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183,710 | 23 K 792/11 | 2014-02-24T00:00:00 | Urteil | Tenor Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen vom 9. September 2010 in der Gestalt dessen Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2011 verpflichtet, der Klägerin Witwengeld nach dem Beamtenversorgungsgesetz nach dem verstorbenen Kriminaloberkommissar H. T. in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 1Tatbestand: 2Die am 00. September 1949 geborene Klägerin ist die Witwe des am 00. Mai 1958 geborenen H. T. , der als Beamter auf Lebenszeit bis zu seinem Tod im Polizeidienst des beklagten Landes stand (zuletzt im Rang eines Kriminaloberkommissars, Besoldungsgruppe A 10 Bundesbesoldungsordnung ‑ BBesO). 3Die Klägerin, geb. C. , hat aus einer nicht-ehelichen Beziehung mit Herrn N. L. das 1982 geborene Kind N1. . Nach der Trennung von Herrn L. im Jahre 1983 hatte sie mit Herrn X. C1. eine Beziehung aufgenommen, die zur Eheschließung im Jahr 1987 geführt hatte. Aus dieser Ehe ging ihr 1988 geborener Sohn X. C1. jun. hervor, bevor es zur Trennung und zur wirksamen Ehescheidung im Jahr 1991 kam. 4In der Folgezeit begann die Klägerin eine nicht-eheliche Beziehung mit dem Polizeibeamten H. T. und lebte mit diesem bis zu seinem Tod zusammen. Der Beamte hatte aus einer im Oktober 1995 geschiedenen Ehe einen Sohn (H. T. jun.). 5Mitte August des Jahres 2009 wurde beim Partner der Klägerin nach verschiedenen ärztlichen Untersuchungen auf Grund von aufgetretenen Beschwerden ärztlicherseits der Verdacht auf eine Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse geäußert. Nach einem ersten stationären Aufenthalt des Herrn T. im I. Klinikum in L1. vom 25. August bis 9. September 2009 stand mit ausreichender Sicherheit fest, dass bei Herrn T. tatsächlich ein Tumor der Bauspeicheldrüse (Pankreas-Karzinom) vorlag. Bei einem stationären Aufenthalt im selben Klinikum Mitte September 2009 wurde beim Kläger die Behandlung der Krebserkrankung mit einer Chemo-Therapie begonnen; dies wurde dann in der Onkologischen Tagesklinik des I. Klinikums fortgesetzt. 6Am 30. September 2009 schlossen der verstorbene H. T. und die Klägerin vor dem Standesamt L1. die Ehe (Heiratsregister: E 736/2009). 7Nach rasch fortschreitendem Tumorkrankheitsverlauf verstarb H. T. im I. Klinikum L1. am 19. Januar 2010 an den Folgen der Krebserkrankung seiner Bauchspeicheldrüse. 8Der Kläger war durch seinen Hausarzt seit dem 7. August 2009 arbeitsunfähig geschrieben und hatte bis zum Zeitpunkt seines Todes keinen Dienst mehr geleistet. 9Unter dem 26. Februar 2010 beantragte die Klägerin beim Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV) mit entsprechendem Formular die Festsetzung und Zahlung von Hinterbliebenenbezügen nach dem verstorbenen H. T. . Das LBV reagierte hierauf mit Schreiben vom 24. März 2010, in dem es wegen der Ehedauer von weniger als einem Jahr auf die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe gemäß § 19 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) sowie die Möglichkeit der Entkräftung dieser Vermutung durch die Witwe hinwies und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme unter Beifügung geeigneter Unterlagen einräumte. 10Die Klägerin nahm unter dem 1. April 2010 Stellung und teilte mit, dass die Eheschließung keinesfalls aus Versorgungsgesichtspunkten erfolgt sei. Im Einzelnen führte sie hierzu im Wesentlichen aus: Die Hochzeit sei bereits zu einem Zeitpunkt geplant gewesen, an dem die Erkrankung noch nicht festgestellt gewesen sei. Zu ihrem 50. Geburtstag am 7. September 2009 hätten sie heiraten wollen und hätten bereits die entsprechenden Vorplanungen in die Wege geleitet (Einladungen versandt, Essen bestellt etc.). Am 19. August 2009 sei dann anlässlich eines Arztbesuches festgestellt worden, dass ihr Mann wahrscheinlich ernsthaft erkrankt sei, so dass sie die Feier zunächst abgesagt hätten, um durch weitere Untersuchungen Gewissheit über seinen Gesundheitszustand zu erhalten. Wegen der geänderten Situation hätten sie dann auf eine „große Feier“ verzichtet und wenig später geheiratet. Hintergrund der Eheschließung sei keinesfalls ihre Versorgung gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt sei sie selbstständig beruflich tätig gewesen und habe genug verdient, um ihren Unterhalt sicherstellen zu können. Die Hochzeit sei zum einen geplant gewesen, weil sie in einer seit 14 Jahren andauernden Partnerschaft die Gewissheit erworben hätten, für einander da sein zu wollen. Zum anderen hätten ihr Mann und sie die Position des Partners für den Fall des Todes gestärkt wissen wollen. Sie hätten beide aus einer vorangegangenen Ehe ein bzw. zwei Kinder gehabt. Da sie zusammen Eigentümer ihres Wohnhauses gewesen seien, habe sichergestellt werden sollen, dass der jeweils überlebende Partner das überwiegende Eigentum an dem Haus behalten könne. Da ihr Mann zudem noch über erhebliches Barvermögen verfügt habe, hätten sie den jeweils Überlebenden nicht erheblichen Erbschaftsteuerforderungen aussetzen wollen.Ihrer Stellungnahme fügte die Klägerin eine Vermögensaufstellung aus der Erbschaftsauseinandersetzung mit dem Sohn des verstorbenen Beamten bei. 11Dem LBV reichte diese Stellungnahme nicht und es bat die Klägerin unter dem 22. April 2010 um Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht, um mit diesen die Einzelheiten der Krankheit des Verstorbenen zu klären. 12Daraufhin bestellte sich unter dem 27. April 2010 für die Klägerin Rechtsanwältin C2. (Rechtsanwälte I1. , H1. , M. und C2. aus L1. ), übermittelte die Schweigepflichtentbindung für die behandelnden Hausärzte und führte ergänzend im Wesentlichen aus: Der verstorbene Ehemann der Klägerin sei bis kurz vor seinem Tod nicht davon ausgegangen, nur noch über begrenzte Lebenszeit zu verfügen. Dies zeige sich z. B. daran, dass er noch am 29. September 2009 seinen Personalausweis bis zum Jahre 2019 verlängert habe. Die Eheleute hätten bereits vor Bekanntwerden der Erkrankung die Hochzeit geplant, diese Absicht jedoch zurückgestellt, weil bei Herrn T. eine Erkrankung festgestellt worden sei, deren Ausmaß und Ursache man zunächst auf den Grund habe gehen wollen. Anfang September sei ein unklarer Tumor diagnostiziert und mit den behandelnden Ärzten ein Behandlungsplan besprochen worden, der aus Sicht der behandelnden Ärzte und der Eheleute in einer Heilung münden sollte. Der Tumor sollte durch Bestrahlung verkleinert und alsdann operativ entfernt werden. Die Chemo-Therapie habe am 17. September 2009 begonnen. Am 30. September 2009 hätten die Klägerin und Ehemann dann mit der Absicht geheiratet, noch viele gemeinsame Jahre miteinander zu verbringen. Erst im Januar 2010 hätten die behandelnden Ärzte der Klägerin anlässlich einer Unterredung im I. Klinikum die Erkenntnis vermittelt, dass die Erkrankung ihres Ehemannes so schwerwiegend sei, dass wohl nicht mit Heilung oder Besserung zu rechnen sei. Der Ehemann habe diesen niederschmetternden Befund selbst dann noch nicht realisiert.Die Partner hätten bereits seit vielen Jahren in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Sie hätten zunächst nicht geheiratet, weil beide bereits eine gescheiterte Ehe hinter sich hatten und „gebrannte Kinder“ waren. Mit den Jahren sei jedoch das Thema einer Heirat immer wieder besprochen worden und habe sich bereits in den Jahren vor 2009 konkretisiert. Die Altersabsicherung der Klägerin sei nie Gegenstand der Erörterungen der Partner bei der Besprechung der Heiratsabsichten gewesen. Vielmehr hätten beide mit den Jahren des gemeinsamen Lebens und Wirtschaftens die Erkenntnis gewonnen, dass ihre Gemeinschaft von Dauer sei und daher das gewonnene gegenseitige Vertrauen in eine Ehe münden sollte. Zudem sollte der Partner für den Erbfall eine gesicherte Rechtsstellung im Verhältnis zu jeweils vorhandenen Kindern des anderen aus erster Ehe erhalten. Weiterer Ansatz sei außerdem die steuerliche Besserstellung des Ehegatten im Verhältnis zu einem nichtehelichen Lebenspartner gewesen. Lange bevor der Ehemann erkrankt gewesen sei, hätten die Partner irgendwann den Entschluss gefasst zu heiraten und hierfür als Datum den 50. Geburtstag der Ehefrau am 7. September 2009 ins Auge gefasst, der mit einer größeren Feier geplant war. Die gesamte Feier sei dann allerdings im Hinblick auf den Krankenhausaufenthalt des Ehemannes abgesagt worden. In der gesamten Konstellation hätten Versorgungsansprüche der Ehefrau bei der Eheschließung nicht einmal eine untergeordnete Rolle gespielt. 13Das LBV forderte sodann vom Hausarzt des H. T. , H2. T1. aus L1. , ein ärztliches Zeugnis über den Verstorbenen an und bat die Bevollmächtigten der Klägerin um Zusendung geeigneter Nachweise, wann die Vorbereitungen für die größere Feier der Hochzeit am 7. September 2009 begonnen hätten und nannte beispielsweise Unterlagen zur Bestellung des Aufgebots beim Standesamt, die Auftragsvergabe für ein Festessen, eine Rechnung der Druckerei für Einladungskarten, Zeitpunkt des Versandes der Einladungen usw. 14Die frühere Bevollmächtigte der Klägerin legte eine Bescheinigung des L2. -I2. T2. -C3. (aus 00000 L1. , Q. 138, unterschrieben „U. T2. -C3. “) vom 10. Juni 2010 darüber vor, dass die Klägerin am 8. Juli 2009 bei ihnen ein Büffet für 20 Personen anlässlich der Hochzeit am 12. September 2009 bestellt habe, die Feier jedoch wegen der Erkrankung ihres Mannes am 20. August 2009 verschoben habe. 15Der praktische Arzt H2. T1. aus L1. bescheinigte unter dem 8. September 2010, 16171. dass bei Herrn T. keine Vorerkrankungen vorgelegen hätten, die nach allgemeiner Einschätzung zu einem absehbaren Tod hätten führen können; 182. dass nach den vorliegenden Krankenhausberichten die letztendliche Diagnose eines Pankreaskopftumors im August 2009 gestellt worden sei, wobei über die Prognose der Erkrankung noch keine Aussage gemacht werden konnte; 193. dass auch im Dezember 2009 eine weitere therapeutische Chemo-Therapie eingeleitet worden sei, die aber letztendlich zu keiner Heilung des Tumors geführt habe. 20Das LBV lehnte die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung an die Klägerin mit Bescheid vom 9. September 2010 ab, weil die aus der kurzen Ehedauer folgende Vermutung einer Versorgungsehe nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG nicht ausgeräumt worden sei. Die gesetzliche Vermutung könne nur durch die besonderen, objektiv feststellbaren Umstände des Einzelfalles ausgeräumt werden, wobei der Hinterbliebene die materielle Beweislast trage, dass die Versorgungsabsicht keine maßgebende Bedeutung für die Ehe gehabt habe. Die von der Klägerin vorgetragenen Gründe hätten hierzu nicht ausgereicht; vielmehr habe das Vorbringen, dass sie mit dem Verstorbenen bereits mehrere Jahre in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt habe, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe bestätigt. 21Die damaligen Bevollmächtigten der Klägerin erhoben hiergegen unter dem 14. September 2010 Widerspruch, mit dem sie das bisherige Vorbringen wiederholten, vertieften und ergänzten. Im Einzelnen trugen sie mit dem Widerspruch sowie ergänzenden Stellungnahmen vom 15. November und 25. November 2010 vor: Die Entscheidung für die Ehe sei schon vor der Kenntnis gefallen, dass dem Verstorbenen nur noch begrenzte Lebenszeit zur Verfügung gestanden habe. Für den ursprünglichen Hochzeitstermin habe eine Anmeldung beim Standesamt noch nicht vorgelegen. Ihnen sei gesagt worden, wenn nicht ein außergewöhnliches Datum gewählt werde, reiche eine Anmeldung wenige Tage vor dem beabsichtigten Termin. Deshalb habe zu dem Zeitpunkt, als entschieden worden sei, die Trauung zu verschieben, noch keine Anmeldung vorgelegen. Vor dem Hintergrund der Erkrankung des Ehemannes habe die erfolgte Heirat den auf die Zukunft gerichteten Optimismus der Eheleute dokumentiert, die Krankheit in den Griff zu bekommen und ein langes gemeinsames Leben zu führen. 22Das LBV wies den Widerspruch nach telefonischen Ermittlungen beim Standesamt L1. mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2011 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Kenntnis einer lebensbedrohenden Erkrankung schließe die Widerlegung der Vermutung regelmäßig aus, es sei denn, es liege die konsequente Verwirklichung eines vorherigen Heiratsentschlusses vor. Für einen Heiratsentschluss mit großer Feier am 12. September 2009 vor Kenntnis der Krankheit am 19. August 2009 habe die Klägerin keine Nachweise vorgelegt. Gerade eine größere Hochzeitsfeier in Verbindung mit dem 50. Geburtstag der Klägerin erfordere eine Vielzahl von Vorbereitungsmaßnahmen. So würden z. B. Räumlichkeiten für die Feier angemietet, Einladungen gedruckt und versandt, Garderobe und Ringe gekauft, Reservierungen im Restaurant vorgenommen, Buffetvorschläge und Angebote von Caterern eingeholt, Aufträge an Getränkelieferanten erteilt und vieles mehr. Die allein als Nachweis vorgelegte Bescheinigung des Party-Service sei fragwürdig und reiche nicht aus. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich der Party-Service etwa ein Jahr nach den Geschehnissen noch genau an die dort genannten Termine erinnere, wenn es keine Angebotserteilung oder Auftragsbestätigung gegeben habe bzw. sich diese Vorgänge nicht anderweitig aus den Geschäftsbüchern ergäben.Ausschlaggebend sei zudem die Tatsache, dass die Anmeldung zur Eheschließung beim Standesamt vor Kenntnis der Erkrankung noch nicht erfolgt sei. Es sei lebensfremd und nicht glaubhaft, eine große Hochzeitsfeier zu planen und vorzubereiten, wenn der Hochzeitstermin noch nicht vom Standesamt vergeben worden sei. Die Angabe der Klägerin, dies sei auch noch wenige Tage vor dem beabsichtigten Termin möglich, fordere zum einen sehr hohe Flexibilität hinsichtlich des Termins, andererseits sei die Hochzeit für den 12. September 2009, einen Samstag, geplant gewesen. Bei einem Samstagstermin für eine Trauung sei immer von einer großen Nachfrage auszugehen und dies treffe auch beim Standesamt L1. zu. Da dort nicht an jedem Samstag Trauungen durchgeführt würden und dann auch nur vier Trauungen an einem Samstag stattfinden könnten, seien diese Termine so begehrt, dass die Anmeldungen schon zum frühestmöglichen Zeitpunkt (ein halbes Jahr vorher) erfolgen. 23Die Klägerin hat hiergegen am 5. Februar 2011 Klage erhoben, mit der sie ihr auf die Gewährung von Witwengeld gerichtetes Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung wiederholt, vertieft und ergänzt sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und führt im Wesentlichen aus: Die Eheleute hätten schon längere Zeit vor der Krebs-Diagnose entschieden zu heiraten, dieses jedoch aus diversen Gründen – zuletzt der Erkrankung des Ehemannes – zurückgestellt. Die anfängliche Skepsis der Eheleute gegenüber der Ehe nach den vorangegangenen gescheiterten Ehen habe sich durch die Jahre des Zusammenlebens verändert. Etwa ab 2005 hätten die Partner gelegentlich davon gesprochen, über kurz oder lang doch zu heiraten. Ausschlaggebend sei dabei der Umstand gewesen, dass in den Jahren des gemeinsamen Lebens auch vermögensmäßige Verknüpfungen erfolgt waren. Dies sei insbesondere in Bezug auf die Kinder aus den Vorehen eine unsichere Situation gewesen, die man auch erbvertraglich hätte regeln können, was jedoch negative steuerliche Konsequenzen gehabt hätte, die die Partner hätten verhindern wollen. Die Partner hätten insofern zwar die Entscheidung getroffen, zusammen zu bleiben und zu heiraten, hätten sich aber für die Ausführung dieses Entschlusses kein unbedingtes zeitliches Ziel gesetzt. Da sie dem Teenager-Alter seit langem entwachsen waren und seit langem zusammen lebten, war dies deshalb nichts, was unbedingt, schnellstens und mit erheblicher öffentlicher Aufmerksamkeit habe erledigt werden müssen. Im Freundeskreis sei die Heiratsabsicht bekannt gewesen und scherzhaft auch diskutiert worden, weil gerade alltägliche Dinge dazu geführt hätten, dass der Hochzeitstermin immer wieder verschoben worden sei. So hätte schon 2008 geheiratet werden sollen, jedoch sei dies aufgrund einer Erkrankung des Hundes verschoben worden. Den Freunden des Paares sei die grundsätzliche Heiratsabsicht jedenfalls seit langem bekannt gewesen. Anders sei es dann im Jahr 2009 gewesen: Dort sei die Klägerin 50 geworden und es habe groß gefeiert werden sollen. Bereits im Frühjahr hätten sich die Eheleute darauf geeinigt, dieses Fest zu nutzen, um zu heiraten und dies den Freunden bekannt zu geben. Die Umsetzung dieses Plans sei am Ende erneut verschoben worden, weil beim Ehemann gesundheitliche Probleme aufgetreten waren. Er habe seit Frühjahr 2009 unklare Beschwerden gehabt, jedoch einen Arztbesuch gescheut. Ende Juli 2009 habe er dann einen Arzt aufgesucht, der diverse Untersuchungen veranlasst habe, die zunächst ohne konkreten Befund gewesen seien. Da es ihm jedoch immer schlechter gegangen sei, sei die Geburtstagsfeier abgesagt und die Hochzeit verschoben worden. Im Anschluss an ein CT am 19 August 2009 sei dann der Verdacht auf einen Tumor der Bauchspeicheldrüse erstmals geäußert worden, was durch Untersuchungen nachfolgend bestätigt worden sei, wobei ein Therapieplan mit Heilungsziel erstellt und eine Chemo-Therapie eingeleitet worden sei.Das vom LBV der Klägerin entgegengehaltene Fehlen äußerer Vorbereitungen für eine große Hochzeit sei erklärlich und spreche deshalb nicht gegen die Klägerin. Gerade eine zweite Hochzeit erfolge oft eher im Stillen. Dann sei auch kein Termin beim Standesamt weit im Voraus erforderlich. Die Hochzeit habe auch nicht auf den Tag der Feier fallen müssen, sondern es habe nur mit den Freunden gefeiert werden sollen. Deshalb sei es völlig unerheblich, an welchem genauen Tag die Trauung vollzogen worden wäre. Gegen eine Versorgungsabsicht spreche auch, dass den Partnern kein Bedürfnis dafür bekannt gewesen sei. Die Klägerin habe während der gesamten Dauer der Beziehung für ihren eigenen Lebensunterhalt durch eigene Berufstätigkeit gesorgt, sie erwarte bei Renteneintritt eigene Altersbezüge, wobei sie deren genaue Höhe in letzter Konsequenz noch nicht wisse. Mitte August bzw. bei Eheschließung habe kein Anlass bestanden, von einem tödlichen Verlauf in naher Zukunft auszugehen. Da deshalb im August/September 2009 ein tödlicher Krankheitsverlauf nicht bedacht worden sei, sei es ausgeschlossen, dass die Versorgung ein Grund der Heirat gewesen sei. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten die Eheschließung am 17. September 2009 angemeldet. Dabei habe der Ehemann die Verlängerung seines Passes beantragt, was ein Indiz für seinen Glauben an ein längeres Leben sei.Dem fügte die Klägerin eine Kopie der Quittung über die Anmeldung der Eheschließung am 17. September 2009 bei. 24Nachdem bei der Klägerin im August 2011 ein Anwaltswechsel stattgefunden hatte, hat der neue Bevollmächtigte der Klägerin auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 28. März 2013 eingehend zur Entwicklung der Beziehung zwischen der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann seit 1995, der beruflichen und finanziellen Situation der Klägerin, der vermögensmäßigen Beziehungen zwischen den Eheleuten sowie der Entstehung und Umsetzung des Heiratsentschlusses Stellung genommen. In Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung der bisherigen Klagebegründung, teilweise jedoch mit ganz neuen Schwerpunkten und Aspekten führte der Bevollmächtigte im Wesentlichen aus: Die Klägerin und H. T. hätten sich schon bei einer Party zu Silvester 1995 kennengelernt, dort ausgezeichnet verstanden und dann ineinander verliebt. Im Laufe der nächsten Monate habe sich daraus eine ernsthafte Beziehung entwickelt. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin vom Einkommen her im Grunde gut aufgestellt gewesen, so dass sie allen Kreditverpflichtungen im Hinblick auf ihr Hausgrundstück habe nachkommen können. Sie habe damals für die Recycling-Firma S. T3. gearbeitet, für die sie Aufträge über Altholz vermittelt habe. Diese Recycling-Firma habe bei der Klägerin in deren Haus Büroräume gemietet; des Weiteren habe der Vater der Klägerin einen Garten- und Landschaftsbau betrieben und auf dem Grundstück eine Halle und Abstellflächen gemietet. Für dieses Unternehmen habe die Klägerin Büroarbeiten erledigt. Weiterhin hätte der Bruder der Klägerin eine Wohnung im Anbau angemietet. Diese finanzielle Situation habe sich am 20. Mai 1996 schlagartig geändert. Sie habe am Morgen dieses Tages einen Telefonanruf erhalten, durch den sie erfahren habe, dass sich ihr Hauptauftraggeber nach Afrika abgesetzt hatte. Im Sommer 1996 sei der Bruder der Klägerin aus dem Haus ausgezogen und das Unternehmen des Vaters sei notleidend geworden, so dass es ebenfalls im Jahre 1996 geschlossen werden musste. Die Klägerin habe auf diese Weise im Wesentlichen ihre bisherigen Einnahmequellen verloren, so dass sie sich Arbeit, zunächst in einem Call-Center, gesucht habe. In dieser Situation habe die Klägerin in vielen Gesprächen mit dem verstorbenen H. T. nach einer Lösung gesucht, insbesondere weil sie das Haus – ihr Elternhaus – halten wollte. Schließlich sei man dahingehend übereingekommen, dass H. T. einen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück von der Klägerin kaufen sollte, was im Frühjahr 1997 auch erfolgt und grundbuchlich umgesetzt worden sei. Seit diesem Zeitpunkt hätten die Klägerin und Herr T. zusammen in dem Haus gewohnt. Bei in der Folgezeit stattfindender zunehmender Stabilisierung der finanziellen Lage hätten die nichtehelichen Partner Lebensversicherungen für den jeweils anderen abgeschlossen, um sich gegenseitig abzusichern. Nach verschiedenen angestellten Tätigkeiten habe die Klägerin dann ab dem Jahre 2001 wieder von dem gemeinsamen Haus aus eine Gartenbaufirma betrieben. Die zwischen der Klägerin und H. T. vorgenommenen Vorsorgemaßnahmen seien ihnen ausreichend erschienen. Aus ihrer Sicht habe sich schon 2001 die Versorgungssituation so dargestellt, dass die Klägerin Miteigentümerin eines Hausgrundstücks war, im Falle des Todes ihres Partners eine hohe Versicherungssumme erhalten würde, Inhaberin eines Unternehmens war und darüber hinaus Rentenanwartschaften bei der staatlichen Rentenversicherung erworben hatte. Mit der späteren Heirat sei es darum gegangen, in Bezug auf den Vermögensstand des Herrn T. im Todesfall erhebliche Erbschaftssteuern zu vermeiden. Darüber hinaus sei es darum gegangen, die Position des anderen Partners im Verhältnis zu den Kindern zu stärken und dafür Sorge zu tragen, dass dem überlebenden Ehegatten auch das wesentliche Vermögen, insbesondere die überwiegenden Anteile an dem Hausgrundstück, zufallen würden. Abgesehen davon, dass die Eheleute erst nach der Eheschließung erfahren hätten, dass die Krankheit des Ehemannes nicht mehr überwunden werden könne, sei eine beamtenrechtliche Hinterbliebenenversorgung wegen der bereits sehr guten Versorgung der Klägerin nicht maßgeblich gewesen. Die Entwicklung des Heiratsentschlusses sei wie folgt gewesen: Aufgrund einer im Jahre 2005 erfolgten Mandeloperation, in dessen Folge die Klägerin zuhause einen Blutsturz erlitten habe, hätten die Partner das Thema Heirat aufgegriffen. Man sei damals übereingekommen, dass geheiratet werden sollte, sobald das Haus in Eigenleistung durchmodernisiert worden sei. Diese Arbeiten seien im Frühjahr 2008 abgeschlossen gewesen. Danach habe sich der Heiratsentschluss konkretisiert: Das Paar hätte Ringe gekauft und sich miteinander verlobt. Die Verlobung sei auf der Feier zum 50. Geburtstag des Herrn T. am 20. Mai 2008 gegenüber den Gästen bekannt gegeben worden. Zur geplanten Hochzeit sei es 2008 nicht gekommen, weil bei der Klägerin gesundheitliche Probleme an der Gebärmutter auftraten, so dass eine Operation erforderlich geworden sei, die am 8. Oktober 2008 durchgeführt worden sei. Darüber hinaus sei der Hund der Klägerin und ihres späteren Ehemannes erkrankt, worüber es auch zu Unstimmigkeiten kam, die in einen Streit mündeten, so dass auch aus diesem Grunde die Heirat nicht mehr als vordringliches Ziel angesehen worden sei. Jedoch vertrug man sich wieder und kam sodann überein, im laufenden Kalenderjahr 2008 nicht mehr zu heiraten. Vielmehr sollte die Heirat im Kalenderjahr 2009 stattfinden. Das Paar hätte vereinbart, am Montag, den 7. September 2009, dem 50. Geburtstag der Klägerin zu heiraten. Sodann sollte die stattgefundene Hochzeit auf einer Feier am darauffolgenden Samstag, dem 12. September 2009 bekannt gegeben werden. Zur Vorbereitung der Hochzeit sei die Klägerin mit einer Bekannten in das Gartenlokal auf dem B. zum Probeessen gegangen, weil dort ein Buffet bestellt werden sollte. Die Feier selbst habe bei einer Bekannten des Paares, D. I3. , in deren Haus stattfinden sollen. Letztlich habe die Klägerin am 8. Juli 2009 bei der Firma T2. -C3. telefonisch ein Buffet für 20 Personen bestellt, worüber weder eine schriftliche Bestätigung erfolgt, noch eine Anzahlung geleistet worden sei. Mit Frau N2. W. sei vereinbart worden, dass diese auf der Feier kellnern und die Gäste bewirten sollte. Zudem habe die Klägerin eine Einladung entworfen, auf der die Bekanntgabe der Eheschließung angedeutet worden sei. Einigen Personen sei der Plan der Eheschließung jedoch auch durch Mitteilung der Klägerin bekannt gewesen. Das Standesamt L1. habe der Klägerin auf Nachfrage bestätigt, dass auch eine kurzfristige Bestellung des Aufgebots und ein Heiratstermin in der Woche vor der Geburtstagsfeier der Klägerin möglich seien, weshalb sie die Bestellung des Aufgebotes zurückgestellt hätten.Zur Krankheitsgeschichte: Seite Mitte Juli 2009 habe H. T. über Bauchschmerzen geklagt. Nachdem