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arnimb_goethe01_1835
| 823 |
— ich dächte Du gingſt; — Wohin?
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— Ich dächte Du gingst; — wohin?
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arnimb_goethe01_1835
| 824 |
fragte ich.
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fragte ich.
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arnimb_goethe01_1835
| 825 |
— Nach Weimar zum Wolfgang, und holteſt Dir wieder Reſpekt gegen ſeine Mutter; ach Mutter, wenn das möglich wär’!
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— Nach Weimar zum Wolfgang, und holtest Dir wieder Respekt gegen seine Mutter; ach Mutter, wenn das möglich wäre!
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arnimb_goethe01_1835
| 826 |
ſagte ich, und fiel ihr um den Hals, und küßte ſie und lief im Zimmer auf und ab.
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sagte ich, und fiel ihr um den Hals, und küsste sie und lief im Zimmer auf und ab.
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arnimb_goethe01_1835
| 827 |
Ei, ſagte ſie, warum ſoll es denn nicht möglich ſein?
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Ei, sagte sie, warum soll es denn nicht möglich sein?
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arnimb_goethe01_1835
| 828 |
Der Weg dahin hängt ja an einander und iſt kein Abgrund dazwiſchen; ich weiß nicht was Dich abhält, wenn Du eine ſo ungeheure Sehnſucht haſt; — eine Meile vierzigmal zu machen iſt der ganze Spaß, und dann kommſt Du wieder und erzählſt mir alles.
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Der Weg dahin hängt ja aneinander und ist kein Abgrund dazwischen; ich weiß nicht was Dich abhält, wenn Du eine so ungeheure Sehnsucht hast; — eine Meile vierzigmal zu machen ist der ganze Spaß, und dann kommst Du wieder und erzählst mir alles.
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arnimb_goethe01_1835
| 829 |
—
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—
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arnimb_goethe01_1835
| 830 |
Nun hab’ ich die ganze Nacht von der einen Meile geträumt, die ich vierzigmal machen werde; es iſt ja wahr, die Mutter hat recht, nach vierzig durchjagten Stunden läg’ ich am Herzen des Freundes; es iſt auf dieſer Erde, wo ich ihn finden kann, auf gebahnten Wegen gehet die Straße, alles deutet dorthin, der Stern am Himmel leuchtet bis zu ſeiner Schwelle, die Kinder am Weg rufen mir zu: dort wohnt er!
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Nun habe ich die ganze Nacht von der einen Meile geträumt, die ich vierzigmal machen werde; es ist ja wahr, die Mutter hat recht, nach vierzig durchjagten Stunden läge ich am Herzen des Freundes; es ist auf dieser Erde, wo ich ihn finden kann, auf gebahnten Wegen gehet die Straße, alles deutet dorthin, der Stern am Himmel leuchtet bis zu seiner Schwelle, die Kinder am Weg rufen mir zu: Dort wohnt er!
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arnimb_goethe01_1835
| 831 |
— Was hält mich zurück?
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— Was hält mich zurück?
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arnimb_goethe01_1835
| 832 |
— ich bin allein meiner heißen Sehnſucht Zeuge, und ſollte mir’s nicht gewähren, was ich bitte und flehe, daß ich Muth haben möge?
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— Ich bin allein meiner heißen Sehnsucht Zeuge, und sollte mir es nicht gewähren, was ich bitte und flehe, dass ich Mut haben möge?
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arnimb_goethe01_1835
| 833 |
Nein ich bin nicht allein, dieſe ſehnſüchtigen Gedanken — es ſind Geſtalten; ſie ſehen mir fragend unter die Augen: wie ich mein Leben verſchleifen könne, ohne Hand in Hand mit ihm, ohne Aug’ in Aug’ in ihrem Feuer zu verglühen.
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Nein ich bin nicht allein, diese sehnsüchtigen Gedanken — es sind Gestalten; sie sehen mir fragend unter die Augen: wie ich mein Leben verschleifen könne, ohne Hand in Hand mit ihm, ohne Auge in Auge in ihrem Feuer zu verglühen.
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arnimb_goethe01_1835
| 834 |
— O Goethe, ertrag’ mich, nicht alle Tage bin ich ſo ſchwach, daß ich mich hinwerfe vor Dir, und nicht aufhören will zu weinen, bis Du mir alles verſprichſt.
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— O Goethe, ertrage mich, nicht alle Tage bin ich so schwach, dass ich mich hinwerfe vor Dir, und nicht aufhören will zu weinen, bis Du mir alles versprichst.
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arnimb_goethe01_1835
| 835 |
Es geht wie ein ſchneidend Schwert durch mein Herz, daß ich bei Dir ſein möchte; — bei Dir, und nichts anders will ich, ſo wie das Leben vor mir liegt, weiß ich nichts, was ich noch fordern könnte, ich will nichts neues wiſſen, nichts ſoll ſich regen, kein Blatt am Baum, die Lüfte ſollen ſchweigen; ſtille ſoll’s in der Zeit ſein, und Du ſollſt ausharren in Gelaſſenheit, bis alle Schmerzen an Deiner Bruſt verwunden ſind.
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Es geht wie ein schneidend Schwert durch mein Herz, dass ich bei Dir sein möchte; — bei Dir, und nichts anders will ich, so wie das Leben vor mir liegt, weiß ich nichts, was ich noch fordern könnte, ich will nichts Neues wissen, nichts soll sich regen, kein Blatt am Baum, die Lüfte sollen schweigen; stille soll es in der Zeit sein, und Du sollst ausharren in Gelassenheit, bis alle Schmerzen an Deiner Brust verwunden sind.
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arnimb_goethe01_1835
| 836 |
19ten Juni.
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19. Juni.
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arnimb_goethe01_1835
| 837 |
Geſtern Abend war’s ſo, lieber Goethe; plötzlich riß der Zugwind die Thür auf und löſchte mir das Licht, bei dem ich Dir geſchrieben habe.
