftsführer Christian Seifert. Doch gerade die Komplexität des in weiten Teilen neuen Verteilungsschlüssels soll ein für beide Ligen akzeptables System garantieren. Es handele sich um einen Code, "der sich von den starren Positionen und Denkweisen des Die-da-oben und Die-da-unten löst", sagte Seifert. Die Verteilung der 1,16 Milliarden Euro, die das Fernsehen ab 2017/18 vier Spielzeiten lang jährlich bezahlt, wird in einem Vier-Säulen-Modell geregelt. Die stärkste Säule (70 Prozent der Summe) ist der Grundbetrag für alle; das andere tragende Parameter ist die sportliche Nachhaltigkeit (23 Prozent). Eine weitere Säule (5 Prozent) zieht die Dauer der Liga-Zugehörigkeit heran. Berechnet werden die vergangenen 20 Jahre, das ist neu. Wer lange dabei ist, profitiert von diesem Ansatz - ein gestürzter Klub wie Kaiserslautern findet sich in dieser Kategorie auf einem soliden Erstligaplatz. Auch die Jugendarbeit wird zu einem kleinen Prozentsatz (2 Prozent) belohnt - berechnet nach Einsatzminuten der ausgebildeten Spieler. "Die Nachwuchsförderung ist ein absolutes Kernmerkmal der Liga", sagte Seifert. Hauptgewinner wäre derzeit der SC Freiburg, er bekäme 1,2 Millionen. Dem DFL-Präsidium gehören Vertreter der wesentlichen Fraktionen beider Ligen an. Laut den Verantwortlichen ist ein Modell entstanden, das den Einzelinteressen Rechnung trägt, aber Gemeinschaftsinteressen in den Mittelpunkt stellt. Einerseits sei es eine "leistungsorientierte Tabelle" (Seifert), andererseits eine Schöpfung, die "Solidarität mit Fakten unterlegt" (Rauball). Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob das Modell eher tradierte sozialliberale als zeitgenössische neoliberale Züge trägt. Das TV-Geld wird nicht nach edler Herkunft und nicht schwerpunktmäßig nach Ruhm und Erfolg der 36 Klubs verteilt. Sondern nach der Idee, zugleich Leistung zu honorieren und Spannung in allen Regionen beider Tabellen zu fördern. Karl-Heinz Rummenigge wird allgemein gelobt Nicht alle Beteiligten konnten sich für die Priorität dieser Idee immer begeistern. Bis zum Beschluss gab es Kontroversen, und einige Klubs sind auch nicht zufrieden. Der FC Bayern gehört nicht dazu, die verständnisvolle Haltung von Karl-Heinz Rummenigge wurde allgemein gelobt. Den Bayern fällt es aber, wie Dortmundern und anderen Europacupteilnehmern (Leverkusen, Schalke), nicht ganz so schwer zu verzichten. Die anstehende Europacup- Reform der Uefa stellt ausreichende Kompensation in Aussicht. Die Unzufriedenen kommen eher aus der Mitte der Liga, und diesen Klubs hielt Liga-Chef Seifert eine moralische Standpauke: "Wir reden hier über gewaltige Summen, der Wunsch nach mehr (Geld) sollte nicht in Gier umschlagen. Keiner verliert was, jeder kriegt sehr viel mehr als vorher - nur vielleicht nicht so viel mehr, wie er gern gehabt hätte." Diese Ermahnung richtete sich vor allem an die Gruppe der Traditionsvereine, die sich im "Team Marktwert" zusammengetan hatten. Namentlich Bremen, HSV, Köln, Frankfurt und Stuttgart (Mönchengladbach, sechstes Gründungsmitglied, verließ den Kreis). Sie reklamierten einen höheren Anteil, weil sie meinen, ein größeres Publikum anzuziehen als das Gros der übrigen Klubs. Das Modell, das "Team Marktwert" zur Beute-Verteilung vorlegte, überzeugte das Präsidium aber nicht. Die Objektivität und Messbarkeit von zu honorierenden Kriterien - etwa die Anzahl mitreisender Fans, Social-Media-Kontakte und TV-Reichweiten - wurde bezweifelt. Am Ende steht nun eine Lösung, die Wachstum stimulieren, aber auch die großen wie die kleinen Vereine glücklich machen soll. Und: den TV-Unternehmen, die ja viel Geld zahlen, eine spannende Liga garantieren. Über die Details wird noch zu diskutieren sein - wenn alle verstanden haben, worum es geht.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-tv-gelder-streit-ueber-gier-und-solidaritaet-beendet-1.3264964
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mlsum-de-1234
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Die Hamburger SPD braucht einen Koalitionspartner, nach vier Jahren Alleinregierung. Die Grünen - Wunschkandidat von Bürgermeister Scholz - wollen hart verhandeln. Wahlverlierer CDU muss sich derweil Belehrungen von der Schwesterpartei CSU anhören.
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SPD braucht Koalitionspartner Die SPD hat die Wahl in Hamburg klar gewonnen, schrammt aber mit 45,7 Prozent an der absoluten Mehrheit vorbei. Nach vier Jahren Alleinregierung müssen die Sozialdemokraten sich einen Koalitionspartner suchen. Wahlsieger Olaf Scholz wünscht sich die Grünen, hat diese aber bereits vor zu hohen Ansprüchen in den geplanten Koalitionsverhandlungen gewarnt. Mit der nur knapp verfehlten absoluten Mehrheit sei "auch eine inhaltliche Botschaft verbunden, wie sich die Stadt weiter entwickeln soll", sagte Scholz. Er sei optimistisch, dass die Verhandlungen über Rot-Grün zum Erfolg führten. Doch es gibt auch kritische Stimmen innerhalb der SPD: Hamburgs früherer Bürgermeister Klaus von Dohnanyi sagte, er sei "kein besonderer Freund von Rot-Grün". Die Grünen ziehen mit 12,2 Prozent leicht gestärkt in die Bürgerschaft ein. Sie zeigten sich für Gespräche mit der SPD offen. Spitzenkandidatin Katharina Fegebank kündigte im NDR jedoch an, sie werde um die eigenen Themen kämpfen. Als Beispiele nannte Fegebank die Bereiche Verkehr und Umwelt. Co-Spitzenkandidat Jens Kerstan sagte: "Wir werden hart verhandeln und sind dann zuverlässige Partner." Sollte es wider Erwarten mit den Grünen nicht klappen, steht aber auch die FDP für eine gemeinsame Regierung bereit, wie Spitzenkandidatin Katja Suding sagte. Die Liberalen konnten in Hamburg erstmals seit Längerem wieder ein gutes Wahlergebnis verbuchen und bleiben mit 7,4 Prozent in der Bürgerschaft. Lob für Scholz aus der Bundespartei SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht den Erfolg in Hamburg als Ermutigung für die Sozialdemokraten im Bund. Es habe sich gezeigt, dass sich verlässliche Regierungsarbeit auszahle, diese "steht für die SPD an erster Stelle", sagte Gabriel. Er räumte allerdings ein, dass die Sozialdemokraten vor allem im Süden und Osten Deutschlands stärker werden müssten. Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, würdigte das gute Wahlergebnis seiner Partei: "Das Hamburger Ergebnis ist in erster Linie ein großer persönlicher Erfolg von Olaf Scholz, aber damit macht er auch der gesamten SPD Mut", sagte Oppermann der Rheinischen Post. Scholz wird am Morgen von Parteichef Sigmar Gabriel in der Berliner Parteizentrale empfangen. Mit seinem erneuten Wahlsieg gewinnt Hamburgs Bürgermeister auf der SPD-Bundesebene an Gewicht. Im Parteivorstand kann niemand sonst zwei derart klare Wahlerfolge vorweisen. In der Partei herrscht angesichts der schwachen Umfragewerte um 25 Prozent unter Gabriel die Sorge, bei der Bundestagswahl 2017 erneut zu unterliegen. CSU-Generalsekretär beklagt CDU-Schwäche Die CDU ist der große Verlierer der Wahl in Hamburg. Sie stürzte um sechs Prozentpunkte auf ein historisches Tief von nicht einmal 16 Prozent ab. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sieht die Schwesterpartei CDU nun in der Pflicht - nicht nur in Hamburg: "Wir haben im Bund und in Bayern blendende Stimmung und beste Umfragewerte", sagte Scheuer der Zeitung Die Welt. In einigen Ländern müsse nun die CDU "hart an sich arbeiten, damit es wieder besser wird". Scheuer sagte, die CDU habe sich in Hamburg vom Weggang des früheren Bürgermeisters Ole von Beust nicht erholt. Bei Kommunalwahlen komme es "immer auf die Persönlichkeit des Spitzenkandidaten an" - eine deutliche Spitze gegen CDU-Spitzenmann Dietrich Wersich. Auch CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn sieht vor allem einen personellen Grund als Grund für das Wahldebakel seiner Partei. Das Ergebnis für die CDU in Hamburg sei "bitter", sagte er der Leipziger Volkszeitung. Es sei allerdings "schwer", gegen einen derart populären Politiker wie Scholz zu gewinnen. Parteivize Volker Bouffier nannte das Ergebnis eine "ordentliche Klatsche" für die CDU. Die Partei habe kein überzeugendes eigenes Thema anbieten können. Erfolg für AfD und Linke Die AfD schaffte in Hamburg erstmals den Sprung in ein westdeutsches Landesparlament. Sie kommt auf 6,1 Prozent. Die Linke erreicht 8,5 Prozent - und steigert sich damit um 2,1 Prozentpunkte. Die Wahlbeteiligung war mit offiziell 56,6 Prozent so schlecht wie nie in Hamburg (2011: 57,3).
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https://www.sueddeutsche.de/politik/regierungsbildung-in-hamburg-scholz-muss-verhandeln-1.2353238
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mlsum-de-1235
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Baseball, Boxen, Steuersparer - dafür war Panama bislang bekannt. Doch vor dem ersten WM-Spiel gegen Belgien verschiebt sich etwas. Die Sportlegende des Landes hat damit ein Problem.
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In Panama erzählen sie über Roberto Durán, er habe im Alter von 14 Jahren mit einem rechten Haken ein Pferd ausgeknockt. Das kann Durán so nicht bestätigen. Erstens, sagt er, sei er wohl schon 15 gewesen. Zweitens habe er das Pferd nicht ausgeknockt, sondern nur umgehauen. Er ist keiner, der die Geschichten größer macht, als sie schon sind. Allerdings ist Roberto Durán, genannt "Mano de Piedra", die Steinerne Hand, auch nicht von krankhafter Bescheidenheit besessen. Er ist sehr wohl der Meinung, dass er völlig zurecht als der größte Sportler angesehen wird, den sein kleines Land je hervorbrachte. Ein Land, in dem nahezu alle Sportlegenden Baseball-Spieler oder Boxer sind. Bislang jedenfalls. Rod Carew gehört sicher dazu, siebenmal in der nordamerikanischen Profiliga Major League Baseball als bester Schlagmann ausgezeichnet. Oder Mariano Rivera, der langjährige Pitcher der New York Yankees. Durán sagt, er verehre beide, dann beginnt er seine eigenen Meriten aufzuzählen: Fünf Weltmeistertitel in vier Gewichtsklassen, 103 Profi-Siege, 70 durch K. o., 1999 zum besten Leichtgewichtsboxer des 20. Jahrhunderts gewählt, guter Freund von Fidel Castro und Mike Tyson. Noch Fragen? Ja, vielleicht diese: Was hält er von Roman Torres? "Ah, Fußball", sagt Durán, "eine interessante Trendsportart." Vorrundenspiel zum Überstunden abbauen Im panamaischen Sportbetrieb verschiebt sich gerade etwas. Das spürt auch der alte Durán mit seinen 67 Jahren. Es ist ja schon deutlich mehr als ein Trend, was der Fußball in den vergangenen Tagen und Wochen ausgelöst hat, es ist mindestens ein Hype. Das Boxer-, Baseball- und Steuersparerparadies Panama ist erstmals bei einer Fußball-WM dabei, und der langhaarige Verteidiger Roman Torres, der das entscheidende Tor in der Qualifikation erzielte, wurde über Nacht so berühmt wie die Carews, Riveras und Duráns dieses Landes. Vor ein paar Jahren wäre es in Panama noch undenkbar gewesen, dass ein Fußballer in einem Atemzug mit diesen Nationalhelden genannt wird. Inzwischen scheint gar nichts mehr undenkbar zu sein. Das erste Gruppenspiel der sogenannten "Canaleros" (frei übersetzt: Kanalarbeiter) an diesem Montag gegen Belgien wird um 10 Uhr panamaischer Zeit angepfiffen. Das Bildungsministerium wies vorsichtshalber alle Lehrer des Landes darauf hin, dass sie trotzdem zur Arbeit zu erscheinen hätten, wobei der Schulunterricht an diesem Tag durchaus "eine Aktivität in Gedenken an die Weltmeisterschaft" beinhalten könne. Wer im Übrigen Überstunden angesammelt habe, heißt es in der behördlichen Mitteilung weiter, dürfe sie gerne während eines Vorrundenspiels Panamas abbauen. "Wenn die Regierung den Boxsport nur auch mal so fördern würde", grummelt Roberto Durán. Noch ist der Heldenstatus dieses Mannes unerreicht. Um ihn zu treffen, muss man sich nicht mit ihm verabreden, jeder in Panama-Stadt kennt das Haus, in dem die Steinerne Hand wohnt. Es steht in einer Straße, die bei Google Maps "Avenida 1a B" heißt und im Volksmund "Mano de Piedra". Auf dem Dach des Anwesens von Durán befindet sich die wohl größte Satellitenschüssel der westlichen Hemisphäre, die nicht im Besitz der CIA ist. Um zur Haustür zu gelangen, durchschreitet man eine Säulenhalle voller griechischer Götterstatuen und bronzenen Elefanten. Klingeling - einer der neun Söhne des Hausherrn öffnet die Tür. "Papa ist schon in der Kneipe", sagt er. Es ist Mittwoch, 14.30 Uhr.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-wm-panama-entdeckt-die-trendsportart-1.4019648
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mlsum-de-1236
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Münchens Topschwimmerin Alexandra Wenk bereut ihren Entschluss nicht, trotz Sicherheitsbedenken bei der Kurzbahn-EM in Israel zu starten. Über 100 Meter Schmetterling wird sie mit deutschem Rekord Dritte. Auch ihre Klubkollegen Marius Kusch und Philipp Wolf überzeugen
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So schlecht ist diese Rolle rückwärts für Alexandra Wenk also nicht gewesen. Bei der deutschen Kurzbahn-Meisterschaft, bei der die Schwimmerin der SG Stadtwerke München kürzlich drei Titel gewann, hatte sie noch Bedenken geäußert wegen der Reise zur Kurzbahn-Europameisterschaft nach Israel Anfang Dezember: "Ganz ehrlich: Das Risiko ist mir zu groß", hatte Wenk gesagt. Die Verbandsspitze konnte sie und andere Athleten dann doch noch überzeugen, den Trip in den nur einen Steinwurf vom Westjordanland entfernten Mittelmeer-Badeort Netanja anzutreten. Am Montag flog Wenk dann mit der Gewissheit zurück, neun Monate vor den Olympischen Spielen in Rio in hervorragender Form zu sein. Sie hatte tags zuvor Bronze über ihre Paradestrecke 100 Meter Schmetterling gewonnen, in einer Zeit, die sie noch nie geschwommen ist: 56,43 Sekunden. Die 20-Jährige pulverisierte damit den deutschen Rekord, den sie erst im Halbfinale am Samstag aufgestellt hatte, um 35 Hundertstel. "Ich freue mich mega. Dabei verlief das Rennen gar nicht so gut, wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber egal, es ist eine Medaille hinter den zwei momentan besten Delfinschwimmerinnen geworden", sagte Wenk, die sich lediglich Weltrekordlerin Sarah Sjöström aus Schweden und der Dänin Jeanette Ottesen geschlagen geben musste. Die Münchnerin, die damit ihre erste Einzelmedaille bei einer Europameisterschaft gewann, fühlte sich auch abseits ihres Erfolges ziemlich gut aufgehoben in Israel. "Es war alles super, ich habe mich nicht unsicher gefühlt, was ja die Zweifel waren", sagte sie. Das Auswärtige Amt hatte die deutsche Delegation noch per Mail informiert, dass sich die Gruppe vorsichtig verhalten solle, am letzten Abend sind die Schwimmer daher auch nicht auswärts feiern gewesen, sondern saßen lieber noch ein wenig zusammen in ihrem Hotel. "Mit Cola und Chips. Was Ungesundes muss auch mal sein", sagte Wenk am Montag gut gelaunt und betonte: "Das war eine gute Zwischenstation auf dem Weg nach Rio und gibt mir viel zusätzliche Motivation." Detailansicht öffnen Hier jubelt Alexandra Wenk nach ihrem deutschen Rekord im Halbfinale über 100 Meter Schmetterling; (Foto: Imago) Besonders war die Reise also allemal, wegen der äußeren Umstände, wegen der starken Zeiten und Erfolge, die nicht nur Wenk aus Münchner Sicht erzielte - sondern auch ihre beiden Klub- und Trainingskollegen Marius Kusch und Philipp Wolf. Für Kusch, 22, und Wolf, 23, waren es im Gegensatz zu Wenk die ersten großen internationalen Meisterschaften bei den Erwachsenen - und sie liefen gleich beeindruckend. Wolf zog in persönlicher Bestzeit ins Finale über 100 Meter Freistil ein und wurde dort Vierter, Kusch verpasste diesen Endlauf als Neunter hauchdünn. Zusammen kamen die beiden mit der 4×50 Meter Lagen-Staffel auf Rang vier. "Sie haben alle drei mehr als ihr Soll erfüllt, das war ohne Fehl und Tadel, ich bin stolz auf sie", sagte ihr Heimtrainer Olaf Bünde. Das Interessante ist, dass Kusch und Wolf lange Zeit im Schatten der deutschen Spitze geschwommen sind. Kusch, der aus Datteln im Ruhrgebiet stammt und als Schüler beim jetzigen Bundestrainer Henning Lambertz trainierte, und der gebürtige Weidener Wolf kamen vor drei Jahren nach München, wegen des Studiums und der besseren Trainingsmöglichkeiten. "Sie haben lange gebraucht, um den Sprung an die Spitze zu schaffen", sagt Bünde, doch der Sog der Vorschwimmer Florian Vogel (der die EM ausließ) und Wenk hat sie dann auch mitgerissen, was zugleich harte Arbeit war. Wolf und Kusch, der viereinhalb Jahre mit Wenk liiert war, sind ziemlich unterschiedliche Typen. "Philipp ist der Ruhigere, der aufgrund seiner Größe und Kraft körperliche Vorteile hat, aber mehr für den Erfolg arbeiten muss", sagt Bünde: "Marius hat großes Talent, das weiß er auch, aber er muss noch konstanter werden." Zudem ist Kusch empfänglich für kleinere Krankheiten. Seine Schulterprobleme hat er aber überwunden. Und er hat Ziele: Schon als Schüler hatte Kusch die Flagge mit den Olympischen Ringen über seinem Bett hängen. Von Januar an möchte er in den USA studieren und sich dort den Feinschliff holen vor der olympischen Langbahn-Saison. Detailansicht öffnen Streckübungen in Netanja: Marius Kusch bei letzten Vorbereitungen vor seinem Start über 100 Meter. (Foto: Imago) Wenn es seine Leistung weiter steigert, könnte sich dieses Quartett für die Spiele qualifizieren, wobei die besten Chancen die deutschen Meister Vogel und Wenk haben. Bünde hat an der Leistung seiner stärksten Schwimmerin vor allem gefallen, dass sie bei mehreren EM-Rennen in kurzen Abständen konstant gut war - über 200 Meter Lagen und mit der 4×50-Meter-Lagen-Staffel kam sie jeweils ins Finale und wurde Sechste. "Die Steigerungssprünge sind eine logische Konsequenz ihres Trainings. Aber wie schnell sie das geschafft hat, hat mich auch überrascht. Sie ist gerade in einem Flow." Am Donnerstag bricht Wenk nach Amsterdam auf, ein Einladungswettkampf auf der langen Bahn. Akklimatisierungszeit, wenn man so will, vor einem sicher einschneidenden Jahr, in welche Richtung es auch gehen mag.
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https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/europameisterschaften-in-netanja-bronze-nach-der-kehrtwende-1.2771356
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mlsum-de-1237
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Diego Maradona erleidet Hundebiss, DFB stellt Verfahren gegen Kempter ein, Lothar Matthäus hätte an Bayerns Stelle Ribéry schon lange verkauft, Nowitzki überragt. Sport kompakt
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Die Gefahren lauern überall, vor allem bei Diego Armando Maradona. Seine Herzattacken, Leberleiden und Qualifikationsniederlagen hat der berühmteste Fußballer der Vergangenheit und argentinische Nationaltrainer der Gegenwart fürs erste zwar überstanden. Am Montagabend spielte er in seinem Haus nahe des Flughafen Ezeiza von Buenos Aires dem Vernehmen nach mit einem seiner Hunde, zur Entspannung vor der WM. In der Nacht hieß es dann, Maradona sei um ein Uhr morgens "wegen eines Hausunfalls" in die Klinik Los Arcos im Stadtteil Palermo eingeliefert worden. Das Tier mit Namen Shar Pei hatte das Herrchen offenbar gebissen, und zwar mitten ins Gesicht. Bei einem mikrochirurgischen Eingriff musste unter anderem die Lippe repariert werden. Die Operation erfolgte im selben Hospital, wo der Patient 2007 nach einer Hepatitis wegen Alkoholexzesses notkuriert worden war. Diesmal scheint es nicht so gefährlich gewesen zu sein, nur schmerzhaft. Maradona gehe es schon wieder gut, informierten Eingeweihte, er werde schnell wieder entlassen. Derweil spotteten Leser der Zeitungen, der Hund habe sich die Zähne ausgebissen oder eine Überdosis zugezogen. _________________________________________________________________ Der Kontrollausschuss des DFB hat das Ermittlungsverfahren gegen Schiedsrichter Michael Kempter eingestellt. Das teilte der DFB am Dienstag mit. Anlass des Verfahrens war eine offensichtlich von Kempter stammende E-Mail an den ehemaligen Schiedsrichterbeobachter Manfred Amerell, in der er sich negativ über Bayern München geäußert hatte. "Es handelt sich hierbei um keinen sportrechtlich relevanten Sachverhalt, da die Äußerungen im rein privaten und vertraulichen Rahmen gemacht wurden und nicht damit gerechnet werden konnte, dass diese in die Öffentlichkeit gelangen würden", sagte der Kontrollausschuss-Vorsitzende Anton Nachreiner. Laut Amerell soll Kempter ihm vor der 0:2-Niederlage der Bayern in der Champions League am 11. April 2007 gegen den AC Mailand eine E-Mail geschrieben haben, in der es heißt: "Hoffentlich fliegen die Bayern gleich raus, dann können wir anstoßen." Kempter hatte bereits in der vergangenen Woche Karl-Heinz Rummenigge und Vorstandsmitglied Karl Hopfner bei einem Gespräch um Entschuldigung gebeten. Die Bayern nahmen die Entschuldigung an. Zudem gab der DFB bekannt, dass Kempter nach seiner rund zweimonatigen Pause in der kommenden Woche einen Leistungstest absolvieren wird. Danach wird entschieden, wann er wieder eingesetzt werden soll. _________________________________________________________________ Fußball-Rekordnationalspieler Lothar Matthäus hat Franck Ribéry von Bayern München attackiert und dem Rekordmeister indirekt den Verkauf des Franzosen nahegelegt. "Sein Auftritt gegen Stuttgart (beim 1:2 am vergangenen Samstag) hat mir nicht gefallen. Da ist Lustlosigkeit dabei und somit auch eine Provokation gegenüber den Zuschauern", sagte Matthäus verschiedenen Zeitungen: "Ich hoffe, dass er sich auf seine Qualitäten konzentriert, dann ist er einer, der den Unterschied ausmachen kann." Nach Meinung des 49 Jahre alten Ex-Bayern-Profis hätten die Münchner ihren Star trotz dessen unbestrittener Qualität schon im vergangenen Sommer verkaufen müssen. "Wenn ich das Geld, das ich für Ribéry bekommen hätte, in andere Spieler investiert hätte, hätte man das auffangen können", sagte er über einen möglichen Abschied des Mittelfeldspielers: "Es war van der Vaart frei, Sneijder frei, und Robben wurde geholt. Man hätte drei Holländer von Real Madrid kaufen können. Von meinen Gedanken her wäre das in Ordnung gewesen." Matthäus wunderte sich zudem darüber, dass Ribéry bei einigen internationalen Spitzenklubs wie Real Madrid, dem FC Barcelona, dem FC Chelsea und Manchester United so begehrt ist. "Ribéry war sehr lange verletzt und hat nicht die Saison gespielt, die er die Saison zuvor gespielt hat. Dennoch kann er sich, wenn er sich nicht für den FC Bayern entscheidet, einen Topverein in Europa aussuchen", sagte Matthäus. _________________________________________________________________ Der Arzt der argentinischen Fußball-Nationalmannschaft hat Bayern München in Bezug auf Martin Demichelis verantwortungsloses Verhalten vorgeworfen. Der argentinische Nationalspieler war rund drei Wochen nach seiner schweren Gesichtsverletzung im Ligaspiel am Samstag gegen den VfB Stuttgart (1:2) in der Schlussphase eingewechselt worden. "Ich bin überrascht, dass sie die Gesundheit des Spielers nicht an erster Stelle sehen", sagte Donato Villani der Sportzeitung Ole. Er sei wirklich enttäuscht, dass die Verantwortlichen von Bayern München die Konsequenzen, die diese Entscheidung haben könnte, nicht beachtet hätten, sagte Villani weiter. Demichelis hatte beim Länderspiel zwischen Deutschland und den Argentiniern (0:1) am 3. März in München bei einem Zusammenprall mit Michael Ballack mehrere Brüche im Gesicht erlitten und musste operiert werden. Laut Villani benötigt ein Fußballer nach einer solchen Verletzung eine Wettkampfpause von fünf bis sechs Wochen. _________________________________________________________________ _________________________________________________________________ Fußball-Nationalspieler Bastian Schweinsteiger rechnet im Fall Kevin Kuranyi nicht mit einem Einlenken von Joachim Löw. "Ich glaube nicht, dass der Bundestrainer sich da ändern wird von seiner Entscheidung, die er getroffen hat", sagte der Profi des FC Bayern München am Montagabend im Bayerischen Fernsehen. Zwar sei er Stürmer von Schalke 04 "im Moment in einer sehr guten erfassung", betonte Schweinsteiger. "Mich persönlich freut es, dass er jetzt so einen Lauf hat, weil er ein guter Kerl ist." Allerdings habe der Bundestrainer seine Entscheidung schon gefällt. Nach den starken Auftritten von Kuranyi hatten sich zuletzt die Stimmen gemehrt, die mit Blick auf die WM ein Nationalmannschafts-Comeback des Schalke-Torjägers fordern. So hatte Bayern-Ehrenpräsident Franz Beckenbauer ein Umdenken Löws und die Rückkehr des derzeit "besten deutschen Stürmers" angemahnt. "Dieses kategorische Nein hat mich von Anfang an gestört", sagte Beckenbauer. Er verurteilte "die lebenslange Sperre". Kuranyi war im Oktober 2008 in der Halbzeit des Länderspiels gegen Russland (2:1) in Dortmund eigenmächtig vom Nationalteam abgereist und hatte damit seine Chancen bei Löw eingebüßt. "Er weiß, dass er einen Fehler gemacht hat", betonte Schweinsteiger. ________________________________________________________ Stefan Emmerling wird neuer Trainer beim Fußball-Drittligisten FC Rot-Weiß Erfurt. Der 44-Jährige unterschrieb am Dienstag einen Vertrag bis zum Saisonende mit der Option auf ein weiteres Jahr. Das teilte der Club mit. Der frühere Bundesliga-Profi, der als Coach zuvor Fortuna Düsseldorf, Alemannia Aachen II, Kickers Emden und Rot-Weiß Ahlen betreut hatte, soll am Dienstagmittag auf einer Pressekonferenz vorgestellt werden. Emmerling tritt die Nachfolge von Rainer Hörgl an. Der 53-Jährige war am vergangenen Donnerstag beurlaubt worden. _________________________________________________________________ Die Dallas Mavericks haben dank eines überragenden Dirk Nowitzki in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA Rang zwei der Western Conference erobert. Dem Würzburger gelang beim 109:93-Erfolg im Spitzenspiel gegen die Denver Nuggets mit 34 Punkten, zehn Rebounds und zehn Assists das zweite "Triple-Double" seiner Karriere. Zuvor hatte Nowitzki in seinen letzten vier Einsätzen jeweils die 20-Punkte-Marke verpasst. Mit nun 49 Siegen und 25 Niederlagen verdrängten die "Mavs" die Nuggets (48:27), die ihrerseits nach vier Niederlagen in den vergangenen fünf Spielen auf Rang fünf im Westen zurückfielen. Den ersten Korberfolg überließ Dallas dem Gast, danach gaben Nowitzki und Co. die Führung aber über die gesamte Spielzeit nicht mehr aus der Hand. Nach Ende des ersten Viertels führten die Texaner 31:23, zur Halbzeit 55:46 und nach dem dritten Abschnitt 79: 69. "Das hat definitiv Spaß gemacht", erklärte Nowitzki nach dem Spiel, in dem Shawn Marion weitere 21 Zähler für Dallas beisteuerte. Auf Seiten der Nuggets ragte J.R. Smith mit 27 Punkten heraus, Topscorer Carmelo Anthony musste sich derweil mit zehn Zählern begnügen. _________________________________________________________________ Fußball-Zweitligist Arminia Bielefeld hat Interimstrainer und Sport-Geschäftsführer Detlev Dammeier mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden. Das teilte der Klub am Dienstag mit. Das Traineramt übernimmt bis zum Saisonende der bisherige Assistent Frank Eulberg. Dammeier soll "einen neuen Tätigkeitsbereich" im Klub erhalten. "Wir bedanken uns bei Detlev Dammeier für die geleistete Arbeit. Dennoch sind wir mehrheitlich zu dem Entschluss gekommen, uns im Bereich der sportlichen Leitung neu aufzustellen", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Norbert Leopoldseder: "Zukünftig sollen Aufgaben und Verantwortungsbereich des Trainers und des Sportgeschäftsführers in einer Stelle gebündelt werden." Eine Arbeitsgruppe um Geschäftsführer Heinz Anders sei beauftragt, den neuen starken Mann zu finden. Der 47-jährige Eulberg war zuvor bereits Cheftrainer bei Carl Zeiss Jena und Göttingen 05, Anfang 2007 wurde er Co-Trainer bei der Arminia. Der Verein musste nach der Entlassung von Chefcoach Thomas Gerstner bis zum Ostermontag einen Trainer mit Fußballlehrerlizenz präsentieren, Dammeier besitzt diese nicht. Dammeier (43) war aufgrund der sportlichen Misere des Bundesliga-Absteigers zunehmend in die Kritik geraten. Zudem lasteten ihm die Fans Versäumnisse im Zuge des Vier-Punkte-Abzugs an. Die DFL hatte die Ostwestfalen wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen der Lizenzierungsordnung mit dem Punktabzug und 50.000 Euro Geldstrafe belegt. _________________________________________________________________ Ex-Nationalspieler Torsten Frings von Werder Bremen ist nach seiner umstrittenen Roten Karte für ein Spiel gesperrt worden. Dieses Urteil fällte das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am Dienstag mit der Begründung des "unsportlichen Verhaltens". Frings war am Samstag beim 4:2 von Werder gegen den 1. FC Nürnberg in der 82. Minute des Bundesliga-Spiels von Schiedsrichter Markus Schmidt (Stuttgart) des Feldes verwiesen worden. Bremens Kapitän hatte seinen Gegenspieler Thomas Broich mit dem Arm getroffen - unabsichtlich, wie Frings immer wieder betonte. Werder-Clubchef Klaus Allofs hatte gehofft, dass die Rote Karte "eine andere Folge als eine Sperre haben kann" und Frings am Samstag in Dortmund spielen darf. Werder Bremen kann gegen das Urteil im Einzelrichter-Verfahren nach Anklageerhebung durch den DFB- Kontrollausschuss binnen 24 Stunden Einspruch einlegen und eine mündliche Verhandlung vor dem Sportgericht beantragen. ___________________________________________________________________ Der Grieche Georgios Chalkidis von der HSG Wetzlar hat für seine Beiß-Attacke eine der höchsten Strafen in der Geschichte der Handball-Bundesliga erhalten. Der 32 Jahre alte Kreisläufer muss wegen seines Angriffs gegen den Niederländer Mark Bult von den Füchsen Berlin unmittelbar nach dem Spiel am Sonntag in der Hauptstadt fünf Spiele pausieren und 3000 Euro Strafe zahlen. "Die Schiedsrichter haben den Biss deutlich gesehen und im Spielbericht festgehalten. Beißen ist eine Tätlichkeit, da kommt man mit zwei Spielen Sperre eben nicht mehr aus. Nur Spucken bewerte ich noch höher", sagte HBL-Justiziar und Ex-Nationaltorwart Andreas Thiel dem SID. Die Wetzlarer Verantwortlichen wollten sich im Laufe des Dienstags äußern, ob sie gegen die Strafe Einspruch einlegen. Insgesamt zwei Wochen haben sie für diesen Schritt Zeit. Thiel verwies darauf, dass nicht die mögliche Höchstsperre von zehn Spielen Sperre und 15.000 Euro Geldstrafe verhängt worden ist. Nach dem Spiel in Berlin war es nach angeblichen Provokationen durch Füchse-Torwart Silvio Heinevetter zu tumultartigen Szenen gekommen, in deren Verlauf Chalkidis zubiss.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/sport-kompakt-der-hund-gottes-1.23120
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mlsum-de-1238
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Nach SZ-Informationen hatte Ayre bereits am Nachmittag vor dem Rückspiel in der Relegation seine Kündigung eingereicht.
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Für eine Weile herrschte noch einmal große Verwirrung nach diesem Relegations-Spiel, das aus Sicht des TSV 1860 München ohnehin nicht arm war an Irritationen. Ob denn nicht ein Klub-Offizieller verfügbar sei, der dazu in der Lage wäre, zu erklären, wie es denn nun sportlich weiter geht in der dritten Liga? Nein, diese Stellungnahme sei nicht zu erwarten, hieß es von Seiten der Presseabteilung, Geschäftsführer Ian Ayre sei im Übrigen gar nicht in der Arena gewesen während des Spiels. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hatte Ayre bereits am Nachmittag vor dem Spiel seine Kündigung eingereicht. Und Peter Cassalette, der ja zumindest noch Präsident des Vereins war, hatte die Arena noch vor Spielende verlassen. Am Abend legte auch er sein Amt nieder. Der neue Geschäftsführer Ayre, den Investor Hasan Ismaik erst vor wenigen Wochen als Sensation präsentiert hatte, war zuvor vom FC Liverpool aus der Premier League gewechselt. Ein Abstieg wäre ein "Desaster epischen Ausmaßes", hatte der 54-jährige Liverpooler Ayre noch vor wenigen Tagen gesagt. Aber damit hatte er nicht seinen Rücktritt gemeint, sondern an den Klub gedacht. Umgedacht hatte Ayre offenkundig erst, nachdem der Investor in der Nacht auf Montag einen Brandbrief auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hatte, in denen er "grundlegende Änderungen auf allen Ebenen" ankündigte, um "ein solides Fundament für einen Neuanfang und eine erfolgreiche Zukunft zu schaffen". Im Übrigen, schrieb Ismaik, habe er sich vorzuwerfen, "dass ich sogenannten Fachleuten vertraut habe, ohne zu hinterfragen, was mit meinem Geld eigentlich passiert". Er soll Ayre in den vergangenen Tagen immer wieder wütend kontaktiert und seinen Missmut ausgedrückt haben. Ismaik hatte den Kontakt zu Ayre über den englischen Fußballgeschäftsmann Kia Joorabchian herstellen können, der auch einige Transfers einfädelte.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-1860-geschaeftsfuehrer-ayre-und-praesident-cassalette-treten-zurueck-1.3528563
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mlsum-de-1239
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Der Bundesliga-Aufsteiger aus Hessen entnervt den FC Schalke 04 beim 1:1 durch giftiges Spiel - und durch Theatralik, die an italienische Komödien früherer Zeiten erinnert.