er anfänglich nicht zum Arzt habe gehen wollen, habe er dies nach ungefähr zwei Wochen getan und es seien ärztlich angeordnete Untersuchungen durchgeführt worden, die zunächst jedoch keine greifbaren Ergebnisse gebracht hätten. Am 19. August 2009 sei erstmals jedoch ein Befund mit einer Verdachtsdiagnose erteilt worden; nach ärztlicher Aussage sei diese jedoch nicht gesichert gewesen, was sie beruhigt habe. Jedoch hätten die Klägerin und ihr verstorbener Partner die geplante Feier abgesagt. Ab 25. August 2009 sei Herr T. zum ersten Mal stationär im I. Krankenhaus aufgenommen worden. Als sich dann der Verdacht eines Pankreas-Karzinoms verdichtet habe, hätten die Eheleute die Erkrankung des Ehemannes nicht nur gemeinsam durchstehen, sondern auch heiraten wollen, um sich zum einen neben den zuvor erwähnten Gründen auch gegenseitig ihre Verbundenheit durch die Trauung zu bekräftigen und zum anderen ihre Zusammengehörigkeit nach außen zur Geltung zu bringen. Zudem wollten sie im Verhältnis zum Sohn des Ehemannes klare Verhältnisse schaffen. Dementsprechend habe die Klägerin am 17. September 2009 beim Standesamt das Aufgebot bestellt und sie hätten nach Rückkehr des H. T. aus dem Krankenhaus am 25. September 2009 dann am 30. September 2009 die Ehe geschlossen. Dies sei ein konsequenter Abschluss einer lange vorhandenen Planung gewesen. Es sei zu einer Zeit erfolgt, als beide Ehegatten mangels entgegenstehender Informationen davon ausgingen, dass der Ehemann von seiner Krebserkrankung genesen werde. Erstmalig bei dem letzten Krankenhausaufenthalt ihres Ehemannes ab dem 8. Januar 2010 habe die Klägerin von der behandelnden Ärztin erfahren, dass der Ehemann unheilbar erkrankt sei. Vor diesem Termin seien sie immer davon ausgegangen, dass die Krankheit durch die eingeleiteten Maßnahmen überwunden werden könne.Mit diesem Schriftsatz hat die Klägerin umfangreiche Unterlagen vorgelegt (zusammengefasst in Beiakte Heft 10), u.a.: 25 Eintragungsnachricht des Amtsgerichts L1. zum Grundstück: Übertragung hälftiger Anteil von der Klägerin an H. T. , Auflassung am 13. Februar 1997, Eintragung im Grundbuch am 30. April 1997; 26 Bescheinigung/Police der L3. Lebensversicherung AG, Versicherungsnehmerin: Klägerin, im Todesfall Zahlung an H. T. ; 27 Police V. Lebensversicherung AG: Risikolebensversicherung, Versicherungsnehmerin: Klägerin, versicherte Person: H. T. ; 28 Leistungsmitteilung der V1. Krankenversicherung zugunsten Klägerin zu Kosten eines Krankenhaus-Aufenthalts im Klinikum L1. vom 6. - 8. November 2005 und 27. Oktober - 1. November 2005; 29 Leistungsmitteilung der V1K über Kosten eines Aufenthalts der Klägerin in Gynäkologischer Tagesklinik vom 8. - 9. Oktober 2008; 30 Unterlagen über Behandlung des Golden Retrievers C4. bis zur Einschläferung am 30. Oktober 2008; 31 Ausdruck einer Einladungskarte zur Feier des 50. Geburtstags der Klägerin am 12. September 2009, ab 18.00 Uhr; 32 Unterlagen zur Auseinandersetzung des H. T. mit seinem Sohn; 33 umfangreiche medizinische Informationen über die Erkrankung des Partners der Klägerin, insbesondere: 34 zur Chemotherapie in der Onkologischen Tagesklinik im I. Klinikum, 35 ärztliche Berichte zu den Untersuchungen des H. T. bis zur Verdachtsdiagnose am 19. August 2009, 36 Berichte des I. Klinikums L1. vom 3. September, 21. September und 12. November 2009 über die stationären Aufenthalte sowie die Behandlung des Klägers, 37 Bescheinigung des I. Klinikums über die stationären Aufenthalte des Klägers (25. August - 9. September 2009, 15. - 21. September 2009, 14. - 30. Dezember 2009, 8. ‑ 19. Januar 2009); 38 zwei Versionen einer Vollmacht des H. T. für die Anmeldung der Eheschließung durch die Klägerin beim Standesamt L1. ; 39 sowie Kopien des am 8. April 2009 abgelaufenen Personalausweises sowie des neuen, bis 29. September 2019 gültigen Personalausweises des H. T. , nebst Kassenquittung des Bürgerbüros L1. über Zahlung von 8,00 Euro am 30. September 2009, 9.35 Uhr. 40In der mündlichen Verhandlung am 6. Mai 2013 hat die Klägerin sich erschöpfend zu allem geäußert. Sie hat sich insbesondere eingelassen zu ihren familiären Verhältnissen, ihren früheren Beziehungen, ihrem beruflichen Werdegang, der Entwicklung der Beziehung mit H. T. , den getroffenen Regelungen in Bezug auf das Hausgrundstück Alte O. straße 46 in 00000 L1. (G. ), sonstigen Vorsorgemaßnahmen der Eheleute für den Todesfall, ihrer Verlobung mit H. T. am 20. Mai 2008, den Planungen für die Heirat sowie die Feier ihres 50. Geburtstages im September 2009, dem Auftreten der Erkrankung ihres Ehemannes und der daraus folgenden Absage von Heirat und Geburtstags-/Hochzeitsfeier sowie zum Verlauf der Krebserkrankung und deren Behandlung bis zum Tod im Januar 2010.Im Termin hat die Klägerin an weiteren Unterlagen vorgelegt: 41 Fotos von Kraftfahrzeugen der Eheleute, 42 Unterlagen zur Planung der Feier am 12. September 2009, 43 notarieller Kaufvertrag vom 13. Februar 1997 über die Übertragung der Hälfte des Hausgrundstückes von der Klägerin auf H. T. zum Preis von 230.000,00 DM, 44 sowie ein handschriftliches Testament der Klägerin vom 21. November 2001. 45Die Klägerin beantragt, 46das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV) vom 9. September 2010 in der Gestalt dessen Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2011 zu verpflichten, ihr Witwengeld nach dem Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) nach dem verstorbenen Kriminaloberkommissar H. T. in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. 47Das beklagte Land beantragt, 48die Klage abzuweisen. 49Zur Begründung führt das LBV im Wesentlichen aus: Die Klägerin habe die Vermutung einer Versorgungsehe aufgrund der kurzen Ehedauer nicht widerlegt. Die Verlobung im Jahr 2008 sowie die Planungen für eine Heirat am 7. September 2009 sowie deren Feier im Zusammenhang mit dem 50. Geburtstag der Klägerin am 12. September 2009 seien nicht glaubhaft. Neben verschiedenen einzeln benannten Widersprüchen und Ungereimtheiten sei vor allem nicht nachvollziehbar, warum die Eheschließung beim Standesamt für den 7. September 2009 noch nicht angemeldet worden war. Daneben sei in Bezug auf die Art und Weise des Vortrags sowie die Beibringung von Unterlagen und Nachweisen seitens der Klägerin im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sowie später im Klageverfahren manches schwer erklärlich und spreche gegen den Wahrheitsgehalt ihres Vorbringens. Selbst wenn man der Klägerin dies jedoch abnehmen wolle, so sei ein Heiratsentschluss für den 7. September 2009 bei Bekanntwerden der Krebserkrankung des Herrn T. aufgegeben worden und es sei dann in Bezug auf die letztlich am 30. September 2009 stattgefundene standesamtliche Eheschließung ein neuer Heiratsentschluss gefasst worden. Dies sei nicht mehr die konsequente Umsetzung des vorherigen Heiratsentschlusses, sondern eine unter dem Eindruck der Krebserkrankung erfolgte Entscheidung zur Ehe, bei der die Versorgungsabsicht – unabhängig von der Vermutung des § 19 BeamtVG – naheliege. Zu den Einzelheiten des Vortrags des LBV wird auf die Klageerwiderung vom 16. März 2011 (Blatt 25 f. der Gerichtsakte) sowie die Stellungnahmen vom 16. April 2013 (Blatt 171 f.), vom 27. Juni 2013 (Blatt 293 f.) und vom 25. Juli 2013 (Blatt 306) Bezug genommen. 50Der Praktische Arzt H2. T1. aus L1. hat auf Fragen des Gerichts unter dem 12. April 2013 eine Stellungnahme zu H. T. , dessen Erkrankung und deren Prognose abgegeben. Die Vorlage seiner Behandlungsdokumentation hat er verweigert (zu den Einzelheiten Bl. 164 der Gerichtsakte). 51In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen N1. C1. (Tochter der Klägerin), B1. X1. , D. I3. , C5. G1. und N2. W. . Wegen deren Aussagen wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. 52Aufgrund des Beweisbeschlusses vom 13. Mai 2013 hat das Gericht weitere Ermittlungen zur beabsichtigten Eheschließung vor dem 12. September 2009 aufgenommen. Aufgrund dessen ist erfolgt: 53 Vorlage von Unterlagen zum neuen Personalausweis des H. T. seitens des Bürgerbüros L1. -G. ; 54 Vorlage von 16 eidesstattlichen Versicherungen durch die Klägerin von durch sie benannten Gästen der geplanten Feier am 12. September 2009 zu der Einladung für diese Feier, der Einladungskarte sowie der Absage der Feier (Blatt 254 ff. der Gerichtsakte); 55 Vorlage von Gold-Eheringen mit Gravur der jeweiligen Vornamen Q1. und H. sowie des Datums „30.9.2009“ durch die Klägerin (Digitalfotos im Originalumschlag, Blatt 274 der Gerichtsakte); 56 Kontoauszug zum Girokonto des H. T. Nr. 000000 bei Sparkasse L1. , BLZ 000 000 00 über Barabhebung von 500,00 EUR am 7. Mai 2008 am Geldautomat (Blatt 328); 57 von Seiten des Party-Service L2. -I2. und Ute T2. -C3. Vorlage einer Kopie des Kalenderblattes zum 12. September 2009 aus deren Kalender, mit Aufzeichnungen zu einem Auftrag der Klägerin; 58 Stellungnahme des I. Klinikum L1. vom 10. Juni 2013 zur dortigen Behandlung des Klägers, der Zielrichtung der durchgeführten Chemotherapie sowie der Prognose zur Erkrankung des Klägers einschließlich der Frage, inwiefern der Patient oder die Klägerin hierüber informiert wurden (Blatt 291 f.); 59 Vorlage der Behandlungsdokumentation der Medizinischen Klinik II – Innere Medizin – sowie der Onkologischen Tagesklinik des I. Klinikum L1. (Beiakten Hefte 11 bis 13). 60Das Gericht hat an Akten beigezogen: 61 Verwaltungsvorgang des LBV zur Hinterbliebenenversorgung der Klägerin (Beiakte 1), 62 Vorgang des Standesamtes L1. zur Eheschließung der Klägerin mit H. T. am 30. September 2009, Vorgang Nr. 874/09, Eheregister 736 (Beiakte 2), 63 Personalakten des Verstorbenen, Unterordner A bis C (Beiakten 3 bis 5), 64 Besoldungsakte des LBV zum Verstorbenen (Beiakte 6), 65 Krankenakten des polizeiärztlichen Dienstes in Bezug auf den Verstorbenen (Beiakten 7 bis 9). 66Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Landes sowie die weiteren Beiakten Bezug genommen. 67Entscheidungsgründe: 68Der Einzelrichter ist für die Entscheidung zuständig, nachdem der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 17. Januar 2013 gemäß § 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist. 69Das Gericht konnte nach der Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2013 und den anschließend erfolgten Ermittlungen ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben, § 101 Abs. 2 VwGO. 70Die zulässige Klage ist begründet. 71Die angefochtenen Bescheide des LBV vom 9. September 2010 und 10. Januar 2011 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten; sie hat einen Anspruch auf Gewährung von Witwengeld nach dem am 19. Januar 2010 verstorbenen Kriminaloberkommissar H. T. (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 72Die Witwe eines Ruhestandsbeamten erhält gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG Witwengeld. Dies gilt nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG jedoch dann nicht, wenn die Ehe mit dem Verstorbenen nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen. 73Mit der gesetzlichen Vermutung in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG geht der Gesetzgeber als Regelfall davon aus, dass eine Ehe, die im Zeitpunkt des Todes des Beamten nicht mindestens ein Jahr bestanden hat, Versorgungszwecken gedient hat. Mit dieser Vermutungsregel wird dem hinterbliebenen Ehepartner die volle Darlegungs- und Beweislast für eine hiervon abweichende Zweckrichtung der Heirat auferlegt. Beweiserleichterungen sind nicht vorgesehen, obwohl es im Einzelfall sehr schwierig sein kann, einen sogenannten inneren Tatbestand zur Überzeugung der Behörde oder des Gerichts nachzuweisen.Um die gesetzliche Vermutung einer sog. Versorgungsehe zu entkräften, bedarf es des Nachweises besonderer, objektiv erkennbarer Umstände, die einen anderen Zweck der Eheschließung ebenso wahrscheinlich machen wie den Versorgungszweck. Die bloße Darlegung bestimmter Tatsachen und Umstände, die als Indizien für eine nicht ausschließlich oder überwiegend der Versorgung des Ehepartners dienende Eheschließung gewertet werden sollen, genügt hierfür nicht. Auch Erklärungen der Witwe oder dritter Personen über den Zweck der Ehe reichen grundsätzlich nicht aus. Die gesetzliche Vermutung ist in der Regel, wenn auch nicht ausnahmslos, widerlegt, wenn unter den Beweggründen jedenfalls eines der Eheschließenden der Zweck, dem anderen eine Versorgung zu verschaffen, keine maßgebliche Bedeutung hatte. Der hinterbliebene Ehepartner trägt die materielle Beweislast dafür, dass die Versorgungsabsicht keine maßgebende Bedeutung für die Heirat hatte. Den vollen Gegenbeweis für einen anderen Zweck der Heirat muss dieser allerdings nicht erbringen. Es reicht aus, wenn die Annahme, die Versorgung des Hinterbliebenen sei der alleinige oder maßgebliche Zweck der Heirat gewesen, ausgeräumt wird. 74Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 27. Oktober 1966 – II C 32.64 –, BVerwGE 25, 221; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 18. Februar 2009 – 3 A 442/08 – und vom 28. März 2007 – 21 A 3645/05 –; Beschluss vom 25. Januar 2013 – 3 A 2201/10 –; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 1. Dezember 1998 ‑ 3 B 95.3050 –, IÖD 1999, 174 f.; Hessischer VGH (HessVGH), Beschluss vom 16. Februar 2007 – 1 UZ 1948/06 –, DÖV 2007, 754. 75Die Kenntnis des grundsätzlich lebensbedrohlichen Charakters einer Erkrankung des Beamten im Zeitpunkt der Eheschließung schließt die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG regelmäßig aus, es sei denn die Eheschließung stellt sich als konsequente Verwirklichung eines bereits vor der Erlangung dieser Kenntnis bestehenden Heiratsentschlusses dar, 76vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1991 – 2 C 7.90 –, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 230; Beschlüsse vom 19. Januar 2009 – 2 B 14.08 –, juris, und vom 2. Oktober 2008 – 2 B 7.08 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 25. Januar 2013 – 3 A 2201/10 –; BayVGH, Beschluss vom 1. Dezember 1998, a.a.O.; Beschluss vom 8. November 2011 – 3 ZB 08.627 –, juris; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 28. Oktober 2004 – 1 Bf 189/04 –, NVwZ-RR 2006, 196; VGH Baden-Württemberg (VGH BW), Beschluss vom 10. Februar 2003 – 4 S 2782/01 –, IÖD 2003, 166; OVG Lüneburg, Beschluss vom 21. Dezember 2009 – 5 LA 481/08 –, ZBR 2010, 319. 77Hiervon ausgehend gelangt der Einzelrichter bei Würdigung der gesamten im Verlauf des Verfahrens erkennbar gewordenen Umstände zu der Überzeugung, dass die gesetzliche Vermutung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG im vorliegenden Fall ausgeräumt ist. Es bestehen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Feststellung, dass für die Klägerin und ihren verstorbenen Ehemann H. T. bei der Eheschließung die Absicht, der Klägerin eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen, nicht das alleinige oder überwiegende Motiv war. 78Zwar schlossen sie am 30. September 2009 vor dem Standesamt in L1. die Ehe in Kenntnis der grundsätzlich als lebensbedrohlich einzustufenden Krebs-Erkrankung des verstorbenen Ehemannes. Sowohl dem verstorbenen H. T. , als auch der Klägerin war zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass er an einem nicht operablen Tumor der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) litt, weshalb bereits eine Chemotherapie begonnen worden war. Es kann offen bleiben, inwiefern den Eheleuten alle Einzelheiten zu der Erkrankung bekannt waren, die den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen sind, ob und wann sie von Ärzten über die „infauste“ Prognose und die eher geringe Lebenserwartung des H. T. aufgeklärt worden waren und/oder ob sie in anderer Weise klare Kenntnis von der Schwere der Erkrankung und der möglicherweise recht kurzen verbleibenden Lebenszeit des H. T. hatten. 79Bei einer Krebserkrankung – medizinisch: bösartige Neubildung o.Ä. – ist ein tödlicher Ausgang immer möglich, auch wenn die Hoffnungen der Betroffenen typischerweise anders sind und auch aus ärztlicher Sicht möglichst auf eine optimistische Haltung im Interesse des Lebenswillens und der Heilungsanstrengungen hingewirkt wird. Bei jeder Krebserkrankung ist deshalb im Grundsatz im Sinne der dargestellten Rechtsprechung die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe erheblich erschwert. Es reicht damit aus, dass auch die Klägerin bei der Eheschließung am 30. September 2009 wusste, dass bei ihrem Partner ein Tumor in der Bauchspeicheldrüse festgestellt worden war, der mit Chemotherapie behandelt wurde. 80Die vorliegenden medizinischen und ärztlichen Unterlagen sowie die Angaben des Hausarztes T1. vom 6. April 2013 und des I. Klinikum L1. vom 10. Juni 2013 lassen folgendes erkennen: Der Kläger hatte sich vor dem 19. August 2009 zu seinem Hausarzt T1. in L1. begeben, um unklare Bauchschmerzen abklären zu lassen. Verschiedene Untersuchungen blieben zunächst ohne klares Ergebnis bis am 19. August 2009 eine Spiral-CT (Computertomographie) des Abdomens (Bauch) mit KM (wohl: Kontrastmittel) in der Gemeinschaftspraxis für Radiologie und Nuklearmedizin am Krankenhaus N3. I4. in L1. zu der Beurteilung der Radiologen führte: „Dringender Verdacht auf Pankreas-CA (also Karzinom), V.a. angrenzende Lymphangiose und N1-Lymphknotenmetastasen, V.a. intrahepatische Metastasen“. Es ging also um einen Bauchspeicheldrüsen-Tumor, der nach der sog. „Raumforderung“ mit ca. 6 x 4 cm angegeben wurde, daneben möglicherweise Metastasen in den nahen Lymphknoten und der Leber. Der Krebsverdacht wurde dem Kläger wohl am 20. August 2009 vom Hausarzt T1. mitgeteilt bzw. erläutert (vgl. Stellungnahme T1. vom 6. April 2013, Ziff. 1), wobei eine Prognose zu Heilungschancen und Lebenserwartung nach Ziff. 2 der Stellungnahme zu dem Zeitpunkt nicht gemacht werden konnte. Was genau dem Kläger am 20. August 2009 vom Hausarzt gesagt worden ist, ist unklar. Den Bericht der Radiologen dürfte er von diesen wohl nicht erhalten haben, lediglich die Bilder. Schon am Dienstag der Folgewoche, 25. August 2009, wurde der Kläger in der Klinik für Innere Medizin im I. Klinikum L1. aufgenommen und dort bis 9. September 2009 (siehe Bescheinigung I. Klinikum vom 4. März 2010, anders ohne dass dies von Bedeutung wäre – bis 3. September – die Stellungnahme des I. Klinikums vom 10. Juni 2013) allen denkbaren Untersuchungen unterzogen, um die Verdachtsdiagnosen abzuklären. Nach dem Bericht des I. Klinikums vom 3. September 2009, mit dem der Kläger eine Zweitmeinung an der Ruhruniversität Bochum einholen wollte, kam man in L1. (anscheinend bei noch ausstehendem Ergebnis zur Histologie) zum Ergebnis, dass in Lunge, Leber und Lymphknoten wohl keine Metastasen vorlägen, jedoch ein unklarer Tumor des Pankreaskopfes und Pankreasschwanzes bzw. ein dringender Verdacht auf Pankreaskarzinom und angrenzende Lymphangiose vorlag. Der Kläger litt (bei Gewichtsverlust von ca. 6 kg in den vergangenen 6 Wochen) anscheinend bereits an nicht unerheblichen Schmerzen, wie die Medikation u.a. mit Morphin (MSI 10 mg sc) nach dem Bericht vom 3. September 2009 verdeutlicht. Die histologische Untersuchung von entnommenem Gewebe der Bauchspeicheldrüse des Partners der Klägerin („endosonographische Feinnadelpunktion“) bestätigte die bisherigen Verdachtsmomente vollständig, weshalb der Bericht des I. Klinikums vom 21. September 2009 die Raumforderung im Pankreaskopf-/-korpusbereich histologisch einordnete als: Adenokarzinom mit Lymphangiosis. Der Kläger hatte sich hier am 15. September 2009 mit Schmerzexazerbation stationär aufnehmen lassen, hatte durch Schmerztherapie – wieder u.a. mit oraler Morphingabe – einen akzeptablen Zustand erreicht, wonach eine Chemotherapie bei der stationären Situation am 17. September 2009 eingeleitet und der Kläger bei guter Verträglichkeit am 21. September 2009 entlassen wurde. Schon zwei Tage später sollte er sich am 23. September in der Onkologischen Tagesklinik für einen „zweiten Durchgang“ der Chemotherapie am 24. September vorstellen. Schon während des stationären Aufenthalts hatte die Klägerin am 17. September 2009 die Eheschließung für den 30. September 2009 angemeldet. Nach der Stellungnahme des I. Klinikums vom 10. Juni 2013 war die Prognose des fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms infaust und der Kläger litt an einer nicht heilbaren, „zeitlich sehr limitierten“ Tumorerkrankung. Dementsprechend hatte die Chemotherapie von Anfang an keinen kurativen (heilenden), sondern palliativen – also Leiden lindernden und das Leben verlängernden – Charakter. Diese Einschätzungen sollen dem verstorbenen Ehemann der Klägerin „im August/September 2009“ von der behandelnden Oberärztin Dr. J. T4. mitgeteilt worden sein. Ähnlich soll er am 23. September 2009 in der Onkologischen Tagesklinik vom Oberarzt Dr. med. Q2. informiert worden sein. Am lebensbedrohlichen Charakter der Krebserkrankung des Verstorbenen konnte danach mit diesen Informationen kein Zweifel bestehen. Hierbei ist zwar zweifelhaft, was davon bei H. T. tatsächlich „ankam“; die den Behandlungsakten des I. Klinikums zu entnehmenden Hinweise auf teils ganz erhebliche Schmerzen sowie eine Gewichtsabnahme von ca. 15 kg vom Auftreten der Beschwerden im Juli 2009 bis zum 23. September 2009 dürften diesem den Ernst seiner Lage spürbar vor Augen geführt haben. Zugleich ist aber offen, was H. T. der Klägerin hiervon weitergab, weil deren Teilnahme an einem Gespräch mit einem Arzt erst für den 14. Oktober 2009 – nach der Eheschließung – vom I. Klinikum angegeben wird. 81Nach dem oben Gesagten kann offenbleiben, was die Klägerin wann von ihrem Partner erfahren hat. Fest steht, dass sie wusste, dass bei ihm eine Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse festgestellt und mit Chemotherapie behandelt wurde. Die meisten Menschen mit einer gewissen Lebenserfahrung wissen, dass Tumore der Bauchspeicheldrüse im Vergleich zu anderen Tumorlokalisationen und Krebsarten meist und in vergleichsweise kurzer Zeit zum Tod führen. Selbst wenn der Klägerin dies nicht bewusst gewesen sollte, führt jede Kenntnis von einer (bösartigen) Krebserkrankung – als „grundsätzlich lebensbedrohliche Erkrankung“ – dazu, dass eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe regelmäßig ausscheidet. Der Ernst der Lage musste der Klägerin aber auch konkret ersichtlich sein: Immerhin war ihr Partner bis zur Anmeldung der Eheschließung durch sie am 17. September 2009 seit Mitteilung des Hausarztes über den Krebsverdacht am 20. August abgesehen von neun Tagen in einem Zeitraum von etwa einem Monat vollständig stationär im I. Klinikum L1. gewesen. Nach Entlassung am 21. September 2009 nach dem ersten Zyklus einer Chemotherapie unterzog er sich ambulant schon am 24. September dem zweiten Zyklus der Chemotherapie und am Tag nach der standesamtlichen Eheschließung am 30. September war auch schon wieder der dritte Zyklus Chemotherapie vorgesehen. Der Gewichtsverlust von ca. 15 kg in ca. zwei Monaten dürfte ihr ebenfalls nicht verborgen geblieben sein. Ihr verstorbener Partner war durch die Eröffnung der Verdachtsdiagnose Mitte August 2009 auch tatsächlich erkennbar „geschockt“, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geschildert hat („hat dann erst mal die Hecke geschnitten, weil er es gar nicht glauben konnte“). 82Jedoch gelangt der Einzelrichter aufgrund des Inbegriffs der mündlichen Verhandlung und des gesamten Akteninhalts zu der Überzeugung, dass die Eheleute schon vor dem Zeitpunkt, als die Krebserkrankung – als Verdacht Mitte August 2009, bzw. relativ sicher am Ende des stationären Aufenthalts im I. Klinikum L1. vom 25. August bis 9. September 2009 – festgestellt wurde, einen konkreten und unbedingten Heiratsentschluss gefasst hatten und diesen dann nach Bekanntwerden der Erkrankung – in zeitlicher Hinsicht um etwa drei Wochen nach hinten verschoben – aus Beweggründen, unter denen nicht die Versorgungsabsicht überwog, am 30. September 2009 konsequent verwirklicht haben. 83Der Einzelrichter ist zunächst davon überzeugt, dass die Klägerin und der verstorbene Beamte tatsächlich schon vor Bekanntwerden der Krebserkrankung im Mai 2008 bzw. im Frühjahr 2009 den Entschluss gefasst hatten, zu heiraten. Bei diesem Entschluss überwog nicht die Absicht, der Klägerin eine Versorgung für den Fall des Todes ihres Ehemannes zu verschaffen.Insofern geht der Einzelrichter davon aus, dass der Ablauf in den entscheidenden Teilen dem Vorbringen der Klägerin entsprach: 84Es spricht schon Viel dafür, dass die Klägerin und H. T. sich tatsächlich am 20. Mai 1998 – dem 50. Geburtstag des Verstorbenen – verlobt haben. Dabei soll nach den Angaben der Klägerin H. T. sie an einem Wochentag, als sie vom Hundeplatz kam, mit Kerzen und Sekt im Kaminzimmer empfangen und einen förmlichen Heiratsantrag gemacht haben. Die in jeder Hinsicht nachvollziehbare, emotionale Schilderung dieser Erlebnisse – einschließlich Sex nach dem Heiratsantrag, bevor die Gäste kamen – überzeugt, ebenso wie die Darstellung der nachfolgenden „Mini-Feier“ seines 50. Geburtstages mit Tochter N1. (der Zeugin), der Freundin (und Zeugin) B1. X1. sowie deren (wohl) Partnerin T5. X2. . Die Darstellung der emotionalen Entwicklung der Beziehung zwischen der Klägerin und H. T. seit Silvester 1995 über einen Zeitraum von mehr als 13 Jahren bis Eheschließung ist schlüssig, nachvollziehbar und glaubhaft. Beide hatten Beziehungen und jeder eine geschiedene Ehe hinter sich und hatten aus diesen Zeiten Kinder (die Klägerin zwei, H. T. eins). Die anfängliche Zurückhaltung gegenüber ehelicher Bindung ist typisch, die nach und nach erfolgende Überwindung dieser Haltung nicht selten. Dabei hatten die Klägerin und der Verstorbene schon bald mit der Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils am Elternhaus der Klägerin auf den Beamten im Jahr 1997 wirtschaftlich eine Verflechtung begonnen, die die spätere emotionale und „standesamtliche“ Entwicklung vorweg nahm. Die Autos, die von beiden genutzt wurden, jedoch überwiegend im Eigentum der Klägerin standen, hatten soweit ersichtlich sämtlich Kfz-Kennzeichen, welche die Initialen des H. T. beinhalteten („KR-GS ...