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Bislang galt das Land als Hort eines toleranten Islam. Jetzt hat ein Gericht den Gouverneur der Hauptstadt wegen Gotteslästerung verurteilt. | Detailansicht öffnen "Freiheit für Ahok": ein frommer Wunsch. Gerade haben die Richter ihr Urteil gegen den Politiker gefällt - schärfer als von der Anklage gefordert. (Foto: Mast Irham/epa/Rex/Shutterstock) Am frühen Morgen brüllt noch die Hoffnung aus den Lautsprechern vor dem Tor. Die Anhänger des christlichen Gouverneurs von Jakarta, der gleich vor seine Richter treten muss, spielen einen Song der Gruppe Coklat Band. Es klirren die E-Gitarren wie bei einem Open-Air-Konzert, das Lied "Bendera" ist eine rockige Liebeserklärung an die indonesische Nation. Doch welche Gemeinschaft wird hier eigentlich besungen? Was macht die Seele dieses multireligiösen Vielvölkerstaates aus? Manche Indonesier glauben, dass an diesem Vormittag weit mehr verhandelt wird als der Vorwurf der Blasphemie, gegen den sich Gouverneur Basuki Tjahaja Purnama, genannt Ahok, vor Gericht verteidigen muss. Er soll den Koran beleidigt haben, aber die Muslimin Siti Supriati, die draußen vor dem Tor Rosen für Ahok im Arm trägt, sieht das anders. "Das ist alles nur vorgeschoben, um ihn auszuschalten", schimpft die Frau mit dem blauen Kopftuch. "Seine Gegner haben den Prozess angezettelt." Vielleicht hört der Angeklagte noch ein paar Takte der aufmunternden Musik, als er das Gebäude des Agrarministeriums betritt. Dort haben die Behörden einen Gerichtssaal nur für seinen Prozess eingerichtet, angeblich ist dieser Ort besonders gut zu sichern. Schwer bewaffnete Einheiten kontrollieren die Eingänge, draußen sind Hunderte Einsatzpolizisten aufmarschiert, um Anhänger und Gegner Ahoks voneinander fernzuhalten. Der Staat befürchtet Zusammenstöße, die Nervosität ist groß in diesem Prozess, der die Emotionen seit Monaten hochkochen lässt; nichts hat Indonesien in den vergangenen Monaten derart gespalten wie der Fall Ahok. Nun warten alle auf das Urteil. Pünktlich um neun Uhr kommt Ahok in den Saal, ein großer schlanker Mann im weiß-blauen Batik-Shirt. Er verbeugt sich etwas steif vor den Richtern und nimmt seinen Platz als Angeklagter ein: Ein einzelner Stuhl ist für ihn mitten im Saal platziert, rechts sitzen seine Anwälte, links die Ankläger, vor ihm die Richter und hinter ihm die Zuhörer. Fernsehkameras übertragen die letzte Sitzung live. Der Angeklagte hat seine Hände auf die Knie gelegt, er wird sich in den kommenden zwei Stunden kaum bewegen. Er blickt immerzu nach vorne, wo nun abwechselnd fünf Richter sprechen, sie fassen noch einmal die Argumente der Anklage und der Verteidigung zusammen. Und verkünden schließlich, um kurz vor elf Uhr, ihr Urteil: schuldig. Zwei Jahre Gefängnis für den Gouverneur, die Richter sehen es als erwiesen an, dass er im Wahlkampf den Koran beleidigt hat. Und ihr Strafmaß geht noch weit über das hinaus, was die Anklage gefordert hat. Ahok hört das Urteil, aber er rührt sich nicht, er sitzt nur starr da und blickt ohne erkennbare Regung nach vorne. Besucher im Zuhörerraum, die den Gouverneur we-gen Gotteslästerung angezeigt hatten, las-sen ihrer Freude unterdessen freien Lauf, einer von ihnen ballt triumphierend die Faust. So sieht es aus, wenn sie ihren Sieg gegen einen Ungläubigen feiern, gegen einen Christen chinesischer Abstammung. Ahok wird nun gleich in ein gepanzertes Polizeifahrzeug steigen, um seine Haft anzutreten. Draußen vor dem Tor brechen einige seiner Anhänger unter Tränen zusammen, als sie die Nachricht aus dem Gerichtssaal hören. Zwar legt Ahok Berufung ein, doch zu-nächst muss er ins Gefängnis Cipinang, wo er die Nacht zubringen wird und seine Anhänger später Kerzen vor dem Tor für ihn entzünden. Ob seine Unterstützer ihn auf Kaution wieder freibekommen, ist ungewiss. Die Richter hatten darauf bestanden, Ahok sofort zu inhaftieren. So endet am Mittwoch ein hoch umstrittener Prozess, der Symptom größerer Umbrüche in Indonesien sein dürfte. Niemals zuvor spielte Religion in einer politischen Auseinandersetzung eine so große Rolle. Ahok war früher Vize-Gouverneur und hat-te das Amt des Bürgermeisters von seinem Vorgänger Joko Widodo übernommen, als der ins Amt des indonesischen Präsidenten aufstieg. In diesem Jahr wollte sich Ahok nun für eine weitere Amtszeit wählen lassen. Doch das gefiel den Radikalen nicht. Ein Christ als Gouverneur passte nicht in ihr Weltbild. Und dann gab ihnen Ahok plötzlich eine Steilvorlage, als er sinngemäß sagte, seine Gegner versuchten, den Koran zu nutzen, um ihm, dem Christen, Stimmen abzujagen; davon sollten sich die Wähler nicht täuschen lassen. Seine Gegner prangerten das als angebliche Blasphemie an - und hatten Erfolg. Dass Ahok so viel Zorn auf sich zog, lag auch daran, dass andere Gegner ebenfalls den Nutzen der religiösen Karte erkannten und sie skrupellos gegen ihn einsetzten. So kam es, dass ein muslimischer Gegenkandidat, der sich von den Radikalen unterstützen ließ, die Wahl gewann. Vor dem Prozess hatte Ahok noch Zustimmungswerte von 70 Prozent, doch der Blasphemie-Vorwurf ruinierte sein Ansehen. "Dass er die Wahl verlieren würde, hatte ich fast befürchtet, weil man als Angeklag-ter nicht gut Wahlkampf machen kann", sagt seine Anhängerin Supriati. "Aber dass sie Ahok nicht freigesprochen haben, sondern hinter Gitter bringen, ist ein riesiger Schock. Sie haben den Islam in Stellung gebracht, um ihn zu stürzen. Ein grausamer Tag ist das." | https://www.sueddeutsche.de/politik/indonesien-sieg-fuer-die-radikalen-1.3497286 | mlsum-de-1001 |
Wärmer wohnen, gemächlicher fahren: Die Deutschen müssen Energie sparen, sonst ist das Klimaziel in Gefahr. Die Regierung will Steuergeld spendieren, setzt aber auch auf freiwillige Anreize. Reicht das? | Ein Wärmebild zeigt, wie viel Energie man beim Wohnen noch einsparen kann Zumindest die zuständigen Minister sind sicher - die 40 Prozent sind in Reichweite. 40 Prozent weniger Kohlendioxid als noch 1990, das ist die Vorgabe auch dieser Koalition für 2020. Was noch fehlt, soll das "Klimaaktionsprogramm" schaffen, das diesen Mittwoch das Kabinett passiert hat. "Stand heute werden wir das Ziel erreichen", sagt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Nie zuvor habe sich eine Bundesregierung mehr für den Klimaschutz eingesetzt. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, auch SPD, sieht das nicht anders. Worum geht es eigentlich? Prognosen zeigen, dass das Klimaziel kaum zu erreichen ist, wenn sich nicht irgendwas tut. 2020 würde Deutschland bei 32, höchstens 35 Prozent weniger Treibhausgas landen. Aber nicht bei 40. In Kohlendioxid ausgedrückt ist die Lücke zwischen 60 und 100 Millionen Tonnen groß. Wer soll die Lücke stopfen? Eigentlich alle. Das Klimapaket soll Hausbesitzer und Industrie animieren, noch mehr ins Energiesparen zu investieren. Mehr Güter sollen per Bahn und Binnenschiff transportiert werden, und das Elektroauto soll einen neuen Schub bekommen. Selbst Gutscheine für spritsparendes Fahren erwägt die Koalition. Den größten Einzelbeitrag aber sollen nach Lage der Dinge die fossilen Kraftwerke liefern. Was bedeutet das für Hausbesitzer? Sie können sich auf mehr und leichtere Förderung freuen. Wenn die Länder zustimmen, könnte es vom kommenden Jahr an Steueranreize für energiesparende Sanierungen geben. Dann könnten Eigenheimbesitzer einen Teil der Kosten für neue Fenster & Co, je nach Einsparung zwischen zehn und 25 Prozent, auf zehn Jahre hin von der Steuer absetzen. Auch der Einsatz erneuerbarer Wärme - etwa in Form von Holzpellets oder Solarthermie - ließe sich so fördern. Parallel soll das Gebäudesanierungsprogramm der Staatsbank KfW um 200 Millionen Euro aufgestockt werden, auf dann zwei Milliarden Euro. Davon kann die KfW künftig 300 Millionen Euro als Zuschüsse zu Modernisierungen vergeben. Und schließlich sollen Schornsteinfeger künftig alte, ineffiziente Heizungen mit einem "nationalen Effizienzlabel" brandmarken - und so deren Besitzer aufrütteln. Die Botschaft an Immobilienbesitzer sei einfach, sagt Gabriel: "Wir helfen dir, dass du sparen kannst." | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/klimaplaene-der-bundesregierung-milliarden-fuer-die-waermedaemmung-1.2249954 | mlsum-de-1002 |
Der erzwungene Rücktritt von Justizminister Sessions erinnert an einen denkwürdigen Abend im Oktober 1973, der als "Saturday Night Massacre" in die Geschichte einging. | Im Herbst 1973 sah sich Richard Nixon (im Bild) durch die Recherchen des Sonderermittlers Archibald Cox in die Enge getrieben - ein Jahr später war er sein Amt los. Es war ein schöner Herbsttag in Washington, nichts schien die Abendruhe stören zu können im Weißen Haus. Doch dann fuhr eine schwarze Limousine vor, eilig wurde ein Mann durch das Säulenportal ins Innere des sanft erleuchteten Gebäudes geleitet. Und das, was als Saturday Night Massacre, als Samstag-Nacht-Massaker, unrühmlich in die amerikanische Geschichte eingehen sollte, nahm seinen Lauf. Es war der 20. Oktober 1973. Ein Tag der sich überstürzenden Ereignisse, und am Ende war das geschehen, was sich jetzt in Washington wiederholte, als Donald Trump am Mittwoch recht unzeremoniös Justizminister Jeff Sessions zum Rücktritt nötigte: Ein Präsident hatte seinen Justizminister entlassen - gefeuert, weil der Mann im Weißen Haus sich von einer Untersuchung bedrängt fühlte, vor der er sich durch seinen Minister nicht ausreichend geschützt fühlte. So wie damals. Im Herbst 1973 sah sich Richard Nixon durch die Recherchen des Sonderermittlers Archibald Cox in die Enge getrieben. Cox war vom Justizministerium eingesetzt worden, um Licht in eine wilde Geschichte zu bringen, die Watergate-Affäre. Es ging um einen Einbruch in ein Washingtoner Wahlkampfbüro der Demokraten ein Jahr zuvor. Die ganze Sache, so verdichteten sich die Hinweise, war irgendwie vom Weißen Haus aus gesteuert worden. Deshalb hatte Cox Tonbandmitschnitte von Gesprächen im Oval Office, dem Präsidentenbüro, angefordert. Nixon weigerte sich. Als Cox dem Präsidenten am 19. Oktober, einem Freitag, ein Ultimatum stellte, verlangte Nixon tags drauf von seinem Justizminister Elliot Richardson die Entlassung des lästigen Ermittlers. Richardson wies das Ansinnen des Präsidenten zurück. Er könne Cox nur entlassen, wenn der sich grober Verfehlungen schuldig gemacht hätte. Nixon bestand auf dem Rauswurf, Richardson reichte auf der Stelle seinen Rücktritt ein. Das Echo jener Nacht Damit nicht genug. Der wütende Präsident verlangte nun von Richardsons Stellvertreter, William Ruckelshaus, den Rauswurf des Ermittlers. Auch Ruckelshaus weigerte sich und reichte, wie sein bisheriger Amtschef, umgehend seinen Rücktritt ein. Nun kam die Stunde des Stellvertreters des Stellvertreters, einem konservativen Juristen namens Robert Bork, die Nummer drei im Justizministerium. Noch am Samstagabend wurde er ins Weiße Haus gefahren. Dort wurde er umgehend als neuer amtierender Justizminister eingeschworen. Als erste Amtshandlung unterschrieb Bork das vorgefertigte Entlassungsschreiben für Cox. Er glaubte, so schrieb er später zu seiner Rechtfertigung, dass der Präsident im Recht gewesen sei und er sich ihm nicht habe verweigern können. Allerdings bestätigte er auch, dass Nixon ihm die Nominierung als Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten angeboten habe, sobald dort ein Posten frei würde. (Das Versprechen konnte Nixon nicht mehr einlösen. Ein gutes Jahrzehnt später versuchte es Präsident Ronald Reagan. Borks Nominierung scheiterte aber im Senat.) Mit Fug und Recht kann man behaupten, dass die Ereignisse vom 20. Oktober 1973 der Anfang vom Ende waren für Richard Nixon: Tatsächlich ging es von diesem Tag steil bergab mit seiner Präsidentschaft. Nur Tage später ergaben Meinungsumfragen erstmals, dass nun eine Mehrheit der Amerikaner für eine Amtsenthebung ihres Präsidenten war. Ein Bundesrichter stellte fest, dass die Entlassung Cox' illegal gewesen war, und der Kongress leitete ein Verfahren wegen Amtsmissbrauchs gegen den Präsidenten ein. Keine zehn Monate später war Nixon nicht mehr im Weißen Haus: mit Schimpf und Schande davon gejagt, als erster Präsident der Vereinigten Staaten, der zurückgetreten war, um einer Amtsenthebung durch den Senat zuvorzukommen. Nun soll man sich hüten, leichtfertig Schlussfolgerungen aus historischen Vergleichen zu ziehen. Sie sind meist doch irgendwie schief und führen mitunter geradewegs in die Irre. Es ist aber bemerkenswert, wie das Echo jener Nacht nun wieder in den Säulenhallen des Washingtoner Kapitols widerzuhallen scheint. In jedem Fall dürfte der Präsident, wie das Internetportal Politico schreibt, den Demokraten den ersten Untersuchungsausschuss "auf dem Silbertablett" serviert haben. Tatsächlich haben die designierten neuen Vorsitzenden etwa des Justiz- und des Geheimdienstausschusses dem Weißen Haus bereits vorsorglich Briefe geschickt, in denen sie die Regierung ausdrücklich auffordern, alle Dokumente im Zusammenhang mit der Entlassung von Sessions sorgfältig aufzubewahren, bis der neue Kongress im Januar zusammentritt. Auch an das FBI, die CIA und ans Justizministerium gingen entsprechende Schreiben. Die Sache ist mit dem Rauswurf des als Verräter gebrandmarkten Justizministers für Trump gewiss nicht ausgestanden. Im Gegenteil, Nachfragen werden nun erst recht gestellt werden. Und der Verdacht, dass der Präsident etwas zu verbergen hat, dürfte nur noch größer geworden sein. So wie es 1973 der Fall war nach einer langen Nacht im Washingtoner Herbst. | https://www.sueddeutsche.de/politik/sessions-trump-nixon-saturday-night-massacre-1.4203242 | mlsum-de-1003 |
Überall Sperrwall: Israel will keine Flüchtlinge aufnehmen, egal ob vertriebene Syrer oder Palästinenser. Netanjahu habe vergessen, was es heißt, ein Jude zu sein, kritisiert die Opposition. | Der Regierungschef ist eigens zur Grenze geeilt, um den Bulldozern bei der Arbeit zuzuschauen. "Wir werden Israel mit Zäunen umgeben", versprach Benjamin Netanjahu zu Wochenbeginn, "damit wir in der Lage sind, unsere Grenzen zu kontrollieren." Der neueste Sperrwall entsteht gerade an den Übergängen nach Jordanien - und gegen wen dieser Zaun gerichtet ist, das hat der Premierminister kurz zuvor schon auf einer Kabinettssitzung klargestellt: "Wir werden nicht zulassen, dass Israel von einer Welle illegaler Migranten und von Terroristen überschwemmt wird." Ein Machtwort ist dies gewesen, um eine Debatte im Keim zu ersticken, ob sich angesichts der Flüchtlingsströme aus Syrien nicht auch Israel an der Aufnahme der Bedrängten beteiligen müsse. Insgesamt haben fast vier Millionen Syrer seit Beginn des Bürgerkriegs in den Nachbarländern Zuflucht gesucht: in Jordanien, in Libanon, in der Türkei. Dass bislang keine Syrien-Flüchtlinge nach Israel gekommen sind, obwohl es doch auch eine gemeinsame Grenze gibt, ist allerdings nicht verwunderlich, schließlich ist Israel Feindesland für die Syrer, und die Grenze ist seit Jahrzehnten dicht. Zudem verfolgt Israel ohnehin eine rigide Politik, um Flüchtlinge, die bislang zumeist aus Afrika kamen, abzuschrecken - mit Abwehrzäunen ebenso wie mit der Internierung in einem abgeschiedenen Lager in der Negev-Wüste. Ein Einwanderungsland ist Israel explizit nur für Juden aus der Diaspora. Der Oppositionschef facht die Diskussion an Unter dem Eindruck der steigenden Flüchtlingszahlen fordert nun Israels Oppositionsführer Isaac Herzog einen Kurswechsel. Zur Begründung beruft er sich auf die Historie: "Unser eigenes Volk hat für das Schweigen der Welt bitter bezahlen müssen und kann angesichts des Mordens und der Massaker in Syrien nicht teilnahmslos zusehen", erklärte er. Netanjahu habe wohl "vergessen, was es heißt, ein Jude zu sein, ein Flüchtling, gejagt". Unterstützung bekam Herzog für seinen Appell zur Aufnahme einer zumindest begrenzten Flüchtlingszahl nicht nur von Politikern aus dem linken Spektrum, sondern auch von der Dachorganisation der Holocaust-Überlebenden. Doch während auf der einen Seite die Diskussion mit Argumenten der Moral und Humanität geführt wird, ließ es sich Nava Boker, eine Hinterbänklerin aus Netanjahus Likud-Fraktion, nicht nehmen, auf Facebook einen zynischen Kommentar zu posten: "Lieber Syrien-Flüchtling", schrieb sie, "bitte kontaktiere nach deiner Ankunft Isaac Herzog wegen einer komfortablen Unterkunft" - dazu veröffentlichte sie seine dienstliche Telefonnummer. Auch andere Kritiker werfen Herzog vor, entweder naiv zu sein oder aus PR-Gründen eine Geisterdebatte angestoßen zu haben, zumal die Syrer selber kaum auf die Idee kämen, ausgerechnet nach Israel zu fliehen. Doch immerhin hat er eine Diskussion angestoßen, in die nun von vielen Seiten Ideen eingebracht werden, wie Israel helfen könnte. Die einen schlagen vor, zumindest die bedrängten Drusen aus Syrien aufzunehmen, die anderen denken über eine Art humanitäre Pufferzone auf den Golanhöhen nach, in der Flüchtlinge Schutz finden könnten. Und obendrein hat auch Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas aus Ramallah einen Vorschlag präsentiert. Das Westjordanland für Flüchtlinge öffnen? Von Israel kommt ein klares Nein Vom Bürgerkrieg in Syrien sind auch etwa 500 000 Palästinenser aus ihren Häusern vertrieben worden. Zumeist lebten sie in den Flüchtlingslagern, die 1948 nach dem israelischen Unabhängigkeitskrieg entstanden waren. Nun will Abbas für sie das Westjordanland öffnen - dessen Grenzen allerdings werden von Israel kontrolliert. Die Autonomiebehörde in Ramallah hat deshalb angekündigt, über die Vereinten Nationen und auch über europäische Staaten Druck auf die Regierung in Israel auszuüben, damit diesen Flüchtlingen die Einreise erlaubt wird. Auch dafür jedoch kam postwendend eine klare Absage der israelischen Regierung. Zeev Elkin, der immerhin den Titel Immigrationsminister trägt, schor den Vorschlag von Abbas und den Herzogs gleich über einen Kamm und erklärte, eine solche Flüchtlingspolitik sei nichts anderes als das von den Palästinensern immer schon propagierte "Rückkehrrecht durch die Hintertür". Premierminister Netanjahu ergänzte, Israel sei schlicht zu klein, um Flüchtlinge aufzunehmen. "Wir haben weder eine geografische noch eine demografische Tiefe", warnt er. Dann machte er sich auf in Richtung Osten, um anzuschauen, wie nun auch die letzte noch nicht verriegelte Grenze Israels mit einem hohen Hightech-Zaun gesichert wird. | https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-ueberall-sperrwall-1.2637850 | mlsum-de-1004 |
Guatemala gilt als Hort von Korruption und Straflosigkeit. Dagegen regt sich bislang friedlicher Protest. Doch ohne echte Reformen könnte die Stimmung bald umschlagen. | Wer seinen Staat nur als Raubtier kennt, die Politiker nur als Taschendiebe und die Richter nur als Erfüllungsgehilfen der herrschenden Eliten, der stumpft irgendwann ab. Nicht anders ist zu erklären, dass es in Guatemala in den vergangenen Jahren relativ ruhig war auf den Straßen. Denn das meiste, was seit einigen Wochen das Land erschüttert, war ja hinlänglich bekannt. Dass es sich um einen der gefährlichsten Flecken der Erde handelt, um einen "Ozean der Korruption und der Straflosigkeit", wie es in einem aktuellen Bericht der Konrad-Adenauer-Stiftung heißt. Die Guatemalteken aber schienen das Aufbegehren verlernt zu haben. Der Alltag musste ja weitergehen. Irgendwie. Und plötzlich, in diesem Frühsommer, geht es doch nicht mehr einfach so weiter. Überraschender Kampfgeist der Ermittler Vermutlich hat es am 16. April angefangen. An dem Tag wurden in einer konzertierten Aktion von Polizei, Staatsanwaltschaft und der UN-Kommission gegen Straflosigkeit (Cicig) zwanzig hochrangige Staatsfunktionäre verhaftet. Sie hatten ein Netzwerk von systematischem Zoll- und Steuerbetrug organisiert. Grundsätzlich nichts Neues in Guatemala, überraschend war eher der Kampfgeist der Ermittler. Er inspirierte offenbar eine unzufriedene, aber lange Zeit wie gelähmt wirkende Mittelschicht. Seit zwei Monaten finden sich in den großen Städten jedes Wochenende Zehntausende zu Samstagsmärschen zusammen. Protestiert wird gegen unfassbar dreiste Korruption und gegen den konservativen Staatspräsidenten Otto Pérez Molina. Dass er von alldem nichts gewusst hat, glaubt offenbar nur noch er selbst. Präsident Pérez Molina klammert sich an sein Amt Seine Vizepräsidentin Roxana Baldetti musste inzwischen zurücktreten, genau wie der Innenminister, die Umweltministerin und der Energieminister. Pérez Molina klammert sich bislang an sein Amt, aber er wackelt. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss soll nun entscheiden, ob er seine Immunität verliert. Dann wären seine Tage als Präsident wohl gezählt. Für den 64-Jährigen geht es jetzt darum, bis zu den Wahlen im September durchzuhalten und die Macht im Januar 2016 ordnungsgemäß zu übergeben. Nur dann hätte er Anspruch auf einen Sitz im Zentralamerikanischen Parlament (Parlacen). Genau das wollen die Demonstranten verhindern, denn Pérez wäre dann einstweilen unantastbar. Der deutsche Menschenrechtsanwalt Michael Mörth, 62, der seit 20 Jahren in Guatemala als Jurist arbeitet, sagt: "Das Parlacen dient einzig und allein dem Zweck, ehemaligen Präsidenten und Vizepräsidenten Zentralamerikas Straffreiheit zu bieten." Allerdings zweifelt nicht nur Mörth daran, dass Pérez den Wettlauf mit der Zeit gewinnt. Dieser tritt dieser Tage nicht mehr wie ein Präsident auf, sondern eher wie eine Marionette derjenigen, die das Machtvakuum im Staat ausfüllen. Dazu gehören der einflussreiche Unternehmerverband Casif sowie die US-Botschaft in Guatemala-Stadt. "Auch wenn das dementiert wird, die USA spielen eine große Rolle in dieser Situation", sagt Mörth. Hinter den Kulissen geht es darum, wie die Zeit nach Otto Pérez aussehen könnte Spätestens seit US-Vizepräsident Joe Biden bei seinem jüngsten Guatemala-Besuch Pérez (gegen dessen erklärten Willen) dazu zwang, das Mandat der UN-Kommission Cisig zu verlängern, ist klar, wer hier am Steuer sitzt. Die Cisig hat entscheidenden Anteil an den Ermittlungen gegen die Regierung Pérez. Formell stützen die Amerikaner den Präsidenten noch, der ohnehin absehbare Regierungswechsel darf schließlich nicht wie ein in Washington orchestrierter Putsch aussehen. Hinter den Kulissen scheint es aber längst darum zu gehen, wie die Zeit nach Präsident Pérez aussehen könnte. Der derzeit aussichtsreichste Kandidat für die Präsidentschaftswahl am 6. September heißt Manuel Baldizón. Mit seinem populistischen Programm findet er bei der vorwiegend armen Landbevölkerung großen Zuspruch. Nach Meinung der urbanen Protestbewegung aber ist seine Partei "Lider" ebenfalls bis ins Mark korruptionsverseucht, sie fordert eine Verschiebung der Abstimmung. Protestler wollen Reform des Wahl- und Parteiengesetzes Auch Mörth sagt: "In der gegenwärtigen Situation wären Wahlen wenig hilfreich." Sie würden aus seiner Sicht bloß das gegenwärtige System für die kommenden vier Jahre legitimieren. Mörth hält es stattdessen mit jenen Protestlern, die zunächst eine Reform des Wahl- und Parteiengesetzes wollen. Es wurden mehrere runde Tische ins Leben gerufen, aber ob deren Gesetzesvorschläge noch vor der Wahl in Kraft treten, hängt nicht zuletzt auch vom Einfluss der USA ab. Auf den Straßen wachsen jedenfalls Wut und Ungeduld. "Das ist ein Dampfkessel", sagt Mörth. Er arbeitete unter anderem aufseiten der Anklage im Kriegsverbrecherprozess gegen Guatemalas Ex-Diktator Efraín Ríos Montt. Das Verfahren wird seit Monaten verschleppt, auch weil der ehemalige General Pérez wenig Interesse an Aufklärung hat. Bislang haben sich die Guatemalteken auch das bieten lassen. Bislang. Vor wenigen Tagen wurde der Anwalt Francisco Palomo auf offener Straße erschossen. Er war der Verteidiger von Ríos Montt. Für Mörth ist das ein Zeichen, "dass es hier jeden Moment rund gehen kann", wenn es nicht endlich echte Reformen gibt. | https://www.sueddeutsche.de/politik/guatemala-ein-land-wie-ein-dampfkessel-1.2525561 | mlsum-de-1005 |
Sensationelle Dinge passieren in Lateinamerika. Die Öffentlichkeit nimmt Korruption unter Spitzenpolitikern nicht mehr einfach hin. Berichte über Zahlungen des brasilianischen Konzerns Odebrecht wühlen alle auf. | Wenn Spitzenpolitiker in Lateinamerika unter Korruptionsverdacht stehen, dann hält sich die Verwunderung in Grenzen. Verblüffung herrscht erst, wenn diese Politiker deshalb in Schwierigkeiten oder gar ins Gefängnis geraten. Seit sich die Korruptionsermittlungen der Operation Lava Jato (Autowäsche) von Brasilien aus in alle Himmelsrichtungen verästeln, kommen die Zeitungen nicht mehr aus dem Staunen heraus. "Man kann nicht aufhören, sich zu wundern", schreibt etwa La Nación aus Argentinien. Gemeint ist nicht der grenzenlose Schmiergeldsumpf, sondern die forsche Art, dagegen vorzugehen. Der derzeit spektakulärste Erfolg der Lava-Jato-Fahnder sind die gesammelten Kronzeugenaussagen der ehemaligen Führungsriege des brasilianischen Baukonzerns Odebrecht. Sie bringen heutige und ehemalige Staatschefs der gesamten Region in Bedrängnis. Odebrecht hat demnach über Jahre hinweg systematisch Geld an höchste Regierungskreise verteilt, um sich Aufträge zu sichern. La Nación nimmt die Enthüllungen zum Anlass, um ein Loblied auf die Justiz im Nachbarland anzustimmen: "125 Verurteilungen, bei denen sich die Haftstrafen auf 1317 Jahre summieren. Diese Ermittlungen haben Brasilien für immer verändert. Eine über Jahrzehnte vorherrschende illegale Praxis, wie Politik und Geschäfte gemacht werden, hängt plötzlich in den Seilen." Zwar verweist La Nación auch auf die Kollateralschäden der Verhaftungswelle: "Sie hat zu einer Stigmatisierung der kompletten politischen Klasse beigetragen, die Volkswirtschaft paralysiert und eine Identitätskrise unter den Brasilianern ausgelöst." Trotzdem wäre aus Sicht dieser Zeitung eine derartige Schocktherapie auch in anderen Ländern dringend notwendig, zum Beispiel in Argentinien. Die Kollegen von La Estrella de Panamá sehen das anders. Sie scheinen sich vor allem um den heimischen Finanzstandort zu sorgen, der nach jetzigem Ermittlungsstand zu den Hauptumschlagplätzen für brasilianisches Schmiergeld gehört. Das Blatt zeichnet das Bild einer internationalen Verschwörung und verweist darauf, dass die Kronzeugenregelung im Fall Odebrecht in einer Kooperation brasilianischer und US-amerikanischer Behörden zustande kam. "Warum wird mit dieser Regelung die Korruption dieses multinationalen Konzerns belohnt, der sich seine Vormacht durch die Bestechung von Amtsträgern sicherte, die von der nordamerikanischen Regierung ausgesucht werden?", fragt La Estrella de Panamá. Die Antwort liefert die Zeitung gleich hinterher: Damit sei der Weg frei für die Jagd auf all jene, die "die USA gerne aus dem politischen Spiel entfernen möchten". Bemerkenswert sind auch die Reaktionen aus Peru, wo sowohl Präsident Pedro Pablo Kuczynski als auch seine drei letzten Amtsvorgänger im Verdacht stehen, Geld von Odebrecht bezogen zu haben. Bei El Comercio aus Lima klingt es fast so, als wären sie Opfer einer korrupten brasilianischen Staatspolitik. Die Zeitung notiert mit patriotischem Unterton: "Selbstverständlich tragen wir unseren Teil der Verantwortung. Aber der brasilianische Staat muss auch Reparationen an Peru bezahlen für den enormen Schaden, den er hier angerichtet hat." "Das ist selbstverständlich ein Irrtum", entgegnet darauf die Lateinamerika-Ausgabe der spanischen Zeitung El País. So ziemlich alles, was Lateinamerika über die Korruption in einzelnen Nationen wisse, stamme aus den brasilianischen Akten. Es dürfe deshalb jetzt nicht darum gehen, den Schaden aufzurechnen, sondern den Nutzen zu begreifen: "Brasilien verdanken wir eine beispiellose juristische und gesellschaftliche Revolution." | https://www.sueddeutsche.de/politik/meine-presseschau-aktion-autowaesche-1.3414343 | mlsum-de-1006 |
Mesut Özil lenkt das Spiel des FC Arsenal in dieser Saison ungeahnt kreativ. Ohne den Weltmeister läuft wenig - das Team ist spielerisch abhängig vom Deutschen. | Ein Innenverteidiger (Laurent Koscielny) als Matchwinner, ein Torhüter (Petr Cech) als sogenannter main talking point, das Spiel (scheußlich) und das Wetter (scheußlicher) eine einzige Zumutung: Die Erwartungen der Arsenal-Anhänger an eine lockerleichte Gala-Vorstellung gegen Abstiegskandidat Newcastle United wurden am Wochenende im Emirates-Stadion so gründlich enttäuscht, dass am Ende die Freude paradoxerweise umso größer war. Arsenals Fans begrüßten das zittrige 1:0 mit begeistertem Gebrüll: Was könnte an diesem eklig verregneten Nach-Neujahrstag schöner sein als ein derart hässlicher Sieg an der Tabellenspitze, ein Erfolg wider das eigene Künstler-Naturell? Das kleine Ergebnis fühlte sich sehr bedeutsam an, fand auch Trainer Arsène Wenger, es könne an anderen fußballerischen Regentagen als Gedächtnishilfe dienen. "Wenn man nicht gut spielt, muss man zusammen halten und einen Weg finden, trotzdem zu gewinnen", sagte der Elsässer, "wir können uns in der Zukunft daran erinnern, wie das heute war." Ob man sich später auch außerhalb Nordlondons an die mit überaus schlichten Mitteln - Ecke Mesut Özil, Kopfball-Pingpong im Newcastle-Strafraum, Abstauber Koscielny (71.) - erstrittenen drei Punkte erinnern wird, dürfte ganz wesentlich vom Ausgang des Titelrennens abrennen, doch Wenger konnte nach Abschluss des harten Weihnachtsprogramms mit vier Spielen in 13 Tagen zufrieden sein Fazit ziehen: "Wir haben sehr viel investiert. Zehn Punkte wären ideal gewesen, neun sind akzeptabel." In einer auf mittelhohem Qualitätsniveau wankelmütigen Liga reicht diese Ausbeute, um als Spitzenreiter und Favorit in die kommenden Wochen zu gehen. Özil ist Kandidat für die Wahl zum Spieler des Jahres in England Bis zum nächsten Ligaspiel in zehn Tagen können die Gunners neue Kraft schöpfen, denn im FA-Pokal gegen Sunderland am kommenden Samstag wird Wenger voraussichtlich dem einen oder anderen Stammspieler eine Pause gönnen. Mesut Özil, bisher der herausragende Akteur in der Liga und Top-Kandidat für die Wahl zum Spieler des Jahres in England, wirkte gegen Newcastle leicht erschöpft. Der 27-Jährige ist in seiner dritten Saison an der Themse zum wichtigsten Mann seiner Elf gereift, Arsenal lebt immer mehr und immer besser von seinen minutiös genauen Pässen im letzten Drittel (16 Torvorlagen) und seiner nonchalanten Ballsicherheit im Spiel zwischen den Linien. "Immer wenn du denkst, jetzt müsste er eigentlich abspielen, spielt er den Ball - noch bevor du den Gedanken zu Ende gedacht hast", sagte Wenger vor der Partie. | https://www.sueddeutsche.de/sport/premier-league-arsenal-haengt-am-oezil-tropf-1.2804446 | mlsum-de-1007 |
Im Dezember wurde sie Mutter, nun spielt Viktoria Asarenka in Wimbledon wieder Tennis. Ihr Comeback mit Baby soll auch eine Botschaft sein. | Über eine teuflisch harte Vorhand verfügt Viktoria Asarenka und über gefährlich lange Passierschläge. Aber was sie im Turnieralltag derzeit wirklich braucht, ist eine Engelsgeduld. "Nicht vor 17.00 Uhr", stand kurz und knapp auf dem Matchplan, den man ihr am Vorabend ausgehändigt hatte, ohne weitere Zeit- und Ortsangaben. Die Mauern von Court Number One warfen schon lange Schatten, als sie endlich die burgartige Arena betrat. "Ich musste im Grunde den ganzen Tag über auf der Anlage sein", sagte Asarenka, nachdem sie drei Sätze später einen Matchball verwandelt und dann noch ein Weilchen gewartet hatte, ehe ein Pressekonferenzraum für sie frei geworden war. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich längst die Nacht über London gelegt. Es war ein langer erster Arbeitstag für eine Profispielerin. Vor allem für eine Profispielerin, die ein sechseinhalb Monate altes Baby zuhause hat. Die 27-jährige Viktoria Asarenka aus Minsk hat nach der Geburt ihres Sohnes Leo am 19. Dezember schon vor zwei Wochen in Mallorca ein paar Matches unter Wettbewerbsbedingungen bestritten. Aber erst hier, in Wimbledon, muss sich zeigen, wie gut sie Stopps, Schnuller und Schmetterbälle in Einklang bringen kann. Sie ist schließlich nicht irgendwer, sondern eine ehemalige Nummer Eins der Weltrangliste, Siegerin der Australian Open 2012 und 2013, eine Frau mit hohen Ansprüchen an sich selbst. Sie sagt selbst, dass sie kein Interesse daran habe, "nur zum Spaß" Bälle übers Netz zu dreschen. Im Gegenteil: "Ich will versuchen, noch besser zu werden, als ich jemals war." Nun ist es nichts Außergewöhnliches, Familie und Hochleistungssport zu verbinden. Tatjana Maria, eine deutsche Tennisspielerin, ist schon seit drei Jahren mit ihrem Mann und Töchterchen Charlotte auf der Tour. Am Dienstag gewann sie ihr Wimbledon-Auftaktmatch gegen die Russin Anastasia Potapowa, die nach einer Verletzung aufgeben musste (6:2 und 2:2), und sie sagt: "Mit Kindern zu reisen ist das Beste der Welt. Für sie ist es völlig unerheblich, ob man gewinnt oder verliert." Auch zwei weitere Kolleginnen, Kateryna Bondarenko und Jewgenia Rodina, haben Kinder. Leo schläft gut Asarenkas großes Vorbild ist die US-amerikanische Beachvolleyballspielerin Kerri Walsh, eine Mutter von drei Kindern, die dreimal Olympiasiegerin wurde und 2016 bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro mit 38 Jahren noch einmal Bronze gewonnen hat. Auch Asarenka hat die üblichen Umstellungen, die nächtlichen Unterbrechungen etwa, gut im Griff, wie sie sagt. Zumal: "Leo hat einen guten Schlaf." Problematisch sei eher die Logistik, weil Profitennis nun einmal ein Sport für Hotelreisende und Vielflieger ist. So hatte sie anfangs skeptisch auf den Vorschlag ihres neuen Trainers, Michael Joyce reagiert, nicht erst zur US-Hartplatzsaison im Spätsommer, sondern schon früher, vor Wimbledon, wieder in den Turnierbetrieb einzusteigen. "Zunächst war ich nicht sicher, ob ich mental schon darauf vorbereitet war. Ich hatte alles für die Rückkehr beim Turnier in Stanford geplant: die Flüge für uns alle, die Unterkünfte, die Hotelarrangements." Aber dann stellte sie beim Training fest, dass es doch eher die Matchpraxis war, die ihr nach der Geburt des Kindes fehlte. | https://www.sueddeutsche.de/sport/wimbledon-schnuller-zwischen-schmetterbaellen-1.3573009 | mlsum-de-1008 |
Die große Koalition plant, die Bundeswehr für Soldaten aus den Mitgliedsstaaten zu öffnen. Dagegen formiert sich Widerstand. | Laut Bundeswehrverband sollen sie unter sich bleiben: Deutsche Rekruten der Bundeswehr, hier vor dem Gelöbnis vor dem Reichstagsgebäude in Berlin. (Archivbild) Die Pläne der Bundesregierung zur Aufnahme von EU-Ausländern in die Bundeswehr stoßen auf Widerstand. Der Deutsche Bundeswehrverband (DBwV), die größte Interessenvertretung der Soldaten, lehnt das klar ab. "Die deutsche Staatsangehörigkeit ist für uns elementar und muss es bleiben - wegen des besonderen gegenseitigen Treueverhältnisses von Staat und Soldat und der gesetzlichen Verankerung", sagte Verbandschef Oberstleutnant André Wüstner der Deutschen Presse-Agentur. Seit Gründung der Bundeswehr vor 61 Jahren dürfen nur deutsche Staatsangehörige Soldaten werden. Das neue Weißbuch der Bundesregierung zur Sicherheitspolitik sieht einen Bruch mit diesem Prinzip vor. Am Mittwoch soll das Richtlinienpapier vom Kabinett beschlossen werden. In dem 83 Seiten starken Werk heißt es: "Nicht zuletzt böte die Öffnung der Bundeswehr für Bürgerinnen und Bürger der EU nicht nur ein weitreichendes Integrations- und Regenerationspotenzial für personelle Robustheit der Bundeswehr, sondern wäre auch ein starkes Signal für eine europäische Perspektive." Wüstner sagte dazu, der Soldatenberuf sei kein Beruf wie jeder andere. "Der rechtliche Rahmen und die wertebezogene Führungsphilosophie dürfen bei aller Offenheit für neue Konzepte niemals verwässert werden", betonte der Chef der Gewerkschaft der Soldaten. "Die Bereitschaft, im Zweifel für das zu sterben, was im Kopf und im Herzen ist, kann nicht für eine Bereitschaft zum selbigen für jeden beliebigen Staat oder Arbeitgeber gelten." Gerade die soldatische Identität habe eine enorme nationale Ausprägung - trotz europäischen Wertesystems. "Das muss der Politik immer wieder bewusst gemacht werden." Für die Aufnahme von EU-Ausländern in die Bundeswehr müsste das Soldatengesetz geändert werden, nicht aber das Grundgesetz. | https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeswehr-bundeswehrverband-will-keine-eu-auslaender-in-der-truppe-1.3076248 | mlsum-de-1009 |
Zahlreiche Bilanzveröffentlichungen können die Anleger nicht locken. Mitunter gibt es heftige Ausschläge wegen geplatzter Fusionsträume. | Licht und Schatten bei der Quartalsberichtssaison der Unternehmen haben am deutschen Aktienmarkt am Donnerstag für einen richtungslosen Handel gesorgt. Der Dax beendete den Handel nahezu unverändert bei 10 714 Punkten. Bei den Einzelwerten waren die Anleger insbesondere von den Zahlen von Fresenius angetan. Gute Geschäfte der Dialysetochter FMC verliehen dem Gesundheitskonzern Rückenwind. Im dritten Quartal stieg der Gewinn um neun Prozent. Für 2016 passte das Unternehmen die Prognose deshalb erneut leicht nach oben an. Die Fresenius-Aktie stand mit einem Plus von mehr als zwei Prozent an der Spitze der Dax-Gewinnerliste. Die Deutsche Bank hat im dritten Quartal zwar überraschenderweise einen Gewinn geschrieben. Doch noch immer steht die Frage im Raum, wie es im Streit mit den US-Justizbehörden weitergeht. Diese Unsicherheit ließ anfängliche Kursgewinne von mehr als drei Prozent dahinschmelzen. Zuletzt notierte die Deutsche-Bank-Aktie nur noch 0,6 Prozent höher. Auch Volkswagen und BASF überzeugten die Börsianer nicht. VW zeigte sich zwar trotz der finanziellen Folgen des Dieselskandals nach einem stabilen dritten Quartal für das Gesamtjahr zuversichtlicher. Doch bei der Hauptmarke Volkswagen brach das Ergebnis noch stärker ein als befürchtet. Die Aktie verlor 0,3 Prozent. Nach der Veröffentlichung endgültiger Quartalsresultate des Chemiekonzerns BASF waren die Anleger zunächst skeptisch. Anfänglichen Verlusten machten die Titel wett und stiegen um 0,7 Prozent. Einer der größten Dax-Verlierer war Lufthansa. Ein Streik bei den Töchtern Germanwings und Eurowings drückte den Aktienkurs der Fluggesellschaft um 1,5 Prozent. Im Tec-Dax stürzten die Titel des 3-D-Druck-Maschinenbauers SLM Solutions um über 16 Prozent ab. Die Übernahme durch den US-Konzern GE war gescheitert. Die Aktie von Osram litt unter Medienberichten, wonach das Bundeswirtschaftsministerium den Verkauf der Osram-Lampensparte Ledvance an chinesische Investoren vertieft prüfen will. Osram-Aktien waren mit minus 2,3 Prozent einer der größten M-Dax-Verlierer. In New York gab der Dow Jones trotz einer Reihe positiver Unternehmensnachrichten bis zum Handelsende leicht nach. Die Anteilsscheine von Tesla verteuerten sich zeitweise um mehr als vier Prozent. Der Elektroauto-Pioniers fuhr zum ersten Mal seit mehr als drei Jahren Gewinne ein. s | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/aktienmaerkte-dax-kaum-bewegt-1.3225580 | mlsum-de-1010 |
Die SPD wirft Minister Schäuble vor, eine neue Steuer zu verschleppen und damit den Koalitionsvertrag zu brechen. | Die SPD wirft Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor, die Einführung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Finanzmarktsteuer nachhaltig zu verzögern. "Ich erwarte, dass Deutschland bei der Einführung der Finanztransaktionsteuer endlich vorangeht", sagte Carsten Schneider, Vize-Chef der SPD-Bundestagsfraktion am Mittwoch der Süddeutschen Zeitung. Schäubles Taktik, die Steuer ständig von Vereinbarungen auf globaler, dann wieder europäischer und schließlich wieder globaler Ebene abhängig zu machen, führe nur zu Zeitverlust. Statt die Verantwortung hin und her zu schieben, sollten "der Bundesfinanzminister und die Bundeskanzlerin den Einfluss Deutschlands auch bei diesem Thema nutzen". Notfalls müsse die Einführung der Steuer auf Finanzgeschäfte am Rande eines der kommenden Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs politisch beschlossen werden. "Die SPD wird jedenfalls nicht beim stillen Tod assistieren", sagte Schneider. SPD und Union hatten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Umsatzsteuer auf den Handel mit Aktien, Derivaten und anderen Finanzdienstleistungen einzuführen. Bereits 2012 hatte die SPD die Steuer zur Bedingung gemacht für ihre Zustimmung zum europäischen Fiskalpakt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte den Pakt, der Schuldenbremsen für die EU-Mitglieder vorsieht, zu ihrem Prestigeprojekt erhoben. Der SPD-Parteikonvent hatte nur deshalb Merkels Projekt mitgetragen, weil vereinbart wurde, auch Spekulanten an den Finanzmärkten über eine Steuer zur Kasse zu bitten. Die SPD liest das Zögern Schäubles inzwischen als Koalitionsbruch und fordert Aufklärung. "Wenn die CDU das Ziel des Koalitionsvertrages aufgeben will, soll sie es deutlich sagen", sagt Schneider. Die Steuer könnte dem Bundeshaushalt jährlich 45 Milliarden Euro einbringen Tatsächlich liegt es vor allem am fehlenden politischen Willen, dass die Finanzmarktsteuer nicht eingeführt ist. Die Europäische Kommission hatte schon 2012 einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, um den Handel mit Aktien oder Schuldscheinen zu besteuern sowie den exzessiven Handel am Computer zu entschleunigen. Weil sich Großbritannien mit dem Finanzplatz London weigerte mitzumachen, beschloss eine Gruppe von elf Staaten, die Steuer freiwillig einzuführen. Davon sind noch zehn Staaten übrig. Neun müssen es mindestens sein, um die Steuer europaweit einzuführen. Dass es die Steuer noch immer nicht gibt, liegt nicht nur nach Ansicht der SPD, sondern auch der Grünen, insbesondere am Bundesfinanzminister. "Mit der Forderung nach einer weltweiten Finanztransaktionsteuer, die illusorisch ist, torpediert Finanzminister Schäuble die erfolgreiche Arbeit seiner Beamten", sagte die grüne Finanzexpertin Lisa Paus der SZ. Paus fordert die Bundesregierung auf, jetzt zu handeln. "Durch den bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union standen die Chancen für eine europäische Finanztransaktionsteuer nie besser", sagte Paus. London hatte wegen möglicher Auswirkungen der Steuer auf den Finanzplatz London gegen die Finanzmarktsteuer geklagt. Zwar hatte der Europäische Gerichtshof die Klage abgewiesen. Allerdings unsicher, ob London die Steuer noch einmal angreifen könnte. Zudem haben die Unterhändler die meisten technischen Probleme ausgeräumt. "Auf der Fachebene sind die Verhandlungen schon sehr weit", sagt Paus. Um sich zu einigen, müssten nur noch zwei Punkte geklärt werden. Zum einen fordert Slowenien finanzielle Entlastungen bei den Verwaltungskosten. Zum anderen will Belgien Ausnahmen für Pensionsfonds durchsetzen. Beide Forderungen seien nur politisch zu lösen, sagt Paus. "Jetzt ist ein konkretes politisches Verhandlungsangebot von Schäuble gefragt, um den Sack zuzumachen, und kein Ausweichen ins Weltweite." SPD-Fraktionsvize Schneider ist darüber hinaus auch bereit, mit einer Steuer nur in Deutschland voranzugehen. "Wenn es bis Ende des Jahres kein Ergebnis gibt, werde ich mich für die Einführung einer nationalen Steuer einsetzen." Die Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte könnte spürbar Geld in die nationalen Haushaltskassen spülen. Je nachdem welche Produkte besteuert werden, könnte allein Deutschland mit jährlichen Erlösen von bis zu 45 Milliarden Euro rechnen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/finanzmarktsteuer-schonzeit-fuer-spekulanten-1.3161898 | mlsum-de-1011 |
1860-Trainer Torsten Fröhling spürt zumindest den Zuspruch seiner Spieler - einige von ihnen sind nun allerdings angeschlagen. | An diesem Dienstag macht die Mannschaft des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München einen Ausflug auf das Oktoberfest, gemeinsam mit den Sponsoren, und sogar der Oberbürgermeister kommt. Den Wiesn-Termin kann man in München eben nicht absagen - selbst wenn man nach neun Spieltagen erst fünf Punkte und noch keinen Sieg erreicht hat. "Ich finde den Zeitpunkt ein bisschen unglücklich, weil wir schon am Freitag wieder spielen", sagte Trainer Torsten Fröhling mit Blick auf die Auswärtspartie in Bielefeld. Die Tradition müsse aber natürlich gewahrt bleiben, und die Veranstaltung wird ja im Rahmen bleiben: "Die Spieler dürfen schon eine Maß trinken, aber das war's dann." Vor dem Termin im Bierzelt haben sie an diesem Dienstag frei - was nichts mit dem Wiesnausflug zu tun hat, sondern mit der Trainingssteuerung. Bei vielen Fans des Giesinger Arbeiterklubs kommen freie Tage für die Profis schlecht an, Fröhling nimmt auf derlei Meinungen aber keine Rücksicht. Im Spiel, das er den Löwen verordnet hat, läuft mangels spielerischer Möglichkeiten, wie sie etwa RB Leipzig beim 2:2 am Sonntag vorführte, fast alles über Leidenschaft, Zweikämpfe und Laufarbeit. Zudem ist der Kader klein, Ausfälle wären schwer zu verkraften. Der Regeneration muss aufgrund all dieser Faktoren ein großer Stellenwert eingeräumt werden. "Wir spielen am Limit und sehr intensiv. Es sind wieder ein paar Blessuren dabei", sagte Fröhling nach dem Remis gegen Leipzig, "bei einigen Spielern zwickt es." Die Außenverteidiger Maximilian Wittek und Gary Kagelmacher sowie der diesmal wieder überzeugende Angreifer Marius Wolf klagten über Blessuren, und Innenverteidiger Rodnei musste nach seinem ersten Einsatz von Beginn an gleich mal zur Massage. Der Brasilianer überzeugte vornehmlich, indem er sich in jeden Ball warf - ein paar Fehler zu Beginn machte er mit seinem Einsatzwillen wett, er wurde im Laufe der Partie immer besser. Gegen Leipzig lief kein Spieler mehr als Michael Liendl Für seinen neuen Fleiß belohnt wurde Stürmer Rubin Okotie, der erstmals seit siebeneinhalb Monaten wieder ein Tor erzielte. "Man hat im Training die ganze Zeit schon gesehen, dass er will und fit ist", sagte Fröhling, "das musste irgendwann mal klappen." Dass der von Fröhling zunächst nicht regelmäßige berücksichtigte Zugang Michael Liendl zwar von Beginn an spielte, aber nicht auf der Zehn, sondern im defensiven Mittelfeld als einer von drei (!) Sechsern, war eine taktische Maßnahme gegen den Leipziger Kombinationsfußball. Und eine gute Schule, um den eher filigranen Ballverteiler Liendl ans kampf- und laufintensive Spiel der Münchner zu gewöhnen - das gelang, wie die Statistik zeigte. Kaum ein Spieler der Münchner lief mehr als der Österreicher, der allerdings mit einem Ballverlust den Konter zum 0:1 verursachte. "Er hat es ordentlich gemacht, hat sich reingebissen", sagte Fröhling, "wobei er mehr kann - das weiß er selber." Fehler, aber auch Mut und Wille - diese Beschreibung traf aufs ganze Team zu. Es war daher auch ein Spiel für den Trainer: Dass die Klubverantwortlichen im Hintergrund nach möglichen Alternativen fahnden und die Treueschwüre der Geschäftsführer Noor Basha und Markus Rejek schwammig ausfielen, haben auch Fröhling und seine Spieler vernommen. Dass seine Mannschaft so ans Limit geht, dass hinterher allerlei medizinische Betreuung nötig ist, darf der Trainer durchaus als Kompliment für sich werten - und tat das auch: "Von der Sache her ist das alles gut, die Mannschaft hat immer wieder eine Reaktion gezeigt und hat sich reingebissen. Das Spiel wäre sensationell gewesen, wenn wir drei, vier Punkte mehr hätten." Haben die Löwen aber nicht, wenngleich es durchaus möglich gewesen wäre, etwa in Nürnberg (2:2) und gegen Union Berlin (0:0) zu gewinnen. "Meine Zukunft? Wir müssen punkten - auch jetzt in Bielefeld und dann nach der Länderspielpause zu Hause gegen Karlsruhe", sagt Fröhling. "Da kommen wir nicht drumrum. Ich kann doch nur meinen Job machen, so gut es geht." Von der Anhängerschaft wurde eine Trainerentlassung am Sonntag in der Arena nicht beantragt, ganz im Gegenteil. "Was mich gefreut hat, ist, dass wir im Stadion sehr viel Zuspruch hatten, wie applaudiert wurde", stellte Fröhling fest. Ein Unterschied zur Vorsaison liegt in der Tat darin, dass die Leistungen in der Arena beim Publikum besser ankommen. "Ich freue mich wieder auf die Heimspiele", sagt der Trainer. Und hofft, dass er beim nächsten noch im Amt ist. | https://www.sueddeutsche.de/sport/tsv-1860-leichtes-zwicken-1.2668901 | mlsum-de-1012 |
Sie fürchten einem Bericht zufolge, dass der US-Präsident sich unter Eid in Widersprüche verwickeln könnte. Außerdem bezweifeln sie, dass Sonderermittler Mueller in einem juristischen Streit die Oberhand hätte. | Mehrere Anwälte Donald Trumps sollen dem US-Präsidenten davon abgeraten haben, sich in der Russland-Affäre auf eine persönliche Befragung durch Sonderermittler Robert Mueller einzulassen. Das berichtet die New York Times unter Berufung auf vier informierte Quellen. Demnach befürchten die Anwälte, Trump könne sich in Widersprüche verwickeln, wenn Mueller ihn zur Einmischung Russlands in den Präsidentschaftswahlkampf 2016 befragen würde. Eine Aussageverweigerung könnte wirken, als wolle der Präsident etwas verheimlichen. Zudem könnte Mueller versuchen, ihn juristisch vorzuladen. Doch Trumps Anwälte zweifeln diese Möglichkeit an. Der New York Times zufolge argumentieren sie, Mueller habe keineswegs die juristische Oberhand über den US-Präsidenten. Trump selbst hat mehrfach betont, er sei bereit auszusagen. "Ich freue mich darauf", sagte er Ende Januar zu Medienvertretern. Der frühere FBI-Chef Mueller untersucht im Auftrag des Justizministeriums, ob es während des Wahlkampfs 2016 geheime Absprachen zwischen dem Team von Trump und der russischen Regierung gegeben hat. Die US-Geheimdienste sind sicher, dass Moskau damals versucht hat, durch eine breite Sabotageaktion der Demokratin Hillary Clinton zu schaden und dem Republikaner Trump zu helfen. Unklar ist, ob Trump oder seine Leute davon wussten und den Russen möglicherweise sogar geholfen haben. Eine solche "Kollusion" könnte illegal gewesen sein. Klare Belege für eine wissentliche Zusammenarbeit fehlen Im Zuge der Ermittlungen sind allerlei dubiose Kontakte zwischen wichtigen Mitarbeitern Trumps und russischen Vertretern bekannt geworden. Mueller hat bereits vier frühere Wahlkampfmitarbeiter angeklagt - unter anderem, weil sie ihn bezüglich dieser Kontakte belogen hatten. Klare Belege für eine wissentliche Zusammenarbeit zwischen Trumps Team und Moskau fehlen jedoch. Zudem gibt es bislang keinen Hinweis darauf, dass Trump persönlich in irgendeine Art von Kollusion mit Moskau verwickelt war. Unter Verdacht stehen vor allem sein Sohn Donald Junior und sein ehemaliger Sicherheitsberater Michael Flynn. Doch nach allem, was man über Muellers Anfrage im Weißen Haus weiß, geht es dem Ermittler auch weniger um Trumps Beziehung zu Moskau, sondern eher um den Verdacht, Trump habe später die Justiz behindert, weil er die Russland-Ermittlungen zu unterbinden versuchte. Vor wenigen Tagen hat Trump die Veröffentlichung eines umstrittenen Geheim-Memos unterstützt, in dem es um Verfehlungen des FBI und des Justizministeriums in der Russland-Affäre geht. Die Demokraten kritisieren, damit solle die Arbeit von Sonderermittler Mueller diskreditiert werden. Sie haben selbst ein Memo eingebracht, dessen Veröffentlichung Trump in den kommenden Tagen zustimmen soll. | https://www.sueddeutsche.de/politik/trump-russland-affaere-anwaelte-mueller-1.3855658 | mlsum-de-1013 |