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Gestern Abend war es so, lieber Goethe; plötzlich riss der Zugwind die Tür auf und löschte mir das Licht, bei dem ich Dir geschrieben habe.
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arnimb_goethe01_1835
| 838 |
— Meine Fenſter waren offen, und die Pläne waren nieder gelaſſen; der Sturmwind ſpielte mit ihnen; — es kam ein heftiger Gewitterregen, da ward mein kleiner Kanarienvogel aufgeſtört — er flog hinaus in den Sturm, er ſchrie nach mir, und ich lockte ihn die ganze Nacht.
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— Meine Fenster waren offen, und die Pläne waren niedergelassen; der Sturmwind spielte mit ihnen; — es kam ein heftiger Gewitterregen, da wurde mein kleiner Kanarienvogel aufgestört — er flog hinaus in den Sturm, er schrie nach mir, und ich lockte ihn die ganze Nacht.
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arnimb_goethe01_1835
| 839 |
Erſt wie das Wetter vorüber war legt’ ich mich ſchlafen; ich war müde und ſehr traurig, auch um meinen lieben Vogel.
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Erst wie das Wetter vorüber war legte ich mich schlafen; ich war müde und sehr traurig, auch um meinen lieben Vogel.
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arnimb_goethe01_1835
| 840 |
Wie ich noch bei der Günderode die Griechiſche Geſchichte ſtudirte, da zeichnete ich Landkarten, und wenn ich die Seen zeichnete, da half er Striche hinein machen, daß ich ganz verwundert war, wie emſig er mit ſeinem kleinen Schnabel immer hin und her kratzte.
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Wie ich noch bei der Günderode die griechische Geschichte studierte, da zeichnete ich Landkarten, und wenn ich die Seen zeichnete, da half er Striche hineinmachen, dass ich ganz verwundert war, wie emsig er mit seinem kleinen Schnabel immer hin und her kratzte.
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arnimb_goethe01_1835
| 841 |
Nun iſt er fort, gewiß hat ihm der Sturm das Leben gekoſtet; da hab’ ich gedacht, wenn ich nun hinausflög’, um Dich zu ſuchen, und käm’ durch Sturm und Unwetter bis zu Deiner Thür, die Du mir nicht öffnen würdeſt, — nein Du wärſt fort;
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Nun ist er fort, gewiss hat ihm der Sturm das Leben gekostet; da habe ich gedacht, wenn ich nun hinausflöge, um Dich zu suchen, und käme durch Sturm und Unwetter bis zu Deiner Tür, die Du mir nicht öffnen würdest, — Nein Du wärst fort;
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arnimb_goethe01_1835
| 842 |
Du hätteſt nicht auf mich gewartet, wie ich die ganze Nacht auf meinen kleinen Vogel;
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Du hättest nicht auf mich gewartet, wie ich die ganze Nacht auf meinen kleinen Vogel;
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arnimb_goethe01_1835
| 843 |
Du geheſt andern Menſchen nach, Du bewegſt Dich in andern Regionen; bald ſind’s die Sterne, die mit Dir Rückſprache halten, bald die tiefen abgründlichen Felskerne; bald ſchreitet dein Blick als Prophet durch Nebel und Luftſchichten, und dann nimmſt Du der Blumen Farben und vermählſt ſie dem Licht; deine Leyer findeſt Du immer geſtimmt, und wenn ſie Dir auch friſchgekränzt entgegen prangte, würdeſt Du fragen:
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Du gehest anderen Menschen nach, Du bewegst Dich in anderen Regionen; bald sind es die Sterne, die mit Dir Rücksprache halten, bald die tiefen abgründlichen Felskerne; bald schreitet Dein Blick als Prophet durch Nebel und Luftschichten, und dann nimmst Du der Blumen Farben und vermählst sie dem Licht; deine Leier findest Du immer gestimmt, und wenn sie Dir auch frischgekränzt entgegenprangte, würdest Du fragen:
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arnimb_goethe01_1835
| 844 |
Wer hat mir dieſen ſchönen Kranz gewunden?
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Wer hat mir diesen schönen Kranz gewunden?
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arnimb_goethe01_1835
| 845 |
— Dein Geſang würde dieſe Blumen bald verſengen; ſie würden ihre Häupter ſenken, ſie würden ihre Farbe verlieren, und bald würden ſie unbeachtet am Boden ſchleifen.
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— Dein Gesang würde diese Blumen bald versengen; sie würden ihre Häupter senken, sie würden ihre Farbe verlieren, und bald würden sie unbeachtet am Boden schleifen.
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arnimb_goethe01_1835
| 846 |
Alle Gedanken, die die Liebe mir eingiebt, alles heiße Sehnen und Wollen, kann ich nur ſolchen Feldblumen vergleichen; — ſie thun unbewußt über dem grünen Raſen ihre goldnen Augen auf, ſie lachen eine Weile in den blauen Himmel, dann leuchten tauſend Sterne über ihnen und umtanzen den Mond, und verhüllen die zitternden, Thränen-belaſteten Blumen in Nacht und betäubenden Schlummer.
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Alle Gedanken, die die Liebe mir eingibt, alles heiße Sehnen und Wollen, kann ich nur solchen Feldblumen vergleichen; — sie tun unbewusst über dem grünen Rasen ihre goldenen Augen auf, sie lachen eine Weile in den blauen Himmel, dann leuchten tausend Sterne über ihnen und umtanzen den Mond, und verhüllen die zitternden, Tränenbelasteten Blumen in Nacht und betäubenden Schlummer.
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arnimb_goethe01_1835
| 847 |
So biſt Du Poete ein vom Sternenreigen ſeiner Eingebungen umtanzter Mond; meine Gedanken aber liegen im Thal, wie die Feldblumen, und ſinken in Nacht vor Dir, und meine Begeiſterung ermattet vor Dir, und alle Gedanken ſchlafen unter deinem Firmament.