“). Aus Anlass der beide gehörig erschreckenden Blutsturz-Situation im Zusammenhang mit der Mandel-Operation bei der Klägerin im Jahr 2005 gelangten beide zu der Erkenntnis, dass sie heiraten sollten, „weil es so schnell vorbei sein kann“, ohne dass dies mit förmlichem und/oder romantischem Heiratsantrag besiegelt worden wäre. Es scheint mehr eine grundsätzliche Übereinkunft über einen in der Zukunft zu realisierenden Plan gewesen zu sein, wie den Schilderungen der Klägerin zu entnehmen ist. Dies ist noch kein konkreter Heiratsentschluss. Insbesondere hatten die Klägerin und ihr Partner damals noch viele zu realisierende Pläne zu ihrem Haus usw. Hintergrund der Eheschließungsabsicht war: Die immer enger gewordene emotionale Verbindung der beiden, der sie Ausdruck verleihen wollten, sowie eine Stärkung der Position des jeweils überlebenden Partners beim Tod des anderen gegenüber den Kindern aus den Vorehen. Dabei ging es um die eingetretene wirtschaftliche Verflechtung und das „gemeinsame Vermögen“, bestehend vorrangig aus dem Hausgrundstück Alte O. Str. 46 in L1. -G. (dem Elternhaus der Klägerin), Bar- und Anlagevermögen sowie die in verschiedenen Konstellationen erworbenen Kraftfahrzeuge. Besonders in Bezug auf das Hausgrundstück, an dem H. T. aufgrund Kaufvertrags 1997 zur Hälfte Miteigentümer geworden war, und das dem überlebenden Partner erhalten bleiben sollte, bestand Regelungsbedarf. Der Hinterbliebene sollte neben den nicht einfachen Fragen der Erbauseinandersetzung mit dem Sohn des H. T. aus der Vorehe bzw. den Kindern der Klägerin aus der Beziehung mit Herrn L. bzw. der Ehe mit Herrn C1. nicht auch noch mit hoher Erbschaftssteuer belastet werden. Dies ließ sich durch Eheschließung wegen der daraus folgenden Erbschaftssteuer-Freibeträge vermeiden. 85Im Jahr 2008 schien sich der dargestellte allgemeine Heiratsplan dann zu konkretisieren und die beiden kauften nach den Angaben der Klägerin in E. , wo ihr Partner im Polizeidienst arbeitete, an einem ihr nicht näher bekannten bzw. erinnerlichen Ort Ringe für etwa 500 Euro. Die am 20. Mai 2008 erfolgte Verlobung einschließlich Bekanntgabe derselben gegenüber Tochter N1. und den Freundinnen B1. X1. und T5. X2. besiegelte die Absicht, zu einem noch nicht weiter konkretisierten Zeitpunkt im Jahr 2008 zu heiraten. Dies ist als solches auch noch nicht hinreichend konkret, zudem wurde die Heiratsplanung wegen äußerer Umstände und Schwierigkeiten der Beziehung zunächst auf Eis gelegt. Weil dies so ist, kommt es nicht auf eine ins Einzelne gehende Würdigung der Tatsachen- und Beweislage zur Verlobung am 50. Geburtstag des H. T. an. Festzuhalten ist insofern jedoch, dass die Zeugin N1. C1. und die Zeugin X1. bestätigt haben, am Abend des 50. Geburtstages des Verstorbenen von der Verlobung gehört zu haben. Auch die Zeugin I3. hat nach dem 20. Mai 2008 von der Klägerin beim Ausführen der Hunde von der stattgefundenen Verlobung gehört. Die Zeugin W. hat ebenfalls bekundet, im Jahr 2008 von der Verlobung gehört zu haben („G. ist ein Dorf“). 86Dieser noch recht wenig konkrete Hochzeitsplan für „das Jahr 2008“ wurde nicht weiter verfolgt. Zunächst musste die Klägerin sich einer gynäkologischen Operation, wohl an der Gebärmutter, unterziehen, worauf in der mündlichen Verhandlung nicht näher eingegangen worden ist. Solche Geschehnisse bringen normale Abläufe im Leben von Frauen regelmäßig sehr durcheinander. Zugleich kam es im Hinblick auf die Erkrankung und spätere Euthanasie des Hundes C4. im Herbst 2008 auch zu einer Auseinandersetzung und einer Beziehungskrise zwischen den Partnern, so dass an Hochzeit zunächst nicht weiter gedacht wurde. 87Es ist jedoch glaubhaft, dass im Frühjahr 2009, nachdem die erste Zeit der Trauer wegen des Todes des Hundes C4. überwunden und ein neuer Hund W1. angeschafft worden war, Planungen für eine Heirat im Jahr 2009 begannen. Wann genau dies stattfand, ist ohne Belang, jedenfalls kamen die Klägerin und H. T. überein, die Heirat im zeitlichen Zusammenhang mit dem 50. Geburtstag der Klägerin und einer insofern beabsichtigten Feier mit den ihnen nahestehenden Personen zu begehen. Nach den Angaben der Klägerin wollten sie am Samstag nach ihrem 50. Geburtstag (am Montag, 7. September 2009), also am 12. September 2009, eine Feier ausrichten. Zuvor wollten sie – möglichst am 7. September selbst – standesamtlich heiraten, ohne dies „an die große Glocke zu hängen“. Die erfolgte Eheschließung wollten sie dann am Samstag, 12. September, bei der vordergründig aus Anlass ihres 50. Geburtstages stattfindenden Festivität verkünden und feiern. Sie hatten sich entschlossen, doch nicht in ihrem nunmehr fertigen gemeinsamen Haus zu feiern, um den schönen Zustand nicht zu gefährden, und wollten bei ihren „Hundefreunden“ D. und D1. I3. feiern, die einen Raum zur Verfügung stellen konnten. Dies war verbindlich abgesprochen. Das Essen sollte von dritter Seite kommen, weshalb die Klägerin mit der Zeugin D. I3. zum Probeessen in einem Gartenlokal in L1. namens „Alt N4. “ ging, wo eine Bekannte aus Kindertagen, die Zeugin C5. G1. , mittlerweile in der Küche beschäftigt war und (wohl) kochte und/oder kellnerte. Das überzeugte jedoch aus organisatorischen Dingen nicht und die Klägerin und H. T. kamen auf den Party-Service der Eheleute L2. -I2. und Ute T2. -C3. in L1. -U. (www. T6. .de). Dort bestellte die Klägerin im Juli 2009 Essen für ca. 20 Personen für Samstag, 12. September 2009. Es sollte Spanferkel mit Kartoffelgratin und Sauerkraut sowie diversen Salaten und zum Dessert Mousse au chocolat sowie ein griechisches Beerendessert geben. Aufgrund einer Gästeliste im Umfang von 27 Personen entwarf die Klägerin mit dem PC eine Einladung für die Feier ihres 50. Geburtstages am 12. September, ab 18.00 Uhr, auf der Alte O. Str. 68 „bei D. , D1. & A. “. Die Einladung enthielt einen Hinweis auf die beabsichtigte Hochzeit, indem dort in einer Sprechblase neben einem gezeichneten Brautpaar stand: „... mit freudiger Überraschung“. Diese Einladung wurde den vorgesehenen Gästen in Papierform unmittelbar überreicht bzw. in deren Briefkästen geworfen. Einige wenige (B1. X1. , Tochter N1. , D. I3. , N2. W. und C5. G1. ) wusste schon vor der Einladung von den Hochzeitsabsichten, entweder weil sie aus organisatorischen Gründen notwendig Kenntnis erlangen mussten, oder wegen der Nähe zur Klägerin und H. T. . Einen Termin für die Eheschließung beim Standesamt L1. hatten sie zu dem Zeitpunkt noch nicht.Als der Partner der Klägerin am 20. August 2009 nach einer gewissen Zeit von unklaren Bauchbeschwerden und verschiedenen Untersuchungen vom Hausarzt die Verdachts-Diagnose einer Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse erhielt, waren beide naturgemäß geschockt und sagten die für den 12. September 2009 geplante Feier ab. Sie wollten den Verdacht zunächst abklären und herausfinden, wie es weiter gehen würde. Der Partyservice T2. -C3. wegen des Essens und das Ehepaar I3. wegen des Raumes wurden informiert, ebenso wie alle Eingeladenen. 88Diesen Ablauf entnimmt das Gericht zu allererst dem Vorbringen der Klägerin: Die Klägerin hat sich eingehend, voller Details und Lebensnähe, mit starker emotionaler Beteiligung und ohne Anzeichen für Unwahrheit zu allem eingelassen. Sie ist dem Gericht mit vollkommener Offenheit entgegengetreten, hat in jeder Hinsicht kooperiert und teils auf eigene Initiative, teils auf gerichtliche Anforderung oder Nachfrage alles vor- und offengelegt, was ihr möglich war. Dies dürfte aufwendig, in Bezug auf die Vergangenheit und den Tod ihres Ehemannes aufwühlend und in jeder Hinsicht bewegend/belastend gewesen sein. Sie hat alles getan, vorgetragen und beigebracht, was sie vermochte, ungeachtet der sicher auch schmerzhaften persönlichen Erlebnisse und Erinnerungen. 89Das in vielerlei Hinsicht durch Unterlagen belegte und durch diese glaubhaft gemachte bzw. substantiierte und plausibilisierte Vorbringen der Klägerin ist mit den Aussagen der Zeuginnen N1. C1. , X1. , I3. , G1. und W. vielfältig und im Wesentlichen widerspruchsfrei verknüpft. Soweit Abweichungen und Unterschiede im Detail vorliegen, sind diese durch die Eigenart von Zeugenaussagen und die Bedingungen der menschlichen Erinnerung zu erklären. Es wäre eher verwunderlich, wenn solche Abweichungen gar nicht vorlägen. 90Entscheidend ist bei allem, dass das Gericht der Klägerin glaubt, dass sie und ihr verstorbener Ehemann vor hatten, an ihrem 50. Geburtstag, am Montag 7. September 2009, standesamtlich zu heiraten und dann am darauffolgenden Samstag, 12. September 2009, mit einem engen Familien- und Freundeskreis von 20 – 27 Personen im Party-Raum der Eheleute I3. bei der Feier des 50. Geburtstages der Klägerin auch die Heirat bekanntzugeben und zu feiern. Vorbereitungen hierfür hatten sie – mit Ausnahme der Anmeldung beim Standesamt – auch für die Feier am 12. September praktisch in die Tat umgesetzt: Raum bei D. und D1. I3. fest „gebucht“, Essen vom Party-Service T2. -C3. bestellt, Einladungskarte mit Computer entworfen und in selbst ausgedruckter Form an insgesamt 27 Gäste (teilweise als Paare) übermittelt, Getränke und „Knabberzeug“ bereits besorgt und im Raum bei I3. deponiert. 91Dabei hat das Gericht keine Zweifel daran, dass die Feier des 50. Geburtstages der Klägern in der geschilderten Weise am Samstag, 12. September 2009 stattfinden sollte: Die Klägerin und alle Zeugen haben hierzu entsprechende Angaben gemacht, die sich zu einem detailreichen und vielfältig verknüpften Bild zusammenfügen. Die Zeugin I3. hat in der mündlichen Verhandlung sowie an Eides statt gemeinsam mit ihrem Ehemann D1. (L2. -I2. ) I3. die Absprachen in Bezug auf ihren Party-Raum für den 12. September bestätigt. Die Bestellung des Essens bei den Eheleuten T2. -C3. steht zur Überzeugung des Gerichts fest, mit der die Klägerin für ca. 20 Personen ein deftiges Menü bzw. Buffet mit Spanferkel, Gratin, Sauerkraut usw. bestellte. Sehr aussagekräftig als objektives Indiz ist insofern die Kopie des Kalenderblatts für den 12. September 2009 aus dem Geschäftskalender der Eheleute T2. -C3. (Bl. 298 der Gerichtsakte). Diese wirkt insofern authentisch, als der zentrale Aussagegehalt der Bestellung durch die Klägerin, für diesen Tag, für ca. 20 Personen, unter Nennung des Namens „I3. “ und der Adresse Alte O. Str. 68 und „18 – 19.00“ die wesentlichen Aspekte, um die es hier geht, belegt. Dass die Bestellung abgesagt bzw. storniert wurde, ist durch die Durchstreichung des gesamten Eintrags ersichtlich. Die vom LBV gegen den Eintrag erhobenen Einwände, dass die Vermerke „best. 8. Juli 09“ und „muss evtl. absagen wegen 20.8.10 Krankheit“ wie nachträglich eingefügt wirken, sind nachvollziehbar, lassen den Eindruck der Authentizität im Übrigen jedoch nicht entfallen. Es mag sein, dass diese Vermerke durch einen der Eheleute T2. -C3. – auf Bitten der Klägerin? – nachträglich eingefügt worden sind. Dies verwundert zwar sehr, zugleich ist der Kalendereintrag im Übrigen von Anlässen für solche Zweifel frei. Die Eintragungen bestätigen vollständig die Angaben der Klägerin und wirken dabei echt. Die Zeitpunkte der Bestellung („8. Juli 09“) sowie der Absage („20.8.10“) sind nicht von Bedeutung, da das Gericht keinen Zweifel daran hat, dass die Bestellung vor dem Bekanntwerden des Krebsverdachts am 20. August 2009 erfolgt war und Anlass der Absage eben jener Verdacht einer Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse war. Dieser Ablauf ergibt sich aus den Angaben der Klägerin und der Zeuginnen N1. C1. , B1. X1. und D. I3. . Es ist auch überhaupt kein anderer Grund bzw. Zeitablauf ersichtlich, aufgrund dessen die Klägerin erst eine Essensbestellung bei den Eheleuten T2. -C3. für den 12. September 2009 aufgegeben und diese dann wieder abgesagt haben sollte. 92Die Vorbereitungen für die Feier am 12. September 2009, wie sie vorstehend dargestellt sind, passen auch vollständig zu den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Notizzetteln (Bl. 198 ff.), denen sich die Essensbestellung bei T2. -C3. in ihren Grundzügen, die Gästeliste und eine Übersicht über Getränke, Knabberzeug usw. für die Feier bei I3. entnehmen lässt. All dies könnte man fälschen, es erzeugt jedoch einen authentischen Eindruck. 93Da die Einladung der Gäste durch die Klägerin für Samstag, 12. September 2009, unmittelbar in Bezug auf die Feier ihres 50. Geburtstages erfolgte, kommt es entscheidend darauf an, ob festgestellt werden kann, dass bei der Feier auch ihre Hochzeit mit H. T. verkündet und dann gefeiert werden sollte. Dies wiederum würde dann wiederum die zwingend zuvor erfolgte standesamtliche Hochzeit indizieren. Der Einzelrichter ist überzeugt, dass die Einladungskarte in der Form, wie die Klägerin diese zu den Akten gereicht hat (Bl. 97 der Gerichtsakte, bzw. Beiakte 10), damals an die Gäste gemäß der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gemachten Aufzählung ergangen ist, und darin insbesondere der Hinweis auf die „freudige Überraschung“ in dieser Weise enthalten war. 94Die mit Software-Unterstützung erstellte Einladung könnte die Klägerin insgesamt oder auch nur in Bezug auf die Sprechblase mit dem Hinweis „mit freudiger Überraschung“ einschließlich des Brautpaares nachträglich für das Gerichtsverfahren angefertigt haben. Eine Original-Ausfertigung der Einladung aus dem Jahr 2009 ist von niemandem vorgelegt worden. Trotz der Aufforderung des Gerichts mit dem Beweisbeschluss vom 13. Mai 2013, von den Eingeladenen die Einladung, gegebenenfalls mit Briefumschlag, in dem diese erhalten wurde, vorzulegen, verfügte anscheinend niemand mehr über diese Einladung. Es war insofern wahrscheinlich, dass von den 14 Paaren bzw. Einzelpersonen, an die diese Einladung nach den Angaben der Klägerin übergeben bzw. übermittelt worden ist, irgend jemand über diese (aus Sentimentalität, „Sammlertum“ etc.) noch verfügt. Dass dies hingegen nicht der Fall ist, schränkt den Wert der von der Klägerin vorgelegten Einladung natürlich ein. Der Einzelrichter ist jedoch ungeachtet dessen überzeugt, dass diese Einladung so und mit dem relativ offenen Hinweis auf Heiratsabsichten im Sommer 2009 den Gästen auch übermittelt worden ist. Dies ergibt sich letztlich aus den auf den Beweisbeschluss vom 13. Mai 2013 von der Klägerin beschafften eidesstattlichen Versicherungen der Geladenen. Es haben von den 14 eingeladenen Paaren bzw. Einzelpersonen bis auf die Eltern des H. T. (sein Vater ist verstorben, mit seiner Mutter hat die Klägerin sich in der Erbauseinandersetzung mit H. T. jun. zerstritten) und die verstorbene N5. L4. alle eine eidesstattliche Versicherung abgegeben. Dies ist beachtlich. Insofern liegen eidesstattliche Versicherungen vor von: 95 D. I3. , 96 L2. -I2. (D1. ) I3. , 97 F. und H3. T7. (gemeinsame Versicherung, 2 Unterschriften), 98 T5. X2. (Freundin der Zeugin B1. X1. ), 99 F1. X3. (Versicherung von Frau X3. , die auch ihren Ehemann X4. einbezieht), 100 C6. N6. , 101 N1. C1. , 102 U1. T8. (damals und aktuell Freund der Tochter der Klägerin) 103 F2. C1. (Bruder der Klägerin), 104 E1. L. (Patenonkel von N1. , Zwillingsbruder des Vaters von N1. ), 105 N2. und S1. W. (gemeinsame Versicherung, 2 Unterschriften), 106 N7. und S2. J. (gemeinsame Versicherung, 2 Unterschriften), 107 H4. und W2. T9. (gemeinsame Versicherung, 2 Unterschriften), 108 B2. und G2. E2. (gemeinsame Versicherung, 2 Unterschriften), 109 I5. C. (Vater der Klägerin), 110 E3. I6. . 111Damit liegen 16 eidesstattliche Versicherungen vor, die von insgesamt 21 Personen unterzeichnet sind. Es scheint annähernd ausgeschlossen, dass eine solch hohe Zahl von Personen für die Klägerin in diesem Versorgungs-Rechtsstreit eine falsche Versicherung an Eides Statt abzugeben bereit ist. Dies gilt besonders deshalb, weil nicht jeder der Eingeladenen im allerengsten Verhältnis zur Klägerin und dem Verstorbenen steht bzw. stand. Insbesondere bei Paaren hat häufig eine Person einen engen Kontakt zu jemandem, der Partner hingegen steht dieser Person oft weniger nah. 112Zudem sind die eidesstattlichen Versicherung sehr individuell gehalten, einige sind handschriftlich, andere mit Computer erstellt und ausgedruckt, kürzer oder länger usw. Auch inhaltlich enthalten die Versicherungen geringe Abweichungen z. B. in der Beschreibung der damaligen Einladung, die als zu erwartende Auswirkungen der Grenzen der menschlichen Erinnerung erscheinen. Dies erzeugt nicht den Eindruck, dass die Klägerin den eidesstattlich Versichernden etwas vorgegeben oder an die Hand gegeben hätte. Die Versicherungen haben auch ganz verschiedenen Bedeutungsgehalt. Nicht alle von ihnen stützen das Vorbringen der Klägerin inhaltlich. Es spricht für den Wahrheitsgehalt der eidesstattlichen Versicherungen insgesamt und die Aufrichtigkeit der Klägerin, dass sie alle vorgelegt hat, auch diejenigen, die nicht ergiebig sind, wie z. B. die der C6. N8. (Bl. 262 der Gerichtsakte), die nicht teilnehmen konnte und auch zum Inhalt der Einladung oder dem Hinweis auf die Hochzeit nichts sagt.Zugleich enthalten die Versicherungen auch sehr individuelle Erinnerungen und Schilderungen, die für ihren Wahrheitsgehalt sprechen. Beispielsweise sei angeführt der erkennbare Umstand, dass nach den Versicherungen des Bruders der Klägerin, F2. C1. , und des E1. L. beide die Einladung bei der Geburtstagsfeier von F2 C1. am 7. August 2009 erhalten haben. Dass der Bruder der Klägerin den Umschlag mit der Einladung zunächst nicht öffnete, weil er Bier zapfen und sich um seine Gäste kümmern musste, sie erst später las und die Einladung dann am Folgetag „mit allem anderen“ in den Müll gelangte, erzeugt den Eindruck des wirklich Erlebten. 113Diese Einschätzung des Einzelrichters wird verstärkt und ergänzt durch die Bewertung der Aussagen der in der mündlichen Verhandlung gehörten Zeuginnen N1. C1. , B1. X1. , D. I3. , C5. G1. und N2. W. . 114Die Zeuginnen N1. C1. und B1. X1. haben das Vorbringen der Klägerin zur Verlobung am 50. Geburtstag des H. T. am 20. Mai 2008, der danach erfolgten Verzögerung bei der Umsetzung des Hochzeitsentschlusses aufgrund von Operation der Klägerin und Erkrankung und Tod des Hundes C4. , den Hochzeitsentschluss im Frühjahr 2009 sowie die Planungen für eine standesamtliche Heirat am 50. Geburtstag der Klägerin am 7. September 2009 und eine Feier des Geburtstages mit Verkündung der Herat am 12. September 2009 in individueller Art und Weise, mit verschiedenen Schwerpunkten und Einfärbungen sowie mit gewissen zu erwartenden Unterschieden bestätigt. Dies gilt auch für die Auswahl des Raumes bei den Eheleuten I3. , die Bestellung des Essens bei den Eheleuten T2. -C3. sowie die erfolgte Einladung mit dem Hinweis auf die „freudige Überraschung“.Die Zeugin D. I3. hat ebenfalls die wesentlichen Gesichtspunkte bestätigt: Sie hat von der Verlobung am 50. Geburtstag des Partners der Klägerin gehört, wobei ihr auch schon zuvor die Heiratsabsichten bekannt waren. Später kam die Klägerin auf sie zu wegen der Möglichkeit, bei ihnen eine Hochzeitsfeier zu veranstalten. Nach einer Hochzeit beim Standesamt am 7. September 2009 sollte am 12. September 2009 bei ihr und ihrem Ehemann gefeiert werden, wobei das Essen von einem Party-Service kommen sollte. Sie habe mit der Klägerin ein Probeessen im „Biergarten im Schrebergarten“ durchgeführt – also wohl dem sog. Alt N4. –, wo die Zeugin C5. G1. gekellnert habe; dies habe nicht überzeugt. Das Essen habe dann durch die Familie T2. -C3. geliefert werden sollen. Die Einladung zur Feier mit einem Hinweis darauf, dass geheiratet werden sollte („Storch oder ähnliches“, dann doch „Brautpaar“), schildert sie auf ihre Weise, ebenso wie die begonnenen Besorgungen der Klägerin für die Feier, die bereits bei ihnen im Anbau gelagert worden seien. Den Zeitraum des „Probeessens“ im Alt N4. erinnert sie zwischen Juni und August 2009.Passend hierzu schildert die Zeugin G1. den Besuch der Klägerin mit der Zeugin I3. im Biergarten im Alt N4. , wo sie damals arbeitete. Anlass sei die geplante Hochzeit der Klägerin gewesen. Letztlich habe die Klägerin sich wegen Problemen bei der Gestellung einheitlichen Geschirrs, der entsprechenden Warmhalte-Behältnisse und Fragen des Transports des Essens sowie der anderen Sachen jedoch gegen diese Variante entschieden.Die Zeugin W. hat anschaulich von den regelmäßigen Treffen mit der Klägerin beim Ausführen der Hunde berichtet, bei denen es zwischen ihnen zum Austausch von „small talk“ kam, der sich darauf bezog, dass die Zeugin bei der Hochzeit der Klägerin mit X. C1. gekellnert hatte. Insofern soll die Klägerin sinngemäß gefragt haben, wenn sie (die Klägerin und H. T. ) einmal heiraten, ob sie (die Zeugin) dann wieder für sie kellnern würde. Die Klägerin hat dies ähnlich geschildert. Jedenfalls habe die Klägerin sie dann, „als es irgendwann konkret wurde“, gefragt und sie habe zugesagt. Sie erinnerte sich an die Daten 7. September und 12. September 2009 als Daten von 50. Geburtstag der Klägerin und geplanter Feier, weil der Geburtstag „unter Nachbarn“ bei ihr im Kalender stehe und sie sich den 12. September als Tag der Feier gut habe merken können, weil am 11. September ihre Tochter Geburtstag habe. 115Die Aussagen der Zeuginnen G1. und W. , die die Hochzeitsabsicht für eine Feier Anfang September 2009 bestätigt haben, gewinnen insofern hohen Beweiswert, als die Zeuginnen der Klägerin nicht besonders nahe stehen. Anders als bei den Zeuginnen N1. C1. als Tochter sowie B1. X1. und D. I3. als Freundinnen ist bei den Zeuginnen G1. und W. eher unwahrscheinlich, dass diese für die Klägerin das Risiko strafrechtlicher Verfolgung wegen Falschaussage gemäß § 153 des Strafgesetzbuches (StGB) eingehen. 116Diese Einschätzung wird durch mannigfaltige Details in den Angaben der Klägerin, den Zeugenaussagen und weiteren Umständen ergänzt. Nur beispielsweise sei angeführt der Umstand, dass auf dem in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin vorgelegten Notizzettel über die Bestellung des Essens bei T2. -C3. (Bl. 198 der Gerichtsakte) das Stichwort „Rede“ in einem Viereck hervorgehoben ist. Die Angabe der Klägerin, sie habe dort für ihren Mann eine Rede halten wollen, zu deren Vorbereitung bzw. Ausarbeitung es wegen der Erkrankung nicht gekommen sei, ist glaubhaft und verdeutlicht die Absicht, bei der Feier am 12. September 2009 nicht nur das Jubiläum der Klägerin zu begehen, sondern auch die Eheschließung zu verkünden und zu feiern. Wenn dort allein der 50. Geburtstag der Klägerin gefeiert werden sollte, hätte kein Anlass für die Klägerin bestanden, überhaupt eine Rede zu halten, geschweige denn auf „ihren“ H. . Die Eheschließung macht es hingegen plausibel, dass sie sich das Stichwort „Rede“ notierte, weil sie als selbstbewusste und selbständige Frau, die sich im Leben nach allem trotz mancher Rückschläge durchgeschlagen hat, eine Rede für ihren Partner und neuerdings Ehemann halten wollte. Das Stichwort „Rede“ könnte dort natürlich bewusst mit Täuschungsabsicht nachträglich ergänzt worden sein. Wie dieses Detail von der Klägerin irgendwann ungefragt im Rahmen ihrer ca. 4 ½-stündigen Anhörung en passant erwähnt wird, lässt es sehr unwahrscheinlich scheinen, dass dies mit Bedacht erfolgte. 