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Vor dem Spiel zwischen Schalke 04 und Darmstadt 98 ging es auch um die Frage, wer denn nun unter den krassen Außenseitern in der Bundesliga-Geschichte der krasseste war, und André Breitenreiter sah sich schon aus persönlicher Betroffenheit dazu genötigt, dem Alleinvertretungsanspruch des 98-Kollegen Dirk Schuster entgegenzutreten und das Privileg des größten aller Underdogs für sein eigenes Team zu reklamieren. Natürlich nicht für die Mannschaft von Schalke 04, die er neuerdings betreut, sondern für das Team des SC Paderborn, das er im vorigen Sommer in die Bundesliga eingeführt hatte. Zur Beweisführung hatte er vermutlich das kicker-Sonderheft ausgewertet, jedenfalls konnte er recht präzise darlegen, warum er meint, dass die Darmstädter ihren Außenseiter-Status eher zum Zweck der Kriegslist kultivieren: "Mehr als 700 Bundesligaspiele Erfahrung" steckten im Darmstädter Kader, in Paderborn seien es lediglich 63 Spiele gewesen. Tatsächlich bot der Aufsteiger beim 1:1 in Gelsenkirchen ein Bild, das irgendwie beiden Thesen recht gab: Einerseits erwies sich die Darmstädter Mannschaft durchaus als routiniert und abgebrüht, als sie mit Geschick und Methode dem Favoriten standhielt und sich den Punkt verdiente. Andererseits war es beinahe rührend zu sehen, wie die Spieler und ihre Betreuer das Remis bejubelten, weil sie wohl selbst ein wenig überrascht darüber waren, was ihnen da gelungen war. "Wir waren ein ekliger Gegner, und das werden wir auch bleiben", droht Marco Sailer "Ich muss ehrlich sagen", sprach Konstantin Rausch, der Schütze des 1:0, "auf Schalke einen Punkt zu holen - da bin ich stolz drauf." Eigentlich hätte er das gar nicht sagen dürfen, denn er war nicht für öffentliche Statements, sondern für die Abgabe der Dopingprobe bestimmt, der Aufseher stand ungeduldig neben ihm und drängelte. Aber Rausch hatte das dringende Bedürfnis, seine Freude mit der Welt zu teilen. Dabei ist gerade er ein Spieler, der das Geschäft gut kennt, 175 Bundesligaspiele für Hannover 96 und den VfB Stuttgart hatte der 25-Jährige bestritten, ehe er im Sommer nach Darmstadt ging. Dass ihn der VfB mit einer schönen Abfindung quasi abgeschoben hatte - von 700000 Euro ist die Rede -, wunderte seinen neuen Trainer: "In Hannover hat Kocka" - so lautet Rauschs Spitzname - "auf der linken Seite doch die ganze Liga verrückt gemacht." Beim Spiel in Schalke gehörte Rausch zumindest schon mal zu denen, die das einheimische Publikum verrückt machten. Die Anhänger der Königsblauen haben die Darmstädter zunächst freundlich willkommen geheißen, aber dann fanden sie den sympathischen Aufsteiger plötzlich ziemlich unsympathisch. Am Ende haben sie die Gäste wütend ausgepfiffen, weil diese nicht nur eine gut geordnete Abwehr und leidenschaftlichem Widerstand aufboten (Rausch: "Wir haben alles abgefeuert"), sondern auch Sabotage-Tricks einsetzten. So zog sich auch Rausch großen Ärger zu, als er nach einer vermeintlichen Kollision mit Schalkes Torwart Ralf Fährmann effektvoll in die Bande krachte und sich danach die angeblich versehrte Schulter hielt. Weil der Schiedsrichter aber längst aufgehört hatte, den angeblichen Leiden der Darmstädter Spieler Beachtung zu schenken, stand Rausch zügig wieder auf und rannte munter weiter. Die Darmstädter haben in Schalke ein Schauspiel aufgeführt, das an italienische Komödien aus längst vergangenen Europapokal-der-Pokalsieger-Zeiten erinnerte, sie haben sich theatralisch fallen lassen und auf enervierende Weise Zeit geschunden, allein die Abschläge von Torwart Christian Mathenia dauerten jeweils lang genug, um am Bierstand einkaufen zu gehen: "Bei jeder Berührung sind sie gefallen und haben geschrien, als ob keine Ahnung was passiert ist", monierte Schalkes Aushilfsinnenverteidiger Roman Neustädter, aber dazu gab es aus dem gegnerischen Lager kein Dementi. "Wir waren ein ekliger Gegner - und das werden wir bleiben. Darauf können sich alle freuen", drohte Marco Sailer, der Darmstädter mit dem gewaltigen Wikinger-Bart. Wobei der eingewechselte Sailer nicht nur durch seine Furcht einflößende Gesichtsbehaarung auffiel, sondern auch durch seine giftige Präsenz in der Darmstädter Offensive. In der ersten Halbzeit haben die Darmstädter mit Mann und Maus gemauert, das darf man so billig sagen. Es gab ein Dutzend Befreiungsschläge, wie sie sonst nur in der Nachspielzeit üblich sind. Aber im zweiten Durchgang suchten die 98er mutig die Vorwärtsverteidigung, obwohl der Ausgleich durch Julian Draxler gleich nach der Pause das Konzept durchkreuzt hatte. Die Schalker waren auch fair genug, die subversiven Mittel des Aufsteigers erstens zu billigen und zweitens nicht als Alibi zu benutzen. Schalke war es nicht gelungen, ein wirksames Kombinationsspiel gegen die dichte Deckung zu organisieren, es gab zu wenig Tempo im Spielaufbau und zu viele Ballverluste in der Angriffsspitze, in der Zugang Di Santo neben Huntelaar noch seinen Platz sucht. Beifall fürs ständige Bemühen gab es trotzdem vom eigenen Publikum - nachdem die Darmstädter die Pfiffe der Schalke-Fans genossen hatten.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/darmstadt-effektiv-sabotiert-1.2618561
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mlsum-de-1240
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Mit der Idee vom "elektrischen Reservekanister": Münchner Wissenschaftler stellen ihr Konzept für den Elektro-Wagen der Zukunft vor.
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Irgendwo wird auch der "Mute" einen Einfüllstutzen für Brennstoff bekommen. Bei konventionellen Autos ist das selbstverständlich, aber bei dem Fahrzeug, das Forscher von 20 Lehrstühlen der TU-München (TUM) zurzeit entwickeln, ist es ungewöhnlich: Sie planen ihren Mute als reines Elektroauto; auf der Internationalen Automobil-Ausstellung im Herbst 2011 wollen sie einen fahrbereiten Prototypen präsentieren. Detailansicht öffnen Das Auto mit dem "elektrischen Reservekanister": Mute, vorgestellt von Wissenschaftlern der TU München. Sie wollen sogar eine Reichweite von 100 Kilometern "garantieren". Ihr Konzept, das sie gerade in Garching bei München vorstellten, enthält eine Reihe von cleveren Ideen. Eine davon ist die Sache mit dem Einfüllstutzen: Er führt zu einem kleinen Tank für Bioethanol. Der Alkohol speist die Heizung. "Für Wärme ist der Strom in der Batterie viel zu kostbar", sagt Robert Pietsch vom Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik. Irgendwo wird in dem Elektroauto also ein Feuerchen brennen, wenn die Fahrer im Winter nicht frieren möchten. Die Antriebsenergie des 3,50 langen und 1,30 Meter flachen Flitzers soll aber in der Tat aus der Batterie kommen - genau genommen aus zwei Batterien. Hinter den Sitzen wird ein Lithium-Ionen-Akku installiert, erklärt Pietschs Kollege Peter Burda, der mit Strom aus dem Netz gefüllt wird. Er besteht aus 800 bis 1100 zylinderförmigen Zellen, die zu einem Dutzend Modulen verschaltet sind. Die Kapazität von neun Kilowattstunden aus dem 80 Kilogramm schweren Pack soll dem Mute eine Reichweite von 100 Kilometern geben. Die TUM-Entwickler sprechen sogar von einer "garantierten Reichweite" von 100 Kilometern und wollen damit psychologischen Widerständen der späteren Käufer begegnen. Selbst wenn die Strecke außergewöhnlich bergig ist oder der Fahrer nachts bei schlechtem Wetter kurz vor dem Ziel in einen Stau gerät, wo Beleuchtung, Scheibenwischer und Radio Energie fressen, soll er nicht mangels Strom im Akku liegen bleiben. Vorn im Auto, in einer Art Schublade unter den Scheinwerfern, werden vier Module einer konventionellen Einmal-Batterie von jeweils vielleicht fünf Kilogramm Gewicht installiert. Sie zum Fahren zu benutzen, wird wohl zunächst recht teuer werden, aber immer noch weit billiger als der Abschleppwagen, der sonst kommen müsste. Das Auto wird mit dem elektrischen Reservekanister auch nicht seine volle Leistung erreichen, etwa so wie mit einem Notrad für die Reifenpanne. Später sollen dort Zink-Luft-Batterien eines standardisierten Typs installiert werden, die Mute-Fahrer auf einer längeren Tour unterwegs nachkaufen können, um ausnahmsweise von München nach Köln fahren zu können. Mit diesem Konzept umgehen die TUM-Entwickler die Nachteile von zwei zurzeit diskutierten Konzepten für Elektroautos.
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https://www.sueddeutsche.de/auto/elektroauto-stadtauto-mit-stecker-1.975099
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mlsum-de-1241
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Sie dokumentiert Hilflosigkeit, denn die Abgas-Grenzwerte bietet weiterhin scheunentorgroße Schlupflöcher. Die Autohersteller werden sie nutzen.
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Viele Politiker halten die blaue Plakette für ein wirksames Instrument gegen schlechte Luft in Innenstädten. Aber ist sie das wirklich? Längst verlangt auch der Deutsche Städtetag eine "blaue Plakette". Der Bund soll sie einführen, Dieselautos der schärfsten Normen müssten sie künftig tragen. Wo die Stadtluft schlecht ist, kämen nur noch Fahrzeuge mit der Plakette in die Umweltzone. Nur: Helfen wird es nichts. Denn in Deutschland fahren Millionen Dieselautos herum, die ihre Norm nur auf dem Papier erfüllen. Die Plakette dokumentiert so nicht mehr als den hilflosen Versuch, ein Problem zu beherrschen, das längst aus dem Ruder gelaufen ist. Wie sehr, das belegen die Zahlen, die das Umweltbundesamt am Dienstag vorgelegt hat. Demnach spotten die meisten deutschen Dieselautos der Umweltvorgaben: Die Norm erfüllen sie nur bei Schönwetter und im Labor. Im Frühjahr, Herbst und Winter dagegen vermiesen ihre Stickoxide die Stadtluft. Asthmatiker dürfen sich bedanken. Das lehrt viel über die "Ingenieurskunst" der Autoindustrie: Sie verstand es, Grenzwerte immer dann und nur dann einzuhalten, wenn deren Einhaltung gerade gemessen wurde. Es sagt aber auch einiges über die Grenzwerte, auf deren Einhaltung Verbraucher so sehr vertrauen müssen. Der strengste Grenzwert nutzt nichts, wenn seine Erfüllung begleitet wird von scheunentorgroßen Schlupflöchern. Sie zu gestalten, daran arbeiten in den Hauptstädten Europas Heerscharen von Lobbyisten. Die Autoindustrie hatte Erfolg. Bestimmt nicht als einzige.
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https://www.sueddeutsche.de/auto/dieselabgase-die-blaue-plakette-wird-nichts-nuetzen-1.3477736
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mlsum-de-1242
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Die Politikerin Petry soll wegen des Verdachts auf Meineid vor Gericht. Nach der bisherigen Parteichefin verlässt ein weiterer Abgeordneter die AfD-Bundestagsfraktion.
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Die Staatsanwaltschaft Dresden hat Anklage gegen die frühere AfD-Politikerin Frauke Petry erhoben wegen des Verdachts des Meineids. Petry wird vorgeworfen, am 12. November 2015 als Zeugin vor dem Wahlprüfungsausschuss des Sächsischen Landtags in Dresden falsch ausgesagt und ihre Angaben beeidet zu haben. Das teilte die Justizbehörde in Dresden mit. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit mehr als einem Jahr gegen Petry. Sie war Mitglied des Sächsischen Landtags, der ihre parlamentarische Immunität bereits Ende August auf Empfehlung der Staatsanwaltschaft aufgehoben hat. Mit der Bundestagswahl wechselt Petry von der Landes- in die Bundespolitik und wird per Direktmandat in den Bundestag einziehen - allerdings nicht als AfD-Abgeordnete. Vergangene Woche hat Petry angekündigt, die Partei zu verlassen, weil sie mit ihrer Strategie, die AfD stärker gegen rechts abzugrenzen, gescheitert sei. Seit diesem Mittwoch ist bekannt, dass ein weiterer Abgeordneter Petry folgen will: Auch Mario Mieruch, ein Gründungsmitglied der Partei, hat seine Mitgliedschaft in der Fraktion niedergelegt. Ein AfD-Sprecher bestätigte Mieruchs Rückzug, den zuerst die Bild-Zeitung gemeldet hatte. Der Zeitung zufolge begründete Mieruch, ähnlich wie Petry, seinen Schritt mit mangelnder Abgrenzung von Partei und Fraktion von der extremen Rechten. Er sehe in der AfD eine "Entwicklung, die viele in der Partei mit Sorge betrachten und von der sie schon viel zu lange hoffen, dass sie umkehrbar sei", sagte Mieruch, der auch stellvertretender Sprecher der AfD in Nordrhein-Westfalen ist, zu Bild. Petry soll vor dem Wahlprüfungsausschuss des Landtags unter Eid gelogen haben Das Verfahren gegen Petry in Dresden wird ihren Einzug in den Bundestag überschatten. In dem Verfahren sollen Vorwürfe gegen Petry geklärt werden, die unter anderem der Landtagsabgeordnete André Schollbach von der Linken erhoben hat. Er wirft der früheren AfD-Politikerin vor, dass sie vor dem Wahlprüfungsausschuss des Landtags unter Eid gelogen habe. Der eigentliche Hintergrund sind dabei interne Verwerfungen bei der AfD im Zusammenhang mit der Aufstellung der Kandidatenliste der Partei zur Landtagswahl 2014. Ein früherer Kreisvorsitzender der AfD hatte beklagt, dass er vor der Landtagswahl von der Partei von einem sicheren Listenplatz gestrichen worden war. Der Grund: Er habe sich geweigert, der AfD für den Wahlkampf ein Darlehen zu zahlen. Damals hatte die AfD zur Finanzierung des Landtagswahlkampfes mit Kandidaten Darlehensverträge geschlossen. Der Bewerber legte Beschwerde ein, daraufhin beschäftigte sich der Wahlprüfungsausschuss des Landtags mit den Vorwürfen und befragte auch Petry. Als Zeugin sollte die Parteivorsitzende sagen, wann sie welche Details über die Darlehen erfuhr, wann genau sie wusste, wer der Partei bereits Geld zugewiesen hatte und wie viele der Darlehensverträge sie persönlich abgezeichnet hatte. Vor dem Ausschuss sagte der damalige Parteivize Carsten Hütter, Petry habe alle Verträge abgezeichnet und sei gleich nach dem Parteitag in Weinböhla über deren Umsetzungsstand informiert worden. Petry jedoch machte davon abweichende Angaben. Meineid wird mit Gefängnis nicht unter einem Jahr bestraft.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/afd-staatsanwaltschaft-erhebt-anklage-gegen-frauke-petry-1.3693884
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mlsum-de-1243
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Seit acht Uhr morgens können Nutzer in der Türkei nicht mehr auf das Online-Lexikon zugreifen. Die Regierung wirft dem Portal vor, Teil einer "Hetzkampagne" gegen die Türkei zu sein.
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Die Türkei hat den Zugriff auf die kostenlose Online-Enzyklopädie Wikipedia blockiert. Der Grund dafür sei, dass die Türkei auf der Internetplattform mit Terrororganisationen gleichgesetzt werde. Das berichtet die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu und beruft sich auf eine Erklärung des für die Sperrung zuständigen Ministeriums. Wikipedia, so heißt es angeblich in dem Schreiben weiter, sei Teil einer "Hetzkampagne gegen die Türkei auf der internationalen Bühne". Das Netzwerk Turkey Blocks, das sich selbst als unabhängiges "digitales Transparenzprojekt" bezeichnet, teilte mit, Nutzer in der Türkei hätten seit Samstagmorgen keinen Zugang zu allen Sprachausgaben von Wikipedia. Die Seite sei ohne Gerichtsanordnung blockiert worden, doch werde eine solche Verfügung in den kommenden Tagen erwartet. Wikipedia gehört zu den meistbesuchten Internetseiten der Welt. Laut Anadolu forderte die türkische Regierung die Betreiber von Wikipedia auf, ein Büro im Land zu eröffnen, sich an geltendes Recht zu halten und nicht mehr an der Kampagne gegen die Türkei zu beteiligen. Wenn diese Forderungen erfüllt seien, werde die Sperre wieder aufgehoben. Jimmy Wales, Gründer des gemeinnützig organisierten Mitmach-Lexikons, reagierte empört auf die Zensur der Türkei. "Der Zugang zu Informationen ist ein fundamentales Menschenrecht", schrieb er auf Twitter. Wales sprach den Türken seine Unterstützung zu. "Türkisches Volk, ich werde immer an Deiner Seite stehen und mit Dir für dieses Recht kämpfen." Access to information is a fundamental human right. Turkish people, I will always stand with you and fight for this right. #turkey https://t.co/5ZAsc9coVX — Jimmy Wales (@jimmy_wales) April 29, 2017 Die Türkei blockiert bereits Zehntausende Internetseiten. Darunter zählen auch Facebook, Youtube und Twitter, die teilweise nur eingeschränkt zu erreichen sind.
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https://www.sueddeutsche.de/digital/wikipedia-tuerkei-blockiert-wikipedia-1.3484554
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mlsum-de-1244
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Es sollte Co-Working-Space und Ausgehmeile zugleich werden: Nun steht das Kreativdorf "Holzmarkt" am Spreeufer mit Wohnungen, Galerien, Cafés, Kindertagesstätte und Ateliers auf der Kippe.
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Am Berliner Holzmarkt geht es um viel Geld und die Frage, wer über den wenigen Freiraum, den es in Berlin noch gibt, bestimmen darf. Müsste man einen Ort nennen, der typisch für Berlin ist, würde vielen wahrscheinlich erst einmal nicht der Fernsehturm einfallen, das Brandenburger Tor oder der Kurfürstendamm. Sondern das sogenannte Kreativdorf an der Spree. Schon optisch ist es genauso, wie man sich eine Berliner Location vorstellt: eine bunt durcheinandergewürfelte Sammlung aus Holzgebäuden, Wohnungen, Ateliers und Galerien, dazwischen Cafés, eine Veranstaltungshalle, eine Kita und Platz zum Feiern. Eine Mischung aus Co-Working Space, Abenteuerspielplatz und Partyzone, die als "Holzmarkt" längst über die Hauptstadt hinaus bekannt ist. Und erst die Geschichte dieses Projekts: Früher war hier die legendäre Bar 25, ein weitläufiges Areal mit Liegewiese, Hütten und Strand, auf dem man über Tage tanzen, essen, trinken oder auch nur in der Hängematte liegen konnte. Ein Raum, an dem nichts festgelegt ist und der doch alles war, wofür Berlin steht: Platz und Freiheit. Und als das Gelände in begehrter Uferlage 2010 verkauft werden sollte, haben sich Künstler, Musiker und Leute aus der Clubszene kurzerhand zusammengeschlossen, um das zu verhindern. Sie haben eine "Genossenschaft für urbane Kreativität" gegründet, eine Schweizer Stiftung ins Boot geholt, und dann errichteten sie ihr Kreativdorf, das im Mai 2017 mit einer rauschenden Party eröffnet wurde. Hier könnte die Geschichte enden. Als urbanes Märchen, und wenn sie nicht gestorben sind, wohnen, arbeiten und feiern sie bis heute. Doch inzwischen ist um das Berliner Kreativdorf ein erbitterter Streit entbrannt. Es geht um viel Geld und die Frage, wer über den wenigen Freiraum, den es in Berlin noch gibt, bestimmen darf. Die Kreativen, die sich in dem Dorf angesiedelt haben, wollen das nicht hinnehmen, Tom Tykwer etwa Grund ist das Nachbargrundstück, das seit Beginn der Planungen zum Holzmarkt-Projekt gehört. Dort will die Genossenschaft fünf bis zu 30 Meter hohe Häuser größtenteils aus Holz errichten lassen, das "Eckwerk". Der Entwurf dafür stammt unter anderem vom renommierten Architektenbüro Kleihues + Kleihues und hat bereits bei internationalen Wettbewerben für Aufsehen gesorgt. Vor allem deswegen, weil die Architektur vieles offenlässt, nur Gefäß sein will für das, was die Leute eines Tages daraus machen. Und das kann alles sein, Gründer und Start-ups könnten hier ebenso unterkommen wie Künstler, Studenten und Forscher. Von einem Ort "der dritten Art" spricht der britische Stadtforscher Charles Landry, der sich lange mit dem Projekt beschäftigt hat. "Nicht Arbeit, nicht Wohnen, irgendetwas Drittes." Doch genau das ist das Problem. Denn Freiräume sind das eine. Das andere ist die Stadtplanung, und von der haben die einzelnen Beteiligten sehr unterschiedliche Vorstellungen. Der zuständige Bezirk glaubt, dass das Eckwerk baurechtlich nicht durchgesetzt werden kann, das Land Berlin wiederum will an dem Ort Wohnungen für 600 Studierende bauen. Passiert ist bislang nichts, es gab mehrere juristische Auseinandersetzungen. Inzwischen hat sich die Schweizer Stiftung zurückgezogen, und die Holzmarkt-Genossenschaft braucht dringend Geld. Sie will das Land Berlin aufgrund der Verzögerungen auf 19 Millionen Euro Schadenersatz verklagen. Das Berliner Vorzeigeprojekt, zu dem Stadtpolitiker regelmäßig Delegationen von Bürgermeistern aus aller Welt angeschleppt haben, steht auf der Kippe. Die Kreativen, die sich in dem Dorf angesiedelt haben, wollen das nicht hinnehmen. Der Regisseur Tom Tykwer etwa. Er spaziert an einem kalten Spätherbsttag über die verwinkelten Wege zum Mittagessen ins Restaurant Katerschmaus. Touristenschiffe fahren auf der Spree vorbei, immer wieder ziehen die Leute ihre Handys und machen Fotos vom Holzmarkt. Tykwer kennt den Ort, seit er früher in der Bar 25 seine Premierenfeiern abgehalten hat, inzwischen hat er sein Büro im Holzmarkt. Das Drehbuch zur Serie "Babylon Berlin" ist hier entstanden. Tykwer sagt, er habe sich in den Ort "verknallt", weil "man hier nicht nur Räumlichkeiten mietet, sondern die kreative Community gleich mit". Er verstehe nicht, sagt Tykwer, warum es so weit gekommen sei. "Wir sind ja nicht irgendwelche Robin Hoods hier, sondern wir haben in der ganzen Stadt Rückenwind." Jetzt soll eine Art Beirat retten, was noch zu retten ist. Darin sitzen der frühere Grünen-Politiker Wolfgang Wieland, die Architekturprofessorin Barbara Hoidn und der Hamburger Club-Betreiber John Schierhorn. Ganz Deutschland schaue auf dieses Projekt, sagt Schierhorn, "wenn das scheitert, ist das ein schlechtes Signal". 90 Tage geben sie sich, um alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und zu vermitteln. Damit der Holzmarkt zumindest in einer Beziehung nicht zu einem typischen Berliner Ort wird: mit großen Ambitionen gestartet und dann am Planungschaos gescheitert.
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https://www.sueddeutsche.de/panorama/berlin-kreativdorf-holzmarkt-1.4249127
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mlsum-de-1245
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Noch erfüllt kaum ein reines Elektroauto die Ansprüche moderner Mobilität. Davon könnte eine Fahrzeuggattung profitieren, die bisher nur eine ungeliebte Zwischenlösung war.
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Manchmal muss es einfach Kaviar sein. "Jeden Tag ein bisschen Luxus", verspricht Opel für den Astra. Der Kompakte ist zwar kein typischer Luxusschlitten. Aber ein guter Gradmesser für das, was über die automobile Grundversorgung hinaus gefragt ist: Vernetzung, Fahrerassistenz, Navigation, LED-Licht. Macht etwa 30 000 Euro für den Fünftürer in der Innovation-Ausstattung mit 147 kW (200 PS). Trotz des milden Verwöhnaromas bleibt er unter dem durchschnittlichen Neuwagenpreis von 32 800 Euro, den das Center Automotive Research (CAR) für Deutschland berechnet hat. "Die Zukunft gehört allen", verspricht die Astra-Broschüre, was ebenso gut zu einem Elektrofahrzeug passen würde. Wer das erwähnte Luxus-Versprechen im Hinterkopf behält, bekommt beim Ampera-e allerdings ein Problem: Auf dem genannten Ausstattungsniveau ist der Opel-Stromer 20 000 Euro teurer als der gleich starke Astra-Benziner. Dabei ist der Ampera-e auch noch 20 Zentimeter kürzer, bietet entsprechend weniger Platz und wiegt 400 Kilogramm mehr. Die massige Batterie auf dem Kleinwagenfahrwerk sorgt für ein hoppeliges Fahrverhalten. Trotz seines Preises von knapp 50 000 Euro bietet der Stromer also nicht unbedingt das, was man sich unter Verwöhnaroma vorstellt. Opel steht wie Ford und VW für das Versprechen einer modernen Massenmobilität. Mit ihren bisherigen Stromern erfüllt keine der Volumenmarken diesen Anspruch. Warum sollen die Kunden auf Platz für die ganze Familie samt Gepäck verzichten? Zumal die bisherigen Elektro-Reichweiten ein großer Bluff sind. Opel gibt einen Radius von mehr als 500 Kilometern an. Doch der SZ-Testwagen kam trotz frühlingshafter Temperaturen und moderater Fahrweise nicht einmal 400 Kilometer weit. Das lokal emissionsfreie Fahren erfordert noch immer ein hohes Maß an Idealismus. So wird die (Elektro-)Zukunft garantiert nicht allen gehören. Angesichts der real existierenden Tristesse bei den Elektroautos in Deutschland kann man über das Ankündigungsfeuerwerk der Hersteller nur staunen. "Wir heben Elektromobilität auf die nächste Stufe", verspricht Audi-Chef Rupert Stadler. Jeder dritte Audi-Kunde soll sich im Jahr 2025 für eines von mehr als 20 elektrifizierten Modellen entscheiden - "die meisten vollelektrisch, ein kleinerer Teil als Plug-in-Hybride", so Stadler. Insgesamt will die Marke mit den vier Ringen dann circa 800 000 Stromer pro Jahr verkaufen - "volle Alltagstauglichkeit, keine Kompromisse, Top-Qualität und Fahrspaß" inklusive. VW-Chef Diess wünscht sich eine Zellfertigung in Europa Kleiner Schönheitsfehler des Elektro-Booms: Fast alle Batteriezellen kommen von einer Handvoll Zulieferer aus Asien: LG Chem und Samsung SDI aus Korea, CATL und BYD aus China und Panasonic aus Japan. Einer, der sich vor dieser Abhängigkeit fürchtet, ist Herbert Diess. Der neue Chef des Volkswagen-Konzerns hatte schon im vergangenen Jahr immer wieder eine heimische Zellfertigung angemahnt: "Ich bin der Meinung, wir brauchen eine Batteriefertigung in Deutschland. Das ist die Kerntechnologie der Elektromobilität." Auf der Volkswagen-Hauptversammlung vorige Woche legte Diess noch einmal nach. "Bis 2025 veranschlagen wir für unsere E-Flotte einen Batteriebedarf von 150 Gigawattstunden pro Jahr. Das entspricht allein für unsere Volumenmodelle auf Basis des Modularen Elektrifizierungsbaukastens einem Beschaffungsvolumen von rund 50 Milliarden Euro über Laufzeit." Verträge über rund 40 Milliarden Euro seien bereits unterschrieben worden. "Diese Zahlen machen deutlich, dass wir im Industrieverbund mit vereinten Kräften über den Aufbau einer Fertigung von Batteriezellen in Europa nochmals verstärkt diskutieren müssen", so Diess. Das Signal an Berlin und Brüssel ist deutlich: Ohne politische Schützenhilfe geraten die Automobilhersteller in zunehmende Abhängigkeit von dem asiatischen Zell-Oligopol. Gehör findet der Appell von Diess nicht nur bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, sondern auch bei Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Auf der Hannover-Messe hat der SPD-Politiker erneut finanzielle Anreize der EU für eine Zellfertigung gefordert.
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https://www.sueddeutsche.de/auto/alternative-antriebe-den-plug-in-hybriden-steht-eine-steile-karriere-bevor-1.3971384
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mlsum-de-1246
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Schon in seiner ersten Woche als Trainer des TSV 1860 München erkennt Benno Möhlmann ein Problem: Ihm gehen langsam die Spieler aus.
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Man kann sich wahrlich unangenehmere Orte für sein Debüt vorstellen als das Innsbrucker Tivoli Stadion. Hoch über dem Stadiondach ragen die zerklüfteten Gipfel der Tiroler Alpen empor. Am frühen Freitagabend glänzten sie darüber hinaus in der untergehenden Sonne. So farbintensiv waren sonst nur die knallorangenen Schnürsenkel von Benno Möhlmann, der sich in seiner Coachingzone lediglich leicht nach links drehen musste, um das Alpenpanorama genießen zu können. Die Tiroler Natur interessierte den neuen Trainer des TSV 1860 München allerdings deutlich weniger als das, was sich vor ihm auf dem Rasen abspielte. An seinem vierten Tag als Trainer der Löwen konnte er erstmals in einem Spiel Eindrücke seiner Mannschaft sammeln. Dass es sich bei der Partie gegen Wacker Innsbruck nur um ein Testspiel handelte, ließ sich der routinierte Trainer in keiner Weise anmerken. Möhlmann ging an der Seitenlinie so intensiv mit, als ob es bereits um Punkte im Abstiegskampf der zweiten Bundesliga gehen würde. Er spurtete in seiner Coachingzone von rechts nach links; er feuerte an, kritisierte, klatschte und korrigierte die Laufwege seiner Spieler gestenreich. "Er treibt die Jungs von außen an", sagte Sportdirektor Necat Aygün, "er hat alles im Griff." So intensiv Möhlmann während dem Spiel coachte, so wenig Bedeutung wollte er diesem jedoch nach dem Abpfiff beimessen. Er wolle ins Spiel seiner Mannschaft, die dank Treffern von Michael Liendl, Krisztian Simon und Stephane Mvibudulu 3:1 gewann, nicht "viel hineininterpretieren", sagte Möhlmann. Die 1:0-Führung erzielte in Liendl ausgerechnet der Spieler, der in den vergangenen Wochen für den meisten Gesprächsstoff an der Grünwalder Straße gesorgt hatte. Möhlmann ließ den Österreicher im ersten Test etwas offensiver auflaufen, als es zuletzt Torsten Fröhling für richtig hielt. Eine Umstellung, die durchaus Liendls Fähigkeiten entspricht. Kommt der Offensivspieler in Form, kann er für den TSV 1860 ein sehr wichtiger Mann im Abstiegskampf werden. "Ich erwarte, dass er sich zu hundert Prozent einordnet", sagte Möhlmann, "auf seiner Position gehört das offensive wie defensive Spiel dazu." Während Liendl die Angriffe teils mit klugen Pässen ankurbelt, zählt die Defensivarbeit bisher nicht zu seinen großen Stärken. Bis zu Möhlmanns erstem Pflichtspiel am kommenden Montag gegen Karlsruhe bleibt dem 61-Jährigen eine Woche, um Liendl und den anderen Spielern seine Ideen und sein Konzept näher zu bringen. Wirklich viele Spieler stehen dem Trainer in seinen ersten Tagen allerdings nicht zur Verfügung. Neben vier Nationalspielern fehlten in Innsbruck zehn Akteure verletzt oder krank. "So etwas habe ich noch nie erlebt", sagte Möhlmann, der angesichts von 1080 Ligapartien als Spieler und Trainer auf einen durchaus reichhaltigen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann. Am schlimmsten erwischte es zuletzt Kai Bülow, der sich im Training einen Innenbandriss zuzog und sechs Wochen pausieren muss. Gegen Innsbruck begann statt Bülow Rodnei. Schon in der ersten Halbzeit musste aber auch der Brasilianer angeschlagen den Platz verlassen. Es soll sich jedoch lediglich um eine Vorsichtsmaßnahme gehandelt haben. Im Testspiel gegen Innsbruck überzeugt U19-Verteidiger Weeger Dennoch gehen Möhlmann langsam die Spieler aus. Länderspielpausen bieten neuen Trainer ja normalerweise die Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum ohne die Ablenkung eines Pflichtspiels an der taktischen Ausrichtung ihrer Mannschaft zu arbeiten. Wenn aber knapp die Hälfte des Kaders aus verschiedenen Gründen fehlt, ist dieser Vorteil kaum gegeben. "Diese Länderspielpause ist von der Trainingsseite nicht so optimal zu verwenden wie es eigentlich aussieht", sagte Möhlmann, "intensives Training ist da nicht so einfach." Sportdirektor Aygün erwartet nun vor allem von den bisherigen Ersatzspielern größeren Einsatz. "Jetzt müssen die Jungs in die Bresche springen, die zuletzt hintendran waren", sagte er. Schon gegen Innsbruck gab Möhlmann gezwungenermaßen dem einen oder anderen Talent aus der A-Jugend eine Bewährungschance. Rechts hinten verteidigte beispielsweise Eric Weeger, der eine solide Partie absolvierte. Möhlmann zumindest war "kein grober Fehler aufgefallen". Diese sollten die Löwen auch bei Möhlmanns Pflichtspieldebüt gegen den Karlsruher SC vermeiden. Ein Tiroler Alpenpanorama fällt als Ablenkung dann jedenfalls schon mal weg. Der TSV 1860 spielt am kommenden Montag in der heimischen Arena.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-klatschen-kritisieren-korrigieren-1.2686924
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mlsum-de-1247
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Erfolg mit Verstaatlichungen und Sozialprogrammen: Evo Morales ist Nachwahlbefragungen zufolge zum dritten Mal in Folge zum Präsidenten Boliviens gewählt worden. Sein schärfster Rivale liegt klar zurück.
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Morales erklärt sich zum Wahlsieger Boliviens Staatschef Evo Morales ist bei der Präsidentenwahl Nachwahlbefragungen zufolge mit überragender Mehrheit im Amt bestätigt worden. Der Kandidat der linken Bewegung zum Sozialismus (MAS) erhielt demnach mehr als 60 Prozent der Stimmen, wie die staatliche Nachrichtenagentur ABI am Sonntagabend (Ortszeit) meldete. Morales erklärte umgehend seinen Wahlsieg. "Dies ist ein Triumph für die Antiimperialisten und Antikolonialisten", rief er Tausenden Anhängern vom Balkon des Präsidentenpalastes in La Paz zu. Morales rief die Opposition zur Zusammenarbeit auf. Sein stärkster Rivale, der konservative Unternehmer Samuel Doria Medina, kam mit etwa 25 Prozent auf den zweiten Platz. Doria Medina erklärte, er werde während der kommenden fünf Jahre die Opposition anführen und eine neue Verfassungsreform für eine weitere Wiederwahl von Morales blockieren. Ein vorläufiges Endergebnis soll es nach Angaben der Wahlbehörde am Montagmorgen geben. Wird der Sieg von Morales bestätigt, wird der 54-Jährige bis Januar 2020 im Amt bleiben können. Wahlberechtigt waren knapp 6,3 Millionen Bolivianer. Erfolg mit Verstaatlichungen und Sozialprogrammen Morales war 2006 als erster Indio an die Spitze des einst von politischer Instabilität geprägten lateinamerikanischen Landes gewählt worden und hat sich seither mit tiefgreifenden Reformen und scharfer Kritik an der US-Außenpolitik einen Namen gemacht. Er verstaatlichte die Erdöl- und Gasindustrie und finanziert mit den Erlösen unter anderem Sozialprogramme für die Armen. Zudem stärkte er die Rechte indigener Gruppen, denen 65 Prozent der Bevölkerung angehören. Anders als von vielen Ökonomen vorhergesagt führten die Reformen nicht zum Kollaps, sondern brachten dem verarmten Andenstaat kräftige Wachstumsraten. Im vergangenen Jahr waren es 6,8 Prozent, dieses Jahr werden fünf Prozent erwartet.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/praesidentenwahl-in-bolivien-morales-feiert-seinen-wahlsieg-1.2171049
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mlsum-de-1248
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Wie eine Sekretärin in die Geschäfte ihres Chefs Klaus Thannhuber einstieg - und nun Millionenschulden hat.
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Am 3. September 1987, morgens um halb neun, begann Heike Angermanns erster Arbeitstag als Sekretärin bei Klaus Thannhuber. Am 19.Juli 2006, neun Uhr, stand eine Gerichtsvollzieherin bei ihr vor der Tür und wollte 1,5 Millionen Euro kassieren. Wie das zusammenhängt? Die Antwort lautet vereinfacht so: Weil Heike Angermann vor 19 Jahren den Job bei Klaus Thannhuber antrat und in seinen Firmen einige Posten annahm, naht heute ihr Ruin. "Es ging alles den Bach runter", sagt sie und drückt die Tränen weg. "So kann's gehen. Mit 53 ist man fertig mit der Welt." Detailansicht öffnen Auf den Aufstieg gehofft - doch es kam der Absturz. (Foto: Foto: dpa) Es ist die Geschichte einer Frau, die auf den Aufstieg hoffte und nun mit dem Absturz fertig werden muss. Einer Frau, die in der Nähe des Münchner Immobilien-Investors Klaus Thannhuber arbeitete, anfangs beeindruckt, heute resigniert und beinahe ruiniert. Einer Frau, die sich Verantwortung übertragen ließ und doch Spielfigur blieb. Heute sieht Heike Angermann - wie viele Opfer Thannhubers-, dass dessen Firmenimperium zerfällt. Finanzielle Probleme von kaum vorstellbarer Dimension Thannhubers "Privatbank Reithinger" musste auf Anweisung der Behörden schließen. Der von ihm gegründete DBVI-Konzern, der auch die Münchner Schrannenhalle aufbaute, türmt enorme Verluste auf. Und mehr als sechzigtausend Anleger müssen sich darauf einstellen, Geld zu verlieren - manche ein paar hundert Euro, manche größere Summen. Und einige - wie Heike Angermann - haben nun finanzielle Probleme, deren Dimension kaum vorstellbar ist. Heike Angermann, deren wirklicher Name anders lautet, wurde 1953 im fränkischen Kitzingen geboren; der Vater hatte einen kleinen Handwerksbetrieb. Sie wurde Anwaltsgehilfin, dann stieg sie - es war die Zeit der Bauherren-Modelle - bei einem Bauträger ein. Dort lernte sie die Szene der Makler, Verwalter und Immobilien-Dealer kennen und fand irgendwann, dass sie als Sachbearbeiterin unter ihren Möglichkeiten blieb. Jener Klaus Thannhuber bot ihr Arbeit an; er wirkte, wie sie heute sagt, seriös und gewinnend, arbeitsam und intelligent. Man blieb beim "Sie" Frau Angermann war ehrgeizig; sie arbeitete samstags und sonntags, frühmorgens und spätabends. Sie vertraute ihrem Chef, wurde aber nie zu seiner Vertrauten. Man blieb beim "Sie", und bei vielen Gesprächen schloss Thannhuber die Tür zum Sekretariat. Aber er bot ihr bald eine neue Position an. Sie sollte die Mieter mehrerer Immobilien betreuen. Heike Angermann verließ das Vorzimmer, zog in ein eigenes Büro. "Ich war stolz, dass meine Arbeit anerkannt wurde", sagt sie heute. Im April 1997 starb ein langjähriger Partner Thannhubers bei einem Unfall. Wieder wartete eine neue Aufgabe: In der "Beamten-Selbsthilfe in Bayern & Co. - Realwert KG" sei der Posten des persönlich haftenden Gesellschafters zu besetzen. Ob sie nicht Komplementärin werden wolle?