Die Verbindungen zwischen gewaltbereiten Gruppen seien besorgniserregend, sagt der Justizminister - und wirbt für mehr Freiheiten des Verfassungsschutzes. | Nach der Festnahme eines rechtsesoterischen "Reichsbürgers", der mit sechs weiteren Männern Anschläge geplant haben soll, warnt Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vor rechtsextremen Netzwerken. "Unsere Sicherheitsbehörden stellen fest, dass sich rechtsextreme Gruppen organisatorisch immer enger zusammenschließen", sagte Maas der Nachrichtenagentur dpa. Diese Gruppen verfolgten ganz klar das Ziel, vernetzt besser Straftaten begehen zu können. "Das ist besorgniserregend." Bei einer bundesweiten Razzia gegen Rechtsextremisten hatte die Bundesanwaltschaft am Mittwoch zwei Verdächtige festgenomen. Der Hauptverdächtige ist ein 62-Jähriger aus Schwetzingen nahe Heidelberg, der mit einer Gruppe von Helfern offenbar Anschläge auf Juden, Asylbewerber und Polizisten in Deutschland geplant hat. Bei der Polizeiaktion wurden laut Bundesanwaltschaft diverse Waffen, eine große Menge an Munition sowie Sprengmittel sichergestellt. Vor diesem Hintergrund bekräftigte Maas noch einmal seine Forderung nach einem verschärften Waffenrecht: "Wir müssen alles tun, damit extremistische Reichsbürger erst gar nicht in den Besitz von Waffen kommen", sagte der Justizminister. Zugleich nannte er die erweiterten Befugnisse des Verfassungsschutzes in diesem Punkt einen wichtigen Schritt: Die Daten bekannter Extremisten sollten künftig mit denen von Waffenbesitzern und Antragstellern abgeglichen werden. In Deutschland gibt es mehrere Tausend sogenannte "Reichsbürger", die die Existenz der Bundesrepublik leugnen und die Zusammenarbeit mit Behörden verweigern. Im Oktober hatte ein Anhänger der Gruppierung in Georgensgmünd bei Nürnberg einen Polizisten erschossen und drei weitere verletzt. Das Bundesinnenministerium hält die rechte "Reichsbürger"-Gruppierung für eine ernstzunehmende extremistische Gefahr. | https://www.sueddeutsche.de/politik/heiko-maas-maas-rechtsextreme-szene-ist-immer-staerker-vernetzt-1.3350150 | mlsum-de-1014 |
Maxi Kleber nutzt die Halbfinal-Serie in den Playoffs gegen Bamberg um für mehr Verantwortung im Spiel des FC Bayern München zu werben. | Maxi Kleber hatte nach dem Spiel den wohl schwersten Gang noch vor sich: Er musste zur anberaumten Autogrammstunde, mit dem miesen Gefühl der wohl entscheidenden Heimniederlage im Playoff-Halbfinale gegen Bamberg. Nach dem 76:90 am Mittwoch und dem Zwischenstand von 0:2 in der Best-of-five-Serie gab es sicher Schöneres, als vor leuchtenden Fan-Augen seinen Namen irgendwo hinzukritzeln. Kleber erledigte auch die letzte Prüfung des Abends bravourös. So kann man auch seine Leistungen in den Playoffs bezeichnen. Kapitän Bryce Taylor sagte nach dem Spiel: "Maxi ist großartig. Er macht uns so viel besser. Er ist unser bester Spieler in den Playoffs." Trainer Svetislav Pesic glaubt, dass Kleber, der mit spektakulären Blocks die Bamberger Werfer in der ersten Halbzeit verunsichert hatte, auf einem sehr guten Weg sei, "eine große Nummer in unserem Konzept zu werden". Kleber hatte bekanntlich die halbe Saison verpasst, da sich eine Sprunggelenksverletzung als äußerst hartnäckig erwiesen hatte. Und obwohl er immer noch nicht schmerzfrei trainieren und spielen kann, kommt der gebürtige Würzburger, der erst Mitte Januar sein Debüt für die Bayern feierte, immer besser in Form. In der Viertelfinal-Serie gegen Ludwigsburg wurde der 24-Jährige endgültig zu einem spielbestimmenden Faktor, nun allerdings neigt sich die Saison für den 2,07 Meter großen Power Forward wohl dem Ende entgegen. Immerhin konnte Kleber zeigen, dass die in ihn gesteckten Hoffnungen des FC Bayern berechtigt sind. Vor allem sein spektakuläres Abwehrspiel, wenn Kleber wie aus dem Nichts angeflogen kommt und Würfe abräumt, hat beeindruckt. Kleber selbst sagt, dass noch viel Luft nach oben sei. Gerade in der Offensive kann der Power Forward, der sich zuvor in Spanien bei Obradoiro CAB einen Namen gemacht hat und unter anderem von Bamberg umworben gewesen sein soll, aufgrund des späten Saisoneinstiegs noch nicht bei 100 Prozent sein. Vielleicht ein kleines Trostpflaster für die Münchner, sollte im dritten Spiel am Sonntag in Bamberg (19.30 Uhr) Schluss sein. | https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-aus-dem-nichts-1.3007476 | mlsum-de-1015 |
Er wurde von Thomas Tuchel ausgesucht und steht unter Derwisch-Verdacht: Wenn Martin Schmidt an der Seitenlinie steht, kann es laut werden. Von seiner emotionalen Art will Mainz 05 im Abstiegskampf profitieren. | Ein einziger Buchstabe macht diesen hübschen Witz kaputt. Nein, nicht der frühere Skispringer Martin Schmitt übernimmt die Trainergeschicke beim FSV Mainz 05, sondern Martin Schmidt - mit "dt" statt "tt". Ein Schweizer, von Beruf Fußballtrainer, der zuletzt die U23 des Vereins verantwortete. Der in seinem Leben zwar viel Ski gefahren, aber vermutlich noch nie eine Schanze hinunter gebrettert ist. Die Ereignisse haben sich bei Mainz 05 überschlagen seit dem turbulenten 2:4 am Freitagabend in Dortmund. Doch es war nicht dieses Spiel, es war die Gesamtbilanz, die dem bisherigen Coach Kaspar Hjulmand zum Verhängnis wurde: Tabellenplatz 14, nur ein Sieg aus zuletzt 13 Spielen. Mit diesem Kader dürfe man nicht absteigen, hatte Christian Heidel, der mächtige Manager des Klubs, vor dem Auftritt beim BVB gesagt. Da war Hjulmands Ruf bereits arg angeknackst. Nun also Martin Schmidt, eine interne Lösung, aber eine viel beachtete: Am Dienstagmorgen leitete der 47-Jährige bereits das Training, in blauem Trainingsanzug wirbelte er über den Rasen, schleppte sogar einen Wasserkasten selbst. Er gilt als deutlich emotionalerer Typ als Hjulmand. Früher war er Extremskifahrer, dann fuhr er Autorennen, hatte eine eigene Tuning-Firma. Es kann sehr laut werden, wenn Schmidt an der Seitenlinie tobt, da steht er sogar unter Derwisch-Verdacht: Dann gestikuliert er, geht in die Knie, schimpft sich in Rage, dirigiert und korrigiert. Die vierten Offiziellen in der Bundesliga können sich auf etwas mehr Trubel einstellen. Bei seiner Vorstellung ist Schmidt heiser Darunter leidet schon mal Schmidts Stimme. Bei der Vorstellung am Dienstagmittag in der Mainzer Arena ist er merklich heiser. "Ich bin normalerweise ein lauter Trainer", entschuldigt er sich, aber beim letzten Drittligaspiel der U23 hatte er es mit der Schreierei etwas übertrieben. Nach einigen beruflichen Umwegen hatte Schmidt zehn Jahre als Trainer in der Schweiz gearbeitet, 2010 kam er nach Mainz - übrigens auf Drängen von Hjulmands Vorgänger Thomas Tuchel. "Ein sehr feiner Kerl mit extrem hohem Fachwissen", sagte Tuchel einst über Schmidt. Schon als Tuchel im Mai 2014 überraschend seine Auszeit verkündete, war Schmidt ein ernsthafter Kandidat, doch der Klub entschied sich für Hjulmand. Mit acht Monaten Verspätung erhält Schmidt nun seine Chance. "Ich weiß, welche Prinzipien und Attribute wir wieder rauskitzeln wollen", erklärte Schmidt: "Wir wollen die Zügel loslassen und wieder nach vorne maschieren." Das klang doch sehr nach dem, was Mainz 05 in der Bundesliga berühmt gemacht hat. Mit Hjulmand passte es nicht Mit dem öffentlich eher braven Hjulmand hatte es einfach nicht gepasst. Fast zu perfekt schien die Geschichte im Sommer, als Mainz in Hjulmand den dänischen Tuchel gefunden zu haben glaubte. Erste Rückschläge wie das frühe Aus in der Europa League (gegen Asteras Tripolis) und im DFB Pokal (FC Chemnitz) überstand man noch gemeinsam. Hjulmand galt als großer Fachmann, Anpassungsprobleme wurden ihm zugestanden. Die Negativserie brachte den Verein jedoch zum Nachdenken. Hjulmand sei beratungsresistent, hieß es schon länger im Verein. Trotz Heidels Bitten, an die Kernkompetenzen des Teams zu denken, sprich mutiger spielen zu lassen, ließ er weiter schnelle Passfolgen trainieren, vernachlässigte die Mainzer Tugenden. Das Team lieferte einen matten Auftritt nach dem anderen ab, sogar das Zuschauerinteresse ließ nach. Doch Hjulmand blieb stur. Heidel verabschiedete ihn trotzdem mit netten Worten, sagte aber, das Team brauche nun jemanden, der "Verein und Fans in einer schwierigen Phase einen und mitreißen" könne. Martin Schmidt traut er dies zu. | https://www.sueddeutsche.de/sport/neuer-trainer-martin-schmidt-mainz-dreht-die-lautstaerke-auf-1.2355146 | mlsum-de-1016 |
Die behelmten Gardisten sind mehr als bunte Folklore - sie schützen den Pontifex mit modernsten Mitteln | Wenn Elmar Mäder an seinem Schreibtisch sitzt, blicken 500 Jahre Geschichte auf ihn herab. An den Wänden des Büros hängen die Porträts aller früheren Kommandanten der Schweizergarde - der Elitetruppe des Papstes. "Sie beobachten mich, wie ich hier arbeite", sagt Mäder und blinzelt zu den 32 Männern empor, als seien es seine Kameraden. Grimmige Kämpfernaturen sind darunter, in Helm und Harnisch, altväterliche Herren mit gefältelten Halskrausen und höfisch wirkende Adelige mit gepuderten Perücken. Oberst Mäder fällt ein bisschen aus der Reihe, wie er so dasitzt mit seinen kurzen schwarzen Haaren, dem gedeckten Anzug und der Krawatte. Ein Mann der Moderne. Doch sein Auftrag ist derselbe wie vor einem halben Jahrtausend: "Wenn der Papst heil bleibt, haben wir unsere Pflicht erfüllt." Legionäre aus der Schweiz galten als unbesiegbar An diesem Sonntag ist es auf den Tag 500 Jahre her, dass die ersten Schweizer in den Kirchenstaat einrückten. Das wird mit einer Messe in der Sixtinischen Kapelle und später in diesem Jahr mit allerlei Festen und Ausstellungen gefeiert. Papst Julius II. hatte die ersten Schweizer 1506 gerufen, um sich in gewalttätigen Zeiten schützen zu lassen. Legionäre aus der Schweiz wurden damals von vielen Kriegsherren bevorzugt. Sie galten als mutig, treu und nahezu unbesiegbar. Die "Svizzeri" sollten ihrem Ruf rasch gerecht werden und beweisen: Die Garde ergibt sich nicht. Der "Sacco di Roma" - die Plünderung Roms 1527 - wurde zu ihrer Bluttaufe. Am 6. Mai jenes Jahres stürmten Landsknechte von Kaiser KarlV. die Stadt. Die Garde stellte sich der Übermacht. Klemens VII. musste erleben, wie seine Gardisten vor dem Hochaltar von Sankt Peter niedergemetzelt wurden. Dank des Einsatzes der Schweizer gelang dem Papst die Flucht in die Engelsburg. 147 Gardisten starben. Seither ist der 6. Mai der Feiertag der Garde, an dem die Rekruten vereidigt werden. Auch dieses Jahr werden die Burschen schwören, sich mit aller Kraft für die Päpste einzusetzen, "bereit, wenn es erheischt sein sollte, selbst mein Leben für sie hinzugeben". Die 110 Mann starke Truppe wird sich dann wieder von ihrer pittoresken Seite zeigen. Die Männer tragen silberne Helme mit Straußenfedern, Brustpanzer und die berühmten Gala-Uniformen in Blau-Rot-Gelb, den Farben der Medici. Aus 154 Teilen werden diese Prachtstücke genäht. Die Legende sagt, Michelangelo habe sie entworfen. Doch das lässt sich nicht belegen. "Michelangelo hatte viele Qualitäten, aber er war kein Schneider", meint der Gardist Christian Roland Marcel Richard, der ein Buch über die Garde verfasst hat. Relikt der Renaissance Von ihrer Gala-Seite her kennt die ganze Welt die Gardisten. Als Ehrenwachen stehen sie stramm und regungslos vor den Eingängen zum Vatikan, bei Audienzen auf dem Petersplatz oder bei Messen im Dom. Beliebte Fotomotive der Touristen, bunte Relikte der Renaissance, Staffage eines Operettenstaates? Oberst Mäder winkt ab. Nur acht Prozent ihrer Zeit verbrächten seine Männer mit diesem Ehrendienst, 80 Prozent dagegen mit Sicherheitsaufgaben. Die Vatikan-Zugänge, den Apostolischen Palast und den Papst müssen sie schützen; und das tun sie nicht mit ihren Hellebarden, Lanzen und Schwertern, sondern mit modernstem Gerät - und Feuerwaffen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/500-jahre-schweizergarde-stramm-an-der-seite-des-papstes-1.913797 | mlsum-de-1017 |
Nicht nur Marken aus dem VW-Konzern sind betroffen. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat teils verheerende Abgaswerte gemessen. | Die Abgas-Affäre bei Diesel-Fahrzeugen weitet sich aus. Nach Volkswagen starten jetzt auch andere deutsche Hersteller Rückrufaktionen, um für bessere Abgaswerte bei ihren Autos zu sorgen. Das verlautet aus Regierungskreisen in Berlin. Von dem neuen Rückruf sind demnach 630 000 Autos von Mercedes, Opel sowie Audi, Porsche und leichte VW-Nutzfahrzeuge betroffen, nicht aber Modelle der VW-Kernmarke. Die Aktion soll noch im Sommer durchgeführt werden. Anlass für die Maßnahme sind die Schadstoff-Messungen, mit denen das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) im Herbst vergangenen Jahres begonnen hatte und die durch die VW-Affäre ausgelöst worden waren. Bei den Untersuchungen zeigte sich, dass der größte Teil der mehr als 50 getesteten Modelle die Grenzwerte für Stickoxide nur im Labor einhielten. Also unter künstlichen, geschönten Bedingungen, nicht aber auf der Straße. Dort werden die Grenzwerte zum Teil weit überschritten. "Thermofenster" statt illegaler Software Bei den getesteten Wagen aller Hersteller sei zwar keine illegale Software gefunden worden. Aber es würden "Thermofenster" genutzt - eine Steuerung, die bei niedrigen Außentemperaturen die Abgasreinigung herunterfährt, damit der Motor keinen Schaden nehme. Bei manchen Modellen habe dies bereits bei einer Außentemperatur von 18 Grad begonnen, hieß es. Dieses Fenster werde von allen Herstellern ausgenutzt - bei manchen mehr, bei anderen weniger. Experten hegen Zweifel, ob die Technik zum Bauteilschutz wirklich in allen Fällen notwendig sei. Die Bundesregierung wolle nun auf eine Klarstellung im EU-Recht hinwirken. Die Typgenehmigung des KBA soll außerdem verschärft werden. Die Hersteller müssen künftig erklären, ob und warum sie das "Thermofenster" nutzen und dies ausführlich begründen. Das KBA werde dann weitere Tests vornehmen. Teils verheerende Abgaswerte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) wartete lange mit der am Nachmittag geplanten Veröffentlichung der Messergebnisse. Das geschah nach Angaben aus Regierungskreisen, um die Untersuchungen abzuschließen und um den Autoherstellern die Chance zu geben, auf die teils verheerenden Resultate zu reagieren und Maßnahmen einzuleiten. Stickoxide schädigen Mensch und Natur. Sie sind giftig und greifen die Atemwege an. Vor allem in den Städten, in denen sich der Autoverkehr ballt, fallen die Stickoxid-Werte hoch aus. Aus der Autobranche heißt es, das Ministerium habe in den vergangenen Tagen und Wochen mit den betroffenen Herstellern wiederholt darüber gesprochen, wie die Abgaswerte verbessert werden könnten. Außerdem seien die Konzerne auf die Veröffentlichung der Ergebnisse vorbereitet worden. Mit Material von Reuters und dpa | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/abgasskandal-deutsche-hersteller-rufen-hunderttausende-autos-zurueck-1.2962205 | mlsum-de-1018 |
Aus Abneigung gegenüber populistischen "Führern und Verführern" dürften Demokraten nicht deren Wähler ausgrenzen, mahnt der Ex-Bundespräsident. | Im Kampf gegen den Rechtspopulismus in Deutschland hat der frühere Bundespräsident Joachim Gauck vor einer pauschalen Ausgrenzung etwa von AfD-Anhängern gewarnt. Politik, Medien und Gesellschaft sollten sich dem Streit stellen. "Einen moralischen Bann vorschnell auszusprechen, entspricht nicht den Prinzipien einer offenen, demokratischen Gesellschaft", sagte das einstige Staatsoberhaupt am Dienstagabend vor mehr als 800 Studierenden in Essen, "es ist eben keine intellektuelle Leistung und keine politische Tugend, dem politischen Gegner die Debatte zu verweigern." Gauck sprach als diesjähriger Mercator-Professor der Universität Duisburg-Essen. Er nannte die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" (AfD) während seiner Vorlesung im Essener Audimax zwar nicht ausdrücklich bei ihrem Namen. Der 78-jährige ehemalige Politiker bezog sich jedoch auf Wähler, die "eine Rückkehr zu einer überschaubaren, homogenen Nation" und weniger Europa wünschten. Viele Menschen seien verunsichert durch Globalisierung und Digitalisierung. Das mache sie anfällig für "die Angststrategien" von Populisten, die "einfache Antworten, schnelle Entscheidungen, klare Hierarchien und weniger Verunsicherung" versprächen. Gauck geißelte zudem scharf die von der Rechten oft wiederbelebte Vorstellung von einem "wahren Volk, das von einer korrumpierten Elite - in Politik, Medien, auch mal Wissenschaft und Kultur - bevormundet und übergangen" würde. Gauck mahnte, die Politik müsse "Sensibilität zeigen für die Wirkweisen von Verunsicherung und Angst - und Gegenkräfte entwickeln." Eindringlich warnte er davor, sich dem Streit mit Wählern der Populisten zu entziehen. Überzeugte Demokraten dürften aus Abneigung gegenüber den "Führern und Verführern" nicht deren Wähler ausgrenzen: "Die Verunsicherten sind mehrheitlich noch keine Demokratiefeinde. Sie sind zu gewinnen, wenn die Demokratie sie wahrnimmt und verständlich anspricht." Argumente statt Arroganz gegen die Alternative, das ist Gaucks Rezept. Gauck: Auch Verlierern des Wandels muss beigestanden werden Zuvor hatte Gauck in seiner Rede gezielt an die Befürworter von Globalisierung und gesellschaftlichem Wandel appelliert, sich "achselzuckende Gleichgültigkeit und kulturelle Arroganz" zu sparen. Gauck fügte hinzu: "Leisten wir uns als Demokraten tatsächliche Debatten mit Andersdenkenden und vor allem Anderslebenden!" Gauck beschrieb die Gefahr, dass immer mehr Menschen "Zuflucht in sich abkapselnde, identitätsstiftende Klein- und Kleinstgruppen" suchten. Das untergrabe den Zusammenhalt der Gesellschaft. Zugleich forderte Gauck die Politik auf, den potentiellen Verlierern des wirtschaftlichen Strukturwandels und der Globalisierung beizustehen: "Sorgen wir in politischen Entscheidungen dafür, dass alle Menschen in unserem Land die Lasten der Veränderung gemeinsam tragen." So drohe etwa die Digitalisierung bis 2025 bis zu 1,6 Millionen Jobs zu vernichten. Es sei immer ein Kernversprechen der Bundesrepublik gewesen, auch diesen Menschen eine neue Chance zu eröffnen. Wer den Wandel nicht bewältige, müsse zudem "auf die Solidarität der Gesellschaft zählen können und abgefedert werden." Gauck schloss seine gut einstündige Rede mit einem Plädoyer für Aufklärung und Patriotismus. "Aufgeklärt sind wir, weil wir nicht nachplappern, was so leicht und so gefährlich ist: "Right or wrong - my country", rief er den Studierenden mit bebender Stimme zu. "Und Patrioten sind wir, weil wir Heimat haben in einem Land, das unseren Werten ein Zuhause bietet." | https://www.sueddeutsche.de/politik/ex-bundespraesident-gauck-rechtspopulismus-demokratie-1.4229957 | mlsum-de-1019 |
Die breit gefächerte Allianz für ein liberales Drogenstrafrecht hat eine lebhafte Debatte in den Online-Foren der SZ nach sich gezogen: | "Der Vergleich mit Alkohol bringt die Legalisierungsdebatte nicht weiter. Denn wo wäre der Gewinn, wenn man einem bereits in hohem Maße gesundheitsgefährdenden Rauschmittel ein anderes, wenngleich vermeintlich harmloseres, hinzufügen würde? Nein, die Zulassung einer Droge muss aus ihr selbst heraus gerechtfertigt sein. Und da spricht tatsächlich kaum etwas gegen eine Legalisierung von Marihuana. Zudem: Ein Staat sollte doch den Menschen nicht vorschreiben dürfen, was sie zu konsumieren haben! Deshalb bin ich für eine breite Aufklärung und ansonsten für einen freien Konsum aller Stoffe und Mittel bei den üblichen verkehrs- und jugendschutzrechtlichen Einschränkungen." (Daniel Langer auf Facebook) Der Name ,War on drugs' ist recht irreführend: Kriege enden - ein War on Drugs wird höchstens mit der Legalisierung enden, denn eine drogenfreie Gesellschaft ist eine Utopie, die es niemals geben wird. Jugendschutz kann nur durch Regulierung erfolgen, genauso wie Kontrolle über die Produkte.In der Suchttherapie/Prävention fehlt Geld, weil 80 bis 90 Prozent für Prohibitionsmaßnahmen ausgegeben werden. Süchtige werden nicht erreicht, weil sie sich verstecken müssen. Dies kann man nur ändern, indem man Kontakt zu den Konsumenten aufbaut, und das geschieht am besten über offene Verkaufsstellen. Das konnten viele Länder, die offener mit dem Thema umgehen, bereits feststellen." (Jan Wenceslav auf Facebook) "Dass Drogen für die Gesundheit des Einzelnen, wie auch der Gesellschaft eine Gefahr darstellen, ist überhaupt keine Frage. Drogen sind gefährlich! Die Frage ist allerdings, ob das Verbot dazu führt, dass weniger Drogen konsumiert werden. Und das ist offensichtlich eben nicht der Fall. Die Prohibition hat die gesteckten Ziele nicht erreicht - im Gegenteil, viele Probleme werden durch die Prohibition erst produziert oder zumindest verstärkt (Verwahrlosung, Beschaffungskriminalität, Drogentote). Es ist Zeit, aus dem Gedankengefängnis auszubrechen und eine wissenschaftlich statt emotional fundierte Debatte über die Entkriminalisierung nicht nur von Cannabis, sondern aller Drogen zu führen. Hoffentlich trägt dieser Vorstoß dazu bei." (Stan89 auf Sueddeutsche.de) ►Diskutieren Sie mit unter: www.sz.de/drogenpolitik Folgen Sie der Süddeutschen Zeitung auf twitter und Facebook: http://twitter.com/sz ; [Twitter]; http://facebook.com/Ihre.sz ; [Facebook]; | https://www.sueddeutsche.de/service/debatte-sz-suechtige-werden-nicht-erreicht-weil-sie-sich-verstecken-muessen-1.1938041 | mlsum-de-1020 |
Niemand bemerkt, dass der kleine Elijah mitten in der Nacht sein Bett verlässt und in die Kälte nach draußen geht. Bekleidet nur mit T-Shirt, Windel und Stiefeln - bei bis zu minus 20 Grad Celsius. Nun trauert Toronto um das Kind. | Überwachungskamera filmt Jungen beim Verlassen des Hauses Ein tragisches Ende hat der nächtliche Spaziergang eines kleinen Jungen in Toronto genommen: Der dreijährige Elijah erfror bei Außentemperaturen von bis zu minus 20 Grad Celsius, nachdem er offensichtlich unbemerkt von seiner Familie das Haus verlassen hatte. Eine Überwachungskamera filmte das Kind, wie es gegen 4.20 Uhr (Ortszeit) in der Nacht zum Donnerstag das Wohnhaus seiner Großmutter verließ - bekleidet nur mit einer Windel, einem T-Shirt und Schuhen. Verwandte bemerken Fehlen erst am nächsten Morgen Erst am nächsten Morgen, sechs Stunden später, meldeten die Verwandten den Kleinen als vermisst und lösten eine hektische Suche in der verschneiten kanadischen Metropole aus. Hunderte Polizisten und Freiwillige fahndeten nach Elijah. Der Junge wurde schließlich im Schnee vor einem Haus gefunden, einige hundert Meter von dem Wohnblock seiner Großmutter entfernt, wie der Fernsehsender CBC berichtete. Er wurde ins Krankenhaus gebracht, wo er starb. Stadt trauert um totes Kind Elijah, der häufig bei seiner Oma war, war Medienberichten zufolge den Weg zu seinem Kindergarten und noch ein Stück weiter gelaufen. Nachbarn spekulierten, dass er möglicherweise dorthin gewollt hatte, berichtet die Zeitung Toronto Globe and Mail. "Ich glaube, jeder in Toronto wird den Verlust verspüren", sagte der Polizeichef der Metropole, Bill Blair. "Wir trauern alle um dieses Kind und mit seiner Familie." | https://www.sueddeutsche.de/panorama/toronto-dreijaehriger-erfriert-bei-naechtlichem-spaziergang-1.2360787 | mlsum-de-1021 |
Autofahrer müssen sich bei der Kfz-Versicherung auf steigende Preise einstellen. Angesichts von Telematiktarifen und autonomen Autos wird sich viel ändern. | Der Kontrast könnte kaum größer sein. "Kfz-Versicherungsprämien sinken wieder", teilt das Online-Vergleichsportal Verivox mit. "Die Preise steigen", sagt dagegen Andreas Kelb, Kfz-Experte beim Rückversicherer Hannover Rück. Das Portal Verivox, das inzwischen zur Fernsehgruppe Pro Sieben Sat 1 gehört, versucht, wechselwillige Autofahrer auf seine Webseite zu locken. Die Einsparmöglichkeiten seien um drei bis vier Prozent größer als im Vorjahr, bestehende Verträge würden dagegen teurer, heißt es. Solche Marketingvolten wecken nach Einschätzung von Kelb falsche Erwartungen bei Verbrauchern - und manchen Versicherern. Insgesamt 61,8 Millionen Fahrzeuge sind in Deutschland versichert, einschließlich Lkw und Anhängern. Die Versicherungswirtschaft wird mit ihnen im laufenden Jahr 25 Milliarden Euro einnehmen. Jahrelang hatte die Branche Verluste in der wichtigen Sparte gemacht. Jetzt verdienen sie wieder: Kelb findet, dass sie das Geld angesichts eines steigenden Schadenaufwands und niedriger Zinsen auch brauchen. "Wir rechnen für 2016 mit Erhöhungen der Durchschnittsprämie in der Kraftfahrtpflichtversicherung um ein Prozent, in Vollkasko um zwei Prozent", sagt er. 2015 beträgt die Durchschnittsprämie in der Kraftfahrt-Haftpflicht 248 Euro, drei Euro mehr als im Vorjahr, in der Vollkaskoversicherung 314 Euro, zehn Euro mehr. In den kommenden Jahren wird sich ohnehin viel ändern. Dazu tragen zwei große Trends bei: die Telematiktarife, bei denen Fahrdaten zur Einschätzung des Risikos verwendet werden, und die selbstfahrenden oder teilweise selbstfahrenden Autos. Kelb gehört selbst zu einer Telematik-Testgruppe. Bei Fahrweise und Geschwindigkeitseinhaltung kann er 95 Prozent und 98 Prozent vorweisen, 100 Prozent wären perfekt, berichtet er. Aber bei Straßentyp, Tageszeit und Bevölkerungsdichte schneidet Kelb schlecht ab. Denn das System bestraft Autobahnfahrten, Fahrten in der Nacht und in der Stadt. Bislang stehe das alles noch am Anfang, sagt er mit hörbarer Skepsis. Aber die Telematik kommt. SV Direkt, Signal Iduna und VHV sind auf dem Markt. Bei Itzehoer, R+V und HUK-Coburg laufen Testphasen, und auch die mächtige Allianz hat für 2016 einen Telematik-Tarif angekündigt. Ernster nimmt Kelb das autonome Fahren. Auf Autobahnen sollen Fahrzeuge schon in wenigen Jahren per Autopilot fahren. "Dann stellt sich die Frage, wie das Fahrzeug versichert ist." Erwartungen, dass die Kraftfahrtversicherung nach und nach durch die Haftpflichtversicherung der Hersteller abgelöst würde, seien nicht zutreffend. "Der Fahrer fährt ja immer wieder auch selbst und muss das Fahrzeug versichern." Zudem könnten die Autoversicherer am besten mit den Schäden umgehen. Möglicherweise holen sie sich Schadenersatz beim Hersteller. | https://www.sueddeutsche.de/auto/rueckversicherer-kfz-praemien-im-umbruch-1.2698811 | mlsum-de-1022 |
Dortmund wird die Liga lange spannend halten, glaubt der frühere Bayern-Präsident. Rummenigge hofft auf Vorteile durch die Champions-League-Reform - Lahm, Müller und Alaba fallen gegen Ingolstadt aus. | Bundesliga: Uli Hoeneß erwartet im Bundesliga-Titelrennen von Rivale Borussia Dortmund trotz der namhaften Abgänge noch viel Gegenwehr. "Dortmund wird sich bis zum Ende der Saison sehr stark entwickeln. Ich habe sie gegen Warschau gesehen. Eine sehr junge Mannschaft, aber unheimlich entwicklungsfähig. Von Dortmund können wir einiges erwarten", sagte der designierte Präsident des FC Bayern München der Bild-Zeitung.Der BVB musste in der Sommerpause die Abgänge von Mats Hummels (FC Bayern), Ilkay Gündogan (Manchester City) und Henrich Mchitarjan (Manchester United) verkraften, dafür holten die Westfalen die beiden Weltmeister Mario Götze und André Schürrle sowie eine Reihe junger, hoffnungsvoller Spieler. Hoeneß betonte, dass er sich auf die Duelle freue, "denn wir alle wollen auch eine spannende Bundesliga haben und ich glaube, die Spannung wird früher kommen, als wir gerade denken". Lobende Worte fand der 64-Jährige, der im November für das Amt des Bayern-Präsidenten kandidieren wird, für Rückkehrer Hummels. "Wir haben ja das Gefühl: Mats war nie weg. Der hat sich sofort nahtlos eingefügt. Er gefällt mir sehr gut", ergänzte Hoeneß. Ähnlich überzeugt ist er vom neuen Coach Carlo Ancelotti. Der Italiener sei ein "grandioser Trainer" und ein "grandioser Mensch".Zur Präsidenten-Wahl wollte sich Hoeneß ebenso wenig wie zum Fall Beckenbauer äußern. Der Weltmeister von 1974 war bereits von 2009 bis 2014 Bayern-Präsident, ehe er das Amt wegen seiner Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung niedergelegt hatte. FC Bayern: Karl-Heinz Rummenigge sieht für Bayern in der umstrittenen Reform der Champions League mit deutlich höheren Einnahmen die Möglichkeit, im Kampf um internationale Topstars auch in Zukunft mithalten zu können. "So können wir nicht nur unseren deutschen, sondern auch den ausländischen Spielern ein Gesamtpaket anbieten, das sie zufriedenstellt", sagte der Vorstandsvorsitzende des deutschen Fußball-Rekordmeisters im Spiegel. Rummenigge äußerte sich in dem Interview "optimistisch", dass unter den veränderten Voraussetzungen auch Topstürmer Robert Lewandowski "noch lange beim FC Bayern seine Tore schießen" werde. Der 28 Jahre alte Pole steht noch bis 30. Juni 2019 in München unter Vertrag. Der Torjäger aus Polen wird immer wieder mit Real Madrid in Verbindung gebracht. Nach der 2018 greifenden Champions-League-Reform sollen sich die Einnahmen im wichtigsten Vereinswettbewerb für alle Teilnehmer stark erhöhen. Der FC Bayern könnte künftig über 100 Millionen Euro pro Saison in der Königsklasse einnehmen. Als Vorsitzender der Europäischen Club-Vereinigung (ECA) verteidigt Rummenigge die Reform.Eine Superliga der Topvereine sei so verhindert worden. Dazu konnte die wirtschaftliche Übermacht der englischen Vereine durch eine Reform des sogenannten Marktpools eingegrenzt werden. "Die Champions League wäre, salopp formuliert, in die Luft geflogen", behauptete Rummenigge. Die englische Premier League erdrücke alle anderen Ligen und Vereine mit ihren 3,3 Milliarden Euro an TV-Einnahmen pro Saison. Bundesliga, FC Bayern: Bayern München muss im bayerischen Derby gegen den FC Ingolstadt am Samstag (15.30 Uhr/Sky) auf Kapitän Philipp Lahm, Thomas Müller und David Alaba verzichten. Das Trio leidet an einem Magen-Darm-Virus. "Sie können nicht spielen", sagte Trainer Carlo Ancelotti am Freitag. Dagegen steht Abwehrchef Jérôme Boateng wieder zur Verfügung. Auch Nationalspieler Mats Hummels steht nach seiner leichten Gehirnerschütterung und zwei Tagen Trainingspause bereit. Ancelotti verriet außerdem, dass Joshua Kimmich ebenso in der Startelf stehen wird wie der genesene Kingsley Coman. "Kingsley hat gut trainiert, er ist bereit zu spielen, er beginnt", sagte der Italiener. FC Bayern, Arjen Robben: Arjen Robben kann wieder lächeln. Zunächst noch auf dem Trainingsplatz - und bald auch wieder auf der große Fußballbühne im Stadion. "Es schaut ganz gut aus", berichtete der 32 Jahre alte Niederländer, dessen letztes Pflichtspiel für den FC Bayern München inzwischen die Ewigkeit von mehr als einem halben Jahr zurückliegt. Überstürzen will der verletzungsanfällige Robben bei seinem x-ten Comeback jedenfalls nichts. An diesem Samstag gegen den FC Ingolstadt wird es noch nicht so weit sein. Aber Trainer Carlo Ancelotti hatte die Rückkehr für die Zeit danach in Aussicht gestellt. "Wir planen von Tag zu Tag", berichtete Robben im vereinseigenen FCB.tv. Am 5. März bestritt er beim 0:0 in Dortmund sein letztes Ligaspiel. Eine Adduktorenverletzung bedeutete das Saison-Aus. Robben schuftete im Sommerurlaub für sein Comeback. Aber gleich im ersten Testspiel in Lippstadt folgte der Rückschlag - erneute Adduktorenverletzung. "Das war noch mal ein harter Schlag", gestand Robben jetzt. Er gab einen Einblick in sein Seelenleben: "Da verliert man auch ein bisschen die Motivation, Kraft und Energie." Jetzt ist alles wieder da. Und ein früher Weihnachtswunsch: Sein "einziges Ziel" sei es nun, bis zur Winterpause verletzungsfrei mit einem Lachen dazustehen. | https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-uli-hoeness-lobt-sehr-starken-bvb-1.3166667 | mlsum-de-1023 |
Die Regierung beschließt die Eckwerte für 2017 - und alle fühlen sich als Sieger. Kräftig steigen werden auch Ausgaben für Arbeit und Soziales. | BerlinBundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sitzt am Dienstagmorgen im Flughafen Tegel fest. Eine Gans ist mit dem Flugzeug kollidiert, das Schäuble nach Frankfurt hätte bringen sollen. In die Warterei hinein erreicht den Unionspolitiker die Nachricht über die schrecklichen Terrorangriffe auf den Flughafen Brüssel und die dortige Metro. Am Tag danach sitzt Schäuble in der Bundespressekonferenz, um seine Haushaltsplanung für 2017 und die folgenden Jahre bis 2020 vorzustellen. Schnell wird klar, dass die Anschläge in Brüssel ihre Spuren hinterlassen haben. "Die Schwerpunkte dieses Haushalts und der Finanzplanung sind natürlich die innere und äußere Sicherheit unseres Landes", sagt er. Damit hebt er die Ausgaben für Verteidigung und Bundespolizei auf denselben Level, auf dem er im Herbst des vergangenen Jahres schon die Finanzierung der Flüchtlingskosten platziert hat: prioritär. Schäuble kommt da gerade aus dem Bundeskabinett, wo Innenminister Thomas de Maizière über die Terroranschläge gesprochen hat. Deren zunehmende Häufigkeit treibe ihn um, sagt er. Und dass er "ziemlich davon überzeugt" sei, dass Deutschland und Europa stärker von den Folgen der Globalisierung und asymmetrischer Gewalt betroffen sein werden. Die Eckwerte des Haushalts 2017 sind die letzten, die das Bundeskabinett in der laufenden Legislaturperiode - und damit unter Schäuble als Bundesfinanzminister - beschließt. Die große Koalition will im letzten Jahr ihrer Regierungszeit noch einmal kräftig Geld verteilen. Die Planungen sehen vor, dass der Bund im kommenden Jahr 325,5 Milliarden Euro ausgibt. In diesem Jahr sollen es knapp 317 Milliarden Euro sein, bis 2020 soll die Summe auf 347,8 Milliarden Euro steigen. "Entscheidend ist", sagte Schäuble, "dass wir im kommenden Jahr und bis 2020 auf neue Schulden verzichten". Voraussetzung dafür seien ein durchschnittliches reales Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent jährlich, steigende Steuereinnahmen, eine gute Beschäftigungslage sowie niedrige Zinsen am Kapitalmarkt. Schäuble verweist darauf, dass der ausgeglichene Haushalt für 2017 vor allem dank der Rücklage möglich sei, die er aus dem Haushaltsüberschuss des Jahres 2015 gebildet habe, insgesamt 12,8 Milliarden Euro. Zudem verschafft ihm die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank "einen gewissen Restspielraum bei den Zinsen". Schäuble kann auslaufende Kredite zu hohen Zinsen durch neue Kredite zu deutlich günstigeren Bedingungen ablösen - und damit spürbar Zinsen einsparen. Detailansicht öffnen Im Haushalt für 2017 sind zehn Milliarden Euro reserviert, um bis zu 800 000 Flüchtlinge zu versorgen und zu integrieren. Kräftig steigen werden die Ausgaben für Bundeswehr, Bundespolizei, das Bundesamt für Flüchtlinge, den Arbeitsmarkt und Soziales. Er sei froh, sagt Schäuble, dass das Kabinett die Eckwerte "in großer Einvernehmlichkeit" beschlossen habe. Tatsächlich scheint es am Mittwoch nur Sieger zu geben. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) spricht angesichts der geplanten Aufstockung des Wehretats um 10,2 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren von einer "Trendwende", die "sich verfestigt". SPD-Chef Sigmar Gabriel teilt mit, dass es gelungen sei, "einen klaren Schwerpunkt auf gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration zu legen". Von dem beschlossenen Sozialpaket in Höhe von fünf Milliarden Euro würden "nicht nur Flüchtlinge profitieren, sondern alle, die in Deutschland leben". Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) erläutert, eine Milliarde Euro fließe zusätzlich in Integrationskurse für Flüchtlinge, 2,2 Milliarden Euro in Sozialleistungen, 1,3 Milliarden Euro an das Bauministerium sowie etwa eine halbe Milliarde Euro in das Familienressort. Staatssekretär Ralf Kleindiek freut sich über "ein gutes Ergebnis für die Familien in Deutschland". Stabiles Wachstum prognostiziert Der von der Bundesregierung beauftragte Sachverständigenrat der Wirtschaftsweisen sagt Deutschland stabiles Wachstum voraus. In diesem Jahr werde das Bruttoinlandprodukt um 1,5 Prozent zulegen, im kommenden Jahr um 1,6 Prozent. Das geht aus der am Mittwoch veröffentlichten Prognose der Ökonomen hervor. Die Voraussage deckt sich mit den Zahlen, die der Finanzplanung des Bundes zugrunde liegen. Angetrieben wird die Konjunktur von höheren Löhnen und steigender Kauflaune sowie der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Die Ökonomen erwarten, dass kommendes Jahr 44 Millionen Menschen in Deutschland erwerbstätig sein werden. Bis Ende 2017 könnten 360 000 anerkannte Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt drängen, von denen etwa eine Viertelmillion mangels Qualifikation zunächst erwerbslos sein wird. Cerstin Gammelin Schäuble zeigt sich wenig interessiert an nachträglichen Rechenspielen. Er habe letzte Woche abschließende Ressortgespräche geführt, "und jetzt können sie rechnen, wie sie wollen". Am vergangenen Freitag schließlich habe er Gabriel getroffen, sie hätten sich geeinigt und gelobt. "In solchen Gesprächen gibt es nur Sieger". Später zieht ein beinahe unmerkliches Lächeln über die Gesichter des Ministers und seiner hinter ihm sitzenden Finanzbeamten. Wenn aus den Haushaltsgesprächen des Jahres 2017 nur Sieger hervorgegangen seien, fragt ein Reporter, müsse dann nicht sein Nachfolger, also der Finanzminister im Jahr 2018, zwangsläufig zum Verlierer werden? Es dauerte den kurzen Augenblick des Schmunzelns, bis der 73 Jahre alte Politik-Veteran Schäuble antwortet: Natürlich nicht. "Es gibt nur einen Gewinner, die Bundesrepublik Deutschland." | https://www.sueddeutsche.de/politik/haushalt-2017-mehr-geld-fuer-bundeswehr-und-polizei-1.2920594 | mlsum-de-1024 |
Frank-Walter Steinmeiers umstrittene Aussage war länger als die zitierte "Säbelrassel"-Passage. Auffällig ist allerdings, wie lange sich sein Ministerium Zeit ließ mit einer Erläuterung. So bekamen die Worte eine besondere Wucht. | Frank-Walter Steinmeier gilt nicht gerade als politischer Lieblingsfeind der Union. Die Kanzlerin schätzt ihren Außenminister, auch der Rest der CDU arbeitet sich fast nie an dem Sozialdemokraten ab. Manuela Schwesig, Heiko Maas oder Ralf Stegner bringen die Christdemokraten beinahe täglich in Rage, Steinmeier wird dagegen zumeist mit Samthandschuhen angefasst. Umso erstaunlicher sind die Angriffe, die sich der Außenminister am Montag aus der Union anhören musste. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn attackierte Steinmeier als "Putin-Versteher". Auch CDU-Vize Volker Bouffier beklagte, dass Steinmeier ein Manöver mit Nato-Staaten in Polen als "lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul" bezeichnet habe. Die geringe Anzahl an Nato-Soldaten bedrohe Russland doch nun wirklich nicht, befand Bouffier. Mit der Äußerung Steinmeiers befassten sich am Montag auch Präsidium und Vorstand der CDU. Generalsekretär Peter Tauber warf dem Außenminister anschließend vor, Ursache und Wirkung zu verwechseln. "Unsere Soldaten und die Soldaten unserer Verbündeten rasseln nicht mit dem Säbel, sondern sie erfüllen ihren Auftrag für Deutschland und die Nato-Partner", sagte Tauber um kurz nach halb zwei. Die CDU glaubt, dass der Minister ganz froh über die Aufregung ist Die Uhrzeit ist deshalb interessant, weil Steinmeiers Sprecher bereits zwei Stunden zuvor lang und breit erklärt hatte, dass der Außenminister sich mit seinem Säbelrassel-Satz gar nicht gegen Nato-Manöver in Osteuropa ausgesprochen habe. Der Sprecher verwies darauf, dass die Bild am Sonntag, die die Debatte losgetreten hatte, nur einen Teil eines Statements veröffentlicht habe, das Steinmeier der Zeitung habe zukommen lassen. Und tatsächlich ist die Kritik des Ministers an Manövern nicht mehr so eindeutig, wenn man seine gesamte Einlassung liest: "Mit der Krim-Annexion und dem militärischen Aktivitäten in der Ost-Ukraine hat Russland bei unseren östlichen Nachbarn ein Gefühl der Bedrohung entstehen lassen", klagt auch Steinmeier. Deswegen sei es richtig gewesen, "eine gemeinsame Reaktion der Nato zu finden", die Allianz weiche ihrer "Verantwortung nicht aus". Niemand könne "den vorgesehenen Umfang der Nato-Maßnahmen als Bedrohung für Russland werten". Diesen Beginn von Steinmeiers Statement druckte die Zeitung jedoch nicht. Sie veröffentlichte nur die folgende Passage: "Was wir jetzt allerdings nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen. Wer glaubt, mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt. Wir sind gut beraten, keine Vorwände für eine neue, alte Konfrontation frei Haus zu liefern." Steinmeiers Sprecher sagte in der Bundespressekonferenz, damit sei doch klar, dass der Minister kein Nato-Manöver abgelehnt habe. Ihm gehe es stattdessen etwa um markige Äußerungen, so hätten "Vertreter der Nato vor Ort in den baltischen Staaten" davon gesprochen, dass man einen "totalen Krieg" gegen Russland vorbereiten müsse. Allerdings bleibt die Frage, warum das Außenministerium erst einen Tag, nachdem die BamS-Nachricht Aufregung hervorgerufen hatte, das ganze Steinmeier-Statement veröffentlichte. Nicht wenige, auch in der CDU, glauben, dass Steinmeier ganz froh über den Spin war, den seine Einlassung in den Nachrichten bekam - weil er insgeheim doch glaube, Manöver würden dem Verhältnis zu Russland unnötig schaden. Dass diese Einschätzung stimmen kann, zeigte am Montag ein Auftritt Steinmeiers in Luxemburg. Dabei sagte der Minister, er habe den Eindruck, dass die Nato derzeit zu stark auf Abschreckung setze und dabei die zweite Säule Dialog "völlig vergesse". | https://www.sueddeutsche.de/politik/der-aussenminister-eindeutig-zweideutig-1.3042439 | mlsum-de-1025 |
Gerhard Schröder und Wladimir Putin schufen den Petersburger Dialog als deutsch-russisches Gesprächsforum. Doch Besetzung und Strukturen rufen Kritiker auf den Plan. Eine neue Leitung soll her. Kommt Edmund Stoiber? | So war es 2007: Edmund Stoiber (links) als bayerischer Ministerpräsident im Gespräch mit Wladimir Putin (Zweiter von links). Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber (Zweiter von rechts) und der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Peter Ramsauer (rechts), hören zu. Vor wenigen Tagen trafen sich Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier in kleiner Runde. Es ging um die Krise in der Ukraine, aber anders als sonst nicht nur um die Frage, wer wann mit Moskau redet. Diesmal sprachen Kanzlerin und Außenminister auch über den Petersburger Dialog. Genauer gesagt über die total vertrackte Situation, in der sich das deutsch-russische Gesprächsforum befindet. Seit Wochen tobt hinter den Kulissen ein Kampf, was aus der 2001 unter Gerhard Schröder und Wladimir Putin gegründeten Veranstaltung werden soll. Offiziell geschaffen ,,zur Verständigung zwischen den Gesellschaften Deutschlands und Russlands'' ist er zu einer Gesprächsrunde geschrumpft, in der nach Meinung der Kritiker die russische Seite knallhart die eigene Linie vertritt, während der deutsche Teil dominiert wird von Leuten, die offene Kontroversen mit Putins Russland meiden. Lothar de Maizière als Koordinator und Matthias Platzeck als prominentes Mitglied warnen immer vehementer vor zu kritischen Tönen gegenüber Moskau. Andere, darunter Bundestagsabgeordnete und Nichtregierungsorganisationen, äußern immer schärfer Kritik an einem zu zaghaften Umgang mit Russland. Merkel ist als Kanzlerin Co-Schirmherrin des Dialogs. Und Steinmeiers Auswärtiges Amt unterstützt den Dialog jährlich mit 100 000 Euro. Feine Risse zeigen sich Doch während das Kanzleramt seit Längerem im Stillen versucht, die Strukturen des Dialogs zu verändern, mahnt Steinmeier bislang nur, man dürfe einen der wenigen Gesprächsfäden nicht auch noch riskieren. Feine Risse zeigen sich da, obwohl beide sehr bemüht sind, gegenüber Moskau keine Risse zuzulassen. Aufgewühlt wurde alles, als der konservative Christdemokrat Andreas Schockenhoff und die grüne Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck, beide Mitglieder im Lenkungsausschuss des Petersburger Dialogs, gemeinsam Reformen gefordert haben. Das gefiel Steinmeier gar nicht. Anders lässt sich kaum erklären, mit welcher Schärfe er Beck zuletzt in der Haushaltsdebatte attackierte. Gegen sein Naturell warf er der Grünen harsch vor, sie gehöre zu denen, die den Dialog ,,in den Mülleimer der Geschichte werfen'' wollten. Allein: Das möchte die Grüne gar nicht. Sie will mehr Nichtregierungsorganisationen integrieren, um so auch den russischen NGOs mehr Legitimität zu verschaffen. Das lässt sich kaum als Generalangriff werten. Zumal Beck nicht zu den Hardlinern in der Politik zählt. Sie gehörte nie zu denen, die mit billigen Attacken punkten möchten. Was sie aber getan hat: Sie hat sich seit Jahren mit Russland und der Menschenrechtslage beschäftigt. So hat sie den Prozess gegen Michail Chodorkowskij auch dann im Gerichtssaal verfolgt, als sich sonst niemand mehr dafür interessierte. Und sie reist seit Ausbruch der Krise in die Ukraine. Nicht nur nach Kiew, sondern auch in den Südosten, weil sie wissen will, wie die Menschen dort fühlen und denken. Ihre Kritik an der Kritiklosigkeit des Dialogs hat deshalb eine andere Glaubwürdigkeit als die der üblichen Berliner Nörgler. Hinzu kommt, dass sie viel mit sich reden lässt, aber an einer Stelle strikt ist: dass Wladimir Putin den Konflikt lostrat. Nur: Ist das ein Grund, sie so zu attackieren? Sieht das die Bundesregierung, sieht das Steinmeier etwa anders? Womöglich stört ihn vor allem, dass sich mit Beck und Schockenhoff ein ungewöhnliches Bündnis zusammenfindet, das noch ergänzt wird durch die Grünen-nahe Böll-Stiftung und die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. Auch sie halten in der Frage zusammen. In einem Jahr, in dem Steinmeier als Außenminister überall punktet, verbünden sich Schwarze und Grüne bei der Frage, wie man mit Moskau umgehen sollte. Das will Steinmeier so nicht stehen lassen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/fuehrungsdebatte-im-deutsch-russischen-gespraechsforum-petersburger-disput-1.2254055 | mlsum-de-1026 |
Jeder siebte Europäer lade einer Studie von Forrester Research zufolge Musik aus dem Internet herunter. | Online-Musiktauschbörsen im Internet schmälern nach einer Untersuchung des Marktforschungsinstituts Forrester Research den CD-Absatz in Europa. Fast die Hälfte aller häufigen Nutzer von Tauschplätzen wie Kazaa oder Morpheus würden weniger CDs kaufen, teilte das Unternehmen am Dienstag in Amsterdam mit. Jeder siebte Europäer lade demnach Musik aus dem Internet herunter. Die Mehrheit der 27.500 Befragten (63 Prozent) brenne die heruntergeladene Musik auf CD-Rohlinge, anstatt kommerzielle CDs zu kaufen. Den Angaben zufolge ist etwa die Hälfte der häufigsten Nutzer der Tauschbörsen jünger als 24 Jahre. Diese Gruppe lade durchschnittlich sieben Musikstücke pro Monat aus dem Internet herunter. Mehr als 40 Prozent dieser häufigen Online-Nutzer bestätigten, deshalb weniger Musik-CDs zu kaufen. Nur etwa zwei Prozent der Konsumenten gaben an, trotz regelmäßigen Besuchs der Tauschbörsen mehr CDs zu erwerben. "Diese Gruppe kompensiert aber nicht die Gewinneinbußen bei legalen CDs in anderen Bereichen", sagte Forrester-Sprecherin Reineke Reitsma. Die meisten Online-Kopierer würden die Musik während der Arbeit am PC hören. Erst im August 2002 hatte Forrester eine Studie über die Auswirkungen der Musiktauschbörsen in den USA veröffentlicht und keinen Einfluss des illegalen Online-Tauschs auf CD-Umsatzrückgänge festgestellt. Vielmehr seien andere Ursachen wie die allgemeine wirtschaftliche Rezession sowie die Konkurrenz durch Video-Spiele und DVDs für die Einbußen der Musikindustrie verantwortlich, hieß es damals. (sueddeutsche.de/dpa) | https://www.sueddeutsche.de/digital/marktforscher-online-tauschboersen-schmaelern-cd-absatz-1.621086 | mlsum-de-1027 |