117Steht für den Einzelrichter mithin mit dem gebotenen Grad an Sicherheit, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, fest, dass die Einladung für den 12. September 2009 den Hinweis auf die „freudige Überraschung“ mit der Zeichnung eines Brautpaares enthielt, so ist das Gericht unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin und der Angaben der Zeugen N1. C1. , B1. X1. , D. I3. und N2. W. davon überzeugt, dass die Klägerin und H. T. bei der Feier am Samstag, 12. September, ihre standesamtliche Hochzeit verkünden wollten, die sie zuvor – wenn möglich am 7. September 2009 – vollziehen wollten. Die Auswahl des 50. Geburtstages der Klägerin als Tag der standesamtlichen Eheschließung ist naheliegend und von den genannten Zeugen bestätigt worden. Eine Anmeldung der Eheschließung war noch nicht erfolgt, weshalb die Klägerin und der Verstorbene damals nicht sicher sein konnten, dass sie den Termin am 7. September 2009 bekommen würden. Auch wenn klar ist, dass die Anmeldung der Eheschließung beim Standesamt als objektive Hinweistatsache für einen vor dem Bekanntwerden der grundsätzlich lebensbedrohlichen Erkrankung vorhandenen unbedingten Heiratsentschluss für Klarheit gesorgt hätte, so steht dies der Überzeugung des Gerichts nicht entgegen. Klar ist ebenfalls, dass es vernünftig gewesen wäre, die Eheschließung für den 7. September 2009 beim Standesamt anzumelden, bevor der Raum für die Feier am 12. September mit den Eheleuten I3. festgemacht, das Essen bei den Eheleuten T2. -C3. bestellt und Einladungen versandt wurden. Jedenfalls im unmittelbaren Nachgang wäre dies sinnvoll gewesen. Jedoch ist es nicht so, dass ein solches Verhalten ausgeschlossen ist oder sich dies gar nicht erklären ließe. Die Auffassung des LBV, dass dies lebensfremd sei, ist im Grundsatz nicht von der Hand zu weisen, geht in der Schlussfolgerung jedoch zu weit. Es gibt Menschen, die nicht alles so machen, wie es „vernünftig“, „sinnvoll“ oder „gut organisiert“ ist. Gerade die Lebenserfahrung zeigt, dass es die verschiedensten Wesensarten gibt und ganz verschiedene Herangehensweisen bei der Lösung von Problemen bzw. dem „Projektmanagement“ im privaten Bereich, z. B. bei der Organisation eines größeren Fests oder einer Hochzeit gibt. Richtig ist, dass am Samstag, 12. September 2009 beim Standesamt (in L1. oder anderswo) Termine knapp sind und die vom Standesamt gegenüber dem LBV beschriebenen Verhältnisse herrschen. Dies würde z. B. für den „09.09.09“ ebenfalls gelten. An sonstigen Wochentagen ist es jedoch weniger kritisch. Es barg damit zwar ein gewisses Risiko, wenn die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann zur Hochzeitsfeier bereits einluden, obwohl sie noch keinen Termin beim Standesamt hatten. Zugleich waren die beiden auf den 7. September 2009 – so passend der 50. Geburtstag der Klägerin sicher war – nicht zwingend festgelegt. Hätten sie dort keinen Termin bekommen, so hätten sie es auch am 8. September, 10., 11. oder 12. September 2009 machen können. Notfalls hätten sie auch in die Werktage vor dem 7. September 2009 ausweichen können. Letztlich war es kaum ein Risiko, auch wenn die Reihenfolge viele Menschen verwundern dürfte. Jedoch ist es denkbar, dass jemand sich so verhält wie die Klägerin und H. T. : Ihnen schien es vordringlich, Raum und Essen sicherzustellen. Als dann eigentlich die Zeit für die Anmeldung beim Standesamt gekommen war, ging es – wohl schon etwa Mitte bis Ende Juli – bereits mit den Untersuchungen des H. T. aufgrund seiner unklaren Bauchbeschwerden los; diese unsichere und gewisse Sorgen bereitende Situation führte nach den nachvollziehbaren Angaben der Klägerin zu einem Aufschieben der Standesamts-Anmeldung. Als dann die Verdachtsdiagnose geäußert wurde, war dies dann zunächst ausgeschlossen. Das Fehlen der Anmeldung der Eheschließung spräche nicht für die Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Klägerin, wenn man dieses isoliert betrachten würde. Ergibt sich die Heiratsabsicht der Klägerin mit H. T. jedoch aus den vorliegenden eidesstattlichen Versicherungen und den anderen geschilderten Umständen, so widerlegt die fehlende Anmeldung jedenfalls nicht den daraus gezogenen Schluss. 118Die unbedingte Absicht, vor dem 12. September 2009 – möglichst am 7. September 2009 – standesamtlich zu heiraten, ist auch nicht deshalb widerlegt, weil dies wegen des abgelaufenen Personalausweises des Verstorbenen rechtlich ausgeschlossen gewesen wäre. Zwar ist der alte Personalausweis des H. T. am 8. April 2009 abgelaufen (Kopie in Beiakte 10) und der neue Personalausweis nach der Auskunft der Meldebehörde der Stadt L1. vom 16. Mai 2013 (Frau I7. , Bl. 238 f. der Gerichtsakte) erst am 30. September 2009 beantragt und am 28. Oktober 2009, jeweils im Bürgerbüro in L1. -G. , abgeholt worden. Damit verfügte der Verstorbene weder für den 7. September 2009 für die geplante Eheschließung, noch für die tatsächliche Eheschließung am 30. September 2009 über ein gültiges Ausweisdokument, da er auch keinen Reisepass hatte. Allerdings hat die Eheschließung am 30. September 2009 stattgefunden, was zeigt, dass dies mit abgelaufenem Personalausweis (und sicherlich hilfreichem Polizei-Dienstausweis) möglich war. Dies hat der Standesbeamte L5. dem Einzelrichter auch telefonisch am 14. Mai 2013 bestätigt. Für die Absicht, am 7. September 2009 die Ehe zu schließen, steht der abgelaufene Personalausweis damit nicht entgegen, wobei der Klägerin abgenommen wird, dass sie davon überhaupt keine Kenntnis hatte. Vermutlich war auch dem Verstorbenen dieser Umstand nicht bewusst. 119In Anbetracht der Einschätzung des Gerichts, wonach der schon vor Krankheitskenntnis bestehende Heiratsentschluss durch die eidesstattlichen Versicherungen und die übrigen geschilderten Umstände bewiesen ist, erscheint auch das gesamte Vorbringen der Klägerin einschließlich der von ihr vorgelegten Unterlagen und Gegenstände wahrheitsgemäß bzw. echt und inhaltlich wahrheitsgemäß. Das sehr umfangreiche Vorbringen der Klägerin und sämtliche Unterlagen sowie die vorgelegten Eheringe usw. hätten für sich genommen auch in unlauterer Absicht erfolgen bzw. vorgelegt werden können. Dies wäre ein sehr komplexes und mit hoher (krimineller) Energie verbundenes Unterfangen zur Täuschung des Gerichts. Insofern bestehen schon erhebliche Zweifel, ob der Klägerin dies zuzutrauen wäre. In der Zusammenschau mit der Bewertung der eidesstattlichen Versicherungen spricht jedoch alles dafür, dass das Vorbringen der Klägerin wahrheitsgemäß und Unterlagen und Ringe „echt“ sind. Die sich aufdrängenden und auch vom LBV in den entsprechenden Stellungnahmen zu Recht herausgearbeiteten Widersprüche und Ansätze für Zweifel lösen sich in diesem Licht auf und stellen sich eher als den Wahrheitsgehalt stärkende „Ungereimtheiten“, unerklärliche Lücken oder logische Brüche dar. Wer sich eine überzeugende Lügengeschichte ausdenkt und Beweise bzw. Indizien fälscht, tut dies typischerweise ohne solche Ungereimtheiten. Wäre die Klägerin die abgefeimte Lügnerin und Betrügerin, die sie sein müsste, wenn das gesamte Verfahren ein einziger Prozessbetrug wäre, so hätte sie für die Punkte, in denen das LBV Gründe für eine Ablehnung sieht, Erklärungen entwickeln, Indizien fälschen oder nicht überprüfbare bzw. widerlegbare Varianten entwickeln können. Beispielsweise in Bezug auf die vorgelegten Eheringe wäre es ein Leichtes für sie gewesen, sich einen Juwelier o.Ä. in E. zu suchen, die Adresse zu benennen und eine entsprechende Geschichte über den Erwerb zu erzählen, jedoch die Quittung über den Kauf angeblich (nicht widerlegbar) nicht mehr zu finden. 120Letztlich wird in diesem Licht auch die durchaus Fragen aufwerfende Art und Weise des Vorbringens der Klägerin seit Beginn des Verwaltungsverfahrens sowie der Vorlage von Unterlagen und der Benennung von Augenscheinsobjekten erklärlich und steht der Einschätzung des Gerichts im Ergebnis nicht entgegen. Das LBV hat nachvollziehbar Zweifel zum Wahrheitsgehalt des Vorbringens der Klägerin angemeldet, die sich daraus ergeben, dass die Klägerin im Grunde erst mehr als drei Jahre nach Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Hinterbliebenenversorgung ihr Vorbringen in bestimmten Zusammenhängen so konkretisiert und substantiiert hat, dass manches verständlich und nachvollziehbar wird, und zudem erst ab diesem Zeitpunkt eine Vielzahl von Unterlagen beigebracht und Augenscheinsobjekte benannt und vorgelegt hat, die für die Entscheidung des Rechtsstreits ganz erheblich sind. Erst auf die Ladung des Gerichts für die mündliche Verhandlung am 6. Mai 2013 hat der aktuelle Bevollmächtigte der Klägerin mit dem sehr ausführlichen Schriftsatz vom 28. März 2013 das in Beiakte 10 zusammengefasste 64-seitige Konvolut von Unterlagen vorgelegt. Durch diese Unterlagen erhielt der Vortrag zur vermögensmäßigen Verflechtung der Klägerin mit H. T. in Bezug auf das Hausgrundstück Alte O. Straße 46 (und hierdurch der Heiratsgrund der Vorsorge für den Todesfall, nebst erbschaftssteuerlichen Erwägungen), die gegenseitige Absicherung durch Risikolebensversicherungen, Ereignisse, die für den allgemeinen Heiratsentschluss und dessen verzögerte Umsetzung von Bedeutung waren (Mandel-OP 2005, gynäkologische OP 2008, Krankheit des Hundes C4. 2008), der Streit des H. T. mit seinem Sohn und insbesondere der Krankheitsverlauf und die Behandlung des Pankreastumors des H. T. wesentlich neues Gepräge bzw. ins Einzelne gehende Substanz. Mit dem ebenfalls enthaltenen Abdruck der Einladung zur geplanten Feier am 12. September 2009 einschließlich des Hinweise auf die „freudige Überraschung“ erhielt der Prozess eine entscheidende Wendung, die über die mündliche Verhandlung und die nachfolgenden weiteren Ermittlungen bis zu dieser Entscheidung geführt hat. Natürlich erstaunt es, dass die Klägerin erst etwa drei Jahre nach ihrer ersten inhaltlichen Stellungnahme vom 1. April 2010 zur Widerlegung der Vermutung einer Versorgungsehe wegen kurzer Ehedauer durch § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG die Einladung zur Feier am 12. September 2009 vorlegt, erst in der mündlichen Verhandlung die Notizzettel in Bezug auf die Bestellung bei T2. -C3. sowie die geplanten Gäste und Einkäufe (Bl. 198 – 200 der Gerichtsakte) vorlegt und die vorhandenen Eheringe erst im Rahmen ihrer Anhörung durch das Gericht in der mündlichen Verhandlung offenlegt und dann auch vorlegt. Dies gilt tatsächlich besonders, als das LBV sie deutlich darauf hingewiesen hatte, dass objektive Hinweistatsachen und Belege für andere Heiratsgründe als die Versorgungsabsicht entscheidend seien. Zudem ist im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren Verwirrung um die Termine für die geplante Heirat und die Feier des 50. Geburtstages bzw. der Hochzeit entstanden. 121Die hierdurch aufgeworfenen Zweifel am Vorbringen der Klägerin vermögen die Einschätzung des Gerichts, die maßgeblich auf den eidesstattlichen Versicherungen beruht, nicht zu ändern. Die Art und Weise des Vorbringens lässt sich im Licht dieser Einschätzung schlüssig erklären. Bei genauer Betrachtung hat die Klägerin in ihrer selbst verfassten Stellungnahme vom 1. April 2010 „ihre Geschichte“ in Bezug auf H. T. , die Heiratsabsichten und Heiratsgründe sowie die Pläne für Heirat und Feier im September 2009 sowie deren begonnene Umsetzung bis zur Kenntnis von der vermutlich ernsthaften Erkrankung Mitte August 2009 in den Grundzügen bereits dargelegt. Diese erste Stellungnahme steht in völliger Übereinstimmung mit dem Sachverhalt, von dem das Gericht jetzt ausgeht. Danach ist durch die Einschaltung der früheren Bevollmächtigten der Klägerin jedoch einiges an Verwirrung entstanden. Auch wenn schwer zu sagen ist, woran es lag, hat deren Verfahrensführung für Unklarheiten gesorgt (z. B. zu den Daten: 50. Geburtstag der Klägerin am 7. September 2009, Feier am 12. September 2009; wann sollte der Standesamts-Termin sein, wann die Feier usw.) und es sind Missverständnisse aufgetreten. Die Geschichte der Klägerin wurde anscheinend auch in gewissen Einzelheiten nicht ganz zutreffend aufgenommen bzw. wiedergegeben (z. B. wurde die Erkrankung des Hundes C4. als „alltägliche Sache“ dargestellt, was sie für die Klägerin und H. T. zweifelsohne nicht war). Es scheint so, als sei die Bevollmächtigte mit der Fallkonstellation einer Versorgungsehe zuvor nicht befasst gewesen und habe die Maßstäbe der Rechtsprechung zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung bei Kenntnis von einer lebensbedrohlichen Erkrankung nicht hinreichend gekannt. Sie ist verfahrenstaktisch nicht klug vorgegangen und hat sich auf argumentative Scharmützel mit dem LBV eingelassen, anstatt zunächst im Zusammenhang einen schlüssigen Sachverhalt vorzutragen, der ein der Klägerin günstiges Ergebnis tragen konnte, und es dann zu unternehmen, diesen zu substantiieren bzw. zu beweisen. Sodann hätte sie mit der Klägerin daran arbeiten sollen, objektive Hinweise für nicht versorgungsbezogene Absichten bei Eheschließung zu erkennen sowie alle relevanten Unterlagen und Gegenstände zu beschaffen und vorzulegen. Bei allem ist es bezogen auf die Klägerin selbst menschlich nachvollziehbar, wenn von einer in dieser Hinsicht vollkommen unerfahrenen Hinterbliebenen etwa drei Monate nach dem viel zu frühen krebsbedingten Todes des Ehemannes zunächst eher knapp und auf das Wesentliche beschränkt vorgetragen wird, weil kein Problembewusstsein bestand und sie keine Ablehnung gewärtigte. Es entspricht typischem Verhalten, dann nach und nach mehr „nachzulegen“, wenn und wann es erforderlich scheint. Dies mag für Behörden und Gerichte manchmal verdächtig erscheinen, ist jedoch in anderen Lebensbereichen nicht ungewöhnlich. Denn sowohl ausführlicher und in die Tiefe gehender Vortrag sowie die Beschaffung und Vorlage von Unterlagen oder die Benennung von Augenscheinsobjekten oder Zeugen usw. kosten Zeit und Kraft. Zugleich ist dies in einer Zeit der Trauerarbeit nicht die Lieblingsbeschäftigung von Hinterbliebenen. Hierfür besteht v.a. dann wenig Anlass, wenn der Betroffene sich ohne weiteres „im Recht“ sieht. 122Bei alledem geht das Gericht davon aus, dass der Heiratsentschluss, den die Klägerin und ihr verstorbener Partner (möglichst) am 7. September 2009 umsetzen und dieses Ereignis dann am 12. September 2009 feiern wollten, für sie nicht maßgeblich von der Absicht getragen war, der Klägerin eine Witwenversorgung zu verschaffen. Die Klägerin hat die Entwicklung ihrer Beziehung zum Verstorbenen nachvollziehbar geschildert. Hier war es nach der Einschätzung des Gerichts so, dass die Partner über einen Beziehungszeitraum von etwa neun Jahren (1996 – 2005) eine immer engere Bindung aufbaut hatten und dann, veranlasst durch ein äußeres Ereignis (hier die bedrohliche Situation bei der Mandel-OP 2005), eine grundsätzliche Entscheidung für eine eheliche Bindung eingegangen waren, die sie dann nach Verlobung drei Jahre später (wohl 20. Mai 2008) wiederum mehr als ein Jahr später realisieren wollten. Dies ist etwas völlig anderes, als die in der Rechtsprechung zu § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG häufig anzutreffende Situation einer langjährigen eheähnlichen Gemeinschaft, die im Moment des Auftretens einer lebensbedrohlichen Erkrankung in eine Ehe überführt wird. Ursprünglich spielte wohl anlässlich der bedrohlichen Situation bei der Mandel-OP der Klägerin 2005 auch eine Komponente der Vorsorge für einen ernsten Fall, z. B. des Todes eines der Partner, eine Rolle. Dies ist jedoch – wie bei vielen Ehen – als eine Komponente unter vielen völlig unproblematisch. Entscheidend ist insofern, ob sich die Hochzeit von Gestaltung und Rahmen her auch als eine emotionale „Liebesheirat“ darstellt oder ob schlicht der „Verwaltungsakt“ der Eheschließung beim Standesamt durchgeführt wird. Letzteres war hier offensichtlich nicht der Fall: Das Gefühl der Klägerin hat sie beschrieben mit „dass wir uns halt geliebt haben. Wir sind zusammen gewesen, wir sind zusammengewachsen. Wir haben das Haus fertig gemacht und wir waren eine Einheit. Dem wollten wir endlich auch Form geben, auch nach außen hin das ganze legitimieren und ‚Mann und Frau‘ sein.“ Dies beschreibt ein Gefühl, das viele kennen. Die beiden waren gemeinsam Inhaber eines Hauses, das im Wesentlichen ihr gesamtes Vermögen darstellte und in das sie viel Geld und Kraft investiert hatten. Sie hatten als (Patchwork-)Familie mit der Tochter der Klägerin N1. seit deren 13. Lebensjahr zusammengelebt und waren für diese „Mama und Papa“, und auch der Sohn des Klägers H. jun. war zeitweilig Teil dieser Familie. Sie waren „Mama und Papa“ bzw. „Frauchen und Herrchen“ für ihre Hunde C4. , K. , A1. und zuletzt W1. . Dieses Gemeinsame, das Gefühl der „Einheit“ nach außen zu dokumentieren, ist Beweggrund vieler Eheschließungen, auch wenn dies nicht zwingend ist.Zugleich gab es neben der emotionalen Seite auch praktische, „weltliche“ Erwägungen: Die Klägerin und der Verstorbene waren seit 1997 hälftige Miteigentümer des Elternhauses der Klägerin, des Hausgrundstücks Alte O. Str. 46 in L1. -G. . Im Erbfall waren Probleme zu gewärtigen. Gesetzlicher Erbe des H. T. war sein Sohn H. jun., gesetzliche Erben der Klägerin ihre Kinder N1. und X. (jun.) C1. . Der überlebende Partner hätte sich also in einer Miteigentümergemeinschaft mit einem Kind bzw. einer Erbengemeinschaft aus Kindern des verstorbenen Partners befunden. Da nach dem Wunsch der Partner das Haus dem überlebenden Partner erhalten bleiben sollte, war ein Weg zu diesem Ziel zu finden. Da die Stellung der Kinder nicht zu beseitigen war bzw. auch im Grundsatz nicht beseitigt werden sollte, hatten die Partner die Vorstellung, dass die erbenden Kinder des verstorbenen Partners vom überlebenden Partner „ausgezahlt“ werden sollten. Um hierfür Mittel zu erhalten, hatten sie „über Kreuz“ Risiko-Lebensversicherungen abgeschlossen. Beim Tod der Klägerin hätte die L3. Lebensversicherung AG (Nr. 4053696) an H. T. geleistet, beim Tod des T. hätte die V. Lebensversicherung a.G. (Nr. 01830711-46) einen Betrag von DM 250.000 an die Klägerin geleistet (Unterlagen zu beiden in Beiakte 10). Das in der Gartenbau-Firma gebundene (oder in Kraftfahrzeugen investierte) sonstige Vermögen der Klägerin wollte sie ausweislich ihres Testaments vom 21. November 2001 ihrer Tochter N1. und ihrem Partner je zur Hälfte vererben, Sohn X. C1. jun. sollte nur den Pflichtteil erhalten. H. T. hatte neben dem Hausanteil ab einem gewissen Zeitpunkt Vermögen angespart, das in verschiedenen Formen angelegt war (zum tatsächlichen Todeszeitpunkt 2010 dokumentiert in der Aufstellung der Klägerin, die sie beim LBV mit ihrem Schreiben vom 1. April 2010 vorgelegt hatte). Dies hätte mangels Testament sein Sohn geerbt.Durch eine Eheschließung konnten die Partner sich gegenseitig zu gesetzlichen Erben machen, so dass sie ohne Weiteres neben den Kindern des jeweiligen Versterbenden einen der Konstellation entsprechenden Anteil an der jeweiligen Miteigentums-Hälfte des anderen Partners am Hausgrundstück erhalten hätten. Dadurch wäre der Anteil, in Bezug auf den eine Regelung im Wege der „Auszahlung“ zu erzielen war, deutlich vermindert worden. Es wäre dem Überlebenden mehr von dem Auszahlungsbetrag aus den Risiko-Lebensversicherungen verblieben. Zugleich hätte in Bezug auf das Mobiliar-Vermögen des H. T. eine Erbenstellung begründet und in beiden Richtungen der Anfall von Erbschaftssteuer (bei Tod der Klägerin in Bezug auf in der Gartenbau-Firma gebundenes Vermögen – bei Tod des T. in Bezug auf dessen Anlagevermögen) verhindert werden können, weil dem Ehepartner ein hoher Freibetrag hinsichtlich der Erbschaftssteuer zur Verfügung steht. Durch diese Erwägungen wird erkennbar, dass für die Klägerin und ihren verstorbenen Partner eine Eheschließung auch aus Gründen der Vorsorge für den Todesfall sehr sinnvoll war. Sie konnten sich zu gesetzlichen Erben neben den Kindern machen und Erbschaftssteuer sparen. Diese Absichten sind jedoch nicht die „Versorgungsabsicht“, die § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG meint. Dort ist allein die Schaffung der beamtenrechtlichen Versorgung mit der Hinterbliebenenversorgung für Witwe(r) gemeint. Sonstige versorgungs- bzw. vorsorgebezogenen Überlegungen der Ehegatten sind für diese Vorschrift ohne Bedeutung. „Vorsorgen“ und „versorgen“ ist insofern nicht das Problem, sondern allein das Verschaffen einer Hinterbliebenenversorgung nach § 19 BeamtVG. Dafür, dass bei den Hochzeitsüberlegungen und der wohl erfolgten Verlobung im Jahr 2008 die im Fall des Todes des H. T. dessen Witwe zustehende Witwenversorgung durch das beklagte Land nach § 19 BeamtVG ein maßgeblicher Beweggrund war, sind keine Anhaltspunkte erkennbar.Es ist dann auch davon auszugehen, dass diese Motivationslage in Bezug auf die Hochzeit bei der Klägerin und dem Verstorbenen im Wesentlichen fortbestand, als diese im Frühjahr 2009, nachdem der Hund W1. die „Familie“ nach dem Tod des Hundes C4. erweitert bzw. wieder vervollständigt hatte, entschlossen, die in der Verlobung 2008 im Grundsatz getroffene Entscheidung für eine Heirat nunmehr im Jahr 2009 konkret in die Tat umzusetzen. Diese Absichten standen mithin auch hinter der Planung der standesamtlichen Hochzeit (möglichst) am 7. September 2009 und der Feier des 50. Geburtstages der Klägerin und der Heirat am Samstag, 12. September 2009. Dies ergibt sich indiziell schon daraus, dass die Partner überhaupt einen solchen Aufwand betrieben: Die allein oder maßgeblich – also überwiegend – aus Gründen der Hinterbliebenenversorgung nach § 19 BeamtVG erfolgende Heirat ist eine Zweckheirat. Eine Feier mit entsprechendem Aufwand, Raum, Essen, Einladungen usw. ist jedoch regelmäßig Ausdruck der Freude über die „Liebesheirat“ aufgrund der entsprechenden Gefühle. Die Art dieses Ausdrucks hat verschiedenste Formen. Fast immer drückt sich die Freude über den emotionalen Anteil einer Eheschließung, die nicht reine Zweckheirat ist, in äußerlich erkennbaren Vorkehrungen oder Gestaltungen aus. Der Umstand, dass die Klägerin eventuell irgendwann ein Witwengeld in Höhe von 55 % eines fiktiven Ruhegehalts ihres verstorbenen Partners im Rang eines Kriminaloberkommissars erhalten hätte, wäre kaum Anlass für eine Party in G. mit (gemäß der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Liste, Bl. 200 der Gerichtsakte) „Sekt, Jägermeister, Korn, Mariacron, Bacardi, Ouzo, 15 l Pils und 20 l Alt + je 1 Kasten“ gewesen. 123Steht damit zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann schon vor Kenntnis der Krebserkrankung einen konkreten und unbedingten Heiratsentschluss (für einen Tag vor dem 12. September 2009) aus Motiven hatten, unter denen nicht die Schaffung einer Hinterbliebenenversorgung für die Klägerin maßgeblich war, so stellt sich die Heirat am 30. September 2009 als konsequente Umsetzung dieses bereits bestehenden Heiratsentschlusses dar. Konsequenter und stringenter geht es kaum: Im Zeitpunkt der Verdachtsdiagnose am 19. oder 20. August 2009 (Mittwoch/Donnerstag) legten die Klägerin und ihr Partner die Durchführung von Heirat und Feier bis zur Klärung der gesundheitlichen Situation „auf Eis“ und sagten das Essen bei T2. -C3. ab, informierten D. und D1. I3. sowie alle Gäste. Nach dem Wochenende begab der Kläger sich am Dienstag, 25. August 2009 ins I. Klinikum L1. und unterzog sich dort im Zeitraum bis Mittwoch, 9. September 2009, allen weiteren diagnostischen Untersuchungen, die zum Ergebnis eines Adenokarzinoms der Bauchspeicheldrüse mit Lymphangiose führten. Schon am darauffolgenden Dienstag, 15. September 2009, war er wieder stationär im I. Klinikum und unterzog sich dem ersten Zyklus einer Chemotherapie (Aufenthalt bis Montag, 21. September 2009). Während dieser Zeit meldete die Klägerin am Donnerstag, 17. September für den 30. September 2009 die Eheschließung beim Standesamt L1. an. In zeitlicher Hinsicht ist dies sehr straff. Die Eheschließung fand auch soweit erkennbar genau so statt, wie es geplant gewesen war, nämlich ohne besonderen Aufwand ohne Trauzeugen beim Standesamt. Die Feier fiel weg. Zugleich ist dies nach der Überzeugung des Gerichts die Betätigung des vorherigen Heiratsentschlusses, wobei keine abweichenden Absichten – insbesondere nicht diejenige der Ermöglichung von Witwengeld – erkennbar sind. Die Klägerin hat geschildert, wie sie und der Verstorbene durch die Krankheit noch stärker „zusammengeschweißt“ worden waren und er im Park des Klinikums zu der Erkenntnis kam, dass sie jetzt ihre eigenen Interessen auch einmal in den Vordergrund stellen sollten, nachdem sie die Hochzeit 2008 wegen des Streits um C4. und jetzt wegen der Krankheit abgesagt hatten. Er bat sie dann mit den Worten „Monsterchen, willst Du meine Frau werden?“, ihn jetzt zu heiraten und sich darum zu kümmern. Die Schilderung der Eheschließung beim Standesamt am 30. September 2009, bei dem sie beide „perfekt“ waren – er im 2008 für die nicht erfolgte Hochzeit erworbenen schwarzen Anzug, sie im ebenfalls für die Hochzeit gekauften beigen Anzug – verdeutlicht die über eine „Vorsorgemaßnahme“ weit hinausgehende emotionale und symbolische Bedeutung der eingegangenen Verbindung. 124Es sind in Bezug auf die Eheschließung auch keine anderweitigen Hinweise auf konkrete Absichten beider Eheleute – oder auch nur eines von ihnen – erkennbar, die sich auf Witwenversorgung richteten. Insbesondere ist keine Versorgungsauskunft beim LBV eingeholt worden oder auch keine anderweitigen auf die Versorgungssituation des Verstorbenen – und damit mittelbar der Klägerin für den Fall seines Vorversterbens – bezogenen Erkundigungen ersichtlich. Ob die Klägerin wirklich – wie sie angibt – keiner zusätzlichen Versorgung bedarf, ist angesichts ihrer durchaus wechselhaften Erwerbsbiographie fraglich, muss hier jedoch nicht geklärt werden, weil die gesetzliche Vermutung ausgeräumt ist. 125Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. 126Die Regelung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 Zivilprozessordnung (ZPO). 127Beschluss: 128Der Streitwert wird auf die Wertstufe bis 25.000 Euro festgesetzt. 129Gründe: 130Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 1, Abs. 3 GKG erfolgt. Das Gericht berücksichtigt dabei den monatlichen Differenzbetrag von 1041,49 Euro monatlichem Witwengeld, der sich bei Erfolg der Klage zugunsten der Klägerin nach Auskunft des LBV ergeben würde, und legt nach der Rechtsprechung über den sog. Teilstatus den Wert für zwei Jahre (also 24 Monate) zugrunde. Ob sich dieser Betrag durch andere Einkünfte in der Auszahlung mindert, wird hier außer Acht gelassen, insbesondere da die Minderungsbeträge nach dem Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) „ruhen“. | das beklagte land wird unter aufhebung des bescheides des landesamtes für besoldung und versorgung nordrhein-westfalen vom 9. september 2010 in der gestalt dessen widerspruchsbescheides vom 10. januar 2011 verpflichtet, der klägerin witwengeld nach dem beamtenversorgungsgesetz nach dem verstorbenen kriminaloberkommissar h. t. in gesetzlicher höhe zu bewilligen. das beklagte land trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist hinsichtlich der kosten gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des beizutreibenden betrages vorläufig vollstreckbar. 1 | 2die am 00. september 1949 geborene klägerin ist die witwe des am 00. mai 1958 geborenen h. t. , der als beamter auf lebenszeit bis zu seinem tod im polizeidienst des beklagten landes stand (zuletzt im rang eines kriminaloberkommissars, besoldungsgruppe a 10 bundesbesoldungsordnung ‑ bbeso). 