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https://www.sueddeutsche.de/geld/thannhuber-opfer-der-albtraum-vom-aufstieg-1.880121
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mlsum-de-1249
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Die Fußballliga muss sich nicht an erhöhten Polizeikosten beteiligen, so ein Urteil. Die Stadt will allerdings weiter Gebührenbescheide ausstellen.
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Muss die Deutsche Fußball Liga DFL mit bezahlen, wenn bei einem besonders heiklen Spiel mehr Polizisten auf die Straßen und vor das Stadion geschickt werden als sonst? Ja, fand vor einem guten Jahr der rot-grüne Bremer Senat und stellte der DFL nach der Partie des SV Werder gegen den Hamburger SV eine Rechnung. Nein, urteilte nun das Verwaltungsgericht der Hansestadt, jedenfalls nicht so. Am Mittwochnachmittag gaben die Richter in erster Instanz der Klage der DFL statt und hoben den Gebührenbescheid auf. Die Gebührenfestsetzung sei rechtswidrig, hieß es in der Begründung. Was aber nicht bedeuten muss, dass dieses Match vorbei ist. Anlass des Duells zwischen Bundesland und Bundesliga sind ein Gesetz und seine Folgen. Im Herbst 2014 beschloss die SPD-geführte Regierung des Stadtstaates, dass sich die Veranstalter an den Mehrkosten bei Großveranstaltungen beteiligen müsse, dabei geht es nicht zuletzt um sogenannte Hochrisikospiele. Im April 2016 war es so weit: Nach dem Nordderby im Weserstadion bat Bremen die Ligavertretung mit 425 718,11 Euro zur Kasse. Damals hatte es bei einer Massenschlägerei zwischen Hamburger und Bremer Hooligans Verletzte und Sachschäden gegeben. Statt der üblichen 200 bis 250 Beamten waren 969 Ordnungshüter im Einsatz gewesen, sie absolvierten dabei laut ihrer Auftraggeber 9537 Arbeitsstunden. Gegen die geforderte Summe klagte die DFL und bekam nun Recht. Das verhinderte vorläufig einen Präzedenzfall, allerdings basiert das Urteil auf arithmetischen Einwänden. Das Gericht sagte nicht, dass es grundsätzlich unverträglich sei, von privaten Ausrichtern wie Verbänden und Vereine Beiträge für den Schutz des öffentlichen Raums zu verlangen. Der DFL-Präsident Reinhard Rauball war zufrieden. "Den Bedenken der DFL wurde in wesentlichen Punkten Rechnung getragen. Deshalb war es richtig und wichtig, die Angelegenheit gerichtlich prüfen zu lassen." Dennoch werde man mit Bremens Innensenator Ulrich Mäurer über Lösungen beraten, um gemeinsam mit Klubs und Fans die Einsatzzeiten der Polizei zu verringern. Ziel sei die Gewaltprävention. Mäurer kündigte an, dass die Stadt künftig angepasste Gebührenbescheide verschicken werde. "Das Spiel geht weiter."
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https://www.sueddeutsche.de/sport/kosten-fuer-risikospiele-bremen-scheitert-vor-gericht-1.3510575
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mlsum-de-1250
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Wohncontainer für Flüchtlinge zu betreiben, ist lukrativ: Öffentliche Aufträge zeigen, wer Geld mit Flüchtlingsheimen verdient. Jetzt hat die nach Misshandlungsfällen umstrittene Firma European Homecare wieder einen Großauftrag abgestaubt.
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Die steigende Zahl von Flüchtlingen beschert manchem Unternehmen hohe Umsätze. Zum Beispiel dem Heimbetreiber European Homecare (EHC). Er ist gut im Geschäft mit Flüchtlingsunterkünften - obwohl Ermittlungen gegen die Firmenspitze in Zusammenhang mit Misshandlungen von Asylbewerbern laufen. Nun hat EHC wieder einen öffentlichen Großauftrag erhalten und darf von Neujahr an fast vier Jahre ein Heim für 75 Flüchtlinge im niedersächsischen Kreis Gifhorn führen. EHC betreibt die Unterkunft seit 2013, es handelt sich nun aber um einen neuen Vertrag. Das Unternehmen hatte sich gegen drei Konkurrenten durchgesetzt. Es war in die Schlagzeilen gekommen, weil in einem seiner Häuser im nordrhein-westfälischen Burbach Wachmänner Flüchtlinge misshandelt hatten. EHC ist sozusagen Marktführer im Geschäft mit der Unterbringung von Flüchtlingen und betreibt 50 Unterkünfte in Deutschland. Die Firma verkauft Kommunen und Bundesländern "soziale Dienstleistungen": Heimleitung, Verpflegung, Deutschkurse, Hausmeisterdienste - alles aus einer Hand. "Arbeiten mit dem Unternehmen sehr gut zusammen" Das Geschäft boomt spätestens seit 2012. Damals stieg der Umsatz der Firma um 62 Prozent auf mehr als neun Millionen Euro. Grund laut Geschäftsbericht: "Die gestiegene Zahl an Asylbewerbern". Und sie steigt weiter. Um die vielen Flüchtlinge einzuquartieren, die vor allem aus dem Irak und Syrien kommen, muss die öffentliche Hand auf private Unternehmen zurückgreifen. Besitzer von Hotels und Pensionen vermieten Zimmer, Immobilienbesitzer Flächen für Notunterkünfte. Zentral in dem System sind private Anbieter wie EHC, welche die Komplettversorgung der Flüchtlinge anbieten. Kritiker sehen die Flüchtlingshilfe allerdings als humanitäre Aufgabe, die nicht dem privaten Sektor überlassen werden sollte. Hilfsorganisationen wie Rotes Kreuz und Malteser sind denn auch die zweiten großen Akteure im Bereich der Flüchtlingsheime. Der dritte sind Behörden: In Bayern war lange der Freistaat selbst der einzige Anbieter von Unterkünften. Doch auch er hat begonnen, Aufträge privat zu vergeben - an die Schweizer ORS, European Homecares großen Konkurrenten. Ganz sauber geht es in dem Geflecht von öffentlichen Stellen und kommerziellen Anbietern nicht immer zu. In Berlin ermitteln Staatsanwälte, weil der Chef des Landessozialamtes einen Heimbetreiber bevorzugt haben soll - dessen Geschäftsführer sein Patensohn ist. Auch EHC bekam Ende September Ärger. Das Bild eines Wachmanns im Burbacher Heim, der mit seinem Fuß den Kopf eines Heimbewohners auf den Boden drückt, ging um die Welt. Der mutmaßliche Täter arbeitete zwar für eine andere Firma, die Staatsanwaltschaft Siegen ermittelt dennoch, ob der ehemalige Heimleiter und der EHC-Geschäftsführer deswegen zur Verantwortung gezogen werden können. Es geht um Körperverletzung und Freiheitsberaubung durch die Wachleute. Anfang Oktober durchsuchten Ermittler die Firmenzentrale in Essen und die Wohnungen der beiden Männer. Die nordrhein-westfälische Landesregierung entzog EHC die Leitung des Burbacher Heimes. Für das Heim in Meinersen bei Gifhorn erhält EHC mindestens 207 000 Euro, das steht im Amtsblatt der Europäischen Union. Von dieser Schwelle an müssen Aufträge veröffentlicht werden, die Behörden vergeben haben. Der Betrag für den Betrieb bis Oktober 2018 dürfte deutlich höher liegen. In Gifhorn sind die Zustände angeblich besser als in Burbach. "Wir arbeiten mit dem Unternehmen sehr gut zusammen", sagt Kreisrätin Evelin Wißmann. Auch dem Flüchtlingsrat Niedersachsen sind keine Beschwerden bekannt. Verdachtsfälle in anderen Unterkünften seien kein Grund, eine Firma nicht zu berücksichtigen, sagt Wißmann. Das Verfahren müsse nach Vergaberecht offen für alle sein. Den Auftrag erhielt EHC, weil die Firma den niedrigsten Preis bot. Einen Wachdienst wie in Burbach wollte die Kommune in Meinersen nicht haben. Gute Auftragslage EHC-Geschäftsführer Sascha Korte sagte in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, er sei zufrieden mit seinen Geschäften: "Wir selbst haben vielleicht in der linksautonomen Szene ein Imageproblem, aber nicht bei der öffentlichen Hand. Unsere Auftragslage ist gut." In diesem Jahr soll der Umsatz auf bis zu 16 Millionen Euro steigen. Kortes Vater hatte bereits Ende der Achtzigerjahre mit der Unterbringung von Aussiedlern aus der Sowjetunion Geld verdient. Wie viele Aufträge EHC seit den Vorfällen in Burbach erhalten hat, verrät das Unternehmen nicht. Veröffentlichte Aufträge erzählen vieles über das Geschäft mit den Hilfesuchenden. Sie zeigen, dass Firmen seit einigen Monaten Millionen Euro mit Vermietung und Verkauf von Wohncontainern an die öffentliche Hand einnehmen. Dort müssen Asylsuchende leben, weil die Heimplätze nicht reichen. Die Vergabedaten bestätigen, dass beim Wachpersonal oft galt: Billig geht vor fähig. Ob Cottbus, Gießen oder Zirndorf, in fast allen Aufträgen für Bewachung seit 2011 galt nur ein Zuschlagskriterium: "niedrigster Preis".
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https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/unterkuenfte-fuer-fluechtlinge-neuer-grossauftrag-fuer-umstrittenen-heimbetreiber-european-homecare-1.2271296
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mlsum-de-1251
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Vor dem Treffen mit dem AS Monaco ist der Trainer von Manchester City angespannt. Der Spanier fühlt sich unverstanden - und zofft sich mit den Medien.
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Man mag es kaum glauben, aber in Wahrheit ist der Fußballtrainer Josep Guardiola i Sala ein zutiefst verängstigter Mensch. Seine Sorgen kreisen oft um sportliche Dinge, um Unwägbarkeiten des Spiels und manchmal, da trieb ihn auch schon die Vorbereitung auf den linken Verteidiger von Darmstadt 98 schier in den Wahnsinn. Geht er gerne links vorbei? In welchem Winkel senken sich seine Bananenflanken? Und, wenn ja, welche Schuhgröße hat der Mann? Guardiola ist gerne gut vorbereitet, ihm entgeht nichts - aber dummerweise birgt der Fußball viel Überraschungspotenzial. Den Beweis dafür lieferte am vergangenen Wochenende wieder einmal ein unterklassiger Gegner Guardiolas: Der englische Zweitligist Huddersfield Town, trainiert vom Deutschen David Wagner, wehrte sich nämlich im FA Cup so vehement gegen ManCity, dass es am Ende 0:0 stand. Zur Strafe müssen die großen "Citizens" jetzt ein Wiederholungsspiel gegen die winzigen Huddersfielder bestreiten - aber vorher steht ein noch viel substanziellerer Abend an. Wie sehr Guardiola Monaco fürchtet An diesem Dienstag gastiert der AS Monaco zum Achtelfinal-Hinspiel der Champions League in Manchester. Und Guardiola sagt: "Ihre Außenverteidiger spielen wie Stürmer. Und ihre Stürmer sind Krieger, sie sind Killer im Strafraum." Die Herren Valere Germain und Falcao fürchtet Guardiola so sehr, dass man ihm am liebsten seinen Chef-Aufpasser in der Abwehr fit zaubern würde. Doch leider hat Vincent Kompany in dieser Saison erst 115 Minuten gespielt - derzeit plagen den Belgier die Folgen einer Knieverletzung. Guardiola, das lässt sich sagen, steht gegen die Monegassen vor der schwierigsten Prüfung seiner Trainerkarriere in England. Zwar ist sein Team "Englands größte Hoffnung auf einen Erfolg in der Champions League", wie die Zeitung Guardian feststellte. Doch die Frage ist: Welches City wirft sich an diesem Abend ins Getümmel? Jene verzagte Pokalelf aus der Huddersfield-Schmach? Oder die Elite-Truppe, die zuletzt in der Liga dreimal in Serie siegte? Am Ende einer ohnehin durchwachsenen Woche, in der Guardiolas neuer Liebling Gabriel Jesus sich den Fuß brach und nun ein bis zwei Monate ausfällt, war der Coach bemüht, das vergangene Wochenende verbal aufzuhübschen. "Es war ein Pokalspiel gegen eines der besten Teams der zweiten Liga", betonte er. "Das ist nicht frustrierend."
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https://www.sueddeutsche.de/sport/champions-league-guardiolas-spiel-mit-der-angst-1.3388337
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mlsum-de-1252
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Der Kommunikationschef des Netzwerks nimmt die Verantwortung für die Zusammenarbeit mit einer berüchtigten PR-Firma auf sich. Die Agentur soll mit Negativkampagnen gegen Kritiker des Netzwerks vorgegangen sein.
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Facebooks scheidender Kommunikationschef hat die volle Verantwortung für eine Kooperation mit einem PR-Unternehmen übernommen, das Negativkampagnen gegen Kritiker des Online-Netzwerks betreiben sollte. Der Entschluss, die umstrittene Agentur Definers und ähnliche Firmen anzuheuern, gehe auf ihn zurück, schrieb Elliot Schrage in einem Post. Kürzlich hatte die New York Times in einem Bericht enthüllt, dass Definers Public Affairs im Auftrag von Facebook prominente Kritiker der Plattform gezielt in ein schlechtes Licht rücken sollte. Unter anderem soll die Firma versucht haben, kritischen Organisationen zu schaden, indem sie sie mit dem jüdischen Milliardär und Großspender George Soros in Verbindung brachte. Damit habe sie nach Ansicht der betroffenen Firmen antisemitische Vorurteile befeuert. Facebook stellte die Kooperation mit Definers nach Bekanntwerden der Taktiken ein. Schrage hatte seinen Abschied ohnehin angekündigt In seinem Post dementiert Schrage, die Firma mit dem Einsatz von Fake News zur Diskreditierung von Kritikern beauftragt zu haben. Definers Public Affairs ist für unsaubere Techniken berüchtigt, ein anonymer Mitarbeiter bezeichnete das firmeneigene Nachrichtenportal als "hauseigene Fake-News-Schmiede". Bei ihrer Negativkampagne gegen Kritiker der Online-Plattform habe die PR-Firma über die Stränge geschlagen, sagte Schrage. Das von ihm im Facebook-Kommunikationsteam eingeführte System habe "hier versagt", räumte er weiter ein. "Es tut mir leid, dass ich euch alle hängengelassen habe." Schrage arbeitet bereits seit zehn Jahren bei Facebook. Seinen Abschied hatte er allerdings bereits im Juni im Zuge des Datenskandals um die Firma Cambridge Analytica angekündigt. Die Facebook-Chefs bleiben im Sattel Weitere personelle Konsequenzen aus der Zusammenarbeit mit Definers soll es bei Facebook nicht geben. Schrages Erklärung ergänzte Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg um eine eigene Entschuldigung. Auch sie trage Verantwortung, da ihr das Kommunikationsteam unterstehe, schrieb sie. Als sie den Times-Artikel gelesen habe, habe sie sich nicht an Definers erinnern können, auch wenn eine Prüfung ergeben habe, dass Verweise auf die Firma auch über ihren Schreibtisch gegangen seien. Facebook-Chef Mark Zuckerberg stellte sich trotz der Affäre hinter Sandberg. Er hoffe, noch "auf Jahrzehnte hinaus" mit ihr zusammenarbeiten zu können, sagte er bereits am Dienstag in einem Interview mit dem Sender CNN. Er selbst habe ebenfalls keine Pläne, zurückzutreten.
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https://www.sueddeutsche.de/digital/nach-schmutzkampagnen-facebook-opfert-einen-bauern-1.4222035
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mlsum-de-1253
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Die Lira verliert an Wert, Investoren sind verunsichert. Ein wirtschaftliches Schockszenario könnte sich abzeichnen: Anleger bleiben fern, andere ziehen eventuell ihr Geld ab.
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Investoren müssten sich keine Sorgen machen, schrieb der stellvertretende türkische Ministerpräsident Mehmet Simsek am Sonntag auf dem Nachrichtenportal Twitter. Die Regierung habe in Absprache mit der Zentralbank des Landes und dem Finanzministerium alle erforderlichen Maßnahmen getroffen. Und sie gehe massiv gegen Teile des Militärs sowie der Justiz vor. "Kein Grund zur Sorge". An den Börsen, zumindest an denen, die am Sonntag geöffnet waren, war die Sicht auf den Putschversuch eine andere. Als Panzer durch Ankara und Istanbul rollten, sank die türkische Währung Lira im Vergleich zum US-Dollar auf den niedrigsten Stand seit acht Jahren. Der Handel mit Aktien und Staatsanleihen wurde ausgesetzt. An diesem Montag soll er wieder aufgenommen werden. Vermögensverwalter wie Brian Jacobsen vom Wells Fargo Funds Management erwarten, dass der Putschversuch die Anleger verunsichert. Dass die türkische Lira nachgegeben habe und der Goldpreis gestiegen sei, gleiche "einer Reaktion wie aus dem Lehrbuch", sagte Jacobsen am Sonntag. Es war nicht die einzige Reaktion "wie aus dem Lehrbuch". Am Sonntag teilte Sekerbank TA, eine in Istanbul ansässige Bank mit, eine geplante Anleihenausgabe im Wert von 300 Millionen US-Dollar wegen der Unruhen zu verschieben. Sollten weitere Anleger von geplanten Investitionen zurücktreten, dürfte sich die finanzielle Lage der türkischen Regierung deutlich verschlechtern. Die Türkei ist bei Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) als "Schwellenland" kategorisiert. Diese Einstufung wirkt sich auch darauf aus, wie viel Geld die türkische Regierung aufwenden muss, um ihre Staatsschuld an den Märkten zu refinanzieren. Während die Bundesregierung gerade zum ersten Mal deutsche Staatsanleihen mit negative Zinsen ausgegeben hat, also Geld bekommt für die Ausleihe, müssen Regierungen von Schwellenländern mit deutlich schlechteren Bedingungen als jene von Industrieländern zurecht kommen. Mögliches Schockszenario: Anleger ziehen ihr Geld ab, die Touristen bleiben aus Schon im Frühling, also lange vor dem Putschversuch, hatte der IWF die Regierung in Ankara vor steigenden Finanzierungskosten gewarnt. Die hohen Auslandsschulden und deren Refinanzierung bleibe "die größte Herausforderung für die Türkei", heißt es in dem am 25. April veröffentlichten Länderbericht. Die Auslandsverschuldung sei auf 52 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen, allein ein Viertel der jährlichen Wirtschaftsleistung sei nötig, um die Auslandsschulden zu bedienen. Der türkischen Regierung sei es nicht gelungen, das Leistungsbilanzdefizit abzubauen, sie gebe noch immer deutlich mehr Geld für Einfuhren aus als es mit Ausfuhren erlöse - trotz günstiger Bedingungen wie des niedrigen Ölpreises. Das zeige, dass die Wirtschaft nicht wettbewerbsfähiger werde. Das Fazit fällt unerfreulich aus. "Wegen des hohen Leistungsbilanzdefizits und der enormen Kosten zur Finanzierung der Auslandsschulden bleibt die Wirtschaft anfällig für äußere Schocks". Zu einem solchen Schock könnte es nun infolge des Putschversuches kommen. Ausländische Anleger bleiben fern, andere ziehen ihr Geld ab, die Touristen bleiben aus. Dem Einbruch der Wirtschaft stehen die enormen Finanzierungskosten der Auslandsschulden gegenüber. Gut möglich, dass die Türkei erneut finanzielle Hilfe brauchen wird.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/finanzmaerkte-gefahr-fuer-die-tuerkische-wirtschaft-1.3082065
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mlsum-de-1254
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Die Eidgenossen jubeln in Lille: Roger Federer besiegt den Franzosen Richard Gasquet in drei Sätzen und führt die Schweiz zu ihrem ersten Davis-Cup-Triumph. Selbst die Rückenschmerzen können dem Weltranglisten-Zweiten nichts anhaben.
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In drei Sätzen alles klar gemacht: Roger Federer führt die Schweiz zum ersten Davis-Cup-Triumph. Matchball nach 1:52 Stunden Roger Federer hat das Schweizer Tennis-Team zum ersten Gewinn des Davis Cups geführt. Der Weltranglisten-Zweite gewann in Lille gegen den Franzosen Richard Gasquet klar mit 6:4, 6:2, 6:2 und holte damit im Endspiel den entscheidenden dritten Punkt. Am Samstag hatte Federer an der Seite von Stanislas Wawrinka bereits im Doppel gegen Gasquet und Julien Benneteau mit 6:3, 7:5, 6:4 gesiegt. Am Sonntag verwandelte er nach 1:52 Stunden seinen ersten Matchball und erfüllte sich damit einen langersehnten Traum. Der Gewinn des prestigeträchtigen Mannschaftswettbewerbs war neben Einzelgold bei Olympia der einzige große Titel, der ihm noch fehlte. Dabei war Federers Einsatz im Finale wegen Rückenbeschwerden lange Zeit ungewiss. Vor einer Woche musste er bei der Tennis-WM in London noch das Endspiel gegen Novak Djokovic absagen. Federer besiegt die Rückenschmerzen Auch in Lille wirkte der 33-Jährige anfangs nicht beschwerdefrei, sein schwacher Auftritt bei der klaren Niederlage gegen Gael Monfils am Freitag ließ große Zweifel am körperlichen Zustand Federers aufkommen. Gegen Gasquet, der für Jo-Wilfried Tsonga zum Einsatz kam, war davon allerdings nichts mehr zu sehen. Vor der Davis-Cup-Rekordkulisse von 27 448 Zuschauern im Stade Pierre-Mauroy bestimmte er von Beginn an das Geschehen und dominierte wie in seinen besten Zeiten. "Ein großes Kompliment an unsere medizinische Abteilung. Sie hat einen super Job gemacht", hatte Federer bereits nach dem Doppelsieg am Samstag gesagt. Im ersten Satz gelang ihm gegen Gasquet bereits zum 2:1 das erste Break, nach 44 Minuten verwandelte er seinen vierten Satzball zum 6:4. Auch im zweiten Abschnitt machte der Rekord-Grand-Slam-Turnier-Sieger von Anfang an Druck und nahm dem chancenlosen Gasquet sofort das Service ab. Zum 5:2 gelang ihm ein weiteres Break, nach gerade einmal 69 Minuten hatte sich Federer einen beruhigenden 2:0-Satzvorsprung erspielt. Kollege Wawrinka kann beruhigt zusehen In der Schweizer Box konnte Wawrinka beruhigt die starke Vorstellung seines Teamkollegen verfolgen. Der Australian-Open-Champion hatte am ersten Tag mit seinem Sieg gegen Tsonga für den ersten Punkt der Gäste gesorgt, am Sonntag kam es nicht mehr auf ihn an. Denn Federer ließ auch im dritten Durchgang nicht locker. Zwar wehrte sich Gasquet tapfer und wehrte in seinem ersten Aufschlagsspiel vier Breakbälle ab. Zum 2:3 musste er aber doch wieder sein Service abgeben, damit war die Entscheidung gefallen.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/triumph-im-davis-cup-federer-erfuellt-den-schweizer-traum-1.2234146
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mlsum-de-1255
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Im Unterricht dürfen die von der Bundesrepublik entsandten Lehrer des Istanbul Lisesi nichts über das christliche Fest mitteilen. Auch Weihnachtslieder sind nicht erwünscht.
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Weihnachten ist hier nicht erwünscht: Das Gymnasium Istanbul Lisesi, dessen deutsche Lehrer von der Bundesrepublik entsandt werden. An einer deutschen Schule in Istanbul darf Weihnachten im Unterricht keine Rolle mehr spielen. Wie die Deutsche Presse-agentur (dpa) berichtet, wies die türkische Schulleitung die deutsche Abteilung des Istanbul Lisesi dazu in einer E-Mail an. Es gelte, "dass ab sofort nichts mehr über Weihnachtsbräuche und über das christliche Fest im Unterricht mitgeteilt, erarbeitet sowie gesungen wird", zitiert die dpa aus dem Schreiben. Es ist unklar, ob die Anweisung von der Schulleitung ausgeht oder von einer höheren Behörde. Das türkische Bildungsministerium und die Leitung der deutschen Abteilung des Istanbul Lisesi - die der türkischen Schulleitung untergeordnet ist - äußerten sich auf Anfrage der dpa inhaltlich nicht zu der Anordnung. Auch die Teilnahme des Schulchors am traditionellen Weihnachtskonzert im deutschen Generalkonsulat am vergangenen Dienstag wurde von der türkischen Leitung kurzfristig unterbunden. Es ist nicht der erste Zwischenfall mit politischem Hintergrund: Im vergangenen Schuljahr wurde ein türkischer Lehrer zwangsversetzt, nachdem ihn Schüler angeschwärzt hatten - weil er sich ihrer Meinung nach kritisch über den Propheten Mohammed geäußert hatte. Daraufhin hätten Absolventen dem Schulleiter Hikmet Konar - den die AKP-Regierung 2015 eingesetzt hat - bei der Abiturfeier demonstrativ den Rücken zugedreht. "Wir wollten unsere Unzufriedenheit darüber zeigen, dass er unsere Schule in eine Richtung führt, die uns nicht gefällt: zu religiös, zu konservativ und zu nah an der Regierung", zitiert dpa einen der Absolventen. Bei derselben Feier bat Konar den deutschen Generalkonsul Georg Birgelen, auf seine traditionelle Ansprache an die Abiturienten zu verzichten - kurz davor war es wegen der Armenier-Resolution des Bundestages zur Krise zwischen Ankara und Berlin gekommen. Birgelen verließ die Festveranstaltung am Istanbul Lisesi aus Protest. Lehrer werden aus deutschen Steuermitteln bezahlt Die derzeit 35 deutschen Lehrer des Istanbul Lisesi werden von der Bundesrepublik entsandt und aus Steuermitteln bezahlt, was auf eine jährliche finanzielle Förderung in Millionenhöhe hinausläuft. Das traditionsreiche Elite-Gymnasium wird ausschließlich von türkischen Schülern besucht, ist aber eine anerkannte deutsche Auslandsschule. Neben dem türkischen Abschluss können die Schüler dort das Abitur erwerben und damit in der Bundesrepublik studieren. Die meisten Fächer am Istanbul Lisesi werden auf Deutsch unterrichtet. Grundlage ist ein Zusatzvertrag zum Kulturabkommen zwischen Deutschland und der Türkei, wonach Deutschland bis zu 80 deutsche Lehrer an bestimmte türkische Schulen entsendet. Der Vertrag besagt in Artikel 12: "Die Vertragsparteien werden bemüht sein, sich gegenseitig dabei zu unterstützen, ihren Völkern die Kenntnis der Kulturgüter des anderen Landes zu vermitteln." Auswärtiges Amt reagiert mit Unverständnis Inzwischen hat sich das Auswärtige Amt zu dem Weihnachts-Verbot geäußert. "Wir verstehen die überraschende Entscheidung der Leitung des Istanbul Lisesi nicht", heißt es von dort. "Es ist sehr schade, dass die gute Tradition des vorweihnachtlichen interkulturellen Austausches an einer Schule mit langer deutsch-türkischer Tradition in diesem Jahr ausgesetzt wurde. Wir nehmen das natürlich mit unseren türkischen Gesprächspartnern auf." Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Omid Nouripour, reagierte auf die Nachricht entrüstet. "Ein Verbot des Themas Weihnachten an Schulen ist nicht hinnehmbar, erst recht, wenn sie von Deutschland mitfinanziert werden", sagte er der dpa in Istanbul. "Die Bundesregierung muss dies Ankara gegenüber eindeutig klarmachen. Wenn die türkische Regierung darauf nicht eingeht, dann muss die Finanzierung für die Schule eingestellt werden." Nouripour kündigte eine Anfrage an die Bundesregierung zu dem Thema an. Ähnlich kritisch wie Nouripour äußerte sich auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Franz Josef Jung. Kritiker werfen der AKP-Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan vor, traditionell säkular geprägte Schulen wie das Istanbul Lisesi zunehmend auf ihren islamisch-konservativen Kurs zu zwingen.
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https://www.sueddeutsche.de/bildung/tuerkei-weihnachten-ist-an-einer-deutschen-schule-in-istanbul-tabu-1.3299548
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mlsum-de-1256
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Die Vermessung des Fußballs und seiner Akteure wird immer präziser, längst erheben Forscher heute mehr als Ballbesitz und Laufdistanz. Auch der Pressingindex kann spielentscheidend sein.
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Ballbesitzstatistik, Passquoten, Laufdistanz oder Heatmaps mit den Aufenthaltsorten der Spieler - heute vergeht kein professionelles Fußballspiel, bei dem das Geschehen nicht mit haufenweise Daten aufbereitet wird. Auch beim Spiel der deutschen Auswahl gegen England heute Abend werden diverse Statistiken wohl als Gütesiegel der jeweiligen Mannschaft herangezogen. Dabei ist aus Studien längst bekannt, dass diese einfachen Indikatoren kein Erfolgskriterium darstellen. Exemplarisch dafür steht das Champions-League-Spiel Celtic Glasgow gegen den FC Barcelona vom 7. November 2012. Barcelona dominierte die Partie scheinbar nach Belieben: 84 Prozent Ballbesitz, 25:5 Torschüsse, 955 Pässe und eine überragende Passquote von 91 Prozent. Celtic brachte es nur auf 166 Pässe und lieferte 38 Prozent Fehlpässe ab. Doch die Schotten gewannen 2:1 und der Anschlusstreffer von Barcelona fiel erst in der Nachspielzeit. Ähnlich war es beim WM-Halbfinale in Brasilien 2014: Die Gastgeber hatten die bessere Passquote, mehr Torschüsse und waren häufiger im Angriffsdrittel. Aber Deutschland gewann mit 7:1. Natürlich ist es von Vorteil, wenn ein Spieler seine Pässe an den Mitspieler bringt. Aber es macht einen Unterschied, ob es sich dabei nur um kurzes Sicherheitsgeschiebe im Mittelfeld handelt, oder um riskante aber womöglich spielentscheidende Steilpässe in den Lauf der Stürmer. "Ähnlich verhält es sich mit der Ballbesitzquote", sagt Daniel Memmert vom Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule Köln. "Diese sagt durchaus einiges über die Dominanz einer Mannschaft aus, aber selten etwas über ihre tatsächlichen Siegchancen." In den letzten Jahren hat Memmert gemeinsam mit dem Sportinformatiker Jürgen Perl von der Universität Mainz ein Analysetool entwickelt, das über die heute übliche und noch etwas naive Datenanalyse hinausgeht. Mit Soccer, wie das Tool heißt, lassen sich aus den laufend gesammelten Positionsdaten der Spieler taktisch relevante Aspekte ermitteln, sogenannte Key Performance Indikatoren (KPI), die mehr über die Qualitäten einer Mannschaft aussagen, als die Frage, ob ein Spieler 9,4 oder 10,3 Kilometer weit gelaufen ist. 310 Millionen Datenpunkte aus über 4200 gespielten Minuten Ein solcher KPI ist beispielsweise der Pressingindex. Er besagt, wie schnell eine Mannschaft nach Ballverlust den Gegner attackiert. Ein anderer Indikator ist die Raumkontrolle. Sie beschreibt die Herrschaft einer Mannschaft über die Räume auf dem Fußballfeld und ist durch jene Rasenfläche definiert, die Spieler einer Mannschaft vor den Spielern der gegnerischen Mannschaft erreichen können. Ein dritter KPI ist der Pass-Effektivitätsparameter. Er beschreibt, wie effizient Gegenspieler durch einen Pass in Vorwärtsrichtung ausgeschaltet werden. In einer groß angelegten Studie, finanziert durch die Deutsche Fußball Liga, hat Memmert 50 Spiele der Bundesligasaison 2014/15 mit Soccer analysiert. Das waren 310 Millionen Datenpunkte aus über 4200 gespielten Minuten. Demnach entscheiden die drei erwähnten Indikatoren - Raumkontrolle, Pressingindex und Pass-Effektivitätsparameter - über Sieg und Niederlage. "Anhand dieser Parameter kann man die oberen und unteren Tabellendrittel vorhersagen", sagt Memmert. Es gibt diverse Tools, mit denen sich die Positionsdaten der Spieler verarbeiten lassen. Dazu zählen InStat Scout, Wyscout, Scout 7 und OptaPro. Eine Besonderheit von Soccer ist jedoch die Verwendung künstlicher neuronaler Netze. Das sind dem menschlichen Gehirn nachempfundene Computeralgorithmen. Ein entsprechend programmiertes digitales Neuron reagiert zum Beispiel wie ein geschultes Auge auf eine bestimmte Spielsituation, etwa auf einen Pass vom Mittelfeld in den Strafraum, der über mindestens fünf Gegenspieler hinweg geht.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-drei-neue-parameter-fuer-fussball-scouts-1.3742095
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mlsum-de-1257
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Olaf Janßen gibt dem VfB Stuttgart gegen Kaiserslautern in seinem ersten Spiel als Interims-Trainer jene Spielfreude und Dominanz zurück, die der selbsterklärte direkte Aufsteiger schon von Anfang an zeigen wollte.