Der Milliardär Andrej Babis könnte Regierungschef in Prag werden - obwohl die EU wegen Betrugsverdachts gegen ihn ermittelt. Für viele Tschechen bringt er scheinbar frischen Wind. | Frustrierendes Klinkenputzen, als das erinnert Lukas Wagenknecht seine Werben bei tschechischen Politikern für eine Reform. Der Wirtschaftsprüfer schlug ein modernisiertes Gesetz zur Kontrolle öffentlicher Ausgaben vor, samt besserer Kontrolle der milliardenschweren EU-Subventionen. Tschechiens zehn Millionen Einwohner mussten in vergangenen Jahren oft Skandale beim Zusammenspiel zwischen Wirtschaft und Politik erleben, "aber kein Politiker war interessiert", berichtet Wagenknecht. Dann stellte Wagenknecht, 39, und Mitglied der Bürgergruppe "Good Governance" (Gutes Regieren), seinen Plan Andrej Babis vor. Der mehrfache Milliardär und zweitreichste Tscheche war entschlossen, sich neben seinem Konzern Agrofert auch um Tschechiens Politik zu kümmern. "Babis war der erste Politiker, der positiv reagierte", erzählt Wagenknecht, "zum ersten Mal hatte ich den Eindruck, dass jemand grundlegend mehr Transparenz in die Politik bringen wollte." Unternehmer Babis versprach, im Stil einer tschechischen Variante von Donald Trump, einen neuen, ehrlichen Stil in der Politik, "harte Arbeit" und die Reinigung des Landes von Korruption. Bei der Wahl Ende 2013 wurde Babis mit seiner neuen Partei Ano überraschender zweiter - und trat neben den erstplatzierten Sozialdemokraten als Finanzminister und Vize-Premier in die Regierung ein. Lukas Wagenknecht wurde sein Stellvertreter. Doch die Gesetzreform blieb aus, ebenso wie ein öffentlich einsehbares Ausschreibungs- und Vergaberegister. Auch mit Transparenz sei es unter Minister Babis nicht weit hergewesen, sagt Wagenknecht. Im Gegenteil, so habe Babis etwa ohne Ausschreibung einen seiner Bekannten für die Steuerung eines teuren IT-Projektes durchsetzen wollen. Eine Parteikollegin von Babis habe ohne echte Gegenleistung einen hoch dotierten Beratervertrag bekommen. Und als Prüfer des Finanzministeriums einen Report über Mängel bei der Kontrolle der Ausgabe von EU-Geldern fertigstellten, "sagte Babis mir, ich solle die Übersendung des Berichts nach Brüssel stoppen", erzählt Wagenknecht. Ende Juni 2015 dann feuerte Babis seinen Stellvertreter. "Babis ist nur ein Politiker wie andere zuvor, der vor allem für sein eigenes Wohl sorgen will", sagt der enttäuschte Wagenknecht. Viele Tschechen sehen es aber anders: Vor der Parlamentswahl an diesem Freitag und am Samstag liegt Andrej Babis mit seiner Ano-Partei in Umfragen in der Wählergunst bei 25 bis 30 Prozent, weit vor allen anderen, und ist so Favorit für das Amt des Regierungschefs. Eine der Erklärungen dafür beobachtet der Mittfünfziger Pawel Marhoun in seinem Bekanntenkreis. Er sitzt im "U Dandu2, einer traditionellen Prager Bierkneipe, und wartet auf zwei Gitarren und ein Banjo. Sie gehören drei Freunden, mit denen sich Marhoun seit 30 Jahren jede Woche trifft, um tschechische Countrymusik zu spielen. Er sagt: "Ich halte Babis für einen reinen Karrieristen. Aber viele meiner Bekannten wählen Babis und sagen - er ist so reich, dass er wenigstens nicht klauen wird." Marhoun sagt: "Seit 27 Jahren sehen wir immer die gleichen Leute in der tschechischen Politik. Für viele bringt Babis scheinbar frischen Wind." Dem Milliardär Babis gehören nicht nur Agro- und Chemiefirmen, sondern auch etliche Medien - darunter zwei führende Tageszeitungen und der meistgehörte Radiosender. Zu privaten Fernsehsendern pflegt er freundschaftliche Kontakte. Tschechiens öffentlich-rechtliches Fernsehen verschob die Ausstrahlung einer brisanten Dokumentation über umstrittene Methoden des Unternehmers in der tschechischen Landwirtschaft auf unbestimmte Zeit nach der Wahl. "Zudem beschäftigt Babis professionelle Spinmaker, die jede negative Nachricht über ihn sofort mit Ablenkungsmanövern in den sozialen Medien kontern", sagt Petr Just, Politologe der Prager Metropolitan-Universität. Viele ältere und ärmere Tschechen außerhalb der Städte - ein großer Teil der Wählerschaft Babis - bekommen vor allem das Selbstlob von Babis mit. So brüstet er sich, er habe Tschechiens Geschäftsleute zum Kauf elektronischer Ladenkassen gezwungen, die alle Umsätze ans Finanzamt melden - und so Steuerhinterziehung verringern sollen. Allerdings steht Babis selbst in Tschechien wegen Betrugsverdachts unter Anklage. Auch die EU-Antibetrugsbehörde Olaf ermittelt wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug durch Babis oder seinen Konzern Agrofert. Babis und seine Umgebung sollen das eigentlich ihnen gehörende Erholungsressort "Storchennest" als Projekt kleiner Jungunternehmer ausgegeben haben, um so bei der EU knapp zwei Millionen Euro Fördergeld für Unternehmensgründer einzustreichen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/andrej-babis-der-tschechische-donald-trump-1.3717912 | mlsum-de-1028 |
Gastgeberinnen in Hotels, Bauernhöfen und Restaurants versuchen sich an neuen, moderneren Angeboten. Sie knüpfen an Vertrautes an und machen daraus etwas Unerwartetes. Damit gewinnen sie auch neue Zielgruppen hinzu. | Alles Apfel Detailansicht öffnen Maria Pichler führt zusammen mit dem Rest ihrer Familie das Apfelhotel Torgglerhof in Saltaus. (Foto: Ingrid Brunner) Südtirol und der Apfel gehören zusammen wie Wien und der Heurige. So weit, so bekannt. Ist also ein Apfelhotel vielleicht ein wenig zu viel des Guten? Kommt wie immer darauf an, was man daraus macht. Im Apfelhotel Torgglerhof in Saltaus im Passeiertal hat man sich einiges einfallen lassen. Und nein, der Besucher muss nicht befürchten, ein Gebäude in Form eines Apfels vorzufinden. Die Familie Pichler knüpft ein Band zwischen den Apfel- und Obstgärten, die von jeher ihre Lebensgrundlage waren, und bewahrt dieses Erbe auf zeitgemäße Art. Das Apfelthema wird sehr diskret inszeniert, vornehmlich mit der Farbe Grün. Sie findet sich auf Servietten, Tischdecken und Polstern wieder. "Die Äpfel und die Natur sind doch das, wovon wir leben", erklärt Tochter Maria. Zur Begrüßung schenkt sie Apfelsekt aus, den hat ihr Bruder Martin gekeltert. Im restaurierten Stadel findet sich dann aber doch noch alles vom Apfel. Es beginnt beim Apfelbalsamico und endet nicht bei der Apfelseife. Das älteste Haus auf dem Anwesen ist eine winzige Kate, die kurioserweise um einen mächtigen Felsbrocken herumgebaut wurde. Heute ist es das Massagehäusl. Am anderen Ende des Hofes steht der neueste Bau: eine Sauna, die vom Architektenteam Noa Network of Architecture aus Bozen unter die Erde verlegt wurde und sich wie ein futuristisches Hobbithäuschen ausnimmt. Im Mittelpunkt des Gartens steht eine prächtige Trauerweide. Die haben die Eltern, Sepp und Mali Pichler, zu ihrer Hochzeit gepflanzt. Für den Seniorchef "ein Symbol, wie gut unsere Ehe gediehen ist". Für die Gäste ein lauschiger Ort zum Genießen - mit und ohne Apfel. (www.apfelhotel.com) Junge Frau, alte Scheune Detailansicht öffnen Die junge Unternehmerin Judith Mathà schuff mit dem Grieserhof in Nals ein Ferienwohnungsdomizil. (Foto: Ingrid Brunner) Erst 26 Jahre ist Judith Mathà, dafür ist der denkmalgeschützte Stadel, der zum Grieserhof in Nals gehört, aus dem Jahr 1313 - oder noch älter. Da hinein sollten also nach ihrem Wunsch Ferienwohnungen gebaut werden. "Die Auflagen waren kompliziert", erklärt Vater Peter Mathá. Er und seine Frau Lotti haben gebürgt, um die Renovierung zu finanzieren. Nur ein Jahr hat es gedauert, das Innere des Stadels wurde vollständig entkernt. Die Phasen des Umbaus hat die junge Unternehmerin Judith auf Facebook gepostet, und so kamen schon vor der Fertigstellung die ersten Buchungen. Seit Mai sind nun Gäste in den vier hochwertig ausgestatteten Maisonettewohnungen. Man betritt sie durch ein loftartiges Atrium, das über Stege begehbar ist, mit einer Gemeinschaftsküche im Zentrum. Aus dem übrigen Holz wurden Möbel, Türen und die Küche gefertigt. So gemütlich kann schöner wohnen in Südtirol sein. (www.grieserhof-nals.com) Drei Schwestern Detailansicht öffnen Frauenpower: Die drei Schwestern Priska, Anna und Martina Ganthaler (von links) führen gemeinsam das Hotel Muchele in Burgstall. (Foto: Hotel Muchele) Wäre es nicht zu altbacken, könnte man das Hotel Muchele in Burgstall ein Dreimäderlhaus nennen. Doch das Hotel, das die drei Schwestern Martina, Priska und Anna Ganthaler gemeinsam mit den Eltern führen, ist alles andere als die Filmkulisse einer Nachkriegsschmonzette. Stattdessen findet man sich in einem neuen Haus, das 2014 das alte Familienhaus ersetzte: licht, modern und ohne alpenländische Anklänge. Die Front mit ihren filigranen Balkongittern verströmt Leichtigkeit und wirkt verspielt. Die eigenwilligen Möbel hat Martina Ganthaler ausgesucht. Sie stammen in der Mehrheit vom italienischen Designerlabel Moroso aus Udine. Moroso hat auch die Bar und die Terrasse gestaltet - wie in großes Wohnzimmer im Freien. In der Küche schwingt Evelin Frank das Zepter. Dieses Energiebündel mit nur 1,50 Meter Körpergröße kocht auf hohem Niveau aus regionalen Zutaten. Wer sich gut führt, darf sogar in der Küche am großen Tisch sitzen und ihr bei der Arbeit zusehen. Während Martina und Priska sich um die Gäste kümmern, ist Anna, die jüngste Schwester, für den Spa zuständig. Sie entwickelt gerade ihre eigene Kosmetiklinie. Die drei jungen Frauen haben dieses Jahr den Zukunftspreis für Hotellerie und Gastronomie in Hamburg gewonnen. Begründung war, das Haus sei architektonisch, ökologisch, kulinarisch überzeugend und das Gesamtkonzept konsequent nachhaltig ausgerichtet. Konzept? Da lacht Martina Ganthaler: "Wir haben kein Konzept, wir machen alles so, wie wir es auch gerne mögen, damit sich die Gäste bei uns wie zu Hause fühlen." Das dürfte geklappt haben. (www.muchele.com) | https://www.sueddeutsche.de/reise/frauenpower-in-suedtirol-jung-weiblich-ideenreich-1.3629521 | mlsum-de-1029 |
Der beiden Nationalspieler haben ihre Verletzungen auskuriert, Bundestrainer Löw plant mit Philipp Lahm im Mittelfeld. Fußball-Weltverband streicht einen Werbefilm mit Franz Beckenbauer. Costa Rica will im letzten WM-Gruppenspiel gegen England Stammspieler schonen. | Deutschland, Training: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft kann für das letzte WM-Gruppenspiel am Donnerstag in Recife (18 Uhr) mit den zuletzt angeschlagenen Profis Sami Khedira und Jérôme Boateng planen. "Es gab Grünes Licht vor der medizinischen Abteilung. Beide werden heute trainieren", sagte Bundestrainer-Assistent Hansi Flick im Mannschaftquartier in Santo André. Mittelfeldspieler Khedira hatte sich gegen Ghana am Samstag eine Innenbandzerrung im linken Knie zugezogen, Abwehrspezialist Boateng zuletzt über eine Muskelverhärtung geklagt. Ein Wechsel von Lahm auf die rechte Verteidiger-Position sei derweil "keine Option. Wir sehen Philipp im Mittelfeld. Er gibt uns eine gute Ordnung und ein gutes Gleichgewicht. Unser Spiel im Mittelfeld greift so langsam", sagte Flick. Trotz der komfortablen Ausgangslage strebt die DFB-Elf einen Sieg an. "Die Playoffs haben für uns begonnen. Wir werden einen Teufel tun und uns auf einem Unentschieden ausruhen. Wir wollen das Spiel gewinnen. Und ich bin überzeugt, dass die Mannschaft die passende Antwort geben wird", sagte Flick. Nach dem 2:2 (0:1) der Amerikaner gegen Portugal führt die DFB-Auswahl die Gruppe G mit vier Zählern vor den punktgleichen US-Boys von Trainer Jürgen Klinsmann an. Mit einem Unentschieden wären beide Mannschaften im Achtelfinale. Fifa, Franz Beckenbauer: Jetzt hat die Fifa Franz Beckenbauer auch aus den Pressezentren in den zwölf WM-Stadien verbannt. Ein Werbefilm des Weltverbandes, in dem der deutsche Fußball-Kaiser auftritt, wird in Brasilien bei der WM nicht mehr in den Arbeitsräumen der internationalen Medien gezeigt. Dies bestätigte die Fifa am Sonntag (Ortszeit) in Rio de Janeiro. Beckenbauer ist wegen seiner 90-Tage-Sperre derzeit von allen Fußball-Aktivitäten ausgeschlossen. Dennoch flimmerte der Spot "10 things you didn't know about Fifa" (10 Dinge, die sie noch nicht über die Fifa wussten) mit Beckenbauer als einem von vielen Promis von Pelé über Luis Figo und Vicente del Bosque bis Didier Drogba und Neymar regelmäßig über hunderte Bildschirme in den Medienarbeitsräumen. Beckenbauer erzählt darin auf Englisch, dass die Fifa viel mehr zu bieten habe als die WM ("Fifa is not just about the World Cup every four years"/Die Fifa ist mehr als die WM alle vier Jahre). Der eigene Promotionstreifen war der FIFA durchgerutscht. Beckenbauer war am 13. Juni für 90 Tage provisorisch gesperrt worden, weil er Fragen der Fifa-Ethikkommission zu den Ermittlungen um die WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022 nicht beantwortet hatte. Mittlerweile hat der 68-Jährige dies nachgeholt und wartet auf die Aufhebung des Banns. Als Grund für seine Weigerung hatte er angegeben, die auf Englisch formulierten juristischen Fragen nicht verstanden zu haben. Fifa, Trinkpause: Die Pause im WM-Spiel zwischen den USA und Portugal war doch keine offizielle Kühlpause. Das teilte die Fifa in Rio de Janeiro mit. Der Weltverband hatte während der Partie am Vorabend in Manaus die erste Kühlpause in der WM-Geschichte per Twitter verkündet. Der argentinische Schiedsrichter Nestor Pitana gönnte den Spielern hingegen nur eine Trinkpause während einer Behandlung des früheren Bundesliga-Akteurs Jermaine Jones. Um die Unterbrechungen während der großen Hitze in Brasilien hatte es einen Rechtsstreit gegeben. Ein Arbeitsgericht in Brasilía ordnete obligatorische Pausen an, wenn der Index Wet Bulb Globe Temperature 32 Grad erreicht. Der Weltverband hatte in seinen WM-Regularien eine Entscheidung ab dieser Marke dem Schiedsrichter überlassen. Bislang wurde der Grenzwert laut Fifa bei keinem der 32 WM-Spiele erreicht. Schiedsrichter Pitana hatte dennoch ein Einsehen und schuf mit der Trinkpause jenseits aller Verordnungen Fakten. Niederlande, Louis van Gaal: Louis van Gaal hat auf der offiziellen Fifa-Pressekonferenz zu einem Rundumschlag gegen den Fußball-Weltverband ausgeholt. "Die Fifa spricht immer von Fairplay, und dann spielt sie immer mit solchen Tricks. Das ist nicht gut, das ist kein Fairplay. Warum zur Hölle tun sie das?", schimpfte der niederländische Nationaltrainer und Ex-Coach von Bayern München. Grund für seine Kritik: Die Niederlande wissen beim Spiel gegen Chile in São Paulo am Montag (18 Uhr/ARD) nicht, ob sie als Gruppenerster oder -Zweiter im Achtelfinale auf WM-Gastgeber und Topfavorit Brasilien treffen würden. Die Südamerikaner spielen ihr letztes Gruppenspiel danach - obwohl sie in Gruppe A spielen und die Niederlande in Gruppe B. Einmal in Fahrt, regte sich der 62-Jährige auch über die Ansetzung der regelmäßigen Pressekonferenzen mit einem Spieler am Tag vor den Partien auf: "Das ist nicht clever. Die Spieler müssen sich auf ihr Training konzentrieren." Als eine Art von Protest brachte van Gaal am Sonntag Abwehrspieler Bruno Martins Indi mit. "Er ist verletzt und kann ohnehin nicht trainieren", sagte er: "Er hat es für die Kollegen getan." Spanien, Vicente del Bosque: Spaniens Nationaltrainer Vicente del Bosque hat verärgert auf einen Zwischenfall im WM-Training mit Cesc Fábregas reagiert. "Ich denke an alle, die Spieler denken nur an sich", warf er den Fußballprofis in einem Interview des spanischen Fernsehsenders Deportes Cuatro am Sonntag allgemein Egoismus vor. "Die einzige Differenz mit Cesc ist, dass er wenig gespielt hat." Am Samstag hatte del Bosque dem defensiven Mittelfeldspieler des FC Barcelona im Trainingscamp CT da Caju das rote Leibchen abgenommen und es an Xabi Alonso vom Champions-League-Gewinner Real Madrid gegeben. Einige spanische Medien hatten daraus einen Zwist zwischen Trainer und Fábregas konstruiert. Ziemlich sicher fehlen wird Spaniens Mittelfeldspieler Xavi beim abschließenden WM-Gruppenspiel am Montag gegen Australien in Curitiba. "Ob eine Partie mehr oder weniger - an seinen Verdiensten ändert das nichts", sagte del Bosque. Offiziell leidet der Star des FC Barcelona an einer Muskelverletzung. "Er ist ohne Wenn und Aber ein Star. Und wenn wir ihn brauchen, dann spielt er auch", sagte der Bosque am Tag vor dem Spiel in Curitiba. Xavi bestritt 199 das erste seiner bis dato 132 Länderspiele. Costa Rica: Das bereits für das Achtelfinale qualifizierte Costa Rica will in seinem letzten WM-Gruppenspiel gegen England Stammspieler schonen. "Gegen England wird es Veränderungen geben, weil ich einigen Spielern eine Pause gönnen möchte", kündigte Trainer Jorge Luis Pinto am Sonntag in Santos an. "Aber das heißt nicht, dass die Gruppenphase für uns schon vorbei ist, wir wollen trotzdem gewinnen." Die Mittelamerikaner treffen am Dienstag (18 Uhr) in ihrem letzten Vorrundenspiel bei der Fußball-WM in Belo Horizonte auf das bereits ausgeschiedene England. Als Gruppenerster würde Costa Rica im Achtelfinale einem möglicherweise stärkeren Gegner aus dem Weg zu gehen. | https://www.sueddeutsche.de/sport/wm-in-brasilien-fifa-verbannt-beckenbauer-aus-den-pressezentren-1.2013223 | mlsum-de-1030 |
Der 1. FC Kaiserslautern trennt sich von Trainer Michael Frontzeck - dieser sieht die Probleme allerdings auch im Kader. | Schon in der ersten Halbzeit genügte ein Blick auf die Nordtribüne des Unterhachinger Sportparks um zu sehen, dass die Zeit abgelaufen war. Die SpVgg hatte das zweite von insgesamt fünf Toren geschossen, die letzten, die Michael Frontzeck als Trainer des 1. FC Kaiserslautern erleben sollte. Dessen Spieler verhielten sich völlig ratlos: Beim Anstoß nach dem 0:2 führte Julius Biada den Ball mit dem Rücken zum Gegner spazieren, als ob noch nicht wieder angepfiffen worden sei. Er verlor den Ball, der nächste Hachinger Angriff rollte. Da forderten die Gästefans erstmals Entlassungen, Dutzende Ordner stellen sich an den Zaun. Drei Tore später ersetzten Polizisten die Ordner, sie bewachten für den Fall eines Platzsturms sogar den Kabinengang an der gegenüberliegenden Südtribüne. Eine halbe Stunde später im Presseraum. "Das kann noch dauern", sagte Trainer Claus Schromm. Alle warteten auf Frontzeck, es roch nach Gulaschsuppe. Als Frontzeck da war, wirkten seine Worte wohlüberlegt. Dem 54-Jährigen mit der Erfahrung von 436 Bundesligaspielen war klar, dass er bald beurlaubt werden würde, was ja am Tag danach, am Samstag, offiziell gemacht wurde. Dass der Trainer die Verantwortung übernehme, meinte er, das sei ja "letztendlich auch das Einfachste". Er sagte, dass er 18 neue, meist junge Spieler einzubauen hatte nach dem Abstieg in die dritte Liga. Diese Spieler hätten gelernt, was es bedeutet, in Kaiserslautern Fußball zu spielen. "Das ist nicht nur, mit 45 000 Zuschauern gegen Sechzig 1:0 gewinnen", meinte er - damit spielte Frontzeck auf den furiosen ersten Spieltag an, als auf dem Betzenberg alle noch "himmelhoch jauchzend" unterwegs gewesen seien. So ein 0:5 wie in Unterhaching sei auch Teil eines Prozesses für so ein "fragiles Gebilde". Und: "Letztendlich ist es die Frage, die du dann anderen stellen musst, ob wir genug Zeit haben für diese Entwicklung." Sportdirektor Martin Bader übrigens hatte nach dem Spiel den Eindruck, dass "die Mannschaft nicht weiß, was es bedeutet, für den FCK Fußball zu spielen". Frontzecks Doppeldeutigkeit dürfte geplant gewesen sein. Er spielte auf die Historie des Vereins an, darauf, dass an einem Ort wie Kaiserslautern schnell Ungeduld aufkommt. Ein Treppenwitz, dass auch Otto Rehhagels Abschied vom FCK einst in Unterhaching begann, vor ziemlich genau 18 Jahren, ebenfalls nach einem Freitagabendspiel. Einziger Unterschied: Das 0:0 damals bescherte Rehhagel noch drei weitere Wochen. Frontzeck sprach aber auch von seiner eigenen Arbeit, die er erst im Februar begonnen hatte. Er sagte, dass man sich vor vier Wochen "noch in den Armen lag", und in der vergangenen Woche plötzlich "Druck auf dem Kessel" gewesen sei nach dem 0:0 gegen Wehen Wiesbaden. Mit anderen Worten: Ein bisschen mehr Zeit hätte er sich schon erhofft. Selbstkritik übte er im Presseraum zwar nicht. Doch nach dem Schlusspfiff hatte er in einem TV-Interview gesagt: "Wenn wir über Entwicklung sprechen, dann musst du natürlich irgendwann anfangen, diese individuellen Fehler abzustellen." Noch am Freitagabend schickte Frontzeck, als sei er schon ein Außenstehender, einen Appell an den Verein. Zusammenhalt und niedrigere Erwartungen seien vonnöten, um die dritte Liga zu meistern. Am Samstag sprach Sportdirektor Bader dann von "neuen Impulsen", die nötig seien. Die Zeit für den Trainer war da auch offiziell abgelaufen. Der Verein kündigte "zeitnah" eine Nachfolgelösung an. Dem nächsten Trainer dürfte klar sein, dass es angesichts von vier Punkten Vorsprung auf die Abstiegsplätze erst einmal nicht um den direkten Wiederaufstieg geht. Er wird darum bitten, im Abstiegskampf in Ruhe arbeiten zu können. | https://www.sueddeutsche.de/sport/dritte-liga-appell-vor-dem-rauswurf-1.4236075 | mlsum-de-1031 |
Wegen der Verfolgung der Rohingya steht das Land in der Kritik. Trotzdem kommt der Rücktritt des ersten zivilistischen Präsidenten nach Ende der Militärherrschaft überraschend. Offiziell heißt es, er brauche eine Auszeit. | Der Präsident von Myanmar, Htin Kyaw, hat überraschend seinen Rücktritt erklärt. Der 71-Jährige war seit März 2016 Staatsoberhaupt des südostasiatischen Landes, als erster Zivilist nach mehr als einem halben Jahrhundert Militärherrschaft. Der Rücktritt wurde auf der Homepage und der Facebook-Seite des Präsidialamts bekanntgegeben. Zur Begründung hieß es, Kyaw brauche eine Auszeit von seiner gegenwärtigen Arbeit. Nach der Verfassung muss nun innerhalb von sieben Tagen vom Parlament ein Nachfolger ernannt werden. Kyaw ist ein enger Vertrauter der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Sie selbst kann einer Verfassungsklausel zufolge nicht Präsidentin werden, weil ihre beiden Söhne die britische Staatsbürgerschaft haben. Die 72-Jährige führt seit zwei Jahren als "Staatsrätin" die Regierung des Landes. Die UN sprechen von "Völkermord" Die Machtverhältnisse in Myanmar sind nach dem Ende der Militärdiktatur noch nicht gefestigt. Die ehemalige Oppositionsführerin Suu Kyi steht nach dem Wahlsieg ihrer Nationalen Liga für Demokratie (NLD) an der Spitze der Regierung. In ihrem Kabinett besetzt das Militär aber mehrere Schlüsselposten wie das Innen- und das Verteidigungsressort. Zudem gewann Armeechef Min Aung Hlaing in den vergangenen Monaten erheblich an Einfluss. Das südostasiatische Land steht international wegen der Verfolgung von Muslimen seit Monaten massiv in der Kritik. Aus Furcht vor Gewalttaten der Armee sind etwa 700 000 Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingya ins Nachbarland Bangladesch geflohen. Als Rohingya bezeichnen sich die eine Million Muslime in Myanmars Teilstaat Rakhine. Obwohl dieser ihre Heimatregion ist, gelten sie seit 1982 nicht mehr als Staatsbürger, sondern als illegale Einwanderer. Grund dafür ist eine Gesetzesänderung der damaligen Militärjunta, wonach sie nicht zu den 135 offiziell anerkannten ethnischen Gruppen zählen. Seit Beginn der politischen Reformen in Myanmar 2011 hat sich die Menschenrechtslage im Land zwar insgesamt verbessert, aber die Situation der Rohingya verschlechtert. Keine Partei - auch nicht die Suu Kyis NLD - stellte zur Parlamentswahl im November 2015 muslimische Kandidaten auf. Im Moment gelten die Rohingya als eine der am stärksten verfolgten Minderheiten der Erde. Die Vereinten Nationen sprechen von "Völkermord", "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und einer "ethnischen Säuberung" durch Myanmars Militär. | https://www.sueddeutsche.de/politik/myanmar-praesident-htin-kyaw-ruecktritt-1.3914895 | mlsum-de-1032 |
Der Brite gewinnt den Schlusssprint der ersten Etappe der Tour de France - ein Deutscher erobert das Bergtrikot. | Marcel Kittel hat den Sieg auf der ersten Etappe der 103. Tour de France knapp verfehlt und damit auch den Sprung ins Gelbe Trikot verpasst. Der 28-Jährige vom Team Etixx-Quick Step belegte zum Auftakt im Massensprint nach 188 km am Utah Beach Platz zwei hinter dem britischen Ex-Weltmeister Mark Cavendish. Der deutsche Meister André Greipel wurde Vierter hinter dem slowakischen Weltmeister Peter Sagan, nachdem er im Finale in eine denkbar schlechte Position gerutscht war. Der Schlusssprint in der Normandie wurde weniger als einen Kilometer vor dem Ziel von einem Massensturz überschattet. Zuvor war bereits der zweimalige Toursieger Alberto Contador schwer auf die Schulter gestürzt, konnte das Rennen aber wie die weiteren Favoriten auf den Gesamtsieg um Titelverteidiger Chris Froome ohne Zeitverlust beenden. Kittel verpasste damit den Hattrick. 2013 und 2014 hatte er die erste Etappe gewonnen und damit Gelb geholt. 2015, als die Tour mit einem kurzen Einzelzeitfahren eröffnet wurde, fehlte der Thüringer. Ein Deutscher im Bergtrikot Das Bergtrikot hatte zuvor der Rostocker Paul Voss erobert. Der 30-Jährige vom Team Bora-Argon 18 gewann die beiden Bergwertungen der 4. Kategorie und sicherte sich damit jeweils den einzigen vergebenen Punkt. Voss ist der siebte deutsche Profi, der das gepunktete Jersey bei der Tour tragen darf. Zuletzt war Tony Martin 2014 im Bergtrikot unterwegs. Die zweite Etappe führt am Sonntag ebenfalls durch die Normandie über 183 km von Saint-Lô nach Cherbourg. Angesichts des schwierigen Finals mit einer anspruchsvollen Bergwertung der 3. Kategorie dürfte dabei kein Sprinter vorne liegen. | https://www.sueddeutsche.de/sport/tour-de-france-cavendish-schlaegt-kittel-beim-tour-auftakt-1.3060396 | mlsum-de-1033 |
Noch bis Ende August will er sein Amt weiterführen. Grund sollen Differenzen im Weißen Haus sein. | Seit langem gilt Sean Spicer als umstrittene Figur im Weißen Haus. Nun tritt der Sprecher von US-Präsident Donald Trump zurück. Auf Twitter schrieb er: "Es war eine Ehre, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump, sowie diesem wunderbaren Land zu dienen". Zuerst hatte die New York Times über den Rücktritt berichtet Hintergrund soll die Berufung von Anthony Scaramucci zum Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses sein. Dieser soll den im Mai zurückgetretenen Mike Debuke ersetzen. Damit sei Spicer nicht einverstanden gewesen, so die Medienberichte. Spicer soll zu Donald Trump gesagt haben, die Entscheidung für Scaramucci sei "ein großer Fehler". Dieser bestritt bei seinem ersten Auftritt im Weißen Haus, dass es interne Konflikte gebe. "Ich denke, das Weiße Haus ist in der Spur", so Scaramucci. Noch bis Ende August will Spicer sein Amt weiterführen. Schon lange wurde seine Stellvertreterin Sarah Huckabee Sanders als seine Nachfolgerin gehandelt. Zuletzt hatte sie vermehrt die Pressesitzungen geleitet. Wenige Stunden nach Spicers Rücktritt bestätigte Sanders diese Gerüchte. Kritik und Spott für "Spicy" Sean Spicers Zeit als Pressesprecher des Weißen Hauses fing denkbar schlecht an: In seinem ersten Auftritt im Januar drohte er den versammelten Journalisten und stellte die unwahre Behauptung auf, das Publikum bei Donald Trumps Vereidigung sei das größte aller Zeiten bei einer Amtseinführung eines US-Präsidenten gewesen. "Punkt." Seither heimste sich der 45-Jährige immer wieder Kritik und Spott ein. Seine beinahe täglichen Auseinandersetzungen mit den von Trump als "Feinde des amerikanischen Volkes" bezeichneten Medien parodierte die Sketch-Sendung "Saturday Night Live" mehrmals mit der Schauspielerin Melissa McCarthy in der Rolle des "Spicy". Für den bislang größten Aufschrei seiner kurzen Amtszeit sorgte Spicer Mitte April, als er den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad mit Adolf Hitler verglich. Nicht einmal jemand, der so "verabscheuungswürdig" gewesen sei wie Hitler, sei so tief gesunken wie Assad, chemische Waffen einzusetzen. Er entschuldigte sich kurz darauf, es folgten dennoch Rücktrittsforderungen. Schon öfter wurde spekuliert, Trump sei unzufrieden mit seiner Arbeit und Spicer stehe vor der Entlassung. Zuletzt hatte er sich aus der Öffentlichkeit stärker zurückgezogen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/us-politik-trump-sprecher-spicer-tritt-zurueck-1.3599153 | mlsum-de-1034 |
Einem Medienbericht zufolge wurden alle Jobcenter angewiesen, auch die Familienmitglieder von ALG-II-Beziehern strenger zu überprüfen. | Die Bundesagentur für Arbeit will Haushalte, in denen Hartz-IV-Empfänger leben, stärker überwachen. Dafür sollen auch Daten von Menschen überprüft werden, die selbst keine Leistungen vom Staat beziehen. Das berichtet die Bild-Zeitung unter Verweis auf einen internen Bericht. Demnach habe die Bundesagentur für Arbeit alle Jobcenter angewiesen, einen Datenabgleich mit anderen Behörden durchzuführen, um mögliche Einkünfte und Vermögen besser kontrollieren zu können. So sollen etwa die Rentenversicherung oder das Bundeszentralamt für Steuern Auskunft geben. Überprüft werden sollen die Daten monatlich und nicht mehr nur vierteljährlich wie bisher. Die neue Regel gelte etwa für Eltern eines Hartz-IV-Empfängers, die mit diesem in einem Haushalt zusammenleben und Rente beziehen. Die striktere Kontrolle der Betroffenen werde von der Bundesagentur für Arbeit für nötig erachtet, "weil deren Einkommen und Vermögen unter bestimmten Voraussetzungen bei der Person, die Leistungen bezieht, zu berücksichtigen sind", zitiert die Bild aus dem Schreiben. Zahlen von älteren Erwerbslosen steigen In Deutschland beziehen fast sechs Millionen Menschen Hartz IV - darunter auch viele Migranten. Wie die Bundesagentur für Arbeit mitteilt, waren im April 1,5 Millionen Menschen mit einem ausländischen Pass auf Grundsicherungsleistungen angewiesen. Das sind zwölf Prozent mehr als 2015. Doch auch viele ältere Arbeitslose kommen nur mit Unterstützung vom Staat über die Runden. Ende 2015 bezogen 195 000 Arbeitslose, die älter als 55 Jahre waren, mehr als vier Jahre lang Hartz IV - 40 Prozent mehr als noch fünf Jahre zuvor. Hartz IV soll den Lebensunterhalt eines Beziehers grundsätzlich sichern. Dafür muss derjenige nicht per se im arbeitsfähigen Alter sein. So können auch Kinder entsprechende Leistungen erhalten. | https://www.sueddeutsche.de/politik/sozialleistungen-hartz-iv-empfaenger-sollen-staerker-kontrolliert-werden-1.3129542 | mlsum-de-1035 |
Die Schonfrist ist vorbei. Keinen Monat nach den Attentaten von Paris bringt sich der Front National mit islamfeindlichen Parolen in Stellung. Doch die Le Pens sind uneins, wie sie die Karte am besten ausspielen. | Wie kann der Front National von der Terrorangst der Franzosen profitieren? Parteichefin Marine Le Pen und ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen (l.) sind sich darüber uneins. Dem Schock über das Massaker in der Redaktion von Charlie Hebdo folgte für viele Franzosen ein zweiter schrecklicher Gedanke: Was für ein Geschenk für den Front National. Ein Anschlag von Islamisten, mitten in Paris - das wird die islamfeindliche Partei nach allen Regeln der Kunst für sich auszuschlachten wissen. In den vergangenen drei Wochen konnte der Front National (FN) allerdings noch nicht von der Terrorangst profitieren. Angesichts der von Präsident Hollande ausgerufenen "nationalen Einheit" und des enormen Solidaritätsgefühls der Franzosen stand Parteichefin Marine Le Pen mit ihrem Anspruch, nicht zum "System" der etablierten Parteien zu gehören, auf einmal ziemlich alleine da. Während der sonst stets zaudernde Hollande die Franzosen als entschlossener Krisenmanager beeindruckte, stagnieren Le Pens Beliebtheitswerte. Es kam nicht gut an, dass die FN-Chefin am Sonntag nach den Anschlägen nicht an der großen Demonstration in Paris teilgenommen hat, sondern lieber mit ihren Anhängern in einer südfranzösischen Kleinstadt auf die Straße ging. Aus Angst, die Franzosen mit einer allzu offenkundigen Instrumentalisierung der Ereignisse zu verärgern, haben sich die meisten FN-Politiker mit Äußerungen, die über bekannte Forderungen hinausgehen, weitgehend zurückgehalten. Diese Schamfrist ist nun offenbar vorbei. Am kommenden Sonntag wird im ostfranzösischen Departement Doubs der Nachfolger des bisherigen sozialistischen Abgeordneten Pierre Moscovici gewählt, der seit vergangenem Herbst EU-Kommissar ist. Bei einem Wahlsieg würde der FN zu einem dritten Sitz in der Nationalversammlung kommen. Gegen "staatlich finanzierte" Moscheen und Halal-Burger Die Kandidatin der Rechtsextremen geht als Favoritin in den ersten Wahlgang. Sie hat ihren Wahlkampf mit den Problemen von Arbeitslosigkeit und Deindustrialisierung begonnen, konzentriert sich nun aber auf die Themen innere Sicherheit und Immigration. "Der FN hat immer vor den Risiken massiver Einwanderung gewarnt", sagte Sophie Montel am Wochenende bei einer Pressekonferenz mit der Parteichefin. "Wir werfen nicht gemäßigten und radikalen Islam in einen Topf, aber wir stecken auch nicht den Kopf in den Sand." Auf einem Flugblatt warnt Montel vor der "islamistischen Gefahr", Frankreich ist darauf von schwer bewaffneten Dschihadisten umzingelt zu sehen. Die Wahl in Doubs wird zeigen, ob es dem Front National doch noch gelingt, von der Terrorangst der Franzosen zu profitieren. Auch deshalb ringt die Partei gerade um ihren Islam-Kurs. Beim Familienunternehmen Front National heißt das: Nicht die Parteimitglieder streiten sich über das Ausmaß der Islamfeindlichkeit, sondern die in wichtigen Ämtern sitzenden Le Pens. Marine Le Pen macht seit einigen Jahren verstärkt Stimmung gegen Muslime. Sie kritisierte mit staatlicher Unterstützung gebaute Moscheen und nach islamischem Ritus produziertes Fleisch in Läden und Fastfood-Restaurants. 2010 wurde gegen Le Pen ermittelt, weil sie Straßengebete von Muslimen mit der Besatzung durch die Nazis verglichen hatte. Inzwischen spekuliert die Parteichefin allerdings auch auf Stimmen von Muslimen, die unter der hohen Arbeitslosigkeit und der schlechten Wirtschaftslage leiden und von der sozialistischen Regierung enttäuscht sind. Deshalb hält sie sich derzeit vergleichsweise zurück. In einem Video heißt es, Frankreich befinde sich im Krieg gegen Muslime Ganz anders ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen, Abgeordnete in der Nationalversammlung und Mitglied im Zentralkomitee des FN. Die 25-Jährige verbreitete Mitte Januar auf Twitter das Video eines FN-Europaabgeordneten, von dem sich ihre Tante explizit distanziert hatte. Aymeric Chauprade erklärt in dem zehnminütigen Clip, dass sich Frankreich im Krieg gegen Angehörige des Islam befinde. Etwa eine Million französische Muslime seien potenziell gefährlich, sie lebten als "fünfte Kolonne" mitten unter den Franzosen. Auch Parteigründer Jean-Marie Le Pen verbreitete das Video. Nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt war der "Ehrenpräsident" der einzige hochrangige FN-Politiker, der die Regierung mit ihrer laxen Sicherheitspolitik für die Anschläge verantwortlich machte und krude Verschwörungstheorien verbreitete. Dem beliebten Solidaritätsslogan "Je suis Charlie" widersprach er mit den Worten, er sei nicht Charlie, sondern Karl Martell - ein Feldherr, der im 8. Jahrhundert den Vormarsch muslimischer Mauren nach Frankreich stoppte. Der 86-Jährige Parteigründer fährt seiner um ein salonfähiges Image bemühten Tochter regelmäßig an den Karren. Doch auch diesmal hat sich Marine Le Pen durchgesetzt. Aymeric Chauprade ist seine Aufgaben als persönlicher Berater der Parteichefin und als Chef der FN-Delegation im Europaparlament inzwischen los. | https://www.sueddeutsche.de/politik/frankreich-familienstreit-um-islam-kurs-des-front-national-1.2324572 | mlsum-de-1036 |
Peter Kraus, 78, erleidet in einer Show einen Schulterbruch, weil Axel Prahl ihn schubste und Marcel Reif auf ihn stürzte? Das ist wirklich keine Überraschung. | Es gehe ihm eigentlich nur darum, all jenen, die im Leben gerade nichts zu lachen haben, ein bisschen Freude zu bereiten. So hat es Hans Rosenthal, Urvater der Game-Shows in Deutschland, mal formuliert. Von 1971 bis 1986 moderierte er Dalli Dalli, eine Live-Show, in der es natürlich gelegentlich zu Zwischenfällen kam: So platzte dem Schlagersänger Rex Gildo am 6. September 1979 während eines Aktionsspiels die Hose. Am 8. April 1982 wurde die Heute-Journal-Moderatorin Ingeborg Wurster kurz nach der Begrüßung ohnmächtig. Und am 5. September 1985 entgleiste der angesehene Visconti-Darsteller Helmut Berger gleich mehrmals verbal - offenbar stand er unter Drogeneinfluss. Unvergessen: Der Auftritt des stämmigen Nachrichtensprechers Gerhard Klarner, der 1986 während eines Aktionsspiels vom Kinderdreirad fiel, aber sofort wieder aufstand. Heute lockt man mit so etwas natürlich keinen Teenie aus dem Chat-Grüppchen. Da muss man sich schon das "Dschungelcamp" einfallen lassen, oder "Adam sucht Eva", oder "Undressed", die superneue RTL2-Dating-Show, in der sich zwei Singles ausziehen, um sich auf dem Studio-Bett anatomisch besser kennen zu lernen. Aktionsspiele heißen spätestens seit Stefan Raab "Challenges", da gibt's dann auch mal das ein oder andere Hämatom. So musste der Sänger Peter Kraus gerade die ARD-Sendung "Spiel für dein Land" verletzungsbedingt verlassen. Kraus, 78, sollte mit Boxhandschuhen Gummi-Sterne einfangen, als Axel Prahl, körperlich ein Gerhard Klarner des ARD-Tatorts, ihn unter sich begrub. Unglücklicherweise landete auch noch der frühere Sportmoderator Marcel Reif, 67, auf beiden. Die Folge: Schulterbruch bei Kraus. Operation. Liebe Leute von der deutschen Fernsehunterhaltung: Kennt ihr wirklich keine anderen Seniorenspiele? | https://www.sueddeutsche.de/panorama/stilkritik-game-shows-1.3692925 | mlsum-de-1037 |
Augsburg versucht, sich für das Abenteuer zwischen Bundesliga und Europa League zu rüsten. Vor dem Ligaauftakt gegen Hertha BSC kommt Außenverteidiger Daniel Opare, 24, vom FC Porto. | In jüngster Zeit darf sich der FC Augsburg über ein internationales Interesse freuen, das sich an manchen Tagen quasi selbst überschlägt. Am Donnerstagvormittag etwa meldete sich zunächst Gerard Piqué vom FC Barcelona zu Wort. Der Innenverteidiger der titeldekorierten Katalanen veröffentlichte im Rahmen einer Marketingaktion seine persönliche Bundesliga-Vorschau, vom FC Augsburg erwartete er sich dabei die "größte Überraschung". Die Augsburger Anhängerschaft schickte diese Nachricht sogleich stolz durch alle Kommunikationskanäle, denn völlig egal, ob Piqué das mit der Überraschung im positiven oder negativen Sinn gemeint hat: Der FC Augsburg hat sich mit seiner überraschenden Qualifikation für die Europa League bis in höchste Fußballerkreise einen Namen gemacht. Den Verantwortlichen an der Bürgermeister-Ulrich-Straße in Augsburg kam der Trubel um Piqué jedenfalls ganz recht. So konnten sie in Ruhe und doch noch rechtzeitig vor dem Bundesligaauftakt ihren ersten internationalen Transfer der Saison über die Bühne bringen. Allerdings ging es bei diesem Vertragsgeschäft nicht um Rahman Abdul Baba, den europaweit und millionenschwer umworbenen Linksverteidiger des FCA, der angeblich kurz vor der Unterschrift beim FC Chelsea steht. Nein, der FC Augsburg brachte ein ganz anderes internationales Geschäft unter Dach und Fach und verkündete nachmittags die Verpflichtung von Außenverteidiger Daniel Opare, der zuletzt vom FC Porto an Besiktas Istanbul ausgeliehen war. Detailansicht öffnen Haben jetzt zur neuen Saison auch Auslandsflüge im Blick: Kapitän Paul Verhaegh und die Offensivspieler Sascha Mölders und Halil Altintop (von links). (Foto: Imago/Krieger) Der 24-Jährige gehört wie Baba zum Kader der Nationalmannschaft von Ghana und gilt als begabt. Allerdings konnte Opare seine Fähigkeiten bislang noch nirgends dauerhaft unter Beweis stellen. Trotz seiner jungen Jahre bringt es der 1,75 Meter große Defensivspieler auf bereits sieben verschiedene Vereinsstationen, darunter waren Versuche in der dritten Mannschaft von Real Madrid und ein vierjähriges Engagement in der ersten belgischen Liga bei Standard Lüttich. Nach der jüngsten Ausleihe an den türkischen Hauptstadtklub Besiktas, der die Kaufoption für ihn nicht zog, soll Opare seinen Vertrag bei den Portugiesen jetzt aufgelöst haben. Der FC Augsburg jedenfalls konnte den Defensivspieler ablösefrei verpflichten, wie der Verein bekannt gab, und einigte sich mit Opare auf einen Dreijahresvertrag bis Juni 2018. An dem Transfer von Porto nach Augsburg ist Baba nicht ganz unschuldig. Nicht nur, weil er seinem Landsmann womöglich bald einen Platz im Kader freimacht, wenn er doch noch zum FC Chelsea wechselt, der weiter um den 21-Jährigen wirbt. Sondern durch seine Empfehlung, die er dem Nationalelf-Kollegen gab: "Vor allem von Abdul Rahman Baba habe ich nur positives Feedback bekommen, das mich im Wechsel bekräftigt hat", wird Daniel Opare in einer Mitteilung des FCA zitiert. Zwei Derbys hintereinander Die bislang terminierten Ligaspiele des FCA: Sa., 15.8. (15.30 Uhr): Hertha BSC (H*) Sa., 22.8. (15.30 Uhr): Eintracht Frankfurt (A*) Sa., 29.8. (15.30 Uhr): FC Ingolstadt (H) Sa., 12.9. (15.30 Uhr): FC Bayern München (A) So., 20.9. (17.30 Uhr): Hannover 96 (H) Mi., 23.9. (20 Uhr): Borussia M'gladbach (A) Sa., 26.9. (15.30 Uhr): 1899 Hoffenheim (H) * H = Heimspiel, A = Auswärtsspiel Am 28. August ist in Monaco die Auslosung zur Gruppenphase der Europa League, bei der Augsburg seine Gegner zugelost werden. Die europäischen Gruppen-Spieltermine des FCA sind jeweils donnerstags am 17. September, am 1. und 22. Oktober, am 5. und 26. November sowie am 10. Dezember. Erst mit der Auslosung stehen die Heim- und Auswärtstermine fest. Opare, der am Donnerstagnachmittag sein erstes Training mit der Augsburger Mannschaft absolvierte, könnte bereits am Samstag (15.30 Uhr) zum Bundesligaauftakt gegen Hertha BSC in der Augsburger Arena auflaufen. Allerdings dürfte er noch Zeit benötigen, um sich an Tempo und Abläufe beim FCA zu gewöhnen. Einen Vorteil allerdings hat Opare im Vergleich zu den meisten anderen im Augsburger Kader: Bei den 119 Spielen, die er für Standard Lüttich absolviert hat, waren auch Partien in der Europa League sowie in der Champions-League-Qualifikation. Sport-Geschäftsführer Stefan Reuter ist deshalb auch überzeugt, in Opare die richtige Verstärkung für die anstehenden Aufgaben im In- und Ausland gefunden zu haben: "Mit Daniel Opare ist es uns gelungen, einen jungen, talentierten Spieler zu verpflichten, der bereits Spielpraxis bei verschiedenen Vereinen in Europa gesammelt hat. Wir sind uns aber sicher, dass seine Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist", glaubt Reuter. Auf der Augsburger Außenverteidigerposition geht es damit in diesen Tagen zu wie in einem Taubenschlag: Kurz vorher am Tag war bekannt geworden, dass Ronny Philp den FCA nach drei Jahren verlässt und zum 1. FC Heidenheim in die zweite Liga wechselt. Der 26-Jährige, der 2012 seinem Trainer Markus Weinzierl von Jahn Regensburg zum FCA gefolgt war, konnte sich aufgrund von Verletzungen nie recht durchsetzen bei den Schwaben. Er sei "nun in einem Alter", meinte Philp, "in dem es wichtig ist, dass ich viel Spielpraxis bekomme, um den nächsten Schritt zu machen". Immerhin steht inzwischen beim FCA als zweite perspektivträchtige Alternative für Baba der 21-jährige Philipp Max bereit, der in der Vorwoche für angeblich 3,8 Millionen Euro von Zweitligist Karlsruher SC kam. Die endgültige Besetzung in der Außenverteidigung ist allerdings nicht die einzige ungeklärte Frage beim FCA. Auch wenn das vertraute Personal in der Vorsaison toll aufspielte: Das Augsburger Mittelfeld braucht dringend eine Verjüngung und kreative Auffrischung, um neben der Zusatzbelastung durch die Europareisen weiter auch den Ligaalltag gut zu bewältigen. Der 31-jährige frühere Nationalspieler Piotr Trochowski, der sich nach seiner Verpflichtung im Sommer gut eingefügt hatte, fällt nach seiner Meniskusverletzung vorerst aus. | https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-augsburg-reise-ins-ungewisse-1.2607381 | mlsum-de-1038 |
Das vierte Duell binnen zehn Tage entscheiden die Münchner Basketballer im Eurocup für sich. Englands Überraschungs-Tabellenführer Leicester spielt nur unentschieden. Und Leverkusens Lars Bender zieht sich einen Muskelfaserriss zu. | Basketball, Eurocup: Basketball-Bundesligist Bayern München hat das Viertelfinale im Europacup erreicht. Der Vizemeister gewann das Achtelfinal-Rückspiel gegen den Ligarivalen Alba Berlin mit 84:75 (44:34) und trifft nach dem 82:82 im Hinspiel nun auf Galatasaray Istanbul. Nach kurzen Anlaufschwierigkeiten zu Beginn des ersten Viertels übernahmen die Münchner die Kontrolle und gingen mit zehn Punkten Vorsprung in die Pause. Im Laufe des zweiten Abschnitts kam Berlin nochmal bis auf zwei Punkte heran. Doch in den letzten Minuten der Partie drehten die Gastgeber auf und sicherten den Erfolg. Beste Werfer bei den Bayern waren Alex Renfroe und Dusko Savanovic mit jeweils 17 Punkten. Bei den Gästen aus Berlin kam Will Cherry auf 18 Zähler. Während der Partie kam es wiederholt zu technischen Problemen bei der Spielleitung. Die Begegnung musste Ende des dritten Viertels kurzzeitig unterbrochen werden. Für die Teams war es das vierte und letzte Aufeinandertreffen innerhalb von zehn Tagen. Neben den Eurocup-Duellen kam es zu zwei weiteren Begegnungen. Am vorletzten Sonntag entschied Alba das Pokalfinale in München gegen die Bayern mit 67:65 für sich. Eine Woche später setzten sich dann die Münchner in der Bundesliga mit 96:56 deutlich durch. Fußball, England: Leicester City ist in der englischen Premier League nicht über ein Remis gegen West Bromwich Albion hinausgekommen und muss nun um seine Tabellenführung bangen. Nach dem 2:2 (2:1) am Dienstagabend hat der Spitzenreiter drei Punkte Vorsprung auf seinen ärgsten Verfolger Tottenham Hotspur. Mit einem Sieg am Mittwoch bei West Ham United können die Nordlondoner damit an Leicester vorbeiziehen. Die Treffer von Daniel Drinkwater (30. Minute) und Andy King (45.+1) reichten Leicester nicht zum Sieg. Weiter auf dem Weg nach vorn ist der englische Fußball-Meister FC Chelsea. Mit dem 2:1 (2:0) bei Norwich City gelang den lange kriselnden Londondern bereits der dritte Erfolg hintereinander. Chelsea verbesserte sich damit zumindest vorübergehend auf Rang acht. Fußball, Leverkusen: Bei Bayer Leverkusen wird die Personalnot immer größer. Sieben verletzte Fußball-Profis können aller Voraussicht nach im Bundesligaspiel am Mittwoch (20 Uhr) gegen Werder Bremen nicht mitwirken. Auszufallen droht auch Innenverteidiger Jonathan Tah, der zuletzt wegen muskulärer Probleme beim 1:3 gegen den FSV Mainz 05 ausgewechselt werden musste. "Tendenz eher nicht", sagte Bayer-Trainer Roger Schmidt am Dienstag zu Tahs Einsatzchancen.Vertagt ist auch das Comeback von Lars Bender. Der Nationalspieler und Kapitän, der monatelang an einer Sehnenverletzung laborierte, zog sich im Training einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zu und muss weitere zwei Wochen pausieren. Nicht zur Verfügung stehen auch Kyriakos Papadopoulos (Knie), Kevin Kampl (Wadenbeinbruch), Ömer Toprak (Faseriss), Stefan Kießling (Hüfte) und Charles Aranguiz (Aufbautraining). Tennis, Damen: Sabine Lisicki ist erfolgreich in das WTA-Turnier in Kuala Lumpur gestartet. Die Berlinerin gewann ihr Auftaktmatch am Montag gegen die Polin Magda Linette 6:4, 7:6 (7:5). Im Tiebreak des zweiten Satzes holte Lisicki einen 1:5-Rückstand auf und sicherte sich mit sechs Punkten nacheinander den Sieg. In der vergangenen Woche war die Weltranglisten-31. in Doha gleich in der ersten Runde gescheitert. In Kuala Lumpur ist die ehemalige Wimbledon-Finalistin an Position drei gesetzt. Neben Lisicki nehmen auch Laura Siegemund aus Metzingen und die Bonnerin Annika Beck an der mit 250 000 Dollar dotierten Hartplatz-Veranstaltung teil. . | https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-fc-bayern-revanchiert-sich-gegen-alba-berlin-und-erreicht-viertelfinale-1.2888190 | mlsum-de-1039 |
Chinas Volkskongress steht im Zeichen des neuen US-Präsidenten. In der Ära Trump soll sich die Stellung des Landes im globalen Machtspiel deutlich verbessern. | In normalen Jahren ist es Chinas größte Politshow: Die Sitzung des Nationalen Volkskongresses, die am Sonntag in Peking beginnt. Ein Scheinparlament nur ist dieser Kongress, zunehmend aktiv zwar, aber ohne echte Macht - der Rechenschaftsbericht des Premiers und die Reden der Minister stoßen Beobachtern jedoch für kurze Zeit ein Fenster auf in die Schaltzentrale der Macht. Hier tut die KP ihre Pläne kund. Dieses Jahr allerdings ist kein normales Jahr. Im Herbst steht ein Parteitag der Kommunistischen Partei an, auf dem viele der Führungsposten neu verteilt werden. Und es ist das Jahr, in dem Donald Trump US-Präsident wurde. Für Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping ist es das wichtigste Jahr seit seinem Amtsantritt 2012. Für China ist es ein Jahr voller Herausforderungen und Unsicherheit, aber nun auch ein Jahr voller Chancen: Chancen, die der neue US-Präsident dem Land völlig unerwartet geschenkt hat. Der Volkskongress wird Xi Jinping als dem "Kern" der Führung huldigen. In der Agenda, die Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua vorab verschickte, ist das der Punkt Nummer eins. Für Xi ist 2017 das Jahr, in dem er seine Macht sichert und ausbaut. Gleichzeitig wird die Weltpolitik bei den Treffen der 3000 Delegierten so viel Raum einnehmen wie selten. Im Angesicht von "Protektionismus und Isolationismus", so Xinhua, werde die Volksrepublik "unerschütterlich die Globalisierung mit chinesischer Weisheit vorantreiben". Das eine die Reaktion auf Trump. Der Aufstieg Chinas in der Welt ist Xi Jinping ein Herzensanliegen Da passiert gerade etwas, und so ungelegen der KP-Führung die disruptive Kraft von Trumps Unberechenbarkeit kommt, ausgerechnet jetzt, da sie sich neu ordnet, so sehr wittert sie nun ihre Gelegenheit: Der Aufstieg Chinas in der Welt ist Xi Jinping Herzensanliegen. Anders als die zuletzt oft lediglich improvisierende US-Diplomatie, klagte der ehemalige US-Botschafter in Peking, Max Baucus in der Washington Post, habe China "eine langfristige strategische Vision", um seine Wirtschaftsmacht und seinen globalen Einfluss auszubauen. China will Räume besetzen, die auf einmal die USA lassen. Peking lauert allerdings auch nervös auf jeden nächsten Schritt Trumps. Die Unsicherheit über das bilaterale Verhältnis zu Washington ist enorm. Zwar ist die ganz große Aggressivität geschwunden aus Trumps China-Attacken, seit dem "extrem herzlichen" Telefonat, wie das Weiße Haus formulierte, zwischen ihm und Xi Jinping im Februar, bei dem der US-Präsident Peking ein Festhalten an der "Ein-China-Politik" zusagte. Aber Misstrauen und Nervosität sind geblieben. China arbeitet daran, die Armee moderner und schlagkräftiger zu machen Trump hat Chinas territoriale Besitznahme im Südchinesischen Meer gegeißelt, er hat Aufrüstung angekündigt und will gleichzeitig der amerikanischen Diplomatie die Mittel zusammenstreichen. In Peking hört man die Signale, und so werden alle Augen auf den neuen Militärhaushalt gerichtet sein, der traditionell zu Beginn der Volkskongressberatungen verkündet wird. China arbeitet seit langer Zeit daran, die Armee moderner und schlagkräftiger zu machen, vor allem die Marine wird gestärkt. Nach vielen Jahren zweistelliger Steigerungsraten war im vorigen Jahr der Anstieg mit 7,6 Prozent auf umgerechnet 139 Milliarden Dollar für die Beobachter erstaunlich gering ausgefallen. Jetzt, da Trump zehn Prozent mehr Geld ins US-Militär pumpen will, forderte in Peking die nationalistische Global Times, dass China nachziehen müsse. Ohnehin geben die USA noch immer mehr als viermal so viel aus für ihre Streitkräfte wie die Chinesen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/diplomatie-chinesen-hoert-die-signale-1.3402204 | mlsum-de-1040 |