3die klägerin, geb. c. , hat aus einer nicht-ehelichen beziehung mit herrn n. l. das 1982 geborene kind n1. . nach der trennung von herrn l. im jahre 1983 hatte sie mit herrn x. c1. eine beziehung aufgenommen, die zur eheschließung im jahr 1987 geführt hatte. aus dieser ehe ging ihr 1988 geborener sohn x. c1. jun. hervor, bevor es zur trennung und zur wirksamen ehescheidung im jahr 1991 kam. 4in der folgezeit begann die klägerin eine nicht-eheliche beziehung mit dem polizeibeamten h. t. und lebte mit diesem bis zu seinem tod zusammen. der beamte hatte aus einer im oktober 1995 geschiedenen ehe einen sohn (h. t. jun.). 5mitte august des jahres 2009 wurde beim partner der klägerin nach verschiedenen ärztlichen untersuchungen auf grund von aufgetretenen beschwerden ärztlicherseits der verdacht auf eine krebserkrankung der bauchspeicheldrüse geäußert. nach einem ersten stationären aufenthalt des herrn t. im i. klinikum in l1. vom 25. august bis 9. september 2009 stand mit ausreichender sicherheit fest, dass bei herrn t. tatsächlich ein tumor der bauspeicheldrüse (pankreas-karzinom) vorlag. bei einem stationären aufenthalt im selben klinikum mitte september 2009 wurde beim kläger die behandlung der krebserkrankung mit einer chemo-therapie begonnen; dies wurde dann in der onkologischen tagesklinik des i. klinikums fortgesetzt. 6am 30. september 2009 schlossen der verstorbene h. t. und die klägerin vor dem standesamt l1. die ehe (heiratsregister: e 736/2009). 7nach rasch fortschreitendem tumorkrankheitsverlauf verstarb h. t. im i. klinikum l1. am 19. januar 2010 an den folgen der krebserkrankung seiner bauchspeicheldrüse. 8der kläger war durch seinen hausarzt seit dem 7. august 2009 arbeitsunfähig geschrieben und hatte bis zum zeitpunkt seines todes keinen dienst mehr geleistet. 9unter dem 26. februar 2010 beantragte die klägerin beim landesamt für besoldung und versorgung nordrhein-westfalen (lbv) mit entsprechendem formular die festsetzung und zahlung von hinterbliebenenbezügen nach dem verstorbenen h. t. . das lbv reagierte hierauf mit schreiben vom 24. märz 2010, in dem es wegen der ehedauer von weniger als einem jahr auf die gesetzliche vermutung einer versorgungsehe gemäß § 19 beamtenversorgungsgesetz (beamtvg) sowie die möglichkeit der entkräftung dieser vermutung durch die witwe hinwies und ihr gelegenheit zur stellungnahme unter beifügung geeigneter unterlagen einräumte. 10die klägerin nahm unter dem 1. april 2010 stellung und teilte mit, dass die eheschließung keinesfalls aus versorgungsgesichtspunkten erfolgt sei. im einzelnen führte sie hierzu im wesentlichen aus: die hochzeit sei bereits zu einem zeitpunkt geplant gewesen, an dem die erkrankung noch nicht festgestellt gewesen sei. zu ihrem 50. geburtstag am 7. september 2009 hätten sie heiraten wollen und hätten bereits die entsprechenden vorplanungen in die wege geleitet (einladungen versandt, essen bestellt etc.). am 19. august 2009 sei dann anlässlich eines arztbesuches festgestellt worden, dass ihr mann wahrscheinlich ernsthaft erkrankt sei, so dass sie die feier zunächst abgesagt hätten, um durch weitere untersuchungen gewissheit über seinen gesundheitszustand zu erhalten. wegen der geänderten situation hätten sie dann auf eine „große feier“ verzichtet und wenig später geheiratet. hintergrund der eheschließung sei keinesfalls ihre versorgung gewesen. zum damaligen zeitpunkt sei sie selbstständig beruflich tätig gewesen und habe genug verdient, um ihren unterhalt sicherstellen zu können. die hochzeit sei zum einen geplant gewesen, weil sie in einer seit 14 jahren andauernden partnerschaft die gewissheit erworben hätten, für einander da sein zu wollen. zum anderen hätten ihr mann und sie die position des partners für den fall des todes gestärkt wissen wollen. sie hätten beide aus einer vorangegangenen ehe ein bzw. zwei kinder gehabt. da sie zusammen eigentümer ihres wohnhauses gewesen seien, habe sichergestellt werden sollen, dass der jeweils überlebende partner das überwiegende eigentum an dem haus behalten könne. da ihr mann zudem noch über erhebliches barvermögen verfügt habe, hätten sie den jeweils überlebenden nicht erheblichen erbschaftsteuerforderungen aussetzen wollen.ihrer stellungnahme fügte die klägerin eine vermögensaufstellung aus der erbschaftsauseinandersetzung mit dem sohn des verstorbenen beamten bei. 11dem lbv reichte diese stellungnahme nicht und es bat die klägerin unter dem 22. april 2010 um entbindung der behandelnden ärzte von der schweigepflicht, um mit diesen die einzelheiten der krankheit des verstorbenen zu klären. 12daraufhin bestellte sich unter dem 27. april 2010 für die klägerin rechtsanwältin c2. (rechtsanwälte i1. , h1. , m. und c2. aus l1. ), übermittelte die schweigepflichtentbindung für die behandelnden hausärzte und führte ergänzend im wesentlichen aus: der verstorbene ehemann der klägerin sei bis kurz vor seinem tod nicht davon ausgegangen, nur noch über begrenzte lebenszeit zu verfügen. dies zeige sich z. b. daran, dass er noch am 29. september 2009 seinen personalausweis bis zum jahre 2019 verlängert habe. die eheleute hätten bereits vor bekanntwerden der erkrankung die hochzeit geplant, diese absicht jedoch zurückgestellt, weil bei herrn t. eine erkrankung festgestellt worden sei, deren ausmaß und ursache man zunächst auf den grund habe gehen wollen. anfang september sei ein unklarer tumor diagnostiziert und mit den behandelnden ärzten ein behandlungsplan besprochen worden, der aus sicht der behandelnden ärzte und der eheleute in einer heilung münden sollte. der tumor sollte durch bestrahlung verkleinert und alsdann operativ entfernt werden. die chemo-therapie habe am 17. september 2009 begonnen. am 30. september 2009 hätten die klägerin und ehemann dann mit der absicht geheiratet, noch viele gemeinsame jahre miteinander zu verbringen. erst im januar 2010 hätten die behandelnden ärzte der klägerin anlässlich einer unterredung im i. klinikum die erkenntnis vermittelt, dass die erkrankung ihres ehemannes so schwerwiegend sei, dass wohl nicht mit heilung oder besserung zu rechnen sei. der ehemann habe diesen niederschmetternden befund selbst dann noch nicht realisiert.die partner hätten bereits seit vielen jahren in einem gemeinsamen haushalt gelebt. sie hätten zunächst nicht geheiratet, weil beide bereits eine gescheiterte ehe hinter sich hatten und „gebrannte kinder“ waren. mit den jahren sei jedoch das thema einer heirat immer wieder besprochen worden und habe sich bereits in den jahren vor 2009 konkretisiert. die altersabsicherung der klägerin sei nie gegenstand der erörterungen der partner bei der besprechung der heiratsabsichten gewesen. vielmehr hätten beide mit den jahren des gemeinsamen lebens und wirtschaftens die erkenntnis gewonnen, dass ihre gemeinschaft von dauer sei und daher das gewonnene gegenseitige vertrauen in eine ehe münden sollte. zudem sollte der partner für den erbfall eine gesicherte rechtsstellung im verhältnis zu jeweils vorhandenen kindern des anderen aus erster ehe erhalten. weiterer ansatz sei außerdem die steuerliche besserstellung des ehegatten im verhältnis zu einem nichtehelichen lebenspartner gewesen. lange bevor der ehemann erkrankt gewesen sei, hätten die partner irgendwann den entschluss gefasst zu heiraten und hierfür als datum den 50. geburtstag der ehefrau am 7. september 2009 ins auge gefasst, der mit einer größeren feier geplant war. die gesamte feier sei dann allerdings im hinblick auf den krankenhausaufenthalt des ehemannes abgesagt worden. in der gesamten konstellation hätten versorgungsansprüche der ehefrau bei der eheschließung nicht einmal eine untergeordnete rolle gespielt. 13das lbv forderte sodann vom hausarzt des h. t. , h2. t1. aus l1. , ein ärztliches zeugnis über den verstorbenen an und bat die bevollmächtigten der klägerin um zusendung geeigneter nachweise, wann die vorbereitungen für die größere feier der hochzeit am 7. september 2009 begonnen hätten und nannte beispielsweise unterlagen zur bestellung des aufgebots beim standesamt, die auftragsvergabe für ein festessen, eine rechnung der druckerei für einladungskarten, zeitpunkt des versandes der einladungen usw. 14die frühere bevollmächtigte der klägerin legte eine bescheinigung des l2. -i2. t2. -c3. (aus 00000 l1. , q. 138, unterschrieben „u. t2. -c3. “) vom 10. juni 2010 darüber vor, dass die klägerin am 8. juli 2009 bei ihnen ein büffet für 20 personen anlässlich der hochzeit am 12. september 2009 bestellt habe, die feier jedoch wegen der erkrankung ihres mannes am 20. august 2009 verschoben habe. 15der praktische arzt h2. t1. aus l1. bescheinigte unter dem 8. september 2010, 16171. dass bei herrn t. keine vorerkrankungen vorgelegen hätten, die nach allgemeiner einschätzung zu einem absehbaren tod hätten führen können; 182. dass nach den vorliegenden krankenhausberichten die letztendliche diagnose eines pankreaskopftumors im august 2009 gestellt worden sei, wobei über die prognose der erkrankung noch keine aussage gemacht werden konnte; 193. dass auch im dezember 2009 eine weitere therapeutische chemo-therapie eingeleitet worden sei, die aber letztendlich zu keiner heilung des tumors geführt habe. 20das lbv lehnte die gewährung einer hinterbliebenenversorgung an die klägerin mit bescheid vom 9. september 2010 ab, weil die aus der kurzen ehedauer folgende vermutung einer versorgungsehe nach § 19 abs. 1 satz 2 nr. 1 beamtvg nicht ausgeräumt worden sei. die gesetzliche vermutung könne nur durch die besonderen, objektiv feststellbaren umstände des einzelfalles ausgeräumt werden, wobei der hinterbliebene die materielle beweislast trage, dass die versorgungsabsicht keine maßgebende bedeutung für die ehe gehabt habe. die von der klägerin vorgetragenen gründe hätten hierzu nicht ausgereicht; vielmehr habe das vorbringen, dass sie mit dem verstorbenen bereits mehrere jahre in eheähnlicher gemeinschaft gelebt habe, die gesetzliche vermutung einer versorgungsehe bestätigt. 21die damaligen bevollmächtigten der klägerin erhoben hiergegen unter dem 14. september 2010 widerspruch, mit dem sie das bisherige vorbringen wiederholten, vertieften und ergänzten. im einzelnen trugen sie mit dem widerspruch sowie ergänzenden stellungnahmen vom 15. november und 25. november 2010 vor: die entscheidung für die ehe sei schon vor der kenntnis gefallen, dass dem verstorbenen nur noch begrenzte lebenszeit zur verfügung gestanden habe. für den ursprünglichen hochzeitstermin habe eine anmeldung beim standesamt noch nicht vorgelegen. ihnen sei gesagt worden, wenn nicht ein außergewöhnliches datum gewählt werde, reiche eine anmeldung wenige tage vor dem beabsichtigten termin. deshalb habe zu dem zeitpunkt, als entschieden worden sei, die trauung zu verschieben, noch keine anmeldung vorgelegen. vor dem hintergrund der erkrankung des ehemannes habe die erfolgte heirat den auf die zukunft gerichteten optimismus der eheleute dokumentiert, die krankheit in den griff zu bekommen und ein langes gemeinsames leben zu führen. 22das lbv wies den widerspruch nach telefonischen ermittlungen beim standesamt l1. mit widerspruchsbescheid vom 10. januar 2011 zurück und führte zur begründung im wesentlichen aus: die kenntnis einer lebensbedrohenden erkrankung schließe die widerlegung der vermutung regelmäßig aus, es sei denn, es liege die konsequente verwirklichung eines vorherigen heiratsentschlusses vor. für einen heiratsentschluss mit großer feier am 12. september 2009 vor kenntnis der krankheit am 19. august 2009 habe die klägerin keine nachweise vorgelegt. gerade eine größere hochzeitsfeier in verbindung mit dem 50. geburtstag der klägerin erfordere eine vielzahl von vorbereitungsmaßnahmen. so würden z. b. räumlichkeiten für die feier angemietet, einladungen gedruckt und versandt, garderobe und ringe gekauft, reservierungen im restaurant vorgenommen, buffetvorschläge und angebote von caterern eingeholt, aufträge an getränkelieferanten erteilt und vieles mehr. die allein als nachweis vorgelegte bescheinigung des party-service sei fragwürdig und reiche nicht aus. es sei nicht nachvollziehbar, warum sich der party-service etwa ein jahr nach den geschehnissen noch genau an die dort genannten termine erinnere, wenn es keine angebotserteilung oder auftragsbestätigung gegeben habe bzw. sich diese vorgänge nicht anderweitig aus den geschäftsbüchern ergäben.ausschlaggebend sei zudem die tatsache, dass die anmeldung zur eheschließung beim standesamt vor kenntnis der erkrankung noch nicht erfolgt sei. es sei lebensfremd und nicht glaubhaft, eine große hochzeitsfeier zu planen und vorzubereiten, wenn der hochzeitstermin noch nicht vom standesamt vergeben worden sei. die angabe der klägerin, dies sei auch noch wenige tage vor dem beabsichtigten termin möglich, fordere zum einen sehr hohe flexibilität hinsichtlich des termins, andererseits sei die hochzeit für den 12. september 2009, einen samstag, geplant gewesen. bei einem samstagstermin für eine trauung sei immer von einer großen nachfrage auszugehen und dies treffe auch beim standesamt l1. zu. da dort nicht an jedem samstag trauungen durchgeführt würden und dann auch nur vier trauungen an einem samstag stattfinden könnten, seien diese termine so begehrt, dass die anmeldungen schon zum frühestmöglichen zeitpunkt (ein halbes jahr vorher) erfolgen. 23die klägerin hat hiergegen am 5. februar 2011 klage erhoben, mit der sie ihr auf die gewährung von witwengeld gerichtetes begehren weiter verfolgt. zur begründung wiederholt, vertieft und ergänzt sie ihr vorbringen aus dem verwaltungs- und widerspruchsverfahren und führt im wesentlichen aus: die eheleute hätten schon längere zeit vor der krebs-diagnose entschieden zu heiraten, dieses jedoch aus diversen gründen – zuletzt der erkrankung des ehemannes – zurückgestellt. die anfängliche skepsis der eheleute gegenüber der ehe nach den vorangegangenen gescheiterten ehen habe sich durch die jahre des zusammenlebens verändert. etwa ab 2005 hätten die partner gelegentlich davon gesprochen, über kurz oder lang doch zu heiraten. ausschlaggebend sei dabei der umstand gewesen, dass in den jahren des gemeinsamen lebens auch vermögensmäßige verknüpfungen erfolgt waren. dies sei insbesondere in bezug auf die kinder aus den vorehen eine unsichere situation gewesen, die man auch erbvertraglich hätte regeln können, was jedoch negative steuerliche konsequenzen gehabt hätte, die die partner hätten verhindern wollen. die partner hätten insofern zwar die entscheidung getroffen, zusammen zu bleiben und zu heiraten, hätten sich aber für die ausführung dieses entschlusses kein unbedingtes zeitliches ziel gesetzt. da sie dem teenager-alter seit langem entwachsen waren und seit langem zusammen lebten, war dies deshalb nichts, was unbedingt, schnellstens und mit erheblicher öffentlicher aufmerksamkeit habe erledigt werden müssen. im freundeskreis sei die heiratsabsicht bekannt gewesen und scherzhaft auch diskutiert worden, weil gerade alltägliche dinge dazu geführt hätten, dass der hochzeitstermin immer wieder verschoben worden sei. so hätte schon 2008 geheiratet werden sollen, jedoch sei dies aufgrund einer erkrankung des hundes verschoben worden. den freunden des paares sei die grundsätzliche heiratsabsicht jedenfalls seit langem bekannt gewesen. anders sei es dann im jahr 2009 gewesen: dort sei die klägerin 50 geworden und es habe groß gefeiert werden sollen. bereits im frühjahr hätten sich die eheleute darauf geeinigt, dieses fest zu nutzen, um zu heiraten und dies den freunden bekannt zu geben. die umsetzung dieses plans sei am ende erneut verschoben worden, weil beim ehemann gesundheitliche probleme aufgetreten waren. er habe seit frühjahr 2009 unklare beschwerden gehabt, jedoch einen arztbesuch gescheut. ende juli 2009 habe er dann einen arzt aufgesucht, der diverse untersuchungen veranlasst habe, die zunächst ohne konkreten befund gewesen seien. da es ihm jedoch immer schlechter gegangen sei, sei die geburtstagsfeier abgesagt und die hochzeit verschoben worden. im anschluss an ein ct am 19 august 2009 sei dann der verdacht auf einen tumor der bauchspeicheldrüse erstmals geäußert worden, was durch untersuchungen nachfolgend bestätigt worden sei, wobei ein therapieplan mit heilungsziel erstellt und eine chemo-therapie eingeleitet worden sei.das vom lbv der klägerin entgegengehaltene fehlen äußerer vorbereitungen für eine große hochzeit sei erklärlich und spreche deshalb nicht gegen die klägerin. gerade eine zweite hochzeit erfolge oft eher im stillen. dann sei auch kein termin beim standesamt weit im voraus erforderlich. die hochzeit habe auch nicht auf den tag der feier fallen müssen, sondern es habe nur mit den freunden gefeiert werden sollen. deshalb sei es völlig unerheblich, an welchem genauen tag die trauung vollzogen worden wäre. gegen eine versorgungsabsicht spreche auch, dass den partnern kein bedürfnis dafür bekannt gewesen sei. die klägerin habe während der gesamten dauer der beziehung für ihren eigenen lebensunterhalt durch eigene berufstätigkeit gesorgt, sie erwarte bei renteneintritt eigene altersbezüge, wobei sie deren genaue höhe in letzter konsequenz noch nicht wisse. mitte august bzw. bei eheschließung habe kein anlass bestanden, von einem tödlichen verlauf in naher zukunft auszugehen. da deshalb im august/september 2009 ein tödlicher krankheitsverlauf nicht bedacht worden sei, sei es ausgeschlossen, dass die versorgung ein grund der heirat gewesen sei. die klägerin und ihr ehemann hätten die eheschließung am 17. september 2009 angemeldet. dabei habe der ehemann die verlängerung seines passes beantragt, was ein indiz für seinen glauben an ein längeres leben sei.dem fügte die klägerin eine kopie der quittung über die anmeldung der eheschließung am 17. september 2009 bei. 24nachdem bei der klägerin im august 2011 ein anwaltswechsel stattgefunden hatte, hat der neue bevollmächtigte der klägerin auf die ladung zur mündlichen verhandlung mit schriftsatz vom 28. märz 2013 eingehend zur entwicklung der beziehung zwischen der klägerin und ihrem verstorbenen ehemann seit 1995, der beruflichen und finanziellen situation der klägerin, der vermögensmäßigen beziehungen zwischen den eheleuten sowie der entstehung und umsetzung des heiratsentschlusses stellung genommen. in wiederholung, vertiefung und ergänzung der bisherigen klagebegründung, teilweise jedoch mit ganz neuen schwerpunkten und aspekten führte der bevollmächtigte im wesentlichen aus: die klägerin und h. t. hätten sich schon bei einer party zu silvester 1995 kennengelernt, dort ausgezeichnet verstanden und dann ineinander verliebt. im laufe der nächsten monate habe sich daraus eine ernsthafte beziehung entwickelt. zu diesem zeitpunkt sei die klägerin vom einkommen her im grunde gut aufgestellt gewesen, so dass sie allen kreditverpflichtungen im hinblick auf ihr hausgrundstück habe nachkommen können. sie habe damals für die recycling-firma s. t3. gearbeitet, für die sie aufträge über altholz vermittelt habe. diese recycling-firma habe bei der klägerin in deren haus büroräume gemietet; des weiteren habe der vater der klägerin einen garten- und landschaftsbau betrieben und auf dem grundstück eine halle und abstellflächen gemietet. für dieses unternehmen habe die klägerin büroarbeiten erledigt. weiterhin hätte der bruder der klägerin eine wohnung im anbau angemietet. diese finanzielle situation habe sich am 20. mai 1996 schlagartig geändert. sie habe am morgen dieses tages einen telefonanruf erhalten, durch den sie erfahren habe, dass sich ihr hauptauftraggeber nach afrika abgesetzt hatte. im sommer 1996 sei der bruder der klägerin aus dem haus ausgezogen und das unternehmen des vaters sei notleidend geworden, so dass es ebenfalls im jahre 1996 geschlossen werden musste. die klägerin habe auf diese weise im wesentlichen ihre bisherigen einnahmequellen verloren, so dass sie sich arbeit, zunächst in einem call-center, gesucht habe. in dieser situation habe die klägerin in vielen gesprächen mit dem verstorbenen h. t. nach einer lösung gesucht, insbesondere weil sie das haus – ihr elternhaus – halten wollte. schließlich sei man dahingehend übereingekommen, dass h. t. einen hälftigen miteigentumsanteil an dem hausgrundstück von der klägerin kaufen sollte, was im frühjahr 1997 auch erfolgt und grundbuchlich umgesetzt worden sei. seit diesem zeitpunkt hätten die klägerin und herr t. zusammen in dem haus gewohnt. bei in der folgezeit stattfindender zunehmender stabilisierung der finanziellen lage hätten die nichtehelichen partner lebensversicherungen für den jeweils anderen abgeschlossen, um sich gegenseitig abzusichern. nach verschiedenen angestellten tätigkeiten habe die klägerin dann ab dem jahre 2001 wieder von dem gemeinsamen haus aus eine gartenbaufirma betrieben. die zwischen der klägerin und h. t. vorgenommenen vorsorgemaßnahmen seien ihnen ausreichend erschienen. aus ihrer sicht habe sich schon 2001 die versorgungssituation so dargestellt, dass die klägerin miteigentümerin eines hausgrundstücks war, im falle des todes ihres partners eine hohe versicherungssumme erhalten würde, inhaberin eines unternehmens war und darüber hinaus rentenanwartschaften bei der staatlichen rentenversicherung erworben hatte. mit der späteren heirat sei es darum gegangen, in bezug auf den vermögensstand des herrn t. im todesfall erhebliche erbschaftssteuern zu vermeiden. darüber hinaus sei es darum gegangen, die position des anderen partners im verhältnis zu den kindern zu stärken und dafür sorge zu tragen, dass dem überlebenden ehegatten auch das wesentliche vermögen, insbesondere die überwiegenden anteile an dem hausgrundstück, zufallen würden. abgesehen davon, dass die eheleute erst nach der eheschließung erfahren hätten, dass die krankheit des ehemannes nicht mehr überwunden werden könne, sei eine beamtenrechtliche hinterbliebenenversorgung wegen der bereits sehr guten versorgung der klägerin nicht maßgeblich gewesen. die entwicklung des heiratsentschlusses sei wie folgt gewesen: aufgrund einer im jahre 2005 erfolgten mandeloperation, in dessen folge die klägerin zuhause einen blutsturz erlitten habe, hätten die partner das thema heirat aufgegriffen. man sei damals übereingekommen, dass geheiratet werden sollte, sobald das haus in eigenleistung durchmodernisiert worden sei. diese arbeiten seien im frühjahr 2008 abgeschlossen gewesen. danach habe sich der heiratsentschluss konkretisiert: das paar hätte ringe gekauft und sich miteinander verlobt. die verlobung sei auf der feier zum 50. geburtstag des herrn t. am 20. mai 2008 gegenüber den gästen bekannt gegeben worden. zur geplanten hochzeit sei es 2008 nicht gekommen, weil bei der klägerin gesundheitliche probleme an der gebärmutter auftraten, so dass eine operation erforderlich geworden sei, die am 8. oktober 2008 durchgeführt worden sei. darüber hinaus sei der hund der klägerin und ihres späteren ehemannes erkrankt, worüber es auch zu unstimmigkeiten kam, die in einen streit mündeten, so dass auch aus diesem grunde die heirat nicht mehr als vordringliches ziel angesehen worden sei. jedoch vertrug man sich wieder und kam sodann überein, im laufenden kalenderjahr 2008 nicht mehr zu heiraten. vielmehr sollte die heirat im kalenderjahr 2009 stattfinden. das paar hätte vereinbart, am montag, den 7. september 2009, dem 50. geburtstag der klägerin zu heiraten. sodann sollte die stattgefundene hochzeit auf einer feier am darauffolgenden samstag, dem 12. september 2009 bekannt gegeben werden. zur vorbereitung der hochzeit sei die klägerin mit einer bekannten in das gartenlokal auf dem b. zum probeessen gegangen, weil dort ein buffet bestellt werden sollte. die feier selbst habe bei einer bekannten des paares, d. i3. , in deren haus stattfinden sollen. letztlich habe die klägerin am 8. juli 2009 bei der firma t2. -c3. telefonisch ein buffet für 20 personen bestellt, worüber weder eine schriftliche bestätigung erfolgt, noch eine anzahlung geleistet worden sei. mit frau n2. w. sei vereinbart worden, dass diese auf der feier kellnern und die gäste bewirten sollte. zudem habe die klägerin eine einladung entworfen, auf der die bekanntgabe der eheschließung angedeutet worden sei. einigen personen sei der plan der eheschließung jedoch auch durch mitteilung der klägerin bekannt gewesen. das standesamt l1. habe der klägerin auf nachfrage bestätigt, dass auch eine kurzfristige bestellung des aufgebots und ein heiratstermin in der woche vor der geburtstagsfeier der klägerin möglich seien, weshalb sie die bestellung des aufgebotes zurückgestellt hätten.zur krankheitsgeschichte: seite mitte juli 2009 habe h. t. über bauchschmerzen geklagt. nachdem er anfänglich nicht zum arzt habe gehen wollen, habe er dies nach ungefähr zwei wochen getan und es seien ärztlich angeordnete untersuchungen durchgeführt worden, die zunächst jedoch keine greifbaren ergebnisse gebracht hätten. am 19. august 2009 sei erstmals jedoch ein befund mit einer verdachtsdiagnose erteilt worden; nach ärztlicher aussage sei diese jedoch nicht gesichert gewesen, was sie beruhigt habe. jedoch hätten die klägerin und ihr verstorbener partner die geplante feier abgesagt. ab 25. august 2009 sei herr t. zum ersten mal stationär im i. krankenhaus aufgenommen worden. als sich dann der verdacht eines pankreas-karzinoms verdichtet habe, hätten die eheleute die erkrankung des ehemannes nicht nur gemeinsam durchstehen, sondern auch heiraten wollen, um sich zum einen neben den zuvor erwähnten gründen auch gegenseitig ihre verbundenheit durch die trauung zu bekräftigen und zum anderen ihre zusammengehörigkeit nach außen zur geltung zu bringen. zudem wollten sie im verhältnis zum sohn des ehemannes klare verhältnisse