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Wie oft Olaf Janßen sich Tabellen anschaut, hat er noch nicht verraten. Aber wie manch anderer Fußballliebhaber auch, dürfte der Interimstrainer des VfB Stuttgart das mal mehr, mal weniger intensiv und mal mehr, mal weniger begeistert tun. Am Freitagabend und auch noch am Samstagvormittag waren wohl beide Emotionen vorhanden. Weniger Freude bei der Betrachtung der Tabelle der zweiten Fußball-Bundesliga, wo der VfB Stuttgart vor dem Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern nur Neunter war und damit sehr offensichtlich hinter den eigenen Ansprüchen zurück bleibt; dafür umso mehr Freude beim Blick weit nach oben, dorthin, wo er mit seiner Mannschaft lieber wäre: an der Spitze der ersten Liga, zum 1. FC Köln - der dort zumindest bis zum Ende der Erstligaspiele am Nachmittag stand. 209 Spiele hatte Janßen von 1985 bis 1996 für die Kölner absolviert, erreichte mit Thomas Häßler und Pierre Littbarski 1986 das UEFA-Pokalfinale und wurde 1989 und 1990 Vizemeister. Köln ganz oben, das gefiel auch Janßen und half ein wenig über die ernüchternde Situation seines jetzigen Arbeitgebers hinweg. Lange her. Aber daran, auf Erfolge zurück oder gar auf die eines ihm nahestehenden Vereins zu blicken, dürfte sich Janßen in seinen 75 Tagen als Co-Trainer und den zwei Tagen als Interimstrainer beim VfB schon gewöhnt haben. Doch nach dem Spiel in Kaiserslautern musste Janßen seinen Blick nicht mehr weit schweifen lassen, um lächeln zu können: Rang vier, der VfB ist seinem erklärten Wunschplatz nach dem verdienten 1:0 (0:0) im Fritz-Walter-Stadion wieder näher gekommen und konnte vor den Spielen gegen Spitzenreiter Braunschweig am Dienstag (17.30 Uhr) und am Freitag gegen Bochum (18.30 Uhr) Selbstvertrauen sammeln. Janßen hat den Stuttgartern ihre Spielfreude zurück gebracht Noch vor zwei Tagen sah es nicht danach aus, als könnten die Schwaben beim Gedanken an Erfolgserlebnisse auf die Gegenwart oder in die Zukunft blicken. Jos Luhukay, der nach dem Abstieg Nachfolger von Jürgen Kramny geworden war, kündigte am Donnerstag mangels Vertrauen in seine Arbeit, wie er über seinen Anwalt mitteilen ließ. Der VfB stand, mal wieder, ohne Trainer da und das nach gerade einmal vier Spieltagen, die mit zwei Siegen und zwei Niederlagen so gar nicht nach dem Geschmack des selbsterklärten direkten Wiederaufsteigers gelaufen waren. Janßen aber hat in der kurzen Zeit seiner Beförderung vom zweiten Co-Trainer zum Interims-Chefcoach das gemacht, was Luhukay nicht gelungen war: Er brachte den Stuttgartern ihre Spielfreude zurück. "Das war eine extreme Drucksituation", sagte Janßen. "Wir haben in der kurzen Zeit versucht, bei den Spielern ein Verantwortungsgefühl reinzubringen. Heute war zu sehen, dass jeder für den anderen da war. Dass wir phasenweise auch gut Fußball gespielt und aufs zweite Tor gedrängt haben, war gut." Im Vergleich zum letzten Spiel unter Luhukay gegen den 1. FC Heidenheim (1:2) begannen Takuma Asano, Timo Baumgartl, Hajime Hosogai und Alexandru Maxim statt Stephen Sama (nicht im Kader), Berkay Özcan, Jean Zimmer und Matthias Zimmermann (alle auf der Bank). Den besseren Start aber erwischte Kaiserslautern, erst nach 20 Minuten konnte sich Stuttgart mit einem guten Zusammenspiel von Tobias Werner und Alexandru Maxim von seiner Unsicherheit befreien. Gefährlich wurde der VfB dem Gastgeber aber vor allem immer wieder durch Takuma Asano. Jener Zugang, der - wie auch Benjamin Pavard und Carlos Mané - von Luhukay nicht gerade euphorisch begrüßt und bisher in keinem einzigen Spiel berücksichtigt worden war. "Die Themen außerhalb des Platzes haben uns nicht zu beschäftigen" Stuttgart drängte immer wieder in den pfälzischen Strafraum, nur der Abschluss wollte vor der Pause nicht gelingen. Vor 45 761 Zuschauern war es dann Simon Terodde, der in der zweiten Halbzeit für Erleichterung bei den spielerisch überlegenen Stuttgartern sorgte (52.). Nach einer Flanke von Emiliano Insua köpfte der letztjährige Zweitliga-Torschützenkönig aus kurzer Distanz ein - unbekümmert von dem ganzen Theater der vergangenen Tage. "Das ganze Drumherum, die Themen außerhalb des Platzes haben uns als Spieler nicht zu beschäftigen", sagte Terodde nach seinem zweiten Saisontreffer. "Es hat eine Einheit auf dem Platz gestanden, auch die Fans hinter uns waren eine Wand." Auch Rechtsverteidiger Florian Klein bezeichnete die Arbeit seines neuen Trainers als "hervorragend. Er bringt die Leidenschaft mit und überträgt das auf die Mannschaft." Davon war auch nach Teroddes Tor viel zu spüren. Stuttgart, akustisch inzwischen so laut unterstützt wie bei einem Heimspiel, versuchte es immer wieder. Olaf Janßen, unterstützt von seinen Assistenten und Ex-VfB-Profis Andreas Hinkel und Heiko Gerber, rief Anweisungen auf den Platz, klatschte motivierend in die Hände, lief nervös von links nach rechts. Ernsthafte Sorgen musste sich das Interims-Trio aber nicht machen. Kaiserslautern konnte bis auf zwei Chancen von Lukas Görtler (66./80) keinen Profit aus seiner Schlussoffensive in der zweiten Halbzeit ziehen. Tayfun Korkut, Trainer des in dieser Saison noch sieglosen 1. FC Kaiserslautern, dürfte beim Blick auf die Tabelle sehr wenig Freude verspüren. Aber darum konnte sich Olaf Janßen nicht auch noch kümmern.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/zweite-liga-leidenschaft-bringer-1.3166697
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mlsum-de-1258
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Unmittelbar vor den ersten Duellen in der Bundesliga-Zwischenrunde gegen die Regensburg Legionäre verlässt Werfer Michael Click die Haar Disciples. "Er sagt, für ihn persönlich sei das besser", sagt Sportdirektor Howard.
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Christopher Howard war in den vergangenen Wochen viel unterwegs, etwa als Co-Trainer der deutschen Baseball-Nationalmannschaft, und dabei hat er auch einige Spieler gecoacht, die er an diesem Wochenende als Gegner wider treffen wird. Spieler der Regensburg Legionäre. An diesem Samstag (14 Uhr) in Haar und am Sonntag (14 Uhr, Regensburg) stehen sich die Legionäre und die München-Haar Disciples, deren Sportdirektor Howard ist, in der Bundesliga-Zwischenrunde gegenüber und machen wahrscheinlich den zweiten freien Platz für die Halbfinal-Duelle unter sich aus. Eigentlich ein Duell auf Augenhöhe: Die Disciples haben in der Punktrunde zwar drei von vier Spielen gegen die Legionäre verloren, für die Zwischenrunden-Tabelle aber einen Sieg mehr mitnehmen können als der Gegner. Doch während Howard im Ausland weilte, hat einer der wichtigsten Spieler die Disciples verlassen: Pitcher Michael Click habe sich nach zweieinhalb Monaten, in der spannendsten Phase der Saison, in die USA verabschiedet. "Er sagt, für ihn persönlich sei das besser", sagt Howard. Als Start-Pitcher dürfte stattdessen Lukas Steinlein zum Einsatz kommen. Ob er allerdings den Amerikaner jeweils in Spiel zwei des Spieltages vertritt - Nicht-EU-Ausländer dürfen in Spiel eins als Werfer nicht antreten - sei noch offen. Howard sagt, sein Bruder, Trainer Philipp Howard, werde womöglich kurzfristig entscheiden, wer an welchem Tag besser geeignet ist.
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https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/baseball-ohne-pitcher-in-die-playoffs-1.4072374
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mlsum-de-1259
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Auf einem Teppich schreiten Politiker stets ihrem Gastgeber entgegen, ebenso wie Filmsternchen dem vermeintlichen Gipfel des Ruhms. Doch muss der rot sein?
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Wenn einem heutzutage ein roter Teppich ausgerollt wird, muss man längst kein Staatschef und Filmstar mehr sein. Selbst zweitklassige Coiffeure oder Hoteliers schmücken ihre Häuser mit dem Bodenbelag. Dem Nimbus des roten Teppichs hat das jedoch nicht geschadet. Bei Besuchen von Staatsgästen wie jetzt beim G-7-Gipfel auf Sizilien gilt er immer noch als Ausdruck größter Hochachtung. Die ersten Belege für die Bedeutung des roten Teppichs reichen zurück bis in die griechische Mythologie: Bereits dem Anführer der Griechen bei Troja, Agamemnon, soll nach dem Sieg von seiner Frau ein roter Teppich ausgerollt worden sein. Der Legende nach hat sich Agamemnon anfangs geweigert, den Läufer zu betreten, dieser sei den Göttern vorbehalten. Belegt ist, dass Purpurrot einst der teuerste Farbstoff der Welt war. Er war nur sehr aufwendig aus dem Sekret der Purpurschnecke zu gewinnen, für ein Gramm reinsten Purpurs mussten mehrere Tausend Schnecken eingesetzt werden. So galt Purpurrot auch im alten Rom als die Farbe der Würdenträger; das byzantinische Reich schwelgte in Gold und Purpur. Auch im Abendland kennzeichnete das Rot den Herrscher: In einem Teil des "Grundgesetzes" des Heiligen Römischen Reiches, der Goldenen Bulle, wurde 1356 festgeschrieben, dass Städte den Kaiser mit einem roten Baldachin begrüßen mussten. Teppiche wurden zu dieser Zeit in Europa noch nicht als Bodenbelag, sondern zur Dekoration von Wänden verwendet. Seine zeremonielle Bedeutung gewann der rote Teppich schließlich am englischen Hof zu Beginn des 19. Jahrhunderts, wo Besucher anderer Herrscherhäuser damit begrüßt wurden. Die Krönung von Königin Viktoria 1837 etablierte den roten Teppich dann als festes Utensil eines Staatsaktes. Der "berühmteste Zug der Welt", der 20th Century Limited, löste bei seiner Jungfernfahrt 1902 den roten Teppich aus seiner rein politischen Bedeutung. Auf der Strecke zwischen New York und Chicago wurden die Fahrgäste mit Sterneküche, ausschweifendem Abendprogramm und luxuriösen Schlafabteilen verwöhnt. Dieses "red carpet treatment" wurde zum Sinnbild für einen äußerst exklusiven Empfang.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/raetsel-der-woche-warum-rollt-man-staatsgaesten-einen-roten-teppich-aus-1.3522493
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mlsum-de-1260
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Für den FC Bayern München ist Maxi Kleber eine Investition in die Zukunft, Sympathieträger ist er schon jetzt. Trainer Pesic mahnt nach dessen erstem Kurzeinsatz gegen Bremerhaven zu Geduld
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Marko Pesic ist bemüht, sich bei Spielen zurückzuhalten, das gebietet allein seine Funktion als Geschäftsführer der Basketballer des FC Bayern. Als solcher gibt er Einschätzungen zur Situation meist vor den Spielen, im feinen Zwirn, aufgeräumt und smart. Denn Pesic weiß, dass gerne mal mit der Kamera auf ihn gehalten wird, es ist also ratsam, die Emotionen ein wenig zu kontrollieren. Am Sonntagabend aber, da brach für einen Augenblick der ehemalige Nationalspieler durch, der angespannte Funktionär. Denn es ereignete sich etwas Besonderes, etwas, auf das die Bayern lange haben warten müssen: Maximilian Kleber, den alle nur Maxi nennen, hatte seinen ersten Einsatz, spät in der Saison, weil sich seine Fußverletzung als sehr hartnäckig herausstellte. Und weil die Bayern keinerlei Risiko eingehen wollen. Also ballte Marko Pesic kurz die Fäuste und schüttelte die Arme, als Kleber in seiner ersten Aktion den Ball mit einem krachenden Dunking in den Korb hämmerte. Kurz darauf schickte der Power Forward einen Drei-Punkte-Wurf durch die Reuse, Pesic lehnte sich genüsslich zurück. Um einen Augenblick später aufzuspringen, um am Spielfeldrand in Richtung Schiedsrichter eine Strafe zu fordern, Kleber war gerade gefoult worden. Dann, 4,48 Minuten später, war der Auftritt des Hochgelobten vorbei, Coach Svetislav Pesic beließ es bei einem ersten Hineinschnuppern. Der Rest war ein phasenweise recht zäh erstrittener Sieg, die Festigung des zweiten Tabellenplatzes, banales Tagesgeschäft. Der 96:86-Erfolg gegen die abstiegsbedrohten Eisbären Bremerhaven war kein spielerisches Glanzstück der Münchner Bayern, vielmehr ein solider Arbeitsnachweis eines Titelfavoriten, garniert mit der Rückkehr des lange vermissten Zugangs. Natürlich war Kleber der gefragteste Mann des Abends, woran auch seine mit knapp fünf Minuten doch überschaubare Einsatzzeit nichts zu ändern vermochte. Da stand er dann und gab frisch geduscht seine Eindrücke zum gerade Erlebten den interessierten Pressevertretern preis. "Es war jetzt erst mal wichtig für den Kopf, dass ich gespielt habe", erklärte er, die Zeit des Wartens sei nicht einfach für ihn gewesen. Und ja, jetzt müsse man Schritt für Schritt nach vorne blicken, aber das sei Ermessenssache des Trainers. Was man halt in solchen Momenten öffentlich so sagt, als Angestellter eines Profiklubs. Auch ohne große inhaltliche Tiefe war schnell klar, warum die Bayern so sehnsüchtig gewartet haben auf diesen Moment: Zum einen soll Kleber die Mannschaft mit seinen spielerischen Fähigkeiten verbessern, gilt er doch als äußerst variabler Flügelspieler, er ist trotz seiner Größe von 2,07 Metern sehr beweglich und athletisch zugleich, hat zudem einen präzisen Distanzwurf. Kleber ist auch wegen seines jungen Alters von 23 Jahren eine große Hoffnung für den deutschen Basketball, und für den FC Bayern München eine Investition in die Zukunft. Zum anderen präsentierte sich Kleber als ausgesucht höflicher und freundlicher junger Mann, Typ Traum-Schwiegersohn. Kleber könnte das Gesicht dieser Mannschaft werden. Er taugt bestens zum Sympathieträger, nicht umsonst liefen in Spielunterbrechungen immer wieder kurze Werbefilmchen mit ihm, beim Einlaufen bekam er den größten Applaus. Auch Trainer Svetislav Pesic war mit Klebers Debüt zufrieden, er weiß, dass "Maxi der Mannschaft sehr helfen kann". Was man halt so sagt in solchen Momenten, als leitender Angestellter eines Profiklubs. Pesic machte aber auch keinen Hehl daraus, dass vor allem eines für seinen Hoffnungsträger wichtig sein wird: "Er muss Geduld haben, das ist die wichtigste Sache, bis er seine Form erzielt." Ansonsten war Pesic nicht uneingeschränkt zufrieden mit der Leistung seiner Mannschaft an diesem Abend, vor allem das dritte Viertel lag ihm schwer im Trainermagen: "Da haben die Spieler gedacht, sie haben das Spiel schon gewonnen", eine Einstellung, die dem ehrgeizigen Serben zuwider ist: "So etwas ist in der Bundesliga sehr gefährlich", sagte Pesic, denn zum einen ist die in den vergangenen zwei Jahren deutlich erstarkt, zum anderen haben Teams wie Bremerhaven in München nichts zu verlieren und spielten daher "mit hohem Risiko". Sein Fazit bekam daher einmal mehr mahnenden Charakter: Er habe Überheblichkeit im Team erkannt, eine schlechte Eigenschaft auf dem langen Weg zu einer "kontinuierlich guten Defense". Im dritten Viertel war seine Unzufriedenheit deutlich an der Seitenlinie zu sehen und zu hören. Für die Emotionen ist beim FC Bayern der Trainer zuständig.
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https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/fc-bayern-basketballer-ankunft-des-traum-schwiegersohns-1.2823006
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mlsum-de-1261
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Tipps für die Gestaltung von Außenflächen geben der Gartengestalter Wolfgang Schmid und die Journalistin Jutta Langheineken in ihrem Buch "Dachterrassen".
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Auszeit in luftiger Höhe. Sonnenbaden und lesen, feiern oder entspannen - auf einer Dachterrasse wird die Zeit nicht lang. Doch wie lässt sich ein Rückzugsort in luftiger Höhe so gestalten, dass er den persönlichen Bedürfnissen entspricht? Das erläutern der Wiener Gartengestalter Wolfgang Schmid und die Journalistin Jutta Langheineken in ihrem Buch "Dachterrassen". Hier geht es nicht um die aufwendige Konstruktion einer Terrasse, die aus Gründen der Statik ohnehin in die Hände eines Fachmanns gehört. Die Autoren widmen sich vielmehr der Terrassengestaltung, die maßgeblich vom Umfeld abhängt: In der Stadt soll Unschönes meist ausgeblendet werden. Hingegen lässt sich die ländliche Umgebung in die Einrichtung einbeziehen und in Szene setzen. Das Buch erläutert die Vor- und Nachteile verschiedener Bodenbeläge und Möbel sowie von Wind-, Sicht- und Sonnenschutz. Die verwendeten Materialien sollten der lokalen Witterung trotzen und mit ihrem Gewicht im zulässigen Rahmen bleiben. Besonderes Augenmerk gilt den Pflanzen, die Wind und Sonne ungeschützt ausgesetzt sind und in ihren Gefäßen nur begrenzt Wasser und Nährstoffe speichern. Die Autoren nennen Gehölze, Gräser und Stauden, die extremen Bedingungen standhalten; außerdem geben sie Hinweise zur Pflege geeigneter Pflanzen. Neben Farbgestaltung und Dekoration ist die Beleuchtung ein weiteres wichtiges Thema, spielt sich doch ein Großteil des Terrassenlebens am Abend ab. Schmid und Langheineken kombinieren Grundlagenwissen mit konkreten Gestaltungsideen am Beispiel von grünen Oasen im Großstadtdschungel von London oder Mailand. Sie erklären, wie man wenig Platz am besten nutzt, eine kleine Terrasse größer wirken lässt oder aber eine größere Fläche strukturiert. All diese Vorschläge dürften nicht nur für Besitzer von Dachterrassen interessant sein, sondern auch für diejenigen, die einen Balkon oder eine ebenerdige Terrasse ihr Eigen nennen.
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https://www.sueddeutsche.de/geld/lesestoff-auszeit-1.2497224
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mlsum-de-1262
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Merkels "Bildungsrepublik Deutschland" hat wichtige Ziele verfehlt: Zu viele Jugendliche brechen die Schule ab, Millionen haben keine Ausbildung. Das zeigt eine Studie, die der SZ vorliegt. Doch die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern sind erheblich.
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Wenn Politiker etwas versprechen, bleiben sie gern im Ungefähren. Konkrete Ziele zu nennen, kann zum Bumerang werden, wenn das Angestrebte verfehlt wird. Insofern war es schon eine Ausnahme, als vor gut sechs Jahren in Dresden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder die Bildungsrepublik Deutschland ausriefen und sich bis 2015 messbare, anspruchsvolle Ziele setzten. Doch nun steht fest: Ein Teil der bei diesem Bildungsgipfel ausgerufenen Zielmarken lässt sich bis Ende des Jahres nicht mehr erreichen. Dies geht aus einer Untersuchung des Essener Bildungsforschers Klaus Klemm für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) hervor. In der Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es: "Die hohen Zahlen der Jugendlichen ohne Schulabschluss und der jungen Menschen ohne Berufsabschluss bleiben ein zentrales Problem in unserem Bildungswesen. Das deutsche Bildungssystem ist - auch im internationalen Vergleich - unterfinanziert." Schon die erste Messlatte erweist sich jetzt als zu hoch: Anders als in Dresden vorgesehen, wird es nicht gelingen, die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss bis Ende des Jahres zu halbieren. 2013 verließen 5,7 Prozent der Jugendlichen allgemeinbildende Schulen ohne irgendeinen Abschluss. Das Ziel, die Quote von acht auf vier Prozent zu verringern, sei damit "bisher deutlich verfehlt", stellt Klemm fest. Es sei kaum zu erwarten, dass diese Marke noch in diesem Jahr erreicht werde. 1,4 Millionen junge Menschen ohne Ausbildung Der Bildungsexperte weist auch auf große Unterschiede zwischen den neuen Ländern und Flächenstaaten im alten Bundesgebiet hin: In Bayern hört nicht einmal jeder 20. Schüler ohne Zertifikat mit der Schule auf, in Mecklenburg-Vorpommern trifft dies auf gut jeden zehnten zu. Ähnliche Differenzen gibt es bei den sogenannten Mindeststandards in Mathematik: In Bremen scheitern daran 11,5 Prozent der Neuntklässler, in Sachsen nur 1,3 Prozent. Weiterhin hoch ist die Zahl der jungen Erwachsenen ohne Ausbildung: 2013 hatten 1,4 Millionen im Alter von 20 bis 29 Jahren weder eine abgeschlossene Berufsausbildung noch waren sie dabei, eine solche zu erwerben. Das entspricht einem Anteil von 13,8 Prozent in dieser Altersgruppe. Das Ziel des Bildungsgipfels, den Wert von 17 auf 8,5 Prozent zu halbieren, sei damit "bis 2015 völlig ausgeschlossen", heißt es in der Untersuchung. Besser sieht es bei den Krippenplätzen aus: Bundesweit sollte bis 1. August 2013 für 35 Prozent der unter Dreijährigen ein Betreuungsplatz zur Verfügung stehen. Bis 1. März 2014 lag die Betreuungsquote bei 32,3 Prozent. Vor allem die alten Bundesländer liegen allerdings noch häufig weit unter der Zielmarke.
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https://www.sueddeutsche.de/bildung/bildung-und-ausbildung-abgehaengt-und-allein-gelassen-1.2292234
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mlsum-de-1263
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Wegen der Proteste der Gelbwesten steht der französische Präsident enorm unter Druck. Nun macht er den Demonstranten weitere Zugeständnisse.
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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sucht einen Ausweg aus der seit Wochen andauernden, schweren Gelbwesten-Krise. In einer Fernsehansprache an die französische Bevölkerung kündigte Macron am Montagabend an, den Mindestlohn im kommenden Jahr um 100 Euro monatlich anzuheben. "Wir wollen ein Frankreich, in dem man würdig von seiner Arbeit leben kann." Damit ging er auf eine der Hauptforderungen der Protestbewegung ein. Außerdem sagte er, dass es bei Überstunden in Zukunft weder Steuern noch Sozialabgaben geben solle. Zugleich kritisierte er "unzulässige Gewalt" bei Protesten gegen seine Politik und versprach, die Ruhe mit "allen Mitteln" wiederherzustellen. Zudem kündigte der Staatschef eine Entlastung für Rentner an, die über weniger als 2000 Euro monatlich verfügen: Für sie werde 2019 die Erhöhung der Sozialabgaben ausgesetzt, sagte er. Die Maßnahmen betreffen nach Angaben des Fernsehsenders TF1 rund zwei Millionen Haushalte in Frankreich. Macron betonte, er übernehme für die aktuelle Krise einen "Teil der Verantwortung". Am Vormittag hatte der Staatschef Spitzenvertreter aus Politik und Wirtschaft im Elyséepalast empfangen. Dabei sollte Medienberichten zufolge auch über milliardenschwere Steuer- und Abgabenerleichterungen gesprochen werden. Nach erneuten Gelbwesten-Krawallen und Ausschreitungen am Wochenende stand Macron unter Zugzwang. Beobachtern zufolge handelt es sich um die bisher schwerste Krise seit Macrons Amtsantritt im Mai 2017. Am Samstag waren wieder weit mehr als 100 000 Menschen auf die Straße gegangen, davon mindestens 10 000 in der Hauptstadt, um für mehr Steuergerechtigkeit und höhere Kaufkraft zu demonstrieren. Es war das vierte Wochenende in Folge, an dem die Bewegung der Gelbwesten in großem Stil zu Protesten aufgerufen hatte. Die Protestbewegung der Gelbwesten hatte sich Mitte November angesichts geplanter Steuererhöhungen auf Kraftstoffe formiert. Dieses Vorhaben hat die Mitte-Regierung wegen der wochenlangen Proteste mittlerweile auf Eis gelegt. Die Forderungen der Demonstranten reichen heute jedoch viel weiter - von Steuersenkungen über mehr Kaufkraft bis zum Rücktritt Macrons.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/gelbwesten-frankreich-macron-1.4247707
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mlsum-de-1264
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Erstmals seit 2009 sinken in Deutschland die Preise. An eine gefährliche Deflation glauben viele Ökonomen trotzdem nicht. Der Grund: Die Verbraucher verhalten sich nicht so, wie sie es ökonomischen Modellen zufolge eigentlich sollten.
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In Deutschland steigen die Preise erstmals seit Ausbruch der Finanzkrise nicht mehr: Die Inflationsrate lag im Januar bei minus 0,3 Prozent. "Das ist der stärkste Rückgang seit fünfeinhalb Jahren", teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag mit. Damals fielen die Preise nach dem Schock durch die Pleite der US-Bank Lehman Brothers, der die Wirtschaft weltweit zum Erliegen brachte. Nun gibt es einen anderen Grund: Den Verfall des Ölpreises, der seit dem Sommer um mehr als die Hälfte einbrach. Das machte Energie in Deutschland im Vergleich zum Januar des Vorjahres um neun Prozent billiger. Auch Nahrungsmittel verbilligten sich - um 1,3 Prozent. "Heizöl und Benzin sind im statistischen Warenkorb stark gewichtet, deshalb schlägt das so auf die Inflationsrate durch", sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Betrachte man allein die Kerninflation, die Energiekosten außen vor lasse, stiegen die Preise derzeit in Deutschland um 0,6 Prozent. Kater ist deshalb von der aktuell negativen Inflationsrate "nicht allzu sehr alarmiert". Er erwartet, dass der Ölpreis im Laufe des Jahres wieder steigt und mit ihm auch die Inflationsrate. Im Jahresdurchschnitt sieht er sie 2015 in Deutschland bei 0,6 Prozent. Trotzdem weckten die erstmals seit Jahren gesunkenen Preise wieder Sorgen vor einer Deflation in Europa. Um die Preise anzukurbeln, hat Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank, in der vergangenen Woche ein Anleihe-Kaufprogramm von mindestens 1,1 Billionen Euro gestartet. Eine gefährliche Deflation ist dadurch gekennzeichnet, dass Verbraucher ihre Käufe auf morgen verschieben, weil sie glauben, dass die gewünschten Produkte dann billiger sind. Außerdem stellen Unternehmen ihre Investitionen zurück, da sie mit sinkenden Verkaufspreisen für ihre Produkte rechnen. Daraus ergibt sich ein Teufelskreis. Detailansicht öffnen Deflationsspirale droht nicht Ökonomen waren sich am Donnerstag einig, dass eine solche Deflationsspirale in Europa nicht droht - und schon gar nicht in Deutschland. "Dazu müssten die Preise mindestens über ein halbes Jahr sinken und außerdem die langfristigen Inflationserwartungen unter null fallen", sagt Chefvolkswirt Kater. Diese lägen aber noch über einem Prozent. Gefährlich seien auch weniger die fallenden Preise, sondern die eigentliche Ursache, die dahinter stehe: die schwache Wirtschaft und die mangelnde Auslastung der Unternehmen in Europa. "Die Politik muss durch Reformen und einen Abbau der Verschuldung dafür sorgen, dass die Wirtschaft wieder wächst, dann ziehen die Preise von alleine an", so Kater. Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Bremer Landesbank, sieht Deutschland weit von einer gefährlichen Deflation entfernt. "Der Preisrückgang ist allein auf externe Faktoren zurückzuführen, die in einem Jahr wieder verschwunden sind", sagt er. Die Wirtschaft ziehe derzeit an, das Verbrauchervertrauen sei so gut wie lange nicht. "Man kann sich freuen über die Impulse für die Konjunktur, die durch die niedrigen Energiepreise gesetzt werden", sagt der Ökonom. Die Verbraucher hätten mehr Geld in der Tasche, das sie ausgeben könnten. In einer Deflationsphase sei es dagegen genau umgekehrt: Verbraucher hielten ihr Geld zurück, weil sie immer noch niedrigere Preise erwarteten. Das gute Konsumklima in Deutschland wirkt sich auch aus Sicht der Bundesregierung positiv aus. "Aktuell wird das wirtschaftliche Wachstum getragen von einer starken Binnenkonjunktur", sagte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Bundestag. Seine Experten rechnen im Jahresdurchschnitt mit einer Teuerungsrate von einem Prozent. Auch für Kevin Gardiner sind die Sorgen vor einer Deflation in Europa weit übertrieben. "Leicht fallende Preise sind nicht schädlich für eine Ökonomie", sagt der Anlagestratege der Privatbank Rothschild. Es sei eine Legende, dass Verbraucher deswegen Käufe aufschieben, man sehe das an der Elektronikindustrie: Die Preise für Computer, Flachbildschirme oder Handys fielen im Vergleich zu den Produkten anderer Branchen auf lange Sicht am stärksten. Apple mache Rekordgewinne, sagt Gardiner, obwohl auch das iPad kontinuierlich preiswerter werde: Der Verbraucher schiebe den Kauf eben nicht auf - obwohl er das nach der reinen Lehre der Deflation doch eigentlich tun müsste.
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https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deflation-in-deutschland-das-leben-wird-billiger-1.2326918
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mlsum-de-1265
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Austria fährt zur EM: Mit Treffern von Bayern-Spieler Alaba und Stuttgarts Stürmer Harnik schreibt die Mannschaft Geschichte. Spanien festigt die Tabellenführung.
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Österreich löst EM-Ticket Während Österreich am Dienstag angeführt von David Alaba durch ein 4:1 (2:0) in Schweden erstmals die sportliche Qualifikation für eine EM-Endrunde schaffte, dürfen auch Spanien (1:0 in Mazedonien) und die Slowakei (0:0 gegen die Ukraine) für die Europameisterschaft 2016 in Frankreich planen. Wieder zittern muss dagegen die Schweiz nach einem 0:2 (0:0) in England. Harry Kane (67.) und Englands neuer Rekordtorschütze Wayne Rooney (84./Foulelfmeter) trafen im Wembley-Stadion für die bereits qualifizierten "Three Lions". Rooney schrieb mit seinem Treffer Geschichte: Mit 50 Toren ist er nun vor Sir Bobby Charlton (49) Englands erfolgreichster Schütze der bisherigen Länderspiel-Historie. Noch größer war jedoch der Jubel bei den Österreichern, die sich bei Verfolger Schweden souverän durchsetzten und mit nun 22 Punkten nicht mehr von Rang eins der Qualifikationsgruppe G zu verdrängen sind. Alaba brachte die Mannschaft von Trainer Marcel Koller früh per Foulelfmeter in Führung (9.), die weiteren Tore erzielten Martin Harnik (38./88.) vom VfB Stuttgart und Stürmer Marc Janko (77.). Superstar Zlatan Ibrahimovic (90.+1) gelang noch der Ehrentreffer. Bei der bislang einzigen Endrundenteilnahme hatte Österreich 2008 als Co-Gastgeber automatisch Startrecht. Russland (14) schob sich derweil durch ein erwartetes 7:0 (3:0) in Liechtenstein auf Rang zwei vor, der ebenfalls zur EM-Teilnahme berechtigen würde. Schweden (12) rutschte durch die bittere Niederlage vorerst auf Play-off-Rang drei ab und hat die direkte Qualifikation nicht mehr selbst in der Hand. Spanien und Slowakei dicht an Quali dran Titelverteidiger Spanien ist derweil nur noch einen Schritt von der Qualifikation entfernt. Der Weltmeister von 2010 gewann in Mazedonien und führt die Qualifikationsgruppe C weiter an (21). Verfolger Slowakei (19) verpasste gegen den Tabellendritten Ukraine (16) einen Sieg und damit auch die vorzeitige Qualifikation. In Skopje traf Juan Mata (8.) für die Spanier, die ihr Frankreich-Ticket nun im Oktober im Heimspiel gegen Luxemburg lösen können. Juan Bernat vom deutschen Rekordmeister Bayern München spielte über 90 Minuten durch. Die Slowakei, die trotz des Punktverlustes vor der ersten EM-Teilnahme steht, kann am kommenden Spieltag gegen Weißrussland Geschichte schreiben. Die Ukraine hat dagegen nur noch geringe Chancen auf die direkte Qualifikation. Die Schweiz liegt als Tabellenzweiter der Gruppe E nur noch drei Punkte vor Slowenien, das sein Heimspiel gegen Estland mit 1:0 (0:0) gewann. Mit 24 Punkten ist England zudem der Gruppensieg nicht mehr zu nehmen, auf den Plätzen folgen die Schweiz (15) und Slowenien (12). Nur noch theoretische Chancen auf das EM-Ticket hat Estland (10) auf Rang vier.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-oesterreich-erstmals-fuer-em-qualifiziert-1.2640046
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mlsum-de-1266
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Der "Fall Robben" beim FC Bayern droht zu eskalieren, Verschwörungstheorie beim AS Rom, Liverpool verliert gegen Viertligisten, Ex-Freundin entlastet Armstrong. Sport kompakt
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Im Streit um eine Millionenzahlung im "Fall Robben" hat Bayern München dem schweigsamen niederländischen Fußball-Verband KNVB ein Ultimatum gestellt. "Wir erwarten in nicht allzu ferner Zukunft eine Antwort der Holländer", sagte Vorstands-Chef Karl-Heinz Rummenigge der tz: "Wenn wir keine befriedigende Lösung mit den Holländern finden, werden wir auf jeden Fall klagen. Das sage ich ganz deutlich." Diesen Beschluss habe auch der Bayern-Aufsichtsrat am Montag getroffen. Rummenigge erklärte, dass man "irritiert" sei, dass die Niederländer sich nach einem Gipfeltreffen in München bisher nicht gemeldet hätten: "Unser Gespräch mit den Herren ist auch schon zwei Wochen her, aber wir haben noch nichts von ihnen gehört - obwohl das eigentlich vereinbart war." In dem Streit geht es um einen Schaden im "höheren siebenstelligen Bereich" durch die Verletzung von Robben, den die Bayern nicht allein zahlen wollen. Bei Robben war nach der Rückkehr aus dem Urlaub nach der Weltmeisterschaft ein fünf Zentimeter langer Muskelriss im linken Oberschenkel diagnostiziert worden, der den Offensivspieler mehrere Monate außer Gefecht setzt. Robben hätte laut Rummenigge mit der Verletzung nicht zur WM nach Südafrika reisen dürfen. Die Schuld dafür treffe die Niederländer und ihren Arzt, deshalb sollten sie auch zahlen. Rummenigge sprach sich in dem Interview zudem für eine langfristige Zusammenarbeit mit Erfolgstrainer Louis van Gaal aus. "Warum soll 2012 Schluss sein? Man kann einen Vertrag auch viermal um ein Jahr verlängern", sagte der Bayern-Boss: "Ich kann mir gut vorstellen, dass er noch viel länger bleibt. Wenn etwas funktioniert, muss man versuchen, es aufrecht zu halten." Van Gaal soll kurz vor einer Verlängerung seines zum Saisonende auslaufenden Vertrages bis 2012 stehen. "Er hat nicht unterschrieben. Aber ich bin optimistisch, dass wir die Dinge schon hinbekommen", sagte Rummenigge: "Wir arbeiten wunderbar zusammen und haben großes Vertrauen zueinander." Detailansicht öffnen Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. (Foto: dpa) Der englische Rekordmeister FC Liverpool hat sich nach einer blamablen Leistung gegen den Viertligisten Northampton Town aus dem Ligapokal verabschiedet. Im heimischen Stadion an der Anfield Road verloren die "Reds" am Mittwochabend mit 2:4 im Elfmeterschießen gegen den Fußball-Nobody. Doch nicht nur Liverpool blamierte sich in der dritten Runde des Carling Cups: Auch für Premier-League-Tabellenführer FC Chelsea kam mit dem 3:4 gegen Newcastle United das frühe Aus. Zudem musste das hoch ambitionierte Manchester City, das mit 1:2 bei West Bromwich Albion verlor, die Segel streichen. Großer Verlierer des Abends war aber der FC Liverpool, dessen neuer Trainer Roy Hodgson schon früh in der Saison unter Druck steht. Erst verpatzte das Team um Kapitän Steven Gerrard mit fünf Punkten aus fünf Partien den Ligastart, nun haben die "Reds" völlig unerwartet die erste Titelchance abhaken müssen. "Das ist ein großer Rückschlag für den Club", gab Hodgson unumwunden zu. "Ich habe immer gewusst, dass es ein schwieriger Job wird." Nach der Verlängerung hatte es 2:2 gestanden, so dass das Elfmeterschießen die Entscheidung bringen musste. So konsterniert Hodgson Liverpools Blamage kommentierte, so gelassen nahm Chelseas Coach Carlo Ancelotti die Heimniederlage gegen Newcastle zur Kenntnis. "Der Ligacup ist nicht unsere Priorität", sagte der Italiener, dessen Team die Liga mit der makellosen Bilanz von 15 Punkten und 21:1 Toren anführt. Die Tore von Patrick van Aanholt (6. Minute) und des französischen WM-Rebellen Nicolas Anelka (70./87.,Elfmeter) reichten Chelsea nicht zum Sieg, da Newcastles Offensivabteilung ebenfalls in Torlaune war. Matchwinner für die Gäste war Angreifer Shola Ameobi, der in der Schlussminute mit seinem zweiten Tor den Siegtreffer markierte. Eine langjährige Freundin von Lance Armstrong hat in den Doping-Ermittlungen der US-Behörden zugunsten des einstigen Seriensiegers der Tour de France ausgesagt. Der Radprofi hätte während seiner Krebs-Behandlung 1996 in einem Krankenzimmer vor Ärzten und weiteren Zeugen Doping nicht zugegeben, sagte Stephanie McIlvain. "Sie hat bezeugt, dass sie nie gehört hat, dass Armstrong die Einnahme von Dopingmitteln zugegeben hat", erklärte ihr Anwalt Thomas Bienert junior am Mittwoch (Ortszeit). McIlvain sei weder von Armstrong noch anderen zu dieser Aussage gedrängt worden, teilte der Jurist weiter mit. Ohne seinen verletzten Superstar Lionel Messi hat der FC Barcelona in der spanischen Primera Division einen Pflichtsieg eingefahren. Der Titelverteidiger gewann sein Heimspiel gegen Sporting Gijon dank des Treffers von EM-Torschützenkönig David Villa mit 1:0 und rückte bis auf einen Punkt an den Erzrivalen Real Madrid heran. (Ergebnisse und Tabelle der Primera Division) Pleitenserie, Trainer-Diskussion, Verschwörungstheorie - Bayern Münchens Champions League-Gegner AS Rom stürzt in der italienischen Fußball-Meisterschaft immer tiefer. Nach der 1:2-Pleite am Mittwochabend in Brescia bleibt der Vorjahreszweite auch nach vier Spieltagen ohne Sieg auf einem Abstiegsplatz. Trainer Claudio Ranieri wackelt, Ex-Nationaltrainer Marcello Lippi wird schon als Nachfolger gehandelt. Ranieri vermutet gar eine Intrige des Weltmeister-Trainers von 2006 gegen ihn. "Ihr habt Lippis Namen genannt", sagte er im Gespräch mit Journalisten und fügte dann geheimnisvoll hinzu: "Irgendetwas spielt sich hier ab." Acht Punkte trennen den Herausforderer (2 Punkte) schon von Titelverteidiger Inter Mailand (10). Der Champions League-Sieger setzte sich mit einem fulminanten 4:0-Heimsieg gegen AS Bari wieder an die Spitze der Serie A und hängte auch den AC Mailand (5) ab, der bei Lazio Rom nicht über ein 1:1 hinauskam. (Ergebnisse und Tabelle der Serie A) Nationalmannschafts-Kapitän Philipp Lahm kann sich eine Verlängerung seines 2012 auslaufenden Vertrages beim Fußball-Rekordmeister Bayern München vorstellen. "Wenn man so wie wir auf dem richtigen Weg ist - und ich sehe, dass es vorangeht - dann gibt es auch keinen Grund für mich, woanders hinzugehen", sagte Lahm im Interview mit Sport1. Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hatte kürzlich erklärt, dass er sich eine Verlängerung von Lahms Vertrag um fünf Jahre wünsche. Der 26-Jährige hatte vor einiger Zeit mit einem Wechsel nach Spanien geliebäugelt und will auch jetzt nicht für alle Zeit einen Transfer ausschließen: "Aber das hier ist meine Heimatstadt, mein Heimatverein, und ich will international erfolgreich Fußball spielen. Das war im letzten Jahr der Fall und wird hoffentlich auch in Zukunft noch so sein. Alle acht Bundesligisten haben am Mittwoch die dritte Runde des DHB-Pokals erreicht. Handball-Rekordmeister THW Kiel gab sich beim 39:20-Erfolg beim Drittligisten VfL Fredenbeck keine Blöße, der amtierende Pokalsieger HSV Hamburg setzte sich mit 48:18 beim Oranienburger HC aus der dritten Liga durch. Der letztjährige Finalist Rhein-Neckar Löwen hatte bei der TSV Heiningen keine Mühe. Bundesliga-Tabellenführer Füchse Berlin gewann 38:20 beim HSV Hannover. Auch die HSG Ahlen-Hamm beim SV Oebisfelde 1895, der TSV Hannover/Burgdorf bei der SG TMB Berlin, Frisch Auf Göppingen bei der TuS Wermelskirchen sowie der DHC Rheinland beim TV Gelnhausen erreichten Runde drei. (Alle Ergebnisse des DHB-Pokals) Champions-League-Sieger 1. FFC Turbine Potsdam ist mit einem Kantersieg in die neue Saison der Königsklasse gestartet. Gegen den finnischen Meister Aland United siegten die Torbinen 9:0. Fatmire Bajramaj, drei Tore von Anja Mittag, Bianca Schmidt, Yuki Nagasato, Tabea Kemme, Babett Peter und Kristin Demann trafen für das Team von Trainer Bernd Schröder. Das Rückspiel findet am 13. Oktober in Potsdam statt. Philipp Kohlschreiber hat das deutsche Achtelfinal- Duell beim ATP-Turnier in Metz gegen David Berrer für sich entschieden. Der an Nummer sechs gesetzte Tennis-Profi aus Augsburg gewann am späten Mittwochabend gegen den Stuttgarter mit 6:4, 6:2. Kohlschreibers Gegner im Viertelfinale der mit 398 250 Euro dotierten Hartplatz-Veranstaltung wird im Duell zwischen dem Slowaken Lukas Lacko und dem Kroaten Marin Cilic ermittelt. (Alle Ergebnisse aus Metz) Die früheren Zweitligisten SV Wehen Wiesbaden und TuS Koblenz haben in der 3. Fußball-Liga Boden auf die Spitzengruppe verloren. Wehen kam bei Aufsteiger 1. FC Saarbrücken nicht über ein 0:0 hinaus und hat mit 18 Punkten nun vier Zähler Rückstand auf Spitzenreiter Kickers Offenbach. Weitere fünf Punkte zurück folgt Koblenz, das bei Wacker Burghausen mit 1:3 verlor. Derweil holte der SV Sandhausen beim 1:0 gegen die zweite Mannschaft von Bayern München den ersten Sieg und schoss die Reserve des Rekordmeisters auf den letzten Tabellenplatz. Torlos blieb das Kellerduell zwischen Carl-Zeiss Jena und dem VfR Aalen. (Ergebnisse und Tabelle der 3. Liga)
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https://www.sueddeutsche.de/sport/sport-kompakt-rummenigge-droht-hollaendern-1.1003875
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mlsum-de-1267
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Die Iraner haben sich damit für den Kurs des bisherigen Amtsinhabers ausgesprochen. Er steht für eine Öffnung des Landes gen Westen.