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So bist Du Poet ein vom Sternenreigen seiner Eingebungen umtanzter Mond; meine Gedanken aber liegen im Tal, wie die Feldblumen, und sinken in Nacht vor Dir, und meine Begeisterung ermattet vor Dir, und alle Gedanken schlafen unter Deinem Firmament.
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arnimb_goethe01_1835
| 848 |
Bettine.
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Bettine.
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arnimb_goethe01_1835
| 849 |
Goethe an Bettine.
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Goethe an Bettine.
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arnimb_goethe01_1835
| 850 |
18ten Juni.
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18. Juni.
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arnimb_goethe01_1835
| 851 |
Mein liebes Kind!
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Mein liebes Kind!
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arnimb_goethe01_1835
| 852 |
ich klage mich an, daß ich Dir nicht früher ein Zeichen gegeben, wie genußreich und erquickend es mir iſt, das reiche Leben deines Herzens überſchauen zu dürfen.
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Ich klage mich an, dass ich Dir nicht früher ein Zeichen gegeben, wie genussreich und erquickend es mir ist, das reiche Leben Deines Herzens überschauen zu dürfen.
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arnimb_goethe01_1835
| 853 |
Wenn es auch ein Mangel in mir iſt, daß ich Dir nur wenig ſagen kann, ſo iſt es Mangel an Faſſung über alles was Du mir giebſt.
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Wenn es auch ein Mangel in mir ist, dass ich Dir nur wenig sagen kann, so ist es Mangel an Fassung über alles was Du mir gibst.
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arnimb_goethe01_1835
| 854 |
Ich ſchreibe Dir dieſen Augenblick im Flug’, denn ich fürchte da zu verweilen, wo ſo viel überſtrömendes mich ergreift.
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Ich schreibe Dir diesen Augenblick im Flug, denn ich fürchte da zu verweilen, wo so viel Überströmendes mich ergreift.
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arnimb_goethe01_1835
| 855 |
Fahre fort, deine Heimath bei der Mutter zu befeſtigen; es iſt ihr zu viel dadurch geworden, als daß ſie dich entbehren könnte, und rechne Du auf meine Liebe und meinen Dank.
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Fahre fort, Deine Heimat bei der Mutter zu befestigen; es ist ihr zu viel dadurch geworden, als dass sie Dich entbehren könnte, und rechne Du auf meine Liebe und meinen Dank.
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arnimb_goethe01_1835
| 856 |
G.
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G.
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arnimb_goethe01_1835
| 857 |
Frankfurt am 29ſten Juni.
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Frankfurt am 29. Juni.
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arnimb_goethe01_1835
| 858 |
Wenn ich alles aus dem Herzen in die Feder fließen ließ, ſo würdeſt Du manches Blatt von mir bei Seite legen, denn immer von mir und von Dir, und einzig von meiner Liebe, das wär’ doch nur der bewußte ewige Inhalt.
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Wenn ich alles aus dem Herzen in die Feder fließen ließ, so würdest Du manches Blatt von mir beiseitelegen, denn immer von mir und von Dir, und einzig von meiner Liebe, das wäre doch nur der bewusste ewige Inhalt.
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arnimb_goethe01_1835
| 859 |
Ich hab’s in den Fingerſpitzen, und meine ich müßte Dir erzählen, was ich Nachts von Dir geträumt habe, und denk’ nicht, daß Du für anders in der Welt biſt.
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Ich habe es in den Fingerspitzen, und meine ich müsste Dir erzählen, was ich Nachts von Dir geträumt habe, und denke nicht, dass Du für anders in der Welt bist.
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arnimb_goethe01_1835
| 860 |
Häufig hab’ ich denſelben Traum, und es hat mir ſchon viel Nachdenken gemacht, daß meine Seele immer unter denſelben Bedingungen mit Dir zu thun hat; es iſt als ſolle ich vor Dir tanzen, ich bin ätheriſch gekleidet, ich hab’ ein Gefühl, daß mir alles gelingen werde, die Menge umdrängt mich.
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Häufig habe ich denselben Traum, und es hat mir schon viel Nachdenken gemacht, dass meine Seele immer unter denselben Bedingungen mit Dir zu tun hat; es ist als solle ich vor Dir tanzen, ich bin ätherisch gekleidet, ich habe ein Gefühl, dass mir alles gelingen werde, die Menge umdrängt mich.
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arnimb_goethe01_1835
| 861 |
— Ich ſuche Dich, dort ſitzeſt Du frei mir gegenüber; es iſt als ob Du mich nicht bemerkteſt und ſeieſt mit anderem beſchäftigt; — jetzt trete ich vor Dich, goldbeſchuhet, und die ſilbernen Ärme hängen nachläſſig, und warte; da hebſt Du das Haupt, dein Blick ruht auf mir unwillkührlich, ich ziehe mit leiſen Schritten magiſche Kreiſe, dein Aug’ verläßt mich nicht mehr, Du mußt mir nach, wie ich mich wende und ich fühle einen Triumph des Gelingens; — alles was Du kaum ahndeſt, das zeige ich Dir im Tanz, und Du ſtaunſt über die Weisheit, die ich Dir vortanze, bald werf’ ich den luftigen Mantel ab und zeig’ Dir meine Flügel, und ſteig’ auf in die Höhen; da freu’ ich mich, wie dein Aug’ mich verfolgt; dann ſchweb’ ich wieder herab, und ſink’ in deine umfaſſenden Arme; dann athmeſt Du Seufzer aus, und ſiehſt an mir hinauf und biſt ganz durchdrungen; aus dieſen Träumen erwachend kehr’ ich zu den Menſchen zurück wie aus weiter Ferne; ihre Stimmen ſchallen mir fremd, und ihre Geberden auch; — und nun laß mich bekennen, daß bei dieſen Bekenntniß meiner Traumſpiele meine Thränen fließen.