schaffen. dementsprechend habe die klägerin am 17. september 2009 beim standesamt das aufgebot bestellt und sie hätten nach rückkehr des h. t. aus dem krankenhaus am 25. september 2009 dann am 30. september 2009 die ehe geschlossen. dies sei ein konsequenter abschluss einer lange vorhandenen planung gewesen. es sei zu einer zeit erfolgt, als beide ehegatten mangels entgegenstehender informationen davon ausgingen, dass der ehemann von seiner krebserkrankung genesen werde. erstmalig bei dem letzten krankenhausaufenthalt ihres ehemannes ab dem 8. januar 2010 habe die klägerin von der behandelnden ärztin erfahren, dass der ehemann unheilbar erkrankt sei. vor diesem termin seien sie immer davon ausgegangen, dass die krankheit durch die eingeleiteten maßnahmen überwunden werden könne.mit diesem schriftsatz hat die klägerin umfangreiche unterlagen vorgelegt (zusammengefasst in beiakte heft 10), u.a.: 25 eintragungsnachricht des amtsgerichts l1. zum grundstück: übertragung hälftiger anteil von der klägerin an h. t. , auflassung am 13. februar 1997, eintragung im grundbuch am 30. april 1997; 26 bescheinigung/police der l3. lebensversicherung ag, versicherungsnehmerin: klägerin, im todesfall zahlung an h. t. ; 27 police v. lebensversicherung ag: risikolebensversicherung, versicherungsnehmerin: klägerin, versicherte person: h. t. ; 28 leistungsmitteilung der v1. krankenversicherung zugunsten klägerin zu kosten eines krankenhaus-aufenthalts im klinikum l1. vom 6. - 8. november 2005 und 27. oktober - 1. november 2005; 29 leistungsmitteilung der v1k über kosten eines aufenthalts der klägerin in gynäkologischer tagesklinik vom 8. - 9. oktober 2008; 30 unterlagen über behandlung des golden retrievers c4. bis zur einschläferung am 30. oktober 2008; 31 ausdruck einer einladungskarte zur feier des 50. geburtstags der klägerin am 12. september 2009, ab 18.00 uhr; 32 unterlagen zur auseinandersetzung des h. t. mit seinem sohn; 33 umfangreiche medizinische informationen über die erkrankung des partners der klägerin, insbesondere: 34 zur chemotherapie in der onkologischen tagesklinik im i. klinikum, 35 ärztliche berichte zu den untersuchungen des h. t. bis zur verdachtsdiagnose am 19. august 2009, 36 berichte des i. klinikums l1. vom 3. september, 21. september und 12. november 2009 über die stationären aufenthalte sowie die behandlung des klägers, 37 bescheinigung des i. klinikums über die stationären aufenthalte des klägers (25. august - 9. september 2009, 15. - 21. september 2009, 14. - 30. dezember 2009, 8. ‑ 19. januar 2009); 38 zwei versionen einer vollmacht des h. t. für die anmeldung der eheschließung durch die klägerin beim standesamt l1. ; 39 sowie kopien des am 8. april 2009 abgelaufenen personalausweises sowie des neuen, bis 29. september 2019 gültigen personalausweises des h. t. , nebst kassenquittung des bürgerbüros l1. über zahlung von 8,00 euro am 30. september 2009, 9.35 uhr. 40in der mündlichen verhandlung am 6. mai 2013 hat die klägerin sich erschöpfend zu allem geäußert. sie hat sich insbesondere eingelassen zu ihren familiären verhältnissen, ihren früheren beziehungen, ihrem beruflichen werdegang, der entwicklung der beziehung mit h. t. , den getroffenen regelungen in bezug auf das hausgrundstück alte o. straße 46 in 00000 l1. (g. ), sonstigen vorsorgemaßnahmen der eheleute für den todesfall, ihrer verlobung mit h. t. am 20. mai 2008, den planungen für die heirat sowie die feier ihres 50. geburtstages im september 2009, dem auftreten der erkrankung ihres ehemannes und der daraus folgenden absage von heirat und geburtstags-/hochzeitsfeier sowie zum verlauf der krebserkrankung und deren behandlung bis zum tod im januar 2010.im termin hat die klägerin an weiteren unterlagen vorgelegt: 41 fotos von kraftfahrzeugen der eheleute, 42 unterlagen zur planung der feier am 12. september 2009, 43 notarieller kaufvertrag vom 13. februar 1997 über die übertragung der hälfte des hausgrundstückes von der klägerin auf h. t. zum preis von 230.000,00 dm, 44 sowie ein handschriftliches testament der klägerin vom 21. november 2001. 45die klägerin beantragt, 46das beklagte land unter aufhebung des bescheides des landesamtes für besoldung und versorgung nordrhein-westfalen (lbv) vom 9. september 2010 in der gestalt dessen widerspruchsbescheides vom 10. januar 2011 zu verpflichten, ihr witwengeld nach dem beamtenversorgungsgesetz (beamtvg) nach dem verstorbenen kriminaloberkommissar h. t. in gesetzlicher höhe zu bewilligen. 47das beklagte land beantragt, 48die klage abzuweisen. 49zur begründung führt das lbv im wesentlichen aus: die klägerin habe die vermutung einer versorgungsehe aufgrund der kurzen ehedauer nicht widerlegt. die verlobung im jahr 2008 sowie die planungen für eine heirat am 7. september 2009 sowie deren feier im zusammenhang mit dem 50. geburtstag der klägerin am 12. september 2009 seien nicht glaubhaft. neben verschiedenen einzeln benannten widersprüchen und ungereimtheiten sei vor allem nicht nachvollziehbar, warum die eheschließung beim standesamt für den 7. september 2009 noch nicht angemeldet worden war. daneben sei in bezug auf die art und weise des vortrags sowie die beibringung von unterlagen und nachweisen seitens der klägerin im verwaltungs- und widerspruchsverfahren sowie später im klageverfahren manches schwer erklärlich und spreche gegen den wahrheitsgehalt ihres vorbringens. selbst wenn man der klägerin dies jedoch abnehmen wolle, so sei ein heiratsentschluss für den 7. september 2009 bei bekanntwerden der krebserkrankung des herrn t. aufgegeben worden und es sei dann in bezug auf die letztlich am 30. september 2009 stattgefundene standesamtliche eheschließung ein neuer heiratsentschluss gefasst worden. dies sei nicht mehr die konsequente umsetzung des vorherigen heiratsentschlusses, sondern eine unter dem eindruck der krebserkrankung erfolgte entscheidung zur ehe, bei der die versorgungsabsicht – unabhängig von der vermutung des § 19 beamtvg – naheliege. zu den einzelheiten des vortrags des lbv wird auf die klageerwiderung vom 16. märz 2011 (blatt 25 f. der gerichtsakte) sowie die stellungnahmen vom 16. april 2013 (blatt 171 f.), vom 27. juni 2013 (blatt 293 f.) und vom 25. juli 2013 (blatt 306) bezug genommen. 50der praktische arzt h2. t1. aus l1. hat auf fragen des gerichts unter dem 12. april 2013 eine stellungnahme zu h. t. , dessen erkrankung und deren prognose abgegeben. die vorlage seiner behandlungsdokumentation hat er verweigert (zu den einzelheiten bl. 164 der gerichtsakte). 51in der mündlichen verhandlung hat das gericht beweis erhoben durch vernehmung der zeuginnen n1. c1. (tochter der klägerin), b1. x1. , d. i3. , c5. g1. und n2. w. . wegen deren aussagen wird auf das sitzungsprotokoll bezug genommen. 52aufgrund des beweisbeschlusses vom 13. mai 2013 hat das gericht weitere ermittlungen zur beabsichtigten eheschließung vor dem 12. september 2009 aufgenommen. aufgrund dessen ist erfolgt: 53 vorlage von unterlagen zum neuen personalausweis des h. t. seitens des bürgerbüros l1. -g. ; 54 vorlage von 16 eidesstattlichen versicherungen durch die klägerin von durch sie benannten gästen der geplanten feier am 12. september 2009 zu der einladung für diese feier, der einladungskarte sowie der absage der feier (blatt 254 ff. der gerichtsakte); 55 vorlage von gold-eheringen mit gravur der jeweiligen vornamen q1. und h. sowie des datums „30.9.2009“ durch die klägerin (digitalfotos im originalumschlag, blatt 274 der gerichtsakte); 56 kontoauszug zum girokonto des h. t. nr. 000000 bei sparkasse l1. , blz 000 000 00 über barabhebung von 500,00 eur am 7. mai 2008 am geldautomat (blatt 328); 57 von seiten des party-service l2. -i2. und ute t2. -c3. vorlage einer kopie des kalenderblattes zum 12. september 2009 aus deren kalender, mit aufzeichnungen zu einem auftrag der klägerin; 58 stellungnahme des i. klinikum l1. vom 10. juni 2013 zur dortigen behandlung des klägers, der zielrichtung der durchgeführten chemotherapie sowie der prognose zur erkrankung des klägers einschließlich der frage, inwiefern der patient oder die klägerin hierüber informiert wurden (blatt 291 f.); 59 vorlage der behandlungsdokumentation der medizinischen klinik ii – innere medizin – sowie der onkologischen tagesklinik des i. klinikum l1. (beiakten hefte 11 bis 13). 60das gericht hat an akten beigezogen: 61 verwaltungsvorgang des lbv zur hinterbliebenenversorgung der klägerin (beiakte 1), 62 vorgang des standesamtes l1. zur eheschließung der klägerin mit h. t. am 30. september 2009, vorgang nr. 874/09, eheregister 736 (beiakte 2), 63 personalakten des verstorbenen, unterordner a bis c (beiakten 3 bis 5), 64 besoldungsakte des lbv zum verstorbenen (beiakte 6), 65 krankenakten des polizeiärztlichen dienstes in bezug auf den verstorbenen (beiakten 7 bis 9). 66im übrigen wird wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes auf die gerichtsakte dieses verfahrens, die beigezogenen verwaltungsvorgänge des beklagten landes sowie die weiteren beiakten bezug genommen. 67 | 68der einzelrichter ist für die entscheidung zuständig, nachdem der rechtsstreit durch beschluss der kammer vom 17. januar 2013 gemäß § 6 der verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) dem berichterstatter als einzelrichter zur entscheidung übertragen worden ist. 69das gericht konnte nach der durchführung der mündlichen verhandlung vom 6. mai 2013 und den anschließend erfolgten ermittlungen ohne mündliche verhandlung entscheiden, weil die beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben, § 101 abs. 2 vwgo. 70die zulässige klage ist begründet. 71die angefochtenen bescheide des lbv vom 9. september 2010 und 10. januar 2011 sind rechtswidrig und verletzen die klägerin in ihren rechten; sie hat einen anspruch auf gewährung von witwengeld nach dem am 19. januar 2010 verstorbenen kriminaloberkommissar h. t. (vgl. § 113 abs. 5 satz 1 vwgo). 72die witwe eines ruhestandsbeamten erhält gemäß § 19 abs. 1 satz 1 beamtvg witwengeld. dies gilt nach § 19 abs. 1 satz 2 nr. 1 beamtvg jedoch dann nicht, wenn die ehe mit dem verstorbenen nicht mindestens ein jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen umständen des falles die annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende zweck der heirat war, der witwe eine versorgung zu verschaffen. 73mit der gesetzlichen vermutung in § 19 abs. 1 satz 2 nr. 1 beamtvg geht der gesetzgeber als regelfall davon aus, dass eine ehe, die im zeitpunkt des todes des beamten nicht mindestens ein jahr bestanden hat, versorgungszwecken gedient hat. mit dieser vermutungsregel wird dem hinterbliebenen ehepartner die volle darlegungs- und beweislast für eine hiervon abweichende zweckrichtung der heirat auferlegt. beweiserleichterungen sind nicht vorgesehen, obwohl es im einzelfall sehr schwierig sein kann, einen sogenannten inneren tatbestand zur überzeugung der behörde oder des gerichts nachzuweisen.um die gesetzliche vermutung einer sog. versorgungsehe zu entkräften, bedarf es des nachweises besonderer, objektiv erkennbarer umstände, die einen anderen zweck der eheschließung ebenso wahrscheinlich machen wie den versorgungszweck. die bloße darlegung bestimmter tatsachen und umstände, die als indizien für eine nicht ausschließlich oder überwiegend der versorgung des ehepartners dienende eheschließung gewertet werden sollen, genügt hierfür nicht. auch erklärungen der witwe oder dritter personen über den zweck der ehe reichen grundsätzlich nicht aus. die gesetzliche vermutung ist in der regel, wenn auch nicht ausnahmslos, widerlegt, wenn unter den beweggründen jedenfalls eines der eheschließenden der zweck, dem anderen eine versorgung zu verschaffen, keine maßgebliche bedeutung hatte. der hinterbliebene ehepartner trägt die materielle beweislast dafür, dass die versorgungsabsicht keine maßgebende bedeutung für die heirat hatte. den vollen gegenbeweis für einen anderen zweck der heirat muss dieser allerdings nicht erbringen. es reicht aus, wenn die annahme, die versorgung des hinterbliebenen sei der alleinige oder maßgebliche zweck der heirat gewesen, ausgeräumt wird. 74vgl. bundesverwaltungsgericht (bverwg), urteil vom 27. oktober 1966 – ii c 32.64 –, bverwge 25, 221; oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (ovg nrw), urteile vom 18. februar 2009 – 3 a 442/08 – und vom 28. märz 2007 – 21 a 3645/05 –; beschluss vom 25. januar 2013 – 3 a 2201/10 –; bayerischer verwaltungsgerichtshof (bayvgh), beschluss vom 1. dezember 1998 ‑ 3 b 95.3050 –, iöd 1999, 174 f.; hessischer vgh (hessvgh), beschluss vom 16. februar 2007 – 1 uz 1948/06 –, döv 2007, 754. 75die kenntnis des grundsätzlich lebensbedrohlichen charakters einer erkrankung des beamten im zeitpunkt der eheschließung schließt die widerlegung der gesetzlichen vermutung einer versorgungsehe nach § 19 abs. 1 satz 2 nr. 1 beamtvg regelmäßig aus, es sei denn die eheschließung stellt sich als konsequente verwirklichung eines bereits vor der erlangung dieser kenntnis bestehenden heiratsentschlusses dar, 76vgl. bverwg, urteil vom 18. april 1991 – 2 c 7.90 –, buchholz 310 § 86 abs. 1 vwgo nr. 230; beschlüsse vom 19. januar 2009 – 2 b 14.08 –, juris, und vom 2. oktober 2008 – 2 b 7.08 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 25. januar 2013 – 3 a 2201/10 –; bayvgh, beschluss vom 1. dezember 1998, a.a.o.; beschluss vom 8. november 2011 – 3 zb 08.627 –, juris; hamburgisches ovg, beschluss vom 28. oktober 2004 – 1 bf 189/04 –, nvwz-rr 2006, 196; vgh baden-württemberg (vgh bw), beschluss vom 10. februar 2003 – 4 s 2782/01 –, iöd 2003, 166; ovg lüneburg, beschluss vom 21. dezember 2009 – 5 la 481/08 –, zbr 2010, 319. 77hiervon ausgehend gelangt der einzelrichter bei würdigung der gesamten im verlauf des verfahrens erkennbar gewordenen umstände zu der überzeugung, dass die gesetzliche vermutung des § 19 abs. 1 satz 2 nr. 1 beamtvg im vorliegenden fall ausgeräumt ist. es bestehen hinreichende tatsächliche anhaltspunkte für die feststellung, dass für die klägerin und ihren verstorbenen ehemann h. t. bei der eheschließung die absicht, der klägerin eine hinterbliebenenversorgung zu verschaffen, nicht das alleinige oder überwiegende motiv war. 78zwar schlossen sie am 30. september 2009 vor dem standesamt in l1. die ehe in kenntnis der grundsätzlich als lebensbedrohlich einzustufenden krebs-erkrankung des verstorbenen ehemannes. sowohl dem verstorbenen h. t. , als auch der klägerin war zu diesem zeitpunkt bekannt, dass er an einem nicht operablen tumor der bauchspeicheldrüse (pankreas) litt, weshalb bereits eine chemotherapie begonnen worden war. es kann offen bleiben, inwiefern den eheleuten alle einzelheiten zu der erkrankung bekannt waren, die den vorgelegten unterlagen zu entnehmen sind, ob und wann sie von ärzten über die „infauste“ prognose und die eher geringe lebenserwartung des h. t. aufgeklärt worden waren und/oder ob sie in anderer weise klare kenntnis von der schwere der erkrankung und der möglicherweise recht kurzen verbleibenden lebenszeit des h. t. hatten. 79bei einer krebserkrankung – medizinisch: bösartige neubildung o.ä. – ist ein tödlicher ausgang immer möglich, auch wenn die hoffnungen der betroffenen typischerweise anders sind und auch aus ärztlicher sicht möglichst auf eine optimistische haltung im interesse des lebenswillens und der heilungsanstrengungen hingewirkt wird. bei jeder krebserkrankung ist deshalb im grundsatz im sinne der dargestellten rechtsprechung die widerlegung der gesetzlichen vermutung einer versorgungsehe erheblich erschwert. es reicht damit aus, dass auch die klägerin bei der eheschließung am 30. september 2009 wusste, dass bei ihrem partner ein tumor in der bauchspeicheldrüse festgestellt worden war, der mit chemotherapie behandelt wurde. 80die vorliegenden medizinischen und ärztlichen unterlagen sowie die angaben des hausarztes t1. vom 6. april 2013 und des i. klinikum l1. vom 10. juni 2013 lassen folgendes erkennen: der kläger hatte sich vor dem 19. august 2009 zu seinem hausarzt t1. in l1. begeben, um unklare bauchschmerzen abklären zu lassen. verschiedene untersuchungen blieben zunächst ohne klares ergebnis bis am 19. august 2009 eine spiral-ct (computertomographie) des abdomens (bauch) mit km (wohl: kontrastmittel) in der gemeinschaftspraxis für radiologie und nuklearmedizin am krankenhaus n3. i4. in l1. zu der beurteilung der radiologen führte: „dringender verdacht auf pankreas-ca (also karzinom), v.a. angrenzende lymphangiose und n1-lymphknotenmetastasen, v.a. intrahepatische metastasen“. es ging also um einen bauchspeicheldrüsen-tumor, der nach der sog. „raumforderung“ mit ca. 6 x 4 cm angegeben wurde, daneben möglicherweise metastasen in den nahen lymphknoten und der leber. der krebsverdacht wurde dem kläger wohl am 20. august 2009 vom hausarzt t1. mitgeteilt bzw. erläutert (vgl. stellungnahme t1. vom 6. april 2013, ziff. 1), wobei eine prognose zu heilungschancen und lebenserwartung nach ziff. 2 der stellungnahme zu dem zeitpunkt nicht gemacht werden konnte. was genau dem kläger am 20. august 2009 vom hausarzt gesagt worden ist, ist unklar. den bericht der radiologen dürfte er von diesen wohl nicht erhalten haben, lediglich die bilder. schon am dienstag der folgewoche, 25. august 2009, wurde der kläger in der klinik für innere medizin im i. klinikum l1. aufgenommen und dort bis 9. september 2009 (siehe bescheinigung i. klinikum vom 4. märz 2010, anders ohne dass dies von bedeutung wäre – bis 3. september – die stellungnahme des i. klinikums vom 10. juni 2013) allen denkbaren untersuchungen unterzogen, um die verdachtsdiagnosen abzuklären. nach dem bericht des i. klinikums vom 3. september 2009, mit dem der kläger eine zweitmeinung an der ruhruniversität bochum einholen wollte, kam man in l1. (anscheinend bei noch ausstehendem ergebnis zur histologie) zum ergebnis, dass in lunge, leber und lymphknoten wohl keine metastasen vorlägen, jedoch ein unklarer tumor des pankreaskopfes und pankreasschwanzes bzw. ein dringender verdacht auf pankreaskarzinom und angrenzende lymphangiose vorlag. der kläger litt (bei gewichtsverlust von ca. 6 kg in den vergangenen 6 wochen) anscheinend bereits an nicht unerheblichen schmerzen, wie die medikation u.a. mit morphin (msi 10 mg sc) nach dem bericht vom 3. september 2009 verdeutlicht. die histologische untersuchung von entnommenem gewebe der bauchspeicheldrüse des partners der klägerin („endosonographische feinnadelpunktion“) bestätigte die bisherigen verdachtsmomente vollständig, weshalb der bericht des i. klinikums vom 21. september 2009 die raumforderung im pankreaskopf-/-korpusbereich histologisch einordnete als: adenokarzinom mit lymphangiosis. der kläger hatte sich hier am 15. september 2009 mit schmerzexazerbation stationär aufnehmen lassen, hatte durch schmerztherapie – wieder u.a. mit oraler morphingabe – einen akzeptablen zustand erreicht, wonach eine chemotherapie bei der stationären situation am 17. september 2009 eingeleitet und der kläger bei guter verträglichkeit am 21. september 2009 entlassen wurde. schon zwei tage später sollte er sich am 23. september in der onkologischen tagesklinik für einen „zweiten durchgang“ der chemotherapie am 24. september vorstellen. schon während des stationären aufenthalts hatte die klägerin am 17. september 2009 die eheschließung für den 30. september 2009 angemeldet. nach der stellungnahme des i. klinikums vom 10. juni 2013 war die prognose des fortgeschrittenen pankreaskarzinoms infaust und der kläger litt an einer nicht heilbaren, „zeitlich sehr limitierten“ tumorerkrankung. dementsprechend hatte die chemotherapie von anfang an keinen kurativen (heilenden), sondern palliativen – also leiden lindernden und das leben verlängernden – charakter. diese einschätzungen sollen dem verstorbenen ehemann der klägerin „im august/september 2009“ von der behandelnden oberärztin dr. j. t4. mitgeteilt worden sein. ähnlich soll er am 23. september 2009 in der onkologischen tagesklinik vom oberarzt dr. med. q2. informiert worden sein. am lebensbedrohlichen charakter der krebserkrankung des verstorbenen konnte danach mit diesen informationen kein zweifel bestehen. hierbei ist zwar zweifelhaft, was davon bei h. t. tatsächlich „ankam“; die den behandlungsakten des i. klinikums zu entnehmenden hinweise auf teils ganz erhebliche schmerzen sowie eine gewichtsabnahme von ca. 15 kg vom auftreten der beschwerden im juli 2009 bis zum 23. september 2009 dürften diesem den ernst seiner lage spürbar vor augen geführt haben. zugleich ist aber offen, was h. t. der klägerin hiervon weitergab, weil deren teilnahme an einem gespräch mit einem arzt erst für den 14. oktober 2009 – nach der eheschließung – vom i. klinikum angegeben wird. 81nach dem oben gesagten kann offenbleiben, was die klägerin wann von ihrem partner erfahren hat. fest steht, dass sie wusste, dass bei ihm eine krebserkrankung der bauchspeicheldrüse festgestellt und mit chemotherapie behandelt wurde. die meisten menschen mit einer gewissen lebenserfahrung wissen, dass tumore der bauchspeicheldrüse im vergleich zu anderen tumorlokalisationen und krebsarten meist und in vergleichsweise kurzer zeit zum tod führen. selbst wenn der klägerin dies nicht bewusst gewesen sollte, führt jede kenntnis von einer (bösartigen) krebserkrankung – als „grundsätzlich lebensbedrohliche erkrankung“ – dazu, dass eine widerlegung der gesetzlichen vermutung einer versorgungsehe regelmäßig ausscheidet. der ernst der lage musste der klägerin aber auch konkret ersichtlich sein: immerhin war ihr partner bis zur anmeldung der eheschließung durch sie am 17. september 2009 seit mitteilung des hausarztes über den krebsverdacht am 20. august abgesehen von neun tagen in einem zeitraum von etwa einem monat vollständig stationär im i. klinikum l1. gewesen. nach entlassung am 21. september 2009 nach dem ersten zyklus einer chemotherapie unterzog er sich ambulant schon am 24. september dem zweiten zyklus der chemotherapie und am tag nach der standesamtlichen eheschließung am 30. september war auch schon wieder der dritte zyklus chemotherapie vorgesehen. der gewichtsverlust von ca. 15 kg in ca. zwei monaten dürfte ihr ebenfalls nicht verborgen geblieben sein. ihr verstorbener partner war durch die eröffnung der verdachtsdiagnose mitte august 2009 auch tatsächlich erkennbar „geschockt“, wie die klägerin in der mündlichen verhandlung geschildert hat („hat dann erst mal die hecke geschnitten, weil er es gar nicht glauben konnte“). 82jedoch gelangt der einzelrichter aufgrund des inbegriffs der mündlichen verhandlung und des gesamten akteninhalts zu der überzeugung, dass die eheleute schon vor dem zeitpunkt, als die krebserkrankung – als verdacht mitte august 2009, bzw. relativ sicher am ende des stationären aufenthalts im i. klinikum l1. vom 25. august bis 9. september 2009 – festgestellt wurde, einen konkreten und unbedingten heiratsentschluss gefasst hatten und diesen dann nach bekanntwerden der erkrankung – in zeitlicher hinsicht um etwa drei wochen nach hinten verschoben – aus beweggründen, unter denen nicht die versorgungsabsicht überwog, am 30. september 2009 konsequent verwirklicht haben. 83der einzelrichter ist zunächst davon überzeugt, dass die klägerin und der verstorbene beamte tatsächlich schon vor bekanntwerden der krebserkrankung im mai 2008 bzw. im frühjahr 2009 den entschluss gefasst hatten, zu heiraten. bei diesem entschluss überwog nicht die absicht, der klägerin eine versorgung für den fall des todes ihres ehemannes zu verschaffen.insofern geht der einzelrichter davon aus, dass der ablauf in den entscheidenden teilen dem vorbringen der klägerin entsprach: 84es spricht schon viel dafür, dass die klägerin und h. t. sich tatsächlich am 20. mai 1998 – dem 50. geburtstag des verstorbenen – verlobt haben. dabei soll nach den angaben der klägerin h. t. sie an einem wochentag, als sie vom hundeplatz kam, mit kerzen und sekt im kaminzimmer empfangen und einen förmlichen heiratsantrag gemacht haben. die in jeder hinsicht nachvollziehbare, emotionale schilderung dieser erlebnisse – einschließlich sex nach dem heiratsantrag, bevor die gäste kamen – überzeugt, ebenso wie die darstellung der nachfolgenden „mini-feier“ seines 50. geburtstages mit tochter n1. (der zeugin), der freundin (und zeugin) b1. x1. sowie deren (wohl) partnerin t5. x2. . die darstellung der emotionalen entwicklung der beziehung zwischen der klägerin und h. t. seit silvester 1995 über einen zeitraum von mehr als 13 jahren bis eheschließung ist schlüssig, nachvollziehbar und glaubhaft. beide hatten beziehungen und jeder eine geschiedene ehe hinter sich und hatten aus diesen zeiten kinder (die klägerin zwei, h. t. eins). die anfängliche zurückhaltung gegenüber ehelicher bindung ist typisch, die nach und nach erfolgende überwindung dieser haltung nicht selten. dabei hatten die klägerin und der verstorbene schon bald mit der übertragung des hälftigen miteigentumsanteils am elternhaus der klägerin auf den beamten im jahr 1997 wirtschaftlich eine verflechtung begonnen, die die spätere emotionale und „standesamtliche“ entwicklung vorweg nahm. die autos, die von beiden genutzt wurden, jedoch überwiegend im eigentum der klägerin standen, hatten soweit ersichtlich sämtlich kfz-kennzeichen, welche die initialen des h. t. beinhalteten („kr-gs ...