Wer auf dem Balkon raucht und damit die Nachbarn stört, muss sich künftig möglicherweise an einen Zeitplan halten. Das hat der BGH entschieden. Hintergrund der Entscheidung war ein erbitterter Streit in Brandenburg. | Die Entscheidung des BGH Raucher können dazu verpflichtet werden, nur zu bestimmten Zeiten auf dem Balkon zur Zigarette zu greifen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Voraussetzung ist demzufolge, dass der Rauch als "wesentliche Beeinträchtigung" empfunden wird. Eine endgültige Entscheidung im konkreten Fall ist das aber noch nicht: Die Juristen wiesen den Fall an das Landgericht Potsdam zurück. Der konkrete Fall: Ein Streit unter Nachbarn In dem Fall ging es um einen erbitterten Nachbarschaftsstreit im brandenburgischen Premnitz. Ein Ehepaar hatte geklagt, weil die Nachbarn aus der unteren Etage auf dem Balkon zu rauchen pflegen und der Qualm nach oben zieht. Nach Angaben der Kläger geht es um etwa zwanzig Zigaretten am Tag. Die Beklagten haben einen täglichen Konsum von zwölf Zigaretten zugegeben. In den Vorinstanzen waren die Nichtraucher mit ihrer Klage gescheitert. Die Gerichte waren der Auffassung, dass ein Rauchverbot auf dem Balkon mit der vom Grundgesetz geschützten Freiheit der Lebensführung nicht vereinbar sei. Das Landgericht Potsdam hatte jedoch eine Revision durch den BGH zugelassen, da die Frage, wann, wo und wie viel geraucht werden dürfe von öffentlichem Interesse sei. Keine allgemeine Festlegung rauchfreier Zeiten Der Bundesgerichtshof gab im Grundsatz dem klagenden Ehepaar recht. Er legte jedoch keine allgemeingültigen rauchfreien Zeiten für Balkone fest. Diese müssten immer am Einzelfall orientiert bestimmt werden, hieß es. Im Fall des Ehepaars muss das Landgericht Potsdam nun genau klären, ob und wie stark die klagenden Nichtraucher durch den Zigarettenrauch gestört werden und dann gegebenenfalls die rauchfreien Zeiten festlegen. | https://www.sueddeutsche.de/panorama/urteil-des-bgh-zigarettenrauch-vom-nachbarbalkon-muss-nicht-geduldet-werden-1.2307001 | mlsum-de-1041 |
Nach zwei Wochen Streik der Gefängniswärter will die Regierung die Armee einsetzen, um Häftlinge zu bewachen und zu versorgen. | Nach fast zwei Wochen Streik der Gefängniswärter will Belgiens Regierung nun die Armee einsetzen, um wenigstens eine Grundversorgung der Häftlinge gewährleisten zu können. Wie Justizminister Koen Geens bekannt gab, sollen in drei Haftanstalten im betroffenen französischsprachigen Landesteil sowie in Brüssel insgesamt 180 Soldaten "zusätzliche humanitäre Unterstützung leisten". Sie sollen Polizisten und Mitarbeiter des Roten Kreuzes entlasten, die an die Stelle der Streikenden getreten sind. Die Lage in den Gefängnissen ist laut belgischen Medien sehr angespannt. Die Häftlinge dürfen seit Beginn des Ausstands ihre Zellen nicht mehr verlassen und nicht mehr duschen; sie erhalten nur noch wenige Medikamente und können auch keinen Besuch mehr empfangen. In mehreren Gefängnissen äußerten Insassen ihren Unmut, indem sie Gegenstände in Brand setzten. Angehörige versuchten, mit ihnen über die Gefängnismauern in Kontakt zu treten. "Selbst in einem Tierheim bekommen die Hunde doch täglich ein wenig Ausgang", wurde ein Häftling zitiert. Ein Untersuchungsrichter in Lüttich erklärte, die Situation widerspreche inzwischen der menschlichen Würde; er ordnete deshalb an, einen wegen Drogendelikten Einsitzenden freizulassen. In Lüttich muss der Staat nun Dutzenden Häftlingen ein Ausgleichsgeld von täglich 300 Euro zahlen. Die Gefängnisaufseher klagen über zu wenig Personal, schlechte Bezahlung und fordern auch Verbesserungen bei der Rente. Über das Wochenende hatten Gewerkschaften mit Minister Geens einen Kompromiss ausgehandelt, den die Angestellten in der Wallonie aber deutlich zurückwiesen. Mehr gebe sein Budget nicht her, argumentiert Geens. Der Minister wolle bloß den Streik brechen und auf Zeit spielen, entgegneten Gewerkschafter. Dass die Regierung nun Soldaten einrücken lasse, erinnere ihn an Nordkorea, sagte der Direktor der Haftanstalt von Andenne. Die Zustände in Belgiens Gefängnissen werden seit Jahren kritisiert. Das Anti-Folter-Komitee des Europarats bemängelte 2013 in einem Bericht vor allem die übervollen Zellen. Mit 134 Häftlingen pro 100 Plätzen liege Belgien an viertletzter Stelle in Europa. Oft würden zwei Gefangene in einer Einzelzelle untergebracht. Darüber hinaus hapere es bei der psychischen, sozialen und medizinischen Betreuung. Im flämischen Merksplas, das nicht von dem Streik betroffen ist, revoltieren seit Samstag 170 Häftlinge gegen ebendiese Bedingungen. Sie haben 150 Zellen verwüstet. Auch die Zustände in Belgiens geschlossenen psychiatrischen Anstalten sind wiederholt kritisiert worden. Grund für die Misere ist, dass der Staat über Jahrzehnte zu wenig Geld in Unterhalt und Ausbau dieser Institutionen gesteckt hat. Flämische Politiker fordern nun, eine garantierte Grundversorgung bei der Gefängnisaufsicht gesetzlich festzuschreiben, ähnlich wie bei der Polizei oder in Krankenhäusern. Dies hatte allerdings auch der Europarat 2013 schon angemahnt. Belgiens Gewerkschaften haben für die kommenden Monate weitere Arbeitskämpfe angekündigt, unter anderem einen Generalstreik im Juni. Ein Ausstand der Fluglotsen hatte kürzlich die Wiederaufnahme des Flugbetriebs am Brüsseler Flughafen verhindert. | https://www.sueddeutsche.de/politik/belgien-armee-rueckt-in-gefaengnisse-ein-1.2985876 | mlsum-de-1042 |
Die Aktivistin Stevie Schmiedel organisiert Shitstorms und ist damit der wandelnde Albtraum der Werbeindustrie. Warum nun ausgerechnet sie die Zukunft der Branche bestimmen könnte. | Die Verniedlichung, findet Stevie Schmiedel, ist das Problem. "Wenn es um Mädchen geht, macht die Industrie immer alles niedlich und rosa und süß und harmlos", sagt sie. Schmiedel, 45, ist die Gründerin des Vereins "Pinkstinks". Die Organisation kämpft gegen Geschlechterklischees in der Produktgestaltung und in der Werbung und in diesem Kampf setzt sie vor allem auf den Druck der Öffentlichkeit. Schmiedel ist also so etwas wie eine professionelle Shitstorm-Organisatorin: Wenn Pinkstinks Produkte oder Kampagnen auf seinen Social-Media-Seiten anprangert, sehen sich die verantwortlichen Unternehmen meist binnen weniger Stunden einer Flut an kritischen Nachrichten und Schmähungen im Netz ausgesetzt. Nur wenige Firmen halten so einem Druck stand, die meisten Unternehmen ziehen die kritisierten Produkte oder Motive zurück, wenn sie es mit einer von Schmiedel organisierten Empörungswelle zu tun bekommen. Stevie Schmiedel ist der wandelnde Albtraum der Werbewirtschaft, seit Jahren schon - von Oktober an aber ist sie auch die Frau, die maßgeblich darüber entscheidet, unter welchen Bedingungen diese Branche künftig überhaupt arbeiten darf. Im Auftrag des Bundesfamilienministeriums sollen Schmiedel und ihre Pinkstinks-Kollegen zwei Jahre lang die Tätigkeit des Werberats überwachen. Der Werberat ist ein Selbstkontrollorgan, darin sitzen also die Größen der Branche und beraten über die Beschwerden, die von Bürgern oder Organisationen über bestimmte Werbemotive eingehen. Dann und wann erteilt der Werberat eine öffentliche Rüge, 22 Mal war das im vergangenen Jahr der Fall. Zwingen, ein bestimmtes Motiv nicht mehr zu verwenden, kann der Werberat die Firmen aber nicht. Schmiedel und ihre Truppe sollen nun beobachten, ob das als Regulierungsmaßnahme ausreicht: Kann diese Branche sich selbst regulieren? Oder braucht es doch gesetzliche Regeln, um den Chauvinismus von den Plakatwänden zu vertreiben? Vor ihrer Zeit als Aktivistin verfolgte die Deutsch-Britin Schmiedel eine akademische Karriere, promovierte in Kulturwissenschaften und unterrichtete Gender Studies an verschiedenen Universitäten, zuletzt in Hamburg. 2012 entschied sie, sich komplett auf den Kampf gegen Geschlechterklischees zu konzentrieren. Eine Kampagne, die mit Stereotypen spiele, sei nicht einfach nur Werbung, sagt Schmiedel. "Die Art, wie Frauen und Männer öffentlich dargestellt werden, hat Folgen für die Gesellschaft." Besonders bei Kindern und Jugendlichen prägten die veröffentlichten Rollenbilder auch den Blick auf sich selbst: "Das beeinflusst, wie sie ihren eigenen Körper wahrnehmen, aber auch, was sie sich im Leben zutrauen." Und wie bestimmt man nun, was sexistisch ist und was nicht? Schmiedel sagt, sie wolle zunächst eine App entwickeln, mit der man strittige Werbekampagnen unkompliziert melden und bestimmten Kategorien zuordnen könne. Das solle auch dabei helfen, transparent und nachvollziehbar zu machen, wann eine Kampagne von den Werbeaufsehern als sexistisch eingestuft werde und wann nicht. "Da gibt es auch viel Verwirrung", sagt Schmiedel. Nicht jede sexualisierte Darstellung sei sexistisch: "Man darf das Thema auch nicht hysterisieren." Eine Haltung, die Pinkstinks und ihrer Gründerin auch in der Aktivistenszene Kritik einbringt: Einige andere feministische Organisationen finden sie schlicht nicht streng genug. In der Werbebranche dagegen sorgt sich mancher um seine kreative Freiheit - ein Argument, das Schmiedel nicht gelten lässt. Bei der Werbung für Alkohol und Zigaretten gebe es ja auch Beschränkungen. "Trotzdem ist noch kein Plakat weiß geblieben." Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, dass Stevie Schmiedel von August an die Tätigkeit des Werberats überwachen soll. Tatsächlich beginnt das Projekt aber erst im Oktober. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nahaufnahme-expertin-fuer-empoerung-1.3610356 | mlsum-de-1043 |
Marvin Plattenhardt rutschte als Ersatz für Jonas Hector ins Team, kam dort aber nie wirklich an - er ist nicht der Erste, dem das so ergeht. | Im Grunde war dieser Tag dazu geschaffen, ein großartiger Tag im Leben des Marvin Plattenhardt, 26, zu sein. Erstmals in seinem Leben hatte er bei einer Fußball-Weltmeisterschaft für Deutschland gespielt, und er hatte nicht für fünf Minuten in der dritten Partie der Vorrunde auf dem Platz gestanden, sondern von Anfang an im überaus bedeutsamen Auftaktmatch. In Plattenhardts Fall bedeutete das außer Ruhm und Ehre auch die Erfüllung eines sehr konkreten Kindheitstraums. An einer Weltmeisterschaft hatte er nämlich schon teilgenommen, als er noch ein 14 Jahre alter Bub aus Filderstadt bei Stuttgart war. Fußball spielte er damals nicht beim großen VfB, sondern beim FV Nürtingen (bevor dann der SSV Reutlingen zuschnappte), aber mit dem großen Fußball kam er trotzdem unmittelbar in Berührung - als Balljunge beim WM-Spiel zwischen Frankreich und der Schweiz 2006. Und wem durfte er bei dieser Gelegenheit den Ball zuwerfen? Dem Größten höchstpersönlich, den es damals gab, Zinédine Zidane, woraufhin sich der junge Marvin schwor, dass er eines Tages auch mal vor den Augen der ganzen Welt spielen werde. Das war ihm nun gelungen am Sonntag in Moskau, doch Marvin Plattenhardt machte nicht den Eindruck eines Mannes, der soeben auf unvergessliche Weise seinen Lebensweg gekrönt hätte. Eher bedrückt und betreten sah er aus, als er sich dem Ausgang näherte. Wie er sich denn fühlte am Abend seines WM-Debüts, hat man ihn gefragt. "Nicht so überragend", erwiderte Plattenhardt. Am Morgen hatte ihm der Bundestrainer erklärt, dass er gegen Mexiko den Part des grippekranken Jonas Hector übernehmen werde. Ob er einen Freudensprung getan hat nach Jogi Löws Mitteilung, das hat Plattenhardt nicht verraten, aber er hat erzählt, was er getan hat, um vor dem großen Ereignis Geist und Körper zu beruhigen - einen Mittagsschlaf hat er gemacht, und danach hat er, wie sich das gehört für moderne junge Nationalspieler, auf seinem Smartphone die App studiert, die Daten über den Gegner und persönliche Informationen bereithält. An Plattenhardts Leistung gab es wenig auszusetzen, was allerdings auch daran lag, dass seine Beteiligung am Spiel marginal blieb. Er bekam selten die Gelegenheit, Fehler zu machen. Die Mitspieler mieden ihn auf geradezu vorsätzliche Art, auf Dauer sah es so aus wie ein stilles Misstrauensvotum und wie der konzertierte Versuch, ihn so oft wie möglich vom Spiel fernzuhalten. Durch die Isolierung des Linksverteidigers wurde das ohnehin rechtslastige deutsche Spiel noch rechtslastiger, aus dem üblicherweise hochaktiven Joshua Kimmich wurde ein hyperaktiver Joshua Kimmich. Die gesamte Konstruktion geriet in Schieflage, auch dies trug erheblich zur Konfusion beim Weltmeister bei. Während Plattenhardt sich immer wieder vergeblich für ein Anspiel anbot, beschwerte sich ein paar Meter weiter vorne Julian Draxler über die Vernachlässigung seines Flügels. "In der einen oder anderen Situation" sei das schon "frustrierend" gewesen, sagte Draxler später. Joachim Löw hatte Plattenhardt für die Russland-Reise nominiert, um im Notfall einen Ersatz für Hector zu haben. Dies war das Resultat seines Auswahlprinzips: Ausgewogen und auf allen Positionen doppelt besetzt sollte der Kader sein, hatte Löw gesagt und damit auch die Verabschiedung von Leroy Sané erklärt. Dass seine Mannschaft den Neuling so wenig integrieren würde, das konnte Löw nicht ahnen, obwohl er einen ähnlichen Fall schon bei der WM 2014 erlebt hatte: Beim Vorrundenspiel gegen Ghana (2:2) wurde der zur Pause eingewechselte Shkodran Mustafi von den Mitspielern mindestens so konsequent gemieden wie Plattenhardt am Sonntag in Moskau. Manchmal war Mustafi auf der rechten Seite so frei wie ein Vogel - aber die Kameraden haben ihm trotzdem das Zuspiel vorenthalten. Plattenhardt hatte kurz vor seiner Auswechslung (79.) in Moskau dennoch eine markante Szene. Im Zuge eines weiteren der hundert mexikanischen Konter sah er sich einem Duell ausgesetzt, das er nicht verlieren durfte, sonst wäre der Weg zum Tor für den Gegner frei gewesen. Plattenhardt gewann das Duell, und das war ein persönlicher Sieg, der ihm vielleicht noch helfen wird: Ob Hector rechtzeitig genesen wird vor dem Spiel gegen Schweden, ist noch nicht bekannt. Marvin Plattenhardts Kindheitstraum könnte noch ein paar Tage anhalten. | https://www.sueddeutsche.de/sport/leerstelle-auf-links-ausgeschlafen-und-alleingelassen-1.4021104 | mlsum-de-1044 |
Türkische Sicherheitskräfte hatten Demonstranten auf amerikanischem Boden angegriffen. In Ankara wird der US-Botschafter zum Gespräch geladen. | Genau einen Monat liegt der Besuch des türkischen Präsidenten in Washington nun zurück, doch in den USA sind die Szenen unvergessen: Recep Tayyip Erdoğan sieht zu, wie seine Security-Leute Demonstranten verprügeln, auf amerikanischem Boden (Details gibt es hier). Nun haben amerikanische Behörden Haftbefehle gegen die beteiligten Sicherheitsleute erlassen. Die Polizei von Washington sucht neun türkische Sicherheitsbeamte, drei türkische Polizisten sowie zwei Kanadier. Der örtliche Polizeichef Peter Newsham sagte am Donnerstag: "Wir alle haben die gegen Demonstranten verübte Gewalt gesehen. Das werden wir nicht tolerieren." Zwei Personen seien am Mittwoch bereits festgenommen worden. US-Außenminister Rex Tillerson begrüßte die Haftbefehle. Diese sendeten ein "klares Zeichen, dass die Vereinigten Staaten keine Personen tolerieren, die Einschüchterung und Gewalt nutzen, um die Redefreiheit und die Freiheit legitimer politischer Meinungsäußerung zu unterdrücken". Das teilte Tillerson am Donnerstag mit. Erdoğan reagierte mit scharfer Kritik auf die Entscheidung und warf den Sicherheitskräften vor, ihn nicht ausreichend geschützt zu haben. "Terroristen" hätten sich ihm auf 50 Meter nähern können. Die US-Beamten hätten "nichts unternommen", weshalb seine eigenen Leibwächter aktiv wurden. Es sei nur darum gegangen, ihn zu schützen, betonte Erdogan. Er kündigte einen "politischen und juristischen Kampf" gegen die Haftbefehle an. Das türkische Außenministerium lud US-Botschafter John Bass zum Gespräch, um offiziell Protest einzulegen. Aus einer Mitteilung ging hervor, man halte die Haftbefehle für falsch und voreingenommen. Zudem fehle es an einer rechtlichen Grundlage. Es wäre nicht zu dem Konflikt gekommen, wenn die USA zuvor angemessene Vorkehrungen getroffen hätten. Auch seien die Ermittlungen nicht objektiv und unabhängig gewesen. Der Zwischenfall hatte sich am 16. Mai vor der Residenz des türkischen Botschafters in Washington ereignet. Kritiker Erdoğans warteten dort auf den Staatschef mit Sprechchören, als dieser von einem Treffen mit US-Präsident Donald Trump zurückkam. Daraufhin griffen Sicherheitsleute und Erdogan-Anhänger die Demonstranten an und verletzten neun von ihnen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-usa-sprechen-haftbefehle-gegen-erdogans-pruegelnde-sicherheitsleute-aus-1.3547235 | mlsum-de-1045 |
Anders als erwartet will die Opposition das verschärfte Sexualstrafrecht nicht mittragen. Grüne und Linke wollen sich enthalten. | Am Donnerstag will der Bundestag das Sexualstrafrecht verschärfen. Anders als erwartet wird die Opposition das Vorhaben nicht unterstützen. Bei den Grünen, die seit Jahren eine Reform fordern, gibt es verfassungsrechtliche Bedenken. Wie die Linkspartei wollen sie sich bei der Endabstimmung im Bundestag enthalten. "Es ist bitter. Jetzt kommt endlich die überfällige Regelung des "Nein heißt Nein", und wir Grüne müssen uns zum Gesetzentwurf enthalten, weil er zusätzlich verfassungswidrige Paragrafen im Strafrecht einführt", sagte die grüne Rechtspolitikerin Renate Künast der Süddeutschen Zeitung. Die lang ersehnte Abstimmung sei ein "Feiertag mit einem Wermutstropfen". Die Koalition will den Grundsatz "Nein heißt Nein" ins Strafgesetzbuch aufnehmen. Anders als bisher macht sich dann nicht nur strafbar, wer sexuelle Handlungen mit Gewalt oder Drohung erzwingt. Als Vergewaltiger kann dann auch gelten, wer sich über den "erkennbaren Willen" des Opfers hinwegsetzt. Erstmals strafbar werden dann auch sexuelle Belästigung und sexuelle Übergriffe "aus der Gruppe". Letzteres war Wunsch der Union und zielt auf die Kölner Silvesternacht, als Frauen umringt und sexuell belästigt wurden. Die Union will dafür einen eigenen Straftatbestand und knüpfte ihr Ja zum "Nein heißt Nein" ans Ja der SPD zum neuen Gruppenparagrafen. Jedem, der sich "an einer Personengruppe beteiligt, die eine andere Person zur Begehung einer Straftat an ihr bedrängt", droht laut Entwurf nun eine Freiheits- oder Geldstrafe. Für sexuelle Übergriffe kann auch bestraft werden, wer ohne diesen Vorsatz zur Gruppe gehört. Nach der SPD melden die Grünen hier Bedenken an. "Wer selber keine Sexualstraftat begeht, kann und darf nicht wegen einer Sexualstraftat verurteilt werden. Das widerspricht dem Schuldprinzip, auf dem unser gesamtes Strafrecht aufbaut", sagte die Grünen-Politikerin Künast. Die Grünen stimmen nur "Nein heißt Nein" zu, dem gesamten Gesetz nicht - wie die Linke. Sie kritisiert, dass die Union den Grundsatz "Nein heißt Nein" ins Aufenthaltsrecht implementieren ließ. Bisher konnte eine Verurteilung wegen schwerer Straftaten ein Abschiebungsgrund sein. Die Koalition will diese Schwelle nun senken. Auch ein Verstoß gegen "Nein heißt Nein" soll im Aufenthaltsrecht relevant werden. Hier sei "jegliches Maß verloren gegangen", schrieb die Linken-Abgeordnete Halina Wawzyniak. | https://www.sueddeutsche.de/politik/sexualstrafrecht-nein-zum-nein-heisst-nein-1.3066397 | mlsum-de-1046 |
Deutsche Tennis-Männer liegen im Davis-Cup 0:2 zurück, Rummenigge ärgert sich über die erneuten Angriffe der Ultras gegen Neuer, Webber Trainingsschnellster in Großbritannien, IOC will Doping-Skandal um Nordkoreas Fußballerinnen untersuchen. Kurzmeldungen | Das wird ganz schwer: Auch der Kampf von Philipp Kohlschreiber und des von Krämpfen geplagten Florian Mayer hat die deutschen Tennis-Herren nicht davor bewahrt, schon nach dem ersten Tag des Davis-Cup-Viertelfinales gegen Frankreich vor dem Aus zu stehen. Nach den Niederlagen gegen den Vorjahresfinalisten in den beiden ersten Einzeln liegt die Auswahl von Team-Kapitän Patrik Kühnen mit 0:2 zurück. Nun muss sie das Doppel am Samstag gewinnen, um auf der Sandplatz-Anlage in Stuttgart die Chance auf das erste Halbfinale seit 2007 zu wahren. Dann könnte die Auswahl das Duell mit Frankreich in den beiden abschließenden Einzel-Duellen noch drehen. Der Bayreuther Mayer führte am Freitag gegen die französische Nummer zwei Richard Gasquet schon mit 2:0-Sätzen, ehe ihn von der Mitte des dritten Satzes an Krämpfe in beiden Beinen plagten und er sein Match nach 3:32 Stunden noch mit 6:4, 6:4, 5:7, 3:6, 3:6 verlor. Danach musste sich auch Kohlschreiber gegen den Weltranglisten-Siebten. Gael Monfils geschlagen geben. Der Augsburger unterlag der französischen Nummer eins mit 6:7 (3:7), 6:7 (5:7), 4:6. Karl-Heinz Rummenigge hat sich mit großer Bewunderung über Manuel Neuer geäußert und will mit dem FC Bayern München gegen protestierende Fans vorgehen. "Ich bewundere Manuel Neuer mittlerweile wie gelassen, wie souverän er mit diesen Dingen umgeht. Da kann ich nur sagen, er scheint eine extrem ausgeprägte, positive Persönlichkeit zu sein", sagte der Vorstandschef am Freitag im Trainingslager des Fußball-Rekordmeisters am Gardasee, wo es am Mittwoch ein neues Anti-Neuer-Plakat gegeben hatte. "Ich habe fast einen Tobsuchtsanfall gekriegt", schilderte Rummenigge seine erste Reaktion auf die Aktion, die man sich "nicht gefallen lassen" werde. Auch Stadionverbote würden in Erwägung gezogen. "Diese Leute sind unerwünscht. Wer immer noch nicht kapiert hat, dass diese Aktionen unangebracht sind, dem ist nicht zu helfen. Dem muss geholfen werden", so der 55-Jährige, der sich entschlossen gab, die Debatte bald zu beenden: "Unsere Geduld ist am Ende. Die Problematik liegt im Detail. Es handelt sich um eine sehr kleine Gruppe, die nicht Mitglied ist", erklärte Rummenigge. Rutschpartie statt Rennprobe: Im Dauerregen von Silverstone fehlten Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel beim Training zum Großen Preis von Großbritannien einige Sekunden. Nahezu tatenlos sah der 24 Jahre alte Hesse zu, wie ihm Red-Bull-Kollege Mark Webber und das sprichwörtliche englische Wetter die Schau stahlen. Schon am Freitagmorgen gab Webber in 1:46,603 Minuten die Tagesbestzeit vor und ließ damit seiner Ankündigung, zu Vettel aufzuschließen. Der deutsche WM-Führende begnügte sich dagegen mit wenigen Runden und wurde gut zwei Sekunden langsamer nur 13. der Tageswertung. "Ich habe ein paar Sachen probiert, aber der Vergleich ist sehr schwer, weil die Bedingungen von Runde zu Runde anders sind", sagte Vettel. Bei teilweise strömendem Regen schürten die deutschen Silberpfeil-Piloten die zarten Hoffnungen der Mercedes-Fans für den neunten Saisonlauf am Sonntag. Rekord-Weltmeister Michael Schumacher bewies einmal mehr seine Regenkünste und sorgte in 1:47,263 Minuten für die zweitbeste Zeit des Tages. Im Ablöse-Poker um Nationalspieler Jérome Boateng sieht es unterdessen zwischen den Münchnern und Manchester City wenig vielversprechend aus. "Die wenden im Moment eine Taktik an, die ich auch noch nie erlebt habe, dass man eigentlich gar nichts von sich hören lässt", berichtete Rummenigge. Eine "Deadline" habe man nicht, aber irgendwann werde sicherlich ein Zeitpunkt kommen, ab dem man einen Alternativplan verfolgen müsse. "Bis zu einer gewissen Höhe respektieren wir die Ablöse, aber wir zahlen sicherlich keine Mondpreise." Der ehemalige deutsche Fußball-Nationalspieler Alexander Zickler kehrt zum österreichischen Spitzenclub RB Salzburg zurück. Der 37-Jährige werde ab sofort in den Bereichen Nachwuchs, Fans und Partnerbetreuung mitarbeiten, teilte der Erstligist am Freitag auf seiner Homepage mit. Zickler wurde bereits als neuer RB-Mitarbeiter vorgestellt. Der frühere Stürmer von Dynamo Dresden und des FC Bayern München hatte von 2005 bis 2010 bei Salzburg gespielt. Nach einer Saison bei LASK Linz beendete der Torjäger seine Karriere. Nach dem Doping-Skandal bei der Fußball-WM der Frauen will das Internationale Olympische Komitee (IOC) untersuchen, wie es in Nordkorea generell mit Tests auf verbotene Substanzen steht. Dies erklärte Prof. Arne Ljungqvist, Chef der medizinischen Kommission, am Freitag während der 123. IOC-Session im südafrikanischen Durban auf Anfrage des Sport-Informations-Dienstes (SID). Ljungqvist, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht von der übereilten Abreise der Nordkoreanerinnen am Vortag informiert war, meinte: "Ich verstehe das Misstrauen der anderen. Aber ich weiß nicht wirklich viel über Dopingkontrollen in diesem Land, das eine so geschlossene Gesellschaft ist wie keine andere auf der Welt." Ljungqvist meinte, er sei Realist und es werde schwierig sein, wirklich klare Erkenntnisse über den Umgang mit verbotenen Substanzen bzw. Kontrollen in Nordkorea zu erhalten. Am Freitag stand die B-Probe der positiv auf ein anaboles Steroid getesteten Song Jong Sun und Jong Pok Sim noch aus. Obwohl die Frist der Öffnung in Anwesenheit der beteiligten Spielerinnen bzw. Funktionäre verstrichen war, hatte der Fußball-Weltverband FIFA angekündigt, er bestehe dennoch auf der Analyse der B-Probe bei den sportlich in der Vorrunde gescheiterten Nordkoreanerinnen. Frankreichs Fußball-Idol Zinedine Zidane hat Meldungen bestätigt, wonach er neuer Sportdirektor bei Real Madrid wird. "Ja, ich denke, dass ich Sportdirektor werde und ich bin sehr glücklich darüber", sagte der 39-Jährige am Donnerstag in einem Interview, das auf der Webseite der spanischen Zeitung Marca veröffentlicht ist. Über seinen genauen Verantwortungsbereich wollte sich der Weltmeister von 1998 noch nicht äußern, aber er sagte: "Das Wichtigste ist, dass ich schon bei Real Madrid bin." Reals Präsident Florentino Perez hatte im Mai den ehemaligen Sportdirektor Jorge Valdano nach einem lang andauernden Streit gefeuert. Mit einem 2:0 (0:0) gegen Bolivien hat die Nationalmannschaft Costa Ricas bei der Copa America ihren ersten Sieg geschafft und damit den Druck auf Gastgeber Argentinien erhöht. Die mit einer verstärkten U22-Auswahl angereisten "Ticos" gehen nun mit drei Punkten auf der Habenseite am Montag in das abschließende Vorrundenduell gegen den Turnier-Gastgeber (2 Punkte). Vor den 21.000 Zuschauern in Jujuy überschlugen sich die Ereignisse im zweiten Durchgang. Josue Martinez (59.) brachte die Mittelamerikaner in Führung. In der 71. Minute sah der Bolivianer Ronaldo Rivero die Rote Karte, den anschließenden Strafstoß vergab Alen Guevara. Nach einem weiteren Platzverweis für Bolivien (Walter Flores/76.) sorgte Joel Campbell (78.) dann für die Entscheidung. Beim Südamerika-Turnier kommen jeweils die beiden Ersten der drei Gruppen sowie die besten zwei Gruppendritten weiter. Die Gruppe A führt Kolumbien mit vier Punkten vor Costa Rica (3), Argentinien (2) und Bolivien (1) an. Die Baskets Bamberg haben in der Euroleague schwere Gegner erwischt. In der Hauptrundengruppe B treffen die Franken auf Titelverteidiger Panathinaikos Athen aus Griechenland, den russischen Meister ZSKA Moskau, Unicaja aus Spanien, den litauischen Meister Zalgiris Kaunas sowie KK Zagreb aus Kroatien. Um in die Runde der letzten 16 Mannschaften einzuziehen, muss Außenseiter Bamberg mindestens Vierter in der Gruppe werden. In der vergangenen Spielzeit verpassten die Franken trotz fünf Siegen in der Hauptrunde die zweite Phase des Wettbewerbs. Alba Berlin hat berechtigte Hoffnung, ebenfalls den Sprung in den höchsten europäischen Basketball-Wettbewerb zu schaffen. Der Club aus der Hauptstadt trifft in der ersten von drei Qualifikationsrunden auf den lettischen Vertreter VEF Riga. Gewinnt Alba das Duell, geht es anschließend gegen den Sieger der Partie Belgacom Spirou Basket aus Belgien gegen BC Donezk aus der Ukraine. Stürmer Didier Ya Konan vom Bundesligisten Hannover 96 hat sich einen Muskelfaserriss zugezogen und kann nicht mit ins neuntägige Trainingslager im österreichischen Bad Radkersburg reisen. Der Torjäger der Niedersachsen wird sich stattdessen einem Reha- und Aufbauprogramm bei Physiotherapeut Klaus Eder in Donaustauf unterziehen. "Für uns und den Spieler ist diese Diagnose natürlich bitter. Wir können für Didier in Donaustauf eine intensive Reha-Betreuung sicherstellen, er ist dort in guten Händen", sagte 96-Trainer Mirko Slomka. Carl-Edgar Jarchow ist als Vorstandsvorsitzender des Hamburger SV bestätigt worden. Dies gab der Klub am Freitag offiziell bekannt. Nach einem Treffen des Aufsichtsrats am Donnerstag erhielt der 56-Jährige, der den Posten im März dieses Jahr übernommen hatte, einen Vertrag bis zum 15. März 2013. "Er hat den HSV in einer schwierigen Situation übernommen und die Aufgaben voller Leidenschaft zusammen in einem sehr gut funktionierenden Team gelöst. Dafür gebührt ihm größte Anerkennung und das Vertrauen, den Weg weiter fortzuführen", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Otto Rieckhoff. Jarchow, der von 2001 bis 2004 Mitglied des HSV-Aufsichtsrates war, freute sich über die vorzeitige Vertragsverlängerung und blickte direkt vorne: "Wir werden unseren begonnenen Weg mit gleicher Intensität und Leidenschaft fortführen." | https://www.sueddeutsche.de/sport/sport-kompakt-rummenigge-tobt-und-lobt-1.1117718 | mlsum-de-1047 |
Bitterer kann es kaum laufen: Der Hamburger SV kassiert gegen Gladbach in allerletzter Sekunde das 1:1 und ärgert sich über einen verschenkten Sieg. Die Borussia gibt Anlass zur Sorge. | Stiebers Treffer reicht nicht Der Hamburger SV hat einen Woche nach dem Debakelt gegen Bayern einen Heimsieg gegen Borussia Mönchengladbach in letzter Sekunde verspielt. In der zweiten Minute der Nachspielzeit erzielte Branimir Hrgota den Treffer der Gäste zum 1:1 (0:0). Zuvor hatte Zoltan Stieber die Hamburger Gastgeber in der 73. Minute in Führung geschossen. Die vor einer Woche mit 0:8 bei den Bayern untergegangenen Hamburger verpassten es als 14. in der Tabelle mit 24 Punkten, sich weiter von den Abstiegsrängen der Fußball-Bundesliga abzusetzen. Die Gladbacher bleiben Dritter mit nunmehr 37 Punkten, konnten aber kein Kapital aus den Remis der Verfolger schlagen. Gladbach wirkt nicht frisch So eklatant wie der Tabellenstand beider Teams vermuten ließ, fiel der Unterschied auf dem Platz vor 52 105 Zuschauern nicht aus. Beide Teams beschränkten sich in der ersten Halbzeit auf wenige Offensivszenen. Die technisch versierteren Gladbacher wirkten drei Tage nach der 0:1-Niederlage im Europa-League-Hinspiel in Sevilla noch nicht ganz frisch - obwohl Trainer Lucien Favre mehr als die Hälfte der Mannschaft tauschte und sechs neue Kräfte im Vergleich zur Startelf in Andalusien brachte. Nur kurz ließen die Borussen ihr Können aufblitzen: 4. Minute, Patrick Herrmann setzte sich auf der linken Seite durch und passte den Ball in den Rückraum auf Max Kruse. Der zögerte nicht und zog direkt ab, der Ball streifte das Außennetz. Etwa 60 Sekunden später klatschte der Ball an den Pfosten des HSV-Tores. Keeper Jaroslav Drobny wäre beim Schuss von Herrmann aus zehn Metern machtlos gewesen. Das war's dann allerdings weitestgehend von den Gästen. Die Hamburger setzten Kampfgeist dagegen. Coach Josef Zinnbauer hatte seine Mannschaft sogar auf sieben Positionen verändert, auch Rafael van der Vaart musste sich mit einem Platz auf der Bank abfinden. Es war das erste Mal seit seiner Rückkehr zu den Hanseaten, dass der Niederländer fit war, aber nicht für die Startelf berücksichtigt wurde. Der HSV bemühte sich, kein Tor zu kassieren und bei vereinzelten Gegenstößen die Gladbacher in Gefahr zu bringen. Die Offensive wurde allerdings nach nicht mal einer halben Stunde geschwächt, als Ivica Olic vom Platz humpelte. Zuvor hatte Abwehrspieler Dennis Diekmeier eine Chance vergeben (20.), danach scheiterte Slobodan Rajkovic nach einer Ecke in aussichtsreicher Position mit einem Kopfball (41.). Allzuviel ereignete sich in der Partie auch nach dem Seitenwechsel zunächst nicht. Vor allem von den Gladbachern, bei denen Granit Xhaka gelbgesperrt fehlte und schmerzlich im Spielaufbau vermisst wurde, kam zuwenig. Also reagierte Favre und brachte Raffael in die Partie. Es änderte aber nichts. Die Gäste ließen jegliche Durchschlagskraft vermissen, wirkten zu verhalten, zu zögerlich. Die Strafe folgte: Nach einem Ballverlust auf Höhe der Mittellinie konterten die Hamburger blitzschnell. Artjoms Rudnev, der für Olic in die Partie gekommen war, legte Stieber auf, und der zog aus 16 Metern mit links ab. Torwart Yann Sommer streckte sich vergebens. Auf der Gegenseite war Drobny beim Ausgleich durch Hrgota chancenlos. | https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-bundesliga-hrgota-zerschmettert-hamburgs-hoffnung-1.2362968 | mlsum-de-1048 |
Ein Mitglied der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK ist in Hamburg zu einer Haftstrafe verurteilt worden - ein Urteil, das auch Außenpolitik ist. | Schon oft hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan beklagt, die deutsche Justiz sei zu nachsichtig im Umgang mit kurdischen Terroristen. Wieder scheint nun ein deutsches Gericht, dieses Mal das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg, diese Wahrnehmung zu bestätigen. "Wir können sicher sein, dass der türkische Staat sich über dieses Urteil beschweren und das Gericht als Terrorhelfer kritisieren wird", schickte der Richter vorweg, bevor er am Freitag einen Kader der sogenannten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) schuldig sprach. Nur zwei Jahre und neun Monate Haft verhängte er als Strafe für den 37-Jährigen, der die Spendensammlung der PKK in Darmstadt, Berlin und München geleitet haben soll. Man hätte natürlich weiter gehen können, erklärte Richter Norbert Sakuth. Doch sei zu bedenken, dass "die Türkei die Rechte der Kurden missachtet" und der Angeklagte die "Vertreibung aus seiner Heimat erleben musste". Der letzte PKK-Funktionär, der vor demselben Senat angeklagt worden war, hatte sogar nur eine Bewährungsstrafe erhalten. Das hatte Verstimmungen in der Türkei ausgelöst. Zwei Jahre und neun Monate also, das liegt derzeit an der Obergrenze bei Strafurteilen gegen PKK-Funktionäre hierzulande. Detailansicht öffnen Seit März steht das Zeigen des Porträts des seit 1999 inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan in Deutschland unter Strafe. (Foto: Boris Roessler/dpa) Ist das zu lasch? Es ist jedenfalls milder als in früheren Zeiten, was zum einen daran liegt, dass sich die Gewalt der PKK in den 1990er-Jahren auch gegen Ziele in Deutschland richtete. 1997 zum Beispiel verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt drei Kader, die für eine Serie von Anschlägen auf türkische Unternehmen und Einrichtungen im Rhein-Main-Gebiet mitverantwortlich gewesen sein sollen: Elf, sechseinhalb und zweieinviertel Jahre Haft lauteten die Strafen. In Wiesbaden waren bei einem Brandanschlag ein Mensch getötet und drei schwer verletzt worden. Oder 1998, auf dem Höhepunkt einer bundesweiten Prozesswelle gegen die PKK - damals verurteilte das Oberlandesgericht Celle den früheren Europasprecher der PKK-Massenorganisation ERNK, weil er zwei Anschlagsserien auf türkische Banken und Reisebüros in Deutschland im Juni und November 1993 geleitet habe: siebeneinhalb Jahre Haft. Erst seit 2002 darf die Justiz auch Terror verfolgen, der sich gegen ausländische Ziele richtet Diese Zeiten sind vorbei. 1996 hatte die deutsche PKK-Führung öffentlich erklärt, keine Anschläge mehr in Deutschland verüben zu wollen. Es war Teil eines Deals mit der Bundesanwaltschaft, und der hat seither gehalten. Heute notiert das Bundesamt für Verfassungsschutz, das die PKK als "größte Vereinigung des Ausländerextremismus" in Deutschland führt, zwar noch immer Gewalttaten. Aber die Brisanz zumindest im Inland ist eine andere. Der größte Zwischenfall hierzulande war in den Wochen nach dem Putschversuch in der Türkei, am 13. August 2016 - damals sollen sich drei Teilnehmer einer Kurdendemonstration von einer türkischstämmigen Person provoziert haben lassen. Der türkische Provokateur trug eine Stichverletzung im Rücken davon. Infolge ihrer Abrüstung 1996 war die PKK mehrere Jahre sogar von einer terroristischen zu einer kriminellen Vereinigung herabgestuft worden. Erst seit 2002 darf die deutsche Justiz auch solchen Terror verfolgen, der allein im Ausland stattfindet. Dabei geht es nicht mehr um die Verteidigung deutscher Rechtsgüter, sondern immer um Außenpolitik. So kommt die entscheidende Passage in jedem Urteil gegen PKK-Funktionäre - die Begründung, weshalb sie eine Terrorgruppe sei - seither aus den politischen Lagebildern zur Türkei, zusammengetragen vom Auswärtigen Amt und dem Bundesnachrichtendienst. Seitdem sich der Fokus der PKK-Strafverfolger derart ins Ausland verlagert hat, ist die deutsche Justiz auch offener für Abwägungen. Noch einmal der Verfassungsschutz: Seitdem die Terrormiliz IS im Nahen Osten um sich greift, gewinne die PKK hierzulande an Reputation, "denn sie wird oft als Verteidigerin von Leib und Leben der in der Region lebenden Kurden wahrgenommen (wobei häufig übersehen wird, dass neben der PKK auch andere kurdische Milizen an den Kämpfen beteiligt sind)." Ähnlich erklärte nun der Hamburger Richter: Der Senat habe "bezüglich des Verhaltens des türkischen Staates sehr genau hingesehen", da eine terroristische Vereinigung nur beurteilt werden könne, "wenn man auch das Umfeld beleuchtet" Verfahrensbilanz Etwa 14 000 Anhänger der sogenannten Arbeiterpartei Kurdistans, der PKK, zählt der deutsche Verfassungsschutz unter den 500 000 bis 800 000 Einwohnern kurdischer Herkunft. Nimmt man dies zum Maßstab, ist die Zahl der Strafverfahren nicht überwältigend. Seit 2004 haben die Bundesländer "etwa 4500 strafrechtliche Ermittlungsverfahren in diesem Zusammenhang" eingeleitet, betont das Bundesinnenministerium zwar. Im Gros der Fälle ging es aber nicht um Terror, sondern um leichtere Delikte, vor allem Verstöße gegen das vereinsrechtliche Betätigungsverbot. Nur "mehr als 90 führende PKK-Funktionäre" sind laut der Bundesregierung als Mitglieder oder Unterstützer der zeitweise als kriminell, zeitweise als terroristisch eingestuften Gruppe verurteilt worden - seit 1992, also in 25 Jahren. Aktuell sind beim Generalbundesanwalt noch 24 Ermittlungen dieser Art anhängig. Ronen Steinke . Solche Gedanken zum politischen Kontext dürften zwar nie ein Grund sein, mit weniger Nachdruck zu ermitteln, sagt ein erfahrener Strafverfolger. Aber sie könnten sich beim Strafmaß durchaus bemerkbar machen, eben zu Rabatten führen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/terrorismus-recht-und-rabatt-1.3599874 | mlsum-de-1049 |
Auch die italienischen Behörden melden die Festnahme eines möglichen Terrorhelfers. In Brüssel wurde ein Verdächtiger angeklagt. | Auf der Suche nach Terrorverdächtigen hat die belgische Polizei Razzien in Brüssel und den Städten Mechelen und Duffel durchgeführt. Bei den 13 Aktionen am frühen Sonntagmorgen seien neun Personen festgenommen worden, teilt die Bundesstaatsanwaltschaft mit. Fünf von ihnen seien nach einer Befragung wieder freigelassen worden. Ob die übrigen vier im Gewahrsam bleiben, soll ein Richter entscheiden. Ein weiterer Terrorverdächtiger sieht sich bereits mit einer Anklage konfrontiert. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Abderamane A. der "Beteiligung an Handlungen einer Terrorgruppe". Der Mann war am Freitag im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek festgenommen worden, nachdem ihm die Polizei bei einer Straßenbahn-Haltestelle ins Bein geschossen hatte. Detailansicht öffnen Der Terrorverdächtige, der am Freitag bei der Festnahme im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek ins Bein geschossen wurde, ist nun angeklagt worden. (Foto: REUTERS) Die Anklage steht im Zusammenhang mit Anschlagsplänen in Frankreich. Die französische Polizei hatte am Donnerstag den 34-jährigen Franzosen Reda Kriket bei Paris festgenommen, der Verbindungen zu dem Drahtzieher der Pariser Anschläge vom November, Abdelhamid Abaaoud, gehabt haben soll. Nach Angaben von Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve wurde durch die Festnahme ein "im fortgeschrittenen Stadium geplantes Attentat in Frankreich vereitelt". Nach Krikets Festnahme wurden in seiner Wohnung Waffen und Sprengstoff gefunden. Abderamane A. soll mit Kriket zu tun gehabt haben. Genau wie der bereits am Samstag angeklagte Rabah N. Ihm wird die Beteiligung an "terroristischen Handlungen" vorgeworfen. Italienische Ermittler nehmen verdächtigen Algerier fest In Italien ist Medienberichten zufolge ein mit europäischem Haftbefehl gesuchter Verdächtiger gefasst worden. Der 40-jährige Algerier sei auf Betreiben der belgischen Justiz am Samstag in der süditalienischen Region Salerno festgenommen worden, teilte die Polizei über Twitter mit. Er sei im Zusammenhang mit gefälschten Papieren gesucht worden, die Terroristen die Einreise nach Europa ermöglicht haben. Italienische Medien berichten, unter den Tausenden gefälschten Dokumenten seien auch Fotos dreier an den Anschlägen in Paris und Brüssel beteiligter Männer. Damit sind im Zusammenhang mit den Anschlägen mittlerweile ein Dutzend Männer festgenommen worden. Am Samstag hatte die belgische Polizei die Festnahme von Faycal C. bekannt gegeben, dem die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, terroristische Morde und versuchte Morde zur Last gelegt werden. Unklar ist weiter, wie viele Terroristen auf der Flucht sind. Nach einem Bericht der Welt am Sonntag fahnden europäische Sicherheitsbehörden nach mindestens acht mutmaßlichen Terrorhelfern oder Unterstützern. 24 Anschlagsopfer identifiziert Von den 31 Toten in Brüssel, zu ihnen werden die drei Selbstmordattentäter gerechnet, wurden bis Samstag 24 identifiziert, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Am Dienstag hatten sich zwei Attentäter am Flughafen Brüssel-Zaventem in die Luft gesprengt. Rund eine Stunde später verübte ein weiterer Angreifer einen Selbstmordanschlag in einer U-Bahnstation im Europaviertel. Die Männer rissen 28 Menschen mit in den Tod, 300 weitere wurden verletzt. Bei koordinierten Anschlägen in Paris waren am 13. November 130 Menschen getötet und mehr als 350 weitere verletzt worden. | https://www.sueddeutsche.de/politik/terroranschlaege-razzien-in-belgien-vier-personen-in-gewahrsam-1.2923692 | mlsum-de-1050 |
Die sehbehinderte Biathletin Clara Klug trägt die deutsche Fahne bei der Schlussfeier. Nicht nur wegen ihrer zwei Bronzemedaillen - sondern auch wegen ihrer Wortgewandtheit. | Clara Klug dachte erst, sie hätte etwas falsch gemacht. Sie dachte, sie würde jetzt richtig Ärger bekommen. Die sehbehinderte Biathletin war am Samstag in Pyeongchang ins Büro von Karl Quade gebeten worden, dem Chef de Mission der deutschen paralympischen Mannschaft. Sie "habe erst einmal überlegt, wann ich was anhatte und was daran falsch sein könnte", erzählte sie. Klug hatte den Gewinn ihrer zweiten Bronzemedaille im deutschen Haus in Tracht gefeiert statt in der offiziellen Teamkleidung. Die Münchnerin Klug, 23, hatte allerdings überhaupt nichts falsch gemacht, im Gegenteil. Sie wird am Sonntag dafür belohnt, dass sie in den vergangenen Jahren sehr viel richtig gemacht hat. Quade teilte ihr mit, dass sie bei der Schlussfeier der Paralympics die deutsche Fahne tragen wird. "Clara hatte sportlichen Erfolg, und was fast noch wichtiger ist: Sie symbolisiert eine junge aufstrebende Kraft", begründete Quade die Wahl: "Sie spricht sehr erfrischend. Eine tolle junge Frau, die sehr gute Ansichten hat." Klug war dann erst mal sprachlos, ausnahmsweise. Später, in der Pressekonferenz, sagte sie: "Ich finde es total cool. Das ist eine Riesenehre. Ich habe nie daran gedacht. Diese Spiele sind für mich unvergesslich." Klug war vor zwei Wochen mit großem Respekt nach Südkorea geflogen. "Ich bin generell ein Nerverl, habe Respekt vor der Kulisse, der Pressearbeit. Am meisten vor mir selber.", hatte sie der SZ gesagt. Allerdings war sie auch mit großem Ehrgeiz angereist. Vor rund einem Jahr hatte sie in Pyeongchang den Sprint und damit ihren ersten Weltcup gewonnen, zudem zweimal Silber und einmal Bronze bei der Heim-Weltmeisterschaft in Finsterau. Ihr Ziel war deshalb eine paralympische Medaille: "Die Farbe ist mir wurst, Hauptsache, ich nehme so ein rundes Teil mit nach Hause." Gemeinsam mit ihrem Guide Martin Härtl gewann sie dann Bronze über 10 und 12,5 Kilometer. Die Zusammenarbeit der beiden ist eine besondere Erfolgsgeschichte: Härtl ist seit einem Kletterunfall, bei dem er sich beide Füße und eine Hand zertrümmerte, selbst gehandicapt. Er stand kurz vor einem Start bei den Paralympics 2010 in Vancouver, wurde aber nicht zugelassen: Seine Behinderung sei zu schwach, sagten die Funktionäre. Zwei Jahre später wurde Härtl, inzwischen bayerischer Landestrainer, aufmerksam auf Klug. Just zu einem Zeitpunkt, an dem die Athletin des PSV München wegen fehlender Perspektiven aufhören wollte mit Leistungssport. Großes Vertrauen entstand zwischen beiden. Klug muss sich zu einhundert Prozent auf ihren Begleitläufer verlassen können. Sie sieht allenfalls Umrisse, und die auch nur mit dem linken Auge. Härtl gibt ihr Anweisungen vor Anstiegen, schnellen Abfahrten oder Kurven, sie kann sich dann kurz an seinem Stock festhalten. Auch am Schießstand hilft er ihr, damit sie sich auf der Matte richtig positioniert. Acht Jahre, nachdem ihm die Teilnahme an den Spielen verwehrt wurde, wird nun auch Härtl belohnt. "Martin hat sich das auch verdient, er wird als Sportler bei uns bewertet", sagte Quade. Härtl erhält auch die Medaillenprämie in Höhe von 10 000 Euro. Und natürlich wird er auch bei der Schlussfeier dabei sein. "Ohne ihn wüsste ich nicht, wo ich bin. Ohne ihn könnte ich nicht einlaufen", sagte Klug, wieder wortgewandt wie immer: "Das wäre sicher witzig für alle - außer für mich." | https://www.sueddeutsche.de/sport/schlussfeier-ausnahmsweise-sprachlos-1.3910425 | mlsum-de-1051 |
Seit Monaten wartet Macron auf klare Ansagen der Kanzlerin in Sachen EU-Reform. Heute soll es so weit sein - doch der Streit um die Flüchtlingspolitik überschattet das Treffen in Meseberg. | Als Macron im Mai bei einem Besuch in Berlin sprach, ging es um die europäische Finanzpolitik. Dieses Thema war auch für sein Treffen mit Merkel an diesem Dienstag geplant - doch nun hat der deutsche Innenminister den Umgang mit Flüchtlingen auf der europäischen Agenda wieder nach oben gerückt. Der 19. Juni ist in deutschen und französischen Kalendern notiert als Tag der Antwort. Beim Ministerrat auf Schloss Meseberg wollen Paris und Berlin sich festlegen, wie weit die von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron immer wieder geforderte Reform der Währungsunion reichen soll. Wenn diese zwei Länder sich einig sind, so die Hoffnung, kann auch auf gesamteuropäischer Ebene leichter ein Konsens gefunden werden. Doch der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) und sein italienischer Amtskollege Matteo Salvini haben mit jeweils lautem Getöse den Streit um die Einwanderung wieder nach ganz oben auf die europäische Agenda gedrückt. Seehofer hatte den ganz großen Disput mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angezettelt, der jetzt natürlich die Agenda von Meseberg dominiert, auch wenn Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag versucht, den Streit als ein Thema von mehreren erscheinen zu lassen. Großinszenierung der deutsch-französischen Freundschaft In vier Bereichen würden Merkel und Macron gemeinsame Konzepte erarbeiten, sagt Seibert. Zuerst nennt er die Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, erst danach "die große Herausforderung Migration". Es folgt "die Stärkung der Währungsunion", schließlich alles zu Innovationen, Digitalem, künstlicher Intelligenz. Möglicherweise könnte die Schwerpunktverschiebung vom Euro zur Migration Macron und Merkel sogar nützen. Denn anders als bei den Finanzen haben der Präsident und die Kanzlerin ähnliche Ansichten, wie sie Migration in Europa gestalten wollen. Und so warten nicht mehr nur Wirtschaftsexperten gespannt auf den Gipfel in Meseberg - die Deutschlandreise der französischen Minister könnte zu einer erneuten Großinszenierung der deutsch-französischen Freundschaft werden. Zuvorderst käme der Schulterschluss bei der Migration. Macron und Merkel sind durch die Debatten um Integration und Grenzschutz innenpolitisch in eine vergleichbare Lage geraten. Einerseits vertreten beide die Ansicht, dass nationale Lösungen nicht helfen, um eine dauerhafte Regelung für die Verteilung und Aufnahme von Flüchtlingen zu finden. Sie pochen auf eine große europäische Regelung. Zugleich aber betreiben beide Länder eine im Vergleich zu früheren Jahren sehr restriktive Asylpolitik, die wiederum gleichzeitig von humanistischen Reden und dem Beschwören westlicher Werte begleitet wird. Weder totale Abschottung, noch Aufgeben humanistischer Standards Merkel hat sich von der Mitte 2015 erklärten deutschen Willkommenskultur komplett verabschiedet. Macron sprach kürzlich angesichts der italienischen Weigerung, das Flüchtlingsschiff Aquarius ankern zu lassen, von Zynismus und Verantwortungslosigkeit - und überließ es gleichzeitig Spanien, einen Hafen für die Flüchtlinge zu öffnen. Die Aquarius fuhr Frankreichs gesamte Mittelmeerküste entlang, um in Valencia anzukommen. Macrons Mantra der Gleichzeitigkeit, das angeblich für jedes Problem eine ausgewogene Lösung bietet, stößt in der innerfranzösischen Einwanderungsdebatte an Grenzen. Seine Asylpolitik ist nicht, wie angekündigt, "weder links noch rechts", sie erzürnt Linke und Rechte gleichermaßen. Man kann das jetzt so sehen, dass sich Macron und Merkel innerhalb ihrer Länder und innerhalb Europas in einer ähnlichen Position befinden: Sie versuchen einen Mittelweg auszuloten, der weder für totale Abschottung, noch für das Aufgeben humanistischer Mindeststandards steht. Im Grunde genommen geht es auch bei den Euro-Reformen darum, einen Mittelweg zu finden. Einen, auf dem Merkel die Union mitnehmen kann, die sich sorgt, mit deutschem Steuergeld alle Rechnungen zahlen zu müssen. Und der auch den Franzosen als breit genug erscheint, um die Währungsunion sicherer machen zu können. Der Präsident hatte zunächst einen eigenen Euro-Geldtopf im Umfang von mehreren Hundert Milliarden Euro vorgeschlagen. Merkel aber zeigte sich nur bereit zu einem "Investivhaushalt" im "unteren zweistelligen Milliardenbereich", der gezielt innovative Projekte in wirtschaftlich schwächeren Euro-Ländern unterstützen soll. Paris jubelt vorsichtig Wie viel in dem Budget drin sein soll, darüber müssen sich Merkel und Macron am Dienstag noch einigen. Die Franzosen verlangen, dass der gemeinsame Haushalt wenigstens "schrittweise anwachsen" soll, mit jährlichen an das Wirtschaftswachstum gekoppelten Beträgen. Die Idee von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, dafür eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, erscheint den Franzosen zu dünn. Schließlich scheitert der Versuch seit Jahren, in Europa solch eine Steuer auf Finanzgeschäfte einzurichten; die Steuer spielt auch nur wenige Milliarden jährlich ein. Am Wochenende hat man in Paris schon mal vorsichtig gejubelt. Darüber, dass Berlin offenbar grundsätzlich einverstanden ist, den Widerstand gegen einen eigenen Euro-Geldtopf aufzugeben. Der Geldtopf soll genutzt werden, um die Folgen von wirtschaftlichen Krisen mit drohender Massenarbeitslosigkeit abzumildern. Am Montag ist man in Berlin schon mal zufrieden, dass der deutsch-französische Gipfel in Meseberg wie geplant stattfinden kann. Der Koalitionskrach ist etwas beruhigt. Womöglich wird Merkel beim gemeinsamen Auftritt mit Macron an eines ihrer Lieblingsworte denken: dass der Schulterschluss mit Paris alternativlos ist, innenpolitisch und europäisch gesehen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/macron-zu-besuch-bei-merkel-tag-der-antworten-1.4020911 | mlsum-de-1052 |