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— Ich suche Dich, dort sitzest Du frei mir gegenüber; es ist als ob Du mich nicht bemerktest und seiest mit anderem beschäftigt; — jetzt trete ich vor Dich, goldbeschuht, und die silbernen Arme hängen nachlässig, und warte; da hebst Du das Haupt, Dein Blick ruht auf mir unwillkürlich, ich ziehe mit leisen Schritten magische Kreise, Dein Auge verlässt mich nicht mehr, Du musst mir nach, wie ich mich wende und ich fühle einen Triumph des Gelingens; — alles was Du kaum ahnst, das zeige ich Dir im Tanz, und Du staunst über die Weisheit, die ich Dir vortanze, bald werfe ich den luftigen Mantel ab und zeige Dir meine Flügel, und steige auf in die Höhen; da freue ich mich, wie Dein Auge mich verfolgt; dann schwebe ich wieder herab, und sinke in Deine umfassenden Arme; dann atmest Du Seufzer aus, und siehst an mir hinauf und bist ganz durchdrungen; aus diesen Träumen erwachend kehre ich zu den Menschen zurück wie aus weiter Ferne; ihre Stimmen schallen mir fremd, und ihre Gebärden auch; — und nun lass mich bekennen, dass bei diesem Bekenntnis meiner Traumspiele meine Tränen fließen.
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arnimb_goethe01_1835
| 862 |
Einmal haſt Du für mich geſungen:
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Einmal hast Du für mich gesungen:
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arnimb_goethe01_1835
| 863 |
So laßt mich ſcheinen bis ich werde, zieht wir das weiße Kleid nicht aus.
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So lasst mich scheinen bis ich werde, zieht wir das weiße Kleid nicht aus.
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arnimb_goethe01_1835
| 864 |
— Dieſe magiſchen Reize, dieſe Zauberfähigkeiten ſind mein weißes Kleid; ich flehe auch, daß es mir bleibe bis ich werde, aber Herr: dieſe Ahndung läßt ſich nicht beſtreiten, daß auch mir das weiße Kleid ausgezogen werde, und daß ich in den gewöhnlichen des alltäglichen gemeinen Lebens einhergehen werde; und daß dieſe Welt, in der meine Sinne lebendig ſind, verſinken wird; das, was ich ſchützend decken ſollte, das werde ich verrathen; da wo ich duldend mich unterwerfen ſollte, da werde ich mich rächen; und da wo mir unbefangne kindliche Weisheit einen Wink giebt, da werd’ ich Trotz bieten und es beſſer wiſſen wollen; — aber das traurigſte wird ſein, daß ich mit dem Fluch der Sünde belaſten werde, was keine iſt, wie ſie es alle machen; — und mir wird Recht dafür geſchehen.
|
— Diese magischen Reize, diese Zauberfähigkeiten sind mein weißes Kleid; ich flehe auch, dass es mir bleibe bis ich werde, aber Herr: Diese Ahnung lässt sich nicht bestreiten, dass auch mir das weiße Kleid ausgezogen werde, und dass ich in den gewöhnlichen des alltäglichen gemeinen Lebens einhergehen werde; und dass diese Welt, in der meine Sinne lebendig sind, versinken wird; das, was ich schützend decken sollte, das werde ich verraten; da wo ich duldend mich unterwerfen sollte, da werde ich mich rächen; und da wo mir unbefangene kindliche Weisheit einen Wink gibt, da werde ich Trotz bieten und es besser wissen wollen; — aber das Traurigste wird sein, dass ich mit dem Fluch der Sünde belasten werde, was keine ist, wie sie es alle machen; — und mir wird Recht dafür geschehen.
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arnimb_goethe01_1835
| 865 |
— Du biſt mein Schutzaltar, zu Dir werd’ ich flüchten; dieſe Liebe, dieſe mächtige, die zwiſchen uns waltet, und die Erkenntniß, die mir durch ſie wird, und die Offenbarungen, die werden meine Schutzmauern ſein; ſie werden mich frei machen von denen, die mich richten wollen.
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— Du bist mein Schutzaltar, zu Dir werde ich flüchten; diese Liebe, diese mächtige, die zwischen uns waltet, und die Erkenntnis, die mir durch sie wird, und die Offenbarungen, die werden meine Schutzmauern sein; sie werden mich frei machen von denen, die mich richten wollen.
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arnimb_goethe01_1835
| 866 |
Dein Kind.
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Dein Kind.
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arnimb_goethe01_1835
| 867 |
An Goethe.
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An Goethe.
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arnimb_goethe01_1835
| 868 |
Vorgeſtern waren Wir im Egmont, ſie riefen alle:
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Vorgestern waren wir im Egmont, sie riefen alle:
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arnimb_goethe01_1835
| 869 |
Herrlich!
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Herrlich!
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arnimb_goethe01_1835
| 870 |
Wir gingen noch nach dem Schauſpiel unter den Mondbeſchienenen Linden auf und ab, wie es Frankfurter Sitte iſt, da hört’ ich tauſendfachen Wiederhall.
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Wir gingen noch nach dem Schauspiel unter den Mondbeschienenen Linden auf und ab, wie es Frankfurter Sitte ist, da hörte ich tausendfachen Widerhall.
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arnimb_goethe01_1835
| 871 |
— Der kleine Dalberg war mit uns; er hatte deine Mutter im Schauſpiel geſehen und verlangte, ich ſolle ihn zu ihr bringen; ſie war eben im Begriff, Nachttoilette zu machen, da ſie aber hörte, er komme vom Primas, ſo ließ ſie ihn ein; ſie war ſchon in der weißen Negligeejacke, aber ſie hatte ihren Kopfputz noch auf.
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— Der kleine Dalberg war mit uns; er hatte Deine Mutter im Schauspiel gesehen und verlangte, ich solle ihn zu ihr bringen; sie war eben im Begriff, Nachttoilette zu machen, da sie aber hörte, er komme vom Primas, so ließ sie ihn ein; sie war schon in der weißen Negligeejacke, aber sie hatte ihren Kopfputz noch auf.