“). aus anlass der beide gehörig erschreckenden blutsturz-situation im zusammenhang mit der mandel-operation bei der klägerin im jahr 2005 gelangten beide zu der erkenntnis, dass sie heiraten sollten, „weil es so schnell vorbei sein kann“, ohne dass dies mit förmlichem und/oder romantischem heiratsantrag besiegelt worden wäre. es scheint mehr eine grundsätzliche übereinkunft über einen in der zukunft zu realisierenden plan gewesen zu sein, wie den schilderungen der klägerin zu entnehmen ist. dies ist noch kein konkreter heiratsentschluss. insbesondere hatten die klägerin und ihr partner damals noch viele zu realisierende pläne zu ihrem haus usw. hintergrund der eheschließungsabsicht war: die immer enger gewordene emotionale verbindung der beiden, der sie ausdruck verleihen wollten, sowie eine stärkung der position des jeweils überlebenden partners beim tod des anderen gegenüber den kindern aus den vorehen. dabei ging es um die eingetretene wirtschaftliche verflechtung und das „gemeinsame vermögen“, bestehend vorrangig aus dem hausgrundstück alte o. str. 46 in l1. -g. (dem elternhaus der klägerin), bar- und anlagevermögen sowie die in verschiedenen konstellationen erworbenen kraftfahrzeuge. besonders in bezug auf das hausgrundstück, an dem h. t. aufgrund kaufvertrags 1997 zur hälfte miteigentümer geworden war, und das dem überlebenden partner erhalten bleiben sollte, bestand regelungsbedarf. der hinterbliebene sollte neben den nicht einfachen fragen der erbauseinandersetzung mit dem sohn des h. t. aus der vorehe bzw. den kindern der klägerin aus der beziehung mit herrn l. bzw. der ehe mit herrn c1. nicht auch noch mit hoher erbschaftssteuer belastet werden. dies ließ sich durch eheschließung wegen der daraus folgenden erbschaftssteuer-freibeträge vermeiden. 85im jahr 2008 schien sich der dargestellte allgemeine heiratsplan dann zu konkretisieren und die beiden kauften nach den angaben der klägerin in e. , wo ihr partner im polizeidienst arbeitete, an einem ihr nicht näher bekannten bzw. erinnerlichen ort ringe für etwa 500 euro. die am 20. mai 2008 erfolgte verlobung einschließlich bekanntgabe derselben gegenüber tochter n1. und den freundinnen b1. x1. und t5. x2. besiegelte die absicht, zu einem noch nicht weiter konkretisierten zeitpunkt im jahr 2008 zu heiraten. dies ist als solches auch noch nicht hinreichend konkret, zudem wurde die heiratsplanung wegen äußerer umstände und schwierigkeiten der beziehung zunächst auf eis gelegt. weil dies so ist, kommt es nicht auf eine ins einzelne gehende würdigung der tatsachen- und beweislage zur verlobung am 50. geburtstag des h. t. an. festzuhalten ist insofern jedoch, dass die zeugin n1. c1. und die zeugin x1. bestätigt haben, am abend des 50. geburtstages des verstorbenen von der verlobung gehört zu haben. auch die zeugin i3. hat nach dem 20. mai 2008 von der klägerin beim ausführen der hunde von der stattgefundenen verlobung gehört. die zeugin w. hat ebenfalls bekundet, im jahr 2008 von der verlobung gehört zu haben („g. ist ein dorf“). 86dieser noch recht wenig konkrete hochzeitsplan für „das jahr 2008“ wurde nicht weiter verfolgt. zunächst musste die klägerin sich einer gynäkologischen operation, wohl an der gebärmutter, unterziehen, worauf in der mündlichen verhandlung nicht näher eingegangen worden ist. solche geschehnisse bringen normale abläufe im leben von frauen regelmäßig sehr durcheinander. zugleich kam es im hinblick auf die erkrankung und spätere euthanasie des hundes c4. im herbst 2008 auch zu einer auseinandersetzung und einer beziehungskrise zwischen den partnern, so dass an hochzeit zunächst nicht weiter gedacht wurde. 87es ist jedoch glaubhaft, dass im frühjahr 2009, nachdem die erste zeit der trauer wegen des todes des hundes c4. überwunden und ein neuer hund w1. angeschafft worden war, planungen für eine heirat im jahr 2009 begannen. wann genau dies stattfand, ist ohne belang, jedenfalls kamen die klägerin und h. t. überein, die heirat im zeitlichen zusammenhang mit dem 50. geburtstag der klägerin und einer insofern beabsichtigten feier mit den ihnen nahestehenden personen zu begehen. nach den angaben der klägerin wollten sie am samstag nach ihrem 50. geburtstag (am montag, 7. september 2009), also am 12. september 2009, eine feier ausrichten. zuvor wollten sie – möglichst am 7. september selbst – standesamtlich heiraten, ohne dies „an die große glocke zu hängen“. die erfolgte eheschließung wollten sie dann am samstag, 12. september, bei der vordergründig aus anlass ihres 50. geburtstages stattfindenden festivität verkünden und feiern. sie hatten sich entschlossen, doch nicht in ihrem nunmehr fertigen gemeinsamen haus zu feiern, um den schönen zustand nicht zu gefährden, und wollten bei ihren „hundefreunden“ d. und d1. i3. feiern, die einen raum zur verfügung stellen konnten. dies war verbindlich abgesprochen. das essen sollte von dritter seite kommen, weshalb die klägerin mit der zeugin d. i3. zum probeessen in einem gartenlokal in l1. namens „alt n4. “ ging, wo eine bekannte aus kindertagen, die zeugin c5. g1. , mittlerweile in der küche beschäftigt war und (wohl) kochte und/oder kellnerte. das überzeugte jedoch aus organisatorischen dingen nicht und die klägerin und h. t. kamen auf den party-service der eheleute l2. -i2. und ute t2. -c3. in l1. -u. (www. t6. .de). dort bestellte die klägerin im juli 2009 essen für ca. 20 personen für samstag, 12. september 2009. es sollte spanferkel mit kartoffelgratin und sauerkraut sowie diversen salaten und zum dessert mousse au chocolat sowie ein griechisches beerendessert geben. aufgrund einer gästeliste im umfang von 27 personen entwarf die klägerin mit dem pc eine einladung für die feier ihres 50. geburtstages am 12. september, ab 18.00 uhr, auf der alte o. str. 68 „bei d. , d1. & a. “. die einladung enthielt einen hinweis auf die beabsichtigte hochzeit, indem dort in einer sprechblase neben einem gezeichneten brautpaar stand: „... mit freudiger überraschung“. diese einladung wurde den vorgesehenen gästen in papierform unmittelbar überreicht bzw. in deren briefkästen geworfen. einige wenige (b1. x1. , tochter n1. , d. i3. , n2. w. und c5. g1. ) wusste schon vor der einladung von den hochzeitsabsichten, entweder weil sie aus organisatorischen gründen notwendig kenntnis erlangen mussten, oder wegen der nähe zur klägerin und h. t. . einen termin für die eheschließung beim standesamt l1. hatten sie zu dem zeitpunkt noch nicht.als der partner der klägerin am 20. august 2009 nach einer gewissen zeit von unklaren bauchbeschwerden und verschiedenen untersuchungen vom hausarzt die verdachts-diagnose einer krebserkrankung der bauchspeicheldrüse erhielt, waren beide naturgemäß geschockt und sagten die für den 12. september 2009 geplante feier ab. sie wollten den verdacht zunächst abklären und herausfinden, wie es weiter gehen würde. der partyservice t2. -c3. wegen des essens und das ehepaar i3. wegen des raumes wurden informiert, ebenso wie alle eingeladenen. 88diesen ablauf entnimmt das gericht zu allererst dem vorbringen der klägerin: die klägerin hat sich eingehend, voller details und lebensnähe, mit starker emotionaler beteiligung und ohne anzeichen für unwahrheit zu allem eingelassen. sie ist dem gericht mit vollkommener offenheit entgegengetreten, hat in jeder hinsicht kooperiert und teils auf eigene initiative, teils auf gerichtliche anforderung oder nachfrage alles vor- und offengelegt, was ihr möglich war. dies dürfte aufwendig, in bezug auf die vergangenheit und den tod ihres ehemannes aufwühlend und in jeder hinsicht bewegend/belastend gewesen sein. sie hat alles getan, vorgetragen und beigebracht, was sie vermochte, ungeachtet der sicher auch schmerzhaften persönlichen erlebnisse und erinnerungen. 89das in vielerlei hinsicht durch unterlagen belegte und durch diese glaubhaft gemachte bzw. substantiierte und plausibilisierte vorbringen der klägerin ist mit den aussagen der zeuginnen n1. c1. , x1. , i3. , g1. und w. vielfältig und im wesentlichen widerspruchsfrei verknüpft. soweit abweichungen und unterschiede im detail vorliegen, sind diese durch die eigenart von zeugenaussagen und die bedingungen der menschlichen erinnerung zu erklären. es wäre eher verwunderlich, wenn solche abweichungen gar nicht vorlägen. 90entscheidend ist bei allem, dass das gericht der klägerin glaubt, dass sie und ihr verstorbener ehemann vor hatten, an ihrem 50. geburtstag, am montag 7. september 2009, standesamtlich zu heiraten und dann am darauffolgenden samstag, 12. september 2009, mit einem engen familien- und freundeskreis von 20 – 27 personen im party-raum der eheleute i3. bei der feier des 50. geburtstages der klägerin auch die heirat bekanntzugeben und zu feiern. vorbereitungen hierfür hatten sie – mit ausnahme der anmeldung beim standesamt – auch für die feier am 12. september praktisch in die tat umgesetzt: raum bei d. und d1. i3. fest „gebucht“, essen vom party-service t2. -c3. bestellt, einladungskarte mit computer entworfen und in selbst ausgedruckter form an insgesamt 27 gäste (teilweise als paare) übermittelt, getränke und „knabberzeug“ bereits besorgt und im raum bei i3. deponiert. 91dabei hat das gericht keine zweifel daran, dass die feier des 50. geburtstages der klägern in der geschilderten weise am samstag, 12. september 2009 stattfinden sollte: die klägerin und alle zeugen haben hierzu entsprechende angaben gemacht, die sich zu einem detailreichen und vielfältig verknüpften bild zusammenfügen. die zeugin i3. hat in der mündlichen verhandlung sowie an eides statt gemeinsam mit ihrem ehemann d1. (l2. -i2. ) i3. die absprachen in bezug auf ihren party-raum für den 12. september bestätigt. die bestellung des essens bei den eheleuten t2. -c3. steht zur überzeugung des gerichts fest, mit der die klägerin für ca. 20 personen ein deftiges menü bzw. buffet mit spanferkel, gratin, sauerkraut usw. bestellte. sehr aussagekräftig als objektives indiz ist insofern die kopie des kalenderblatts für den 12. september 2009 aus dem geschäftskalender der eheleute t2. -c3. (bl. 298 der gerichtsakte). diese wirkt insofern authentisch, als der zentrale aussagegehalt der bestellung durch die klägerin, für diesen tag, für ca. 20 personen, unter nennung des namens „i3. “ und der adresse alte o. str. 68 und „18 – 19.00“ die wesentlichen aspekte, um die es hier geht, belegt. dass die bestellung abgesagt bzw. storniert wurde, ist durch die durchstreichung des gesamten eintrags ersichtlich. die vom lbv gegen den eintrag erhobenen einwände, dass die vermerke „best. 8. juli 09“ und „muss evtl. absagen wegen 20.8.10 krankheit“ wie nachträglich eingefügt wirken, sind nachvollziehbar, lassen den eindruck der authentizität im übrigen jedoch nicht entfallen. es mag sein, dass diese vermerke durch einen der eheleute t2. -c3. – auf bitten der klägerin? – nachträglich eingefügt worden sind. dies verwundert zwar sehr, zugleich ist der kalendereintrag im übrigen von anlässen für solche zweifel frei. die eintragungen bestätigen vollständig die angaben der klägerin und wirken dabei echt. die zeitpunkte der bestellung („8. juli 09“) sowie der absage („20.8.10“) sind nicht von bedeutung, da das gericht keinen zweifel daran hat, dass die bestellung vor dem bekanntwerden des krebsverdachts am 20. august 2009 erfolgt war und anlass der absage eben jener verdacht einer krebserkrankung der bauchspeicheldrüse war. dieser ablauf ergibt sich aus den angaben der klägerin und der zeuginnen n1. c1. , b1. x1. und d. i3. . es ist auch überhaupt kein anderer grund bzw. zeitablauf ersichtlich, aufgrund dessen die klägerin erst eine essensbestellung bei den eheleuten t2. -c3. für den 12. september 2009 aufgegeben und diese dann wieder abgesagt haben sollte. 92die vorbereitungen für die feier am 12. september 2009, wie sie vorstehend dargestellt sind, passen auch vollständig zu den von der klägerin in der mündlichen verhandlung vorgelegten notizzetteln (bl. 198 ff.), denen sich die essensbestellung bei t2. -c3. in ihren grundzügen, die gästeliste und eine übersicht über getränke, knabberzeug usw. für die feier bei i3. entnehmen lässt. all dies könnte man fälschen, es erzeugt jedoch einen authentischen eindruck. 93da die einladung der gäste durch die klägerin für samstag, 12. september 2009, unmittelbar in bezug auf die feier ihres 50. geburtstages erfolgte, kommt es entscheidend darauf an, ob festgestellt werden kann, dass bei der feier auch ihre hochzeit mit h. t. verkündet und dann gefeiert werden sollte. dies wiederum würde dann wiederum die zwingend zuvor erfolgte standesamtliche hochzeit indizieren. der einzelrichter ist überzeugt, dass die einladungskarte in der form, wie die klägerin diese zu den akten gereicht hat (bl. 97 der gerichtsakte, bzw. beiakte 10), damals an die gäste gemäß der von der klägerin in der mündlichen verhandlung gemachten aufzählung ergangen ist, und darin insbesondere der hinweis auf die „freudige überraschung“ in dieser weise enthalten war. 94die mit software-unterstützung erstellte einladung könnte die klägerin insgesamt oder auch nur in bezug auf die sprechblase mit dem hinweis „mit freudiger überraschung“ einschließlich des brautpaares nachträglich für das gerichtsverfahren angefertigt haben. eine original-ausfertigung der einladung aus dem jahr 2009 ist von niemandem vorgelegt worden. trotz der aufforderung des gerichts mit dem beweisbeschluss vom 13. mai 2013, von den eingeladenen die einladung, gegebenenfalls mit briefumschlag, in dem diese erhalten wurde, vorzulegen, verfügte anscheinend niemand mehr über diese einladung. es war insofern wahrscheinlich, dass von den 14 paaren bzw. einzelpersonen, an die diese einladung nach den angaben der klägerin übergeben bzw. übermittelt worden ist, irgend jemand über diese (aus sentimentalität, „sammlertum“ etc.) noch verfügt. dass dies hingegen nicht der fall ist, schränkt den wert der von der klägerin vorgelegten einladung natürlich ein. der einzelrichter ist jedoch ungeachtet dessen überzeugt, dass diese einladung so und mit dem relativ offenen hinweis auf heiratsabsichten im sommer 2009 den gästen auch übermittelt worden ist. dies ergibt sich letztlich aus den auf den beweisbeschluss vom 13. mai 2013 von der klägerin beschafften eidesstattlichen versicherungen der geladenen. es haben von den 14 eingeladenen paaren bzw. einzelpersonen bis auf die eltern des h. t. (sein vater ist verstorben, mit seiner mutter hat die klägerin sich in der erbauseinandersetzung mit h. t. jun. zerstritten) und die verstorbene n5. l4. alle eine eidesstattliche versicherung abgegeben. dies ist beachtlich. insofern liegen eidesstattliche versicherungen vor von: 95 d. i3. , 96 l2. -i2. (d1. ) i3. , 97 f. und h3. t7. (gemeinsame versicherung, 2 unterschriften), 98 t5. x2. (freundin der zeugin b1. x1. ), 99 f1. x3. (versicherung von frau x3. , die auch ihren ehemann x4. einbezieht), 100 c6. n6. , 101 n1. c1. , 102 u1. t8. (damals und aktuell freund der tochter der klägerin) 103 f2. c1. (bruder der klägerin), 104 e1. l. (patenonkel von n1. , zwillingsbruder des vaters von n1. ), 105 n2. und s1. w. (gemeinsame versicherung, 2 unterschriften), 106 n7. und s2. j. (gemeinsame versicherung, 2 unterschriften), 107 h4. und w2. t9. (gemeinsame versicherung, 2 unterschriften), 108 b2. und g2. e2. (gemeinsame versicherung, 2 unterschriften), 109 i5. c. (vater der klägerin), 110 e3. i6. . 111damit liegen 16 eidesstattliche versicherungen vor, die von insgesamt 21 personen unterzeichnet sind. es scheint annähernd ausgeschlossen, dass eine solch hohe zahl von personen für die klägerin in diesem versorgungs-rechtsstreit eine falsche versicherung an eides statt abzugeben bereit ist. dies gilt besonders deshalb, weil nicht jeder der eingeladenen im allerengsten verhältnis zur klägerin und dem verstorbenen steht bzw. stand. insbesondere bei paaren hat häufig eine person einen engen kontakt zu jemandem, der partner hingegen steht dieser person oft weniger nah. 112zudem sind die eidesstattlichen versicherung sehr individuell gehalten, einige sind handschriftlich, andere mit computer erstellt und ausgedruckt, kürzer oder länger usw. auch inhaltlich enthalten die versicherungen geringe abweichungen z. b. in der beschreibung der damaligen einladung, die als zu erwartende auswirkungen der grenzen der menschlichen erinnerung erscheinen. dies erzeugt nicht den eindruck, dass die klägerin den eidesstattlich versichernden etwas vorgegeben oder an die hand gegeben hätte. die versicherungen haben auch ganz verschiedenen bedeutungsgehalt. nicht alle von ihnen stützen das vorbringen der klägerin inhaltlich. es spricht für den wahrheitsgehalt der eidesstattlichen versicherungen insgesamt und die aufrichtigkeit der klägerin, dass sie alle vorgelegt hat, auch diejenigen, die nicht ergiebig sind, wie z. b. die der c6. n8. (bl. 262 der gerichtsakte), die nicht teilnehmen konnte und auch zum inhalt der einladung oder dem hinweis auf die hochzeit nichts sagt.zugleich enthalten die versicherungen auch sehr individuelle erinnerungen und schilderungen, die für ihren wahrheitsgehalt sprechen. beispielsweise sei angeführt der erkennbare umstand, dass nach den versicherungen des bruders der klägerin, f2. c1. , und des e1. l. beide die einladung bei der geburtstagsfeier von f2 c1. am 7. august 2009 erhalten haben. dass der bruder der klägerin den umschlag mit der einladung zunächst nicht öffnete, weil er bier zapfen und sich um seine gäste kümmern musste, sie erst später las und die einladung dann am folgetag „mit allem anderen“ in den müll gelangte, erzeugt den eindruck des wirklich erlebten. 113diese einschätzung des einzelrichters wird verstärkt und ergänzt durch die bewertung der aussagen der in der mündlichen verhandlung gehörten zeuginnen n1. c1. , b1. x1. , d. i3. , c5. g1. und n2. w. . 114die zeuginnen n1. c1. und b1. x1. haben das vorbringen der klägerin zur verlobung am 50. geburtstag des h. t. am 20. mai 2008, der danach erfolgten verzögerung bei der umsetzung des hochzeitsentschlusses aufgrund von operation der klägerin und erkrankung und tod des hundes c4. , den hochzeitsentschluss im frühjahr 2009 sowie die planungen für eine standesamtliche heirat am 50. geburtstag der klägerin am 7. september 2009 und eine feier des geburtstages mit verkündung der herat am 12. september 2009 in individueller art und weise, mit verschiedenen schwerpunkten und einfärbungen sowie mit gewissen zu erwartenden unterschieden bestätigt. dies gilt auch für die auswahl des raumes bei den eheleuten i3. , die bestellung des essens bei den eheleuten t2. -c3. sowie die erfolgte einladung mit dem hinweis auf die „freudige überraschung“.die zeugin d. i3. hat ebenfalls die wesentlichen gesichtspunkte bestätigt: sie hat von der verlobung am 50. geburtstag des partners der klägerin gehört, wobei ihr auch schon zuvor die heiratsabsichten bekannt waren. später kam die klägerin auf sie zu wegen der möglichkeit, bei ihnen eine hochzeitsfeier zu veranstalten. nach einer hochzeit beim standesamt am 7. september 2009 sollte am 12. september 2009 bei ihr und ihrem ehemann gefeiert werden, wobei das essen von einem party-service kommen sollte. sie habe mit der klägerin ein probeessen im „biergarten im schrebergarten“ durchgeführt – also wohl dem sog. alt n4. –, wo die zeugin c5. g1. gekellnert habe; dies habe nicht überzeugt. das essen habe dann durch die familie t2. -c3. geliefert werden sollen. die einladung zur feier mit einem hinweis darauf, dass geheiratet werden sollte („storch oder ähnliches“, dann doch „brautpaar“), schildert sie auf ihre weise, ebenso wie die begonnenen besorgungen der klägerin für die feier, die bereits bei ihnen im anbau gelagert worden seien. den zeitraum des „probeessens“ im alt n4. erinnert sie zwischen juni und august 2009.passend hierzu schildert die zeugin g1. den besuch der klägerin mit der zeugin i3. im biergarten im alt n4. , wo sie damals arbeitete. anlass sei die geplante hochzeit der klägerin gewesen. letztlich habe die klägerin sich wegen problemen bei der gestellung einheitlichen geschirrs, der entsprechenden warmhalte-behältnisse und fragen des transports des essens sowie der anderen sachen jedoch gegen diese variante entschieden.die zeugin w. hat anschaulich von den regelmäßigen treffen mit der klägerin beim ausführen der hunde berichtet, bei denen es zwischen ihnen zum austausch von „small talk“ kam, der sich darauf bezog, dass die zeugin bei der hochzeit der klägerin mit x. c1. gekellnert hatte. insofern soll die klägerin sinngemäß gefragt haben, wenn sie (die klägerin und h. t. ) einmal heiraten, ob sie (die zeugin) dann wieder für sie kellnern würde. die klägerin hat dies ähnlich geschildert. jedenfalls habe die klägerin sie dann, „als es irgendwann konkret wurde“, gefragt und sie habe zugesagt. sie erinnerte sich an die daten 7. september und 12. september 2009 als daten von 50. geburtstag der klägerin und geplanter feier, weil der geburtstag „unter nachbarn“ bei ihr im kalender stehe und sie sich den 12. september als tag der feier gut habe merken können, weil am 11. september ihre tochter geburtstag habe. 115die aussagen der zeuginnen g1. und w. , die die hochzeitsabsicht für eine feier anfang september 2009 bestätigt haben, gewinnen insofern hohen beweiswert, als die zeuginnen der klägerin nicht besonders nahe stehen. anders als bei den zeuginnen n1. c1. als tochter sowie b1. x1. und d. i3. als freundinnen ist bei den zeuginnen g1. und w. eher unwahrscheinlich, dass diese für die klägerin das risiko strafrechtlicher verfolgung wegen falschaussage gemäß § 153 des strafgesetzbuches (stgb) eingehen. 116diese einschätzung wird durch mannigfaltige details in den angaben der klägerin, den zeugenaussagen und weiteren umständen ergänzt. nur beispielsweise sei angeführt der umstand, dass auf dem in der mündlichen verhandlung von der klägerin vorgelegten notizzettel über die bestellung des essens bei t2. -c3. (bl. 198 der gerichtsakte) das stichwort „rede“ in einem viereck hervorgehoben ist. die angabe der klägerin, sie habe dort für ihren mann eine rede halten wollen, zu deren vorbereitung bzw. ausarbeitung es wegen der erkrankung nicht gekommen sei, ist glaubhaft und verdeutlicht die absicht, bei der feier am 12. september 2009 nicht nur das jubiläum der klägerin zu begehen, sondern auch die eheschließung zu verkünden und zu feiern. wenn dort allein der 50. geburtstag der klägerin gefeiert werden sollte, hätte kein anlass für die klägerin bestanden, überhaupt eine rede zu halten, geschweige denn auf „ihren“ h. . die eheschließung macht es hingegen plausibel, dass sie sich das stichwort „rede“ notierte, weil sie als selbstbewusste und selbständige frau, die sich im leben nach allem trotz mancher rückschläge durchgeschlagen hat, eine rede für ihren partner und neuerdings ehemann halten wollte. das stichwort „rede“ könnte dort natürlich bewusst mit täuschungsabsicht nachträglich ergänzt worden sein. wie dieses detail von der klägerin irgendwann ungefragt im rahmen ihrer ca. 4 ½-stündigen anhörung en passant erwähnt wird, lässt es sehr unwahrscheinlich scheinen, dass dies mit bedacht erfolgte. 117steht für den einzelrichter mithin mit dem gebotenen grad an sicherheit, der vernünftigen zweifeln schweigen gebietet, fest, dass die einladung für den 12. september 2009 den hinweis auf die „freudige überraschung“ mit der zeichnung eines brautpaares enthielt, so ist das gericht unter berücksichtigung des vorbringens der klägerin und der angaben der zeugen n1. c1. , b1. x1. , d. i3. und n2. w. davon überzeugt, dass die klägerin und h. t. bei der feier am samstag, 12. september, ihre standesamtliche hochzeit verkünden wollten, die sie zuvor – wenn möglich am 7. september 2009 – vollziehen wollten. die auswahl des 50. geburtstages der klägerin als tag der standesamtlichen eheschließung ist naheliegend und von den genannten zeugen bestätigt worden. eine anmeldung der eheschließung war noch nicht erfolgt, weshalb die klägerin und der verstorbene damals nicht sicher sein konnten, dass sie den termin am 7. september 2009 bekommen würden. auch wenn klar ist, dass die anmeldung der eheschließung beim standesamt als objektive hinweistatsache für einen vor dem bekanntwerden der grundsätzlich lebensbedrohlichen erkrankung vorhandenen unbedingten heiratsentschluss für klarheit gesorgt hätte, so steht dies der überzeugung des gerichts nicht entgegen. klar ist ebenfalls, dass es vernünftig gewesen wäre, die eheschließung für den 7. september 2009 beim standesamt anzumelden, bevor der raum für die feier am 12. september mit den eheleuten i3. festgemacht, das essen bei den eheleuten t2. -c3. bestellt und einladungen versandt wurden. jedenfalls im unmittelbaren nachgang wäre dies sinnvoll gewesen. jedoch ist es nicht so, dass ein solches verhalten ausgeschlossen ist oder sich dies gar nicht erklären ließe. die auffassung des lbv, dass dies lebensfremd sei, ist im grundsatz nicht von der hand zu weisen, geht in der schlussfolgerung jedoch zu weit. es gibt menschen, die nicht alles so machen, wie es „vernünftig“, „sinnvoll“ oder „gut organisiert“ ist. gerade die lebenserfahrung zeigt, dass es die verschiedensten wesensarten gibt und ganz verschiedene herangehensweisen bei der lösung von problemen bzw. dem „projektmanagement“ im privaten bereich, z. b. bei der organisation eines größeren fests oder einer hochzeit gibt. richtig ist, dass am samstag, 12. september 2009 beim standesamt (in l1. oder anderswo) termine knapp sind und die vom standesamt gegenüber dem lbv beschriebenen verhältnisse herrschen. dies würde z. b. für den „09.09.09“ ebenfalls gelten. an sonstigen wochentagen ist es jedoch weniger kritisch. es barg damit zwar ein gewisses risiko, wenn die klägerin und ihr verstorbener ehemann zur hochzeitsfeier bereits einluden, obwohl sie noch keinen termin beim standesamt hatten. zugleich waren die beiden auf den 7. september 2009 – so passend der 50. geburtstag der klägerin sicher war – nicht zwingend festgelegt. hätten sie dort keinen termin bekommen, so hätten sie es auch am 8. september, 10., 11. oder 12. september 2009 machen können. notfalls hätten sie auch in die werktage vor dem 7. september 2009 ausweichen können. letztlich war es kaum ein risiko, auch wenn die reihenfolge viele menschen verwundern dürfte. jedoch ist es denkbar, dass jemand sich so verhält wie die klägerin und h. t. : ihnen schien es vordringlich, raum und essen sicherzustellen. als dann eigentlich die zeit für die anmeldung beim standesamt gekommen war, ging es – wohl schon etwa mitte bis ende juli – bereits mit den untersuchungen des h. t. aufgrund seiner unklaren bauchbeschwerden los; diese unsichere und gewisse sorgen bereitende situation führte nach den nachvollziehbaren angaben der klägerin zu einem aufschieben der standesamts-anmeldung. als dann die verdachtsdiagnose geäußert wurde, war dies dann zunächst ausgeschlossen. das fehlen der anmeldung der eheschließung spräche nicht für die glaubhaftigkeit des vorbringens der klägerin, wenn man dieses isoliert betrachten würde. ergibt sich die heiratsabsicht der klägerin mit h. t. jedoch aus den vorliegenden eidesstattlichen versicherungen und den anderen geschilderten umständen, so widerlegt die fehlende anmeldung jedenfalls nicht den daraus gezogenen schluss. 