Im Hamburger Innenausschuss soll aufgearbeitet werden, was während der Krawalle beim G-20-Gipfel geschah. Doch die Opposition verweigert die Debatte - und Innensenator Grote wirkt fast verzweifelt. | Die politische Aufarbeitung der gewaltsamen Ereignisse im Rahmen des Hamburger G-20-Gipfels hat begonnen. Und zwar begann sie am Mittwoch mit einer Sondersitzung des Innenausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft. Mit ausführlichen Berichten von Innensenator Andy Grote (SPD) und der Polizei über das Geschehen in den Tagen der Industriestaaten-Konferenz. Und sie begann mit einer Verweigerung von den Oppositionsparteien CDU, FDP und Linke. Diese fanden die Vorträge nach einer Stunde zu langatmig und dünn. Der CDU-Abgeordnete Dennis Gladiator sprach von einer "Taktik, auf Zeit zu spielen", es ergebe "keinen Sinn, in die Befragung einzusteigen". FDP und Linke erklärten ebenfalls, keine Fragen mehr zu stellen. "Wir können hier die ganze Nacht sitzen, wenn das erforderlich ist" Das war kein guter Start für den parlamentarischen Prozess, der Antworten bringen soll auf die vielen Fragen nach den G-20-Krawallen durch kriminelle Linksradikale und deren Trittbrettfahrer. Die Bilder von brennenden Barrikaden, von geplünderten Läden, von Vermummten, die Autos in Brand stecken, haben Menschen im ganzen Land verwirrt. Es wäre deshalb wichtig gewesen, wenn die Befragung besser in Gang gekommen wäre. Innensenator Grote wirkte fast verzweifelt, als die Opposition sich aus der Debatte zurückzog. Alle Fragen wolle er beantworten. "Wir können hier die ganze Nacht sitzen, wenn das erforderlich ist", sagte Grote. Die ersten Vorträge brachten allerdings kaum neue Erkenntnisse, allenfalls neue Zahlen: Statt 21 000 Einsatzkräften, wie es bisher geheißen hatte, seien in der Spitze 23 000 im G-20-Einsatz gewesen. Davon seien 592 vorsätzlich verletzt worden; bisher war von 476 verletzten Polizisten die Rede gewesen. Ansonsten ging es zunächst um die beträchtlichen G-20-Herausforderungen für die Polizei und die ungeahnte kriminelle Energie der Gewalttäter. Spannender wurde es erst, als Polizeidirektor Normen Großmann, Leiter der Eingriffskräfte, mit drastischen Worten von jenem Freitagabend erzählte, an dem die Gewalt im Schanzenviertel um sich griff. Einsatzkräfte wollten "nicht über jedes Stöckchen springen" Anwohner waren an dem Abend irritiert, weil die Polizei nicht da war, als der Mob sich über ihren Stadtteil hermachte. Großmann erklärte, dass die Einsatzkräfte zunächst nicht übereilt hatten vorgehen wollen: "Wir wollten nicht über jedes Stöckchen springen." Später hätten ihn "Quelleninformationen von verdeckt eingesetzten Kräften" erreicht. Demnach hätten sich auf mehreren Dächern "circa 1500 zu allem bereite Personen" mit Zwillen, Molotowcocktails und Steinplatten platziert, um die Polizei ohne Rücksicht auf Leib und Leben in Empfang zu nehmen. "Das Schanzenviertel war als Festung ausgebaut", sagte Großmann. Deshalb habe er seine Leute zurückgehalten und Spezialeinheitskräfte (SEK) angefordert. Anschließend berichtete SEK-Leiter Michael Zorn, dass seine Kräfte in den Gebäuden mit Paletten, Steinen und Sonstigem angegriffen worden seien. Mit Gummigeschossen und den Ziellasern ihrer Waffen drängte das SEK die Täter zurück. Auch Zorn wählte drastische Worte: "Wir sind um Haaresbreite an einer sehr, sehr schweren Eskalation der Lage vorbeigeschrammt. | https://www.sueddeutsche.de/politik/g-20-krawalle-schlechter-start-fuer-die-aufklaerung-1.3595815 | mlsum-de-1053 |
Der Klub ist entsetzt über die viermonatige Sperre von Mittelfeldspieler Calhanoglu. Aber weil Bayer das Unheil ahnte, wurde das Toptalent Bailey engagiert. | Bayer Leverkusens Geschäftsführer Michael Schade hat vornehm untertrieben, als er erklärte, im Verein seien "alle etwas entsetzt" über die vier Monate währende Sperre, die der Sportgerichtshof Cas gegen Mittelfeldspieler Hakan Calhanoglu verhängt hat. Tatsächlich rief der Spruch eine Bestürzung hervor, die auf einer Skala von eins bis zehn mindestens den Wert 8,5 hatte. Dass es die Betroffenen nicht noch härter traf, lag daran, dass bei Bayer 04 Ende der vorigen Woche das Unheil erahnt worden war. Schade sagte zwar, man habe "mit dieser Strafe nicht gerechnet", doch spätestens Freitag vor einer Woche war ein unguter Verdacht aufgekommen. Für jenen Tag war das Urteils des Gerichts avisiert worden. Als der Cas eine Verzögerung anzeigte ("administrative Gründe"), entschieden die Leverkusener, Vorsorge zu treffen. Das Management forcierte die sofortige Verpflichtung des Jamaikaners Leroy Bailey, 19, vom belgischen Erstligisten KRC Genk. Ursprünglich sollte der Flügelstürmer erst im Sommer kommen. Man habe "ein kleines Sümmchen" draufgelegt, heißt es, die Ablöse beträgt nun knapp 12 Millionen Euro (plus Boni). Seit Sommer 2016 bearbeitete der Cas den Einspruch gegen ein Urteil des Weltverbandes Fifa. Calhanoglu wird Vertragsbruch vorgeworfen, weil er im Alter von 17 - damals noch dem Karlsruher SC angehörend - einen Vertrag mit dem türkischen Erstligisten Trabzonspor geschlossen hatte. Als Gegenleistung erhielt Calhanoglus Vater 100 000 Euro Provision, die er einbehielt, obwohl sein Sohn den Vertrag in Trabzon nicht erfüllte. Stattdessen wechselte er zum Hamburger SV und im Sommer 2014 für stolze 14,5 Millionen Euro nach Leverkusen. Dort weiß man nun nicht, worüber man sich mehr aufregen soll: über das als unverhältnismäßig aufgefasste Cas-Urteil, das zudem just nach Ablauf aller Wintertransfer-Fristen zugestellt wurde - oder über den sportlichen Verlust. Calhanoglu, zuletzt einer der stärksten bei Bayer, wird für den Rest der Saison fehlen. "Wir haben mit allen Mitteln versucht, Hakan in dem Rechtsstreit beizustehen. Aber unser Einfluss war begrenzt. Für Hakan und für uns ist das sehr bitter. Er ist ein enorm wichtiger Spieler, gesund und fit", klagte Manager Jonas Boldt. | https://www.sueddeutsche.de/sport/bayer-leverkusen-vorsorgetransfer-1.3363246 | mlsum-de-1054 |
Apple hat das Rennen gewonnen: Während Microsoft Windows 7 erst in zwei Monaten veröffentlicht, erscheint Snow Leopard schon jetzt. | Steve Jobs hat sich stets einen Spaß daraus gemacht, den Rivalen Microsoft zu verhöhnen. "Redmond, wir haben ein Problem", ließ der Apple-Chef auf der Messe Macworld plakatieren, als sich das Windows-Betriebssystem von Microsoft verspätete. Später hieß es: "Hasta la vista, Vista." Jobs und seine Öffentlichkeitsarbeiter spielten damit auf die mangelnde Akzeptanz des Windows-Betriebssystems Vista bei den Nutzern an. Detailansicht öffnen Der virtuelle Schreibtisch des neuen Apple-Betriebssystems: Verbesserungen beim Design sind nicht sofort erkennbar. Die Software ist auf Apple-Computern aber schneller geworden. (Foto: Foto: oh) Nun ist die Zeit gekommen für eine neue Runde in der Schlacht der Softwarekonzerne: Von diesem Freitag an ist das neue Betriebssystem Snow Leopard zu haben, bei Technikfreaks unter dem Kürzel Mac OS X 10.6 bekannt. Es kommt nicht nur deutlich früher als das entsprechende System von Microsoft - es enthält auch Funktionen, die dem Konkurrenten noch mehr Kunden abluchsen könnten. Es ist ein Kampf zwischen ungleichen Gegnern: in der einen Ecke Microsoft, der weltweit größte Konzern der Softwareindustrie. Alle Computerhersteller wie Hewlett-Packard, Dell oder Acer liefern das Gros ihrer Geräte ab Werk mit dem Windows-Betriebssystem aus. So kommt der nordamerikanische Konzern laut dem IT-Marktforschungsinstitut Net Applications auf einen Marktanteil von mehr als 93 Prozent bei den wichtigen Programmen, ohne die kein Rechner läuft. Mit dem eigenen Betriebssystem liegt Apple dagegen weit abgeschlagen: Nur auf fünf Prozent aller Rechner läuft die Software aus dem kalifornischen Cupertino. Dahinter kommt nur noch Linux, das freie System, das von ehrenamtlichen Entwicklern weltweit in Eigenregie programmiert wird, und das sich für den Betrieb zuhause nur bedingt eignet, vor allem wegen fehlender Software, um Zusatzgeräte wie Drucker zu betreiben. Hübsche Design-Geräte mit Sonderfunktionen Doch die Statistik trügt: Zum einen gibt es das Betriebssystem von Apple nur auf den Geräten eines Herstellers - nämlich denen von Apple. Als Mitgründer Steve Jobs die Leitung des Computerproduzenten 1997 nach einigen Jahren Auszeit wieder übernahm, stoppte er die Lizenzierung nachgemachter Apple-Computer. Zum anderen hat das Unternehmen in einigen Zielgruppen mit seinen Rechnern und dem Betriebssystem so viel Erfolg, dass PC-Bauer wie Hewlett-Packard sich zum Ziel gesetzt haben, die Strategie zu kopieren: hübsche Design-Geräte mit Sonderfunktionen - zu höheren Preisen. Besonders bei gutverdienenden Verbrauchern kommt Apple an. Den Schneeleoparden gibt es nun einen Monat früher als angekündigt. Ein höchst ungewöhnlicher Schritt in einer Branche, in der Verzögerungen die Regel sind und Softwareprodukte mit Fehlern oft genug erst beim Kunden reifen. Mit dem Coup stiehlt Apple zugleich Microsoft die Schau. Das neue Betriebssystem aus Redmond kommt erst am 22. Oktober in die Läden, zwei Monate nach Apples. Eine Überraschung auch der Preis: Microsoft verlangt 120 Euro für die günstigste Version von Windows 7. In einer Sonderaktion ließ sich die Software für kurze Zeit für 50 Euro vorbestellen. Apple verlangt regulär nur einen Bruchteil: nämlich 29 Euro. Wer das Vorgängersystem nicht besitzt, muss 170 Euro zahlen. Die wichtigsten Neuerungen stecken sowohl bei Apple als auch bei Microsoft unter der Haube. Die Software soll flüssiger laufen, wurde von unnötigem Ballast befreit. Am deutlichsten wird das bei dem Herausforderer: Mac OS X belegt nur noch knapp die Hälfte des Festplattenplatzes seines Vorgängers und bietet dennoch einige Funktionen extra. Ebenso viel Wert wurde bei Apple auf die Verträglichkeit mit dem Rivalen gelegt. "Snow Leopard ist das Windows-tauglichste Produkt, das Apple je auf den Markt gebracht hat", erklärt Rob Enderle, ein in den USA bekannter Technikspezialist. Das geht so weit, dass von Haus aus Apple mit seinem Betriebssystem die Mail-Architektur Exchange von Microsoft besser unterstützt als der Softwarekonzern bei Windows 7 selbst. Das macht Steve Jobs nicht aus Demut gegenüber dem mächtigen Konkurrenten. So will er noch mehr Windows-Nutzer zum Wechseln bewegen. In den Apple-Läden in München und vom Wochenende an auch in Hamburg bietet der Computerkonzern dafür eigene Schulungen: "Wechsel vom PC zum Mac - erste Schritte." Jeden Samstag. Kostenlos. | https://www.sueddeutsche.de/digital/apple-stellt-betriebssystem-vor-an-windows-vorbeigetigert-1.173762 | mlsum-de-1055 |
Dieser Aston Martin sieht hinreißend aus, klingt toll und macht Spaß in Kurven. Doch er gönnt sich Macken - und eine davon verhagelt alles. | Hach! Wann immer ich mich ihm näherte, entglitt mir dieser verträumte Seufzer. Ein Seufzer, wie man ihn eben ausstößt, wenn man etwas Schönes betrachtet. Und schön ist er, dieser Aston Martin, Baureihe V8 Vantage, Sondermodell N430. Da gibt es keine zwei Meinungen. (Natürlich gibt es zwei Meinungen, mindestens. Aber die, die sagen, der Kühlergrill sehe aus wie das Maul eines Karpfens, haben echt keine Ahnung!) In der kurzen Zeit, die unsere Liaison dauerte, stieß ich einige dieser Seufzer aus. Eigentlich seufzte ich immer, wenn ich ihn erblickte. Über die Farbgebung habe ich mich nur kurz gewundert. Dunkles Grün, die traditionelle britische Motorsportfarbe, garniert mit kräftigem Gelb an den Dachleisten, den Außenspiegeln und rund um den Kühlergrill? Was soll´s, selbst Supermodels greifen in ihren Kleiderschränken manchmal daneben. Im Innenraum passen die gelben Akzente besser, kontrastieren geschmackvoll mit dem ganzen Alcantara, Leder und Carbon, das Aston Martins Innenraumdesigner hier verteilt haben. Und die Farbe, die sehen nur die Menschen draußen. Aber ich sitze drin. In einem hinreißenden Coupé. Einem Sportwagen. Einer Fahrmaschine. Bevor die Maschine fährt, muss sie geweckt werden. Dafür fädelt man den ungewohnt schweren, weitgehend aus Kristallglas gefertigten Schlüssel in einen kleinen Schacht in der Mittelkonsole ein. Aggressiv faucht der 4,7-Liter-V8 los. Einmal nur, für einen Augenblick. Aber das reicht, dass sich fast alle in der näheren Umgebung nach mir und dem grün-gelben Aston umschauen. "Tschuldigung. Ich konnte ja nicht ahnen, dass der so laut ist", denke ich mir, bevor ich das Weite suche - und kurz darauf zu Schmunzeln beginne ob dieses unnötigen, aber auch unterhaltsamen Auftritts. Der Alltag kehrt früh ein Als wir so dahinfahren, der Aston und ich, unsere erste, etwas prollige Begegnung hinter uns lassen, merke ich, wie die anfängliche Schwärmerei dem Alltag weicht. Und zwar erstaunlich schnell, so wie, hm, wie bei einem normalen Auto. Wie mir Dinge auffallen, die suboptimal gelungen sind. Wie ich zu mäkeln beginne. Über das Plastik im Zentrum des Lenkrads zum Beispiel, das - und ja, das ist das passende Wort - billig wirkt. Noch schlimmer sind die Hebel für Blinker und Scheibenwischer mit ihrer Haptik auf Kleinwagen-Niveau. Oder das Infotainmentsystem, das so undurchsichtig gestaltet ist, dass man besser rechts ran fährt, um es zu bedienen. Mir fällt ein, dass mir bei der ersten Begegnung aufgefallen ist, wie unsauber der Tankdeckel in die Karosserie eingepasst wurde. Und dass die Spaltmaße im Heckbereich alles sind, nur nicht gleichmäßig. Na ja, charmante Schrulligkeiten. Solche Sachen haben sie einfach, die Autos von der Insel. Dafür fährt er toll, dieser Aston Martin. Also bis zum ersten Gangwechsel des automatisierten Sieben-Gang-Getriebes, bei dem unfreiwillig der Kopf nach vorne nickt und die Nackenmuskulatur strapaziert wird. Beim nächsten Schaltvorgang das gleiche Spiel. Und beim nächsten wieder. Wenn ich so etwas gewollt hätte, würde ich einen Smart fahren. Aber das hier ist ein Aston Martin, eine Sportwagenikone! Gut, es gibt ja noch den Sportmodus. Der macht bestimmt alles besser. | https://www.sueddeutsche.de/auto/aston-martin-v8-vantage-n430-im-test-eine-affaere-aber-nichts-festes-1.2613343 | mlsum-de-1056 |
Das Ländle atmet nach dem Sieg auf - Stuttgart verlässt die Abstiegsplätze. Borussia Dortmund stolpert bei der Niederlage in Köln. Augsburg bestätigt den Aufwärtstrend gegen Hamburg. | VfB Stuttgart überrennt Wolfsburg Mit seinem ersten Sieg im viertenSpiel hat sich Trainer Jürgen Kramny eindrücklich für seine Weiterbeschäftigung beim VfB Stuttgart empfohlen. Dank des 3:1 (2:1)-Sieges gegen den VfL Wolfsburg verließen die Schwaben am letzten Vorrunden-Spieltag den letzten Tabellenplatz und kletterten auf Rang 15. Maximilian Arnold (14. Minute) hatte den Champions-League-Achtelfinalisten am Samstagabend vor 47 343 Zuschauern in der Mercedes-Benz Arena in Führung gebracht. Ausgerechnet der von den Wolfsburgern umworbene Daniel Didavi erzielte dann zwei Tore (22./ 47.). Zudem traf Filip Kostic (31.) für den VfB. Stuttgarts Innenverteidiger Toni Sunjic sah nach einem Tritt auf den Knöchel von Bas Dost in der 70. Minute die Gelb-Rote Karte. Drei Tage nach dem mühsamen Pokalerfolg gegen Eintracht Braunschweig beendete der VfB auch die Negativserie von fünf sieglosen Spielen im Abstiegskampf. Die Stuttgarter wollen nun bekanntgeben, ob Kramny Chefcoach bleiben darf. Der 44-Jährige war nach der Beurlaubung von Alexander Zorniger am 24. November befördert worden. "Wir werden uns in der Winterpause festlegen", sagte VfB-Sportvorstand Robin Dutt bei Sky zur Causa Kramny. Dortmund patzt gegen Köln Borussia Dortmund ist im letzten Spiel des Jahres ausgerechnet über den offensivschwachen 1. FC Köln gestolpert und hat wichtige Punkte bei der Jagd auf Spitzenreiter Bayern München liegen lassen. Die Mannschaft von Thomas Tuchel verlor am 17. Spieltag 1:2 (1:0), es war nach zuletzt sieben Siegen in acht Ligaspielen eine herbe Enttäuschung. Simon Zoller (82.) erzielte den späten Ausgleich für den FC und schenkte den Fans damit den ersten Heimtreffer seit fast drei Monaten - dann legte ausgerechnet Anthony Modeste (90.) nach, der so lange nicht getroffen hatte. Innenverteidiger Sokratis (18.) hatte Dortmund in Führung gebracht und war damit für seine am Samstag ungewohnt wirkungslosen Offensivkollegen eingesprungen. Mit der ligaweit besten Ausbeute war der BVB angereist, Topscorer Pierre-Emerick Aubameyang und Co. traten jedoch kaum gefährlich in Erscheinung. Eintracht Frankfurt dreht das Spiel gegen Bremen Werder Bremen überwintert tief in der Krise. Das Team von Trainer Viktor Skripnik verlor auch das Keller-Duell bei Eintracht Frankfurt 1:2 (1:1) und rutschte auf Platz 15 ab - es war die schlechteste Bremer Hinrunde seit 41 Jahren. Die Frankfurter hingegen verschafften sich etwas Luft und dürfen als Tabellen-14. die Weihnachtsfeiertage immerhin ein wenig genießen. Claudio Pizarro brachte Bremen zunächst in Führung (29.), Frankfurts Torjäger Alexander Meier erzielte aber postwendend den Ausgleich (31.). Stefan Aigner drehte das Spiel kurz nach dem Wiederanpfiff (48.). Augsburg überzeugt gegen Hamburger SV Auswärts eine Macht, zu Hause weiter ohne Durchschlagskraft: Der Hamburger SV hat zum Abschluss der Hinrunde seine vierte Heimniederlage kassiert und damit den Anschluss an die Europa-League-Plätze erst einmal verpasst. Gegen den FC Augsburg verlor das Team von Trainer Bruno Labbadia mit 0:1 (0:0) und scheiterte dabei vor allem an der schwachen Chancenverwertung. Die Hanseaten stehen mit 22 Punkten allerdings deutlich besser als in den Vorjahren da. Der kurz zuvor eingewechselte Jan Moravek überwand Hamburgs starken Keeper René Adler in der 76. Spielminute nach Vorarbeit von Raúl Bobadilla. Der FCA blieb damit im fünften Liga-Spiel in Serie ungeschlagen. Die Tendenz der Elf von Trainer Markus Weinzierl, die auch in der Europa League weiter dabei ist, zeigt klar nach oben. Hernandez beschert Leverkusen den Sieg Javier Hernandez hat sich für Bayer 04 Leverkusen auch zum Hinrundenabschluss noch einmal als Erfolgsgarant erwiesen. Mit dem elften Treffer beim 14. Einsatz in der Fußball-Bundesliga bescherte der Mexikaner dem Werksclub am Samstag einen 1:0 (0:0)-Sieg beim Aufsteiger FC Ingolstadt, der sich für eine engagierte Leistung nicht belohnen konnte. "Chicharito" vollendete vor 15 000 Zuschauern im ausverkauften Ingolstädter Sportpark einen Bayer-Konter in der 73. Spielminute. Bayer verbesserte sich mit Glück auf 27 Punkte, Ingolstadt geht mit 20 Zählern in die Winterpause. | https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-stuttgart-ueberfaellt-den-vfl-wolfsburg-1.2790510 | mlsum-de-1057 |
Den klassischen Fastfood-Burger essen immer weniger junge Menschen, bei McDonald's geht der Absatz zurück. Nun verlässt Konzernchef Thompson das Unternehmen, es folgt wieder ein Mann aus den eigenen Reihen. | Ein Mann aus den eigenen Reihen Die Krise beim Fastfood-Riesen McDonald's hat personelle Konsequenzen: Konzernchef Don Thompson wird nach nicht einmal drei Jahren an der Spitze des Unternehmens von Steve Easterbrook abgelöst. Der neue Chef beginne von März an, teilte der Konzern mit. Easterbrook war bislang Markenvorstand. Er arbeitet seit 1993 im Unternehmen und war bisher unter anderem Präsident von McDonald's Europe. Thompson werde nach 25 Jahren im Unternehmen von seinen Posten als Präsident, Verwaltungsrat und Vorstandsvorsitzender zurücktreten, hieß es. Der 51-Jährige war erst im Juli 2012 mit hohen Erwartungen als Mann aus den eigenen Reihen zum Top-Manager befördert worden. Mittlerweile war über Thompsons Rücktritt jedoch schon eine ganze Weile spekuliert worden. Investoren begrüßten jetzt die Entscheidung, einen neuen Chef zu bestimmen. Die Aktie stieg nachbörslich um etwa drei Prozent. In den Filialen läuft es nicht - weltweit McDonald's hatte in der vergangenen Woche einen Umsatzrückgang um sieben Prozent auf 6,6 Milliarden Dollar (etwa 5,8 Milliarden Euro) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum für das vierte Quartal gemeldet. Der Gewinn sank um mehr als ein Fünftel auf unter dem Strich 1,1 Milliarden Dollar. Vergangene Woche hatte McDonald's deshalb eine Kürzung der Investitionen angekündigt: In diesem Jahr sollen deutlich weniger neue Filialen eröffnet werden. Der Konzern gerät vor allem in den USA immer stärker unter Druck. Dort hat er mit Abstand die meisten Filialen, doch verliert vor allem bei jüngeren Generationen. Sie wandern zur Konkurrenz ab, die zum Beispiel vermehrt auf Biofleisch setzt. Nicht nur in den USA, auch international läuft es nicht. "2014 war ein herausforderndes Jahr für McDonald's rund um den Globus", sagte Thompson. Zum ersten Mal seit 2002 sanken die weltweiten Verkäufe in denjenigen Filialen, die mindestens ein Jahr am Markt sind: In Europa schwächelt McDonald's, in Asien leidet der Konzern unter einem Hygieneskandal und auch im Nahen Osten und Afrika geht der Absatz zurück. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/burgerkette-in-der-krise-mcdonald-s-bekommt-neuen-chef-1.2326224 | mlsum-de-1058 |
In einer Woche wählen die Spanier ein neues Parlament - zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres. Die Fronten sind verhärtet. Jetzt bringen zwei neue Themen Bewegung in den Wahlkampf: Gibralter und Venezuela. | Eine Woche vor der vorgezogenen Parlamentswahl in Spanien sind die politischen Fronten erstarrt, zumindest den Umfragen zufolge: Die konservative Volkspartei (PP) des noch amtierenden Premierministers Mariano Rajoy kann mit rund 30 Prozent der Stimmen rechnen. Dieses Ergebnis würde zwangsläufig den Rücktritt Rajoys bedeuten, der sein hartes Sparprogramm zur Sanierung des Staatshaushalts fortsetzen möchte. Keine der anderen drei großen Parteien möchte mit ihm koalieren, ihm wird vorgeworfen, korrupte Strukturen in der PP geduldet zu haben. Rajoy selbst sagt, er würde am liebsten mit den Sozialisten (PSOE) nach Berliner Vorbild eine große Koalition bilden, doch deren Chef Pedro Sánchez winkt ab. Die PSOE ist zwar als einzige Gruppierung theoretisch für Koalitionen nach allen Seiten offen. Doch Sánchez steht vor dem Problem, dass in den Umfragen der Wahlblock Unidos Podemos ("Vereint schaffen wir das"), ein weit gefächertes Bündnis aus Linksalternativen und Postkommunisten, an der PSOE vorbeigezogen ist; die Partei wäre also nur Juniorpartner in einer Links-links-Koalition. Die vierte der großen Parteien, die liberalen Ciudadanos (Bürger), dürften nicht genug Stimmen bekommen, um allein der PP oder der PSOE zur Mehrheit zu verhelfen. Da die Parteien dieselben innenpolitischen Positionen wie bei den letzten Wahlen vor genau einem halben Jahr vertreten, war der Wahlkampf lange recht langweilig. Doch haben in den letzten Tagen zwei außenpolitische Themen Schwung in die Kampagne gebracht: Gibraltar und Venezuela. Mit der seit 303 Jahren britischen Halbinsel möchte Rajoy punkten, denn der Status quo ist den meisten Spaniern ein Ärgernis. Die liberalkonservative Tageszeitung El Mundo zitiert Rajoys Parole "Gibraltar wird wieder spanisch", lässt aber in ihrem Kommentar dazu leichte Ironie anklingen. Gebührend Platz räumte das Blatt auch dem Protest Rajoys gegen den angekündigten Besuch von Premierminister David Cameron in Gibraltar ein. Unter den Einwohnern der Halbinsel, die 2002 mit 99 Prozent gegen die Einrichtung einer gemeinsamen britisch-spanischen Verwaltung stimmten, gelten als entschiedene Unterstützer Camerons in seiner Kampagne gegen den Brexit, den Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU. Außenminister José Margallo (PP) hatte schon gedroht, Spanien werde die Grenze zu Gibraltar im Falle eines Brexit weitgehend schließen, falls Madrid nicht endlich an der Regierung des britischen Überseegebietes beteiligt werde. Margallo bekam dafür viel Beifall auf der Rechten, allen voran von der nationalkonservativen Tageszeitung ABC. Der Kurzbesuch Camerons wurde allerdings nach dem tödlichen Attentat auf die Labour-Abgeordnete Jo Cox nun abgesagt. ABC ist auch an vorderster Front beim Thema Venezuela. Damit wird der Podemos-Chef Pablo Iglesias, der Politologe mit dem Pferdeschwanz, unter Druck gesetzt. Die spanischen Medien beobachten traditionell Lateinamerika sehr genau, man sieht sich nach wie vor in einer großen Familie. Die autoritäre sozialistische Regierung in Cáracas hat offenbar die Bewegung des Neomarxisten Iglesias mit mehreren Millionen Euro gefördert, dieser hat auch vor dem Absturz der Wirtschaft Venezuelas das dortige Regime immer wieder mit Lob überschüttet. Nun kommen die Berichte darüber Podemos überaus ungelegen, denn Venezuela macht nicht nur wegen seiner Wirtschaftskatastrophe Schlagzeilen, sondern auch wegen der Repression Oppositioneller. Auch die linksliberale Tageszeitung El País, die sonst kaum mit ABC einer Meinung ist, versucht, mit dem Venezuela-Thema Stimmung gegen Iglesias zu machen. "Podemos hat immer eine Förderung durch Cáracas dementiert", heißt es im Kommentar zu einem ausführlichen Bericht, in dem die zitierten Aktenzeichen und Zahlenkolonnen genau das Gegenteil beweisen sollen. "Das Dementi ist als Lüge entlarvt." | https://www.sueddeutsche.de/politik/presseschau-spaniens-sorgen-1.3038965 | mlsum-de-1059 |
Im Höxter-Prozess hat eine ehemalige Partnerin des Angeklagten ausgesagt. Sie beschreibt ihn als nett, den Sex als schön. Doch sein Kommunikationsverhalten sei seltsam gewesen. | Was für ein Mensch ist Wilfried W., der sich in Paderborn im Mordprozess um das sogenannte "Horror-Haus von Höxter" verantworten muss? Um diese Frage zu beantworten, hat das Landgericht mehrere Frauen als Zeuginnen geladen, die früher ein Verhältnis mit dem Angeklagten Wilfried W. gehabt haben. Eine dieser Frauen war zwischen September 2010 und März 2011 mit Wilfried W. liiert. Sie sagte an diesem Dienstag aus, sie habe W. über das Internet kennengelernt. Sie beschrieb den heute 47-Jährigen als nett und angenehm. Auch der Sex sei schön gewesen. Er beinhaltete aus ihrer Sicht auch nichts Ungewöhnliches oder gar Abstoßendes. Sie sagte, dass die beiden sogar Heiratspläne gehabt hätten. Als seltsam beschrieb sie aber, dass sie sich immer nur bei ihm in der Wohnung getroffen und auch außer Haus nie etwas gemeinsam unternommen hätten, nicht einmal spazieren seien sie gewesen. Überhaupt beschrieb sie sein Kommunikationsverhalten als sehr ungewöhnlich. Sie hätten kaum miteinander telefoniert. Demnach sprach er auf ihren Anrufbeantworter, und sie musste dann zurückrufen und auf seinen Anrufbeantworter sprechen. Auf diese Weise konnte die Frau ihm nie dazwischenreden, wenn er sprach. "Er mochte keine Widerworte", sagte die Zeugin. Gewalttätig sei er nicht geworden. Sehr genervt aber habe sie, dass immer nach einem Austausch über die Anrufbeantworter ein Anruf von seiner angeblichen Schwester kam, die ihr dann alles, was sie gesagt oder getan hatte, "aufs Butterbrot schmierte". Die "Schwester" war in Wirklichkeit W.s Ex-Ehefrau Angelika, die jetzige Mitangeklagte. "Sie hat sich immer über irgendwas aufgeregt, irgendeinen Quatsch, irgendwelche Bagatellen. Persönlich kennengelernt habe sie Angelika W. aber nie. Im Lauf dieser sechs Monate hat die Zeugin Wilfried W. laut eigener Aussage etwa 15 000 Euro gegeben, obwohl sie selbst knapp bei Kasse war. Sie musste sogar einen Kredit aufnehmen und verkaufte Schmuck. Das Geld brauchte W. angeblich, um in Thailand den Führerschein zu machen, ein Auto zu kaufen oder Sachen bei Ebay zu bestellen. Drei- oder viermal sollte sie demnach Geld unter der Fußmatte ihres Autos deponieren, dann wurde es nachts von der "Schwester" abgeholt. "Sich ein schönes Leben und mir einen schönen Tod" Die Beziehung endete, als sie wegen ihrer Multiple-Sklerose-Krankheit ins Krankenhaus musste. Danach hätten sie sich aus den Augen verloren. Es sei aber noch ein Anruf von der "Schwester" gekommen, die ihr vorgeworfen habe, sie habe Wilfried im Stich gelassen. Dann habe die Schwester "sich ein schönes Leben und mir einen schönen Tod gewünscht". Über Jahre hinweg sollen die Angeklagten Wilfried W. und Angelika W. mehrere Frauen in das Haus im westfälischen Höxter gelockt und dort schwer misshandelt haben. Beide sind wegen Mordes angeklagt, weil zwei Frauen in den Jahren 2014 beziehungsweise 2016 infolge der Quälereien starben. Bislang haben sich beide Angeklagte gegenseitig beschuldigt, die treibende Kraft hinter den Gewalttaten gewesen zu sein. | https://www.sueddeutsche.de/panorama/hoexter-prozess-zeugin-ueber-wilfried-w-er-mochte-keine-widerworte-1.3477786 | mlsum-de-1060 |
Dieselskandal bei VW und anderen Herstellern, in Kommunen wie Stuttgart, München oder Düsseldorf drohen Fahrverbote - viele Autofahrer sind verunsichert. Die SZ klärt die wichtigsten Fragen. | Sieht so die Zukunft aus? Wenn es nach Umweltpolitikern geht, limitiert bald die blaue Plakette die Zufahrt zu Innenstädten. Montage: SZ Frühling, endlich! Das dürfte vor allem die Stuttgarter freuen. Denn damit geht die Zeit der Feinstaubalarme zu Ende. Mehrere Wochen lang sollten die Bürger das Auto stehen lassen und stattdessen öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad nutzen. Doch zu wenige Pendler aus der Stadt und dem Umland ließen das Auto tatsächlich stehen. Die Grenzen der Freiwilligkeit sind eng, deshalb zeigt sich kaum ein positiver Effekt. Weder hinsichtlich Feinstaub noch bei den giftigen Stickoxiden, deren Haupterzeuger in Ballungsgebieten der Straßenverkehr ist. Stuttgart lässt deshalb die nächste Eskalationsstufe folgen: zeitweise Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge. Wahrscheinlich folgen bald andere Städte: München wurde kürzlich juristisch verpflichtet, sauberere Luft sicherzustellen und ein solches Verbot vorzubereiten. Ähnlich ist die Lage in Düsseldorf. Doch in Wahrheit hat ganz Deutschland ein Stickoxid-Problem. "57 Prozent der städtischen verkehrsnahen Luftmessstationen registrierten 2015 Überschreitungen des Jahresgrenzwertes", erklärt das Umweltbundesamt. Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der BUND verklagen deshalb Städte im gesamten Land. Wann werden die ersten Fahrverbote tatsächlich umgesetzt? Von 2018 an gelten in der Stuttgarter Innenstadt, die wegen ihrer Talkessellage besonders anfällig ist für eine hohe Feinstaubkonzentration, Fahrverbote für bestimmte Dieselautos. Allerdings nur an Tagen, an denen Feinstaubalarm herrscht. Rechtliche Grundlage dafür ist ein Gerichtsurteil von 2016, ähnlich wie inzwischen in Düsseldorf und München. Während auf kommunaler Ebene solche Fahrverbote also bereits umgesetzt werden können, fehlt die rechtliche Basis - beispielsweise für eine blaue Plakette, die alte Diesel aus bestimmten Innenstadtbereichen aussperren würde - auf Bundesebene noch. Diese könnte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im Herbst schaffen. Allerdings ist der Ausgang des Verfahrens ungewiss. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat sich mehrfach gegen eine solche Plakette ausgesprochen. Welche Autos wären betroffen? Die Stuttgarter Regelung betrifft alle Dieselautos, die nicht die aktuell gültige Euro-6b-Abgasnorm erfüllen. Die wurde im September 2015 für alle Neuwagen eingeführt, seitdem muss jedes in der EU verkaufte Auto deren Grenzwerte einhalten. Das heißt aber auch: Theoretisch kann ein im August 2015 produziertes Modell noch einen Euro-5-Diesel haben - in diesem Fall dürfte ein nicht einmal drei Jahre altes Auto 2018 an Feinstaubalarm-Tagen nicht mehr in die Stuttgarter Innenstadt fahren. Kann ich einen modernen Diesel kaufen und damit in die Innenstädte fahren? Nach jetzigem Stand: ja. Mit einem Euro-6b-Diesel dürfte man noch eine Weile auf der sicheren Seite sein. Solange die erwähnten juristischen Probleme nicht geklärt sind, gilt sowieso bis auf Weiteres die aktuelle Plaketten-Regelung: Mit dem grünen Aufkleber kommt man in jede City - nur eben nicht mehr nach Stuttgart. Dennoch ist es fraglich, wie lange Fahrer moderner Diesel Ruhe haben werden. Die klagefreudigen Umweltverbände dürften so lange die Gerichte bemühen, bis jede deutsche Stadt die EU-Grenzwerte einhält. DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch hat schon verlauten lassen, dass er kämpfen werde, bis gar keine Dieselfahrzeuge mehr in die Innenstädte fahren dürfen. Er begründet das damit, dass auch moderne Autos die Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand erreichen, nicht aber auf der Straße. Das ist sogar gesetzlich verankert: Wenn von 2019 an die "Real driving emissions" (RDE), also die wirklichen Emissionen während der Fahrt, erhoben werden, dürfen diese das 2,1-fache der Prüfstands-Grenzwerte betragen, um Messtoleranzen zu berücksichtigen. In Bezug auf Stickoxide heißt das: 168 Milligramm pro Kilometer auf der Straße statt 80 im Labor. 2021 darf es immer noch das 1,5-fache sein. Es besteht also die Möglichkeit, dass die Fahrverbote in der geplanten Form nicht viel bringen. Sollte sich das bewahrheiten, dürften sich viele Kommunen die Frage stellen, ob sie sogar alle Diesel aussperren. Wie sieht es mit Gebrauchtwagen aus? Sind die plötzlich nichts mehr wert? Die Gefahr eines überproportional hohen Wertverlustes droht tatsächlich. Und zwar schon für relativ junge Autos, die nur nach Euro 5 eingestuft sind. Auch deshalb, weil eine technische Umrüstung von älteren Autos auf Euro 6b sehr aufwendig ist (siehe Bericht auf der vorherigen Seite). Allerdings darf man eines nicht verkennen: Im Gespräch sind lediglich Fahrverbote für einige Innenstädte in Ballungsräumen. Wer auf dem Land lebt, selten in die Ballungszentren fährt und für den sich aufgrund einer hohen Fahrleistung der Diesel rechnet, muss sich jetzt nicht panisch ein Auto mit einer anderen Motorvariante kaufen. Gibt es eine technische Möglichkeit, Dieselmotoren sauber zu bekommen? Die gibt es, und sie kommt in immer mehr Modellen zum Einsatz: der SCR-Katalysator. Er spritzt ein Mittel namens "Adblue", eine Mischung aus Harnstoff und Wasser, in die Abgase. Dadurch kommt es zu einer chemischen Reaktion, durch die Stickoxide wirkungsvoll eliminiert werden. Doch auch diese Lösung ist problembehaftet. Sie arbeitet zum Beispiel nur dann perfekt, wenn die Temperatur im System bei etwa 200 Grad Celsius liegt. Das gelingt einfacher, wenn die Abgasnachbehandlung nah am Motor erfolgt - was davon erschwert wird, weil die Motorräume moderner Autos auch so schon vollgestopft mit Technik sind. Außerdem reicht es für eine effektive Abgasnachbehandlung nicht, Adblue nur bei der Inspektion nachzufüllen: Als aktueller Richtwert gilt ein Verbrauch von 2,4 bis drei Liter auf 1000 Kilometer. Aber immer mehr Tankstellen bieten die Harnstofflösung an, sodass Autofahrer sie einfach beim Tankstopp auffüllen können. Die Kosten halten sich mit derzeit gut 50 Cent pro Liter Adblue in Grenzen. Also besser einen Benziner kaufen? In der aktuellen Debatte sind Ottomotoren derzeit weitgehend außen vor. Aber sollte die blaue Plakette wirklich kommen, wären laut ADAC neben etwa 13 Millionen Dieselautos auch gut drei Millionen Benziner von Fahrverboten bedroht. Zwar ist noch nicht klar, welche Abgasnormen genau erfüllt werden müssen. Aber erste Forderungen sehen vor, dass nur Benziner ohne Direkteinspritzung ab Euro 3 und jene mit Direkteinspritzung ab Euro 6b für das Abzeichen infrage kommen. Das würde bedeuten, dass ein VW Golf VI, Baujahr 2013, mit dem seinerzeit beliebten 1.4-TSI-Ottomotor keine blaue Plakette erhalten würde. Der ADAC hat kürzlich den Blick auf das Abgasproblem moderner Benzinmotoren gelenkt: Direkteinspritzer stoßen zu viele Feinstaubpartikel aus, im aktuellen ADAC-Ecotest im Schnitt das Fünffache des von September 2017 an gültigen Grenzwertes. Dann greift die Abgasnorm Euro 6c mit deutlich strengeren Feinstaub-Grenzwerten für Ottomotoren. Die sind der Grund, warum immer mehr Hersteller - allen voran Daimler und VW - flächendeckend Partikelfilter für ihre Benziner einführen werden. Dennoch bleibt der höhere Verbrauch eines Benziners verglichen zum Diesel - und damit dessen höherer CO₂-Ausstoß. Auch auf diesem Feld hat Deutschland Probleme, die europäischen Richtlinien zu erfüllen. Welche Alternative gibt es sonst? Naheliegend ist: Wann immer es geht, auf das Auto verzichten, den öffentlichen Nahverkehr und Park-&-Ride-Parkplätze nutzen, Fahrrad fahren. Doch das setzt einen leistungsfähigen öffentlichen Nahverkehr voraus, für den etwa die Fahrverbots-Stadt Stuttgart nicht gerade bekannt ist. Auch Autos mit Gasantrieb sind eine Alternative. Sie würden die blaue Plakette bereits erhalten, wenn sie mindestens die Euro-3-Norm erfüllen. Aber Flüssig- (LPG) oder Erdgasautos (CNG) sind in der Anschaffung meist teurer als Benziner und rechnen sich erst nach vielen Kilometern. Außerdem ist das Tankstellennetz noch immer recht löchrig. Und die auf den ersten Blick gute CO₂-Bilanz wird oft durch umstrittene Verfahren bei der Gasgewinnung getrübt. Was ist mit Elektro- und Hybridautos? E-Mobile sind für viele Autofahrer noch keine Alternative: zu teuer, zu geringe Reichweiten, eine spärlich ausgebaute Lade-Infrastruktur. Eine kurzfristige Lösung könnten Plug-in-Hybride sein. Deren Gesamtreichweite liegt mindestens auf dem Niveau eines Benziners oder Diesels, der Strom reicht bei den meisten Modellen für 30 bis 40 rein elektrische und lokal emissionsfreie Kilometer. Genug, um in die Stadt und wieder hinauszukommen. Außerdem kann man bei den meisten Modellen bis zum Stadtrand den Verbrenner nutzen und die Batterie schonen, um in der Stadt rein elektrisch zu fahren. Doch Plug-in-Hybride sind im realistischen Betrieb nicht so sparsam und sauber, wie von ihren Herstellern versprochen, was der ADAC erst jetzt wieder bestätigt hat. Hinzu kommt: Das sauberste Elektroauto nützt nichts, wenn man dessen Batterie mit dreckigem Kohlestrom lädt. Auch sonst ist ihre Umweltbilanz, gerade bei der Herstellung und beim Recycling der Akkus, noch nicht sonderlich grün. Und nicht zu vergessen: Feinstaubbelastung entsteht vor allem durch von Reifen aufgewirbelte Partikel. Egal, ob es die Reifen eines Diesel- oder Elektroautos sind. | https://www.sueddeutsche.de/auto/fahrverbote-wer-darf-in-die-stadt-1.3432118 | mlsum-de-1061 |
"Unvereinbarkeit der Charaktere", "dauerhafte Lieblosigkeit": Die Kriterien des Scheidungsrechts treffen eins zu eins auf CDU und CSU zu. Davon profitiert die AfD. | CDU und CSU sind ein seltsames Paar; sie nennen sich Schwesterparteien. Aber zwei Schwestern sind einem bei dieser Politkombination noch nie eingefallen; eher schon klassische Männerpaare, zu deren Zauber und Fluch es gehört, dass man sie sich nur zu zweit und in vitalisierender Rivalität denken kann: Denkt man an Laurel, denkt man an Hardy. Ähnlich bei Schiller und Goethe, Max und Moritz, Romulus und Remus, Asterix und Obelix. Tritt einem der eine vors Auge, ist der andere schon da. So war das lange Zeit auch mit CDU und CSU; darin bestand das Reizvolle und Erfolgreiche an dieser Parteiengemeinschaft. Die Geschichte dieses Reizes, der oft polit-folkloristischer Art war, zieht sich durch die Geschichte der Republik: Adenauer, Kohl und Merkel auf der einen Seite, Strauß, Stoiber & Seehofer auf der anderen. Das war so. Heute funktioniert es nicht mehr; aus Folklore wurde Ernst; und das liegt nicht einfach nur daran, dass an der Spitze der CDU eine Frau steht. Angela Merkel steht da ja schon seit 16 Jahren - aber erst in jüngerer Zeit ist ein Zustand eingetreten, der sich nicht mehr als neckisch-produktiver Antagonismus, nicht als bloßes Zerwürfnis, sondern als Zerrüttung beschreiben lässt. Bei klassischen Ehen denkt man bei diesem Wort an Scheidung. Zerrüttung heißt: Das Gefühl der inneren Bindung ist verloren gegangen. Die Attacken werden frontaler, sie spielen sich auf offener Bühne ab In einem solchen Fall gibt es im Familienrecht Möglichkeiten, die eine Scheidung auch ohne vorherige Einhaltung einer Trennungszeit ermöglichen: bei "Unvereinbarkeit der Charaktere", "dauerhafter Lieblosigkeit" und bei "Misshandlungen". All das lässt sich derzeit im Verhältnis von CSU und CDU und in den Dauerattacken von Seehofer gegen Merkel finden. Man mag sich für einen Augenblick überlegen, ob das nicht alsbald anders wäre, wenn auch an der CSU-Spitze eine Frau stünde. Nun sind Attacken der CSU gegen die CDU nicht neu. Die Angriffe des CSU-Chefs Strauß gegen den CDU-Chef Kohl, dem er, bevor dieser dann für 16 Jahre Kanzler wurde, in wütend-sarkastischer Rede jede Eignung für die Kanzlerschaft absprach, sind legendär. Diese Angriffe endeten auch nicht, als Kohl Kanzler wurde. 1986, da war der Pfälzer schon seit vier Jahren Kanzler, giftete der Bayer über Kohls Regierungszentrale: "Auf der Ölspur der eigenen Dummheit fahren die da Karussell." Anlass für den CSU-Zorn damals waren Erfolge der "Republikaner", die freilich nur bei ein paar Prozent lagen, weit entfernt von denen der heutigen AfD. Deswegen kündigte Strauß an, mit einem eigenen Programm in den Bundestagswahlkampf ziehen zu wollen; die CSU sollte weiter rechts, die CDU mehr in der Mitte agieren. Nichts Neues also? Doch. Neu ist die von Ironie oder Spott nicht mehr ummantelte Schärfe der Angriffe, die auch nicht mehr, wie damals, nur in der Klausur von Kreuth gemacht und dann Journalisten zugesteckt werden. Aus internen Attacken sind externe geworden: frontal, und nicht nur, wie früher, gegen den Generalsekretär und die zweite Reihe. Die Anwürfe heute geschehen auf offener Bühne; ihnen fehlt auch die rabiate Raffinesse, die den Leuten früher was zu lachen gab. Es gibt nichts zu lachen mehr, wenn Stoiber heute der Kanzlerin vorwirft, sie mache mit ihrer Politik Europa kaputt. Es gibt nichts zu lachen, wenn Seehofer die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin auf dem CSU-Parteitag abwatscht. Es gibt nichts zu lachen, wenn er der Kerndevise der Kanzlerin vom ersten Tag an widerspricht und stets wiederholt, dass "das mit den Flüchtlingen" nicht zu schaffen sei. | https://www.sueddeutsche.de/politik/cdu-und-csu-szenen-keiner-ehe-1.3018362 | mlsum-de-1062 |
Olympia-Gegner sammeln weit mehr Unterschriften als nötig. Die Stimmung in der Bevölkerung der ungarischen Hauptstadt kippte gegen die Olympia-Idee wegen der zu erwartenden hohen Kosten und Knebelverträge. | Für die Regierenden um den rechts-konservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban ist es eine schwere Schlappe: die Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024 steht kurz vor dem Aus. Dabei sollten es Spiele werden, die auf ganz Mitteleuropa ausstrahlen und Ungarn ins Rampenlicht stellen sollten. So war Orbans Traum. Nun schickt sich die bislang eher unbekannte Bürger-Bewegung Momentum an, diesen Traum platzen zu lassen. Gegen die Bewerbung Budapests um die Olympischen Sommerspiele 2024 hat sie 266 000 Unterschriften gesammelt - doppelt so viele wie nötig für eine lokale Bürgerabstimmung über einen Rückzug der Bewerbung. Das hat fast schon Tradition. Auch andere, reichere Bewerber stiegen bemerkenswerterweise vorzeitig aus: Boston, Hamburg, Rom. Die Stimmung in den jeweiligen Bevölkerungen kippte gegen die Olympia-Idee, meist wegen der zu erwartenden hohen Kosten und Knebelverträge. Im September dieses Jahres will das Internationale Olympische Komitee (IOC) Lima/Peru über die Vergabe der Sommerspiele 2024 entscheiden. Im Rennen sind - sollte Budapest zurückziehen - nur noch Los Angeles und Paris. Die Absage Budapests könnte schon in den folgenden Tagen erfolgen, allein schon, um ein die Orban-Regierung beschädigendes Referendum zu vermeiden. Als die Momentum-Bewegung am vergangenen Freitag die Unterschriften bei der Budapester Wahlbehörde einreichte, zeigten sich im Lager des Regierungschefs Zeichen von Panik. Der machtbewusste Orban gab die Losung aus: "Die Regierung hat damit nichts zu tun. Nicht die Regierung, sondern die Stadt Budapest hat sich um die Olympiade beworben." | https://www.sueddeutsche.de/sport/olympische-spiele-auch-budapest-vor-rueckzug-1.3389498 | mlsum-de-1063 |
Kanzleramtschef Peter Altmaier ist es bisher nicht gelungen, den Asyl-Konflikt zwischen seiner Union und den Grünen beizulegen. Und solange die sich streiten, freut sich ein Dritter. | Kanzleramtsminister Peter Altmaier gilt eigentlich als großer Kommunikator. Er genießt öffentliche Auftritte, seine Vorgänger wirkten lieber im Stillen. Doch inzwischen scheint Altmaiers Art an ihre Grenzen zu stoßen. Es ist seine Aufgabe, die Konflikte in der Regierung zu befrieden. Doch der ewige Streit über die Erbschaftsteuer, das Sexualstrafrecht, die Entgeltgleichheit und manches mehr zeigt, dass ihm das immer seltener gelingt. Nicht nur in der SPD, auch in der Union, gibt es Klagen über Altmaier. Im Umfeld Sigmar Gabriels sprechen sie bereits vom "Däumchendreher im Kanzleramt". Auch den jetzt wieder aufgeflammten Streit über die sicheren Herkunftsstaaten hätte Altmaier längst lösen müssen, er ist schließlich der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung. Doch bisher ist es ihm noch nicht einmal gelungen, ein einziges der zehn von den Grünen mitregierten Bundesländer auf seine Seite zu ziehen. Dabei braucht er mindestens drei dieser Länder, um den Gesetzentwurf seiner Regierung durch den Bundesrat zu bekommen. Wie groß die Not Altmaiers vor der Abstimmung in der Länderkammer am Freitag geworden ist, konnte man am Dienstagmorgen erleben. Da sah sich Altmaier gezwungen, via Frühstücksfernsehen Kompromiss-Signale an die Grünen zu senden - so etwas macht man normalerweise nicht vor Kameras. In Berlin fragen sie, wie gut der Kanzleramtschef seinen Job macht In dem Streit geht es inzwischen nicht mehr nur um die Sache: Sollen die Verfahren von Asylbewerbern aus den Maghreb-Staaten durch eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten beschleunigt werden? Es geht inzwischen auch darum, ob Altmaier seinen Job noch gut genug macht. Vor allem aber ist der Streit eine Nagelprobe dafür geworden, ob Schwarz-Grün tatsächlich ein Zukunftsmodell für den Bund sein kann. Die leidgeprüfte SPD ist dabei ausnahmsweise in einer kommoden Lage. Sigmar Gabriel hält die geplante Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten zwar für richtig. Das Thema ist aber keine Herzensangelegenheit der Sozialdemokraten. Das haben sie bereits im Februar bewiesen. Damals verhinderte die SPD-Bundestagsfraktion, dass das Gesetz zu den Herkunftsstaaten schnell beschlossen werden kann. Die Genossen ließen damit zu, dass die Grünen vor den Landtagswahlen im März nicht Farbe bekennen mussten, ob sie nun für oder gegen das Gesetz sind. Damals kämpften SPD und Grüne noch Seit' an Seit', sie wollten die gemeinsamen Landesregierungen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz verteidigen. Doch inzwischen hat sich die Lage geändert. Die SPD ist zunehmend genervt von den schwarz-grünen Liaisonen. Seit den März-Wahlen regieren CDU und Grüne in drei Bundesländern miteinander. Umso größer ist bei der SPD die Freude darüber, wie sich Union und Grüne in der Debatte über die Herkunftsstaaten verhakt haben. Und umso wichtiger wäre es für Altmaier und die Grünen, bis zur Abstimmung am Freitag doch noch eine gemeinsame Lösung zu finden. | https://www.sueddeutsche.de/politik/sichere-herkunftsstaaten-test-fuer-schwarz-gruen-1.3032849 | mlsum-de-1064 |