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arnimb_goethe01_1835
| 872 |
Der liebenswürdige, feine Dalberg ſagte ihr, ſein Onkel habe von oben herüber ihre Freudeglänzenden Augen geſehen, während der Vorſtellung, und er wünſche ſie vor ſeiner Abreiſe noch zu ſprechen, und möchte ſie doch am andern Tag bei ihm zu Mittag eſſen.
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Der liebenswürdige, feine Dalberg sagte ihr, sein Onkel habe von oben herüber ihre Freudeglänzenden Augen gesehen, während der Vorstellung, und er wünsche sie vor seiner Abreise noch zu sprechen, und möchte sie doch am anderen Tag bei ihm zu Mittag essen.
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arnimb_goethe01_1835
| 873 |
Die Mutter war ſehr geputzt bei dieſem Diner das mit allerlei Fürſtlichkeiten und ſonſt merkwürdigen Perſonen beſetzt war, denen zu Lieb’ die Mutter wahrſcheinlich invitirt war, denn alle drängten ſich an ſie heran, um ſie zu ſehen und mit ihr zu ſprechen.
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Die Mutter war sehr geputzt bei diesem Diner das mit allerlei Fürstlichkeiten und sonst merkwürdigen Personen besetzt war, denen zuliebe die Mutter wahrscheinlich invitiert war, denn alle drängten sich an sie heran, um sie zu sehen und mit ihr zu sprechen.
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arnimb_goethe01_1835
| 874 |
Sie war ſehr heiter und beredſam, und nur von mir ſuchte ſie ſich zu entfernen.
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Sie war sehr heiter und beredsam, und nur von mir suchte sie sich zu entfernen.
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arnimb_goethe01_1835
| 875 |
Sie ſagte mir nachher, ſie habe Angſt gehabt, ich möge ſie in Verlegenheit bringen; ich glaube aber, ſie hat mir einen Streich geſpielt, denn der Primas ſagte mir ſehr wunderliche Sachen über Dich, und daß deine Mutter ihm geſagt habe, ich habe einen erhabenen äſthetiſchen Sinn.
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Sie sagte mir nachher, sie habe Angst gehabt, ich möge sie in Verlegenheit bringen; ich glaube aber, sie hat mir einen Streich gespielt, denn der Primas sagte mir sehr wunderliche Sachen über Dich, und dass Deine Mutter ihm gesagt habe, ich habe einen erhabenen ästhetischen Sinn.
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arnimb_goethe01_1835
| 876 |
Da nahm er einen ſchönen Engländer bei der Hand, einen Schwager des Lord Nelſon, und ſagte: dieſer feine Mann mit der Habichtsnaſe der ſoll Sie zu Tiſch führen, er iſt der ſchönſte von der ganzen Geſellſchaft, nehmen Sie vorlieb; der Engländer lächelte, er verſtand aber nichts davon.
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Da nahm er einen schönen Engländer bei der Hand, einen Schwager des Lord Nelson, und sagte: Dieser feine Mann mit der Habichtsnase der soll Sie zu Tisch führen, er ist der schönste von der ganzen Gesellschaft, nehmen Sie vorlieb; der Engländer lächelte, er verstand aber nichts davon.
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arnimb_goethe01_1835
| 877 |
Bei Tiſch wechſelte er mein Glas, aus dem ich getrunken hatte und bat mich um Erlaubniß, daraus zu trinken, der Wein würde ihm ſonſt nicht ſchmecken; das ließ ich geſchehen, und alle Weine, die ihm vorgeſetzt wurden, die goß er in dies Glas und trank ſie mit begeiſterten Blicken aus; es war eine wunderliche Tiſchunterhaltung; bald rückte er ſeinen Fuß dicht an den meinigen und fragte mich, was meine liebſte Unterhaltung ſei: ich ſagte, ich tanze lieber als ich gehe, und fliege lieber als ich tanze, und dabei zog ich meinen Fuß zurück.
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Bei Tisch wechselte er mein Glas, aus dem ich getrunken hatte und bat mich um Erlaubnis, daraus zu trinken, der Wein würde ihm sonst nicht schmecken; das ließ ich geschehen, und alle Weine, die ihm vorgesetzt wurden, die goss er in dies Glas und trank sie mit begeisterten Blicken aus; es war eine wunderliche Tischunterhaltung; bald rückte er seinen Fuß dicht an den meinigen und fragte mich, was meine liebste Unterhaltung sei: Ich sagte, ich tanze lieber als ich gehe, und fliege lieber als ich tanze, und dabei zog ich meinen Fuß zurück.
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arnimb_goethe01_1835
| 878 |
Ich hatte meinen kleinen Strauß, den ich vorgeſteckt hatte, in’s Waſſerglas geſtellt, damit er nicht ſobald welken ſolle, um ihn nach Tiſch wieder vorzuſtecken, er frug: „Will you give me this?“ ich nickte ihm, er nahm ihn daran zu riechen und küßte ihn; er ſteckte ihn in Buſen und knöpfte die Weſte drüber zu, und ſeufzte, und da ſah er, daß ich roth ward.
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Ich hatte meinen kleinen Strauß, den ich vorgesteckt hatte, ins Wasserglas gestellt, damit er nicht so bald welken solle, um ihn nach Tisch wieder vorzustecken, er fragte: „Will you give me this?“ Ich nickte ihm, er nahm ihn daran zu riechen und küsste ihn; er steckte ihn in Busen und knöpfte die Weste darüber zu, und seufzte, und da sah er, dass ich rot wurde.
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arnimb_goethe01_1835
| 879 |
— Sein Geſicht übergoß ſich mit einem Schmelz von Freundlichkeit; er wendete es zu mir, ohne die Augen aufzuſchlagen, als wolle er mich auffordern, ſeine wohlgefällige Bildung zu beachten; ſein Fuß ſuchte wieder den meinen, und mit leiſer Stimme ſagte er: bee good fine girl.