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Der amtierende Präsident Hassan Rohani hat die Wahl in Iran deutlich gewonnen. Der 68-Jährige setzte sich nach dem amtlichen Endergebnis bei der Wahl am Freitag mit 57 Prozent der Stimmen gegen seinen erzkonservativen Hauptkontrahenten Ebrahim Raisi durch, der nur 38 Prozent der Stimmen erhielt. Das gab Innenminister Abdolresa Rahmani Fasli am Samstag in der Hauptstadt Teheran bekannt. Die restlichen 5 Prozent gingen demnach an die beiden anderen Kandidaten. Dem Innenministerium zufolge lag die Wahlbeteiligung bei mehr als 73 Prozent. Wegen des großen Andrangs hatten die mehr als 63 000 Wahllokale länger geöffnet. Wahl ist auch eine Richtungsentscheidung In der Islamischen Republik wurde zum ersten Mal seit dem internationalen Atomabkommen von 2015 gewählt. Darin hatte sich die iranische Führung bereiterklärt, ihr Atomprogramm zu beschränken - im Gegenzug wurden Sanktionen abgebaut. Die Wahl galt deshalb auch als eine Art Referendum über Rohanis Politik der Öffnung gegenüber dem Westen. Sie soll den Iranern mehr Freiheit und wirtschaftliche Erholung bringen. Allerdings hat die große Mehrheit der Iraner nicht das Gefühl, dass sich ihre Lebenssituation seit dem Abkommen verbessert hat. Rohani schob das auf die verheerende Situation, die er von seinem Vorgänger Ahmadinedschad geerbt habe und bat um mehr Zeit. Er versprach, dass die Öffnung des Landes und Investitionen aus dem Ausland Arbeitsplätze bringen würden. Mit dem Ausgang der Wahl haben die Iraner ihm diese Chance nun gewährt. Sein Kontrahent Raisi ist ein enger Vertrauter des geistlichen und politischen Führers, Ajatollah Ali Chamenei. Auch wenn sich Chamenei aus dem Wahlkampf weitgehend herausgehalten hat, galt es als sicher, dass er lieber seinen Vertrauten auf dem Präsidentenstuhl gesehen hätte. Der neue Staatspräsident wird bis 2021 über die Geschicke des Landes bestimmen. Es ist die zwölfte Präsidentenwahl seit der sogenannten Islamischen Revolution im Jahr 1979, bei der der pro-westliche, aber autokratisch herrschende Schah gestürzt und aus Iran eine schiitisch geprägte Islamische Republik wurde.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/wahlen-in-iran-reformer-rohani-gewinnt-die-wahl-in-iran-1.3514786
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mlsum-de-1268
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Nach Anschlägen wie in Paris gibt es oft weitere Terror-Drohungen. Der Umgang damit ist nie einfach. Diesmal waren die Verantwortlichen sich einig.
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Polizisten vor dem Stadion in Hannover: Keine Festnahmen, kein Sprengstoff gefunden - doch eine ganze Stadt in Aufregung. Nach verheerenden Anschlägen wie am Freitag in Paris gibt es in auch in Nachbarländern oft Warnungen und Drohungen. In den allermeisten Fällen ist nichts dran. Es handelt sich um leere Drohungen. Die Staatsschützer sprechen dann von einem "erhöhten Warnaufkommen" und einem allgemeinen "Grundrauschen" . Der Umgang mit der Bedrohung durch den Terror war nie einfach. Stets gibt es zwei Pole: Gelassenheit oder Panikmache. Dazwischen liegt der richtige Weg. Aber der Umstand, dass möglicherweise einige der Hintermänner von Paris immer noch unterwegs sind, macht die Behörden schon nervös. Es wird observiert, abgehört und verdeckt ermittelt. Kein Hinweis soll, kein Hinweis darf übersehen werden. Im sogenannten Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum (GTAZ) in Berlin sitzen 40 Bundes-und Länderbehörden zusammen, die mit Sicherheit zu tun haben. Hier entsteht das komplette Lagebild. Immer wieder gibt es Warnungen vor angeblich drohenden Anschlägen. So bekamen die Sicherheitsdienste nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR am Montagabend den Hinweis eines ausländischen Nachrichtendienstes, dass angeblich ein Anschlag auf das Stadion in Hannover geplant sei - ähnlich wie am vergangenen Freitag in Paris. Aber eine solche einzelne Warnung reicht nicht, um ein Spiel abzusagen. In der Eile lässt sich eigentlich nie klären, auf welche Quellen der Dienst seine Information stützt. Nicht selten ist es vom Hörensagen. Stets blieb unklar, wie ernst der Hinweis wirklich genommen werden musste Nach dem Attentat auf Charlie Hebdo in den Januartagen dieses Jahres hatte es ebenfalls zahlreiche Hinweise auf angeblich drohende Anschläge gegeben. So bekamen die Nachrichtendienste vor zehn Monaten beispielsweise einen Tipp, dass Anschläge auf deutsche Bahnhöfe bevorstünden. Aber es blieb unklar, wie ernst der Hinweis wirklich genommen werden musste. Nach dem Massaker in der Redaktion von Charlie Hebdo war häufig Alarm ausgelöst worden. Jeweils begleitet von Schlagzeilen und Sondersendungen. Demonstrationen wurden verboten (Dresden), ein Karnevalszug wurde abgesagt (Braunschweig), schwer bewaffnete Polizisten wurden mit Maschinenpistolen auf Patrouille in die Innenstadt geschickt (Bremen). In allen drei Fällen hat sich später der Verdacht auf angeblich geplante Anschläge nicht erhärtet. In Dresden basierte die Absage vor allem auf dem Hinweis eines ausländischen Nachrichtendienstes. Aber kaum jemand im Bund und im Land konnte die damalige Entscheidung der Sachsen nachvollziehen. Die Sachsen, hieß es, hätten von echten Gefahrenanalysen wenig Ahnung. Ähnlich war es bei den Absagen der Behörden in Niedersachsen und Bremen. Da war nicht viel. Diesmal, bei der Absage des Länderspiels, gab es allerdings keinen Dissens. In Berlin und in Niedersachsen waren in Krisenrunden alle Hinweise gemeinsam bewertet und diskutiert worden. Das Kanzleramt, das Bundesinnenministerium und die Sicherheitsbehörden diskutierten über den ganzen Tag die Lage. Schließlich wurde entschieden, abzusagen, in allerletztem Moment. Diesmal hatten auch die Nachrichtendienste geschlossen für die Absage votiert.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/terroralarm-wie-es-zur-absage-des-laenderspiels-kam-1.2742348
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mlsum-de-1269
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Unbedachte Äußerungen im Netz können die Karriere kosten. Wollen Bewerber peinliche Bilder und Kommentare löschen, ist das harte Arbeit - aber es klappt.
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Es war ein Satz, wie er unter Freunden in einer Kneipe hätte fallen können: "Cisco hat mir einen Job angeboten. Jetzt muss ich abwägen zwischen einem fetten Gehaltsscheck und der Tatsache, dass ich den Job hassen werde." Doch die Amerikanerin beklagte ihr Dilemma nicht in privatem Kreis, sondern im Internetdienst Twitter, der derzeit so beliebten Quasselbude, in der jeder mitreden kann - und mitlesen. Prompt wurde die Arbeitssuchende dort von einem Cisco-Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass sich der zuständige Personalmanager bestimmt für ihre Einstellung gegenüber dem neuen Job interessieren würde. Detailansicht öffnen Ein unbedachter Kommentar auf einer Website kann schnell die Karriere kosten. (Foto: Foto: dpa) Feuchtfröhliche Partyfotos Dieser Fauxpas zeigt einmal mehr: Das "Ego-Googlen", also die Suche nach dem eigenen Namen, sollte inzwischen eine Selbstverständlichkeit für jeden sein, der sich um eine Stelle, ein Praktikum, Stipendium oder auch um eine Auszeichnung bewirbt. Für online-aktive Zeitgenossen beginnt dann möglicherweise die harte Arbeit: All die Bilder, Blog-Kommentare oder Forumseinträge löschen, die ein schlechtes oder irreführendes Bild zeichnen könnten. Von feuchtfröhlichen Partyfotos bis hin zu Diskussionsbeiträgen in Online-Foren für chronisch Kranke. Bei Inhalten, die man selbst kontrollieren kann, fällt das Löschen leicht - etwa auf der eigenen Homepage. Allerdings wird die Änderung dann nicht sofort bei Google sichtbar. Im Zwischenspeicher (Cache) der Suchmaschine ist der alte Inhalt womöglich noch bis zu acht Wochen verfügbar. Google bietet daher ein "Tool zum Entfernen von Webseiten" an (google.com/webmasters/tools/removals), das die Aktualisierung beschleunigt. Stehen die verfänglichen Texte oder Bilder in fremden Foren oder Blogs, hilft oft eine freundliche Mail an den Betreiber. Sollte sich dieser zieren, können sich beide womöglich darauf einigen, zumindest den Namen unkenntlich zu machen. Eine wahre Sisyphusarbeit "Ein Rechtsanspruch darauf, einmal getätigte Äußerungen zu löschen, besteht nicht", sagt die Düsseldorferin Susanne Wilberg. "Nur wenn jemand anderes diffamierend oder verleumderisch über Sie geschrieben hat, haben Sie juristisch etwas in der Hand." Die Rheinländerin betreibt das Entfernen von unliebsamen Internetspuren professionell. Ihr Unternehmen "Dein Guter Ruf" bietet an, imageschädigende Einträge zu löschen - für 29 Euro 99 pro Stück. Ähnlich arbeiten Konkurrenten wie "Saubere Weste" oder das US-Vorbild "Reputation Defender". Diese Dienstleister ersparen ihren Kunden nervenaufreibende E-Mail-Wechsel mit Seitenbetreibern - oder auch die Mühe, den Betreiber überhaupt ausfindig zu machen, was vor allem bei ausländischen Websites eine wahre Sisyphusarbeit sein kann. Was einmal drin steht im Netz, ist also womöglich nur schwer wieder herauszubekommen. Auf der nächsten Seite: Welche Datenschutz-Einstellungen User beachten sollten - und wie sie das Internet auch für sich arbeiten lassen können.
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https://www.sueddeutsche.de/karriere/bewerber-im-internet-das-geld-stimmt-aber-den-job-hasse-ich-1.166613
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mlsum-de-1270
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Von Guardiola geherzt, von Sammer gelobt: Sebastian Rode zeigt gegen Darmstadt, was in ihm steckt. Doch seine Situation bei den Bayern ist kompliziert.
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Sebastian Rode ließ seinen Blick kurz schweifen im Bauch des Stadions am Darmstädter Böllenfalltor. Seine Augen verrieten Verblüffung. Sein Blick blieb hängen an diesem weißen, badewannengroßen Trog, der so aussah wie jener, den man von jedem Kreisligaverein in der Republik kennt, an dem sich die Feierabendkicker vor dem Gang in die Kabine erst die Schuhe putzen müssen, weil ein Zettel an der Tür dreckige Treter unter Strafe verbietet. Die grünen Bürsten lagen im Becken, der gelbe Wasserschlauch hing akkurat an der Wand, auch weitere von diesen Bürsten, an denen noch Gras klebte. Rode kennt einen solchen Ort nicht vom FC Bayern, wo den Spielern die Mühen des Alltags abgenommen werden. Der enge Gang unter der Haupttribüne mit dem Trog, den Stahlrohren und dem Beton wirkte wie alles in diesem herrlichen Fußballstadion wie aus der Zeit gefallen, Darmstadt bietet Fußballpuristen noch Raum für Träume. Auch Sebastian Rode fühlte sich im Paradies, er ist ein Kicker, der hierher passt, er ist ein Arbeiter, der sich nichts aus Luxus macht, sondern am liebsten sein Trikot schmutzig macht. Er haut auch dann keinen lauten Spruch in die Welt hinaus, wenn er nicht spielen darf, wie in dieser Saison, in der er erst acht Minuten auflaufen durfte - in allen Spielen zusammen wohlgemerkt. "Er hat es verdient, mehr zu spielen", sagt Guardiola "Es ist nicht immer einfach, positiv zu bleiben, wenn man auf der Bank sitzt und nur sehr wenig spielt", sagte Rode vor dem Trog, eigentlich kein Ort für tiefschürfende Erklärungen. Doch an diesem Tag rückte Rode in den Vordergrund, es war ein wichtiger Tag für ihn. Er war mit einer Vorlage und einem Treffer auffälligster Münchner beim lockeren 3:0 (1:0)-Sieg in Darmstadt. Wie sehr sich seine Mitspieler und vor allem auch Bayern-Trainer Pep Guardiola für ihn freuten, konnte man schon nach seiner Vorlage für Kingsley Coman zum zwischenzeitlichen 2:0 beobachten. Guardiola nahm Rode leidenschaftlich in den Arm, als habe er einen alten Freund schon Jahre nicht mehr gesehen. "Auch nach dem Spiel kam er sofort auf mich zu und hat mich geherzt", erzählte Rode. Dem 24-Jährigen tut die Zuneigung des Cheftrainers gut. Das merkt man.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/sebastian-rode-beim-fc-bayern-mentalitaetsmonster-wie-jeremies-1.2653405
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mlsum-de-1271
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Obwohl am Jahrestag der Revolution in Ägypten Versammlungen verboten sind, liefern sich Demonstranten Straßenschlachten mit den Sicherheitskräften. Mindestens 18 Menschen sterben, auch ein Polizist kommt ums Leben.
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Auch am vierten Jahrestag der Revolution in Ägypten gehen Demonstranten in Kairo auf die Straße - und liefern sich Straßenschlachten mit Polizei und Armee. Tote am Revolutionstag in Ägypten In Ägypten sind die Kundgebungen zum vierten Jahrestag des Aufstands gegen den damaligen Präsidenten Husni Mubarak von Gewalt überschattet worden. Mindestens 18 Menschen kamen nach Angaben aus Sicherheitskreisen ums Leben, 54 weitere Menschen seien verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium am Sonntagabend in Kairo mit. Allein mindestens neun Demonstranten und ein Polizist starben bei Auseinandersetzungen im Kairoer Vorort Matarija - einer Hochburg der islamistischen Muslimbrüder. In Ägypten fällt der Jahrestag der Revolution von 2011, die zum Sturz Mubaraks führte, stets auf den landesweit gefeierten "Tag der Polizei". Der 25. Januar ist daher ein Feiertag, an dem Versammlungen zu Ehren der vor vier Jahren getöteten Demonstranten aus Sicherheitsgründen verboten sind. Polizei feuert auf Demonstranten Dennoch warfen Demonstranten Brandsätze auf die Sicherheitskräfte. Die Polizisten feuerten zurück, berichtete ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur Reuters. Mehrere von ihnen wurden bei den Einsätzen verletzt, zwei bei einem Bombenanschlag. Soldaten und Polizisten waren an strategischen Straßen in Kairo und anderen Städten postiert, um Kundgebungen und Versammlungen aufzulösen. In der Nähe des Tahrir-Platzes, der 2011 das Zentrum der Proteste war, kamen am Sonntag Anhänger der inzwischen verbotenen Muslimbruderschaft zusammen und hielten Fotos des abgesetzten Präsidenten Mohammed Mursi in die Höhe, der den Islamisten nahesteht. Sicherheitskräfte riegelten den Platz und Teile der Innenstadt mit Panzern und Straßensperren ab. Sicherheitskräfte setzen Tränengas ein Der staatlichen Nachrichtenagentur Mena zufolge befanden sich 22 gepanzerte Armeefahrzeuge vor Ort. Die Zugangstraßen waren gesperrt. Auf dem Ramses-Platz setzten die Sicherheitskräfte Tränengas ein. Mubaraks Sturz nach 30 Jahren an der Macht führte zu den ersten freien Wahlen in Ägypten. Der daraus als Sieger hervorgegangene Präsident Mursi wurde nach Massenprotesten von Armee-Chef Abdel Fattah al-Sissi entmachtet, der nun selbst Präsident ist.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/aegypten-mindestens-18-tote-am-revolutionstag-1.2320910
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mlsum-de-1272
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Dortmund, Leipzig und Hoffenheim unterwerfen sich der Religion einer Spielkultur. Die fehlt den Münchnern seit dem Weggang von Guardiola.
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Pep Guardiola ist weg aus Deutschland, er ist nicht mehr da, er ist nach allem, was bekannt ist, immer noch zu Manchester City gewechselt - und man würde sich wünschen, dass allmählich auch die Zeit gekommen wäre, in der man auf diese lästigen Quervergleiche endlich verzichten könnte. Gut wäre, wenn man nicht mehr ständig diskutieren müsste, ob Guardiola die Bayern damals mit seiner fanatischen Art überhaupt erst auf dieses hohe Niveau hinaufgefuchtelt hat, oder ob die Bayern schon von selber gut waren und der Trainer halt ein paar wilde Handbewegungen dazu gemacht hat. Die alten Geschichten mit dem verflossenen Coach kann man aber erst ruhen lassen, wenn eine neue Geschichte hinzu gekommen ist - und die gibt es noch nicht. Nach einem Drittel der Saison muss man sagen: In München haben sie den alten Pep-Style erfolgreich abgewickelt, nur leider haben sie ihn bisher durch keinen neuen Style ersetzt. Ein schlimmer Verdacht: Sind die Spieler gar nicht alle Weltklasse? Es sei denn natürlich, die neue Geschichte wäre diese: Der FC Bayern ist jetzt der Herausforderer eines Aufsteigers. Die Bayern als: Leipzig-Jäger. Was den Münchnern zurzeit fehlt, begreift man besonders gut, wenn man sieht, was die anderen haben. In Leipzig sind sie besessen von der Idee eines zackigen Gegen-den-Ball-Fußballs, auf den junge, teure Spieler abgerichtet werden; in Dortmund bekennen sie sich zu einer modernen Flexibilität, in der die Dreierkette von heute schon die Raute von morgen ist; in Hoffenheim predigen sie eine Mischung aus beidem. Das alles ist sehr vereinfacht gesagt, und der Nutzen fürs praktische Leben ist - wie bei allen Religionen - durch nichts zu beweisen. Aber es ist alleine die Kraft des Glaubens, die diesen Klubs im Alltag Orientierung und Haltung verleiht. Sie wissen, wie sie spielen wollen, und ihre Trainer erklären ihnen, warum sie das wollen sollen. Woran die Bayern gerade glauben, ist dagegen schwer erkennbar. Das bayerische Glaubensbekenntnis erschöpft sich in einem recht herkömmlichen 4-3-3-System, in dem Trainer Ancelotti vor allem den Eingebungen seiner Künstler vertraut, von denen einige im Moment aber mit ihrer persönlichen Geschichte beschäftigt sind (Müdigkeit, Formverfall nach Verletzungspause ... ). Und das System fängt sie im Moment nicht auf, weil Organisation und Struktur nicht mehr so furchterregend präzise definiert sind wie noch unter Guardiola. Weshalb sich - ein letzter Quervergleich - einstweilen diese Frage aufdrängt: Braucht Bayern einen Ancelotti, der seine Weltklassespieler ein bisschen exakter und inspirierter beeinflusst? Oder, ein schlimmer Verdacht, sind diese Weltklassespieler vielleicht gar nicht alle Weltklasse, und man dachte unter Guardiola immer nur, dass sie das sind? An Weihnachten wird man ein bisschen mehr wissen. Am 21. 12. empfangen die Bayern eine Glaubensgemeinschaft aus Leipzig, die sog. Rangnickianer.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-bayern-vermisst-den-pep-style-1.3258091
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mlsum-de-1273
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Länder, deren Bürger ohne Visum in die EU reisen können, sollten sich auf diese Freiheit künftig lieber nicht mehr verlassen. Die EU-Innenminister haben Ausnahmen von dieser Freiheit beschlossen.
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Die EU-Staaten wollen die europäischen Visa-Regeln deutlich verschärfen. "Wir haben die Notbremse beschlossen", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nach einem Treffen mit seinen europäischen Kollegen am Freitag in Brüssel. Künftig sollen sowohl ein Mitgliedsland als auch die EU-Kommission entscheiden können, ob die Befreiung von der Visumspflicht für sechs Monate rückgängig gemacht wird. Die Regelung soll für bestehende wie künftige Visa-Abkommen gelten. De Maizière sprach sich dafür aus, keinem Land die Visafreiheit zuzugestehen, bevor nicht auch das Europäische Parlament den Plänen zugestimmt hat. Die EU-Kommission verhandelt derzeit mit der Türkei sowie Kosovo über die Aufhebung der Visumspflicht und hat Visafreiheit für Bürger aus der Ukraine und Georgien vorgeschlagen. Die Visa-Notbremse soll dann aktiviert werden können, wenn die Zahl der Bürger aus den betreffenden Staaten, die sich unerlaubt in der EU aufhalten, substanziell steigt. Gemeint sind Personen, die als Touristen einreisen, aber länger als die erlaubten drei Monate bleiben. Oder wenn auf einmal viele Menschen aus einem Staat, der eine niedrige Anerkennungsquote hat, einen Asylantrag in der EU stellen. Die Anerkennungsquote zum Beispiel der Türkei ist niedrig. Ein weiterer Grund wäre, dass der betreffende Staat sich in großem Umfang weigert, Bürger auf Wunsch der EU zurückzunehmen. Um der wachsenden Kritik an dem Flüchtlingsabkommen mit der Türkei die Spitze zu nehmen, hatten Deutschland und Frankreich die Regelung vorgeschlagen. Mit Blick auf die in Aussicht gestellte Visa-Liberalisierung für die Türkei seien jedoch die Bedingungen vonseiten Ankaras noch nicht erfüllt, sagte de Maizière. Die EU fordert, dass die Türkei die weitreichenden türkischen Terrorismusgesetze ändert. Die Regierung in Ankara lehnt das ab und hat bei einem Scheitern der Visa-Befreiung damit gedroht, keine Flüchtlinge aus Griechenland mehr zurückzunehmen.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/notbremse-eu-will-die-visa-regeln-verschaerfen-1.3000505
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mlsum-de-1274
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Roger Federer versucht, seinem Aus die Schwere zu nehmen, sein ewiger Rivale Rafael Nadal greift energiegeladen wie lange nicht nach dem Titel.
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"If you can meet with triumph and disaster / And treat those two impostors just the same", steht über dem Eingang zum berühmtesten Tennisstadion. "Wenn du mit Sieg und Niederlage umgehen kannst / Und diese beiden Blender gleich behandelst": Diese Zeilen entstammen dem Gedicht "If-", 1895 verfasst vom britischen Schriftsteller Rudyard Kipling. Roger Federer und Rafael Nadal trafen Sieg und Niederlage. Aber nicht ganz so, wie es Wimbledon erwartet hatte. Detailansicht öffnen Große Reichweite: Kevin Anderson nutzte seine Körperlänge, um selbst gut platzierte Bälle noch zu erreichen. (Foto: Oli Scarff/AFP) "Es ist jetzt Realität, dass Federer nicht mehr hier ist", sagte Nadal, der 17-malige Grand-Slam-Sieger am Mittwochabend. Er sah erstaunlich frisch aus, dafür, dass er auf dem Centre Court 4:48 Stunden lang mit dem Argentinier Juan Martín del Potro eines der intensivsten Matches dieses Jahres geboten hatte, sie hechteten, droschen, litten. "Das ist Teil des Sports", nahm Nadal seinen ewigen Rivalen in Schutz: "Es tut mir für ihn leid. Aber es ist unmöglich, immer zu gewinnen, auch für ihn." Detailansicht öffnen Roger Federer gingen im Verlauf des Matches die Mittel aus. (Foto: Andrew Boyers/Reuters) Auch Federer, ja, er kann verlieren. Am Mittwoch war es geschehen, der Weltranglistenerste aus der Schweiz unterlag im Viertelfinale 6:2, 7:6 (5), 5:7, 4:6 und 11:13 dem Südafrikaner Kevin Anderson, der viel variantenreicher spielt, als er wahrgenommen wird, der - obwohl Weltranglisten-Siebter und 2017 US-Open-Finalist - oft nur auf Größe (2,03 Meter) und Aufschlag reduziert wird. Wäre Nadal gescheitert, hätte die Tenniswelt wohl am ehesten bedauert, dass es nun nicht mehr dieses sehnsüchtig erhoffte Finale geben würde, zwischen Nadal und Federer, exakt zehn Jahre, nachdem sie sich an selbiger Stelle ein legendäres Duell geliefert hatten. Die Welt wäre aber nicht gleich derart bedrückt aufgebrochen auf der Suche nach Antworten. Zu klären war ja: Wie konnte es geschehen, dass Federer - der achtmalige Wimbledon-Champion, der nur seine Nase rausstrecken muss und schon frohlocken alle, weil er die Leitfigur ist, sportlich, charakterlich, stilistisch - erstmals seit 2013 nicht mehr das Halbfinale erreicht hat im All England Club? Der Clásico des Tennis: Fakten zum Halbfinale Nadal – Djokovic Keine andere Partie hat es im Profi-Tennis häufiger gegeben: Zum 52. Mal treffen der Spanier Rafael Nadal und der Serbe Novak Djokovic aufeinander. Noch führt Djokovic mit 26:25 Siegen, aber nach einer Serie von sieben Erfolgen zwischen April 2015 und Mai 2016 unterlag er Nadal zuletzt zweimal nacheinander. Bei Grand-Slam-Turnieren lautet die Bilanz 9:4 für Nadal, das bisher letzte Duell liegt aber drei Jahre zurück; Djokovic gewann es in Paris. In Wimbledon siegten beide je einmal: 2007 gab Djokovic verletzt auf, 2011 gewann er im Finale. MP Inmitten der Schockwelle, die auf Court 1 ausgelöst wurde, wo Federer zum ersten Mal seit dem Viertelfinale 2015 gegen Gilles Simon statt auf seinem heiligen Centre Court spielen musste, gab es zum Glück eine Person, die die überbordende Bedeutungsschwere angenehm herunterdimmte: Federer selbst. Für seine Verhältnisse ungewöhnlich war, dass er sehr rasch nach der Niederlage zur Pressekonferenz erschien, das drückte durchaus aus, dass er diesen Part schnell hinter sich bringen wollte - und doch war er ruhig und analytisch wie immer und lieferte sachgerechte Erklärungen. Nach einem guten ersten Satz habe er einen "mittelmäßigen Tag" gehabt und sich "nie ganz bei 100 Prozent gefühlt". Beim 5:4 im dritten Satz vergab er einen Matchball, danach verlor er die Kontrolle, bedingt auch durch Anderson, der so mutig spielte, wie er sich immer in Gedanken vorsagte: "Das wird mein Tag." Federer gab zu: "Ich konnte ihn nicht mehr überraschen, das war kein schönes Gefühl." Das wiederum war ein bemerkenswertes Bekenntnis. Wenn der Rasenkönner und Erfinder des SABR getauften Returns (sneak attack by roger), bei dem er sich bei guten Aufschlägern fast bis an die Aufschlaglinie ranpirscht, über fehlende Mittel spricht, klingt das nach einer Zäsur. Detailansicht öffnen Für Federer hieß es am Ende: Sachen packen. (Foto: Matthew Stockman/Getty Images) "Mein Ziel ist, nächstes Jahr wiederzukommen", sagte Federer aber beruhigend, es gehe ihm gut, er sei nur enttäuscht, "ich hatte meine Chancen und habe sie verzockt, das ist mein Problem". Er kennt die Richtungen, in die das Pendel ausschlagen kann; einige Punkte entscheiden, meist zu seinen Gunsten, diesmal nicht. Federer, der Realist, hatte nie verheimlicht, dass es nach seiner Rückkehr nach der halbjährigen Verletzungspause zu Beginn 2016 oft besser lief als erwartet. Nun lief es schlechter, wobei Federer, der wieder die Sandplatzsaison ausgelassen hatte, schon bei den Turnieren in Stuttgart und Halle nicht restlos mit sich zufrieden gewesen war, trotz eines Turniersieges und einer Finalteilnahme. Das sind auch für die Besten jene möglichen Schwankungen im Sport, von denen Nadal sprach, der der Profiteur der neuen Situation werden könnte. Mit einem Finalerfolg am Sonntag käme der Spanier mit 18 Grand-Slam-Trophäen bis auf zwei an Federer heran; bei den US Open startet er im Spätsommer als Titelverteidiger. Das sind noch statistische Spielereien, aber Nadal agierte in Wimbledon energiegeladen und aufgepumpt wie lange nicht. Man muss jetzt mit ihm rechnen. 2011 stand er dort zuletzt im Halbfinale, in dem er nun auf den wiedererstarkten Novak Djokovic trifft, auch ein ewiger Rivale, es wird das 52. Kräftemessen. "Er ist einer der komplexesten Spieler, die ich je in unserem Sport gesehen habe", lobte Nadal den Serben, doch das gilt erstaunlicherweise für ihn gerade ebenfalls auf Rasen. Es ist eine spielstrategische Sensation, wie er agiert, Nadal spielt teils so, als gingen die French Open in England weiter und die Halme der Sorte Perennial Ryegrass seien terre battue, rote Asche. Überdies hat er den Stopp als giftiges Element wiederbelebt. "In Roland Garros habe ich viele Punkte mit Stopps gewonnen", sagte er in Wimbledon, "hier auf Rasen ist es schwer, die Beine zu stoppen, wenn du rennst." Und der Ball springe kaum hoch. So sieht das der listige Nadal. Die größere Hürde könnte für ihn demnach der elastische, wieder gallige Djokovic sein, der nicht davor zurückschreckt, sich im betuchten All England Club mit den Schiedsrichtern anzulegen. Im zweiten Halbfinale treffen Anderson und John Isner (2,08 Meter) aufeinander. Der Amerikaner, der in Wimbledon 2010 das längste Match der Geschichte gespielt hatte gegen den Franzosen Nicolas Mahut (70:68 im fünften Satz), erlebt "das beste Grand Slam meines Lebens", wie er sagte und überzeugte, bis auf seine ausgesprochene Einladung an Donald Trump, tatsächlich nicht nur aufgrund seiner üblichen Asse. Sieg und Niederlage, triumph and disaster, in der Endphase des Tennis-Klassikers von Wimbledon, den es seit 1877 gibt, geht es mehr denn je um diese zwei Blender. Einen schönen Satz sprach Nadal, der gewinnen will, klar, das betonte er eigens. Aber relativierend meinte er auch: "Am Ende des Tages genießt du es einfach, auf einem der besten Plätze in unserem Sport zu spielen." Die Großen wissen die Dinge einzuordnen.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/wimbledon-schockwellen-von-court-1-1.4051775
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mlsum-de-1275
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Heimstettens Fußballer warten schon seit neun Spielen auf einen Sieg. Trainer Vitomir Moskovic hadert mit seiner Mannschaft
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Marco Bläser hatte viel Zeit. Es fehlte nur noch, dass ihm jemand einen Espresso gereicht hätte, dazu etwas Gebäck. Ausgiebig konnte sich der Ersatzspieler des SV Heimstetten am Samstag im Sportpark der Rasenpflege widmen. Während des Spiels, wohlgemerkt. Zehn Minuten waren absolviert, als Bläser in aller Ruhe ein herausgerissenes Grasbüschel wieder einsetzte. Zwei-, dreimal nachtreten, wie es der Greenkeeper vorschreibt, fertig war die Einlage vor seiner Ersatzbank. Das alles geschah in der Hälfte der Ingolstädter. Die Heimmannschaft verbrachte ja die meiste Zeit gegen die zweite Mannschaft des Zweitligisten im eigenen Strafraum, sodass für Bläser keine Gefahr bestand, von einem herumfliegenden Ball getroffen zu werden. Bläsers Gärtnerarbeit sagte viel aus über die Offensivstärke des Regionalligisten an diesem Tag, nicht ein gefährlicher Torschuss. Dass Heimstetten am Ende nur 0:3 (0:1) verlor, lag vor allem daran, dass Ingolstadt II ein dankbarer Gegner war, recht genügsam: Die Gäste taten nicht mehr, als sie mussten, doch es genügte, um die Partie zu gewinnen, ohne Aufwand. "Wir haben unglaubliche Fehler gemacht und sind dafür bitter bestraft worden", sagte Trainer Vitomir Moskovic. Detailansicht öffnen Läuft nicht: Heimstetten (hier Sebastian Paul) kommt nicht auf die Füße. (Foto: Claus Schunk) Es war für den Nachfolger von Rainer Elfinger bereits die fünfte Niederlage im sechsten Spiel, insgesamt wartet Heimstetten nun schon seit neun Partien auf einen Sieg. "In jedem Spiel entdecke ich wieder neue Baustellen", bekannte Moskovic. Er klang ziemlich deprimiert, kraftlos, weil ihn neben der Niederlage noch eine fiebrige Grippe plagte. Er lag nach Spielende fast auf der Bank. Ratlos ist er aber nicht. Er wisse genau, woran es liege, dass seine Mannschaft keine Spiele mehr gewinnen kann, betont er. Konditionell seien die Spieler nicht auf dem Niveau, das die Regionalliga verlangt. Auch sei es keine Mannschaft, nur eine Ansammlung ganz begabter Einzelspieler. Er wolle aber nicht über die Vergangenheit reden, fügte er hinzu, nicht über Elfinger. Aber genau das tat er. Anders könne er sich diese Fehler nicht erklären, diese Blackouts seiner Spieler. Beim 0:1 reichte Ingolstadt ein einstudierter Spielzug mit einer Flanke von links auf Andreas Buchner, um in Führung zu gehen (16.). "Ich hatte das noch vor dem Spiel angesprochen", schimpfte Moskovic. Seinen Spielern fehlt das Selbstvertrauen, die Selbstverständlichkeit. Ihnen misslingt die Ballannahme, sie spielen einfache Pässe ins Aus statt zum Mitspieler, so etwas sieht man sogar in der F-Jugend selten. "Auf diesem Niveau darf das nicht passieren", klagte Moskovic. Er mag keine Ausreden, aber eine Erklärung wollte er trotzdem haben für dieses erstaunliche 0:2: Stefan Müller lief allein aufs Heimstettener Tor zu, nachdem ihm der Ball vom Gegenspieler per Hinterkopf perfekt in den Lauf gespielt worden war (62.). Dabei hatte es sieben Minuten zuvor eine Szene gegeben, die sich der Trainer so sehr gewünscht hatte. Ein positives Erlebnis. Endlich mal. SVH-Torwart Marjan Krasnic konnte den Elfmeter von Müller sogar festhalten, die Mitspieler zeigten Emotionen, manche ballten die Faust, das erste Mal in diesem Spiel. "Danach müssten wir fliegen", sagte Moskovic. Doch was folgte? Der nächste Fehler, das 0:3. Steffen Jainta lief alleine über den halben Platz, um den Ball schließlich lässig an Krasnic vorbeizuspielen (73). Teilnahmslos ließen die Heimstettener alles geschehen. "Wir haben den Körperkontakt in den Zweikämpfen gemieden", sagte Moskovic kopfschüttelnd. Die meisten der Zuschauer hatten den Sportpark da schon verlassen. Sie hatten keine Hoffnung mehr auf eine Wende. Moskovic glaubt aber nach wie vor daran, die Mannschaft so formen zu können, dass sie auch wieder Spiele gewinnt. "Sie hat Potenzial", sagt er. Aber dafür müsse er vielleicht mit seiner Überzeugung brechen. "Uns mal mit elf Mann hinten rein stellen und vorne auf ein Tor hoffen", sagt der 47-Jährige. Gärtner Marco Bläser sieht es genauso: "Es muss endlich ein dreckiger 1:0-Sieg her."