Erstmals in seiner rund 30-jährigen Geschichte steigt der Aktienindex über diesen Wert. Anleger spekulieren auf einen weltweiten Wirtschaftsboom - und deutsche Firmen profitieren von einem leicht nachlassenden Euro. | In den letzten Tagen war es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Dax die symbolische Marke von 13 000 Punkten erreicht. Nun ist es erstmals so weit. Der deutsche Leitindex stieg am Donnerstagnachmittag um 0,2 Prozent auf 13 002 Zähler. Am Mittwoch der vergangenen Woche war der deutsche Leitindex schon auf sein Allzeithoch von 12 976,24 Punkten gestiegen. Der Boom an deutschen Börsen hat damit einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Angetrieben wird der Dax seit Tagen von Spekulationen auf einen weltweiten Wirtschaftsboom. Dieser Zustand wurde in den letzten Tagen durch konkrete Daten untermauert. Mehrere wichtige Industriestaaten, unter anderem Deutschland, stellten in dieser Woche ihre Konjunkturdaten vor. Der Ausblick fiel äußerst positiv aus. Ein wichtiger Treiber des jüngsten Kurssprungs ist zudem der Eurokurs, der zwischenzeitlich wieder zum US-Dollar etwas zurückgefallen war. Eine schwächere Gemeinschaftswährung ist positiv für die Exportwirtschaft der Eurozone und treibt für gewöhnlich auch die Aktien der exportlastigen Unternehmen im Dax an. Hintergrund ist die US-Geldpolitik, denn eine weitere Zinserhöhung in den USA im Jahr 2017 scheint ausgemachte Sache. Auch Donald Trump ist nach wie vor Hoffnungsträger an der Börse, Anleger in den USA versprechen sich von seiner geplanten Steuerreform weiterhin Gewinne. Er hatte unter anderem angekündigt, Steuern für Unternehmen senken zu wollen, er hat in dieser Agenda auch die Republikanische Partei weitgehend hinter sich. Zugleich haben sich die Anleger gegenüber drohenden Krisen zurückhaltender gezeigt: Ängste rund um geopolitische Spannungen wie dem Nordkorea-Konflikt legten sich. Der jüngste innenpolitische Konflikt in Spanien wegen der Unabhängigkeitsbestrebungen der Region Katalonien ließ die Anleger am hiesigen Aktienmarkt unbeeindruckt. In Deutschland wird derweil auf politische Stabilität auch unter einer möglichen Jamaika-Regierungskoalition aus CDU/CSU, Grünen sowie FDP gesetzt. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-boerse-euro-schubst-dax-ueber-historische-13-000-punkte-grenze-1.3706552 | mlsum-de-1065 |
Lewis Hamilton kann sich wieder freuen: Beim Heim-Rennen in Silverstone startet er von der Pole Position, vor Teamkollege Nico Rosberg. Für Sebastian Vettel läuft es nicht nach Plan. | WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton hat die erste Attacke von Nico Rosberg bei seinem Formel-1-Heimspiel abgewehrt und die Pole Position in Silverstone erobert. Der britische Mercedes-Pilot ließ seinen zuletzt formstarken Teamkollegen am Samstag 0,113 Sekunden hinter sich. Damit startet Hamilton im neunten Saisonlauf am Sonntag zum achten Mal in diesem Jahr von ganz vorn. "Das ist ein besonderer Tag, diese Pole Position auf heimischem Boden erreicht zu haben", schwärmte der 30-Jährige. Nach den Trainingsniederlagen gegen Rosberg am Freitag war Hamilton erneut auf den Punkt da, als es wirklich zählte. Im entscheidenden Abschnitt der Qualifikation legte der Titelverteidiger eine nahezu perfekte Runde hin, sein Stallrivale konnte in seinen beiden Versuchen nicht kontern. "Meine Runde war gut, Lewis war nur ein bisschen schneller. Das ist ärgerlich, aber so ist es eben", sagte Rosberg, der bislang nur in Barcelona auf die Pole Position fuhr. Nicht nach Plan lief es für den WM-Dritten Sebastian Vettel und Ferrari. Der Deutsche musste sich hinter seinem Teamkollegen Kimi Räikkönen auf Platz sechs einordnen. Beide roten Autos stehen in der Startaufstellung hinter den Williams-Fahrern Felipe Massa und Valtteri Bottas. "Meine Aufwärmrunde war nicht so toll, ich bin fast in Felipe gekracht", klagte Vettel. "Das war nicht unser bester Tag. So ein schweres Qualifiying hatten wir nicht erwartet", räumte der Hesse ein. Für den Rennsonntag deutet erneut alles auf einen Zweikampf der Mercedes-Piloten um den Sieg hin. "Es ist unglaublich, wie schnell wir sind", lobte Rosberg die überlegenen Silberpfeile. In der Gesamtwertung liegt der gebürtige Wiesbadener nur zehn Punkte hinter Hamilton. Zuletzt gewann Rosberg drei von vier Rennen und war bei allen bisherigen Europa-Gastspielen dieses Jahres der Sieger. | https://www.sueddeutsche.de/sport/formel-1-in-silverstone-hamilton-erobert-die-pole-position-1.2551159 | mlsum-de-1066 |
Nach einem mühseligen 1:0-Sieg in einer ruppigen Partie in Frankfurt ist der FC Bayern Herbstmeister. Trainer Jupp Heynckes ist aber nicht zum Feiern zumute. | Die Szene dieser Partie war eine, die nicht wirklich zu ihrem restlichen Verlauf passen wollte. In ihr ging es um eine Geste der Versöhnung, des Verständnisses, fast schon der Freundschaftlichkeit. Die Szene, die eigentlich nicht so recht in diesen Nachmittag hineinpasste, war eine Umarmung. Es lief die 75. Minute in der Partie zwischen Eintracht Frankfurt und dem FC Bayern, Marius Wolf lief zurück aufs Spielfeld. Drei Minuten zuvor hatte er die rote Karte gesehen, nach einer Grätsche gegen James Rodríguez und war ohne Umwege in die Kabine gelaufen. Anschließend sagten sich die anderen Spieler laut und deutlich, was sich so angestaut hatte in ihnen in den Minuten zuvor, und das war recht viel. Irgendwann löste sich Schiedsrichter Harm Osmers aus diesem Rudel, er lief zur Seitenlinie, schaute sich das Foul auf einem Bildschirm an. Osmers lief zurück, er bat Wolf zu sich, den der Manager aus der Kabine zurückgeholt hatte. Und Osmers zeigte Wolf die gelbe Karte. Dann umarmten sie sich. Es war eine Szene, die für den Videobeweis sprach, für Osmers, für Wolf. Sie stand aber nicht für diese Begegnung. Die war ruppig, umkämpft, geprägt von Einsatz und Willen, nicht aber von Freundschaft, Versöhnung oder Verständnis. Und am Ende dieses Kampfspieles, nach dem 1:0 (1:0)-Auswärtssieg, durfte der FC Bayern die Herbstmeisterschaft feiern. Was jedoch zumindest einer nicht feierte, Jupp Heynckes, der Trainer des FC Bayern. "Das ist nicht von Bedeutung", sagte er, "deswegen schießen wir keine Raketen ab." Starke ersetzt Neuer-Ersatz Ulreich - und bleibt fehlerfrei Heynckes hatte die Partie genutzt, um seiner Linie der vergangenen Wochen treu zu bleiben - er wechselte kräftig durch. Auf der Bank saßen zunächst unter anderem Mats Hummels, David Alaba, Corentin Tolisso, Sebastian Rudy und Robert Lewandowski; am Dienstag noch, beim 3:1 gegen Paris Saint-Germain, gehörte das Quintett zur Startelf. Außerdem fehlte Sven Ulreich, der aufgrund von Adduktorenproblemen das Aufwärmen abgebrochen hatte. Ihn ersetzte Tom Starke. Er ersetzte ihn fehlerfrei. Der Torwart war gleich in den ersten Minuten eine der Hauptfiguren. Frankfurt machte früh Druck, störte das Aufbauspiel des FC Bayern schon an dessen Strafraum. Die beste Gelegenheit der ersten Minuten hatte Ante Rebic, dessen Freistoß Starke abwehrte (7.). Der FC Bayern war in den Anfangsminuten - und überhaupt die meiste Zeit der Partie - hauptsächlich mit der Defensivarbeit beschäftigt. Nach vorne fehlte die Energie, auch die Inspiration. Nach einem langen Ball von Jérôme Boateng nahm Thomas Müller, der als einzige Spitze spielte, den Ball mit der Brust an. Der Ball sprang ihm zu weit weg (15.). Eine Minute später dribbelte Kingsley Coman in den Strafraum hinein, er legte den Ball lehrbuchmäßig zurück an den Elfmeterpunkt. Dort stand allerdings kein Mitspieler. Das waren bereits die Höhepunkte der Anfangsphase. | https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-gegen-frankfurt-ein-einziges-gegraetsche-1.3785252 | mlsum-de-1067 |
Einzelbüro ade: Wissenschaftler erforschen, wie moderne Büros die Leistung der Beschäftigten erhöhen. Die zukünftigen Arbeitsplätze sind grün, flexibel - oder passen in die Hosentasche. | Ein Schreibtisch, darauf ein Computerbildschirm, Telefon und vielleicht ein Familienfoto. Besonders aufregend sieht ein durchschnittliches Büro nicht gerade aus. Doch die unscheinbaren Räume beschäftigen Dutzende Wissenschaftler und Unternehmen. Sie entwerfen das Büro der Zukunft, damit die 17 Millionen Büroarbeiter in Deutschland effizienter tätig sein können. Die zukünftigen Arbeitsplätze sind grün, flexibel oder passen in die Hosentasche. Nicht alle Vorschläge der Forscher sind ganz neu, einiges ist schon in manchen Firmen umgesetzt. Dennoch bedeuten die Szenarien der Wissenschaftler einen Abschied vom guten alten Büro und der Arbeitsorganisation, wie sie Millionen Beschäftigte kennen. Fünf Ideen, wie wir in Zukunft arbeiten werden: Detailansicht öffnen Das klassische Einzelbüro wird es auf lange Sicht nicht mehr geben. (Foto: Catherina Hess) Anders bauen Ein großer Raum dient als Treffpunkt. Von allen Seiten führen Türen in Büros, die sich Mitarbeiter aus ganz unterschiedlichen Abteilungen teilen: So könnte ein Unternehmen organisiert sein, das ungewöhnliche Ideen fördern will. Denn damit Mitarbeiter innerhalb ihres Teams oder auch abteilungsübergreifend miteinander reden und dadurch neue Sichtweisen kennen lernen, müssen sie nach Studien des US-Wissenschaftlers Thomas Allen eng zusammensitzen. Mit jedem Meter Abstand sinkt die Wahrscheinlichkeit für Gespräche. Sind es bei zehn Metern Entfernung zwischen den Schreibtischen noch drei Gespräche pro Woche, reden Kollegen bei zwanzig Metern nur noch einmal. Das gilt nicht nur für persönliche Gespräche, sondern auch für den Austausch per Telefon oder E-Mail. Der klassische Bürotrakt mit einem langen Flur, von dem rechts und links Büros abgehen, ist also Gift für die Kommunikation. Wichtig ist auch, wer im Nachbarraum sitzt. Teilt sich nur eine Abteilung einen Flur, fördert das Koordination und Information. Jeder weiß, woran die anderen arbeiten, nichts wird doppelt erledigt. Für Innovationen sei eine solche Anordnung dagegen Gift, so könnte man Allens Studie zusammenfassen, denn jede Abteilung wurschtelt vor sich hin. Für ein innovatives Umfeld empfiehlt der Wissenschaftler, Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen zusammenzusetzen. Gemeinsam ein Büro zu teilen, könnte sich auch für jüngere und ältere Kollegen lohnen. Um das Beste aus der Erfahrung der Älteren und dem frischeren Wissen der Jüngeren zu machen, sollten sie über Altersgrenzen hinweg zusammenarbeiten, sagt Catherine Gall, Forschungsleiterin beim Büroeinrichter Steelcase. Bisher bestehen die meisten Kontakte in Büros einer Umfrage zufolge innerhalb der Altersgruppen. | https://www.sueddeutsche.de/karriere/das-buero-der-zukunft-nie-mehr-allein-1.980015 | mlsum-de-1068 |
Wenige Tage nach Andreas Klöden gibt auch Bert Grabsch sein Karriereende bekannt. Uefa-Präsident Michel Platini regt an, Weltmeisterschaften mit 40 Teams auszuspielen. Der ehemalige Bundesliga-Profi Marc Kienle ist neuer Trainer des SV Wehen Wiesbaden. | Radsport, Karriereende: Bert Grabsch hat seine Karriere als Radprofi nach 15 Jahren beendet. Der frühere Zeitfahr-Weltmeister aus Wittenberg hatte sich zuletzt vergeblich um einen neuen Vertrag bemüht und zog nun die Konsequenzen. Seit 2012 war der 38-Jährige an der Seite des aktuellen Zeitfahr-Weltmeisters Tony Martin (Cottbus) für das Team Omega Pharma-Quick Step gefahren. "Als klar war, dass es mit einem WorldTour-Team nichts werden würde, war ich schon frustriert und enttäuscht. Mein Urlaub zuletzt mit meiner Familie hat mir aber gut getan, dabei habe ich dann auch diesen Entschluss gefasst", sagte Grabsch radsport-news.com. Grabsch fiel die Entscheidung schwer: "Ein Jahr hätte ich noch drangehängt. Ich bin mir sicher, dass ich sportlich hätte noch mithalten können." Grabsch war 1999 Profi geworden, größter Erfolg war 2008 in Varese/Italien der Gewinn des WM-Titels im Kampf gegen die Uhr. Ein Jahr zuvor hatte er eine Etappe bei der Vuelta gewonnen, ebenfalls im Einzelzeitfahren. Tagessiege gelangen Grabsch auch bei der Dauphiné Libéré (2009) und der Österreich-Rundfahrt (2008, 2011). Fußball, WM:UEFA-Präsident Michel Platini hat die jüngste Drohung von Fifa-Boss Joseph S. Blatter, wonach Europa bei der WM Startplätze verlieren könnte, mit einem revolutionären Gegenvorschlag gekontert. Der 58 Jahre alte Franzose regte an, Weltmeisterschaften künftig mit 40 Teams auszuspielen. Dann, argumentierte Platini in der englischen Times, wäre dort auch mehr Platz für Mannschaften aus Afrika und Asien, wie von Blatter in der vergangenen Woche gefordert. Laut Platini würde die Aufstockung um acht Mannschaften das Turnier um drei Tage verlängern. Die WM 2014 in Brasilien dauert 32 Tage (12. Juni bis 13. Juli). Konkret schlug Platini vor, Afrika, Asien und Nordamerika jeweils zwei zusätzliche Plätze zuzuteilen. Ozeanien und Europa bekämen je einen Platz mehr. Eine derartige Aufstockung wäre "gut für alle", meinte er. "Ich stimme mit Herrn Blatter völlig überein, dass Afrika und Asien mehr Mannschaften haben müssten. Aber anstatt ein paar europäische rauszunehmen, müssten wir auf 40 hochgehen", sagte der frühere Profi weiter: "Der Fußball verändert sich, wir haben 209 Verbände. Warum verringern? Wir sollten mehr Menschen glücklich machen!" Mit Blatter hat er über seine Idee noch nicht gesprochen. Europa hat derzeit 13 Startplätze im 32 Mannschaften umfassenden Feld. Südamerika kommt auf vier feste Vertreter, ein weiteres Team hat überdies die Chance, sich über die Play-offs zu qualifizieren. Afrika dagegen hat nur fünf Plätze, Asien ist mit vier Mannschaften sicher vertreten. Dazu kommt ein "halber Platz" für Asien über ein Play-off-Duell. Nord- und Mittelamerika haben 3,5 Plätze, Ozeanien einen "halben". Ein Platz ist für den Gastgeber reserviert. Blatter warb mit seinem neuerlichen Vorstoß um "Chancengleichheit", wie er im Magazin FIFA Weekly betont hatte. Fußball, Bundesliga: Dem Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach bleibt das Verletzungspech treu. Wie der Club am Montag mitteilte, fällt Innenverteidiger Roel Brouwers mit einem Muskelfaserriss im Adduktorenbereich mehrere Wochen aus. In der Bundesligapartie gegen Eintracht Frankfurt am Sonntag fehlten bereits der gesperrte Martin Stranzl sowie die Verletzten Alvaro Dominguez, Filip Daems und Havard Nordtveit. Wegen des Personalmangels standen gegen Frankfurt am Ende Rechtsverteidiger Tony Jantschke und Mittelfeldspieler Torben Marx im Abwehrzentrum. Dazu kam der junge Außenverteidiger Julian Korb wie Marx zu seinem ersten Saisoneinsatz. Am kommenden Wochenende kehrt immerhin Stranzl in die Innenverteidigung zurück. Fußball, 2. Liga: Fußball-Zweitligist FC St. Pauli hat zum zweiten Mal nacheinander einen Gewinn erwirtschaftet. Das Geschäftsjahr 2012/13 weist nach Steuern einen Überschuss von 950 000 Euro aus. Im Geschäftsjahr davor hatte der Hamburger Traditionsclub einen Gewinn von 270 000 Euro verzeichnet. Die Gesamterträge wurden mit 30,06 Millionen Euro angegeben. "Ich bin sehr stolz darauf, dass wir erneut einen Gewinn vorweisen können. Unsere gute Arbeit setzt sich fort", sagte Vereinspräsident Stefan Orth am Montag. Fußball, 3. Liga: Der ehemalige Bundesliga-Profi Marc Kienle ist neuer Trainer des SV Wehen Wiesbaden. Das gab der Fußball-Drittligist am Montag bekannt. Der 41-jährige Kienle arbeitete zuletzt als U19-Trainer beim FC Bayern München und davor als sportlicher Leiter im Jugendbereich des VfB Stuttgart. "Marc hat viel Erfahrung und große Erfolge als Trainer im Nachwuchsbereich auf höchstem Niveau vorzuweisen. Vor allem sind seine Vorstellungen über modernen Fußball deckungsgleich mit unserer Vereinsphilosophie", sagte der Wehener Sportdirektor Michael Feichtenbeiner. Kienle beerbt beim Tabellensiebten den vor einer Woche beurlaubten Peter Vollmann und wird am kommenden Samstag im Heimspiel gegen Jahn Regensburg zum ersten Mal auf der Bank des SVWW sitzen. "Die Mannschaft und der Verein haben großes Entwicklungspotenzial, daher hat mich die Aufgabe sehr gereizt", sagte der frühere Profi des VfB Stuttgart, MSV Duisburg und Karlsruher SC. Mit den Stuttgartern wurde Kienle als Spieler und auch als Trainer deutscher Jugendmeister. Tennis, Damen: Nach ihrem vierten Titel bei der Tennis-WM beendet Serena Williams das Jahr zum dritten Mal in ihrer Karriere als Weltranglistenerste. Die Amerikanerin führt das am Montag veröffentlichte WTA-Ranking mit 13 260 Punkten an und hat damit 5214 Zähler Vorsprung auf die zweitplatzierte Weißrussin Victoria Asarenka. Williams hatte bereits die Jahre 2002 und 2009 als Spitzenreiterin abgeschlossen. In der abgelaufenen Saison gewann sie elf Turniere, kam auf eine Gesamtbilanz von 78:4-Siegen und sammelte als erste Frau mehr als zwölf Millionen Dollar Preisgeld. Ihre unterlegene WM-Finalgegnerin Li Na aus China verbesserte sich in der Weltrangliste um zwei Plätze auf Rang drei. Die Kielerin Angelique Kerber, die bei der Endrunde in Istanbul knapp in der Gruppenphase gescheitert war, verteidigte den neunten Platz. Baseball, USA: Die Boston Red Sox haben das vierte Spiel der World Series bei den St. Louis Cardinals dank "Nobody" Jonny Gomes mit 4:2 gewonnen und im Finale um die Meisterschaft in der Major League Baseball (MLB) ausgeglichen. Nach vier Spielen steht es in der Best-of-seven-Serie 2:2. Mann des Tages war Gomes, der im sechsten Inning mit einem Homerun für drei Punkte und eine zwischenzeitliche 4:1-Führung sorgte. Für den 32 Jahre alten Outfielder war es der erste Treffer in der Finalserie. Kein aktiver Profi mit mindestens 40 Schlagversuchen in den Play-offs der MLB hat eine schlechtere Erfolgsquote als Gomes. "Alles was mir dieser Sport geben sollte, war eine Chance. Heute hatte ich sie. Wenn ich im Aufgebot stehe, schwinge ich auch den Schläger", sagte Gomes, der als Ersatzmann für den verletzten Shane Victorino nominiert worden war. Der Amerikaner mit portugiesischen Wurzeln hat ein bewegtes Leben hinter sich. Im Alter von 16 Jahren war er dabei, als bei einem Autounfall sein bester Freund ums Leben kam. Mit 22 erlitt er an Heiligabend nach einem Arterienverschluss einen Herzinfarkt. Ein Jahr später gab er sein MLB-Debüt bei den Tampa Bay Devil Rays. Seit dieser Saison spielt Gomes für den siebenmaligen MLB-Champion Boston. Das fünfte Spiel der World Series fand am Montag erneut in St. Louis statt. Der Sieger hat den ersten Matchball. Golf, Texas: Der deutsche Golfprofi Bernhard Langer hat beim Turnier der US-Champions-Tour im texanischen San Antonio das Stechen gegen seinen großen Rivalen Kenny Perry verloren und damit im Kampf um den Millionen-Jackpot an Boden verloren. Der US-Profi Perry lochte am ersten Extra-Loch des Play-offs aus gut drei Metern zum Birdie ein und feierte seinen dritten Saisonsieg. Beide Spieler hatten nach drei Runden 203 Schläge auf dem Konto. In der Saison-Gesamtwertung baute Perry seinen Vorsprung gegenüber dem Anhausener vor dem Finale am kommenden Wochenende in San Francisco von 494 auf 612 Punkte aus. Der zweimalige US-Masters-Champion Langer, der im vergangenen Jahr ebenfalls im Stechen gegen David Frost unterlegen war, will sich beim Showdown aber nicht kampflos geschlagen geben. Für einen Sieg dort gäbe es 880 Punkte. "Er hat einen großen Vorsprung, ich will diese theoretische Chance aber natürlich nutzen und alles geben", sagte der 56 Jahre alte Anhausener, der die Saisonwertung 2012 zum vierten Mal für sich entschieden hatte. Tennis, China: Anna-Lena Friedsam hat bei ihrem ersten WTA-Turnier auf Anhieb den Sprung ins Achtelfinale geschafft. Die 19-Jährige aus Neuwied, die sich bei zweitklassigen ITF-Konkurrenzen auf Platz 132 der Weltrangliste vorgearbeitet hat, setzte sich in ihrem Auftaktspiel in Nanjing/China gegen die Polin Katarzyna Piter mit 6:7 (4:7), 6:1, 7:6 (7:3) durch. Friedsam, einzige deutsche Spielerin im Hauptfeld der mit 125.000 Dollar dotierten Konkurrenz, trifft in der Runde der letzten 16 auf die an Nummer sieben gesetzte Kroatin Ajla Tomljanovic. | https://www.sueddeutsche.de/sport/radsport-bert-grabsch-beendet-seine-karriere-1.1805858 | mlsum-de-1069 |
Borussia Dortmund erlebt gegen Hannover turbulente Minuten - schöne und unschöne. Freiburg übertölpelt Augsburg mit einer Einlull-Taktik und in Paderborn wird riskant gegrätscht. | Hannover - Dortmund 2:3 (1:1) Spiel-Telegramm: Wie meldet man sich nach einem 0:3-Champions-League-Aus zurück? Am besten mit einem schnellen Tor in der Bundesliga: Jakub Blaszczykowski schießt Ron-Robert Zieler nach wenigen Sekunden gefährlich die Hände warm, in der 18. Minute fällt das 1:0 durch Pierre-Emerick Aubameyang. Durchmarsch des BVB? Nicht wirklich: Zwölf Minuten später macht Hannover das 1:1 durch Lars Stindl, Hannover stürmt wie angepiekst und fehlt zur Führung nur Glück. Nach der Pause fliegt Leonardo Bittencourt mit Gelb-Rot vom Platz, der BVB nutzt das zum 2:1 durch Shinji Kagawa und zum 3:1 durch Aubameyang. Und es hätten auch noch das 4:1 und 5:1 fallen können - stattdessen lässt Dortmund Hannover zurückkommen. Stindl gelingt das 3:2 (82.), Joselu rutscht nur knapp am 3:3 vorbei (87.). Und das in Unterzahl. Retter in der Not: Das 1:1 sollte sich Mats Hummels in der Zeitlupe lieber nicht angucken und gleich zur 53. Minute vorspulen: Dort präsentierte er seinen Lockenkopf gewinnbringend und köpfelt auf der Linie den Ball heraus. Kurz danach begannen die schönen Minuten des BVB. Und dann wieder die schlimmen. Diplomatisches Bekenntnis: "Wir sind noch nicht an unsere Leistungsgrenze gestoßen in dieser Saison", sagte Sebastian Kehl nach der Partie. In Unterzahl reicht das trotzdem noch zum Sieg. Gerade so. Freiburg - Augsburg 2:0 (0:0) Spiel-Telegramm: Als Fußballzuschauer nicht schläfern vom Stadionsitz zu kippen, kann eine ziemlich große Herausforderung sein. Freiburg und Augsburg mit der Motivation, möglichst lange frisch zu bleiben unterm Trikot. Das schaffen sie prima. Bis zur Pause. Dann kommt Pierre-Emile Höjbjerg und jagt den Ball Richtung rechten oberen Winkel, Roman Bürki fischt ihn erfolgreich heraus. Freiburg lässt die Augsburger in Ruhe, die Gäste dürfen sich gemütlich den Ball zuschieben. Dann schlägt Freiburg zu: Erst jubelt überraschend Jonathan Schmid (71.), dann Nils Petersen zum 2:0 (84.). Die Einlull-Taktik der Freiburger ist entlarvt. Statistik des Grauens II: Seit 894 Minuten wartet Admir Mehmedi nun schon auf einen Treffer in der Bundesliga. Besonders bitter für einen Stürmer. Emotionale Bescheidenheit: "Jetzt haben wir das Spiel gewonnen und das ist schön. Das war's." So klingt ein Trainer, der gerade drei wichtige Punkte im Abstiegskampf gesammelt hat. Schon bemerkenswert, dieser Christian Streich. 1. FC Köln - Werder Bremen 1:1 (0:1) Spiel-Telegramm: Der Unterschied zwischen Köln und Bremen? Bremen trifft nach Standards, Köln nicht. Das 1:0 gelingt den Gästen nach einer Ecke, Davie Selke vollendet (27.). Kurz danach: Ecke für Köln, Kevin Wimmer segelt vorbei (29.). Anthony Ujah bewirbt sich kurz als Nachvorne-Stürmer des Spiels, scheitert aber am zu spitzen Winkel. Nach der Pause ist Köln deutlich bemühter, muss ja schließlich auch was aufholen. Und wird mit einem Elfmeter belohnt: Bard Finne, eingewechselt in der 82. Minute, wird im Strafraum geschubst. Matthias Lehmann donnert das Gerät schnurgerade unter die Latte (88.) Statistik des Grauens II: Vier Jahre ist es her, dass der 1. FC Köln zuletzt ein Spiel nach einem Pausenrückstand noch gewinnen konnte. Dieses Mal gab es immerhin noch den Ausgleich. Paderborn - Hoffenheim 0:0 (0:0) Spiel-Telegramm: Freunde des Körperkontakts haben reichlich zu bejubeln, Freunde der Ballkunst eher weniger: Paderborn und Hoffenheim zeigen den Zuschauern viele haarige Zweikämpfe und eifrige Flitzereien, aber auch etliche Fehlpässe und Stolpereien. Hoffenheim in der zweiten Hälfte auf der Suche nach Ideen, Paderborn nach einem Tor - doch Oliver Baumann verwehrt ihnen mit guten Reflexen den Erfolg. Genau aufgepasst: Bei der Erfindung der Blutgrätsche hat Ermin Bicakcic besonders genau hingeschaut. Säbelte in der 65. Minute Lukas Rupp mit Anlauf von den Beinen. Besonders ärgerlich: Hatte schon zehn Minuten zuvor Gelb gesehen. Durfte nun duschen gehen. Nicht so genau aufgepasst: Bei all den Fußballern, die Spieltag für Spieltag Karten sammeln, kann man schon mal durcheinander kommen. So stufte die DFL Paderborns Srdjan Lakic als gesperrt ein, obwohl er gar kein schlimmer Übeltäter war. Erst kurz vor dem Anpfiff wurde der Irrtum geklärt, Lakic kam noch auf den Spielbogen. Und hätte sogar beinahe getroffen. Wäre bloß dieser Baumann nicht gewesen. | https://www.sueddeutsche.de/sport/26-spieltag-der-bundesliga-schlimme-momente-in-ueberzahl-1.2404329 | mlsum-de-1070 |
Die EM-Goldmedaille des erst 20-jährigen Schwimmers Florian Wellbrock ist ein Versprechen für die Zukunft. Sein Trainer denkt schon an Olympia 2020. | Ein zweites Mal zur Uhr schauen musste Florian Wellbrock dieses Mal nicht. Zwei Bahnen neben ihm schwamm ja schon wieder Michailo Romantschuk, die beiden kennen sich, zum Beispiel vom Meeting Ende April in Stockholm. Da war Wellbrock nach 1500 Metern vor dem Ukrainer ins Ziel gekommen, in 14:40,69 Minuten. "Ich dachte erst, die Uhr ist kaputt", sagt Wellbrock, wenn er sich heute an dieses Rennen erinnert. Er blickte damals ein Mal zur Uhr, zwei Mal, aber es blieb dabei: Er hatte seine Bestzeit um 15 Sekunden unterboten, den 27 Jahre alten deutschen Rekord von Jörg Hofmann gebrochen und eine neue Weltjahresbestzeit geliefert. Nicht schlecht, wenn bald eine EM ansteht. Als Florian Wellbrock nun bei besagter EM am Sonntagabend in Glasgow also das Finale über 1500 Meter Freistil absolviert hatte, schaute er nur ein Mal zum Bildschirm - dann zu seinem Trainer Bernd Berkhahn, der die Arme nach oben riss. Wellbrock hatte sich tatsächlich die Goldmedaille geschnappt in einem Rennen, über das Berkhahn später sagte: "Das war eines der besten, die es über 1500 Meter je gab". Wellbrock hatte sich erst mit Olympiasieger Gregorio Paltrinieri duelliert, später die Angriffe des WM-Zweiten Romantschuk pariert. Nebenbei drang er in die nächste Dimension vor: 14:36,15 Minuten für 1500 Meter - nur drei andere Kollegen sind jemals schneller geschwommen, der Chinese Sun Yang, Paltrinieri und der schon zurückgetretene Australier Grant Hackett. Wellbrocks Goldmedaille trägt da schon mehr Aussagekraft in sich als andere EM-Weihen. "Das ist einfach großartig", sagte der neue Europameister, während sein Trainer schon wieder sein Ohrläppchen anzapfte, zur Laktatmessung. Sein Sprung vom Startblock war optimal 1500 Meter in hohem Tempo zu kraulen, 15 Bahnen hin, 15 Bahnen zurück, das liegt nur Sportlern mit großem Willen. Wellbrock sagte zuletzt: "Für einen selber ist das unheimlich kurz." Er ist mit seinen 20 Jahren mitunter noch ziemlich nervös, "wenn es mit dem Bus zu Halle geht, wird es schon kribbeliger im Bauch", gestand er. Auch bei Olympia in Rio war er schon dabei, damals enttäuschte er unter der Last vieler neuer Eindrücke. Platz 32. In Glasgow war das anders, "seine Aufregung hat er gut gemeistert", beobachte Berkhahn. Und dass Wellbrocks Freundin Sarah Köhler am Vortag über 800 Meter Freistil unter ihren Möglichkeiten geblieben war, verunsicherte ihn auch nicht. "Mir tat es für sie weh, dass es nicht so lief, wie sie es sich vorgestellt hat," sagte er, "aber das Schöne im Einzelsport ist, dass jeder für sich selber verantwortlich ist. Deswegen wusste ich auch, dass bei mir alles möglich ist." Sein Sprung vom Startblock war optimal, die Frequenzen der Armzüge passten. Und dann zeigte Wellbrock 30 Bahnen, die den Eindruck vermittelten: Wenn er ins Wasser taucht, dann gleitet er in eine Welt, in der seine Stärken die Aufregung verdrängen. Paltrinieri gab wie erwartet das Tempo vor, doch während Wellbrock nach den Wenden immer wieder beschleunigte, verlor Paltrinieri nach jedem Kontakt mit der Beckenwand an Geschwindigkeit und zog erst über die folgenden Meter wieder davon. Der Italiener hatte in der Nacht zuvor mit Fieber zu kämpfen gehabt, gilt aber auch in Normalform nicht als großer Wendekünstler. An ihm und Romantschuk sollte sich Wellbrock über die ersten 1000 Meter orientieren. "Dann habe ich gemerkt, dass sie keine Attacke schwimmen", sagte Wellbrock, "das habe ich dann genutzt, um mich abzusetzen." Wobei das mit den 1000 Metern nicht ganz gelang. "Da hat er sich vielleicht verzählt", sagte Berkhahn und lachte - schon bei 800 Metern schwamm Wellbrock sichtlich schneller als geplant. "Da habe ich gedacht: Oh je, das kann hintenraus ganz schön eng werden", sagte Berkhahn, "wurde es dann ja auch." | https://www.sueddeutsche.de/sport/schwimmer-florian-wellbrock-jetzt-geht-es-erst-richtig-los-1.4083277 | mlsum-de-1071 |
Die Schützen gehörten offenbar zur Separatistengruppe "Al-Ahwasieh". Für den Außenminister ist klar, dass die Terroristen aus dem Ausland finanziert sein müssen. | In Iran wird am Samstag mit Militärparaden an den Beginn des Kriegs mit dem Irak von 1980 bis 1988 erinnert. Bei dieser Parade in Teheran ist Hassan Rohani zugegen. Bei einem Angriff auf eine Militärparade in Iran sind am Samstag mindestens 29 Menschen getötet worden. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Irna handelt es sich bei den Toten in der Stadt Ahwas im Südwesten des Irans nicht nur um Soldaten der Revolutionsgarden, sondern auch um Zivilisten, unter ihnen Kinder. Die Zahl der Todesopfer könne weiter ansteigen, da viele der 57 Verletzten in Lebensgefahr schwebten. Unter den Toten seien Soldaten und Zivilisten, sagte der Vize-Gouverneur der Provinz Chusestan, Ali-Hossein Hosseinsadeh. Wie die halbamtliche Nachrichtenagentur Fars berichtete, hatten während der Parade bewaffnete Männer in die Zuschauermenge geschossen. Anschließend versuchten sie demnach, auch auf die Tribüne für offizielle Besucher zu feuern. Sicherheitskräfte hätten sie dann niedergeschossen. Bei den Schützen handelte es sich offenbar um Mitglieder der sunnitischen Separatistengruppe "Al-Ahwasieh". Zunächst hieß es, zwei seien erschossen und zwei verhaftet worden. Das Staatsfernsehen berichtet nun, dass alle vier getötet worden seien. Die Gruppe hat die Verantwortung für den Angriff übernommen. Laut Teheran wird die Gruppe von Saudi-Arabien unterstützt. Ihre Mitglieder sollen Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sein. Auch das IS-Sprachrohr Amaq verbreitete eine Bekennernachricht. IS-Kämpfer hätten "eine Versammlung iranischer Truppen" angegriffen. In den iranischen Kurdengebieten sind mehrere Rebellengruppen aktiv Iran erinnert am Samstag mit Militärparaden an den Beginn des Kriegs mit dem Irak von 1980 bis 1988. Ahwas liegt in der mehrheitlich von Arabern bewohnten Provinz Chusestan an der Grenze zum Irak. Weiter nördlich kommt es immer wieder zu Angriffen kurdischer Rebellen auf Militärpatrouillen. Angriffe in größeren Städten sind aber selten. Außenminister Mohammed Dschawad Sarif schrieb auf Twitter, "regionale Terror-Sponsoren und ihre US-Herren" seien für den Angriff verantwortlich. "Iran wird schnell und entschieden zur Verteidigung iranischer Leben antworten." Die Revolutionsgarden machten von Saudi-Arabien finanzierte "Terroristen" für den Angriff verantwortlich. In den iranischen Kurdengebieten sind seit Jahrzehnten Rebellengruppen aktiv, die für mehr Rechte und mehr Autonomie der ethnischen Minderheit kämpfen. In der gebirgigen Region an der Grenze zum Irak und zur Türkei gibt es regelmäßig Gefechte zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften. Im Juni 2017 waren bei einem Angriff auf das Parlament und das Mausoleum von Ayatollah Khomeini in Teheran 17 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt worden. Noch während des Angriffs bekannte sich die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) zu der Tat. Bis dahin war der mehrheitlich schiitisch geprägte Iran von Anschlägen der sunnitischen IS-Miliz verschont geblieben. | https://www.sueddeutsche.de/politik/iran-dutzende-tote-und-verletzte-bei-angriff-auf-militaerparade-1.4140816 | mlsum-de-1072 |
Der ehemalige Bahn-Chef Mehdorn wehrt sich gegen den Vorwurf, das Unternehmen kaputtgespart zu haben. Derweil spielt Verkehrsminister Ramsauer den Konzernumbau durch. | Wenn der ehemalige Vorstandschef der Bahn, Hartmut Mehdorn, Zug fährt, sprechen ihn immer wieder andere Fahrgäste an. "Manche", sagt er, "denken komischerweise, ich sei noch immer Bahnchef." Der 68-jährige Manager, der bis 2009 zehn Jahre die Geschicke des Unternehmens führte, ist für viele Kritiker des Konzerns der Hauptverantwortliche für die Pannen bei der Bahn. Mehdorn, so ihr Vorwurf, habe den Staatskonzern für den geplanten Börsengang schön machen wollen, dafür das Schienennetz vernachlässigt und zu viele Stellen abgebaut. Verkehrsminister Peter Ramsauer, der nun einen Kurswechsel der Bahn vorbereitet, kritisiert: Es sei erstaunlich, "wie dieses System in der Zeit vor Vorstandschef Rüdiger Grube und mir auf Kante gefahren wurde". Die Bahn sei "aufs Renditegleis gesetzt worden". Ständiges Kurzfristdenken ruiniere aber irgendwann jedes Unternehmen, sagte Ramsauer im Hamburger Abendblatt. Nun schlägt der Ex-Bahnchef zurück. Detailansicht öffnen Hartmut Mehdorn: "Mein Vorstand hat die Bahn nicht kaputtgespart, wir haben sie saniert." (Foto: AP) "Mein Vorstand hat die Bahn nicht kaputtgespart, wir haben sie saniert", ließ Mehdorn die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung wissen. Vor seinem Amtsantritt 1999 habe die Bahn Verlust gemacht, zum Ende seiner Amtszeit habe ein Gewinn von 2,4 Milliarden Euro gestanden. Außerdem könne keine Bahn der Welt jedem Katastrophenwetter trotzen. "Wenn Oberleitungen vereisen und brechen, steht der Zug still." Das Grundproblem sieht Mehdorn vielmehr darin, dass es für die Infrastruktur der Bahn zu wenig Geld gebe. Der Bund habe nicht genug Mittel, um in das Schienennetz zu investieren. Wohl auch deshalb plant sein Kritiker Ramsauer einen Umbau des Staatskonzerns. So sollen Gewinne der Bahntochter DB Netz aus den sogenannten Trassenentgelten künftig nur in das Schienennetz fließen. Über Details des neuen "Eisenbahnpakets" werde derzeit mit dem Bahnvorstand verhandelt, heißt es im Spiegel. Ramsauer kündigte an, dieses Jahr etwa 3,9 Milliarden Euro in die Bahn stecken zu wollen. Noch weiter gehen die Pläne in den Koalitionsfraktionen. Demnach streben ihre Verkehrspolitiker an, nur noch die Logistik- und Auslandssparte der Bahn zu privatisieren. Das lukrative Geschäft mit Netz- und Zugverkehr soll im Staatseigentum bleiben. "Der Zustand, dass der Bahnkonzern die Gewinne aus dem mit Steuermilliarden subventionierten Schienennetz dazu verwendet, im Ausland zu investieren, muss beendet werden", sagte der FDP-Experte Patrick Döring. Nach dem gescheiterten Börsengang sei eine Investitionsoffensive für Netz- und Personenverkehr nötig. Das Auslandsgeschäft habe nichts mit nationaler Verkehrspolitik zu tun, viel aber mit der "Großmannssucht" Mehdorns. Am Mittwoch will Ramsauer erstmals konkrete Zahlen für die Zugausfälle und Verspätungen im Winter vorlegen. Nach Angaben seines Ministeriums sind 67,5 Prozent der Güterzüge pünktlich abgefahren. Im Personenverkehr soll ein Drittel der Züge Verspätungen gehabt haben. Etwa 110000 Kunden forderten bereits Geld für ihre Tickets zurück. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bahn-hartmut-mehdorn-suendenbock-och-noe-1.1047285 | mlsum-de-1073 |
Er war der "Grünen-Finanzexperte" und ein respektierter Kritiker der Finanzbranche. Nun verlässt Gerhard Schick das Parlament - um in einer Bürgerbewegung weiterzumachen. | Es kommt nicht oft vor, dass bei einem Menschen die Berufsbezeichnung zum festen Bestandteil des Namens wird. Der langjährige "Bahn-Chef Hartmut Mehdorn" war ein solcher Fall, "Bundestrainer Jogi Löw" ist mit zunehmender Dauer seiner Amtszeit auf dem besten Weg dazu. Auch "der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick", der seit 2005 im Bundestag sitzt, ist zu einer solchen Marke geworden. Bald aber ist es damit vorbei: Zum Ende des Jahres scheidet Schick aus dem deutschen Parlament aus. Der 46-Jährige wird Vorstand bei der "Bürgerbewegung Finanzwende", einer relativ neuen Nichtregierungsorganisation (NGO). Gewissermaßen wechselt er damit von der parlamentarischen in die außerparlamentarische Opposition. Seine Bürgerbewegung will dazu beitragen, das Finanzsystem stabiler und weniger schädlich für die Menschen zu machen. "Zehn Jahre nach der Pleite von Lehman Brothers ist es immer noch nicht gelungen, den Finanzmarkt zu beruhigen, er bleibt wacklig, intransparent und zu komplex", sagt Schick. Es gebe eine riesige Lücke in der öffentlichen Wahrnehmung. Jedes Jahr würden Zehntausende Menschen Opfer von Finanzbetrug, in der Beratung laufe vieles falsch, Banken wie die HSH Nordbank hätten zweistellige Milliardensummen an Steuergeld verschlungen. "Es gibt keinen Bereich, in dem so viel Geld verschwendet und so wenig darüber diskutiert wird", sagt Schick. Mit seiner Bewegung will er dazu beitragen, dass die Debatte über solch skandalöse Vorgänge nicht nur Experten vorbehalten bleibt. Es ist der größte berufliche Einschnitt für den studierten Volkswirt aus dem Wahlkreis Mannheim. Als er 2005 in den Bundestag kam, arbeitete er sich schnell in Finanzthemen ein. Sein Spezialwissen war gefragt, als drei Jahre später die weltweite Finanzkrise ausbrach. Mit seinen kenntnisreichen und pointierten Äußerungen wurde er im Lauf der Jahre zu einer der wichtigsten kritischen Stimmen gegen die Finanzbranche. Eine Stimme, die selbst im Regierungslager Anerkennung fand: Beim Abschied in der Grünen-Bundestagsfraktion äußerte sich CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus lobend über Schick. Sein größter Erfolg im Bundestag war der Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal. Dabei haben Banken den Staat mit der mehrmaligen Erstattung von Kapitalertragsteuer um Milliarden Euro geprellt. Mit unzähligen kleinen und großen Anfragen, Anträgen und Äußerungen wurde Schick zum "Grünen-Finanzexperten". Warum also hat er sich entschlossen, den Bundestag zu verlassen? "Unsere Bewegung ist parteiübergreifend, deshalb kann ich nicht in einer Fraktion bleiben", sagt er. Und was die Wirkung betrifft: "Ich glaube, dass wir gemeinsam mehr bewegen können als jeder Einzelne in seiner bisherigen Tätigkeit." In der Bürgerbewegung, die sich über Spenden und Beiträge finanziert, macht ein Querschnitt der Bevölkerung mit: Unternehmer, Gewerkschafter, Anwälte, Leute aus dem Sozial- und Umweltbereich, auch ehemalige Banker. Von 53 Leuten, die Schick anschrieb, bekam er 50 Zusagen. Auch der ehemalige Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm (CDU) ist darunter. "NGOs im Finanzbereich sind nicht mit solchen für Nahrungsmittel wie etwa Foodwatch vergleichbar", sagt Schick. Essen tue man dreimal am Tag, Finanzthemen seien viel abstrakter. Trotzdem beträfen die Themen die Menschen massiv. "Es geht um Schicksale, um Not und Enttäuschungen, zum Beispiel wenn Tausende Anleger ihr Erspartes für das Alter verlieren wie bei der Betrugsfirma P&R." Um zur Finanzwende beizutragen, will Schick mit seiner Bewegung auf verschiedene Instrumente setzen. Das können etwa Unterschriftenlisten sein, das Erstellen von Rankings oder ein öffentlicher Brief an Felix Hufeld, den Chef der Finanzaufsicht Bafin, sich mehr für die Belange der Verbraucher einzusetzen. Schick hält nichts davon, stets alles zu skandalisieren, das nutze sich schnell ab. "Mit präzisen Fragen kann man mehr erreichen als mit Verbalradikalismus", war schon sein Motto als "Grünen-Finanzexperte". Das soll auch weiter gelten. Hinweis der Redaktion: In der vorherigen Fassung des Artikels hieß es, dass Schick auch die Partei der Grünen verlasse, doch das ist nicht der Fall. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gerhard-schick-ausserparlamentarische-opposition-1.4252148 | mlsum-de-1074 |
Vor fünf Jahren erfuhr die Welt von der Existenz des NSU. Die SZ hat mit Prozessbeteiligten gesprochen. Auch ihn berühre das Leid der Familien, sagt Wolfgang Heer. Doch ein Strafprozess sei kein Untersuchungsausschuss. | An diesem Freitag ist es fünf Jahre her, dass sich die Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt das Leben nahmen und die Welt kurz darauf von der Existenz des NSU erfuhr. Seit dreieinhalb Jahren läuft der Prozess gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte vor dem Oberlandesgericht München. Die Süddeutsche Zeitung hat Verteidiger und Nebenklagevertreter gefragt, wie sie den aktuellen Stand der Aufklärung beurteilen. Welche Fragen gilt es noch zu klären? Welchen Verhandlungstag haben sie als besonders schlimm erlebt, welchen in besonders positiver Erinnerung? Entstanden sind persönliche Rück- und Ausblicke von Akteuren im derzeit wichtigsten Prozess der Republik. Wolfgang Heer, Anwalt aus Köln, verteidigt Beate Zschäpe im NSU-Prozess. Er habe Verständnis für das Aufklärungsbedürfnis der Opfer und ihrer Anwälte, sagt der Verteidiger im Interview. Auch ihn berühre das Leid der Familien. Ein Strafprozess sei jedoch kein Untersuchungsausschuss, sondern habe sich auf die Aufklärung der Anklagevorwürfe zu beschränken. SZ: Vor fünf Jahren hat die Welt von der Existenz des NSU erfahren. Seit dreieinhalb Jahren läuft der Prozess vor dem OLG München. Welche Frage muss noch dringend geklärt werden? Heer: Ich sehe meine Aufgabe als Verteidiger darin, die verfahrensmäßigen Rechte meiner Mandantin sicherzustellen und ihr in Ausschöpfung der strafprozessualen Möglichkeiten aktiv beizustehen, wobei ich einseitiger Interessenvertreter bin. Welche Sachaufklärung noch geboten sein mag, hat allein das Gericht zu beurteilen. Zu etwaigen offenen Thematiken kann ich mich öffentlich nicht äußern. Bei allem Verständnis für die Fragen verschiedener Verfahrensbeteiligter: Dieser Prozess ist kein weiterer Untersuchungsausschuss, sondern hat sich auf die Aufklärung der angeklagten prozessualen Taten und auf die beschuldigten Personen zu beschränken. Welcher Verhandlungstag ist Ihnen als besonders schlimm in Erinnerung? Natürlich lässt es auch einen erfahrenen Strafverteidiger nicht kalt, wenn Angehörige ihrem Schmerz Ausdruck verleihen und Fotos der Tatopfer an die Wand projiziert werden. Davon gab es viele Momente, die in Erinnerung bleiben. Im Saal habe ich solche Emotionen aber möglichst auszublenden. Welcher Prozesstag ist Ihnen in besonders positiver Erinnerung? In einem Verfahren mit derart zahlreichen und massiven Tatvorwürfen von positiven Dingen zu sprechen, fällt schwer. Am Rande des Prozesses sind mir viele interessante Menschen begegnet. Diese insgesamt mindestens fünf Jahre seit Übernahme des Mandats sind zweifellos eine prägende Erfahrung. Wie hat der Prozess Ihr Leben beeinflusst? Mir war mit Mandatsübernahme klar, dass sich mein Leben grundlegend ändern wird. Die Belastung in diesem Verfahren ist schon angesichts des Aktenumfangs und der ständigen Reisen enorm. Andere Mandate bearbeite ich meist bis in den späten Abend und an den Wochenenden. Zeit für Privates bleibt kaum. Dass die Hauptverhandlung schon mehr als 300 Tage andauert, überrascht mich aber nicht. Wann, denken Sie, wird das Urteil fallen? Das Verfahren eignet sich nicht für Spekulationen. Der Vorsitzende hat deutlich signalisiert, mit seinem Beweisprogramm "durch" zu sein. Allerdings stellen sowohl die Verteidigung als auch die Nebenklage an jedem Tag weitere Beweisanträge, denen das Gericht zum Teil nachkommt. Auch die Erkenntnisse aus der jüngsten Zeit zeigen, dass ein Ende des Prozesses nach wie vor offen ist. Was wird man in zehn Jahren über den NSU-Prozess sagen? Ein historisches Verfahren. | https://www.sueddeutsche.de/politik/nsu-prozess-zschaepe-anwalt-im-saal-habe-ich-solche-emotionen-auszublenden-1.3232747 | mlsum-de-1075 |
Ein ehemaliger Computerspiel-Experte digitalisiert bayerische Kulturschätze. Das hilft etwa Menschen, die nicht jedes Gebäude selbst erreichen können: Per VR-Brille sind sie trotzdem nah dran. | Der Wintergarten auf der Münchner Residenz ist ein grünes Paradies: Zwischen Bananenstauden, Dattel- und Yuccapalmen stolzieren Pfauen und Flamingos, Schmetterlinge fliegen um Kakteen und bunte Orchideen herum, und die Luft ist erfüllt von den Geräuschen exotischer Vögel. Auf dem großen See in der Mitte schwimmt ein Schwan. Ein kleines Kanu am Ufer lädt dazu ein mitzuschwimmen. Doch wer hier ins Wasser fassen will, wird nicht nass. Die Idylle ist virtuell, jeder Farn und jeder Papagei nur eine Ansammlung bunter Pixel, von einer Software erzeugt und in eine VR-Brille übertragen. Jürgen Dudowits verfolgt die künstlichen Erkundungsgänge durch die Residenz an seinem Computer: "In das indische Fürstenzelt da rechts kann man auch hineingehen. Drinnen befindet sich ein Phonograph, der Vorläufer des Grammofons." Es ist nicht schwierig, sich in der virtuellen Welt fortzubewegen. Mit zwei Controllern in den Händen lassen sich andere Orte anwählen, von jedem Standpunkt aus kann man sich in alle Richtungen umsehen. Der Phonograph im Inneren des Zeltes steht auf einem Stapel historischer Zeitungen, er spielt Musik, Kompositionen von Wagner. "Ludwig wollte in seinem tropischen Wintergarten dem Münchner Alltag entfliehen", sagt Dudowits über den bayerischen König. "Wir haben uns bei der virtuellen Rekonstruktion an Fotos und Bauplänen von damals orientiert." Weil der See undicht war, wurde die große Glaskonstruktion auf dem Münchner Stadtschloss und Königssitz kurz nach Ludwigs Tod 1886 abgebaut. Es ist nur eines von vielen Bauprojekten des Märchenkönigs, die nicht mehr existieren oder nie umgesetzt wurden. "Ludwig war ein Visionär und war seiner Zeit technisch weit voraus", sagt Dudowits. "Zum Beispiel hatte er hat damals schon elektrisches Licht und hat den Bau des ersten lenkbaren Luftschiffs finanziert." Dudowits hat sich eingehend mit Ludwigs Leben und seinen Plänen befasst, für die der Bayernkönig schließlich für verrückt erklärt wurde. Pro Tag besuchen Tausende Neuschwanstein real. Schon ihr Atem richtet Schaden an Ein chinesischer Palast mitten in den Alpen, eine Seilbahn über dem Plansee - all das kann man nun zumindest virtuell besuchen. Für das Projekt "Virtuelles Bayern" baut Dudowits seit Anfang der Nullerjahre digitale Modelle von Ludwigs Visionen, ebenso wie von real existierenden Gebäuden. Ergeben hat sich das eher zufällig. Dudowits, 48, kommt eigentlich aus der Gaming-Branche. In den 1980er-Jahren programmierte er Computerspiele, arbeitete später als Dozent für Computergrafik und wurde schließlich beauftragt, das von Ludwig geplante, aber nie verwirklichte Schloss Falkenstein digital nachzustellen. Daraus ergab sich eine Zusammenarbeit mit Gerd Hirzinger, dem damaligen Leiter des Instituts für Robotik und Mechatronik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, bei der die beiden die Münchner Altstadt zu zwei unterschiedlichen Epochen visualisierten. "Die alten Stadtpläne von München zerfledderten fast schon beim bloßen Anschauen", erinnert sich Dudowits. "Dasselbe passiert auch bei Baudenkmälern. Schloss Neuschwanstein zum Beispiel besuchen täglich Tausende. Sie tragen Nässe herein und dünsten aus. Schon der Atem richtet Schaden an." Hirzinger und Dudowits begannen, gemeinsam mit Partnern, Baudenkmäler und kulturhistorisch interessante Landschaften zu digitalisieren und so dauerhaft haltbar zu machen. Wie Ludwig damals waren auch sie Pioniere: Einen Computer hatte noch längst nicht jeder Haushalt, und das Smartphone musste noch erfunden werden, da arbeiteten Hirzinger und Dudowits schon für die virtuelle Realität. Sie vermaßen, fotografierten, rekonstruierten am PC. "Das konventionelle, händische Nachbauen der Gebäude hat Monate gedauert." Dudowits erinnert sich vor allem an die komplizierten Stuckdecken barocker Kirchen oder Fenster mit verspielten Schmiedearbeiten. Inzwischen arbeiten sie mit einem Laserscanner, der in vergleichsweise kurzer Zeit einen Innenraum in ein Drahtgittermodell übersetzt, das am Computer mit einem dreidimensionalen Oberflächenmodell kombiniert wird. Das neue Verfahren geht schneller, das nachbearbeitete Ergebnis ist fotorealistisch. Immer mehr Firmen spezialisieren sich auf erweiterte Realität Der tropische Wintergarten hingegen wirkt noch etwas wie im Videospiel - ein bisschen zu bunt, zu kantig. Das 3-D-Modell ist schon ein wenig älter, und die Technik verbessert sich so schnell, dass man ihr jedes Jahr ansieht. "Die großen Unternehmen geben unheimlich viel Geld aus, um die Technologie zu verbessern. In diesem Jahr kommen viele neue Modelle auf den Markt, vor allem Mixed-Reality-Brillen, die die Realität um virtuelle Elemente erweitern", sagt Dudowits. "Noch steckt alles in den Kinderschuhen, aber in fünf bis zehn Jahren werden die Brillen viele Aufgaben des Smartphones übernehmen." Er meint damit die Funktionen, für die früher Telefone, Taschenkalender oder Heim-PCs nötig waren. "Zum Beispiel braucht niemand mehr einen Fernseher. Es genügt eine weiße Wand und eine Projektion auf der Brille. Die Arbeit, die Kommunikation und auch der Medienkonsum allgemein werden über die Brillen ablaufen." Momentan entstehen zahlreiche Firmen, die sich auf erweiterte Realität spezialisieren, ihre Einsatzbereiche: Lehre an Schulen und Universitäten, Prototyping und Prozesssteuerung in der Industrie, die Tourismus-Branche und eben Museen und historische Projekte, die das Dargestellte erlebbar machen. Dudowits ist mit seiner Digitalagentur VR Dynamix in verschiedenen Feldern tätig, doch Kultur und Geschichte sind zu seinem Herzensprojekt geworden. Aktuell kooperiert VR Dynamix mit dem Deutschen Museum. Sie haben 3-D-grafisch historische Maschinen in Bewegung gesetzt. Parallel zu den anderen Projekten wird die Digitalisierung und Visualisierung historischer Baudenkmäler fortgesetzt, um Bayerns Kulturschätze zu bewahren und für jeden zugänglich zu machen. "Virtuelles Bayern" richtet sich an Architektur-Begeisterte, an potenzielle Touristen in der Ferne, ebenso wie an ältere oder körperlich behinderte Menschen. "Ludwigs Türkischen Saal im Schachenhaus kann erst besichtigen, wer drei Stunden einen Berg hinauf gewandert ist. Das ist für viele gar nicht möglich." Jürgen Dudowits hat keine Angst, dass irgendwann auch die jungen und fitten Besucher ausbleiben könnten, weil sich das Leben nur noch hinter Brillengläsern abspielt. "Ich glaube nicht, dass die Leute daheimbleiben, weil sie etwas schon einmal virtuell gesehen haben. Das Spannendste ist doch die Realität." | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/digitaler-tourismus-virtuell-durch-ludwigs-koenigreich-1.3929462 | mlsum-de-1076 |