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— Sein Gesicht übergoss sich mit einem Schmelz von Freundlichkeit; er wendete es zu mir, ohne die Augen aufzuschlagen, als wolle er mich auffordern, seine wohlgefällige Bildung zu beachten; sein Fuß suchte wieder den meinen, und mit leiser Stimme sagte er: be good fine girl.
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arnimb_goethe01_1835
| 880 |
— Ich konnte ihm nicht unfreundlich ſein, und doch wollte ich gerne meine Ehre retten; da zog ich das eine End’ meines langen Gürtels um ſein Bein, und band es geſchickt an dem Tiſchbein feſt, ganz heimlich, daß es Niemand ſah; er ließ es geſchehen, ich ſagte: bee good fine boy.
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— Ich konnte ihm nicht unfreundlich sein, und doch wollte ich gerne meine Ehre retten; da zog ich das eine Ende meines langen Gürtels um sein Bein, und band es geschickt an dem Tischbein fest, ganz heimlich, dass es Niemand sah; er ließ es geschehen, ich sagte: be good fine boy.
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arnimb_goethe01_1835
| 881 |
— Und nun waren wir voll Scherz und Witz bis zum End’ der Tafel, und es war wirklich eine zärtliche Luſt zwiſchen uns; und ich ließ ihn ſehr gern’ meine Hand an ſein Herz ziehen, wie er ſie küßte.
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— Und nun waren wir voll Scherz und Witz bis zum Ende der Tafel, und es war wirklich eine zärtliche Lust zwischen uns; und ich ließ ihn sehr gern meine Hand an sein Herz ziehen, wie er sie küsste.
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arnimb_goethe01_1835
| 882 |
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—
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arnimb_goethe01_1835
| 883 |
Ich hab’ meine Geſchichte der Mutter erzählt’, die ſagt’, ich ſoll ſie Dir ſchreiben, es ſei ein artig Luſtſpiel für Dich, und Du würdeſt ſie allein ſchön auslegen; es iſt ja wahr, Du!
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Ich habe meine Geschichte der Mutter erzählt, die sagt, ich soll sie Dir schreiben, es sei ein artig Lustspiel für Dich, und Du würdest sie allein schön auslegen; es ist ja wahr, Du!
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arnimb_goethe01_1835
| 884 |
der es weiß, daß ich gern den Nacken unter deine Füße lege, Du wirſt mich nicht ſchelten, daß ich der Kühnheit des Engländers, der gern mit meinem Fuß geſpielt hätte, keinen ſtrengeren Verweis gab.
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der es weiß, dass ich gern den Nacken unter Deine Füße lege, Du wirst mich nicht schelten, dass ich der Kühnheit des Engländers, der gern mit meinem Fuß gespielt hätte, keinen strengeren Verweis gab.
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arnimb_goethe01_1835
| 885 |
— Du, der die Liebe erkennt, und die Feinheit der Sinne, o wie iſt alles ſo ſchön in Dir; wie rauſchen die Lebensſtröme ſo kräftig durch dein erregtes Herz, und ſtürzen ſich mit Macht in die kalten Wellen deiner Zeit, und brauſen auf, daß Berg und Thal rauchen von Lebensgluth, und die Wälder ſtehen mit glühenden Stämmen an deinen Geſtaden; und alles was Du anblickſt wird herrlich und lebendig.
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— Du, der die Liebe erkennt, und die Feinheit der Sinne, o wie ist alles so schön in Dir; wie rauschen die Lebensströme so kräftig durch Dein erregtes Herz, und stürzen sich mit Macht in die kalten Wellen Deiner Zeit, und brausen auf, dass Berg und Tal rauchen von Lebensglut, und die Wälder stehen mit glühenden Stämmen an Deinen Gestaden; und alles was Du anblickst wird herrlich und lebendig.
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arnimb_goethe01_1835
| 886 |
Gott, wie gern möcht’ ich jetzt bei Dir ſein!
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Gott, wie gern möchte ich jetzt bei Dir sein!
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| 887 |
und wär’ ich im Flug, weit über alle Zeiten, und ſchwebte über Dir: ich müßte die Fittige ſenken und mich gelaſſen der ſtillen Allmacht Deiner Augen hingeben.
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und wäre ich im Flug, weit über alle Zeiten, und schwebte über Dir: Ich müsste die Fittiche senken und mich gelassen der stillen Allmacht Deiner Augen hingeben.
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| 888 |
Die Menſchen werden Dich nicht immer verſtehen; und die Dir am nächſten zu ſtehen behaupten, die werden am meiſten Dich verläugnen; ich ſeh’ in die Zukunft, da ſie rufen werden: „Steiniget ihn!“ Jetzt, wo Deine eigne Begeiſtrung, gleich einem Löwen ſich an Dich ſchmiegt und Dich bewacht, da wagt ſich die Gemeinheit nicht an Dich.
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Die Menschen werden Dich nicht immer verstehen; und die Dir am nächsten zu stehen behaupten, die werden am meisten Dich verleugnen; ich sehe in die Zukunft, da sie rufen werden: „Steiniget ihn!“ Jetzt, wo Deine eigene Begeisterung, gleich einem Löwen sich an Dich schmiegt und Dich bewacht, da wagt sich die Gemeinheit nicht an Dich.
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| 889 |
Deine Mutter ſagte letzt:
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Deine Mutter sagte letzt:
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| 890 |
Die Menſchen ſind zu jetziger Zeit alle wie Gerning, der immer ſpricht: „wir übrigen Gelehrten,“ und ganz wahr ſpricht, denn er iſt übrig.
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Die Menschen sind zu jetziger Zeit alle wie Gerning, der immer spricht: „Wir übrigen Gelehrten,“ und ganz wahr spricht, denn er ist übrig.