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https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/fussball-regionalliga-von-rasenloechern-und-anderen-baustellen-1.2149986
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mlsum-de-1276
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Jahn München träumt nach dem Auftaktsieg im Playoff-Finale von der ersten Liga. Im so ausgeglichen besetzten Kader glänzt diesmal besonders Leonie Fiebich.
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Das Bild war bezeichnend: Die Freiburger Basketballerinnen lagen nach ihrer 54:60-Niederlage in der Halle von Jahn München am Boden. Ihre Fitness-Trainerin kannte kein Pardon, die "Eisvögel", so der Name der Mannschaft, mussten zehn Minuten lang Dehnübungen machen. Die siegreichen Jahn-Spielerinnen unterhielten sich derweil nach der Schlusssirene gut gelaunt mit Zuschauern, Freunden und ihren Familien. Anne Delafosse hielt dabei den kleinen Sohn von Magdalena von Geyr auf dem Arm. Im Mittelpunkt stand auch Leonie Fiebich. Die 18-Jährige hatte in der spannenden Schlussphase des ersten Playoff-Finalspiels nervenstark die Entscheidung zugunsten der Münchnerinnen herbeigeführt und damit in der Best-of-three-Serie die Tür zur ersten Bundesliga weit aufgestoßen. "Fiebich war für uns nicht zu verteidigen", schwärmte Freiburgs Trainer Pierre Hohn von der Jugendnationalspielerin. "Anfangs war ich ziemlich nervös und blockiert", fand Fiebich selbst. "Am Schluss war es dann endlich besser." Die Nervosität brachte sie mit ihrer Verletzung in Verbindung. Der Kreuzbandriss im Knie liegt zwar schon zehn Monate zurück, aber Fiebich verspürt immer noch eine gewisse Unsicherheit. Doch gerade, als ihre Mannschaft einen 40:30-Vorsprung mit mehreren Ballverlusten in Serie verspielte, war Fiebich die Konstante. Ob unter dem eigenen oder dem gegnerischen Korb, sie schnappte sich Rebound um Rebound. Zwölf waren es am Schluss. Da kam auch die erfahrene Freiburgerin Mirna Paunovic, inzwischen 41 Jahre alt, mit elf Rebounds nicht heran. Am 28. April ist das zweite Spiel im Breisgau - vor wohl 1000 Fans. "Was haben wir da zu verlieren?" Im Schlussviertel, als Freiburg mit 45:44 vorne lag, markierte Fiebich Punkt um Punkt. "Sie ist voll auf Touren gekommen", lobte sie Jahn-Trainer Rüdiger Wichote. Überhaupt lobte er seine gesamte Formation. Nicole Schmidt beispielsweise, die sich von Beginn an beim Spielaufbau schon an der eigenen Grundlinie zwei Gegnerinnen erwehren musste. Im Sprint nach vorne mit Ball schüttelte sie die Freiburgerinnen immer wieder ab und steuerte acht Zähler zum Sieg bei. Auch Mirela Damaschek hatte starke Phasen und beteiligte sich ebenfalls mit acht Punkten. Emily Bessoir war durch drei frühe Fouls und einem vierten im dritten Abschnitt gehandicapt, doch auch sie traf in den Korb, als die Schlussminuten kamen. Johanna Häckel, Verena Seligmann und Marie-Anne Bohn entlasteten die erste Fünf jederzeit gut. Jahn-Leaderin Anne Delafosse, die 35 von 40 Minuten auf dem Feld stand, trieb ihre Mitspielerinnen durch laute Ansagen und Gesten immer wieder an. Ihr erkennbarer Siegeswille strahlte auf alle anderen aus. Besonders als Freiburg mit der starken US-Amerikanerin Kristin Gaffney (20 Punkte) sich zwischenzeitlich eine knappe Führung erspielte und Jahn minutenlang keine Punkte machte. "Diese Saison bedeutet mir sehr viel", hatte die 33-Jährige ihren enormen Ehrgeiz schon zuvor in der Kabine ihren Mitspielerinnen offenbart. Die vielfache Titelträgerin weiß, was nach der Niederlage in den Köpfen der Gegnerinnen vorging: "Jetzt geht bei denen das Zittern und das Nachdenken los." Der Vorteil Jahns ist der so ausgeglichene Achter-Kader. "Immer wenn wir uns auf eine Spielerin konzentriert hatten, war eine andere da", beschrieb Freiburgs Coach Hohn sein Dilemma. "Wir sind nicht so ausgeglichen besetzt." Besonders die gute Jahn-Verteidigung machte Freiburg zu schaffen, das so wenig Punkte wie nie in dieser Saison erzielte. "München ist eine extrem gute Mannschaft", sagte Hohn. Das hörte Rüdiger Wichote sehr gerne. Für ihn ist der geglückte Playoff-Auftakt der Höhepunkt seiner sechsjährigen Trainerarbeit bei Jahn München. Zugleich gibt er sich beim Gedanken an das zweite Playoff-Spiel am 28. April in Freiburg gelassen. Die tausend Zuschauer, die dort zum Spiel kommen werden, sieht er als Ansporn. "Was haben wir da zu verlieren?", fragte Wichote. Anne Delafosse gab die Antwort: "Ich will 2:0 gewinnen und aufsteigen."
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https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/basketball-kaltschnaeuzig-gegen-die-eisvoegel-1.3946669
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mlsum-de-1277
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Die Innenminister von Bund und Ländern warnen vor einer zunehmender Hetze gegen den Islam und Ausländer. Außerdem diskutierten sie über die radikal-islamistische Salafistenszene und das Bündnis "Hooligans gegen Salafisten".
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Innenminister distanzieren sich von islamfeindlichen Parolen Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich auf ihrer Herbsttagung deutlich von den Demonstrationen der Anti-Islam-Bewegung "Pegida" in Dresden distanziert und vor zunehmender islam- und ausländerfeindlicher Hetze gewarnt. Auch Bundesinnenminister Thomas de Mazière, der am Donnerstagabend in einer ARD-Talkshow noch Verständnis für die Sorgen der Demonstranten gezeigt hatte, sprach sich eindeutig gegen die Parolen von "Pegida" aus. "Wir spüren schon, dass das gesellschaftliche Klima in Deutschland rauer wird", sagte der CDU-Politiker am Freitag zum Abschluss der Konferenz in Köln. Aber es drohe keine Islamisierung der deutschen Gesellschaft. Die allermeisten Muslime seien integriert. Der IMK-Vorsitzende, Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD), sagte, "Pegida" zeige auf erschreckende Weise, wie Rechtsextremisten Demonstrationen für ihre Zwecke missbrauchten. "Wir müssen diese Aufwiegler demaskieren", forderte er. Über Stimmungsmache gegen Flüchtlinge zeigten sich die Minister empört. Diese Menschen hätten schon alles verloren und müssten Hilfe bekommen anstatt angefeindet zu werden. "Pegida" steht für "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Die Bewegung hat ihren Ursprung in Dresden. An ihrer wöchentlichen Demonstration für eine strengere Asylpolitik hatten sich vergangenen Montag etwa 10 000 Menschen beteiligt, so viele wie noch nie. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteile solche Tendenzen aufs Schärfste, sagte Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Freitag in Berlin. Sie betonte zugleich, die Zuwanderung und die steigenden Asylbewerberzahlen beschäftigten die Bevölkerung. Die Regierung müsse dies ernst nehmen. Auch über Salafismus und "Hogesa" wurde diskutiert Neben der ausländer- und islamfeindlichen Hetze haben die Innennminster auf ihrer Herbsttagung auch über andere aktuelle Themen diskutiert, etwa über den Zulauf zur radikal-islamistischen Salafistenszene, die "Hooligangs gegen Salafisten" und die zunehmende Gewalt beim Fußball. Um den Zulauf zur radikal-islamischen Salafistenszene zu bremsen, vereinbarten die Minister ein bundesweites Konzept für Präventionsnetzwerke. Projekte aus NRW und Hessen stehen dabei Modell. Dschihadistischer Internet-Propaganda soll mit einem staatlichen Aufklärungs-Angebot entgegengesteuert werden. Die Bewegung "Hooligans gegen Salafisten" ("Hogesa"), deren Aufmarsch in Köln im Oktober zu schweren Ausschreitungen geführt hatte, bewerteten die Innenminister als gefährliches Sammelbecken. Das Treiben dieses unheilvollen Bündnisses werde man nicht dulden, sagte Jäger. Die Innenministerkonferenz will auch mit Hilfe von wissenschaftlichem Sachverstand mehr Erkenntnisse über die "Hogesa" sammeln. Außerdem vereinbarten die Innenminister, dass die Länder gemeinsam gegen die zunehmende Gewalt bei Fußballspielen vorgehen werden. Zentrales Element: Die Ermittlungen der Polizei werden an einem Ort gebündelt und aus einer Hand geführt, um die Strafverfolgung effektiver zu machen und Intensivtäter von Fußballspielen fernzuhalten.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/herbsttagung-der-innenminister-innenminister-warnen-vor-islamfeindlicher-hetze-1.2265282
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mlsum-de-1278
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Moscheen in Deutschland beziehen oft Spenden aus Saudi-Arabien oder Katar - es geht um Dutzende Millionen Euro pro Jahr. Jetzt will die Regierung diese Geldflüsse besser überwachen.
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Auf allen Fernsehkanälen liefen noch die Bilder der nach Deutschland geflohenen Menschen, da trat am 4. November 2015 im "Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum" in Berlin die nur selten tagende "Arbeitsgruppe 8" zusammen. Polizei, aber auch Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst (BND) saßen am Tisch, als die für "Transnationale Aspekte" zuständige Gruppe einen heiklen Auftrag übernahm. Sie sollte prüfen, ob mit Geld aus den Ölmonarchien am Golf eine radikale Auslegung des Islam in Deutschland gefördert wird; der Salafismus, der westliche Demokratien ablehnt. Erste Hinweise gab es schon, salafistische Prediger tauchten vor Flüchtlingsheimen auf und boten ihre Hilfe und Unterstützung an, teils auch Geld. Die Salafisten schienen über ziemliche Ressourcen zu verfügen. Woher haben die eigentlich so viel Geld, lautete die Frage im Terror-Abwehrzentrum. Ein Jahr später legten Verfassungsschutz und BND einen ersten Bericht vor, das Papier ging bis hinauf ins Kanzleramt. Namen von Stiftungen aus Kuwait, Katar und Saudi-Arabien fanden sich darin, "salafistische Missionierungsorganisationen aus den Golfstaaten vernetzen sich zunehmend mit Salafisten in Europa und Deutschland", hieß es in dem Geheimdienstpapier. Eines der Beispiele betraf die in den USA wegen angeblicher Terror-Unterstützung verbotene "Revival of Islamic Heritage Society" aus Kuwait. Sie hatte im baden-württembergischen Fellbach-Oeffingen versucht, ein salafistisches Zentrum zu errichten, laut Verfassungsschutz "Teil eines Strategieplanes zur Missionierung Süddeutschlands". Als Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR über das Dossier berichteten, kam es zu wütenden Dementis der Stiftungen und der Botschaft Saudi-Arabiens in Berlin. Man weise die Behauptungen "nachdrücklich" zurück. Die Deutschen sollten doch bitte ihre Belege präsentieren. Die Golfstaaten gelten als lukrativer Absatzmarkt, mit offener Kritik an ihnen tut sich die Bundesregierung ziemlich schwer. Neue Recherchen zeigen nun aber, dass Berlin durchaus nicht nachlässt. Die Verbreitung einer radikalen Islamvariante zumindest will die Bundesregierung offenbar nicht mehr länger hinnehmen. Vor der Islamkonferenz im November erklärte Innenminister Horst Seehofer (CSU) offen, die "ausländische Einflussnahme" auf Moscheen müsse beendet werden. Gemeint war nicht nur die Türkei, die Hunderte Imame nach Deutschland schickt. Gemeint waren auch die Golfstaaten, die neben Geld auch oft besonders radikal auftretende Prediger entsenden. Der genaue Umfang ist unbekannt, zu vielfältig sind die Wege, über die das Geld nach Deutschland fließt. Nicht nur über Konten kommt es. In manchen Bundesländern beobachten Behörden auch, wie Männer mit Bargeld durch Moscheen touren. Wo ihnen die Predigt gefällt, hinterlassen sie eine Spende. Von einer jährlich "mindestens" zweistelligen Millionensumme für deutsche Salafisten spricht der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalens, nach anderen Schätzungen ist es in Europa ein dreistelliger Millionenbetrag. Der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte unlängst im Deutschlandfunk, Saudi-Arabien sei über "viele, viele Jahre einer der großen Financiers von Terrororganisationen" gewesen. "Die Menschen, die aus Deutschland sich dem 'Islamischen Staat' angeschlossen haben, kamen fast alle aus salafistischen Moscheen, die von Saudi-Arabien finanziert wurden." Tatsächlich verkehrten laut dem Bundeskriminalamt 96 Prozent aller zum IS ausgereisten Dschihadisten vorher im salafistischen Milieu. In der Bundesregierung scheint es deshalb nun eine Entschlossenheit zu geben, solche Geldströme besser zu kontrollieren. Seit dem Frühjahr gibt es ein zwischen Kanzleramt, dem Finanz-, Innen- und Außenministerium verabredetes Verfahren. Die Golfstaaten werden ersucht, Spenden anzumelden und auch mitzuteilen, wenn sich eine deutsche Moschee bei ihnen um Geld bemüht. Egal, ob es aus der Staatskasse oder einer der Stiftungen stammt.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/moscheenfinanzierung-wie-die-kontrolle-der-geldfluesse-aus-dem-golf-ablaeuft-1.4266857
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mlsum-de-1279
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Der Europäische Gerichtshof hat geurteilt, dass ein Kopftuchverbot unter Umständen rechtens sein könnte. Für die deutsche Rechtsprechung könnte das kuriose Folgen haben.
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Man muss ja immer genau sein mit juristischen Entscheidungen, deshalb vorab folgendes: Nein, der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nicht gesagt, Betriebe dürften muslimischen Arbeitnehmerinnen das Tragen von Kopftüchern untersagen. Jedenfalls nicht als plumpe Anordnung nach dem Motto: Wer mit Kopftuch kommt, fliegt raus. Unternehmen dürfen nach dem Urteil fortan aber sagen, sie wollten einfach nur ein weltanschaulich neutrales Bild abgeben, weshalb fortan das Tragen weltanschaulicher Symbole im Betrieb untersagt sei. Das gilt dann für Katholiken und Protestanten, für sektiererische Glaubensbrüder und sogar für Fundamental-Atheisten. Und ja, halt auch für Muslime. Es ist der schmale Grat der Diskriminierung, auf dem sich die beiden Urteile des EuGH bewegen. Ein Fall stammt aus Belgien, dort geht es um eine Rezeptionistin, die ihren Dienst schon einige Jahre ohne Kopfbedeckung verrichtet hatte, als sie 2006 ankündigte, nunmehr aus Glaubensgründen mit Kopftuch zur Arbeit zu kommen. Bis dahin hatte es lediglich eine ungeschriebene Regel zur Neutralität am Arbeitsplatz gegeben, doch im Zuge der Auseinandersetzung mit der Frau erließ das Unternehmen eine neue Arbeitsordnung, gebilligt vom Betriebsrat: Keine "sichtbaren Zeichen" politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugung am Arbeitsplatz. Die Frau wurde entlassen. Ob es dabei bleibt, ist nach dem EuGH-Urteil zwar noch nicht ganz sicher. Möglicherweise war die Neutralitätsregel nur nachgeschoben, um die Kündigung zu rechtfertigen, vielleicht gäbe es auch einen Arbeitsplatz ohne Kundenkontakt - mag sein, dass die Frau vor den belgischen Arbeitsgerichten am Ende gewinnt. Im Einzelfall ist also womöglich ein Sieg drin. Generell aber hat der EuGH die Tür für Kopftuchverbote am Arbeitsplatz aufgestoßen, wenn sie nur allgemein genug formuliert sind. Und dies, obwohl der EuGH durchaus ahnt, dass sich hinter einem hehren Bekenntnis zur Neutralität auch eine "mittelbare Diskriminierung" von Muslimen verbergen kann. "Der Wunsch eines Arbeitgebers, den Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln, gehört zur unternehmerischen Freiheit" - geschützt auch durch die EU-Grundrechtecharta, schreibt der Gerichtshof. Dieses Ziel rechtfertige Verbote weltanschaulicher Symbole insbesondere dann, wenn sie nur für Arbeitnehmer gälten, "die mit den Kunden in Kontakt treten sollen".
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https://www.sueddeutsche.de/karriere/religionsfreiheit-eugh-stoesst-die-tuer-fuer-kopftuchverbot-am-arbeitsplatz-auf-1.3419181
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mlsum-de-1280
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Zwei Flüchtlingsboote sind auf dem Weg nach Lesbos gekentert. Nur vier Menschen konnten gerettet werden.
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In der Ägäis sind türkischen Medienberichten zufolge zwei Flüchtlingsboote gekentert. Mindestens 35 Menschen seien ertrunken, berichtet die Nachrichtenagentur DHA, nur vier konnten gerettet werden. Eines der Boote startete demnach an der Küste des westtürkischen Bezirks Edremit, das zweite weiter südlich im Bezirk Dikili bei Izmir. Ziel beider Boote war die nur wenige Kilometer entfernt liegende griechische Insel Lesbos. Zur Nationalität der Flüchtlinge machte DHA keine Angaben. 200 Tote seit Jahresbeginn Trotz des Winterwetters begeben sich immer noch jede Woche Tausende Menschen auf die gefährliche Überfahrt nach Griechenland. Mehr als 200 Menschen sind dabei seit Jahresanfang ums Leben gekommen oder gelten als vermisst. Die Türkei hat nach eigenen Angaben etwa 2,5 Millionen Flüchtlinge alleine aus dem Bürgerkriegsland Syrien aufgenommen. Viele versuchen jedoch weiterzureisen, erst nach Griechenland und von dort aus in andere EU-Länder. Die türkische Regierung hatte Ende vergangenen Jahres zugesagt, die Grenzen besser zu schützen. Im Gegenzug hat die EU eine Unterstützungszahlung von mindestens drei Milliarden Euro für die Versorgung der Flüchtlinge versprochen. Am heutigen Montag hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in Ankara mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu getroffen, um über die Flüchtlingssituation zu sprechen. Ziel ist eine gemeinsame Soforthilfe-Aktion an der türkisch-syrischen Grenze, wo nach Gefechten im syrischen Aleppo mehr als 15 000 Menschen gestrandet sind. Von deutscher Seite soll nun das Technische Hilfswerk, von türkischer Seite die staatliche Katastrophenhilfe eingesetzt werden.
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https://www.sueddeutsche.de/panorama/aegaeis-mindestens-35-fluechtlinge-vor-tuerkischer-kueste-ertrunken-1.2854401
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mlsum-de-1281
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Wegen des Wirbelsturms streichen Veranstalter Reisen nach Yukatan und Jamaika, die Gäste können kostenlos stornieren.
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Und plötzlich war der Strand weg. Als im Oktober vor zwei Jahren der Hurrikan Wilma mit bis zu 280 Stundenkilometern über die mexikanische Halbinsel Yucatan gezogen war, sah es bei Cancún aus, als hätte jemand mit einem Riesenstaubsauger auch noch das letzte Sandkorn abgesaugt. Detailansicht öffnen Der Strand von Cancún wurde nach der Verwüstung durch "Wilma" wieder neu aufgeschüttet. (Foto: Foto: AFP) Von dem 12 Kilometer langen Strand an der berühmten Riviera Maya war nicht mehr viel zu sehen, auf vier Kilometern gab es überhaupt keinen Sand mehr. Und weil die touristische Existenz ohne Strand sinnlos erscheint, beauftragte Cancúns Bürgermeister eine belgische Firma, die in Dubai die künstliche Sandwelt "Palm"errichtete, den Sand von außerhalb des Korallenriffs wieder zurückzupumpen. Das dauerte zehn Wochen und kostete 20 Millionen Dollar, dann war der Strand breiter und schöner als je zuvor. In Cancún und Playa del Carmen, die nun wieder von einem schlimmen Wirbelsturm bedroht sind, gehören die jährlich wiederkehrenden Hurrikane mittlerweile fast zur Routine. Sowohl bei der Evakuierung als auch bei den Aufräumarbeiten werden keine Kosten und Mühen gescheut. Der touristische Betrieb soll so schnell wie möglich weitergehen, trägt er doch ein Drittel zu den gesamten touristischen Einkünften Mexikos bei. Die meisten deutschen Touristen halten sich traditionell in Playa del Carmen auf, während Cancún ganz den Amerikanern gehört. Die großen deutschen Reiseveranstalter haben zurzeit rund 2000 Gäste in der Region. Tui, Thomas Cook, Dertour, Meiers Weltreisen und FTI bieten ihren Gästen bis Donnerstag oder Freitag kostenlose Umbuchungen oder Stornierungen an. Thomas Cook, zu dem auch Neckermann gehört, hat die für diesen Dienstag geplanten Flüge gestrichen, für Donnerstag behält man sich eine Entscheidung noch vor. Falls der Flughafen von Cancún geöffnet bleibt, wird man allerdings trotzdem leer hinfliegen, um regulär oder vorzeitig abreisende Gäste zurückzuholen, so Konzernsprecherin Nina Kreke. Auch Tui wird bis Freitag ohne Gäste nach Cancún und Jamaika fliegen, etwa 250 Urlauber müssen erstmal zu Hause bleiben. Bisher habe noch niemand abreisen wollen, sagt Tui-Sprecher Robin Zimmermann. Die Erfahrung lehre, dass etwa ein Drittel der Gäste vorzeitig nach Hause will. Die werde man im Rahmen verfügbarer Kapazitäten ausfliegen, so Zimmerman, oder gegebenenfalls zusätzliche Maschinen einsetzen. Reisen nach Jamaika, wo der Sturm bereits wütete und Verwüstungen hinterließ, werden ebenfalls in den nächsten Tagen ausgesetzt. Allerdings sind die Touristenzentren im Südwesten, Ocho Rios und Negril, entgegen vorherigen Befürchtungen weitgehend verschont geblieben. Die Touristen auf Yucatan, so versichern die Veranstalter, seien alle in hurrikansichere Hotels verlegt worden. Man stehe in ständigem Kontakt zu den Reiseleitern in der Region und zum Wetterdienst, um spontan auf die Veränderung der Lage reagieren zu können. "Denn es ist oft genug passiert, dass am Tag danach strahlender Sonnenschein herrschte und uns Gäste verklagen, weil wir sie nicht hinfliegen", so Zimmermann. An der Riviera Maya südlich von Cancún saßen während Wilma vor zwei Jahren übrigens 35000 Touristen fest, 100 Hotels wurden zerstört. Dennoch kam in Cancún niemand ums Leben. Und viele Hoteliers nutzten hinterher die Gelegenheit zu einer Generalsanierung ihrer veralteten Herbergen.
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https://www.sueddeutsche.de/reise/folgen-fuer-touristen-hoffnungen-in-sand-gesetzt-1.225007
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mlsum-de-1282
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Parteichef Hubert Aiwanger kann es gar nicht schnell genug gehen mit der Regierungsbildung: "Wir wollen Ergebnisse sehen".
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Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger redet ungern lange drumherum. So auch am Tag nach der historischen Wahlniederlage der CSU. "Wir werden am Ende diejenigen sein, mit denen die Regierung zustande kommt", sagt Aiwanger. Zugleich meldet er Anspruch auf "drei bis fünf Ministerien" an und nennt Bedingungen, welche die CSU dafür "erfüllen muss". Kostenfreie Kindertagesstätten lautet eine, eine andere ist das Eindampfen des Raumfahrtprogramms "Bavaria One" von Ministerpräsident Markus Söder, das Aiwanger als "größenwahnsinnig" verspottet. Vor allem aber soll es schnell gehen. Am Mittwoch sollen die Sondierungen mit der CSU beginnen, wenig später die Koalitionsverhandlungen und am 27. Oktober will Aiwanger den Koalitionsvertrag von einer Landesversammlung seiner Partei billigen lassen. "Wir wollen Ergebnisse sehen", sagt der Parteichef. "Wir sind ja nicht in der großen Koalition in Berlin, wo man sechs Monate verhandelt." Es ist zweifellos die Stunde der Freien Wähler. Die Partei, die seit zehn Jahren dem Landtag angehört, hat am Sonntag ihr bisher bestes Ergebnis bei einer bayerischen Landtagswahl eingefahren. 11,6 Prozent holte die Partei, ein Plus von 2,6 Prozentpunkten gegenüber 2013. Aiwanger und Co. stellen nun 27 Abgeordnete, acht mehr als zuletzt. Eine Koalition aus der stark geschrumpften CSU (85 Parlamentarier) und ihnen käme auf 112 Parlamentarier - eine solide Mehrheit im neuen Landtag mit seinen 205 Abgeordneten. Der Wahlverlierer Söder hat denn auch schon am Wahlabend verkündet, dass er eine Koalition mit Freien Wählern anstrebe. Detailansicht öffnen „Wir sind nicht aufs Regieren angewiesen“, sagt Hubert Aiwanger. Beobachter zweifeln hingegen an der Ernsthaftigkeit dieser Aussage. (Foto: Christoph Stache/AFP) SPD und Grüne in Bayern werfen den Freien Wählern gerne ihre Nähe zur CSU vor - allein schon, weil sie sich als mindestens so bürgerlich-konservativ begreifen wie die Christsozialen. Aiwanger hat diese Nähe nie bestritten, auch wenn er die Staatsregierung in der Vergangenheit oft hart und wortgewaltig attackiert hat. Zugleich verweist der 47-jährige Agraringenieur aus dem niederbayerischen Rottenburg an der Laaber gerne darauf, dass Freie Wähler und CSU in Hunderten Gemeinde- und Kreisräten im Freistaat pragmatisch zusammenarbeiten. "Das wollen wir auf Landesebene fortsetzen", betont der Parteichef an diesem Tag. "Zum einen, weil es unsere Leute von uns erwarten." Zum anderen, "weil Bayern endlich wieder eine verlässliche Politik braucht - für den Mittelstand, für die ländlichen Regionen und vor allem für die Normalbürger". Aus Sicht der Freien Wähler sind es nämlich die Alltagssorgen und -nöte um bezahlbare Wohnungen, schnelles Internet, ausreichend Kitaplätze und anderes mehr, die in all den Streitereien innerhalb der Union, aber auch in der großen Koalition in Berlin zu kurz kommen. "Sie müssen ein Ende haben", fordert Aiwanger, dem seine Kritiker immer wieder Populismus vorwerfen. "Es darf nicht länger sein, dass ein Konflikt um einen Beamten wochenlang die Politik in Bund und Land lahmlegt." Die Kommunalen Die Partei hat ihre Wurzeln in der Kommunalpolitik. Kommunale freie Wählergruppen schlossen sich in den 50er-Jahren zu ersten Landesverbänden zusammen. 1965 wurde der Bundesverband der Freien Wähler gegründet, 1998 traten die Freien Wähler Bayerns erstmals zur Landtagswahl an. 2008 konnten sie mit 10,2 Prozent in den Landtag einziehen. 2013 trat die Bundesvereinigung Freie Wähler auch zur Bundestagswahl an. Die Partei ist mit zwei Abgeordneten auch im Europäischen Parlament vertreten. SZ Für die Gespräche mit der CSU sieht Aiwanger seine Partei "bestens gewappnet". Die Freien Wähler wollten der CSU ein verlässlicher Partner sein, sich aber auf keinen Fall "unter Wert verkaufen lassen". Für den Fall, dass Söder und Co. solche Absichten hegten, hat Aiwanger, der für seine deftigen Ansprachen bekannt ist, eine Drohung parat: "Wenn sich herausstellt, dass die CSU mit uns Schlitten fahren will, sind wir die Ersten, die aus diesem Schlitten aussteigen", tönt er. "Denn wir sind nicht aufs Regieren angewiesen, das haben wir in den vergangenen zehn Jahren in der Opposition gezeigt." Beobachter indes zweifeln offen an, dass Aiwanger die Drohung wahr machen würde. Dazu sei der FW-Chef viel zu versessen auf eine Koalition und ein Regierungsamt.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/freie-waehler-drei-bis-fuenf-ministerien-1.4170998
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mlsum-de-1283
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Städte und Kommunen laden am 21. Mai wieder zum "Tag der Städtebauförderung" ein. Experten zeigen, wie sich Quartiere verändert haben.
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Manche moderne Wohnsiedlung verwandelt sich über die Jahre in eine vernachlässigte Brache. Das kann passieren, weil sich die Vermieter nicht um die Häuser und die Bewohner kümmern. Oder auch, wenn hohe Arbeitslosigkeit und schrumpfende Bevölkerungszahlen ein Quartier treffen. Damit sich einstige Schmuckstücke nicht in verödete Schandflecken verwandeln, hilft seit mehr als 40 Jahren die Städtebauförderung des Bundes den Kommunen dabei, neue Ideen für ramponierte und heruntergekommene Immobilien und Areale zu entwickeln und sie fit für die Zukunft zu machen. Als für den Stadtteil Leipzig-Grünau vor 40 Jahren der Grundstein gelegt wurde, galten Plattenbauten und Großsiedlungen als moderne Wohnform und begehrte Adresse. Das 8,7 Quadratkilometer große Areal war neben Halle-Neustadt und Berlin-Marzahn eine der größten Plattenbausiedlungen der DDR. Mitte der 1980er-Jahre lebten dort mehr als 85 000 Menschen. Doch die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen hinterließen auch dort deutliche Spuren - heute zählt die Siedlung noch etwa halb so viele Einwohner. Einige Gebäude wurden abgerissen. Und es wurde viel investiert, um die Lebensqualität zu erhalten und auch neue Bewohner anzulocken. Mehr als 30 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln flossen zwischen 1993 und 2005 in die Siedlung, um die vorhandenen Zentren zu stärken, Grün- und Freiflächen neu zu gestalten und den Bewohnern eine funktionierende, soziale Infrastruktur zu bieten. Circa 530 Kommunen laden zu Veranstaltungen ein. In Bayern gibt es besonders viele Projekte Ob das Geld gut angelegt ist und wie sich die einstige sozialistische Mustersiedlung verändert hat, davon können sich die Bürger am Tag der Städtebauförderung selbst ein Bild machen. Mit einem vielseitigen Programm lädt die Stadt Leipzig Interessierte ein, mit dem Rad durch Grünau zu fahren oder spielerisch die große Plattenbausiedlung näher kennenzulernen. Spannend dürfte es auch sein, mit einigen der Planer von damals über den Stadtteil und seine bewegte Entwicklung in den vergangenen 40 Jahren zu diskutieren. Auf die Besucher warten 16 unterschiedliche Veranstaltungen in Grünau. Detailansicht öffnen Das Quartier in Leipzig-Grünau war einst eine der größten Plattenbau-Siedlungen der DDR. An diesem Samstag zeigt die Stadt, wie sich das Viertel entwickelt hat. (Foto: Jan Woitas/dpa) Selbst unter Experten gilt die Städtebauförderung zuweilen als schwer vermittelbares Thema. Ein vernachlässigtes Quartier fällt schnell auf, doch eine herausgeputzte Altstadt nehmen viele als selbstverständlich hin. Mit dem im vergangenen Jahr initiierten "Tag der Städtebauförderung"‟ sollen die Ergebnisse und Erfolge mehr ins Rampenlicht gerückt werden. Gleichzeitig wollen die Initiatoren auch die Bürger für mehr Beteiligung gewinnen. Deutschlandweit beteiligen sich in diesem Jahr am 21. Mai etwa 530 Kommunen aus der ganzen Republik an der Veranstaltung. In diesem Jahr erschweren die frühen Pfingstferien zwar die Planungen, doch die Veranstalter sind mit den Anmeldungen zufrieden, auch wenn es etwas weniger sind als 2015. "Alle Millionenstädte und alle Bundesländer sind dabei", sagt Lennart Palmer vom Büro Schulten Stadt- und Raumentwicklung aus Dortmund, das auch in diesem Jahr den "Tag der Städtebauförderung" koordiniert und den Kommunen beratend zur Seite steht. Diesmal sind unter den Neuanmeldungen viele kleinere Städte mit bis zu 25 000 Einwohnern, die ihre Bürger informieren wollen und stolz auf die städtebaulichen Neuerungen in ihrer Gemeinde sind, wie Palmer berichtet. Die meisten Anmeldungen kommen aus den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg. Baden-Württemberg liegt mit knapp 100 angemeldeten Gemeinden vor Bayern, das mit etwa 90 Teilnehmern etwas weniger Kommunen zur Teilnahme motivieren konnte. Zum Beispiel Regensburg. Die Stadt konzentriert sich in diesem Jahr auf das römische und jüdische kulturelle Erbe der Stadt. "Wir zeigen mit der Porta Praetoria, die gerade saniert wird, und dem geplanten Neubau der Synagoge zwei aktuelle Projekte", erklärt Anton Sedlmeier vom Amt für Stadtentwicklung in Regensburg. Die Pfingstferien stören Sedlmeier und seine Mitarbeiter übrigens nicht - ganz im Gegenteil, denn sie rechnen damit, dass mehr Touristen in der Stadt sein werden und es auch mehr Besucher für die Veranstaltungen geben wird. Auch für die Kinder haben die Regensburger einige Attraktionen eingeplant. Die Kleinen können beispielsweise in eine römische Toga schlüpfen oder in der Jugendbauhütte Regensburg historische Handwerkstechniken kennenlernen und dabei auch gleich ihr eigenes, handwerkliche Geschick erproben. Dass sich in Baden-Württemberg besonders viele Städte und Gemeinden an der Veranstaltung beteiligen, mag auch dran liegen, dass das Bundesland im Südwesten der Republik zeitgleich mit dem Beginn der Städtebauförderung im Jahr 1971 ein eigenes, Landessanierungsprogramm auflegte. Heuer stehen dort insgesamt 200 Millionen Euro für die Städtebauförderung zur Verfügung. 60 Millionen fließen an Bundesmitteln in den Südwesten, das landeseigene Programm ist mit 120 Millionen Euro ausgestattet. Für den ländlichen Raum gibt es einen eigenen Fördertopf. Städtebauförderung Zuständig für das Programm Städtebauförderung ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Die bundesweite Städtebauförderung wurde 1971 eingeführt. Nach der Wiedervereinigung wurden vor allem Projekte in den neuen Bundesländern gefördert. In diesem Jahr stehen knapp 607 Millionen Euro zur Verfügung. Diese Bundesmittel fließen in sieben unterschiedliche Programme: Soziale Stadt (140 Millionen Euro), Stadtumbau Ost (98 Millionen Euro), Stadtumbau West (98 Millionen Euro), Städtebaulicher Denkmalschutz Ost (65,3 Millionen Euro), Städtebaulicher Denkmalschutz West (37,3 Millionen Euro), Aktive Stadt- und Ortsteilzentren (102,7 Millionen Euro), Kleinere Städte und Gemeinden (65,3 Millionen Euro). Ingrid Weidner Zu den Schwerpunkten der Förderung in Baden-Württemberg zählen Wohnen und Wohnungsbau, Sicherung, Verbesserung und Integration für Benachteiligte, Stärkung der Zentren und Innenstädte, der demografische Wandel und barrierefreier Wohnraum sowie die Nachnutzung von Brachflächen, die aufgelassene Kasernen und Industrieanlagen hinterlassen. "Ganzheitliche, ökologische Erneuerung, das Stadtklima verbessern und Gewerbegebiete aufwerten sind weitere Ziele", sagt Wolfgang Stehmer vom Referat für Städtebauliche Erneuerung im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg in Stuttgart. Wohnen und die Konversion von ehemaligen Kasernenflächen hätten in Baden-Württemberg momentan Vorrang, berichtet Stehmer. Aber auch für Projekte, die die Integration fördern, stellt das Bundesland Geld zur Verfügung. Alle Veranstaltungen sind im Internet zu finden unter www.tag-der-staedtebaufoerderung.de
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https://www.sueddeutsche.de/geld/staedtebautag-schmuckstuecke-und-schandflecken-1.2998433
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mlsum-de-1284
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Er war einer der einflussreichsten türkischen Politiker der vergangenen Jahrzehnte: Im Alter von 90 Jahren ist der ehemalige Staatschef und Ministerpräsident Süleyman Demirel gestorben.