Mit der West LB hatte Düsseldorf einst Ambitionen, zum führenden Finanzplatz in Deutschland aufzusteigen. Dann schlug die Krise ein. | Die West LB stirbt leise. Wer zu ihren Überresten möchte, durchquert eine hohe, stille Empfangshalle und geht Flure mit Raufasertapete und anthrazitfarbenen Teppichböden entlang. Es ist ein graues, kastenförmiges Gebäude am Düsseldorfer Kirchplatz, schräg gegenüber der alten West-LB-Zentrale, wo einst Landesbanker nach Weltgeltung strebten und die Kräne erst kürzlich ganze Gebäudeteile eingerissen haben. Im sechsten Stock, die Klimaanlage klappert, betritt Matthias Wargers den Besprechungsraum, die weißen Haare nach hinten gekämmt, die Hermès-Krawatte sitzt. ‹ › Einige wenige haben von der Krise enorm profitiert: Der US-Investor John Paulson etwa gewann mit Wetten gegen den Immobilienmarkt Milliarden. Bild: Jin Lee/Bloomberg ‹ › Die IKB in Düsseldorf... Bild: Martin Gerten/dpa ‹ › ...mit ihrem Vorstandschef Stefan Ortseifen stand auf der anderen Seite der Gleichung: Sie hat Milliarden verzockt. Bild: Federico Gambarini/dpa ‹ › An manchen Tagen war die Verzweiflung der Händler am Börsenparkett mit Händen zu greifen. Bild: Daniel Acker/Bloomberg Wird geladen ... Wargers ist Herr über den kümmerlichen Rest der einst riesigen West LB. Seit ihrer Gründung leitet er die Erste Abwicklungsanstalt (EAA), geschaffen im Jahr 2009 als Rettungsanker für die in Schieflage geratene Landesbank. Auf der Bilanz des Instituts lasteten Milliarden an faulen Krediten, sie mussten raus. Nachdem die West LB endgültig zerschlagen worden war, vor fünf Jahren, hatte die EAA Vermögenswerte von mehr als 200 Milliarden Euro übernommen. Wargers und seine noch knapp 180 Mitarbeiter stellen sicher, dass die öffentliche Hand damit möglichst wenig Verlust macht. "Wir sind als Unternehmen davon geprägt, uns selbst überflüssig zu machen", sagt Wargers. Er wirkt gelassen, denn die Aufgabe gelingt, die Zahlen stimmen, kritische Nachfragen zur Zeit vor zehn Jahren lächelt er einfach weg. ‹ › Mit fallenden Zinsen steigt das Interesse der Investoren an CDO-Papieren. Die Investmentbanken spüren die Nachfrage und versuchen ihrerseits, mehr Hypotheken zu erhalten. ‹ › In der Folge leihen die Hypothekenvermittler auch weniger solventen Kunden Geld, es entstehen die Subprime-Kredite. Die Risiken reichen sie sofort weiter. ‹ › In den CDO-Papieren landen so immer mehr riskante Kredite - und zwar in allen Tranchen. Die vermeintlich sichersten Teile werden aber weiterhin mit Best-Ratings versehen und verkauft. Bild: SZ-Grafik ‹ › Nachdem die Immobilienpreise in den USA über mehrere Jahre stark gestiegen sind, wächst die Zahl der Zwangsversteigerungen, immer mehr Hauskäufer können ihre Hypotheken nicht mehr bedienen. ‹ › Wegen der vielen Versteigerungen brechen die Hauspreise ein, Investoren und Investmentbanken erleiden hohe Verluste. In der Folge leidet die gesamte Wirtschaft, immer mehr Menschen verlieren ihren Job und geraten selbst in Zahlungsschwierigkeiten. SZ-Grafiken Wird geladen ... Wer hätte gedacht, dass es einmal so endet mit der West LB und ihren Ansprüchen, dass es einmal so kommt mit dem Finanzplatz Düsseldorf als Nummer zwei hinter Frankfurt. "Die Schieflage der IKB machte schlagartig deutlich, dass die Krise in Deutschland angekommen war", sagt Wargers. "Wir standen damals alle im Krisenmodus." Am 30. Juli 2007 teilt die Düsseldorfer IKB mit, dass sie vor der Pleite gerettet werden muss. Der erste deutsche Finanzkrisen-Notfall. Wargers war damals Strategiechef der West LB, er ahnte nicht, dass diese Krise die größte deutsche Landesbank vernichten würde. 200 Milliarden Euro an Vermögenswerten hatte die Erste Abwicklungsanstalt (EAA) nach dem Ende der West LB insgesamt übernommen. Seit dem Ende der Landesbank ist die sogenannte Bad Bank damit befasst, das Portfolio Stück für Stück und möglichst verlustfrei zu verkaufen. Daneben übernahm die EAA einen Handelsbestand im Volumen von mehr als einer Milliarde Euro, der überwiegend aus Derivaten bestand. Die West LB war im Zuge der US-Immobilienkrise in Schieflage geraten und auf Druck der EU-Kommission zerschlagen worden. Mit ihr verschwand auch der Glanz der goldenen Jahre der Finanzindustrie aus der Stadt. Als Banken-Standort ist Düsseldorf aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden, in der Diskussion um den Brexit-bedingten Umzug von Londoner Instituten auf den Kontinent fällt der Name nicht. Die IKB verweigert ein Interview, man will nicht über damals reden. In Gesprächen mit Düsseldorfer Bankern fallen markante Sätze, aber fast immer vertraulich, niemand will den Nestbeschmutzer geben. Von Hybris ist die Rede, von "Großmannssucht" der West-LB-Banker, die das "Bauern-Banking" der Sparkassen belächelten. Das sind noch die netteren Sätze. "Die West-LB-Leute haben die Mentalität in Düsseldorf ganz sicher geprägt", sagt einer, der seit Jahrzehnten in den Chefetagen von Banken am Rhein unterwegs ist. Jetzt ist Bescheidenheit angesagt, Verlustbegrenzung statt globales Investmentbanking. Auch wenn in Düsseldorf noch viele Banken Niederlassungen hätten und sogar neue entstanden seien: "Die Entscheidungen werden doch längst nicht mehr hier getroffen", sagt er. Der Abstieg zeichnete sich ab, lange bevor die Finanzkrise den Finanzplatz Düsseldorf und NRW besonders hart traf. "Die Krise hat den Bedeutungsverlust des Finanzplatzes Düsseldorf nur beschleunigt", sagt Andreas Schmitz, Aufsichtsratschef der HSBC Deutschland, seit vielen Jahren Banker in der Stadt. Begonnen habe der Niedergang viel früher, als die Commerzbank ihren juristischen Sitz nach Frankfurt verlegte und die Deutsche Bank ihre letzten Vorstände abzog. So war das einst, als man noch davon träumte, die Bankenstadt Frankfurt auf den zweiten Platz zu verweisen, als die großen Banken noch Vorstandsbüros auf der Königsallee unterhielten: Man hatte ja selbst eine Bank mit internationalem Anspruch, die man für Industriepolitik einspannen konnte, eng verwoben mit der politischen Elite. Eine Landesbank abwickeln? Das klang lange Zeit vollkommen absurd. 80 Prozent der Vermögenswerte der früheren West LB sind inzwischen verkauft "Die West LB", sagt der ehemalige Aufsichtsratschef Bernd Lüthje, "war immer die erst Bank am Platz." Ein Institut, zu dem andere Landesbanker aufschauten, gerühmt als beste Landesbank Deutschlands. Bis 2005 konnte sich das Institut mit billigem, staatlich garantiertem Geld vollsaugen, erst danach entfiel die sogenannte Gewährträgerhaftung. Mangels Alternativen floss ein Großteil des Geldes in Derivate, riskante, verbriefte Hypothekenpapiere, den Brennstoff der Finanzkrise. Davon ist nicht mehr viel übrig, Matthias Wargers Auftrag nähert sich allmählich dem Ende. Sieben Jahre hat er gebraucht, um 80 Prozent der Vermögenswerte zu verkaufen. Für das restliche Fünftel bleiben laut Plan noch mindestens zehn Jahre. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir früher fertig werden als ursprünglich geplant", sagt er. Das Kapitel West LB wird dann auch für ihn vorbei sein. 1993 hatte seine Karriere bei der Landesbank begonnen, es sei eine extrem spannende Bank gewesen damals, sagt er heute. Irgendwie ist sie das noch immer, obwohl es sie längst nicht mehr gibt. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nordrhein-westfalen-das-ende-der-grossmannssucht-1.3607247 | mlsum-de-1077 |
Der französische Präsident Hollande liegt richtig: Die Euro-Zone braucht einen Finanzminister, vielleicht sogar ein gemeinsames Budget und Parlament. | Zuweilen ist es der Sommer, der einen auf neue Gedanken bringt. Wer Glück hat, erreicht in den Ferien diesen Zustand des Loslassens, der das Unerfüllte bewusst macht. Wie gut also, dass nun in Brüssel die politische Sommerpause beginnt, jetzt, da man sich mit Griechenland (vorerst) geeinigt hat. Wer kann, verlässt die Stadt und kommt erst Ende August wieder. Spätestens dann wird man sie dringend brauchen, all jene Gedanken zur großen Frage, wie es nun weitergehen soll mit dem Euro und Europa. Der Denkanstoß für diesen Sommer kommt aus Paris. Frankreichs Präsident François Hollande fordert nicht weniger als eine europäische Wirtschaftsregierung - mit Euro-Finanzminister, Euro-Zonen-Parlament und Euro-Budget. Es ist kein Zufall, dass dieser Vorschlag ausgerechnet von Hollande kommt; er lenkt so von seinen eigenen Problemen ab. Seit sieben Jahren verstößt Paris gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt, der einst geschlossen wurde, um die Euro-Zone krisenfest zu machen. Gäbe es die griechische Misere nicht, würden die Euro-Partner vor allem über ein Thema streiten: den chronischen Defizitsünder Frankreich. Doch so durchschaubar Hollandes Taktik auch sein mag, seine Gedanken sind absolut richtig. Frankreichs Präsident will den Euro langfristig sicher machen. Und er hat recht, denn genau darum geht es jetzt. Nach fünf Jahren Griechenland-Krise ist es an der Zeit, die Wirtschafts- und Währungsunion zu reformieren. Wer nicht will, dass schon bald wieder über das nächste Hilfspaket geredet wird; wer nicht will, dass eine Regierung die anderen erpressen kann; wer nicht will, dass der Euro erneut in Gefahr gerät - für den kann es nur eine Antwort auf das Rettungsdesaster der vergangenen Jahre geben: mehr Europa. Die Krise zeigt: Die Euro-Länder brauchen mehr Integration Die Frage ist nur: Wie schafft es die Politik, das Volk dafür zu gewinnen? In Rom, Paris und Berlin spürt man die Angst der Regierenden, den Bürgern zu viel Europa zuzumuten. Wie zaghaft selbst überzeugte Europäer denken, offenbarte im Frühjahr der sogenannte Fünf-Präsidenten-Bericht von Jean-Claude Juncker, Martin Schulz, Donald Tusk, Mario Draghi und Jeroen Dijsselbloem. In vorsichtiger, fast unterwürfiger Bürokraten-Sprache steht da: "Längerfristig könnte erwogen werden, einen ständigen hauptamtlichen Vorsitz der Euro-Gruppe einzurichten." Mutig klingt anders. Mutig wäre es zu sagen: Wir brauchen einen Euro-Finanzminister! François Hollande hat diesen Mut. Bleibt zu hoffen, dass er und die anderen Staats- und Regierungschefs auch gewillt sind, noch mehr Souveränität nach Brüssel abzugeben. Anders wird es nicht gehen. Der Euro kann als gemeinsame Währung nur überleben, wenn es eine gemeinsame Wirtschaftspolitik gibt. Dafür braucht es nicht nur Sanktionsinstrumente wie den Stabilitäts- und Wachstumspakt, es braucht vor allem Anreize für mehr Wachstum. Deutschland etwa müsste stärker investieren, also mehr Geld für marode Straßen und Schulen ausgeben. Auf der anderen Seite kann es nicht sein, dass die Mitgliedsstaaten immer mehr Macht an Brüssel abgeben, ohne etwas dafür zu bekommen. Wer die Gunst des Volkes nicht an Anti-EU-Populisten à la Strache und Le Pen verlieren will, muss sich fragen, wie es anders geht. Es gibt Lebensbereiche, die Nationalstaaten einfach besser regeln können als die Bürokraten in Brüssel. (Und dieser Meinung ist nicht nur das Pfund-Land Großbritannien.) Wenn es die Mitgliedsländer schaffen, bei großen Fragen wie dem Euro Souveränität abzugeben, wäre viel erreicht. Genauso wichtig wäre es aber, wenn es Brüssel schaffen würde, ein Stück Souveränität zurückzugeben. Nach dem Sommer kann die EU zeigen, ob sie diese Kunst überhaupt beherrscht: die Kunst des Loslassens. | https://www.sueddeutsche.de/politik/reformen-europaeische-sommergedanken-1.2583636 | mlsum-de-1078 |
Viele Betriebe stellen übertriebene Anforderungen an ihre künftigen Azubis. Dabei hätten gerade motivierte Hauptschüler eine Chance verdient. | Man kann es ja nachempfinden: Welche Firma hätte nicht gerne die Besten eines Jahrgangs als Auszubildende? Nach dem Motto: Eine Eins in allen Abiturfächern, aber weil es mit dem Chemiestudium nicht klappt, können Sie bei uns als Einzelhandelskauffrau anfangen. So kann man die Idealvorstellung vieler Chefs zuspitzen. Für den einzelnen Betrieb mag das sinnvoll sein, im großen Ganzen aber erwachsen daraus Probleme. Jugendliche mit Hauptschulabschluss werden häufig von Lehrstellen von vornherein ausgeschlossen, wie nun eine Studie des DGB gezeigt hat. Die Firmen verlangen mittlere Reife oder sogar Hochschulreife für eine Bewerbung. Hauptschüler werden verdrängt Damit verliert der Hauptschulabschluss weiter an Wert, die Unternehmen selbst setzen eine Abwärtsspirale in Gang. Der Abschluss nach der neunten Klasse galt schon bisher nicht als Krönung der Bildungskarriere. Wenn er nun aber in fast zwei von drei Stellenangeboten nicht einmal mehr als Zugang zu einer Berufsausbildung taugt, verkommt er zum Dokument für staatlich geprüfte Abgehängte. Der Ruf des Hauptschulabschlusses leidet weiter, noch weniger Betriebe werden bereit sein, Hauptschüler aufzunehmen. Und den Schulen fällt es noch schwerer, Jugendliche für diesen Abschluss zu motivieren. Sie werden verdrängt von Bewerbern mit mittlerer Reife oder Abitur, die sich unter den Auszubildenden immer mehr Plätze erobern. Warum muss ein künftiger Koch unbedingt mittlere Reife haben? Zum Teil hat das seine Berechtigung. Viele Ausbildungsberufe sind anspruchsvoller geworden. In einer Autowerkstatt reicht es nicht mehr, Getriebeschäden und Achsbrüche zu meistern. Autos sind komplexer geworden, sie stecken voller Chips und Kabelbäumen, die Betriebe haben sich daran angepasst und bilden Kfz-Mechatroniker aus, die sich dem komplizierten Zusammenspiel von Mechanik und Elektronik widmen. Dafür bildet die mittlere Reife eine gute Grundlage. Dieser Grundstock an Schulwissen ist aber bei Weitem nicht in allen Ausbildungsberufen vonnöten. Müssen Köche oder Hotelfachmänner wirklich immer die mittlere Reife mitbringen? Muss die Einzelhandelskauffrau tatsächlich einen Hochschulzugang vorweisen, so wie es der DGB für Hunderte Fälle festgestellt hat? Auch motivierte Hauptschüler haben hier eine Chance verdient. Ausgerechnet Restaurants und Hotels, die heftig über Bewerbermangel klagen, stellen oft solch übertriebene Anforderungen. Die Unternehmen können selbst etwas dagegen tun. Den Trend zu höheren Schulabschlüssen muss und soll man damit nicht aufhalten, doch das Verlangen nach höherwertigen Zeugnissen muss begründet sein. Der Staat kann seinen Anteil leisten, um den Jugendlichen bessere Chancen zu ermöglichen: indem er nach dem Hauptschulabschluss attraktive Angebote für höhere Abschlüsse macht, indem er Jugendliche individuell fördert, um mehr herauszukitzeln als bisher. Auch hier gilt: Die Jugendlichen mit Hauptschulabschluss haben eine bessere Chance verdient. | https://www.sueddeutsche.de/bildung/hauptschueler-staatliche-gepruefte-abgehaengte-1.2432601 | mlsum-de-1079 |
Viel wird über deutsche Kämpfer in Syrien berichtet, nun lenkt ein Medienbericht die Aufmerksamkeit auf "Kriegstouristen" in der Ukraine. Mehr als 100 Deutsche sollen auf Seiten der Separatisten im Einsatz sein - nach hiesigem Recht bislang straffrei. | Offenbar Ex-Bundeswehrsoldaten unter Separatisten Mehr als 100 Deutsche kämpfen einem Bericht zufolge in der Ukraine aufseiten der prorussischen Separatisten. Wie die Welt am Sonntag vorab unter Berufung auf Sicherheitskreise und eigene Recherchen berichtete, sei ein gutes Dutzend bereits identifiziert. Bei den meisten handele es sich um Russlanddeutsche, etliche von ihnen seien ehemalige Bundeswehrsoldaten. Ein 33-jähriger Bundesbürger sei am 12. Februar in der Stadt Debalzewe bei den Kämpfen bereits ums Leben gekommen. Er sei nach Angaben von Freunden durch einen Granatsplitter getötet und am 25. Februar in Moskau beigesetzt worden. Leicht widersprüchliche Reaktionen aus den Ministerien Auf ukrainischer Seite werde der Kriegstourismus aus Deutschland mit zunehmender Sorge betrachtet. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk habe die Bundesregierung aufgefordert dafür zu sorgen, dass Deutsche nicht weiterhin "in Richtung Osten ziehen und am Morden und Töten teilnehmen". Nach Angaben des Innenministeriums lägen "Hinweise auf einzelne deutsche Staatsangehörige" vor, die sich im Separatistengebiet aufgehalten haben. Falls man Erkenntnisse über eine mögliche Ausreise zur Teilnahme an Kämpfen in der Ukraine erlange, "würden diese nach Möglichkeit für ausreiseverhindernde oder -erschwerende Maßnahmen genutzt", sagte ein Ministeriumssprecher dem Blatt. Das Bundesjustizministerium erklärte dem Blatt zufolge wiederum, dem Generalbundesanwalt lägen "keine belastbaren Erkenntnisse dazu vor, dass sich aus Deutschland ausgereiste Personen bewaffneten Gruppierungen in der Ukraine angeschlossen haben". CSU-Politiker fordert Einführung von Strafen Nach Angaben der Welt am Sonntag ist der Kampf in der Ostukraine - anders als der für die Terrormiliz Islamischer Staat - nach deutschem Recht nicht strafbar. Der Unionsinnenexperte Stephan Mayer (CSU) will das ändern. "Wenn Deutsche an Kampfhandlungen teilnehmen, sollte eine Strafbarkeit wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung erwogen werden", sagte er dem Blatt. Außerdem riet er, "zumindest im Falle der Doppelstaatler die deutsche Staatsangehörigkeit wegen der Teilnahme an einem Bürgerkrieg zu entziehen". | https://www.sueddeutsche.de/politik/krieg-in-der-ukraine-deutsche-sollen-fuer-separatisten-kaempfen-1.2394265 | mlsum-de-1080 |
Wo ausgewuchtet wird, können Gewichte fliegen: So wollte sich ein ehemaliger Kfz-Lehrling herausreden, der einen anderen Azubi mit einem Metallteil schwer am Auge verletzt hat. Die Richter am Bundesarbeitsgericht sind nicht seiner Meinung. | Wenn ein Kfz-Azubi ein Auswuchtgewicht durch den Raum wirft, ist das keine betriebliche Tätigkeit - so die Richter. Der Fall Am Morgen des 24. Februar 2011 gehen zwei Azubis in einem Kfz-Handelsbetrieb ihrer Arbeit nach. Einer von beiden ist an der Wuchtmaschine beschäftigt, einem Gerät, das Unwuchten aus Autorädern beseitigt, indem man kleine Gewichte aus Metall anbringt oder entfernt. Nachdem er ein etwa zehn Gramm schweres Aluminiumgewicht von einem Rad genommen hat, wirft er es wortlos hinter sich. Am anderen Ende des Raumes steht der andere Lehrling - und wird von dem Metallteil am Auge getroffen. Verletzungen an Hornhaut sowie am Oberlidrand sind die Folge, der junge Mann muss ins Krankenhaus. Dort wird er operiert und bekommt eine Kunstlinse ins linke Auge eingesetzt. Aufgrund der Hornhautnarbe wird sein Sehvermögen beeinträchtigt bleiben. Die Streitfrage Die Berufsgenossenschaft Holz und Metall zahlt dem verletzten Kläger eine monatliche Rente von 204,40 Euro. Er fordert zusätzlich ein Schmerzensgeld von der Haftpflichtversicherung des Beklagten sowie Schadensersatz - auch für mögliche Folgeschäden des Unfalls. So argumentieren Kläger und Angeklagter Der Kläger verweist darauf, dass ihm aufgrund der Verletzung eine fortschreitende Sehverschlechterung und weitere schmerzhafte Eingriffe am Auge drohen. Dass er mit dem Wurf des Gewichtes jemanden habe verletzen können, hätte der Beklagte wissen müssen. Der Werfer hingegen verteidigt sich mit der Aussage, dass es in der Werkstatt üblich gewesen sei, Wuchtgewichte nach dem Entfernen fallen zu lassen bzw. neben oder hinter sich zu werfen, da sie am Abend mit anderem Abfall zusammengekehrt und entsorgt würden. Vor diesem Hintergrund handele es sich um einen betrieblichen Vorgang, er selbst sei dafür nach §§105, 106 SGB VII nicht haftbar. Darüber hinaus habe er den anderen Azubi in seinem Rücken nicht wahrgenommen - und daher auch nicht damit gerechnet, dass er eine Person treffen oder gar verletzen könnte. Das Urteil Die Richter des Erfurter Bundesarbeitsgerichts geben in ihrem Urteil den Vorinstanzen recht. Das Handeln des werfenden Azubis sei nicht Teil einer "betrieblichen Tätigkeit", sondern als "fahrlässig" einzustufen. Wörtlich hieß es in dem vorinstanzlichen Urteil aus Frankfurt: "Das Herumwerfen von Wuchtgewichten in einem Arbeitsraum, in dem andere Menschen anwesend sind bzw. mit ihrer Anwesenheit zu rechnen ist, entspricht nach der Auffassung der Kammer in keiner Weise dem Maß an Umsicht und Sorgfalt, das ein gewissenhafter Auszubildender im Kfz-Gewerbe zu beachten hat." Die Revision des Beklagten gegen das Urteil aus Frankfurt haben die Richter am BAG abgelehnt. Der Werfer des Metallgewichtes muss seinem ehemaligen Mit-Azubi Schmerzensgeld in Höhe von 25 000 Euro zahlen. Der Beklagte muss darüber hinaus für Folgeschäden aufkommen ("Feststellung der Schadensersatzpflicht"). Das sagt der Arbeitsrechtexperte Der Düsseldorfer Anwalt für Arbeitsrecht, Daniel Hautumm, erklärt die Entscheidung aus Erfurt: "Das Bundesarbeitsgericht folgt mit seinem Urteil den Vorinstanzen. Das Herumwerfen von Gegenständen ist keine betriebliche Tätigkeit, wie es der Beklagte reklamiert hat. Sein Handeln war weder dem betrieblichen Zwecke dienlich noch förderlich. Der Haftungsauschluss aus dem Sozialversicherungsrecht ist somit nicht gegeben und das bedeutet, der Werfer muss sich für sein Tun selbst verantworten. Wenn er haftpflichtversichert ist, wird vermutlich - wie bei Schäden nach fahrlässigem Handeln üblich - die Versicherung für die Forderungen aufkommen." | https://www.sueddeutsche.de/karriere/prozess-am-bundesarbeitsgericht-gewichte-werfen-gehoert-nicht-zum-job-1.2398649 | mlsum-de-1081 |
Der linke Flügel von Syriza wettert gegen Tsipras' Kompromiss mit den Kreditgebern. Doch seinem Rückhalt in der Bevölkerung tut dieser Kurswechsel keinen Abbruch - im Gegenteil. | Der griechische Premier Alexis Tsipras ist noch lange nicht am Ziel, er zieht von einer Schlacht in die nächste. Die Kreditgeber hat er offenbar von seinem Reformwillen überzeugen können. In jüngster Zeit meldeten die Verhandlungsführer aus Brüssel fast nur Erstaunliches nach Hause: Gut vorbereitetes Personal aufseiten der Griechen. An der Sache orientierte Gespräche. Gute Stimmung. Mit anderen Worten: hochprofessionelle Arbeit. Das war nicht immer so. Nach Tag- und Nachtsitzungen mit den einst so verhassten Vertretern der Institutionen steht eine Grundsatzeinigung für ein drittes Hilfspaket. Griechenland könnte damit bald wieder flüssig sein. Welchen Preis Tsipras dafür wirklich zahlen muss, das wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen. Die wirklich schwierigen Verhandlungen stehen ihm noch bevor. Die Gespräche mit den Geldgebern sind in der Sache hart, in Stil und Form aber angenehm, verglichen mit dem Umgang, der mittlerweile in Tsipras regierendem Linksbündnis Syriza herrscht. Dort geht ohne gegenseitige Drohungen und Hinterlist schon seit Monaten nichts mehr. Auf dem Weg zu diesem dritten Hilfspaket haben jeweils mehr als 30 Abgeordnete Tsipras im Parlament zweimal die Gefolgschaft verweigert. Er war auf die Stimmen der Opposition angewiesen, um die Beschlüsse durchzusetzen. Es braucht wenig Fantasie, was dieses Mal passiert, wenn Tsipras das Abkommen ins Parlament bringt. Das könnte schon am Donnerstag oder Freitag der Fall sein. Tsipras wollte die Sparpolitik beenden - und bringt ein Sparpaket nach Hause Tsipras besiegelt damit das endgültige Ende einer Politik, für die er im Januar noch an die Spitze der Regierung gewählt worden war. Tsipras und seine Syriza wollten die Sparpolitik beenden. Das war ihr Wahlversprechen. Jetzt bringen sie von ihren Verhandlungen ein Sparpaket mit nach Hause, das es wirklich in sich hat: Niemand bleibt verschont. Es dauerte am Dienstag auch nicht lange, bis Widerspruch aus dem eigenen Lager kam. Auf der Internetseite Iskra, wo sich der radikale Syriza-Flügel gerne zu Wort meldet, erschien prompt ein Artikel, in dem das Abkommen mit einer Schlinge verglichen wurde. Alexis Mitropoulos, führender Syriza-Politiker und Vizepräsident im griechischen Parlament, sagte, die Vereinbarung sei schwer zu schlucken, sie sei ein "Manifest des Thatcherismus". Bei den Armen ist jetzt schon nicht mehr viel zu holen. Aber auch sie werden später in Rente gehen und müssen ihren Alltag in einem Land bewältigen, in dem das Leben wohl wieder ein Stück teurer werden wird. Die Vermögenswerte des Staates werden verkauft. Die gute Nachricht ist: Endlich traut sich eine Regierung an die Reeder ran und will die Tonnagesteuer erhöhen. Trotz Kurswechsels hat Tsipras die Bevölkerung hinter sich Das Erstaunlichste an der griechischen Innenpolitik ist im Moment, dass Tsipras trotz seines Kurswechsels eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich weiß. Wortbruch wird in der Regel nicht belohnt. Tsipras scheint dagegen sogar mächtiger zu werden, je stärker er sich von den linken Hardlinern in seiner Partei entfernt. In den vergangenen Wochen hat er bei Fernsehauftritten und leidenschaftlichen Reden im Parlament die Niederlage zu seinem Sieg umgedeutet. Seine Botschaft war: Mehr haben wir nicht herausholen können, aber wir waren die Ersten, die wirklich gekämpft haben. Die Leute nehmen ihm das ab. Mittlerweile steht er als unangefochtener politischer Führer im Land da. Selbst Oppositionspolitiker sagen, er sei gekommen, um zu bleiben. Dass die Opposition seine Politik im Parlament bisher unterstützte und es auch dieses Mal tun dürfte, zeigt, wie sehr Tsipras trotz der Probleme im eigenen Lager die Fäden in der Hand hält. "Das Abkommen stärkt Tsipras" Bei Umfragen sprach sich zuletzt eine klare Mehrheit dafür aus, zu einem Kompromiss mit den Kreditgebern zu kommen, auch wenn das neue Härten bedeuten würde. Ein Kabinettsmitglied sagte am Dienstag: "Das Abkommen stärkt Tsipras." Dafür, dass dieser Regierung so oft Unprofessionalität vorgeworfen wurde, hat sie die jüngsten Gespräche sehr seriös geführt. Für unangenehme Reformen, die das Land dringend braucht, die EU verantwortlich machen zu können, kann sich noch als großer Vorteil erweisen. An Neuwahlen im Herbst dürfte trotzdem nicht viel vorbeiführen. Der Machtkampf in Syriza zwingt Tsipras zu diesem Schritt. Er will die Saboteure in den eigenen Reihen loswerden, die sich um Ex-Energieminister Panagiotis Lafazanis versammelt haben. Die Bereitschaft in der Opposition, Tsipras weiterhin zu unterstützen und trotzdem nicht an den Hebeln der Macht zu sitzen, endet, wenn der Verbleib Griechenlands im Euro sichergestellt ist. Trotzdem muss selbst die konservative Nea Dimokratia die Zukunft mit Tsipras planen. Eine Alternative zu ihm hat im Moment niemand. | https://www.sueddeutsche.de/politik/athen-manifest-des-thatcherismus-1.2604363 | mlsum-de-1082 |
Aus einem zuversichtlichen Außenminister ist ein Diplomat geworden, der gefährlich zwischen vielen Stühlen hängt: Frank-Walter Steinmeiers Kurs zwischen Russland und den USA offenbart die Grenzen deutscher Außenpolitik. | Da sitzt er nun in einem Genfer Nobelhotel und schaut ziemlich unglücklich drein. Ernst will Frank-Walter Steinmeier erscheinen und jede Geste vermeiden, die freundschaftlich wirken könnte. Zu groß ist die Sorge, dass jemand so etwas als Kotau gegenüber Russland noch mal gegen ihn wendet. Also sitzt der deutsche Außenminister an dem mit Nelken geschmückten Tisch und sieht aus, als hätte er in eine sehr saure Zitrone gebissen. Ihm gegenüber steht Sergej Lawrow. Der russische Außenminister tritt an diesem Abend wie ein Anti-Griesgram in Erscheinung. Lawrow schaut freundlich, die Krawatte hat er beiseitegelegt. Als Nächstes wird er sich einen Drink nehmen und Zigarren reichen. Es ist nur ein kurzer Blick in den Raum, ein Minuteneindruck. Aber der spricht Bände: Die Herren kennen sich seit zehn Jahren. Aber sie sind sich an diesem Abend ferner, als sie es je waren. Ob das dem russischen Karrierediplomaten Lawrow was ausmacht, kann niemand wirklich sagen. Für Steinmeier aber ist es der frühe und schmerzhafte Höhepunkt einer ziemlich erfolglosen Woche. Seine Mühen um eine Deeskalation in der Ukraine-Krise treten auf der Stelle. Er ist's gewesen, der das Treffen mit Lawrow angestoßen hat, er wollte seine noch immer besonderen Beziehungen zu Russland für Gutes einsetzen. Also hatte er im Kreis der EU-Außenminister dafür geworben, noch keine Sanktionen gegen Russland zu beschließen. Und dann muss er in diesem kargen Konferenzraum erkennen, dass Lawrow nicht bereit ist, ihm auch nur ein klein wenig entgegenzukommen. Gesten, die wenig bedeuten Für Steinmeier ist noch nicht die Welt zusammengebrochen. Aber sein Russland-Bild hat schweren Schaden genommen. Das ist ihm anzusehen in den Tagen danach, und so berichten es auch Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses, die ihn Ende der Woche erlebt haben. Es ist nicht lange her, da hat Steinmeier in Moskau für eine neue "Positiv-Agenda" zwischen beiden Ländern geworben. Jetzt muss er lernen, dass solche Gesten, wenn es ernst wird, nicht viel zählen. Eine Woche ist seit Genf vergangen. Am bitteren Gefühl, das sich damit verbindet, hat sich für Steinmeier aber nichts geändert. Kaum jemand hat auch danach noch so auf den fast bedingungslosen Start eines Gesprächs mit Russland gesetzt wie der deutsche Außenminister. Es verging kein Tag, an dem Steinmeier nicht mahnte, man müsse auch in Zeiten wie diesen "politikfähig" bleiben. Man müsse das Gespräch mit der anderen Seite suchen, auch wenn es schwerfalle. Während eines USA-Besuchs vor zwei Wochen erklärte er, Diplomatie bedeute halt den Versuch, die Welt auch aus den Augen des Gegenübers zu betrachten. "Ich glaube, dass unsere Anstrengungen nur dann Früchte tragen, wenn wir diplomatische Kontakte offenhalten." Aus den Früchten ist bisher indes wenig geworden. Im Gegenteil muss Steinmeier immer wieder einräumen, dass sich die Lage nicht entspannt, sondern zugespitzt habe. Er muss das Verhalten Russlands auf der Krim als Bruch des Völkerrechts geißeln. Er muss ertragen, dass Moskau die OSZE-Beobachter behindert und die Idee zur Kontaktgruppe ignoriert. Und trotzdem kämpft er fast schon wie ein Sisyphos um einen Gesprächsfaden mit Moskau, weil er nichts gefährlicher findet als Schweigen. Als die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Sondergipfel am Donnerstag erste Sanktionen beschließen, erklärt der Außenminister, natürlich könne man "die Entwicklungen nicht unberücksichtigt lassen". Zugleich aber sei er der Auffassung, dass "man nicht alle Türen zuschlägt, durch die wir vielleicht noch durchgehen müssen". So wird im Lauf der Woche aus einem zuversichtlichen Außenminister, der den Nutzen gewachsener Beziehungen zu Moskau beweisen möchte, ein Diplomat, der gefährlich zwischen vielen Stühlen hängt und mühsam die Enden umklammert, um nicht abzustürzen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/deutscher-aussenminister-in-der-krim-krise-steinmeiers-heikles-unterfangen-1.1908058 | mlsum-de-1083 |
Erniedrigungen und sexuelle Demütigungen - was vor Monaten aus der Kaserne an die Öffentlichkeit drang, brachte die ganze Bundeswehr in Verruf. Vier entlassene Soldaten wollten sich nun zurück in den Dienst klagen - ohne Erfolg. | Die Entlassung von vier Bundeswehrsoldaten nach der Beteiligung an entwürdigenden Aufnahmeritualen in der Elite-Kaserne in Pfullendorf (Baden-Württemberg) ist rechtens. Das hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen entschieden. Die Soldaten, drei von ihnen 19 und einer 21 Jahre alt, hatten gegen ihre Entlassung geklagt und von der Bundeswehr die Aufhebung der Entlassungsbescheide vom Februar gefordert. Durch ihr Verhalten sah die Bundeswehr unter anderem das Ansehen der Truppe und die militärische Ordnung gefährdet. Dieser Einschätzung schloss sich das Gericht an. Grund für die Entlassung der einstigen Soldaten waren umstrittene Rituale und nächtliche Übungen zwischen Oktober 2016 und Januar 2017, an denen sie sich beteiligt hatten. Einen Einblick in das vorgeworfene Fehlverhalten gaben im Gericht Videos, die nach früheren Angaben der Soldaten das Üben einer Gefangennahme zeigen. Zu sehen ist unter anderem ein Mann, der von mehreren Soldaten aus dem Bett gerissen wird, mit Sack über dem Kopf und Händen auf dem Rücken wird er abgeführt. Ein anderer Film zeigt, wie ein Soldat in Tarngrün gekleidet und mit ABC-Maske im Gesicht zwei zivil gekleidete und auf Stühle gefesselte Männer in der Dusche abspritzt. Dabei ist der Ruf "Allahu Akbar" (Gott ist groß) zu hören. Vor Gericht erklärten die Kläger, alle Beteiligten hätten in das Aufnahmeritual eingewilligt. Das spiele aber keine Rolle, sagte der Richter. Im Januar waren die abstoßenden Aufnahmerituale in der baden-württembergischen Kaserne bekannt geworden und hatten eine breite Öffentlichkeit schockiert. Gegenstand der Enthüllungen waren auch angebliche sexuell erniedrigende Praktiken: Soldatinnen sollen demnach zu Tänzen an der Stange gezwungen und belästigt worden sein. | https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeswehr-gericht-bestaetigt-entlassung-von-soldaten-der-kaserne-pfullendorf-1.3595769 | mlsum-de-1084 |
Illegale Einwanderer sind entscheidend für die US-Landwirtschaft. Wegen Trump fürchten viele Migranten nun ihre Abschiebung - und ohne billige Arbeitskräfte könnten die Lebensmittelpreise steigen. | Es könnte sie überall erwischen - am Arbeitsplatz, im Supermarkt oder an jeder beliebigen Straßenkreuzung: Illegale Migranten in den USA leben derzeit in großer Angst vor Abschiebung. Die Sorge: Auf einmal könnte vor ihnen ein Mitarbeiter der US-Einwanderungsbehörde (ICE) stehen und ihr persönlicher amerikanischer Traum wäre auf einmal aus und vorbei. "Viele verlassen nicht mehr ihre Häuser, weil sie panische Angst davor haben, abgeschoben zu werden", sagt Paola Calva von der Organisation Florida Immigrant. Verstecken sich die Migranten vor den Behörden? Ja, in Städten und Gegenden mit vielen Einwanderern ist das deutlich zu spüren. Viele erscheinen nicht mehr regelmäßig zur Arbeit, lassen Arzttermine ausfallen, gehen nicht mehr ins Restaurant. "Selbst die Kinder zur Schule zu bringen, ist für viele ein zu großes Risiko", erzählt Calva. In einigen Gemeinden in Florida hätten die Klassenzimmer seit neuestem viele leere Stühle. In Texas ist ähnliches zu beobachten. "Seit den Razzien vor zwei Wochen ziehen sich die Menschen zurück. In Austin gibt es etwa Flohmärkte, die normalerweise stark von Migranten frequentiert werden, die sind zur Zeit wie leer gefegt", sagt Bob Libal von der Grassroot Leadership Organisation in Austin. Warum herrscht gerade in Florida so große Angst? Vor allem in Zentral- und Südflorida, wo viele undokumentierte Einwanderer als Erntehelfer auf den Feldern der großen Gemüsefarmen arbeiten, ist die Nervosität enorm. "Sie fühlen sich nicht mehr sicher, selbst die mit Aufenthaltsgenehmigung", sagt Calva. Sie befürchten, dass die Beamten der Einwanderungsbehörde verstärkt in Gebieten Ausschau halten, von denen bekannt ist, dass dort viele Illegale leben und arbeiten. Was hat den Aufruhr verursacht? Donald Trump hat seinen Wählern versprochen, Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, aufzuspüren und abzuschieben. Bei Razzien Mitte Februar wurden 680 Undokumentierte aufgegriffen - darunter jedoch plötzlich auch Einwanderer, die bislang nicht kriminell auffällig waren. Unter US-Präsident Obama wurden mehr als zwei Millionen Menschen abgeschoben; der Fokus lag jedoch stärker auf Einwanderern, die Straftaten begangen hatten. Unter Trump könnte möglicherweise eine Ordnungswidrigkeit ausreichen. Einwanderer sowie Hilfsorganisationen befürchten, dass diese Razzien erst der Anfang waren. Laut Washington Post hat die Einwanderungsbehörde in diesem Jahr bereits mehr als 42 000 Haftbefehle ausgestellt, das sind 35 Prozent mehr als vor einem Jahr. Was sagen die Bauern zu den Razzien? Die Farmer sind auf die Einwanderer als billige Erntehelfer angewiesen. Seit Jahren kämpfen deshalb Lobby-Gruppen der Bauern für eine Lockerung der Restriktionen für ausländische Landarbeiter. Dass die Migranten den amerikanischen Arbeitern Jobs wegnehmen, wie die Trump-Regierung stets behauptet, streiten die Farmer vehement ab. Ein Großbauer aus Florida sagte der Washington Post, dass US-Bürger zur harten Arbeit auf den Feldern nicht bereit seien - obwohl dort auch Stundenlöhne von 15 oder 20 Dollar möglich seien. Hätten Abschiebungen konkrete Folgen? Alleine auf den US-Milchfarmen sind die Hälfte der Arbeiter Einwanderer, wie eine Umfrage der Texas A&M Agrilife Research unter US-Milchbetrieben herausgefunden hat. Würden die Betriebe durch eine große Abschiebewelle die illegalen Arbeiter verlieren, könnte Schätzungen zufolge der Milchpreis um bis zu 90 Prozent steigen. Es ist davon auszugehen, dass sich auch bei Gemüse und Obst die Preise deutlich erhöhen würden. | https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-auf-amerikas-farmen-geht-die-angst-um-1.3398552 | mlsum-de-1085 |
Teamgeist statt Egoismus, Spielfluss statt Krampf: Fast-Zweitligist HSV ist dank Trainer Bruno Labbadia wieder erfolgreich. Die Mannschaft hat nun einen Plan, wie auch die Bremer zu spüren bekommen. | Die Vergleiche mit früher können den Geschäftsführer Sport des SV Werder, Thomas Eichin, richtig wütend machen. Besonders wenn eine Bremer Legende, der einstige Nationaltorwart Tim Wiese, in Erinnerung an bessere Zeiten vor dem 103. Bundesliga-Nordderby gegen den Hamburger SV davon sprach, hier träfen nun "Not und Elend" aufeinander. Die Not der Bremer wurde, obwohl Eichin sie vor der Partie am liebsten verschwiegen hätte, beim 1:3 gegen den HSV und der fünften Heimniederlage hintereinander tatsächlich offenkundig. Doch das angebliche Elend der Hamburger entpuppte sich eher als ein bemerkenswerter Aufwärtstrend mit einem ansehnlichen Fußball, den man dem HSV seit Jahren nicht mehr zugetraut hatte. Sogar der hyperselbstbewusste Lewis Holtby fordert: "Wir müssen weiter demütig sein." Bruno Labbadia dachte nach dem Spiel noch einmal mit Schaudern an den Beginn seiner zweiten Zeit als Trainer der Hamburger im April. 0:1 hatte seine neue Mannschaft damals im Weserstadion verloren, es blieben nur noch fünf Saisonspiele übrig mit fünf Punkten Rückstand auf einen Nicht-Abstiegsplatz. Da habe er auf der Bus-Rückfahrt schon mal düstere Gedanken gehabt, gestand er nun. Ihm sei zum Beispiel durch den Kopf gegangen: "In zwei Spielen ist es vielleicht schon vorbei." Seit Samstag hat der zweimal fast abgestiegene HSV nur noch zwei Punkte Rückstand auf einen Champions-League-Qualifikationsplatz. Eine fast wundersame Wandlung binnen siebeneinhalb Monaten, obwohl der Coach noch immer Werder Bremen als "direkten Konkurrenten" bezeichnet und nicht Borussia Mönchengladbach. Was man in Bremen und eine Woche zuvor beim 3:1-Sieg gegen Borussia Dortmund sehen konnte: "Die Arbeit", die Labbadia gern als Grund für den Aufschwung anführt, war auf dem Rasen wirklich sichtbar. Es gab einen durchdachten Konterfußball-Plan und jeder Profi wusste, wohin er laufen musste. Und wenn es dann einmal gut läuft, passieren auch Dinge wie das frühe 1:0 in der dritten Spielminute, als Ivo Ilicevic nach Zuspiel von Pierre-Michel Lasogga mit einem gekonnten Schlenzer in den Torwinkel trifft. Oder ein Freistoß von Michael Gregoritsch, der mit Hilfe des Kopfes von Werder-Kapitän Zlatko Junuzovic im hohen Bogen zum 2:0 ins Netz fliegt (27.). Und als die Bremer nach der Pause zumindest vorübergehend doch noch der Kampfeswille packte, was mit dem 1:2 durch Anthony Ujah (62.) belohnt wurde, konterte der HSV sechs Minuten später ziemlich genial. Der prächtig aufgelegte Ilicevic spielte dem in der eigenen Hälfte startenden Flitzer Nicolai Müller den Ball so präzise in den Lauf, dass dieser von keinem Werder-Spieler mehr aufzuhalten war; weder vom eigentlich für das Absichern vorgesehenen Philipp Bargfrede noch vom machtlosen Keeper Felix Wiedwald. "Wir haben", sagte Labbadia stolz, "Werder im richtigen Moment den Gnadenstoß gegeben." Insgesamt tauchten viermal HSV-Profis allein vor Wiedwald auf, weil sie den aufgerückten Defensivverbund Werders ausgetrickst hatten. Das war auch deshalb möglich, weil Labbadia es hinbekommen hat, dass niemand mehr als Egoist gegen das Team arbeitet, was lange Zeit eines der größten Probleme beim HSV war. Plötzlich leisten die schon als Fehleinkäufe abgestempelten Lewis Holtby und Nicolai Müller wertvolle Beiträge für die ansehnlichen, deutlich flüssiger vorgetragenen Kombinationen. Holtby agiert als Daueranspielstation im Mittelfeld endlich "so gut, wie er sich schon immer gesehen hat". So vergiftete kürzlich der Fernsehreporter Marcel Reif das Lob für den veranlagten Profi. Der wunderbar extrovertierte Holtby hat den positiven Entwicklungsprozess seiner Mannschaft sehr bescheiden kommentiert: "Wir müssen weiter demütig sein. Denn Hochmut kommt vor dem Fall." Diese Einstellung hat Labbadia seinen Spielern inzwischen penetrant eingeimpft. Und dass sie es annehmen, hat auch damit zu tun, dass er "selber ein Vorbild ist", wie Holtby sagt. Den Profis imponiert, dass er morgens um sieben Uhr schon joggt, um selber so fit wie möglich zu sein. Es beeindruckt sie, wenn der frühere Torjäger in seiner Coaching-Zone quasi der zwölfte Spieler ist, der praktisch noch selbst zum Kopfball hochsteigt oder seine Profis in kritischen Phasen beruhigt. Und dass er die Ausfälle wichtiger Spieler "nicht zum Thema macht", wie er selbst sagte, hat aufbauenden Einfluss auf deren Ersatzleute. In Bremen verletzte sich in Lasogga schon nach 25 Minuten der sechste Stammspieler nach Dennis Diekmeier, Aaron Hunt, Emir Spahic, Gojko Kacar und Albin Ekdal. Er kugelte sich die Schulter aus nach einem Foul von Junuzovic und wird lange ausfallen. Doch Spahic-Vertreter Cléber, das Diekmeier-Double Gotuko Sakai oder Mittelfeld-Hilfskraft Gideon Jung erledigten allesamt ihren Job in bester Manier. Was natürlich viel leichter fällt in einer Mannschaft, die sich inzwischen "am Ball enorm verbessert hat und nun die nötige Ruhe besitzt", wie Kapitän Johan Djourou feststellte. Der neue Teamgeist des HSV wird noch anderen Gegnern als dem Nord-Rivalen Probleme bereiten. Etwa am kommenden Samstag dem FSV Mainz 05. | https://www.sueddeutsche.de/sport/hamburg-wundersame-wandlung-1.2759827 | mlsum-de-1086 |
Rückkehrer Michael Schumacher gleich auf Platz drei, dazu die erste Tagesbestzeit für Nico Rosberg: Das deutsche Mercedes-Team dominiert das Training zum ersten Saison-Grand-Prix. | Teamkollege Nico Rosberg hat das erste Trainingsduell gewonnen und die gesamte Konkurrenz im neuen Silberpfeil dominiert. Doch Formel-1-Rückkehrer Michael Schumacher setzte am Tag der Deutschen in Bahrain ein erstes Ausrufezeichen. Der 41 Jahre alte Rekordweltmeister fuhr am Freitag im neuen Mercedes die drittbeste Zeit des Tages. Schumacher musste sich auf dem 6,299 Kilometer langen Kurs in der heißen Wüste von Sachir allerdings mit knapp einer halben Sekunde Rückstand Rosberg und Ex-Weltmeister Lewis Hamilton geschlagen geben. "Es sieht nicht so schlecht für uns aus", urteilte der siebenmalige Champion aus Kerpen. "Auf eine Runde gesehen fehlt mir noch ein bisschen die Routine. Die muss ich mir übers Wochenende noch aneignen", räumte Schumacher allerdings ein und begründete damit auch seinen Rückstand auf Rosberg. "Ich weiß genau, wo ich mich verbessern muss. Das krieg' ich hin. Auf längere Distanz sind wir identisch." Das Silberpfeil-Duo hatte am Vormittag Probleme mit der Balance des neuen Autos. Am Nachmittag klappt es bei beiden deutlich besser. "Es gibt aber Bereiche, in den wir uns immer noch verbessern können", sagte Rosberg. "Insgesamt haben wir heute viel dazugelernt - es war ein positiver Start ins Wochenende." Deutsche Dominanz Die Dominanz der deutschen Fahrer dokumentierten zudem Vizeweltmeister Sebastian Vettel (Heppenheim) im Red Bull auf Rang fünf und Neuling Nico Hülkenberg (Emmerich) im Williams als Sechster. Adrian Sutil schaffte es mit seiner Bestzeit in der ersten eineinhalbstündigen Einheit am Ende auf den achten Gesamtrang. Vettel wirkte allerdings nicht wirklich zufrieden, denn er hatte mit den Bremsen zu kämpfen. "Das ist kein gutes Gefühl, aber hier war es kein Problem", meinte der Hesse mit Blick auf die weiten Auslaufzonen des Bahrain International Circuit. Bei 30 Grad und strahlendem Sonnenschein hatte Schumacher die ersten anderthalb Trainingsstunden offenbar zum Aufwärmen genutzt. Immerhin lag sein letztes Formel-1-Rennen 1237 Tage zurück. Platz zehn hieß es erst einmal. Der Rückstand auf Sutil, der sich über die erste Bestzeit der neuen Grand-Prix-Saison freuen durfte, betrug über eine Sekunde. Um 10.07 Uhr Ortszeit startete Schumacher endgültig in seine Comeback-Saison. Als 20. von 24 Fahrern rollte er mit seinem Auto aus der Garage. Nach der üblichen Installationsrunde mit seinem neuen Silberpfeil kam er zurück in die Box. Eine knappe halbe Stunde später steuerte er den MGP W01 wieder auf die Strecke. Bei seiner ersten gewerteten Runde hatte Schumacher auf den zwischenzeitlich führenden Hamilton 1,599 Sekunden Rückstand. Er führte das darauf zurück, noch nicht ganz den Rhythmus der Strecke gefunden zu haben. Einmal musste der siebenmalige Weltmeister, der 2004 den Großen Preis von Bahrain gewonnen hatte, mit seinem Auto durch den Sand. Im zweiten Training erwischte es aber auch seinen Widersacher Vettel aus Heppenheim. Wie viel Aussagekraft die Zeiten wirklich haben, bleibt abzuwarten. Niemand außer den unmittelbar Beteiligten weiß, mit wie viel Sprit die Autos, die während der Rennen nicht mehr aufgetankt werden dürfen, unterwegs waren. Die Gewichts- und damit auch Geschwindigkeitsunterschiede können enorm sein, Vettel mutmaßte, es könnten zwischen vier und sechs Sekunden sein. Ferraris enttäuschen Nur im vorderen Mittelfeld endete der erste Tag für die beiden Ferrari. Der zweimalige Weltmeister Fernando Alonso fuhr im ersten Durchgang die zweitbeste Zeit, kam in der Gesamtabrechnung aber lediglich auf den zehnten Rang. Felipe Massa, der sein erstes freies Training seit dem Ungarn-Rennen im vergangenen Juli bestritt, wo er in der Qualifikation schwer verunglückt war, wurde Siebter. Bei den Testfahrten hatte die Scuderia die Konkurrenz noch beeindrucken können und wurde praktisch von allen zum Favoriten unter den vier Topteams Ferrari, Mercedes, McLaren und Red Bull erkoren. Mehr als bestätigten konnte Sutil im ersten Training die Erwartungen. Der Force-India-Pilot aus Gräfelfing, der in seine vierte Formel-1-Saison startet, raste 24 Minuten vor Schluss auf Platz eins. Davon weit entfernt war in Timo Glock (Wersau) der sechste Deutsche. Der Hesse ließ im neuen Virgin aber im Duell der Neueinsteiger-Teams im ersten Abschnitt das Lotus-Duo Heikki Kovalainen/Jarno Trulli hinter sich. In der zweiten Einheit musste er sich als 20. auch ihnen geschlagen geben. Im Video: Schumacher wieder auf Strecke - Beckenbauer steht hinter Zwanziger - Guerrero ist zurück Weitere Videos finden Sie hier | https://www.sueddeutsche.de/sport/formel-1-in-bahrain-die-silberpfeile-glaenzen-1.4087 | mlsum-de-1087 |
Wird die WM das Land retten? Bestimmt nicht. Aber das Land wird ein Fest feiern. Hoffentlich. | Für uns Studenten waren die Tickets der Schwarzhändler rund um das Olympiastadion leider zu teuer, ein ganzer Monat Bafög oder noch mehr, und deshalb saßen wir am Nachmittag des 7. Juli 1974 mit den Freunden in einer Untergiesinger Kneipe vor einem großen Farbfernsehapparat. Ungefähr beim zweiten Bier flankte Rainer Bonhof in die Mitte, Gerd Müller stoppte den Ball und schoss ihn am Standbein des holländischen Torwarts vorbei ins Netz. Es war das 2:1, der alles entscheidende Treffer, doch Gerd Müller bejubelte dieses größte seiner Tore nicht anders als all die kleinen gegen Rotweiß Oberhausen oder Tennis Borussia Berlin. Er hüpfte ein bisschen in die Höhe und schwang den rechten Arm durch die Luft, als wolle er mit einem Lasso ein Kälbchen einfangen. In der Kneipe, die etwa drei Weitschüsse entfernt vom Geburtshaus Franz Beckenbauers in der Zugspitzstraße lag, wurde auch gefeiert. Alle sprangen auf von den Wirtshausstühlen, brüllten "Tooor" und vielleicht hat irgendeiner dem Nebenmann auf die Schulter gehauen. Aber nicht ein Bierglas ging zu Boden, sogar die Tischdecke blieb, wo sie hingehörte. Eine Stunde später waren wir Weltmeister. Die im Stadion saßen erschöpft auf einem Podest und winkten den Fotografen zu. Keiner wäre, wie heute üblich, auf den Gedanken gekommen, sich eines Teils seiner Berufskleidung zu entledigen. Ein paar Meter daneben nahm Kapitän Beckenbauer den WM-Pokal mit einem heiter-gelassenen Lächeln in Empfang, als habe er ohnehin nichts anderes erwartet. Die Politprominenz war kaum vertreten So ging es uns in der Kneipe übrigens auch. Zwei Jahre vorher hatte Beckenbauers Nationalelf alle Gegner an die Wand gespielt und war souverän Europameister geworden, und ein paar Tage vor der WM hatte der FC Bayern endlich das Ajax-Monopol gebrochen und den Amsterdamern den Europapokal der Landesmeister abgejagt. Wer also hätte dieser Mannschaft den Weltmeistertitel streitig machen können? Dann schwenkten die Fernsehkameras zur Ehrentribüne, wo die spärlich vertretene Politprominenz - Bundespräsident Walter Scheel und Kanzler Helmut Schmidt hatten sich ein paar Stunden Zeit vom Regieren genommen - gemessen applaudierte. Auch wir freuten uns noch ein bisschen, und der Höhepunkt an Ausgelassenheit war erreicht, als die Wirtin zu einer Polonaise rund um den Block aufforderte. | https://www.sueddeutsche.de/sport/deutschlandfussball-wir-weltmeister-1.885562 | mlsum-de-1088 |