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arnimb_goethe01_1835
| 891 |
—
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—
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| 892 |
Lieber todt als übrig ſein!
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Lieber tot als übrig sein!
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| 893 |
Ich bin es aber nicht, denn ich bin Dein, weil ich Dich erkenne in allem.
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Ich bin es aber nicht, denn ich bin Dein, weil ich Dich erkenne in allem.
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| 894 |
— Ich weiß, daß wenn ſich auch die Wolken vor dem Sonnengott aufthürmen, daß er ſie bald wieder niederdrückt mit glänzender Hand; ich weiß, daß er keinen Schatten duldet, als den er unter den Sproſſen ſeines Ruhmes ſich ſelber ſucht.
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— Ich weiß, dass wenn sich auch die Wolken vor dem Sonnengott auftürmen, dass er sie bald wieder niederdrückt mit glänzender Hand; ich weiß, dass er keinen Schatten duldet, als den er unter den Sprossen seines Ruhmes sich selber sucht.
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| 895 |
— Die Ruhe des Bewußtſeins wird Dich überſchatten; — ich weiß, daß wenn er ſich über den Abend hinwegbeugt, ſo erhebt er wieder im Morgen das goldne Haupt.
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— Die Ruhe des Bewusstseins wird Dich überschatten; — ich weiß, dass wenn er sich über den Abend hinwegbeugt, so erhebt er wieder im Morgen das goldene Haupt.
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| 896 |
— Du biſt ewig.
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— Du bist ewig.
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| 897 |
— D’rum iſt es gut mit Dir ſein.
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— Darum ist es gut mit Dir sein.
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| 898 |
Wenn ich Abends allein im dunklen Zimmer bin und des Nachbars Lichter den Schein an die Wand werfen, zuweilen auch Streiflichter Deine Büſte erleuchten, oder wenn es ſchon ſtill in der Stadt iſt, in der Nacht; hier und dort ein Hund bellt, ein Hahn ſchreit; — ich weiß nicht, warum es mich oft mehr wie menſchlich ergreift; ich weiß nicht, wo ich vor Schmerz hin will.
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Wenn ich Abends allein im dunklen Zimmer bin und des Nachbars Lichter den Schein an die Wand werfen, zuweilen auch Streiflichter Deine Büste erleuchten, oder wenn es schon still in der Stadt ist, in der Nacht; hier und dort ein Hund bellt, ein Hahn schreit; — ich weiß nicht, warum es mich oft mehr wie menschlich ergreift; ich weiß nicht, wo ich vor Schmerz hin will.
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| 899 |
— Ich möchte anders als wie mit Worten mit Dir ſprechen; ich möchte mich an Dein Herz drücken; — ich fühl’, daß meine Seele lodert.
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— Ich möchte anders als wie mit Worten mit Dir sprechen; ich möchte mich an Dein Herz drücken; — ich fühle, dass meine Seele lodert.
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| 900 |
— Wie die Luft ſo fürchterlich ſtill ruht kurz vor dem Sturm, ſo ſtehen denn grad’ meine Gedanken kalt und ſtill, und das Herz wogt wie das Meer.
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— Wie die Luft so fürchterlich still ruht kurz vor dem Sturm, so stehen denn gerade meine Gedanken kalt und still, und das Herz wogt wie das Meer.
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| 901 |
Lieber, lieber Goethe!
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Lieber, lieber Goethe!
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| 902 |
— dann löſt mich eine Rückerinnerung an Dich wieder auf; die Feuer- und Kriegszeichen gehen langſam an meinem Himmel unter, und Du biſt wie der hereinſtrömende Mondſtrahl.
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— Dann löst mich eine Rückerinnerung an Dich wieder auf; die Feuer- und Kriegszeichen gehen langsam an meinem Himmel unter, und Du bist wie der hereinströmende Mondstrahl.
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| 903 |
Du biſt groß und herrlich und beſſer als alles, was ich bis heute erkannt und erlebt hab’, — Dein ganzes Leben iſt ſo gut.
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Du bist groß und herrlich und besser als alles, was ich bis heute erkannt und erlebt habe, — Dein ganzes Leben ist so gut.
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| 904 |
An Bettine.
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An Bettine.
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| 905 |
Am 16. Juli 1807.
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Am 16. Juli 1807.
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| 906 |
Was kann man Dir ſagen und geben, was Dir nicht ſchon auf eine ſchönere Weiſe zugeeignet wäre; man muß ſchweigen und Dich gewähren laſſen; wenn es Gelegenheit giebt, Dich um etwas zu bitten, da mag man ſeinen Dank mit einfließen laſſen für das viele, was unerwartet durch Deine reiche Liebe einem geſchenkt wird.
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Was kann man Dir sagen und geben, was Dir nicht schon auf eine schönere Weise zugeeignet wäre; man muss schweigen und Dich gewähren lassen; wenn es Gelegenheit gibt, Dich um etwas zu bitten, da mag man seinen Dank mit einfließen lassen für das viele, was unerwartet durch Deine reiche Liebe einem geschenkt wird.
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| 907 |
Daß Du die Mutter pflegſt, möchte ich Dir gern auf’s Herzlichſte vergelten; — von dorther kam mir der Zugwind, und jetzt, weil ich Dich mit ihr zuſammen weiß, fühl’ ich mich geſichert und warm.
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Dass Du die Mutter pflegst, möchte ich Dir gern aufs Herzlichste vergelten; — von dorther kam mir der Zugwind, und jetzt, weil ich Dich mit ihr zusammen weiß, fühle ich mich gesichert und warm.
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| 908 |
Ich ſage Dir nicht: „komm!“ ich will nicht den kleinen Vogel aus dem Neſte geſtört haben; aber der Zufall würde mir nicht unwillkommen ſein, der Sturm und Gewitter benützte, um ihn glücklich unter mein Dach zu bringen.