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Gestorben an Herzversagen Der ehemalige türkische Präsident Süleyman Demirel ist tot. Er starb am frühen Mittwochmorgen in einem Krankenhaus in der Hauptstadt Ankara an Herzversagen und einer Atemwegsinfektion, wie Ärzte der Klinik mitteilten. Demirel wurde 90 Jahre alt. SZ Espresso Newsletter Auch per Mail bestens informiert: Diese und weitere relevante Nachrichten finden Sie - von SZ-Autoren kompakt zusammengefasst - morgens und abends im SZ Espresso-Newsletter. Hier bestellen. Demirel war eine der einflussreichsten Personen der türkischen Politik der vergangenen 50 Jahre. Zwischen 1993 und 2000 war er Staatspräsident der Türkei, was den Höhepunkt seiner vier Jahrzehnte andauernden politischen Karriere bildete. Er diente zuvor insgesamt siebenmal als Ministerpräsident seines Landes - zwei seiner Amtszeiten endeten in einem Sturz der Regierung durch Militärputsche. Gelobt für den Wandel, kritisiert für Klüngelwirtschaft In Demirels Regierungszeit fällt der Wandel des Landes von der durch Landwirtschaft geprägten hin zu einer industrialisierten und städtischen Gesellschaft. Das bedeutete für viele Türken eine Erhöhung ihres Lebensstandards. Seine Kritiker monierten jedoch, Demirel habe eine Kultur symbolisiert, in der Macht wichtiger sei als Prinzipien. Ihm wurde zudem vorgeworfen, er habe bei der Etablierung von Klüngelwirtschaft und Bestechung geholfen. Seine Gegner verwiesen dabei oft auf ein berüchtigtes "Familienfoto", das Demirel mit Verwandten und Partnern aus der Geschäftswelt zeigt - einige der Abgelichteten kamen später wegen Korruption ins Gefängnis. Demirels politische Laufbahn begann nach dem Militärputsch 1960, der die Regierung von Adnan Menderes entmachtete. Menderes und zwei Kabinettsmitglieder wurden hingerichtet, anderen Spitzenkräften ihrer Partei wurde jegliches politisches Amt verboten. Dies sorgte für ein Vakuum im gemäßigt rechten Spektrum der türkischen Politik. In diese Lücke drang der bis dato politisch unbekannte Demirel ein, der gebürtig als Ingenieur ausgebildet worden war. "Sulu, der Hirte" Im Alter von gerade einmal 40 Jahren wurde Demirel überraschend zum Chef der neu formierten Gerechtigkeitspartei gewählt, die als Nachfolgepartei des Menderes-Bündnis angesehen werden kann. 1965 wurde er jüngster Ministerpräsident seines Landes. Sein populistischer Stil und sein Einsatz für den Islam brachten "Sulu, dem Hirten", wie er wegen seiner Herkunft genannt wurde, viele Stimmen von Konservativen ein. Die Entwicklung des Landes hin zur Industriegesellschaft war fortan eine der größten Herausforderungen für die Regierung. 1970 sah sich Demirel in der Defensive: Studenten und Gewerkschaften forderten radikale Reformen, während Demirel von rechts durch neue nationalistische und islamistische Parteien bedrängt wurde. Als der ideologische Konflikt in Gewalt umschlug, griff das Militär ein - Demirel wurde so 1971 aus dem Amt gedrängt. 1975 kehrte er an die Macht zurück, doch seine Koalition konnte den Weg der Türkei ins Chaos nicht verhindern. Dutzende Menschen wurden jede Woche bei Kämpfen zwischen linken und rechten Banden getötet. Die Türkei taumelte schließlich einem weiteren Militärputsch im Jahr 1980 entgegen. Demirel wurde bis Ende der 80er Jahre aus der Politik verbannt, 1991 dann aber erneut Regierungschef. 1993 wurde er dann Präsident, nach dem Tod seines Vorgängers Turgut Özal. In Erinnerung wird auch eines seiner Lieblingszitate bleiben, mit dem er Kritikern begegnete, die ihm Kehrtwenden und Unbeständigkeit vorgeworfen hatten: "Gestern war gestern - und heute ist heute."
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https://www.sueddeutsche.de/politik/ankara-tuerkischer-ex-praesident-demirel-gestorben-1.2524697
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mlsum-de-1285
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Erste Niederlage des Jahres: Österreich hält zwar gegen Brasilien lange Zeit mit, doch am Ende schlägt der Mittelfeldspieler aus Hoffenheim zu. Argentinien verliert, England besiegt den Nachbarn Schottland.
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Österreich - Brasilien 1:2 Dank Roberto Firmino hat Rekord-Weltmeister Brasilien der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft die erste Niederlage des Jahres zugefügt. Der Offensivspieler von 1899 Hoffenheim traf beim 2:1 (0:0) in Wien kurz vor Schluss zum Endstand, war am Dienstag aber nur einer von zahlreichen Bundesliga-Profis in Torlaune. Auch Adrián Ramos, Shinji Okazaki und Henri Anier zeigten sich treffsicher. In Wien war Österreich vor 48.500 Zuschauern lange Zeit ein ebenbürtiger Gegner, Aleksandar Dragovic glich per Foulelfmeter (75.) den ersten Rückstand durch David Luiz (64.) sogar aus. Dann aber traf Firmino in seinem erst zweiten Länderspiel aus 20 Metern in den Winkel (83.). Die Seleção gewann damit auch das sechste Spiel unter Trainer-Rückkehrer Carlos Dunga, kassierte allerdings erstmals nach der WM einen Gegentreffer. Österreich musste als letzte europäische Mannschaft die erste Niederlage des Jahres 2014 hinnehmen. Frankreich - Schweden 1:0 Einen Prestigesieg feierte England beim 3:1 (1:0) gegen den Nachbarn Schottland, zweifacher Torschütze war Wayne Rooney. England gewann in Glasgow dank des starken Kapitäns Rooney. Mit 46 Treffern ist der 29-Jährige nun alleinige Nummer drei unter Englands besten Torschützen hinter Bobby Charlton (49) und Gary Lineker (48). Alex Oxlade-Chamberlain (32.) hatte England in Führung geschossen. Ex-Weltmeister Frankreich gewann dank eines späten Treffers von Raphaël Varane gegen Schweden 1:0 (0:0). Der WM-Zweite Argentinien unterlag Portugal im "Duell der Weltfußballer" zwischen Lionel Messi und Cristiano Ronaldo mit 0:1 (0:0). in Manchester erzielte Raphaël Guerreiro das Siegtor für Portugal. Während in Dublin Trainer Jürgen Klinsmann mit dem Team USA Gastgeber Irland mit 1:4 (1:1) unterlag. Einige Bundesliga-Spieler treffen Serbien feierte derweil im ersten Spiel nach dem Rücktritt von Trainer Dick Advocaat ein Erfolgserlebnis. Die Serben gewannen das "Duell der Enttäuschten" in Chania gegen Gastgeber Griechenland mit 2:0 (0:0). Radosav Petrovic (60.) und Nemanja Gudelj (90.+2) erzielten die Treffer. Die Griechen setzten dagegen nach dem 0:1 gegen Fußball-Zwerg Färöer und der Entlassung von Trainer Claudio Ranieri ihre Talfahrt fort. Als treffsicher erwiesen sich rund um den Globus erneut zahlreiche Bundesliga-Profis. In Ljubljana traf Adrián Ramos von Borussia Dortmund zum 1:0 (1:0) Kolumbiens gegen Slowenien, in Osaka erzielte Shinji Okazaki vom FSV Mainz 05 bei Japans 2:1 (0:0) gegen Australien das vorentscheidende 2:0 und der Leverkusener Josep Drmic war beim 2:2 (1:1) der Schweiz in Polen erfolgreich. Auch Henri Anier von Zweitligist Erzgebirge Aue zeichnete sich beim 1:0 (1:0) Estlands gegen Jordanien als Torschütze aus. Weniger Erfolg hatte Trainer Ulli Stielike mit Südkorea beim 0:1 (0:0) im Iran.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-testspiele-firmino-besiegt-oesterreich-1.2227283
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mlsum-de-1286
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Der Boden bei Rastatt besteht aus Kies und Sand. Das macht den Bau heikel - vor allem, wenn Wasser eindringt. Wie heikel, das hat sich schon bei anderen Unglücken gezeigt.
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Vor einer guten Woche verlief noch alles nach Plan auf der Bahnbaustelle bei Rastatt. Unter der Stadt fräste sich die Bohrmaschine durch den Boden, am Tunnelportal stapelten sich die sogenannten Tübbinge, leicht gewölbte Betonschalen, die Arbeiter mit einer Lorenbahn in die Röhre schafften und dort zu Tunnelwänden zusammensetzten. Dann aber verschoben sich am vorvergangenen Samstag gegen Mittag Tunnelelemente auf einer Länge von 40 Metern, Wasser und Erde drangen ein. An der Oberfläche sackte der Boden in einem Trichter ab - die Folgen: katastrophal. Tatsächlich barg der Baugrund in Rastatt von Anfang an Herausforderungen für Tunnelbauer. Der Boden besteht vorwiegend aus Kies und Sand. Wer sich da mit einer Bohrmaschine durchwühlt, muss - zumindest an den Stellen, wo der Tunnel wieder an die Oberfläche kommt -, besondere Vorsicht walten lassen. In Rastatt-Niederbühl sollte das, vereinfacht ausgedrückt, so funktionieren: Mit Kältemaschinen frieren die Ingenieure den lockeren Kiesboden ein. Anschließend fräst sich die Bohrmaschine durch den temporär verfestigten Untergrund. Direkt hinter dem Schneidrad wird mit Tübbingen die Hülle errichtet. Taut der Boden anschließend wieder auf, liegt die Betonröhre stabil drin. So zumindest die Theorie. Auch in der Praxis funktionierte das schon, beispielsweise bei der Erweiterung des U-Bahnhofs unter dem Münchner Rathaus 2003 bis 2006, wenngleich die Röhren dort nicht mit Bohrmaschinen aufgefahren, sondern ausgebaggert wurden. Wie in Rastatt haben es Baufirmen in der Münchner Schotterebene immer wieder mit Kies zu tun. Hochbau-Ingenieure wissen ihn zwar durchaus als Grundlage für Fundamente zu schätzen, Tunnelbohrer aber fürchten ihn, insbesondere dann, wenn Wasser ins Spiel kommt. So forderte 1994 ein Unglück im Münchener Stadtteil Trudering drei Tote. Dort wurde damals eine U-Bahn-Linie verlängert, Wasser flutete die Tunnelbaustelle, ein Linienbus versackte mit dem Heck voran in dem Krater. Als Ursache machten Gutachter später Risse in einer als wasserundurchlässig eingestuften Schicht unter dem Kies aus. Bei Tunnelbauern gilt der Spruch: "Vor der Hacke ist's dunkel." Trotz umfangreicher Bodenuntersuchungen stehen sie mitunter vor Rätseln: So drang 2014 in Berlin ein Gemisch aus Erde, Sand und Wasser in die Baustelle der U 5 in der Nähe des Brandenburger Tores ein. Die Ursache blieb zunächst unklar, von einem "Mysterium" war die Rede. Bislang nicht aufgeklärt wurde auch der Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009. Dort schoss Grundwasser in eine offene Baugrube für einen U-Bahnhof. Gutachter stellten später fest, dass es vorher schon Wassereinbrüche gegeben hatte, die Verantwortlichen aber keine Konsequenzen zogen. Erst im Mai 2017 hat die Staatsanwaltschaft sieben Leute angeklagt, die mit dem Bau befasst waren. Was nun in Rastatt zu dem Unglück geführt hat, wird noch untersucht. Die Bohrmaschine stützt sich beim Vortrieb mit Hydraulikzylindern an der bereits errichteten Betonhülle ab; wichtig ist, dass die Maschinisten dabei behutsam vorgehen. Sind sie zu schnell, können sich Tunnelelemente verschieben. Fachleute vermuten, dass die Firmen in Rastatt es vielleicht zu eilig hatten. Den Geologen der beteiligten Bohrfirma indes eilt in der Branche ein guter Ruf voraus.
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https://www.sueddeutsche.de/auto/rheintalbahn-darum-sackt-beim-tunnelbau-immer-wieder-der-boden-ab-1.3637639
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mlsum-de-1287
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Die zuständigen Minister der großen Koalition einigen sich auf eine Novelle des umstrittenen Paragrafen. Ärzte sollen ein Recht zur Information erhalten. Näheres wird im Januar geregelt.
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Im Streit um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche hat eine Ministerrunde um Justizministerin Katarina Barley (SPD) einen Kompromiss in Aussicht gestellt. In einem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, sagten sie zu, im kommenden Jahr ein Gesetz auszuformulieren, "dass und wie Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenhäuser über die Tatsache informieren können, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen". Dafür soll der umstrittene Strafrechtsparagraf 219a lediglich ergänzt werden. "Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch darf es jedoch auch in Zukunft nicht geben", sagte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU). Braun und Barley hatten gemeinsam mit Familienministerin Franziska Giffey (SPD), Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) in den vergangenen Monaten um eine Lösung in der aufgeheizten Debatte gerungen. Im April hatte die SPD der Union ein Ultimatum bis zum Herbst gesetzt. Sollte sich bis dahin keine Lösung finden, die Ärzten Straffreiheit garantiert und Schwangeren Informationen ermöglicht, werde man mit "reformwilligen Fraktionen" im Bundestag Gespräche suchen. An deren Ende stünde möglicherweise eine Abstimmung ohne Fraktionsdisziplin, hieß es damals. Die SPD plädiert genau wie Grüne, Linke und FDP für eine Streichung des Paragrafen. Für Donnerstag hat die FDP nun eine Abstimmung über den §219a im Bundestag angesetzt und fordert eine Gewissensentscheidung. Neben der Zusicherung, im Januar einen konkreten Vorschlag zum Werbeverbot vorzulegen, sprachen sich die fünf Minister am Mittwochabend dafür aus, betroffenen Familien den Zugang zu Informationen zu erleichtern. Staatliche oder staatlich beauftragte Stellen sollten künftig im Internet neutrale medizinische Fakten über den Schwangerschaftsabbruch zur Verfügung stellen. Bundesärztekammer und Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sollen außerdem Kontaktinformationen von Ärzten und Krankenhäusern bereithalten, an die sich Frauen für einen Abbruch wenden können. Dafür werde man das Schwangerschaftskonfliktgesetz verändern. Aktuelle Stunde zu Abtreibungen Zudem sollen künftig weitere "Maßnahmen" zur Vermeidung ungewollter Schwangerschaften und zum Schutz des ungeborenen Lebens beitragen. Die Minister wollen auch die Qualifizierung der Mediziner verbessern, die Abbrüche vornehmen. Schließlich soll eine wissenschaftliche Studie Aufschluss über die "Häufigkeit und Ausprägung seelischer Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen" geben. SPD-Chefin Andrea Nahles sagte, sie freue sich über den Kompromissvorschlag: "Wir werden jetzt den genauen Gesetzestext abwarten und sodann im Januar in unseren Fraktionen bewerten, beraten und darüber entscheiden." Ob ihre Bundestagsfraktion genauso wie Nahles bereit ist, geduldig zu warten, wird sich schon morgen zeigen. Denn nicht nur die FDP fordert mit ihrem Antrag die Geduld der Sozialdemokraten heraus. Auch die AfD hat eine aktuelle Stunde zu Schwangerschaftsabbrüchen auf die Tagesordnung gesetzt. Am Montag hatte der §219a bereits die große Koalition in Niedersachsen gespalten. Hier stimmte eine Mehrheit der SPD-Landtagsabgeordneten zusammen mit der Opposition für die Forderung, den Paragrafen zu streichen.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/219a-werbung-abtreibung-kompromiss-1.4251360
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mlsum-de-1288
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Die WM 2014 in Brasilien droht im Chaos zu versinken. Kritiker kündigen "zumindest 64 Protestaktionen" während des Fußballfests an. Das Chaos sei nicht aufzuhalten, warnt Weltmeister und Volksheld Romário.
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Jetzt ist der Ärger auf der WM-Bühne angelangt. Dort sollten, am Freitag in einem Edelresort an der Palmenküste Bahias, zwei beliebte farbige Schauspieler die Auslosung begleiten, ermittelt vom TV-Sender Globo. Dann rumpelte es in den Kulissen, nun führt ein blondes Pärchen aus Brasiliens tiefem Süden durch das Programm. Eine Rochade, im Bundesstaat Bahia mit seiner überwiegend schwarzen Bevölkerung, die sogar den Staatsanwalt interessiert. Christiano Jorge Santos geht dem Vorwurf des Rassismus nach, sein Verdacht richtet sich auch gegen die Fifa. Die dementiert strikt. Was immer daraus wird - sicher ist: Eine Rassismus-Debatte im Lande ist das Letzte, was sich der Weltverband in Brasilien noch leisten könnte. Nicht einmal dieser Reibungspunkt lässt sich also vermeiden zwischen Gastgebern und der Fifa, die als koloniale Besatzungsmacht empfunden wird. Doch ist er eine passende Zutat für die WM 2014, die im Chaos versinken könnte: Sie wird auf den Prüfstand stellen, ob sich sportliche Weltereignisse einer Gastgebernation weiterhin ohne Rücksicht auf Kosten, soziale Probleme und Grundrechte aufbürden lassen. Jogo bonito, schönes Spiel heißt der Fußball in Brasilien, doch ist im Land des Rekord-Weltmeisters zu befürchten, dass die Party drumherum hässlich werden könnte. Bis zu 200.000 Menschen landesweit werden Experten zufolge sportbedingt aus ihren Lebensverhältnissen gerissen, umgesiedelt oder enteignet. Der Kern des Protests aber richtet sich gegen die Milliardenausgaben für WM und Olympia 2016, die zu Lasten eines maroden Sozialsystems gehen: zu wenig Schulen, Kliniken, Ärzte, dafür korrupte Politiker und Sportfunktionäre sowie eine mangelhafte, überteuerte Infrastruktur - die von den Sportplanern gerne dreist als Argument bemüht wird. "Was als lebenswichtige Verkehrsadern verkauft wird", sagt Giselle Tanaka von der Universität Rio, "sind oft neue oder ausgebaute Stadionzufahrten, mit der Sonderspur für die VIPs." Dazu kommen absurd hohe Kosten für Tickets, Reisen zu und Logis an den Spielorten. Dieser Preiswucher ist schon im Gange. "Es wird zumindest 64 Protestaktionen geben, eine bei jedem WM-Spiel", teilt Christopher Gaffney mit. Der amerikanische Professor für Städtebau lebt in Rio, er lehrt an der Universität Niteroi und ist einer der Köpfe der Protestkomitees, der comitês populares. Aktiv war er schon in den Demonstrationen beim Confed-Cup im Sommer, bei jenem WM-Probelauf, der plötzlich als Aufwärmrunde für den bürgerlichen Widerstand in den Fokus der Weltöffentlichkeit rückte. Gaffney warnt, dass schon damals Todesfälle aufs Konto der Einsatzkräfte gegangen seien - und dass die WM "wesentlich brutaler" ablaufen werde: "Auf den Straßen wird viel mehr Polizei sein als beim Confed-Cup. Und wir wissen, dass die Behörden im Austausch mit der französischen Polizei sind. Sie wollen bei der WM dieselben Taktiken anwenden, die dort zur Unterdrückung der Bürgeraufstände 2005 in den Vorstädten benutzt worden sind." Zehntausende, schließlich mehr als hunderttausend Menschen zogen beim Confed-Cup auf die Straßen, in 350 Städten des Subkontinents. Vereinzelt auch noch nach der WM; vor allem dort, wo die Fifa zur Inspektion eines der sündteuren, nach der WM oft überflüssigen Stadien anreiste. Jedoch war es 2013 vor allem der Mittelstand - Ärzte, Lehrer, Studenten -, der sich unfreiwillig mit der Staatsgewalt anlegte.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-wm-in-brasilien-robocops-treffen-empoerte-buerger-1.1835855
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mlsum-de-1289
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Dem Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann droht wegen Bestechung in Athen ein hohes Bußgeld. Bislang sollte er 175 000 Euro zahlen, doch das ist dem BGH zu wenig.
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Meist kommen Schmiergeldgeschäfte, wenn sie auffliegen, bei der deutschen Justiz ziemlich teuer. Gerade auch bei Rüstungsdeals. Rheinmetall zahlte 37 Millionen Euro, eine Tochter von Thyssen-Krupp 48 Millionen, und das Handelsunternehmen Ferrostaal gar knapp 150 Millionen Euro. Alle hatten beim Verkauf von Raketen oder U-Booten beziehungsweise Zubehör nach Griechenland dort kräftig bestochen. Mal Militärs, mal Minister. In Athen geschmiert, bis hin zu einem Verteidigungsminister, hat nach Erkenntnissen der Justiz auch Krauss-Maffei Wegmann (KMW). So geschehen im vergangenen Jahrzehnt beim Verkauf von Panzer-Haubitzen. Das hatte für KMW, im Gegensatz zur Konkurrenz, indes keine dramatischen Folgen. Das Landgericht München I verhängte Ende 2015 eine Geldbuße in Höhe von gerade mal 175 000 Euro. Ein Freundschaftspreis gewissermaßen. Aufsichtsratschef Manfred Bode wird kaum um einen Prozess herumkommen So billig geht es dann doch nicht, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem jetzt veröffentlichten Urteil entschieden hat. Der Münchner Tarif enthalte "Rechtsfehler" zum Vorteil von Krauss-Maffei Wegmann, befanden die Karlsruher Richter. Die Höhe des Bußgelds sei "neu zu bemessen", notierte der BGH und gab dem Münchner Landgericht gleich einen wichtigen Fingerzeig, welche Vorschrift besonders zu beachten sei. Die Geldbuße solle den "wirtschaftlichen Vorteil" übersteigen, den der Täter aus einem Vergehen gezogen habe. Das meint, die Justiz könnte doch den Gewinn kassieren, den KMW mit dem Verkauf von 24 Panzerhaubitzen PzH 2000 für 188 Millionen Euro an Griechenland erzielt hat. Was ziemlich teuer werden dürfte für den in München und Kassel ansässigen Rüstungsbetrieb, der vor allem für seine Leopard-Panzer bekannt ist. Der bisherige Freundschaftspreis ist hinfällig. Wegen der Vorschrift mit dem "wirtschaftlichen Vorteil" hatten Rheinmetall, Thyssen-Krupp und auch Ferrostaal so viel zahlen müssen. Für KMW soll es da also keine Ausnahme geben. Ein Millionenbetrag, vielleicht sogar zweistellig, ist durchaus möglich als neues Bußgeld. Die Münchner Staatsanwaltschaft, die den Fall mit den Panzerhaubitzen vor Gericht gebracht und beim BGH unter anderem wegen der niedrigen Geldbuße Revision eingelegt hatte, langt gerne kräftig hin. Bei Siemens waren für weltweite Bestechungszahlungen beim Verkauf von Industrieanlagen 600 Millionen Euro fällig gewesen. Die Volkswagen-Tochter MAN, die den Absatz von Lastwagen und Bussen in vielen Ländern mit Schmiergeld gefördert hatte, folgte mit 150 Millionen Euro. Knapp vor Ferro-staal und den U-Booten. Nun will die Staatsanwaltschaft auch bei Krauss-Maffei Wegmann durchgreifen und den "wirtschaftlichen Vorteil" abschöpfen. Geschehen soll dies in dem neuen KMW-Prozess, der wegen des BGH-Urteils beim Münchner Landgericht nötig wird; bei einer anderen Strafkammer als in der ersten Runde. In Runde zwei soll ein in den Korruptionsfall verwickelter, früherer Prokurist des Panzer-Herstellers noch einmal auf die Anklagebank kommen. Ihn hat das Münchner Landgericht Ende 2015 im selben Verfahren, in dem die 175 000 Euro Geldbuße gegen KMW verhängt wurden, zu elf Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Freilich nicht wegen Bestechung, denn die war längst verjährt. Sondern unter anderem wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, weil der Panzer-Hersteller das Schmiergeld beim Fiskus zu Unrecht als Betriebsausgabe geltend gemacht habe. Bei der Betriebsausgabe hatte es sich um ein Beraterhonorar in Höhe von rund fünf Millionen Euro für eine Firma namens Südeuropabüro gehandelt. Hinter dem Südeuropabüro standen vor allem zwei frühere SPD-Bundestagsabgeordnete; Dagmar Luuk und Heinz-Alfred Steiner. Luuk wiederum hatte beste Beziehungen zum damaligen griechischen Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos. Diese Konstruktion, mit der KMW über die Beraterfirma der SPD-Politiker auf die griechische Regierung Einfluss genommen hatte, wertet auch der Bundesgerichtshof als "Bestechungsabrede". Das Urteil des Landgerichts, das auch der Ex-Prokurist und Krauss-Maffei Wegmann in Karlsruhe angegriffen hatten, ist also im Kern zu Recht ergangen. Es ist aus Sicht des BGH nur zu milde ausgefallen. Auch bei dem früheren KMW-Mann, weshalb der sich erneut vor Gericht verantworten soll. Und dann ist da im Falle der Panzerhaubitzen noch eine Anklage gegen den Aufsichtsratschef des Konzerns, Manfred Bode, und weitere KMW-Leute wegen Steuerhinterziehung. Sowie gegen die Sozialdemokraten Luuk und Steiner wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung bei dem Panzer-Hersteller. Sie beteuern allesamt ihre Unschuld. Aber sie dürften nach dem Richterspruch aus Karlsruhe kaum um einen Prozess herum kommen. In dem würden dann aber die Karten neu gemischt.
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https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/krauss-maffei-wegmann-teures-schmiergeldgeschaeft-1.3566020
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mlsum-de-1290
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Der Vorsitzende der Sozialdemokraten Renzi und Fünf-Sterne-Chef Grillo streben ein Votum im September an. Die Bundesregierung macht keinen Hehl daraus, wen sie sich als Premier wünscht.
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Italien bereitet sich auf vorgezogene Neuwahlen womöglich bereits im September vor. Sowohl der Parteichef der Sozialdemokraten und Ex-Premier Matteo Renzi als auch der Anführer der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung Beppe Grillo forderten, die regulär erst 2018 anstehende Parlamentswahl vorzuziehen. Grillo schlug den 10. September vor, Renzi den 24. September, an dem auch der deutsche Bundestag gewählt wird. Die Aussicht auf rasche Neuwahlen löste vorübergehend erhebliche Kursverluste an der Mailänder Börse aus. Die Wirtschaft befürchtet, vorgezogene Wahlen könnten Reformen verzögern und die Verabschiedung des Haushalts 2018 behindern. Italien gilt wegen seiner hoher Schulden und wirtschaftlichen Probleme als Sorgenland im Euroraum. Als Voraussetzung für Neuwahlen gilt die Verabschiedung eines reformierten Wahlrechts, das zu fairen und klaren Ergebnissen führt und das Land besser regierbar macht. Renzi, Grillo und Berlusconi, der Chef der konservativen Forza Italia, einigten sich nach monatelangen Verhandlungen jetzt im Prinzip darauf, sich am sogenannten deutschen Modell zu orientieren. Danach soll im Kern ein modifiziertes Verhältniswahlrecht mit einer Hürde für Kleinparteien eingeführt werden. Umstritten ist unter den Führern der großen Parteien noch, ob eine Fünf- oder Acht-Prozent-Hürde festgeschrieben werden soll. Vertreter kleiner Parteien wie Außenminister Angelino Alfano sprachen sich gegen die Wahlrechtspläne und vorgezogene Neuwahlen aus. Renzis Ungeduld, wieder Premier zu werden, könne die italienische Wirtschaft Milliarden Euro kosten. Der parteilose Finanzminister Pier Carlo Padoan kritisierte am Dienstag, in Wahlzeiten sei es schwer, Reformen umzusetzen. Aus der EU-Kommission in Brüssel hieß es dagegen: "Wahlen sind nie ein Problem." Die Bundesregierung wünscht sich Renzi als nächsten Premier Renzi war vergangenen Dezember als Regierungschef zurückgetreten, nachdem eine von ihm angestrebte Verfassungsreform gescheitert war. Seither regiert in Rom sein Parteifreund Paolo Gentiloni mit weitgehend demselben Kabinett weiter. Bei den nächsten Wahlen wird aber wieder Renzi als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten antreten. In Umfragen liefern sich die Sozialdemokraten und die Fünf-Sterne-Bewegung ein Kopf-an-Kopf-Rennen, sie liegen jeweils bei ungefähr 29 Prozent. Dahinter kommen Forza Italia und die radikale Lega Nord mit je etwa 13 Prozent. Die Bundesregierung in Berlin und die EU-Kommission in Brüssel machen kein Hehl daraus, dass sie sich den proeuropäischen, reformbereiten Renzi als nächsten Premier in Rom wünschen. Dies gilt umso mehr, als für die Stärkung der EU und des Euro-Raums die Mithilfe Italiens gebraucht wird. Ein Sieg der europaskeptischen, als unberechenbar geltenden und von Beppe Grillo autoritär geführten Fünf-Sterne-Bewegung wird dagegen als Gefahr für die ganze Europäische Union betrachtet. In Italien wird nun spekuliert, Renzi könnte sich mit Berlusconi nach der Wahl auf eine zumindest informelle Koalition einigen, um die Fünf Sterne von der Macht fernzuhalten.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/machtkampf-italien-steuert-auf-neuwahlen-zu-1.3527869
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mlsum-de-1291
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Auf der IMM in Köln stellen die Hersteller die Trends für 2018 vor: Gefragt sind verstärkt natürliche Materialien - und Klassiker wie der Nierentisch, die neu entdeckt werden.
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Etwas karg sieht die Ecke aus, drei Holzstühle stehen um einen einfachen weißen Tisch herum und vermögen den Platz kaum auszufüllen. Doch gleich nebenan wird es deutlich opulenter, zwischen den großen Blättern zahlreicher Topfpflanzen verschwindet beinahe ein mintgrüner Hocker. Und noch weiter hinten im Raum erinnert eine schwarze Ledercouch auf einem rot-bunten Teppich Betrachter daran, welche Wucht moderne Designermöbel annehmen können. Gewaltiger ist nur noch der Kölner Dom, der durch das Fenster dahinter gut zu sehen ist. Die Möbel stehen im 13. Stock des Messehochhauses und sollen einen Eindruck davon vermitteln, was es von diesem Montag an auf der Möbelmesse IMM Cologne zu sehen gibt. Die Möbelbranche nutzt die Messe im Januar gerne als Auftakt für das neue Geschäftsjahr, um neue Wohntrends vorzustellen. Bei den Geschäftszahlen herrscht dieses Mal eher verhaltene Freude, an das starke Wachstum der Vorjahre konnten Industrie und Händler nicht anknüpfen. Außerdem beunruhigen die Insolvenz des Küchenherstellers Alno und die Turbulenzen bei der Steinhoff-Gruppe, zu der unter anderem die Poco-Märkte gehören, die Branche. Wer im Winter eine Küche kaufte, könnte das zu spüren bekommen haben: Alno stellte Ende des Jahres vorerst die Produktion ein. Für die Händler hieß das: Sie mussten entweder Ersatz leisten oder ihre Kunden um Geduld bitten. Weil ein Küchenverkauf in der Regel erst mit der Auslieferung vollzogen ist, landeten viele Verkäufe nicht mehr 2017 in den Büchern, die Händler mussten also auf dem Papier auf Umsatz verzichten. Zudem hatten sie Schwierigkeiten, die Kunden in die Möbelhäuser und Küchenstudios zu locken. Thomas Grothkopp, Geschäftsführer des Handelsverbandes Möbel und Küchen (BVDM), spricht von einem regelrechten "Kampf um die Frequenz". Auch von der guten Konjunktur habe die Branche nicht profitieren können: "In viel beschäftigten Volkswirtschaften bleibt weniger Zeit zum Einkaufen." Auf den insgesamt 23 Millionen Quadratmetern Verkaufsfläche war also nicht so viel los, wie erhofft. Das ist auch deshalb ein Problem, weil die Händler weiter voll auf das Vor-Ort-Geschäft und kaum auf den Onlinehandel setzen. Gerade einmal acht Prozent des Gesamtumsatzes machte das Geschäft im Internet 2017 aus. Insgesamt setzte die Branche etwa 33,6 Milliarden Euro um, schätzt der BVDM, ein Plus von 0,5 Prozent. Für 2018 rechnen die Händler mit einer leicht steigenden Nachfrage. Und wonach werden die Kunden dann suchen? Die Aussteller auf der Kölner Möbelmesse versuchen, die Trends vorauszusehen - und sie mit ihren Entwürfen auch zu beeinflussen. Viele Menschen zieht es in die Stadt, oft alleine in kleine Wohnungen. Und haben sie sich dort niedergelassen, sehnen sie sich inmitten von Straßenlärm und Betonfassaden nach der Natur. Vor allem natürliche Materialien und organische Formen dürften deshalb gefragt sein, prognostiziert BVDM-Trendexpertin Ursula Geismann. Grobe Stoffe, Kork, Echtholz, Naturstein und Oliv als bestimmende Farbe. Zugleich soll der Minimalismus wieder Einzug in die deutschen Wohnzimmer erhalten, mit wenigen, multifunktionalen Möbeln. Wem die ganzen freien Wände aber zu bedrückend erscheinen, dem rät Geismann: "Sie können auch die Möbel Ihrer Großeltern behalten." Das Stichwort lautet: Retro, Klassiker wie der Nierentisch oder der Eames-Chair gehören dazu. Und wer es ganz ausgefallen mag (und es sich leisten kann), kann moderne Designermöbel mit Ethno-Mustern und Fundstücken aus dem Antiquariat kombinieren. Das lässt sich dann staunenden Freunden bei der nächsten Dinnerparty als "Boho-Stil" präsentieren, einer Mischung aus Bohème und Hippie. Allerdings bleibe das wohl auch 2018 "eher eine Nischenentwicklung", sagt Geismann. Auch wer seine Möbel hierzulande kauft, bekommt mit großer Wahrscheinlichkeit Ware aus dem Ausland. 2017 kamen nach Angaben des Verbands der deutschen Möbelindustrie (VDM) nur etwa 35 Prozent der hier verkauften Möbel aus Deutschland. Zu den größten Importeuren zählen demnach Polen, China und Tschechien. Der Gesamtumsatz der deutschen Hersteller stagnierte den Verbandsprognosen zufolge bei knapp unter 18 Milliarden Euro. Die Unternehmen versuchen derweil, die mangelnde Inlandsnachfrage mit Exporten auszugleichen: Die Ausfuhrquote erreichte 2017 einen neuen Rekordwert, etwa ein Drittel ihrer Produktion verschickte die deutsche Möbelindustrie ins Ausland. Dieses Potenzial müssten die Hersteller in Zukunft "noch stärker ausschöpfen", sagt VDM-Geschäftsführer Volker Faßbender. Ob deutsche, europäische oder Möbel von ganz woanders: Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit steht das eine oder andere aktuelle Exemplar in diesen Tagen in den Kölner Messehallen. Nachdem in den kommenden Tagen zunächst das Fachpublikum die Ausstellungsstücke der mehr als 1200 Firmen begutachtet hat, dürfen am kommenden Wochenende auch Privatkunden die Messe besuchen - und können für das neue Wohnzimmer im "Boho-Stil" schon mal auf dem Designersofa probesitzen.
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https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/moebelmesse-grosses-probewohnen-1.3824737
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mlsum-de-1292
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Die Niederländerin Dafne Schippers dringt bei ihrem WM-Sieg über 200 Meter in eine selten erreichte Dimension vor: Ihre Zeit haben bisher nur gedopte Sportlerinnen erreicht.