Konstanze Klosterhalfen läuft ihre Rennen erstaunlich mutig. Mit ihrem deutschen Rekord über 3000 Meter zeigt sie, dass sie aus den Fehlern bei der WM gelernt hat. | Manchmal vergräbt sich ein Athlet im Frust in einem derart tiefen Loch, dass alles Schöne außer Sicht gerät; Konstanze Klosterhalfen kann davon nun auch erzählen. Die 20-Jährige hatte sich bei der Leichtathletik-WM in London vorgenommen, in den Endlauf über 1500 Meter vorzustoßen. Doch dann verließen sie im Halbfinale die Kräfte, kurz vor dem Ziel. "Nach der WM habe ich fast vergessen, wie gut meine Saison war", berichtete Klosterhalfen jetzt. Aber nur fast. Am Sonntagabend, zwei Wochen nach ihrem Aus in London, trat sie beim Diamond-League-Meeting in Birmingham an, und als wolle sie sich noch mal vergewissern, wie gut ihr Jahr tatsächlich war, knallte sie eine unwirkliche Zeit über 3000 Meter in die Landschaft: 8:29,90 Minuten; 16 Sekunden schneller als ihre bisherige Bestzeit. Als die Reporter sie später im Ziel darauf hinwiesen, dass Klosterhalfen übrigens gerade die nationale Bestmarke von Irina Mikitenko ausgelöscht hatte, jene 8:30,39 Minuten aus dem Jahr 2000, da sagte die neue Rekordbesitzerin: "Oh." DLV plant langfristig mit ihr Einmal wird die junge Frau vom TSV Bayer 04 Leverkusen in diesem Jahr noch auf der Bahn auftreten, über 1500 Meter beim Istaf am kommenden Sonntag in Berlin, aber man kann es schon jetzt nicht anders sagen: Es lief bei Klosterhalfen in dieser Saison, in fast jeder Hinsicht. Sie wurde in Erfurt zum zweiten Mal deutsche Meisterin über 1500 Meter, in 3:59,58 Minuten. Sie ist in diesem Sommer die 800 Meter in weniger als zwei Minuten gelaufen (1:59,65), die 1500 Meter in weniger als vier (3:59,30) und die 5000 Meter in weniger als fünfzehn (14:51,38) - und weil das noch niemand in ihrem Alter vollbracht hat, wird sie längst als deutsches Jahrhunderttalent ausgerufen, mindestens das. Ach ja, sie wurde über 1500 Meter auch U23-Europameisterin, quasi nebenbei. Und dann zeigte sie in Birmingham noch mal ein Rennen, das sie in dieser Tonart schon oft aufgeführt hat: Sie drängelte sich früh in die Spitze, verschärfte das Tempo wie bei einem langen Crescendo, ließ fast niemanden mehr passieren, nicht mal Hellen Obiri, die 5000-Meter-Weltmeisterin aus Kenia. Die Niederländern Sifan Hassan musste schon ihrerseits einen Landesrekord aufbieten, 8:28,90 Minuten, um die junge Deutsche hinter sich zu halten. Im deutschen Verband und Klosterhalfens Verein wissen sie seit Längerem, dass sie eines der größten europäischen Lauftalente ausbilden, eine, die "langfristig die Weltklasseläuferinnen aus Afrika angreifen kann", wie DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska befindet. Wobei es mittel- und kurzfristig ja auch schon schlechter laufen könnte. Was freilich Erwartungen in der deutschen Szene weckt, die früher selten mit langfristigen Erfolgen bei den Läufern auffällig wurde. So steht ihnen im Verband, bei aller Euphorie, ein nicht ganz einfacher Balanceakt bevor. Sie müssen neue Ziele austüfteln, für die EM 2018 in Berlin etwa, ohne gleich alle zu erreichen. | https://www.sueddeutsche.de/sport/konstanze-klosterhalfen-sie-nennen-sie-das-jahrhunderttalent-1.3635438 | mlsum-de-1089 |
Als neuer Aufsichtsrats-Chef müsste Altkanzler Schröder die Führung des Ölkonzerns Rosneft kontrollieren. Doch dessen Chef gilt als extrem mächtig - und ist ein enger Vertrauter Putins. | Gerhard Schröder bei der Aktionärsversammlung von Rosneft in Sankt Petersburg. Der ehemalige deutsche Regierungschef arbeitet seit dem Ende seiner Kanzlerschaft für russische Konzerne - und steht dafür in der Kritik. Altkanzler Gerhard Schröder wird Chef-Aufseher bei Russlands größter Erdölfirma Rosneft. Die Aktionärsversammlung des Unternehmens hat am Freitag in Sankt Petersburg beschlossen, den Ex-Bundeskanzler zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates zu machen. Damit bekleidet Schröder nach seinen Engagements bei Gazprom einen weiteren wichtigen Posten in der russischen Wirtschaft. Das Engagement des SPD-Politikers in dem Land - und bei Rosneft im Speziellen - ist umstritten. Experten gehen davon aus, dass der Kreml Rosneft genau wie den Gasriesen Gazprom als verlängerten Arm russischer Außenpolitik nutzt. Der Rosneft-Leitung wird ein besonders enges Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nachgesagt. Vorstandschef Igor Setschin gilt als Vertrauter des russischen Präsidenten. Schröders neuer Job war schon im Bundestagswahlkampf ein Thema. Schröders Verhalten sei "nicht in Ordnung", sagte Kanzlerin Angela Merkel. SPD-Chef Martin Schulz ging ebenfalls auf Distanz zu seinem Vorgänger als Parteichef. Die Nähe des Altkanzlers zu Russland hat dem Ruf der Sozialdemokraten bei ihren Wählern in den vergangenen Jahren geschadet. Schon kurz nach seinem Ausscheiden aus der Politik im Jahre 2005 heuerte Schröder beim russischen Staatskonzern Gazprom an. Für diesen führte er den Aktionärsausschuss der Ostsee-Gasleitung Nord Stream 1, beim Projekt Nord Stream 2 leitet er seit 2016 den Verwaltungsrat. Schröder hat die Kritik an seiner Tätigkeit in russischen Unternehmen stets zurückgewiesen. Das Engagement sei seine Privatsache, argumentiert er. Außerdem könne er auf dem Posten dazu beitragen, das angespannte Verhältnis zwischen Deutschland und Russland zu verbessern. Die genaue Bezeichnung von Schröders neuer Position bei Rosneft ist die eines "unabhängigen Direktors". Der Konzern ist nach angelsächsischem Vorbild verfasst, dort gibt es die deutsche Aufteilung in Vorstand und Aufsichtsrat nicht. Schröder vertritt offiziell nicht die Interessen eines einzelnen Anteilseigners. Als Wunschkandidat des Kremls dürfte er im Zweifel aber eher Positionen des absoluten Mehrheitseigners vertreten - und das ist im Falle Rosneft der russische Staat. Schröder ist nicht der erste Ausländer im Verwaltungsrat des Konzerns. Zwei Amerikaner sitzen dort: Donald Humphreys vom Öl-Multi ExxonMobil und der BP-Vorstand Robert "Bob" Dudley, außerdem ein Vertreter des Golfstaats Katar. Ein Deutscher dient dem Unternehmen ebenfalls seit vielen Jahren: Matthias Warnig, in der DDR hauptamtlich für die Stasi tätig. In dieser Rolle lernte er einst in Dresden den KGB-Kollegen Wladimir Putin kennen. Warnig saß in Aufsichtsräten diverser russischer Unternehmen, unter anderem bei der Bank Rossija, die von den USA als Putins Geldschatulle bezeichnet und mit Sanktionen belegt wurde. Der Altkanzler und der Stasi-Veteran sind bereits ein eingespieltes Team: Warnig ist Geschäftsführer bei Nord Stream, Schröder sitzt dort dem Verwaltungsrat vor. Sowohl die EU als auch die USA haben in den vergangenen Jahren Sanktionen gegen Rosneft und dessen Führung verhängt. Anders als bisweilen irrtümlich angenommen, handelt es sich dabei nicht um die Sanktionen, die wegen der Krim-Annexion verhängt wurden. Die Sanktionen, die Rosneft betreffen, wurden im Sommer 2014 nach dem Abschuss einer Boeing 777 verhängt. Bei dem Abschuss über der Ostukraine kamen alle 298 Passagiere ums Leben. Die Sanktionen gelten als Antwort auf den aus Moskau angefachten und geschürten Krieg im Donbass. Die Europäische Union verbot unter anderem die Lieferung von Spezialtechnik, die dazu benötigt wird, schwer erschließbare Öl-Lagerstätten auszubeuten. Das betrifft Pläne von Rosneft, die Ölförderung in der Arktis auszubauen. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schroeder-bei-rosneft-grosser-posten-wenig-einfluss-1.3688693 | mlsum-de-1090 |
Europäische VW-Kunden wollen Zugriff auf geheime Dokumente der US-Justiz, um Schadensersatz auch in Deutschland durchzusetzen. | Es ist eine bunte Schar aus Europa, die in den USA gegen Volkswagen zu Felde zieht. Eine Engländerin, Franzosen, Italiener, Spanier. Auch drei Deutsche sind dabei, darunter eine Prinzessin, die ihr ganzes Erwachsenenleben angeblich nichts anderes gefahren hat als das Modell Golf. Zuletzt habe die Adelige einen Diesel gekauft, der den Angaben zufolge besonders sauber sein sollte. Nun ärgere sich "Ihre Durchlaucht" schwer darüber, dass sie mit ihrem Golf die Umwelt verschmutze, und wolle VW wegen der Abgas-Affäre auf Schadenersatz verklagen. So steht es in einer Eingabe von 21 Europäern bei Gericht in Kalifornien. Dort verlangt die bunte Schar aus Europa allerdings nicht Dollars, sondern Akten. Akten, die sich später versilbern lassen. Die von der Kanzlei Hausfeld vertretenen Antragsteller begehren Einblick in zahlreiche Dokumente, die der US-Justiz vorliegen, dort aber bislang unter Verschluss sind. Sie könnten Aufschluss geben über Ausmaß und Verlauf der Abgas-Affäre bei Volkswagen. Etwa Berichte über die internen Ermittlungen bei VW. Nach Angaben der Kanzlei Hausfeld hat Richter Charles R. Breyer für den 25. August eine Verhandlung in dieser Sache angesetzt. Charles R. Breyer ist jener Richter, der gerade dabei ist, den 15 Milliarden Dollar teuren Vergleich von Volkswagen mit US-Kunden und US-Behörden festzuzurren. Aber auch in Europa fordern viele VW-Fahrer wegen der jahrelang manipulierten Abgaswerte eine Entschädigung, andere wollen ihre Autos zurückgeben und den Kaufpreis erstattet bekommen. Deshalb der Muster-Antrag bei Richter Breyer. VW will in Übersee "den Deckel "draufmachen". Die Akten bleiben dann unter Verschluss Die Europäer berufen sich auf den US-Paragrafen mit der Nummer 1782, der es erlauben soll, US-Justizdokumente für Prozesse in anderen Staaten zu benutzen. Die Unterlagen sollen beweisen, wie der VW-Konzern Kunden und Behörden getäuscht und Gesetze gebrochen hat. Mit diesen Informationen, so das Kalkül des US-Anwalts Michael Hausfeld und seiner Mandanten, ließen sich auch Schadenersatzklagen in Europa gewinnen. Doch VW widerspricht einer Freigabe der Dokumente. Der Kampf um die Akten zeigt, mit welcher Härte VW-Kunden und deren Anwälte nun auch in Europa um Schadenersatz streiten. Wie sehr sich Volkswagen wehrt, um weitere Kosten in Milliardenhöhe zu vermeiden. Und wie schwer es europäischen VW-Fahrern fällt, an jene Informationen zu kommen, die für erfolgreiche Klagen hilfreich wären. Das hängt alles mit der höchst unterschiedlichen Rechtslage zusammen. In den USA sind, anders als in Europa, bei Verstößen schnell hohe Schadenersatzzahlungen und Strafen fällig. Ein Grund dafür ist die Möglichkeit von Sammelklagen, die Verbrauchern und den Anwaltskanzleien viel Macht geben. In Deutschland gibt es das Instrument der Sammelklage nicht. Zudem können Kläger in den USA verlangen, dass der Prozessgegner sein Innenleben freilegt. Also interne Mails, Protokolle, Vermerke, Ergebnisse eigener Untersuchungen bei Gericht vorlegt. Deshalb versuchen Hausfeld und seine europäischen Mandanten, in den USA das nötige Material für Klagen in Europa zu sammeln. VW und die Tochter Porsche entgegnen, Hausfeld und dessen Mandanten wollten auf "Fischzug" gehen. Einfach mal nachschauen, was die mehr als acht Millionen Seiten bei der US-Justiz über Volkswagen und die Abgas-Affäre an Informationen hergäben, darunter "streng vertrauliche" Firmen-Unterlagen. In der Hoffnung, dass sich davon etwas irgendwann vor Gericht in Europa gegen VW verwenden lasse. Das sei aber nicht der Sinn des Paragrafen 1782. In Konzernkreisen ist von einer "Klageindustrie" die Rede. Konkret: Hausfeld und diversen anderen Kanzleien, die Massen-Klagen auch in Europa vorbereiten oder schon betreiben, gehe es nicht um Gerechtigkeit, sondern nur um Geld. Der Konzern hat, um die Abgas-Affäre finanziell bewältigen zu können, 17,8 Milliarden Euro zurückgestellt. Dieser Betrag wird schon für die Leistungen in den USA benötigt. Kämen nun - auch wegen der viel größeren Zahl von Klägern - hohe Schadenersatzzahlungen in Europa hinzu, müsste VW wohl Konzernteile verkaufen: Eine der vielen Fahrzeug-Marken zum Beispiel, die von VW über Audi und Porsche bis Seat, Skoda oder Bugatti und Bentley reichen. Oder die Lkw-Sparte mit VW-Nutzfahrzeuge, MAN und Scania. Eine Aufspaltung des Konzerns, das wollen Vorstandschef Matthias Müller, Aufsichtsratschef Hans-Dieter Pötsch und Betriebsratschef Bernd Osterloh unbedingt vermeiden. Genauso wie die Großaktionäre, die Familien Porsche und Piëch, das Land Niedersachsen und das Öl-Emirat Katar. Und wie die IG Metall. VW will in den USA, wie Insider bestätigen, "den Deckel drauf machen". Und so nebenbei dafür sorgen, dass der Großteil der Untersuchungsakten unter Verschluss bleibt. Das könnte mit Schadenersatzzahlungen und Strafen in Übersee in Höhe von insgesamt 15 bis 20 Milliarden Dollar auch gelingen. Die Rückstellungen wären dann so gut wie weg. Aber sie wären für VW wohl gut investiertes Geld. Weil die US-Behörden dann vermutlich kein Interesse mehr hätten, ihre Akten umfassend freizugeben. Davon gehen selbst deutsche Ermittler aus, die den Fall VW ebenfalls untersuchen. Und die intern darüber klagen, dass man von den Kollegen aus den USA kaum Informationen bekäme. Die Argumente von Volkswagen lassen sich in etwa so zusammenfassen: In Europa seien keine Schadenersatzzahlungen nötig, weil man die 8,5 Millionen betroffenen Diesel-Fahrzeuge hier ja in Ordnung bringe. Weil die europäischen Grenzwerte für Stickoxide, die Mensch und Natur belasten, höher seien als in den USA. Weil das europäische Verbraucher-Recht weniger streng sei als die US-Vorschriften. Die Bundesregierung stützt diese Linie. Bei den deutschen Behörden ist für VW-Kunden ohnehin nichts zu holen an Informationen, die sich vor Gericht verwerten ließen. Das Kraftfahrt-Bundesamt lehnt Anträge von Kanzleien und Umweltverbänden auf Akteneinsicht weitgehend ab. Da hilft selbst das Informations-Freiheitsgesetz nichts, das Behörden zu einer gewissen Offenheit verpflichtet. Die Kanzlei Hausfeld versucht ihr Glück auch in Irland. In der Hoffnung, über ein dortiges Verfahren Zugang zu US-Akten zu bekommen. Ein mühsamer Umweg. Zunächst aber ist US-Richter Breyer gefragt. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/vor-gericht-millionen-papiere-1.3124729 | mlsum-de-1091 |
Eine Frau findet die Gehaltslisten des Hamburger SV stapelweise in einem Park. Da gerät das blamable Pokal-Aus beim Viertligisten Jena fast in den Hintergrund. | Die brisanten Dokumente lagen im Jenischpark verstreut, nahe der Elbe, wo tagsüber Tausende Hamburger flanieren oder mit dem Fahrrad vorbeiradeln. Pikantes war darunter, etwa Gehaltslisten mit Prämienzahlungen und Vertragsdetails, von niemand anderen als den Spielern des prominentesten Fußballklubs der Stadt. Eine Altenpflegerin, 38, hatte die Dokumente gefunden - stapelweise, wie es heißt - und sich über einige Umwege beim Hamburger SV gemeldet. Dem Klub war die Sache sehr peinlich, die Pressestelle twitterte am Montagmorgen: faktenorientierte Geschichte: Rucksack gestohlen,Strafanzeige gestellt,Dokumente zurück,Dank an Finderin,besser Fußball spielen. #aufgeklärt — Hamburger SV (@HSV) 10. August 2015 Peinlich, ja. Wäre es nur bei dieser Geschichte geblieben. Doch peinlich war auch der Auftritt des HSV wenige Stunden zuvor im DFB-Pokal beim Viertligisten Carl Zeiss Jena, wo der Klub nach Verlängerung 2:3 verlor. "Fühlt sich scheiße an", gab Trainer Bruno Labbadia nach der Erstrundenniederlage zu. Er redete, immerhin, seine Spieler verschwanden wortlos in der Kabine. Nach hoffnungsvoller Saisonvorbereitung ist die zuvor gute Stimmung nach dem ersten Pflichtspiel schon wieder dahin. Zwei Glückstore gegen Jena Die Art und Weise der Niederlage lässt erahnen, wie schwer es der HSV in nur fünf Tagen beim Ligastart in der Münchner Arena haben dürfte. Der Fast-Absteiger der vergangenen Spielzeit wurde vom Viertligisten vorgeführt - beide Tore der Hamburger waren zudem reine Glücksprodukte. Vor dem ersten Treffer durch Ivica Olić stand Ivo Iličević bei seiner Flanke einen halben Meter im Toraus, was das Schiedsrichtergespann übersah. Der Ausgleich fiel in der vierten Minute der Nachspielzeit, was dem HSV noch den Gang in die Verlängerung ermöglichte - dort köpfte Johannes Pieles den Erstligisten in der 106. Minute hochverdient aus dem Wettbewerb. "Jena hat über 120 Minuten leidenschaftlicher gekämpft, sie haben in ihrem Rahmen viele Dinge besser gemacht als wir. Das ist eine große Enttäuschung für uns", bekannte Labbadia. "Neue Saison, alter Folter-Fußball", analysierte die Hamburger Mopo scharfsinnig. "Fußball-Panne des Jahres" Für den Montag wurden die Profis für zehn Uhr zu einem Straftraining einbestellt. Es gibt einiges aufzuarbeiten. Übrigens auch, was die herumliegenden Gehaltslisten im Jenischpark angeht: Sportdirektor Peter Knäbel berichtete, ihm sei ein Rucksack gestohlen worden, samt Kreditkarten, Führerschein, Schlüsselbund und jenen vertraulichen Dokumenten. Diese waren "alle älteren Datums, deswegen habe ich sie aktuell nicht vermisst", ließ Knäbel verlauten. Warum er das Fehlen der anderen wichtigen Dinge nicht bemerkt hat, ist eine durchaus interessante Frage. Noch besser: Laut Bild soll die ehrliche Finderin mehrmals versucht haben, Knäbel zu kontaktieren, dessen Privatadresse auf den Dokumenten stand, diese war jedoch veraltet. Auf der HSV-Geschäftsstelle, an die sie sich später wendete, soll man ihr zunächst nicht geglaubt haben. Das Boulevardblatt spricht schon jetzt von der "Fußball-Panne des Jahres". Immerhin glaubt der Verein trotz des Unglücks weiter an seinen Sportchef: "Peter Knäbel genießt das Vertrauen der HSV Fußball AG und wird seine Funktion als Direktor Profifußball weiter ausüben", teilte man am Montagabend mit - und weiter: "Peter Knäbel hat bekanntermaßen Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Zum laufenden Verfahren werden wir keine weiteren Auskünfte erteilen", teilte der HSV mit. Der Vorstand der Fußball AG um den Vorsitzenden Dietmar Beiersdorfer werde "eine unabhängige Aufklärung der Vorgänge beauftragen". | https://www.sueddeutsche.de/sport/pokal-aus-beim-viertligisten-ach-hsv-1.2602028 | mlsum-de-1092 |
Als erster Zeuge hat im Untersuchungsauschuss zum Fall des Berliner Lkw-Attentäters Anis Amri der Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ausgesagt - mit klaren Worten. | Der Fall des Berliner Lkw-Attentäters Anis Amri hat Mängel im Datenaustausch zwischen europäischen und deutschen Behörden offengelegt. Der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, und der ehemalige Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Frank-Jürgen Weise, betonten vor einem Untersuchungsausschuss des Düsseldorfers Landtags Probleme beim Abgleich von Daten der ins Land gekommenen Flüchtlinge. Das sei "nicht so gelaufen, wie es der Bürger vom Staat erwarten konnte", sagte Weise am Montag als erster Zeuge vor dem Ausschuss. Dieser will klären, ob und welche Fehler nordrhein-westfälische Behörden im Umgang mit dem tunesischen Terroristen gemacht haben könnten. Amri hatte im Dezember einen Lastwagen in einen Weihnachtsmarkt in Berlin gesteuert und zwölf Menschen getötet. Fehler des Bamf sah Weise, der weiterhin der Bundesagentur für Arbeit vorsteht, aber nicht. Amri kam demnach im August 2015 und im Januar 2016 in die Akten des Amtes, als er unter falschen Namen Asyl beantragte. Am 16. Februar informierte das NRW-Landeskriminalamt das Bamf, dass es sich um eine Person unter mehreren Identitäten handelte. Darauf zog das Bamf die Bearbeitung von Amris Antrag vor. Er wurde im April angehört, sein Gesuch Ende Mai wegen Täuschung abgelehnt. Harte Kritik übte Weise an der Kooperationsbereitschaft von NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Dieser habe ihn kurz nach Amtsantritt öffentlich als "unbefähigt" gescholten. Seither habe es keinen Kontakt mehr zwischen dem Minister und ihm gegeben. BKA-Chef Münch erklärte, es gebe "dringenden Nachholbedarf" beim Ausbau des europäischen Datenaustauschs, aber auch Schwachstellen im Inland, etwa bei den rechtlichen Möglichkeiten in einigen Bundesländer wie NRW, Telefone von Gefährdern zu überwachen. | https://www.sueddeutsche.de/politik/fall-amri-behoerden-mit-registrierung-ueberfordert-1.3417822 | mlsum-de-1093 |
Ein Thriller, erzählt in 15-Sekunden-Videos. Ein Roman, veröffentlicht in Bildunterschriften. Instagram ermöglicht Künstlern neue kreative Wege - und Einnahmequellen. | Ein schwarzer Transporter parkt am Straßenrand. Zwei Männer steigen aus, um einen Kaffee zu holen. Der eine bewegt sich etwas schneller vom Wagen weg, in Richtung Straße. Eine Explosion zerreißt den Transporter. Die Männer werden auf den Boden geschleudert. Es ist das vierte Video aus dem Film Shield5, der auf Instagram veröffentlicht wurde. Im Februar wurde täglich ein neuer Teil des Filmes gezeigt, die Geschichte in 15-Sekunden-Schritten weitererzählt. Es ist das erste Mal, dass ein Thriller sich komplett in der Foto-App abspielt, dort, wo sonst Bilder vom Mittagessen, Selfies und Werbevideos zu finden sind. Visuelles Medium mit enormem Publikum Filmemacher, Autoren, Künstler experimentieren mit Instagram: Wie können sie die App nutzen, um ihre Geschichten zu erzählen? Welche Möglichkeiten gibt es hier, die sonst nirgends zu finden sind? Und natürlich spielt auch Geld eine Rolle: Lohnt es sich, seine Inhalte auf diesem Kanal zu verbreiten? Laut Anthony Wilcox, Regisseur von Shield5, ist alles eine Frage der richtigen Vorbereitung: "Den größten Teil der Arbeit hatte Adam Dewar beim Schreiben des Drehbuchs, als es darum ging, die Geschichte in 15-Sekunden-Segmente zu teilen", sagt er. Doch eine Eigenheit der App erforderte dann doch besondere Aufmerksamkeit: "Instagram-Videos laufen in einer ewigen Schleife", erklärt Wilcox. "Das haben wir beim Schnitt berücksichtigt: Wenn es irgendwie möglich war, haben wir versucht, das letzte Bild auch zum ersten Bild des Videos zu machen." Noch ist es ungewohnt, einen Thriller mit fortlaufender Handlung auf Instagram anzusehen: Der Handybildschirm wirkt oft zu klein. Das Video ist im Querformat gedreht und nicht quadratisch, da sind Details manchmal schlecht zu erkennen. Außerdem muss für jedes Video der Ton extra eingeschaltet werden. Wer mehrere Filmschnipsel hintereinander ansehen möchte, muss sich daran erst gewöhnen. Und trotzdem: Regisseur Wilcox beschreibt die Reaktionen des Publikums als positiv. "Es gab sehr schnell viel Neugierde und Enthusiasmus für den Film", sagt er. "Instagram kann ein sehr aufregender Ort sein kann, um Geschichten zu erzählen. Es ist ein visuelles Medium mit einem enormen Publikum." Hätte das Team einen konventionellen Kurzfilm von sieben Minuten Länge produziert, so Wilcox, hätte er vermutlich deutlich weniger Zuschauer gefunden. "Ein toller Weg, um Leuten den Roman schmackhaft zu machen" Auch Rachel Hulin experimentiert mit Instagram - allerdings ohne Videos, sondern mit Worten. "Hey Harry, Hey Matilda" heißt ihr erster Roman. Eine Herausforderung, schließlich ist Instagram ein optisches Medium und keines, in dem sich bloßer Text abladen lässt. Deshalb ist jeder Textteil verbunden mit einem Foto, der Romanausschnitt steht in der Bildunterschrift. Dabei kommt Hulin zugute, dass sie nicht nur Autorin ist, sondern auch Fotografin. Hulins Protagonisten sind die Zwillinge Matilda und Harry Goodman. Sie ist Künstlerin in Brooklyn, er ist Autor und Englischprofessor in Connecticut. Die beiden schreiben sich Briefe und erzählen so ihre Geschichte. Die Charaktere wirken sehr real: Auf der Website zum Projekt gibt es Fotos von ihnen, Matilda hat sogar eine professionelle Website für ihre Tätigkeit als Hochzeitsfotografin. Diese neue Form von Authentizität wirkt sich auf das Publikum aus: "Es gibt Leute, die sich stark mit den Charakteren verbunden fühlen", sagt Hulin. "Sie schreiben ihnen in den Kommentaren auf Instagram, einige schreiben sogar E-Mails und stellen Fragen." Für Hulin war Instagram ein Experiment, ein Weg, ihr Publikum zu finden. "Einen Roman in kleinen Teilen zu lesen, ist vermutlich nicht ideal für längere Werke, aber es ist ein toller Weg, um Leuten den Roman schmackhaft zu machen", sagt sie. Hulin glaubt, dass ihr Projekt erst der Anfang war: "Die meisten Leute denken heute in Bildern", sagt sie. "Geschichten fühlen sich für mich beinahe unvollständig an ohne Bilder." Sie glaubt, dass es künftig mehr hybride Formen für Text und Bild geben wird, "weil die Leute sich stark dazu hingezogen fühlen und ich glaube, sie beginnen, das zu erwarten." | https://www.sueddeutsche.de/digital/social-media-wie-instagram-die-kunst-veraendert-1.2890518 | mlsum-de-1094 |
Mehrheitlich stimmen Hamburgs Grüne einem Regierungsbündnis mit der SPD zu. Begeistert ist die Parteibasis nicht, sie sieht den Koalitionsvertrag nüchtern. | Der Hamburger Michael Gwosdz aus dem Kreisverband Altona hat eine Zeit lang Alkohol gemieden, als sich Ostern näherte, eine Art Fastenzeit. Dann wurde nach den Feiertagen das Koalitionspapier mit der SPD vorgestellt, worauf Gwosdz versuchte, "mir den Vertrag schön zu saufen". Das Ergebnis: "Ich war wieder nüchtern." Aber er schlug in diesem Sinne vor: "Lasst uns das mal nüchtern sehen. Wir haben rausgeholt, was rauszuholen war. Die Mehrheit will rot-grün." Unberauscht sahen es die meisten Mitglieder, zwei Drittel der hanseatischen Grünen stimmten am Sonntag im stickigen Bürgersaal Wandsbek für das Bündnis mit Bürgermeister Olaf Scholz und seinen Sozialdemokraten. Es ging zwar nicht so harmonisch zu wie nach den Bürgerschaftswahlen am 15. Februar, damals war das Parteivolk geschlossen für die Gespräche mit der SPD. Allerdings stemmte sich nun doch nur ein Drittel der Anwesenden gegen das Ergebnis oder enthielt sich. Am Dienstag werden die Genossen nachziehen, dann wird Scholz am Mittwoch zum zweiten Mal zum Stadtoberhaupt gewählt und der neue Senat aus SPD und Grünen kann sein Experiment beginnen. Die grüne Landesvorsitzende Katharina Fegebank gab es ja selbst zu, als sie die Versammlung zuvor um Zustimmung bat. "Einige Frustrationen" habe es in den sieben Wochen langen Debatten mit der SPD gegeben. Die SPD hatte von den Wählern mehr als 45 Prozent der Stimmen bekommen, bei den Grünen war es ungefähr ein Viertel davon - entsprechend gestalteten sich die Verhandlungen. Die von den Grünen gewünschte Stadtbahn wurde abgelehnt, ebenso die Umweltzone und die City-Maut. Bei der Elbvertiefung, die Hamburgs Hafen für noch größere Containerschiffe zugänglich machen soll, rettete man sich in die Tatsache, dass über eine Ausbaggerung das Verwaltungsgericht entscheidet. Dafür wurde unter anderem vereinbart, die Elbe und die Luft sauberer zu machen und mehr Fahrräder auf die Straßen zu schicken. Der Vertrag sei "keine Trophäe", räumt die künftige Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Fegebank ein. Aber die 115 Seiten seien "solide und ehrlich", damit werde die Stadt "grüner, vielfältiger und moderner." Grüne Fundis halten die Abmachung für einen Kotau vor Scholz. "Dieser Ziegenbock braucht eins zwischen die Hörner", schimpfte eine Rednerin. Es sei doch "keine Art und Weise, sich so vorführen zu lassen." Auch mangelnde Garantien für Flüchtlinge kamen schlecht weg. Doch es setzte sich die pragmatische Erkenntnis durch, die neunte grüne Beteiligung an einer aktuellen Landesregierung nicht abzulehnen. "Es nützt der Natur nichts", warf eine Referentin ein, "wenn wir in der Opposition sind." | https://www.sueddeutsche.de/politik/hamburg-jenseits-des-rausches-1.2431300 | mlsum-de-1095 |
Einer der spektakulärsten Wirtschaftsprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte geht in die Schlussphase: Die Staatsanwaltschaft wirft den vier ehemaligen Bankern gravierende Pflichtverletzungen vor - obwohl sie bestens informiert waren. | Oberstaatsanwalt Torsten Elschenbroich weiß nicht, wie er beginnen soll. Vor ihm liegt ein siebenstündiges Plädoyer, und er hadert mit dem ersten Satz: "Wenn man ein so herausgehobenes Verfahren über zwei Jahre begleitet hat, wie kann man das angemessen einleiten?" Der Ankläger entscheidet sich für einen scherzhaften Ansatz: Am Vorabend des Prozessauftakts sei der Papst zurückgetreten, am Vorabend dieses Donnerstages seien Ermittlungen gegen Fifa-Verantwortliche bekannt geworden - er frage sich nun, was wohl am Vorabend des in Kürze zu erwartenden Urteils im Oppenheim-Prozess geschehe. Der Scherz zum Auftakt sollte an diesem Tag der einzige bleiben. Für alle vier angeklagten Ex-Bankchefs fordert die Staatsanwaltschaft Gefängnisstrafen. Für Matthias Graf von Krockow, Ex- Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter, plädierte die Anklage auf drei Jahre und drei Monate. Christopher Freiherr von Oppenheim soll zwei Jahre und acht Monate erhalten. Für Dieter Pfundt verlangte die Staatsanwaltschaft zwei Jahre und zehn Monate, und für Friedrich Carl Janssen drei Jahre und sechs Monate - die höchste Forderung. Die vier Angeklagten hätten sich der "gemeinschaftlich begangenen Untreue in besonders schwerem Fall" schuldig gemacht. Bis zu einer Höhe von zwei Jahren können Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt werden. Ihr einstiger Geschäftspartner Josef Esch, der nur noch wegen Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz angeklagt ist, soll der Anklage zufolge lediglich eine Geldstrafe "in Höhe von 90 Tagessätzen" zahlen. Der 122. Verhandlungstag beginnt mit einem Witz Mit dem Plädoyer der Staatsanwälte geht am 122. Verhandlungstag einer der spektakulärsten Wirtschaftsprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte in die Schlussphase. Verhandelt wird der Niedergang des traditionsreichen Bankhauses Sal. Oppenheim und vor allem, welchen Anteil die angeklagten Banker daran hatten. Die Bank war durch Fehlentscheidungen in eine existenzielle Abhängigkeit vom Karstadt-Mutterkonzern Arcandor und dessen Großaktionärin Madeleine Schickedanz geraten. Als Arcandor 2009 in die Pleite rutschte, stand auch Europas einst größte Privatbank vor dem Ruin, wurde aber in Teilen von der Deutschen Bank aufgefangen. Das Urteil soll im Juni fallen. Richterin Sabine Grobecker hatte schon in einer vorläufigen Einschätzung deutlich gemacht, dass auch sie die Ex-Bankchefs für schuldig hält, allerdings hatte sie Bewährungsstrafen nicht ausgeschlossen. Doch am Donnerstag ist die Stunde der Ankläger. Schwere Vorwürfe erheben sie gegen die Bank-Manager. Es sei zu gravierenden Pflichtverletzungen gekommen, obwohl die Banker im Detail über ausreichende Informationen verfügt hätten. Präzise zeichnet Elschenbroich die Vorgänge nach, die zu einer immer größeren Abhängigkeit des Bankhauses von Milliardärin Schickedanz und dem Arcandor-Konzern führten. Nach und nach seien dabei die Kontrollinstanzen ausgeschaltet worden. Die Spitzenbanker hätten sich über kritische Anmerkungen ihrer Mitarbeiter einfach hinweg gesetzt: "Die Partner hatten wesentlich größeres Vertrauen in die Entwicklung von Karstadt-Quelle als die Fachabteilungen." Schließlich hätten die Unternehmensanalysten der Bank den Fall Arcandor nicht mehr prüfen dürfen, sondern nur noch die Kredit-Analysten. Noch lascher sei das Kredit-Engagement nach dem Tod des Familienpatriarchen Alfred von Oppenheim im Jahr 2005 überwacht worden. "Die Aufsichtsgremien wirkten danach deutlich geschwächt", sagte Elschenbroich und zitiert einen Zeugen, der über dessen Nachfolger ausgesagt hatte: "Hätte Baron v. Ullmann etwas Prägendes gesagt, würde ich mich daran erinnern." Zudem hatte Sal. Oppenheim gerade die BHF-Bank übernommen und damit das eigene Vermögen stark dezimiert. "Klumpenrisiko Karstadt-Quelle" Die Situation wurde noch dadurch verschärft, dass der Plan des damaligen Arcandor-Chefs Thomas Middelhoff, den Konzern von der Börse zu nehmen, nicht aufging. Um Arcandor zu entschulden, mussten die Karstadt-Immobilien verkauft werden - und standen für die Oppenheim-Esch-Fonds nicht mehr zur Verfügung. Eigentlich war damit das Arcandor-Engagement für Oppenheim überflüssig geworden, es machte keinen Sinn mehr: "Übrig blieb nur noch eine vom Bankhaus gepamperte Großaktionärin Schickedanz." Doch die Bank steckte schon zu tief drin im "Klumpenrisiko Karstadt-Quelle". Die Führungsspitze reichte einen weiteren Kredit aus, das so genannte ADG-Darlehen, und erhöhte ihren Einsatz bei Arcandor auf über 700 Millionen Euro. Allerdings sei dies verdeckt geschehen, über ein Strohmanngeschäft, so der Staatsanwalt. Als die Bundesbank durch Presseberichte aufmerksam wurde, enthielten die Bankmanager der Aufsichtsbehörde laut Elschenbroich sogar wichtige Informationen vor, um Meldepflichten zu umgehen, auch das eine klare Pflichtverletzung. Nüchtern listet der Staatsanwalt die Vergehen auf, zum Scherzen ist ihm und seinem Kollegen nach sieben Stunden nicht mehr zumute. | https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/oppenheim-prozess-die-stunde-der-anklaeger-1.2497718 | mlsum-de-1096 |
Vor einem Jahr wurde der Hengst Isfahan von seinem Jockey zum Sieg gepeitscht. Seither eskaliert ein Streit über Tierquälerei im Galopp-Sport und Mobbing auf den Rennbahnen. | Am Sonntag findet in Hamburg das 148. Deutsche Derby statt, das renommierteste Pferderennen des Jahres, Höhepunkt der deutschen Galopp-Saison. Überschattet wird es allerdings von dem bis heute andauernden Streit um das Vorjahresrennen. Die deutsche Galopprennszene ist tief zerstritten über die Frage, ob der damalige Siegerhengst Isfahan und der Zweitplatzierte Savoir Vivre nachträglich hätten disqualifiziert werden müssen: Beide wurden von ihren Jockeys regelwidrig mit einer unerlaubt hohen Zahl von Hieben - nur fünf sind laut Rennordnung erlaubt - zum Sieg gepeitscht. Neben der erbittert geführten juristischen Auseinandersetzung wird der Streit in der ansonsten eher verschwiegenen kleinen deutschen Galopprennszene inzwischen auch offen mit persönlichen Angriffen ausgetragen. Von "regelrechtem Mobbing" spricht Bernd Dietel, der Manager des Rennstalls des deutschen Milliardärs Horst Julius Pudwill, dessen Hengst Dschingis Secret beim Derby 2016 den dritten Platz belegte - und der gegen die Platzierungen von Isfahan und Savoir Vivre geklagt hatte. "Wir sehen uns im Recht, aber wir werden geächtet, und man fordert andere auf, nicht mehr mit uns zu reden. Dabei sind nicht wir es, die dem Rennsport schaden, sondern die, die betrügen und ihre Pferde prügeln lassen." Dietel berichtet von giftigen Blicken auf den Rennbahnen und gezielten Diffamierungen im Internet. "Wenn ich ein Maschinengewehr hätte, würde ich den erschießen", habe ein bekannter deutscher Züchter unlängst über ihn geäußert - ohne zu wissen, dass er direkt neben ihm stand. Sogar die sonst übliche Siegerehrung mit einem Champagner-Empfang habe man dem Stall Pudwill nach einem gewonnen Rennen auf der Rennbahn in Köln verweigert. Auf Nachfrage habe ihm die betreffende Geschäftsleitung erklärt, die Gönner der Rennbahn wünschten nicht, dass Mitglieder des Stalls Pudwill mit Champagner geehrt würden, berichtet Dietel. Das Derby am kommenden Sonntag will er sich im Fernsehen anschauen, die Lust auf einen Besuch auf der Rennbahn in Hamburg-Horn hat er verloren, auch wenn er mit den Dreijährigen Shanjo und Ming Jung zwei Hengste im Rennen hat. "Zustände wie in Nordkorea" Auch andere Züchter, die Dietels Rechtsauffassung teilten, beklagen sich, sie würden ausgegrenzt. Seit er seine Meinung offen geäußert habe, grüße man ihn nicht einmal mehr, berichtet ein Züchter, der ungenannt bleiben will, der SZ. Manager Dietel beklagt, der Rennsport sei zunehmend unfair und unsportlich geworden. "Das ist ein Fifa-ähnlicher Sumpf. Der Sport wird durch eine kleine Clique dominiert, für die Fairness und Sportlichkeit offenbar nicht mehr zählen." Der juristische Streit um die Rechtmäßigkeit des Sieges von Isfahan hatte kürzlich zu einem bislang beispiellosen Eklat geführt. Zunächst hatte das Renngericht des deutschen Galoppverbands DVR den Protest des Drittplatzierten in erster Instanz zurückgewiesen. Der Fall landete vor dem Oberen Renngericht, der höchsten Instanz der Verbandsgerichtsbarkeit. | https://www.sueddeutsche.de/sport/tierquaelerei-im-pferdesport-ich-wuerde-den-erschiessen-1.3569455 | mlsum-de-1097 |
Der Mittelfeldspieler spricht vor dem Duell gegen Italien über ein intensives Gespräch mit Mario Götze. Torhüter Manuel Neuer fällt aus. | Joachim Löw steht vor dem Prestigeduell gegen Italien am Dienstag (20.45 Uhr im SZ-Liveticker) in München vor einer schwierigen Entscheidung. Nach drei Niederlagen in den vergangenen vier Länderspielen will er im letzten EM-Test einen Sieg - dem steht jedoch sein Versprechen entgegen, die stark belasteten Stammspieler zu schonen. In Löws Personalgedanken ist deswegen zunächst wohl nur Mario Götze gesetzt. Der Bundestrainer gab dem kriselnden Stürmer des FC Bayern München schon vor den beiden Testspielen eine Startelf-Garantie. "Seine Position ist relativ klar formuliert", sagte Löws Assistent Thomas Schneider am Ostermontag. Der Hinweis, dass es "vielleicht nicht schlecht" wäre, den gegen England (2:3) guten Mario Gomez als Joker zu sehen, lässt darauf schließen, dass Götze dessen Rolle als Sturmspitze bekommt. Khedira unterstützt Götze Für Götze wäre es der erste Startelf-Einsatz in einem Pflichtspiel seit Oktober 2015, damals verletzte er sich im Adduktorenbereich. Sein Nationalmannschaftskollege Sami Khedira kann sich gut in die Situation des 23-Jährigen hineinversetzen - Khedira erlebte in seiner Zeit bei Real Madrid ähnliche Phasen. Der 28-Jährige versuchte deswegen, seinen jungen Kollegen zu unterstützen. "Ich habe länger mit ihm gesprochen. Er macht einen sehr, sehr klaren Eindruck. Es ist nicht so, dass er irgendwie an sich zweifelt", sagte Khedira. Trotzdem denke der Offensivspieler über seine Zukunft nach: "Er macht sich Gedanken - was er will und was er wirklich braucht." Für Khedira ist klar, was jedem Spieler in solchen Situationen hilft und speziell Mario Götze: "Ein Spieler braucht immer Selbstvertrauen. Das ist bei Mario umso wichtiger." Gerade die Nationalmannschaft, wo sich alle Akteure "immer sehr wohl fühlen", wäre für Götze eine Chance, sich zu beweisen. "Hier bekommt er das Vertrauen, das einem Spieler auch zusteht", sagte der defensive Mittelfeldspieler. Gegen Italien hat Götze nun vermutlich 90 Minuten Zeit, sich ein Stück Selbstvertrauen zurückzuholen. Pause für Müller? Sein Mannschaftskollege vom FC Bayern, Thomas Müller, könnte dagegen eine Pause bekommen, das ließ Schneider durchblicken. Sollte Löw auch den dauerbeanspruchten Mesut Özil rausnehmen, könnten Julian Draxler und Karim Bellarabi zum Zug kommen. Im defensiven Mittelfeld könnte Christoph Kramer eine Bewährungschance erhalten. Dahinter dürfte Shkodran Mustafi mit England-Debütant Jonathan Tah verteidigen, die Außenpositionen bekleiden wohl Antonio Rüdiger rechts und Jonas Hector links. Im Tor hat Löw drei Optionen: Bernd Leno, Kevin Trapp und Marc-André ter Stegen. Manuel Neuer war wegen einer Magenverstimmung aus dem DFB-Quartier abgereist und kommt daher nicht zum Einsatz. | https://www.sueddeutsche.de/sport/dfb-gegen-italien-khedira-goetze-zweifelt-nicht-an-sich-1.2924311 | mlsum-de-1098 |
Die Datenblätter von Smartphones wimmeln von unverständlichen Buchstabenkombinationen. Was es mit den Kürzeln auf sich hat - und worauf Sie wirklich achten sollten. | Weil in Smartphones auf kleinem Raum viele Funktionen und Techniken untergebracht sind, lesen sich ihre Datenblätter oft wie Beipackzettel für Arzneimittel. Viele Abkürzungen verwirren mehr, als dass sie helfen. Wichtig sind vor allem die Funktechniken, mit denen sich Smartphones sowohl mit dem mobilen Netz als auch dem Internet verbinden. Eigentlich alle Geräte sind heute mit den gleichen Schnittstellen ausgestattet, die wir Ihnen in der folgenden Übersicht erläutern. Bluetooth und NFC Diese Funktechniken sind nicht für das Surfen im Internet gedacht, sondern für die kabellose Datenübertragung über kurze Distanzen. Bluetooth überbrückt dabei bis zu zehn Meter und wird oft genutzt, um Zubehör wie kabellose Headsets, Lautsprecher oder Freisprecheinrichtungen mit dem Smartphone zu verbinden. Auch Ihre Musikanlage im Wohnzimmer könnte einen Bluetooth-Adapter eingebaut haben, so dass Sie hierüber ganz einfach Ihre Musik abspielen könnten. Das Kürzel NFC dagegen steht für Near Field Communication, woraus schon deutlich wird, dass es sich um eine Übertragung über sehr kurze Strecken handelt. Gerade einmal bis zu zehn Zentimeter weit reicht die Verbindung, meist ist es sogar noch weniger. Sie müssen also Ihr Smartphone direkt über das andere Gerät halten, um eine Verbindung aufbauen zu können. Wenn diese steht, können allerdings keine großen Datenmengen übertragen werden. Aus diesem Grund eignet sich die günstige NFC-Technik vor allem für Dienste wie bargeldloses Bezahlen an Kassen oder für papierlose Fahrkarten. Letzteres nutzt bereits die Deutsche Bahn in ihrem "Touch&Travel"-System, das allerdings noch nicht überall verfügbar ist. Auch die schnelle Übertragung von Visitenkarten ist möglich, indem man zwei Smartphones mit NFC-Chip aneinander hält. WLAN Diese Schnittstelle kennt man auch vom PC oder Notebook. WLAN, die Abkürzung für Wireless Local Area Network, bezeichnet den kabellosen Zugang zu einem lokalen Netzwerk, in das sich das Smartphone einklinken kann. Oft wird auch das Kürzel WiFi verwendet. Ihr Router zu Hause, den Sie von Ihrem Internetanbieter bekommen haben, baut genau so ein Netz auf, damit Sie kabellos über den DSL- oder Kabelanschluss surfen können. Auch in Cafés, Hotels, an Flughäfen oder in Universitäten kann man solche Netzwerke nutzen. Es gibt verschiedene Standards, die mit den Buchstaben a,b,g, n und ac bezeichnet werden. Moderne Smartphones sollten zumindest mit dem WLAN n-Standard ausgerüstet sein. Noch höhere Übertragungsgeschwindigkeiten verspricht der neueste Standard ac, der derzeit vor allem in Oberklasse-Smartphones verfügbar ist. Dafür braucht man dann aber auch einen neuen Router. UMTS und HSPA (3G) Um mobil telefonieren und im Internet surfen zu können, müssen sich die Handys per Funk in die Anbieternetze einwählen. Hier kommen die Begriffe UMTS (Universal Mobile Telecommunications System), HSPA (High Speed Packet Access) und 3G ins Spiel. Letzteres ist allerdings schlicht der Überbegriff und bezeichnet die Netzwerkgeneration. 1G war nach dieser Zählung das noch analoge Netz aus der Anfangszeit des Handyzeitalters und 2G das digitale GSM-Netz, über das aber Daten nur langsam übertragen werden konnten - meist nur so schnell, wie es früher mit klassischen Einwahlmodems möglich war. 3G schließlich brachte mit dem Mobilfunkstandard UMTS und der Erweiterung HSPA die Möglichkeit, fast genauso schnell wie mit dem heimischen DSL-Anschluss im Netz zu surfen. Mit diesem Netz war überhaupt erst die Grundlage geschaffen, mobile Dienste, Videochats und auch Apps sinnvoll auf Smartphones nutzen zu können. Allerdings hängt es auch vom Netzausbau des Anbieters ab, ob überhaupt eine Verbindung mit einem 3G-Netz möglich ist. Gerade in ländlichen Regionen bestehen oft noch Probleme. Hoffnungen werden hier nun in die vierte Generation der Netzwerktechnik gesetzt. LTE (4G) Aktuell kommen immer mehr Smartphones und Tarife auf den Markt, die auch den Netzstandard der vierten Generation unterstützen, der als LTE oder 4G bezeichnet wird. Die Datenübertragung über LTE ist dabei etwa fünf bis zehn Mal schneller als beim 3G-Netz. Doch die Technik bietet weitere Vorteile, wie etwa eine größere Kapazität pro Sendemast, so dass mehr Geräte gleichzeitig versorgt werden können. In Stadien, auf Konzerten oder an Bahnhöfen soll es in Zukunft also zu weniger Verbindungsabbrüchen kommen. Aufgebaut wird das Netz seit 2011, strenge Auflagen der Bundesnetzagentur führten dazu, dass LTE zuerst in ländlicheren Regionen ausgebaut wurde, vor allem um dort eine Breitbandalternative zu der häufig noch immer miserablen DSL-Versorgung zu bieten. Seit 2012 wird aber auch in immer mehr Städten LTE ausgebaut, Ende 2015 lag die LTE-Netzabdeckung in Deutschland nach Angaben der Bundesregierung bei 94 Prozent und damit erstmals über der UMTS-Abdeckung. Die Nutzung des schnellen Netzes ist aber nicht immer automatisch im Handy-Vertrag mit drin: Manchmal ist ein Aufschlag fällig. Alle LTE-Smartphones sind wie bisher auch abwärtskompatibel zu den 3G und 2G-Netzen. | https://www.sueddeutsche.de/digital/funkstandards-beim-smartphone-was-bedeuten-nfc-umts-hspa-3g-oder-lte-4g-1.1650022 | mlsum-de-1099 |
Julia Klöckner zeigt sich unbeeindruckt von Kritik aus der Bundespartei an ihren Aussagen zur Flüchtlingspolitik. Die CDU-Spitzenkandidatin muss um jede Stimme kämpfen. | Bitterkalt ist es an diesem Februartag, Stiefelwetter sozusagen. Julia Klöckner steht vor einem Supermarkt in Bodenheim unweit von Mainz in blauen Riemchenpumps. Schlechte Wahl. Bald sind die Füße gefroren, eine Mitarbeiterin tritt ihr festes Schuhwerk ab. Damit nicht genug. Auf dem zugigen Parkplatz hört sie vor allem Klagen. Über die Flüchtlinge und die Kanzlerin. Die CDU-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz, die ihren Wahlsieg schon sicher wähnte, muss um jede Stimme kämpfen. Es ist nicht allzu viel los vor dem Laden, Zeit also für längere Gespräche. Immer wieder nur ein Thema - die Flüchtlinge, na klar. Gerade die Männer regen sich auf. Junge, Alte, Anzugträger und Rentner in Arbeitshosen sagen, dass es so wirklich nicht weitergehen könne. Ein korpulenter Pensionist findet Klöckner gut und die CDU auch. Aber die Grenzen gehörten geschlossen. "Viele von uns waren doch auch einmal auf der Flucht", antwortet Klöckner. Der Senior schüttelt den Kopf. "Mein Quartal läuft am 12. März ab" - am 13. ist Wahltag Der nächste, ein Herr in edlem Tweed, findet, eigentlich sollten Ausländer allesamt nach Hause geschickt werden. Klöckner fragt zurück, wer sich dann um die Kranken in Spitälern kümmern solle? Keine Antwort. Ein Gymnasiast ist da, Erstwähler, politisch sehr interessiert. Er schwankt, wie er sagt, zwischen CDU und AfD und hätte gern, dass die Christdemokraten künftig mit den Rechtspopulisten regierten. Nein, ausgeschlossen. Der Teenager ist arg enttäuscht. Karl-Heinz Göth, Weinbauer und CDU-Mitglied sagt, dass es an den Stammtischen in Bodenheim noch heftiger zugehe: "Den Leuten steigt das Blut in den Kopf und sie schimpfen auf Angela Merkel." Klöckner schimpft nicht auf Merkel. Sie versucht, sich abzusetzen, will retten, was noch zu retten ist. Einen Plan A2 hat sie vorgelegt, zur Verringerung der Flüchtlingszahlen. Den versteht allerdings kaum ein Mensch. In einer CDU-Runde, so wird erzählt, bat die Kanzlerin unlängst um Geduld bei der Suche nach europäischen Lösungen. Man solle doch bitte das erste Jahresquartal abwarten. "Mein Quartal läuft am 12. März ab", entgegnete Klöckner. Am Tag darauf wählt Rheinland-Pfalz. Auf dieses Datum hat sie sich seit Jahren vorbereitet, Klöckner ist äußerst ehrgeizig, brennt darauf, in die Staatskanzlei einzuziehen. "Unsere neue Ministerpräsidentin" steht auf den CDU-Wahlplakaten. Vor fünf Jahren unterlag sie ganz knapp dem damaligen SPD-Regierungschef Kurt Beck. Diesmal soll es klappen, gegen dessen Nachfolgerin Malu Dreyer. Ein dritter Anlauf, womöglich ebenfalls erfolglos, wäre eine peinliche Sache für eine Frau, die unbedingt nach oben will. Kaum eine Talkshow in den vergangenen Monaten, in der sie nicht zu Gast war. Klöckner twittert, chattet, hält Internet-Sprechstunden ab, war natürlich Ehrengast bei ungezählten Faschingsveranstaltungen. Die 43-Jährige scheint in Rheinland-Pfalz allgegenwärtig, sie absolviert ihr Programm mit einer Energie, die an jene des Dauer trommelnden Duracell-Hasens erinnert. Meistens ist sie dabei gut gelaunt, heiter und schlagfertig. Vorwitzig auch, mit Hang zu Kalauern. Als sie ihr Wunsch-Ministerteam für die nächste Landesregierung vorstellte, verwies sie ausdrücklich auf den Heimatort eines ihrer Kandidaten. Der stammt aus dem Ort Wissen im Kreis Altenkirchen. "Wissen ist besser als Ahnen", sagte sie. Ein Insiderwitz für Einheimische. Ahnen ist die SPD-Finanzministerin von Rheinland-Pfalz. Kaum jemand im Saal lachte lauter als Klöckner selbst. Sie ist eine emotionale Person und zugleich Perfektionistin. Und manchmal pfuscht der Bauch dem Kopf ins Geschäft. Auf einer Reise mit Journalisten wurde sie im vergangenen Sommer von einem Fernsehjournalisten gefragt, warum sie im Land nicht so beliebt sei wie die Ministerpräsidentin. Klöckner nahm übel, verlangte, dass die Kamera abgestellt wird. Erstaunen in der Runde. Einem Polit-Profi mit Instinkt unterläuft ein solcher Fehler eigentlich nicht. Manchmal redet und handelt Klöckner schneller als sie selbst und andere denken können. Als sie am vorvergangenen Wochenende ihren Plan A2 gemeinsam mit ihrem baden-württembergischen Kollegen Guido Wolf aufwärmte, empfahl Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) auch ihr, einfach mal die Klappe zu halten. Sie ist bisweilen unverfroren, aber keine Protagonistin des rechten Flügels Das aber kann sich Klöckner derzeit nicht erlauben. Sie muss jeden Tag über Flüchtlinge reden. SPD und Grüne, nicht nur in Rheinland-Pfalz, werfen ihr vor, die Gesellschaft zu spalten und am rechten Wählerrand auf Stimmenfang zu gehen. Sie sei eine Art charmanterer Roland Koch im Rock, sagte einer ihrer Kritiker in Anspielung auf den ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten, der mit einer Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft die Landtagswahl 1999 gewonnen hatte. Stimmt, sie redet viel über die Begrenzung der Flüchtlingszahlen. Und propagiert seit Längerem die Idee eines Burka-Verbots in Deutschland. Aber vor dem Supermarkt in Bodenheim bietet sie allen fundamentalistischen Flüchtlingskritikern Paroli. Sie ist bisweilen unverfroren, aber keine Protagonistin des rechten Flügels. Davon zeugt, wenn man so will, auch ihr Lebenspartner. Helmut Ortner ist mehr als zwei Jahrzehnte älter als sie, Autor und Journalist, Freidenker und Attac-Mitglied, ein Altlinker, könnte man sagen. Sie redet in der Öffentlichkeit ungern über ihn, manchmal aber begleitet er sie bei Terminen. Etwa bei der Vorstellung ihres Interview-Buches im vergangenen Jahr. Der Verlag dankt der studierten Theologin Klöckner mit einem Präsent - einer Denkschrift über die Frage, was man von Papst Franziskus lernen könne. In einer der hinteren Reigen raunt ein Mann: "Braucht man so was wirklich?" Der Mann war Ortner. Bleibt die Frage, ob Klöckner das Zeug zur Staatsfrau, zur Ministerpräsidentin hätte. Sie hat, so sagen Leute aus der Bundes-CDU, ein gelungenes Gesellinnen-Stück abgeliefert, Ordnung gebracht in die Landespartei, die ein Vierteljahrhundert außerordentlich verwildert und zerstritten war. Ein Land aber ist etwas anderes als eine Partei. Einer, der sie ziemlich gut kennt, überlegt ein paar Sekunden, bevor er auf die Eignungsfrage antwortet. Und sagt dann: "Ja, sie hat das Zeug. Wenn sie gute Berater hat und auf sie hört." | https://www.sueddeutsche.de/politik/wahlkampf-in-rheinland-pfalz-klappe-halten-geht-nicht-1.2883573 | mlsum-de-1100 |
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