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Ich sage Dir nicht: „Komme!“ Ich will nicht den kleinen Vogel aus dem Neste gestört haben; aber der Zufall würde mir nicht unwillkommen sein, der Sturm und Gewitter benützte, um ihn glücklich unter mein Dach zu bringen.
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| 909 |
Auf jeden Fall, liebſte Bettine, bedenke, daß Du auf dem Weg’ biſt, mich zu verwöhnen.
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Auf jeden Fall, liebste Bettine, bedenke, dass Du auf dem Weg bist, mich zu verwöhnen.
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| 910 |
Goethe.
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Goethe.
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| 911 |
An Goethe.
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An Goethe.
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| 912 |
Wartburg, den 1. Auguſt in der Nacht.
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Wartburg, den 1. August in der Nacht.
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| 913 |
Freund, ich bin allein; alles ſchläft, und mich hält’s wach, daß es kaum iſt, wie ich noch mit Dir zuſammen war.
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Freund, ich bin allein; alles schläft, und mich hält es wach, dass es kaum ist, wie ich noch mit Dir zusammen war.
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| 914 |
Vielleicht, Göthe, war dies das höchſte Ereigniß meines Lebens; vielleicht war es der reichſte, der ſeligſte Augenblick; ſchönere Tage ſollen mir nicht kommen, ich würde ſie abweiſen.
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Vielleicht, Goethe, war dies das höchste Ereignis meines Lebens; vielleicht war es der reichste, der seligste Augenblick; schönere Tage sollen mir nicht kommen, ich würde sie abweisen.
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| 915 |
Es war freilich ein letzter Kuß, mit dem ich ſcheiden mußte, da ich glaubte, ich müſſe ewig an Deinen Lippen hängen, und wie ich ſo dahin fuhr durch die Gänge unter den Bäumen, unter denen wir zuſammen gegangen waren, da glaubte ich, an jedem Stamme müſſe ich mich feſthalten, — aber ſie verſchwanden, die grünen wohlbekannten Räume, ſie wichen in die Ferne, die geliebten Auen und Deine Wohnung war längſt hinabgeſunken, und die blaue Ferne ſchien allein mir meines Lebens Räthſel zu bewachen; — doch die mußt’ auch noch ſcheiden, und nun hatt’ ich nichts mehr als mein heiß’ Verlangen, und meine Thränen floſſen dieſem Scheiden; ach, da beſann ich mich auf alles, wie Du mit mir gewandelt biſt in nächtlichen Stunden, und haſt mir gelächelt, daß ich Dir die Wolkengebilde auslegte und meine Liebe, meine ſchönen Träume, und haſt mit mir gelauſcht dem Geflüſter der Blätter im Nachtwind; der Stille der fernen weit verbreiteten Nacht.
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Es war freilich ein letzter Kuss, mit dem ich scheiden musste, da ich glaubte, ich müsse ewig an Deinen Lippen hängen, und wie ich so dahin fuhr durch die Gänge unter den Bäumen, unter denen wir zusammen gegangen waren, da glaubte ich, an jedem Stamme müsse ich mich festhalten, — aber sie verschwanden, die grünen wohlbekannten Räume, sie wichen in die Ferne, die geliebten Auen und Deine Wohnung war längst hinabgesunken, und die blaue Ferne schien allein mir meines Lebens Rätsel zu bewachen; — doch die musste auch noch scheiden, und nun hatte ich nichts mehr als mein heiße Verlangen, und meine Tränen flossen diesem Scheiden; ach, da besann ich mich auf alles, wie Du mit mir gewandelt bist in nächtlichen Stunden, und hast mir gelächelt, dass ich Dir die Wolkengebilde auslegte und meine Liebe, meine schönen Träume, und hast mit mir gelauscht dem Geflüster der Blätter im Nachtwind; der Stille der fernen weit verbreiteten Nacht.
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| 916 |
— Und haſt mich geliebt, das weiß ich; wie Du mich an der Hand führteſt durch die Straßen, da hab’ ich’s an Deinem Athem empfunden, am Ton Deiner Stimme, an etwas, wie ſoll ich’s Dir bezeichnen, das mich umwehte, daß Du mich aufnahmſt in ein inneres, geheimes Leben, und hatteſt Dich in dieſem Augenblick mir allein zugewendet und begehrteſt nichts als mit mir zu ſein; und dies alles, wer wird mir’s rauben?
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— Und hast mich geliebt, das weiß ich; wie Du mich an der Hand führtest durch die Straßen, da habe ich es an Deinem Atem empfunden, am Ton Deiner Stimme, an etwas, wie soll ich es Dir bezeichnen, das mich umwehte, dass Du mich aufnahmst in ein inneres, geheimes Leben, und hattest Dich in diesem Augenblick mir allein zugewendet und begehrtest nichts als mit mir zu sein; und dies alles, wer wird mir es rauben?
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| 917 |
— was iſt mir verloren?
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— Was ist mir verloren?
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| 918 |
— Mein Freund, ich habe alles, was ich je genoſſen.
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— Mein Freund, ich habe alles, was ich je genossen.
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| 919 |
Und wo ich auch hingehe — mein Glück iſt meine Heimath.
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Und wo ich auch hingehe — mein Glück ist meine Heimat.
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arnimb_goethe01_1835
| 920 |
Wie die Regentropfen raſſeln an den kleinen runden Fenſterſcheiben, und wie der Wind furchtbar tobt!
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Wie die Regentropfen rasseln an den kleinen runden Fensterscheiben, und wie der Wind furchtbar tobt!
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arnimb_goethe01_1835
| 921 |
Ich habe ſchon im Bett gelegen, und hatte mich nach der Seite gewendet, und wollte einſchlafen in Dir, im Denken an Dich.
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Ich habe schon im Bett gelegen, und hatte mich nach der Seite gewendet, und wollte einschlafen in Dir, im Denken an Dich.
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| 922 |
— Was heißt das: im Herrn entſchlafen?
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— Was heißt das: im Herrn entschlafen?
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