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Dafne Schippers ist eine höfliche Person, im Gespräch strahlt sie eine freundliche Unverbundenheit aus. Wenn man sie fragt, warum sie in diesem Jahr derart schnell über die Tartanbahnen der Welt läuft, dann sagt sie: "Ich habe an meinem Start gearbeitet. Er war nicht so gut, jetzt ist er besser." Dass sie im Sommer den Siebenkampf gelassen hat und jetzt bei den Sprinterinnen mitmacht? "Früher habe ich alles trainiert, jetzt bin ich Sprinterin. Ich finde das gut." Und dass sie es in Peking gleich zwei Mal mit der Weltelite aufnahm, über 100 und 200 Meter, findet Schippers auch in Ordnung: "Ich bin jung, es ist gut, dass ich viel renne." Vermutlich muss man auch gar nicht viel reden, wenn man in diesen Tagen in Peking so läuft wie Dafne Schippers, Sprinterin aus der niederländischen Leistungsschmiede Papendal. Mit 23 Jahren vom Siebenkampf zur Weltmeisterin über 200 Meter, am vergangenen Montag eine Silbermedaille über 100 Meter - man kann durchaus sagen: Schippers Geschichte ist eine besondere. Böse Erinnerungen werden wach Der Freitag war ohnehin ein bemerkenswerter Tag bei der Leichtathletik-WM im Vogelnest. Die Chinesen ehrten ihre Geherinnen, Hong Liu und Xiuhi Lu hatten am Vormittag Gold und Silber in Chinas noch überschaubaren Medaillenspiegel eingebracht. Am Abend sang ein ganzes Stadion den "Marsch der Freiwilligen", es ist eine feierliche, fast beschwingte Hymne, zumindest so lange man den Text nicht kennt: "Lasst uns aus unserem Fleisch und Blut die neue Mauer bauen / Gemeinsam wider das feindliche Kanonenfeuer, voran!" Danach gingen die Chinesen zufrieden nach Hause. Gut, einige waren schon noch geblieben. Sie sahen, wie die Amerikanerin Tianna Bartoletta den Weitsprung der Frauen mit 7,14 Metern gewann, wie ihr Landsmann Aries Merritt über 110 Meter Hürden Dritter wurde (13,04 Sekunden); Merritt trägt seit einer Weile eine kaputte Niere in seinem Körper, am kommenden Dienstag werden sie ihm eine neue einsetzen. Aber sie alle kamen mit ihren Geschichten dann doch nicht an gegen die weiße Niederländerin, die über 200 Meter zunächst etwas langsam aus den Blöcken stieg. Die nach 100 Metern auf einer Reihe mit den Verfolgern lag, die Jamaikanerin Elaine Thompson schien fast schon entwischt zu sein. Über 100 Meter war Schippers nicht mehr an Shelly-Ann Fraser-Pryce herangekommen, diesmal aber waren noch genug Meter übrig. Thompson und Schippers schoben sich über die Linie, Schippers streckte ihren Zeigefinger in die Luft. Dann sah sie die Zeit. Sie fasste sich mit beiden Händen an den Kopf: 21,63 Sekunden. "Ich kann es nicht glauben. Ich brauche Zeit, das alles zu verstehen", sagte sie. Damit war sie nicht allein. Nach dem Rennen ploppten diverse bunte Abkürzungen hinter Schippers Namen auf: WM-Rekord. Europarekord. Letzteren hatten sich Marita Koch und Heike Drechsler geteilt (21,71), sie waren diese Zeit 1979 beziehungsweise 1986 gerannt. Man muss lange in den Archiven wühlen, bevor man eine vergleichbare Leistung findet, und die Funde sind nicht appetitlich.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/wm-gold-fuer-dafne-schippers-21-63-sekunden-und-ein-boeser-verdacht-1.2625680
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mlsum-de-1293
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Staubsauger für satte 900 Dollar gibt es bei der Firma iRobot. In dem Gerät steckt Technik, die in Kriegsgebieten zum Einsatz kommt.
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Detailansicht öffnen Dienstbarer Geist: Der Roboterstaubsauger von iRobot orientiert sich mit einer Kamera im Raum - in ihm stecken Erfahrungen aus der Militärtechnik. (Foto: PR) Man sieht der kleinen Scheibe überhaupt nicht an, dass mit ihr ein Stück Waffenhistorie durch das Wohnzimmer rollt. Dafür sind die Töne viel zu niedlich, mit denen signalisiert wird, dass es nun losgeht. Es klingt wie in den Arcade-Spielhallen der 1990er-Jahre, nach der Geräuschkulisse von Pacman und Pong. Die Scheibe setzt sich in Bewegung, das Staubsaugen beginnt. Zwei Meter vor, zwei Meter zurück, leicht versetzt, und von vorn. Ein kleines Quadrat ist nun sauber. Fünf Meter weiter steht Colin Angle und drückt den Smartphone-Bildschirm. Per App erteilt er dem Staubsauger Befehle. Saugen, aufhören, morgen um 10 Uhr fortführen, Statistiken anzeigen. Angle ist Chef der Firma iRobot, die kleine Scheibe ist seine neueste Erfindung. Sie heißt Roomba 980. 14 Millionen früherer Roomba-Modelle hat die Firma weltweit schon verkauft. Im Internet finden sich dutzende Testvideos (samt Klickzahlen in Millionenhöhe), in denen Katzen oder Schildkröten auf die Scheibe gesetzt werden und gemütlich durch die Wohnung rollen. Algorithmus für Kriegseinsätze "20 Prozent der US-Dollar, die für Staubsauger ausgegeben werden, gehen für Roboter drauf", sagt Angle. Das Geld, das seine Firma abstaubt, 70 Prozent des Marktanteils, stammt zum größten Teil von dieser Scheibe und ihren Vorgängern. Das neue Modell, das es seit Oktober in den USA zu gibt, kostet 900 Dollar - nicht wenig für einen Staubsauger. Die Technik, die im Staubsaug-Roboter eingesetzt wird, wurde ursprünglich für Kriegseinsätze entwickelt. "Der Algorithmus, auf dem der Roomba aufbaut, wird verwendet, um Minen aufzuspüren", sagt Angle. Die Militär-Roboter werden in unbekanntem Terrain losgeschickt. Mit ihnen können Soldaten aus der Ferne Bomben deaktivieren. Der Roboter verfügt über eine Kamera, das Bild wird per Funk übertragen. Nach der Atom-Katastrophe in Fukushima rollten vier Roboter von Angles Firma durch die Reaktoren, um das Gelände zu erkunden. Mit einer Kamera macht sich die Sauger-Scheibe ein Bild ihrer Umgebung Auch nach den Attacken vom 11. September 2001 wurden zuerst Roboter in Gebäude geschickt, um herauszufinden, ob diese einsturzgefährdet waren. Erst danach eilten die Einsatzkräfte zu Hilfe. Soldaten sollen sich bei Angle mit dem Satz bedankt haben, dass sie tot gewesen wären ohne die Militär-Roboter, die iRobot ebenfalls im Sortiment hat. Mehr als 4000 Stück der Militärgeräte sollen weltweit im Einsatz sein, sagt der Hersteller. Bevor Angle zu iRobot kam, studierte er am MIT und entwickelte dort bereits einen kleinen Roboter, den die amerikanische Weltraumbehörde NASA Ende der 1990er-Jahre auf den Mars schickte, um dort die Landschaft zu erkunden. "Aber das ist kein gutes Geschäftsmodell", sagt Angle. Die Bequemlichkeit der Menschen hingegen sei schon eine gute Möglichkeit, um Geld zu verdienen. Darum geht es bei dem neuen Modell, das Angle vergangene Woche in New York vorgestellt hat. Kein Zufallsprinzip mehr Mit den neuen Sensoren ist der Staubsauger nun in der Lage, sich während der Reinigung eine Karte zu erstellen. Andere Firmen bieten diese Option seit Längerem, etwa Samsung oder der deutsche Traditionshersteller Miele. iRobot, Pionier der kleinen Staubsaugerroboter, zieht nun bei dieser Technik nach. Die Vorgängermodelle irren planlos durch die Wohnung - und reinigen Stellen mitunter doppelt und dreifach. Ein Roboter mit digitaler Karte könne seine Energie effektiver einsetzen als einer, der nur nach dem Zufallsprinzip herumfährt. Hinzu kommt, dass der Roboter nun bei schwachem Akku an die Ladestation zurückkehren und Energie tanken kann, um anschließend die Karte zu nutzen. Damit könne er an der Stelle weiter saugen, an der er zuvor aufgehört habe. "Wir können damit auch sehr große Räume reinigen", sagt Angle. Zur Neuausstattung gehört auch eine Kamera. Diese ist zwar leistungsschwach, aber in der Lage, Bilder auf bestimmte Merkmale hin zu analysieren. Erkennt der Staubsauger zum Beispiel einen Türrahmen und rollt anschließend unter Tischen und Stühlen durch, verliere er vielleicht die Orientierung, sagt Angle. Doch sobald er den Türrahmen erneut erkenne, wisse der Roboter automatisch wieder, wo genau im Haus er sich befinde. Während des Events zeigte ein kleines Plakat, wie weit es Angle mit der Bequemlichkeit gerne treiben will. Zu sehen ist ein Roboter, der mit seinen Klauen nach einer Flasche Bier greift. Trinken, so viel kann man annehmen, wird er sie wohl kaum.
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https://www.sueddeutsche.de/digital/haushaltsroboter-vom-minensucher-zum-staubsauger-1.2659325
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mlsum-de-1294
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Ein Architekturbüro und der Baukonzern eines CSU-Präsidiumsmitglieds stehen auf der Ausschreibungsliste. Für das Image der Unternehmen kann das gefährlich werden.
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Beim Baukonzern brauchte man Stunden für eine Antwort. Der Name des traditionsreichen Familienunternehmens Bauer AG aus dem bayerischen Schrobenhausen steht auf der Liste der Firmen, die an der Ausschreibung für den Bau der Mauer interessiert sind, mit dem der amerikanische Präsident Donald Trump die illegalen mexikanischen Einwanderer abhalten will. Darauf angesprochen, war das Unternehmen zwar zunächst sprachlos, dann spielte es die Sache herunter: "Es handelt sich nur um eine Liste der Interessenten, aber keine Bewerberliste", sagte eine Sprecherin am Mittwoch. Am Donnerstag dementierte das Unternehmen schließlich, dass es sich am Bau der Mauer beteiligen wolle. Ein Mitarbeiter aus den USA habe standardmäßig in einem Portal für öffentlichen Projekte ein Häkchen gesetzt und damit signalisiert, dass das Unternehmen über den Fortgang der Ausschreibung informiert werden möchte, sagte ein Sprecher. Unter den etwa 700 Firmen, die sich an der offiziellen Ausschreibung des Milliardenprojekts beteiligen wollen, steht auch das Münchner Architekturbüro Leupold Brown Goldbach. Die jungen Architekten sind weniger wortkarg als die Baufirma. Man wolle sich nicht an dem Bau beteiligen "um zu profitieren", sagt Firmenpartner Wily Brown vom Büro in Boston. Man sei gerade dabei, ein Geschäft in den USA aufzubauen: "Wir wollen nur mitbekommen, was dort so läuft." Möglicherweise war den Architekten nicht klar, worauf sie sich eingelassen haben. Deutsche Firmen begeben sich auf ein schwieriges Terrain, wenn es um Trumps Mauerbau geht. Eine Betonwand, die Menschen und Familien voneinander trennt und die Freizügigkeit einschränkt, hat in Deutschland eine unrühmliche Geschichte. Wer dabei mitmachen will, muss mit kritischen Fragen rechnen. Als dem Essener Baukonzern Hochtief Ende Februar das Interesse nachgesagt wurde, er wolle an Trumps Mauer zwischen den USA und Mexiko mitbauen, kam das Dementi auffallend eilig. "Wir haben dafür keine Pläne", so das Unternehmen. Auch in der Bauwirtschaft, die oft für hemdsärmelige Methoden bekannt ist, gibt es manche, die einen Image-Schaden höher bewerten als ein paar Prozentpunkte mehr in der Gewinn- und Verlustrechnung. Der mexikanische Zementkonzern Cemex hat sofort erklärt, er werde an dem Bau nicht mit Lieferungen mitwirken. Bauunternehmer Thomas Bauer muss bei diesem Projekt mit besonderer Aufmerksamkeit rechnen. Er gibt gerne den Vorzeigeunternehmer mit sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung. Seinen etwa 10 000 Beschäftigten hat er eine lange Liste von Ethik-Regeln gegeben. "Bei unseren Geschäften orientieren wir uns außerdem an nationalen wie internationalen Werten und Grundsätzen und sind davon überzeugt, dass ein anständiges und korrektes Verhalten die beste Voraussetzung für Erfolg ist", heißt es bei Bauer. Dem Unternehmen sei bewusst, "dass wir neben den ökonomischen Aufgaben auch eine soziale Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft haben". Das gilt besonders für den Chef. Der 61-jährige Bauer hat zahlreiche Funktionen in politischen Verbänden und Vereinen. Er ist Schatzmeister der bayerischen Regierungspartei CSU und sitzt im Präsidium des Parteivorstandes. Bauer ist Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), er war Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. In der deutschen Wirtschaft haben die geplanten Abschottungsmaßnahmen von Donald Trump, die den freien Handel und die Freizügigkeit von Menschen beschränken, keinen guten Ruf. Allerdings hat Familienunternehmer Bauer seit einigen Jahren etwas zu klagen. Der Erbe hat die Firma, die schon 1790 gegründet wurde, vor elf Jahren an die Börse gebracht, doch der große Erfolg blieb aus. Die Bauer-Aktie liegt nach einem anfänglichen Höhenflug jetzt wieder in der Nähe des Ausgabekurses von 2006. Im vergangenen Jahr ging der Umsatz zurück, Bauer musste die Gewinnprognose nach unten korrigieren.
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https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/donald-trump-zwei-deutsche-firmen-interessieren-sich-fuer-den-us-mauerbau-1.3441322
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mlsum-de-1295
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Der Ingenieur James Robert L. hat für VW gelogen. Jetzt muss er für mehr als drei Jahre ins Gefängnis. Das zuständige US-Gericht statuiert an ihm offensichtlich ein Exempel.
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James Liang sitzt aufrecht auf dem schweren hölzernen Drehstuhl mit dem hellblauen Lederbezug. Kein Muskel regt sich in seinem Gesicht, nur die Handflächen, die er seit Minuten knetet, verraten, wie sehr es in ihm brodeln muss. In der Zuschauerbank hinter ihm ergreift seine Frau die Hände der drei gemeinsamen Kinder und beginnt leise zu weinen. Der Angeklagte, sagt Richter Sean Cox, habe eine Schlüsselrolle im VW-Abgasbetrug gespielt und damit an einer schweren Straftat mitgewirkt. Dafür müsse er nun büßen - mit drei Jahren und vier Monaten Haft sowie 200 000 Dollar Geldstrafe. Es ist der Moment, in dem sich der böse Traum, in dem sich die Familie Liang seit einem Jahr wähnt, endgültig zum Albtraum wird. Nicht einmal der Staatsanwalt nennt Liang eine "Schlüsselfigur" James Liang, der deutsche Staatsbürger mit indonesischen Wurzeln, war als Ingenieur ab 2006 an der Entwicklung und Verschleierung jener Betrugssoftware beteiligt, die der Autokonzern einsetzte, um den Kunden und Umweltbehörden in aller Welt viel zu niedrige Dieselabgaswerte vorzugaukeln - nun ist er der erste, der dafür ins Gefängnis soll. Liang ist schuldig, das räumt er selbst ein. Aber eine "Schlüsselfigur"? So weit will in seinem Plädoyer nicht einmal der Staatsanwalt gehen: Für ihn ist Liang nicht der Drahtzieher des Betrugs, sondern einer, der für die technische Ausführung zuständig war. Drei Jahre Haft und 20 000 Dollar Buße reichten aus. Die wahren Verantwortlichen, so der Ankläger, säßen ohnehin in Deutschland. Doch Cox will offensichtlich ein Exempel statuieren an diesem kleinen, so unglaublich schmalen Mann, bei dem man Angst hat, dass ihn schon die Brise, die am Freitagmorgen durch die Straßen von Detroit weht, umwerfen könnte. "Die Tat, die Sie und ihre Mitverschwörer begangen haben, ist ein eine, die geeignet ist, das Fundament des amerikanischen Wirtschaftssystems zu zerstören: das Vertrauen der Kunden", sagt der Richter. Er honoriere zwar, dass Liang von Beginn an geständig und kooperativ gewesen sei. Das ändere aber nichts an seinen Taten: "Sie waren loyal zu Ihrem Arbeitgeber - zu loyal." Das war er wohl. Was Liang empfindet in diesem Moment, in dem ihm klar wird, dass er wohl tatsächlich als erster und vorerst einziger Beteiligter am Dieselskandal im Gefängnis landen wird? Und was denkt er, der kleine Ingenieur, wenn er hört, dass sein einstiger oberster Boss Martin Winterkorn bis heute weitgehend unbehelligt in seiner Villa sitzt und mehr als 3000 Euro Ruhegehalt kassiert? Pro Tag. Ein "Diesel-Kompetenzteam", das nur aus ihm selbst bestand Mit Liangs Schuldbekenntnis hatte der VW-Abgasskandal im vergangenen September eine neue Dimension erreicht. Mittlerweile hat der Konzern allein in den Vereinigten Staaten Geldbußen und Entschädigungen von mehr als 20 Milliarden Dollar bezahlt. Darüber hinaus haben die amerikanischen Behörden jedoch Strafanzeigen gegen bisher acht aktive und ehemalige Volkswagen-Mitarbeiter gestellt, der bekannteste von ihnen ist Heinz-Jakob Neußer, bis September 2015 Vorstand der Marke VW im weltgrößten Autokonzern. Ins Netz gingen den US-Ermittlern bisher aber nur Liang und Oliver S., der im unteren Management tätig war. Liang war Mitte 2008 mit seiner Frau und den Kindern nach Kalifornien gezogen, um im dortigen VW-Testzentrum die Leitung des "Diesel-Kompetenzteams" zu übernehmen - ein Team, das nur aus ihm selbst bestand. Nachdem die US-Umweltämter 2014 begannen, Verdacht gegen Volkswagen zu schöpfen, beteiligte sich der Ingenieur daran, die Tat zu verschleiern. Im September 2015 musste VW den Betrug schließlich einräumen. Ob Liang in Berufung gehen will, wird er bald entscheiden Anders als viele Kollegen blieb Liang in den USA, um an der Lösung der technischen Probleme mitzuwirken. Das wurde ihm schließlich zum Verhängnis. Liang, so sagt sein Verteidiger vor Gericht, sei "nie ein gieriger oder unmoralischer Mann" gewesen und habe sich nicht bereichert. Auch der Staatsanwalt beschreibt den Angeklagten als "freundlichen Mann der leisen Töne", der zu seiner Verantwortung stehe und Innenansichten eines Konzerns geliefert habe, "der im Streben nach höheren Marktanteilen und Gewinnen seinen moralischen Anker verloren hatte". Anders als Mitglieder eines Drogenrings, die bei einem Ausstieg fürchten müssten, eine Kugel in den Kopf zu bekommen, habe Liang jedoch die Möglichkeit gehabt, zu widersprechen oder den Job zu wechseln. Diese Chance habe er nicht genutzt. Als der Richter den Saal verlässt, umarmt Liang seine Frau und jedes der drei Kinder. Den Frauen rollen Tränen über die Wangen, denn nun bleibt nur noch eine einzige Möglichkeit: die Berufung. Ob Liang diesen letzten Strohhalm ergreifen wird, will er in den nächsten Tagen entscheiden.
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https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gerichtsentscheidung-in-usa-erstmals-vw-mitarbeiter-wegen-abgas-skandals-verurteilt-1.3640330
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mlsum-de-1296
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Auch Pasta soll technisch noch ausgereifter werden. Der italienische Hersteller Barilla stellt Nudeln mit einem 3-D-Drucker her. Bis zur Massenproduktion wird es aber noch dauern.
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Am Anfang war der Kloß. Wenig Design, viel sättigende Materie. Der gnocco, Urform der italienischen Pasta, nahm von Fingern bearbeitet schon bald eine neue, wenn auch noch rudimentäre Gestalt an, als orecchiette. Dann begann der Mensch, den Teig dünn auszurollen. Er stieß die Tür weit auf zu Lasagne, Tagliatelle und Co. Einen Sprung in der Evolution der Nudel ermöglichte die Einführung der Bronzeschablonen, durch die der Hartweizenteig gepresst wird. Zum Spaghetto etwa. Das Angebot stieg im Lauf der Zeit auf 200 Formate. Tempo und Mengen legten zu. Die technische Entwicklung der Nudel aber schien im 16. Jahrhundert ausgereizt. Weit gefehlt, wie sich jetzt auf der Weltausstellung in Mailand zeigt. Die Digitalisierung der Wirtschaft erfasst auch die Pasta-Herstellung. Der Marktführer Barilla präsentiert im Future Food District der Expo eine Weltneuheit: den dreidimensionalen Nudelprinter. Er kann, was mit den traditionellen Verfahren aus Handwerk und Industrie nicht zu schaffen ist: die Realisierung unkonventionellen Pasta-Designs. Denn der 3-D-Drucker bringt die Nudel auch in die komplizierteste Form. Und er erlaubt ihre totale Personalisierung. Es kommt die Lieblingsnudel à la carte. "Nudeln sind in ihrer Vielgestalt Architektur für den Gaumen" Ein Teller Rosen, aber bitte glutenfrei. Zweimal Vollmonde, deren Krater schön viel Sugo aufsaugen, heute mal mit extra Ballaststoffen. Oder vielleicht Wirbel aus Kamut und Spinat? Die Bestellung der Zukunft, im Restaurant oder im Nudelladen, lässt Raum für grenzenlose Kreativität. Der römische Start-up Thingarage führte im Auftrag von Barilla einen Design-Wettbewerb durch. Unter 216 eingereichten Nudelmodellen siegten sie: Rosen, Monde und Wirbel. Im Vergleich sieht Giorgetto Giugiaro, Großmeister des Autodesigns, mit seiner Marille alt aus. Er entwarf 1983 die erste Designer-Nudel, die an das griechische Beta erinnerte. Form follows function, sagen Designer. Form prägt den Geschmack, sagen Italiener. Für Giancarlo Gonizzi, Kurator der Barilla-Akademie, findet die kulinarische Kunst ihren höchsten Ausdruck in dreidimensionalen Objekten. Genau wie die Architektur. "Nudeln sind in ihrer Vielgestalt Architektur für den Gaumen", schrieb er. Zu Beginn brauchte jede Nudel 20 Minuten Dass Barilla mit der additiven Fertigung experimentiert, ist seit anderthalb Jahren kein Geheimnis. Nun ist der Nudelprinter da. Er steht in einem Expo-Pavillon in einer Vitrine. Wenig spektakulär, 40 Zentimeter breit. Noch ist der Prototyp nicht praxisreif. Anfangs benötigte das Gerät 20 Minuten, um eine einzige Nudel herzustellen. "Nach drei Jahren schaffen wir es, einen Teller Pasta in zwei Minuten zu drucken", sagt Michela Petronio, die Barillas Forschungsabteilung in Parma leitet. Sie reizt die Befreiung von den industriellen Fesseln, die zur Herstellung riesiger Mengen des gleichen Produkts zwingen. Denn jede neue Form ermögliche neue Geschmackserlebnisse. Und für den Verbraucher sei das 3-D-Potenzial doppelt interessant. "Jeder bekommt das für ihn geeignete Produkt", sagt die Entwicklerin. Schmeckt die Drucker-Nudel denn? "Buonissima", lacht Petronio. Das sei nicht überraschend. Sie besteht ja nur aus Gries und Wasser.
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https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wie-gedruckt-jedem-seine-nudel-1.2478307
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mlsum-de-1297
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Bislang war es für viele Franzosen undenkbar, sich im Restaurant die Reste einpacken zu lassen. Nun ist der Doggy Bag gesetzlich Pflicht.
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Coq au vin? Kommt nicht in die Tüte! Genau so wenig wie die Flasche mit dem letzten Schlückchen Crémant - Incroyable! Den Kellner zu bitten, die Reste einzupacken, erschien vielen Franzosen bislang skandalös, auch Touristen wurde in Reiseführern aus Gründen des Anstands davon abgeraten. Mit dem neuen Jahr aber brechen in der Grande Nation der Kulinarik andere Zeiten an: Der "Doggy Bag" (zu deutsch: "Hundebeutel") ist in Frankreich nun gesetzlich Pflicht. Seit Januar müssen Restaurants, die mehr als 150 Essen pro Tag servieren, sie auf Lager haben. Ein Doggy Bag ist übrigens nicht, wie man annehmen könnte, eine Variante des Hundekotbeutels, sondern eine Plastikschachtel, in der man Essensreste mitnimmt. Dass die Franzosen sich sträuben, edle Gerichte wie Canard à l'orange oder Bœuf bourguignon in eine Styroporschachtel zu packen, ist nachvollziehbar. Schließlich handelt es sich bei der französischen Küche nicht nur um ein Unesco-Weltkulturerbe, sondern um den Inbegriff der Haute Cuisine, der gehobenen Küche. Seit dem 19. Jahrhundert genießt die französische Kochkunst einen ausgezeichneten Ruf, der ehemalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy brachte es ohne Umschweife auf den Punkt: "Wir haben die beste Küche der Welt." Und die sieht man nicht gern in einer Hundetüte. Maßnahme gegen die Lebensmittelverschwendung Offenbar kommt man jedoch nicht darum herum, mit all den feinen Gerichten gibt es nämlich ein Problem: Oft landen sie in der Tonne. Schätzungen zufolge werden von jeder bestellten Mahlzeit im Restaurant in Frankreich durchschnittlich 210 bis 230 Gramm weggeworfen. Pro Jahr macht das eine Million Tonnen Lebensmittel alleine in der Gastronomie. Die französische Regierung möchte das ändern, bis 2025 soll nur noch halb so viele weggeschmissen werden. Ein Teil dieses Plans ist das Doggy-Bag-Gesetz. Laut einem Bericht von France24 sind die Aussichten auch gar nicht so schlecht, dass Beutelträger sich bald durchsetzen könnten: Einer Umfrage im Auftrag der Regierung zufolge befürworten 75 Prozent der Franzosen die Tüten. Auch wenn 70 Prozent der Befragten angaben, noch nie Reste mit nach Hause genommen zu haben. Eine elegante Lösung wurde schon gefunden Bei Deutschen sind die Hemmungen, sich die Reste einpacken zu lassen, deutlich geringer. Den Aal in Aspik lässt man sich bedenkenlos in eine Hundetüte legen, und wer im Lokal den Kampf gegen "Schniposa" (Schnitzel, Pommes, Salat) oder "Pommes Schranke" (Pommes rot-weiß) verliert, schämt sich seltener, zum Dessert die Styroporschachtel zu verlangen. Fast selbstverständlich ist diese Frage in den USA. Nicht nur, weil man dort wegen der schieren Größe der Portionen sowieso kaum aufessen kann, sondern, weil der Beutel dort erfunden wurde. Laut Recherchen des Smithsonian Institutes begann die Geschichte des Doggy Bag in den Vierzigerjahren: Wegen der Lebensmittelrationierungen im Zweiten Weltkrieg war das Essen knapp, für Hundebesitzer wurde es immer schwieriger, das Tier durchzufüttern. 1943 boten die ersten Restaurants in San Francisco den Gästen an, Essensreste für den Hund einzupacken; dazu gab es gratis Knochenreste aus dem Küchenabfall. Zu Zeiten des Wirtschaftswunders dachten sich immer mehr Amerikaner, dass sie das halbe T-Bone-Steak ja eigentlich auch selbst essen könnten - auch wenn sie dafür zunächst noch schief angesehen wurden. Um die auf Etikette bedachten Franzosen nun möglichst behutsam an das Resteeinpacken zu gewöhnen, haben schon im vergangenen Dezember 100 Restaurants in Paris Doggy Bags eingeführt. Damit ihnen der Griff zum Beutel noch leichter fällt, haben Gastronomen die Tüten kurzerhand umbenannt: in "Gourmet bags".
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https://www.sueddeutsche.de/stil/doggy-bags-in-frankreich-kommt-in-die-tuete-1.2816234
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mlsum-de-1298
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Mit einer außerordentlich mutigen Taktik bringt Mischa Zverev bei den US Open den aufschlaggewaltigen Favoriten John Isner aus dem Tritt und stürmt ins Achtelfinale.
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Mischa Zverev ist - Entschuldigung, das muss auch mal so gesagt werden - völlig übergeschnappt. Mal ehrlich: Wer auf dieser Welt wäre verrückt genug, freiwillig in eine Spieleröffnung von John Isner hineinzulaufen? Der Aufschlag-Virtuose kann einen mit seinem ersten Aufschlag (gut 240 km/h) in Lebensgefahr bringen und mit der Kick-Variante beim zweiten Versuch in die Nähe der Zuschauerplätze treiben. Die meisten Gegner würden die Spieleröffnungen Isners deshalb am liebsten tatsächlich auf einem Zuschauerplatz erwarten. Weil das nicht geht, stellen sie sich neben einen Balljungen und wirken wie der Sheriff in einer Westernstadt, der vor dem Duell in der Mittagssonne weiß, dass er sowieso kaum eine Chance hat gegen den Revolverhelden. Zverev stellte sich am Freitagabend im ausverkauften Arthur Ashe Stadium jeweils knapp hinter die Grundlinie und stürmte dann forsch in die Aufschläge von Isner hinein. Das ist ungefähr so, als würde ein Fußballtrainer gegen den FC Bayern sieben Stürmer aufs Feld schicken oder ein Boxer ohne Deckung auf Floyd Mayweather zulaufen. Es war übergeschnappt. Es war spektakulär. Es war erfolgreich. Zverev gewann gegen den favorisierten Amerikaner mit 6:4, 6:3, 7:6 (5). "Brillant", sagte Serena Williams' Trainer Patrick Mouratoglou bereits nach dem ersten Satz: "Isner ist völlig verblüfft." Scheitern ist Teil seiner Taktik Mouratoglou hat nicht nur Serena Williams zu zahlreichen Grand-Slam-Titeln geführt, er kann einem auch wunderbar eine Partie erklären, wenn man sie gemeinsam mit ihm vom Spielfeldrand aus verfolgt. "Isner braucht aufgrund seiner Größe und aufgrund der Geschwindigkeit seines Aufschlages zu lange, um ans Netz vorzurücken", sagte er: "Natürlich erfordert die Strategie von Zverev erstaunliche Reaktionen beim Return und am Netz - aber er hat schon bewiesen, dass er die hat." Isner sei mit dieser forschen Spielweise überfordert: "Sein Spiel ist zu eindimensional, als dass er sich während einer Partie umstellen könnte. Da sich Zverev auf sein Serve-and-Volley-Spiel verlassen kann, darf er den Aufschlag des Gegners selbstbewusst angreifen." Welche Gesinnung und welche Selbstdisziplin sind nötig, gegen einen der härtesten und variabelsten Aufschläger in der Geschichte dieses Sports diese Strategie nicht nur zu versuchen, sondern bis zum Ende der Partie konsequent durchzuhalten? Es gehört zum Selbstverständnis dieser Strategie, zahlreiche Returns ins Netz oder Aus zu schubsen oder noch nicht einmal zu erreichen. Es kann auch passieren, dass man viele Bälle um die Ohren gehauen bekommt. Das ständige Scheitern ist ein fester Bestandteil dieser Spielweise. "Wenn man weit hinten auf die Aufschläge von Isner wartet, dann vergrößert sich der Winkel - dann wird es noch schwieriger", sagte Zverev nach dem Match: "Ich weiß auch, dass er nach dem Aufschlag gerne die Rückhand umläuft, um mit seiner Vorhand Druck zu machen. Deshalb habe ich vor allem den zweiten Aufschlag möglichst früh genommen, um ihm diese Möglichkeit zu rauben und ihn zu leichten Fehlern zu zwingen. Dass ich auch den Return beim ersten Aufschlag hin und wieder getroffen habe, hat mir auch nicht gerade geschadet." "Ich bin von der Grundlinie aus nun mal nicht so gut, also greife ich an" Natürlich hilft es Zverev, dass er diese Spielweise mittlerweile derart verinnerlicht und perfektioniert hat ("Ich bin von der Grundlinie aus nun mal nicht so gut, also greife ich an"), dass er wahrscheinlich noch nicht mal mehr darüber nachdenken muss. Die Bewegungen bei Vorhand-Topspin und Rückhand-Slice erinnern aufgrund der fehlenden Ausholbewegung an einen Tischtennisspieler, am Netz agiert er wie ein Badmintonprofi. Hinzu kommt ein variabler Aufschlag - und schon ist diese Strategie nicht mehr übergeschnappt oder größenwahnsinnig, sondern erstaunlich souverän. Es gibt eine Zahl, die das verdeutlicht: Zverev gewann insgesamt 66 Ballwechsel durch Gewinnschläge oder dadurch, dass er Isner zu Fehlern zwang. Eigene Fehler ohne Bedrängnis: sieben. So wie Isner seine Gegner gewöhnlich verzweifeln lässt, so war er nun genervt von Zverev, der immer wieder nach vorne marschierte und Passierbälle mit teils wahnwitzigen Volleys parierte. Beim dritten Matchball hatte eigentlich Isner die Kontrolle über den Ballwechsel bekommen, doch Zverev spielte den Rückhand-Slice in seiner aggressiven Variante, stürmte ans Netz und legte den folgenden Volley locker und für Isner unerreichbar ins Feld. "Die Leute sagen immer, dass ich ein bisschen verrückt bin", sagte Zverev danach: "Aber ich finde mich eigentlich ganz normal." Zverev ist völlig verrückt, gewiss, er passt damit allerdings zu dieser Stadt und diesem Turnier, bei dem das wahnwitzige Spektakel gefeiert wird. Er trifft im Achtelfinale auf den Amerikaner Sam Querrey - und wer einen übergeschnappten, größenwahnsinnigen und damit unfasslich interessanten Typen sehen möchte, der sollte diese Partie am Sonntag nicht verpassen.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/mischa-zverev-ein-bisschen-verrueckt-1.3650653
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mlsum-de-1299
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Stifte raus, Klassenarbeit. Referendar Pascal Grün schwitzt. Sind seine Arbeitsanweisungen verständlich? Und was, wenn jemand spickt?
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Kolumne "Der Referendar" Pascal Grün ist 27 Jahre alt und unterrichtet als Referendar an einem bayerischen Gymnasium die Fächer Französisch und Spanisch. Auf SZ.de berichtet er regelmäßig über seine Erlebnisse als Referendar. Pascal Grün ist ein Pseudonym - zu seinem eigenen Schutz und zum Schutz der Personen, über die er schreibt. Ansonsten ist "Der Referendar" aber maximal offen und ehrlich. Schulaufgaben! Der Gedanke lässt Schüler erschauern. Aber auch bei mir sorgt allein das Wort neuerdings wieder für Angstschweißausbrüche. Schulaufgaben, unter Referendaren kurz "SA" genannt, sind in Bayern das, was anderswo als Klassenarbeit oder Klausur bekannt ist, also der "große schriftliche Leistungsnachweis". Abgefragt wird in der Regel der Unterrichtsstoff mehrerer Wochen; je nach Jahrgang und Fach gibt es zwischen zwei und fünf Schulaufgaben pro Jahr. Ein Prüfungsmartyrium in drei Phasen. Der Entwurf Ich fühle mich verloren. Ich soll eine Schulaufgabe für meine elfte Klasse Spanisch konzipieren, doch wo fange ich an? Wie stelle ich sicher, dass ich tatsächlich das teste, was ich testen will? Wie erreiche ich ein angemessenes Prüfungsniveau? Ich suche Rat bei meinen Seminar- und Betreuungslehrer - und bekomme: noch mehr Fragen. Die sind aber durchaus hilfreich. Ich lerne: Schritt eins bei der Konzeption einer Schulaufgabe ist die Entscheidung für ein Prüfungsformat. Will ich das Hör- oder das Leseverstehen prüfen? Lasse ich die Schüler eine Karikatur interpretieren oder einen Kommentar schreiben? Die Seminarlehrer sehen am liebsten eine Schulaufgabe "aus einem Guss", das heißt eine Prüfung, in der sich durch sämtliche Aufgabenteile ein roter Faden zieht. Am besten sollen die einzelnen Aufgaben in einen Kontext eingebettet sein, der möglichst nah dran ist an der Lebenswelt der Schüler. (Wobei sich in der Prüfungssituation natürlich kein Schüler für den mühsam erdachten kontextuellen Rahmen interessiert, da stürzen sich alle direkt auf die Aufgaben.) Beim ersten Versuch verliere ich das Wesentliche aus den Augen - meine Geschichte hat logische Brüche. "Dein spanischer Austauschpartner ist zu Besuch und erzählt dir, dass die Tante der Freundin seines Bruders gern in Deutschland arbeiten würde ..." Gott sei Dank ist meine Gegenleserin, eine Referendarskollegin, gnadenlos (es gibt schließlich nichts Schlimmeres, als wenn Schüler über einer Prüfung in Gelächter ausbrechen). Parallel erstelle ich den sogenannten Erwartungshorizont, ich lege also fest, wie ich welche Aufgabe bewerte. Das soll später die Korrektur erleichtern. Die Durchführung Am Tag der Prüfung bin ich mindestens so aufgeregt wie die Schüler. Werden sie meine Arbeitsanweisung auf Anhieb verstehen? Reicht die Zeit? Was mache ich, wenn ich jemanden beim Spicken erwische? Bin ich hart und vergebe zur Bestrafung ein "Ungenügend" - um für die Zukunft sämtliche Betrugsversuche zu unterbinden? Oder spreche ich lediglich eine Ermahnung aus, in der Hoffnung, dass sie für die Zukunft fruchtet? Um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, habe ich für den Prüfungstag "Pultteiler" besorgt. Die sind in der Fachwelt allerdings umstritten: Die Spicktechnik manches Schülers ist so ausgefeilt, dass eine doofe Pappwand im Zweifelsfall auch nichts bringt. Einige Schüler sind extrem nervös und blättern hektisch in ihren Unterlagen; andere wirken konzentriert und in sich gekehrt. Ich bemühe mich zwanghaft, Ruhe ausstrahlen - was nicht so leicht ist, wenn einem selbst der Stressschweiß den Rücken hinunterläuft.
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https://www.sueddeutsche.de/bildung/der-referendar-ueber-klassenarbeiten-drum-pruefe-wer-sich-ewig-windet-1.2269676
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mlsum-de-1300
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