118die unbedingte absicht, vor dem 12. september 2009 – möglichst am 7. september 2009 – standesamtlich zu heiraten, ist auch nicht deshalb widerlegt, weil dies wegen des abgelaufenen personalausweises des verstorbenen rechtlich ausgeschlossen gewesen wäre. zwar ist der alte personalausweis des h. t. am 8. april 2009 abgelaufen (kopie in beiakte 10) und der neue personalausweis nach der auskunft der meldebehörde der stadt l1. vom 16. mai 2013 (frau i7. , bl. 238 f. der gerichtsakte) erst am 30. september 2009 beantragt und am 28. oktober 2009, jeweils im bürgerbüro in l1. -g. , abgeholt worden. damit verfügte der verstorbene weder für den 7. september 2009 für die geplante eheschließung, noch für die tatsächliche eheschließung am 30. september 2009 über ein gültiges ausweisdokument, da er auch keinen reisepass hatte. allerdings hat die eheschließung am 30. september 2009 stattgefunden, was zeigt, dass dies mit abgelaufenem personalausweis (und sicherlich hilfreichem polizei-dienstausweis) möglich war. dies hat der standesbeamte l5. dem einzelrichter auch telefonisch am 14. mai 2013 bestätigt. für die absicht, am 7. september 2009 die ehe zu schließen, steht der abgelaufene personalausweis damit nicht entgegen, wobei der klägerin abgenommen wird, dass sie davon überhaupt keine kenntnis hatte. vermutlich war auch dem verstorbenen dieser umstand nicht bewusst. 119in anbetracht der einschätzung des gerichts, wonach der schon vor krankheitskenntnis bestehende heiratsentschluss durch die eidesstattlichen versicherungen und die übrigen geschilderten umstände bewiesen ist, erscheint auch das gesamte vorbringen der klägerin einschließlich der von ihr vorgelegten unterlagen und gegenstände wahrheitsgemäß bzw. echt und inhaltlich wahrheitsgemäß. das sehr umfangreiche vorbringen der klägerin und sämtliche unterlagen sowie die vorgelegten eheringe usw. hätten für sich genommen auch in unlauterer absicht erfolgen bzw. vorgelegt werden können. dies wäre ein sehr komplexes und mit hoher (krimineller) energie verbundenes unterfangen zur täuschung des gerichts. insofern bestehen schon erhebliche zweifel, ob der klägerin dies zuzutrauen wäre. in der zusammenschau mit der bewertung der eidesstattlichen versicherungen spricht jedoch alles dafür, dass das vorbringen der klägerin wahrheitsgemäß und unterlagen und ringe „echt“ sind. die sich aufdrängenden und auch vom lbv in den entsprechenden stellungnahmen zu recht herausgearbeiteten widersprüche und ansätze für zweifel lösen sich in diesem licht auf und stellen sich eher als den wahrheitsgehalt stärkende „ungereimtheiten“, unerklärliche lücken oder logische brüche dar. wer sich eine überzeugende lügengeschichte ausdenkt und beweise bzw. indizien fälscht, tut dies typischerweise ohne solche ungereimtheiten. wäre die klägerin die abgefeimte lügnerin und betrügerin, die sie sein müsste, wenn das gesamte verfahren ein einziger prozessbetrug wäre, so hätte sie für die punkte, in denen das lbv gründe für eine ablehnung sieht, erklärungen entwickeln, indizien fälschen oder nicht überprüfbare bzw. widerlegbare varianten entwickeln können. beispielsweise in bezug auf die vorgelegten eheringe wäre es ein leichtes für sie gewesen, sich einen juwelier o.ä. in e. zu suchen, die adresse zu benennen und eine entsprechende geschichte über den erwerb zu erzählen, jedoch die quittung über den kauf angeblich (nicht widerlegbar) nicht mehr zu finden. 120letztlich wird in diesem licht auch die durchaus fragen aufwerfende art und weise des vorbringens der klägerin seit beginn des verwaltungsverfahrens sowie der vorlage von unterlagen und der benennung von augenscheinsobjekten erklärlich und steht der einschätzung des gerichts im ergebnis nicht entgegen. das lbv hat nachvollziehbar zweifel zum wahrheitsgehalt des vorbringens der klägerin angemeldet, die sich daraus ergeben, dass die klägerin im grunde erst mehr als drei jahre nach beginn des verwaltungsverfahrens über die hinterbliebenenversorgung ihr vorbringen in bestimmten zusammenhängen so konkretisiert und substantiiert hat, dass manches verständlich und nachvollziehbar wird, und zudem erst ab diesem zeitpunkt eine vielzahl von unterlagen beigebracht und augenscheinsobjekte benannt und vorgelegt hat, die für die entscheidung des rechtsstreits ganz erheblich sind. erst auf die ladung des gerichts für die mündliche verhandlung am 6. mai 2013 hat der aktuelle bevollmächtigte der klägerin mit dem sehr ausführlichen schriftsatz vom 28. märz 2013 das in beiakte 10 zusammengefasste 64-seitige konvolut von unterlagen vorgelegt. durch diese unterlagen erhielt der vortrag zur vermögensmäßigen verflechtung der klägerin mit h. t. in bezug auf das hausgrundstück alte o. straße 46 (und hierdurch der heiratsgrund der vorsorge für den todesfall, nebst erbschaftssteuerlichen erwägungen), die gegenseitige absicherung durch risikolebensversicherungen, ereignisse, die für den allgemeinen heiratsentschluss und dessen verzögerte umsetzung von bedeutung waren (mandel-op 2005, gynäkologische op 2008, krankheit des hundes c4. 2008), der streit des h. t. mit seinem sohn und insbesondere der krankheitsverlauf und die behandlung des pankreastumors des h. t. wesentlich neues gepräge bzw. ins einzelne gehende substanz. mit dem ebenfalls enthaltenen abdruck der einladung zur geplanten feier am 12. september 2009 einschließlich des hinweise auf die „freudige überraschung“ erhielt der prozess eine entscheidende wendung, die über die mündliche verhandlung und die nachfolgenden weiteren ermittlungen bis zu dieser entscheidung geführt hat. natürlich erstaunt es, dass die klägerin erst etwa drei jahre nach ihrer ersten inhaltlichen stellungnahme vom 1. april 2010 zur widerlegung der vermutung einer versorgungsehe wegen kurzer ehedauer durch § 19 abs. 1 satz 2 nr. 1 beamtvg die einladung zur feier am 12. september 2009 vorlegt, erst in der mündlichen verhandlung die notizzettel in bezug auf die bestellung bei t2. -c3. sowie die geplanten gäste und einkäufe (bl. 198 – 200 der gerichtsakte) vorlegt und die vorhandenen eheringe erst im rahmen ihrer anhörung durch das gericht in der mündlichen verhandlung offenlegt und dann auch vorlegt. dies gilt tatsächlich besonders, als das lbv sie deutlich darauf hingewiesen hatte, dass objektive hinweistatsachen und belege für andere heiratsgründe als die versorgungsabsicht entscheidend seien. zudem ist im verwaltungs- und widerspruchsverfahren verwirrung um die termine für die geplante heirat und die feier des 50. geburtstages bzw. der hochzeit entstanden. 121die hierdurch aufgeworfenen zweifel am vorbringen der klägerin vermögen die einschätzung des gerichts, die maßgeblich auf den eidesstattlichen versicherungen beruht, nicht zu ändern. die art und weise des vorbringens lässt sich im licht dieser einschätzung schlüssig erklären. bei genauer betrachtung hat die klägerin in ihrer selbst verfassten stellungnahme vom 1. april 2010 „ihre geschichte“ in bezug auf h. t. , die heiratsabsichten und heiratsgründe sowie die pläne für heirat und feier im september 2009 sowie deren begonnene umsetzung bis zur kenntnis von der vermutlich ernsthaften erkrankung mitte august 2009 in den grundzügen bereits dargelegt. diese erste stellungnahme steht in völliger übereinstimmung mit dem sachverhalt, von dem das gericht jetzt ausgeht. danach ist durch die einschaltung der früheren bevollmächtigten der klägerin jedoch einiges an verwirrung entstanden. auch wenn schwer zu sagen ist, woran es lag, hat deren verfahrensführung für unklarheiten gesorgt (z. b. zu den daten: 50. geburtstag der klägerin am 7. september 2009, feier am 12. september 2009; wann sollte der standesamts-termin sein, wann die feier usw.) und es sind missverständnisse aufgetreten. die geschichte der klägerin wurde anscheinend auch in gewissen einzelheiten nicht ganz zutreffend aufgenommen bzw. wiedergegeben (z. b. wurde die erkrankung des hundes c4. als „alltägliche sache“ dargestellt, was sie für die klägerin und h. t. zweifelsohne nicht war). es scheint so, als sei die bevollmächtigte mit der fallkonstellation einer versorgungsehe zuvor nicht befasst gewesen und habe die maßstäbe der rechtsprechung zur widerlegung der gesetzlichen vermutung bei kenntnis von einer lebensbedrohlichen erkrankung nicht hinreichend gekannt. sie ist verfahrenstaktisch nicht klug vorgegangen und hat sich auf argumentative scharmützel mit dem lbv eingelassen, anstatt zunächst im zusammenhang einen schlüssigen sachverhalt vorzutragen, der ein der klägerin günstiges ergebnis tragen konnte, und es dann zu unternehmen, diesen zu substantiieren bzw. zu beweisen. sodann hätte sie mit der klägerin daran arbeiten sollen, objektive hinweise für nicht versorgungsbezogene absichten bei eheschließung zu erkennen sowie alle relevanten unterlagen und gegenstände zu beschaffen und vorzulegen. bei allem ist es bezogen auf die klägerin selbst menschlich nachvollziehbar, wenn von einer in dieser hinsicht vollkommen unerfahrenen hinterbliebenen etwa drei monate nach dem viel zu frühen krebsbedingten todes des ehemannes zunächst eher knapp und auf das wesentliche beschränkt vorgetragen wird, weil kein problembewusstsein bestand und sie keine ablehnung gewärtigte. es entspricht typischem verhalten, dann nach und nach mehr „nachzulegen“, wenn und wann es erforderlich scheint. dies mag für behörden und gerichte manchmal verdächtig erscheinen, ist jedoch in anderen lebensbereichen nicht ungewöhnlich. denn sowohl ausführlicher und in die tiefe gehender vortrag sowie die beschaffung und vorlage von unterlagen oder die benennung von augenscheinsobjekten oder zeugen usw. kosten zeit und kraft. zugleich ist dies in einer zeit der trauerarbeit nicht die lieblingsbeschäftigung von hinterbliebenen. hierfür besteht v.a. dann wenig anlass, wenn der betroffene sich ohne weiteres „im recht“ sieht. 122bei alledem geht das gericht davon aus, dass der heiratsentschluss, den die klägerin und ihr verstorbener partner (möglichst) am 7. september 2009 umsetzen und dieses ereignis dann am 12. september 2009 feiern wollten, für sie nicht maßgeblich von der absicht getragen war, der klägerin eine witwenversorgung zu verschaffen. die klägerin hat die entwicklung ihrer beziehung zum verstorbenen nachvollziehbar geschildert. hier war es nach der einschätzung des gerichts so, dass die partner über einen beziehungszeitraum von etwa neun jahren (1996 – 2005) eine immer engere bindung aufbaut hatten und dann, veranlasst durch ein äußeres ereignis (hier die bedrohliche situation bei der mandel-op 2005), eine grundsätzliche entscheidung für eine eheliche bindung eingegangen waren, die sie dann nach verlobung drei jahre später (wohl 20. mai 2008) wiederum mehr als ein jahr später realisieren wollten. dies ist etwas völlig anderes, als die in der rechtsprechung zu § 19 abs. 1 satz 2 nr. 1 beamtvg häufig anzutreffende situation einer langjährigen eheähnlichen gemeinschaft, die im moment des auftretens einer lebensbedrohlichen erkrankung in eine ehe überführt wird. ursprünglich spielte wohl anlässlich der bedrohlichen situation bei der mandel-op der klägerin 2005 auch eine komponente der vorsorge für einen ernsten fall, z. b. des todes eines der partner, eine rolle. dies ist jedoch – wie bei vielen ehen – als eine komponente unter vielen völlig unproblematisch. entscheidend ist insofern, ob sich die hochzeit von gestaltung und rahmen her auch als eine emotionale „liebesheirat“ darstellt oder ob schlicht der „verwaltungsakt“ der eheschließung beim standesamt durchgeführt wird. letzteres war hier offensichtlich nicht der fall: das gefühl der klägerin hat sie beschrieben mit „dass wir uns halt geliebt haben. wir sind zusammen gewesen, wir sind zusammengewachsen. wir haben das haus fertig gemacht und wir waren eine einheit. dem wollten wir endlich auch form geben, auch nach außen hin das ganze legitimieren und ‚mann und frau‘ sein.“ dies beschreibt ein gefühl, das viele kennen. die beiden waren gemeinsam inhaber eines hauses, das im wesentlichen ihr gesamtes vermögen darstellte und in das sie viel geld und kraft investiert hatten. sie hatten als (patchwork-)familie mit der tochter der klägerin n1. seit deren 13. lebensjahr zusammengelebt und waren für diese „mama und papa“, und auch der sohn des klägers h. jun. war zeitweilig teil dieser familie. sie waren „mama und papa“ bzw. „frauchen und herrchen“ für ihre hunde c4. , k. , a1. und zuletzt w1. . dieses gemeinsame, das gefühl der „einheit“ nach außen zu dokumentieren, ist beweggrund vieler eheschließungen, auch wenn dies nicht zwingend ist.zugleich gab es neben der emotionalen seite auch praktische, „weltliche“ erwägungen: die klägerin und der verstorbene waren seit 1997 hälftige miteigentümer des elternhauses der klägerin, des hausgrundstücks alte o. str. 46 in l1. -g. . im erbfall waren probleme zu gewärtigen. gesetzlicher erbe des h. t. war sein sohn h. jun., gesetzliche erben der klägerin ihre kinder n1. und x. (jun.) c1. . der überlebende partner hätte sich also in einer miteigentümergemeinschaft mit einem kind bzw. einer erbengemeinschaft aus kindern des verstorbenen partners befunden. da nach dem wunsch der partner das haus dem überlebenden partner erhalten bleiben sollte, war ein weg zu diesem ziel zu finden. da die stellung der kinder nicht zu beseitigen war bzw. auch im grundsatz nicht beseitigt werden sollte, hatten die partner die vorstellung, dass die erbenden kinder des verstorbenen partners vom überlebenden partner „ausgezahlt“ werden sollten. um hierfür mittel zu erhalten, hatten sie „über kreuz“ risiko-lebensversicherungen abgeschlossen. beim tod der klägerin hätte die l3. lebensversicherung ag (nr. 4053696) an h. t. geleistet, beim tod des t. hätte die v. lebensversicherung a.g. (nr. 01830711-46) einen betrag von dm 250.000 an die klägerin geleistet (unterlagen zu beiden in beiakte 10). das in der gartenbau-firma gebundene (oder in kraftfahrzeugen investierte) sonstige vermögen der klägerin wollte sie ausweislich ihres testaments vom 21. november 2001 ihrer tochter n1. und ihrem partner je zur hälfte vererben, sohn x. c1. jun. sollte nur den pflichtteil erhalten. h. t. hatte neben dem hausanteil ab einem gewissen zeitpunkt vermögen angespart, das in verschiedenen formen angelegt war (zum tatsächlichen todeszeitpunkt 2010 dokumentiert in der aufstellung der klägerin, die sie beim lbv mit ihrem schreiben vom 1. april 2010 vorgelegt hatte). dies hätte mangels testament sein sohn geerbt.durch eine eheschließung konnten die partner sich gegenseitig zu gesetzlichen erben machen, so dass sie ohne weiteres neben den kindern des jeweiligen versterbenden einen der konstellation entsprechenden anteil an der jeweiligen miteigentums-hälfte des anderen partners am hausgrundstück erhalten hätten. dadurch wäre der anteil, in bezug auf den eine regelung im wege der „auszahlung“ zu erzielen war, deutlich vermindert worden. es wäre dem überlebenden mehr von dem auszahlungsbetrag aus den risiko-lebensversicherungen verblieben. zugleich hätte in bezug auf das mobiliar-vermögen des h. t. eine erbenstellung begründet und in beiden richtungen der anfall von erbschaftssteuer (bei tod der klägerin in bezug auf in der gartenbau-firma gebundenes vermögen – bei tod des t. in bezug auf dessen anlagevermögen) verhindert werden können, weil dem ehepartner ein hoher freibetrag hinsichtlich der erbschaftssteuer zur verfügung steht. durch diese erwägungen wird erkennbar, dass für die klägerin und ihren verstorbenen partner eine eheschließung auch aus gründen der vorsorge für den todesfall sehr sinnvoll war. sie konnten sich zu gesetzlichen erben neben den kindern machen und erbschaftssteuer sparen. diese absichten sind jedoch nicht die „versorgungsabsicht“, die § 19 abs. 1 satz 2 nr. 1 beamtvg meint. dort ist allein die schaffung der beamtenrechtlichen versorgung mit der hinterbliebenenversorgung für witwe(r) gemeint. sonstige versorgungs- bzw. vorsorgebezogenen überlegungen der ehegatten sind für diese vorschrift ohne bedeutung. „vorsorgen“ und „versorgen“ ist insofern nicht das problem, sondern allein das verschaffen einer hinterbliebenenversorgung nach § 19 beamtvg. dafür, dass bei den hochzeitsüberlegungen und der wohl erfolgten verlobung im jahr 2008 die im fall des todes des h. t. dessen witwe zustehende witwenversorgung durch das beklagte land nach § 19 beamtvg ein maßgeblicher beweggrund war, sind keine anhaltspunkte erkennbar.es ist dann auch davon auszugehen, dass diese motivationslage in bezug auf die hochzeit bei der klägerin und dem verstorbenen im wesentlichen fortbestand, als diese im frühjahr 2009, nachdem der hund w1. die „familie“ nach dem tod des hundes c4. erweitert bzw. wieder vervollständigt hatte, entschlossen, die in der verlobung 2008 im grundsatz getroffene entscheidung für eine heirat nunmehr im jahr 2009 konkret in die tat umzusetzen. diese absichten standen mithin auch hinter der planung der standesamtlichen hochzeit (möglichst) am 7. september 2009 und der feier des 50. geburtstages der klägerin und der heirat am samstag, 12. september 2009. dies ergibt sich indiziell schon daraus, dass die partner überhaupt einen solchen aufwand betrieben: die allein oder maßgeblich – also überwiegend – aus gründen der hinterbliebenenversorgung nach § 19 beamtvg erfolgende heirat ist eine zweckheirat. eine feier mit entsprechendem aufwand, raum, essen, einladungen usw. ist jedoch regelmäßig ausdruck der freude über die „liebesheirat“ aufgrund der entsprechenden gefühle. die art dieses ausdrucks hat verschiedenste formen. fast immer drückt sich die freude über den emotionalen anteil einer eheschließung, die nicht reine zweckheirat ist, in äußerlich erkennbaren vorkehrungen oder gestaltungen aus. der umstand, dass die klägerin eventuell irgendwann ein witwengeld in höhe von 55 % eines fiktiven ruhegehalts ihres verstorbenen partners im rang eines kriminaloberkommissars erhalten hätte, wäre kaum anlass für eine party in g. mit (gemäß der von der klägerin in der mündlichen verhandlung vorgelegten liste, bl. 200 der gerichtsakte) „sekt, jägermeister, korn, mariacron, bacardi, ouzo, 15 l pils und 20 l alt + je 1 kasten“ gewesen. 123steht damit zur überzeugung des gerichts fest, dass die klägerin und ihr verstorbener ehemann schon vor kenntnis der krebserkrankung einen konkreten und unbedingten heiratsentschluss (für einen tag vor dem 12. september 2009) aus motiven hatten, unter denen nicht die schaffung einer hinterbliebenenversorgung für die klägerin maßgeblich war, so stellt sich die heirat am 30. september 2009 als konsequente umsetzung dieses bereits bestehenden heiratsentschlusses dar. konsequenter und stringenter geht es kaum: im zeitpunkt der verdachtsdiagnose am 19. oder 20. august 2009 (mittwoch/donnerstag) legten die klägerin und ihr partner die durchführung von heirat und feier bis zur klärung der gesundheitlichen situation „auf eis“ und sagten das essen bei t2. -c3. ab, informierten d. und d1. i3. sowie alle gäste. nach dem wochenende begab der kläger sich am dienstag, 25. august 2009 ins i. klinikum l1. und unterzog sich dort im zeitraum bis mittwoch, 9. september 2009, allen weiteren diagnostischen untersuchungen, die zum ergebnis eines adenokarzinoms der bauchspeicheldrüse mit lymphangiose führten. schon am darauffolgenden dienstag, 15. september 2009, war er wieder stationär im i. klinikum und unterzog sich dem ersten zyklus einer chemotherapie (aufenthalt bis montag, 21. september 2009). während dieser zeit meldete die klägerin am donnerstag, 17. september für den 30. september 2009 die eheschließung beim standesamt l1. an. in zeitlicher hinsicht ist dies sehr straff. die eheschließung fand auch soweit erkennbar genau so statt, wie es geplant gewesen war, nämlich ohne besonderen aufwand ohne trauzeugen beim standesamt. die feier fiel weg. zugleich ist dies nach der überzeugung des gerichts die betätigung des vorherigen heiratsentschlusses, wobei keine abweichenden absichten – insbesondere nicht diejenige der ermöglichung von witwengeld – erkennbar sind. die klägerin hat geschildert, wie sie und der verstorbene durch die krankheit noch stärker „zusammengeschweißt“ worden waren und er im park des klinikums zu der erkenntnis kam, dass sie jetzt ihre eigenen interessen auch einmal in den vordergrund stellen sollten, nachdem sie die hochzeit 2008 wegen des streits um c4. und jetzt wegen der krankheit abgesagt hatten. er bat sie dann mit den worten „monsterchen, willst du meine frau werden?“, ihn jetzt zu heiraten und sich darum zu kümmern. die schilderung der eheschließung beim standesamt am 30. september 2009, bei dem sie beide „perfekt“ waren – er im 2008 für die nicht erfolgte hochzeit erworbenen schwarzen anzug, sie im ebenfalls für die hochzeit gekauften beigen anzug – verdeutlicht die über eine „vorsorgemaßnahme“ weit hinausgehende emotionale und symbolische bedeutung der eingegangenen verbindung. 124es sind in bezug auf die eheschließung auch keine anderweitigen hinweise auf konkrete absichten beider eheleute – oder auch nur eines von ihnen – erkennbar, die sich auf witwenversorgung richteten. insbesondere ist keine versorgungsauskunft beim lbv eingeholt worden oder auch keine anderweitigen auf die versorgungssituation des verstorbenen – und damit mittelbar der klägerin für den fall seines vorversterbens – bezogenen erkundigungen ersichtlich. ob die klägerin wirklich – wie sie angibt – keiner zusätzlichen versorgung bedarf, ist angesichts ihrer durchaus wechselhaften erwerbsbiographie fraglich, muss hier jedoch nicht geklärt werden, weil die gesetzliche vermutung ausgeräumt ist. 125die kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 abs. 1 vwgo. 126die regelung hinsichtlich der vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 abs. 1 vwgo i.v.m. § 709 zivilprozessordnung (zpo). 127beschluss: 128der streitwert wird auf die wertstufe bis 25.000 euro festgesetzt. 129gründe: 130die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 abs. 1, abs. 3 gkg erfolgt. das gericht berücksichtigt dabei den monatlichen differenzbetrag von 1041,49 euro monatlichem witwengeld, der sich bei erfolg der klage zugunsten der klägerin nach auskunft des lbv ergeben würde, und legt nach der rechtsprechung über den sog. teilstatus den wert für zwei jahre (also 24 monate) zugrunde. ob sich dieser betrag durch andere einkünfte in der auszahlung mindert, wird hier außer acht gelassen, insbesondere da die minderungsbeträge nach dem beamtenversorgungsgesetz (beamtvg) „ruhen“. | Klaeger*in | 1 |
190,095 | S 12 SB 129/13 | 2013-08-27T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. 1Tatbestand: 2Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig. Mit Bescheid vom 00.00.0000 stellte der Kreis Aachen bei dem am 00.00.0000 geborenen Kläger aufgrund eines Diabetes mellitus, des Verlusts des linken Hodens und einer Funktionsstörung der Wirbelsäule einen GdB von 30 fest. 3Am 00.00.0000 stellte der Kläger einen Änderungsantrag beim Beklagten. Hierbei gab er an, er leide unter einem Liposarkom Klassifizierung pT2b, G3. Dem Antrag beigefügt war ein Arztbericht des St.-B. -Hospitals F. vom 00.00.0000 sowie eine pathologisch-anatomische Begutachtung durch die Institut und Praxisgemeinschaft für Pathologie des Krankenhauses E. gem. GmbH vom 00.00.0000. 4Diese Berichte wertete der Beklagte durch seinen ärztlichen Dienst aus und kam zu der Einschätzung aufgrund der Erkrankung des Weichteilgewebes sei ein Einzel-GdB von 50, aufgrund der Zuckerkrankheit ein Einzel-GdB von 30, aufgrund des Verlustes des linken Hodens ein Einzel-GdB von 10 und aufgrund einer Funktionsstörung der Wirbelsäule ein Einzel-GdB von 10 in Ansatz zu bringen. Insgesamt sei der GdB mit 60 zu bewerten. 5Mit Bescheid vom 00.00.0000 stellte der Beklagte daraufhin einen GdB von 60 fest. Hiergegen legte der Kläger am 00.00.0000 Widerspruch mit der Begründung ein, er halte den GdB für zu niedrig. Am gleichen Tag stellte der Kläger einen Änderungsantrag. 6Mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 wies die Bezirksregierung N. den Widerspruch als unbegründet zurück. 7Am 00.00.0000 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat ausgeführt, der aktuelle GdB von 60 sei zu niedrig. Es sei schon zuvor wegen seines Diabetes ein GdB von 30 festgestellt worden. Hinzugekommen sei nun eine Krebserkrankung, die ihrerseits schon einen GdB von 50 bedinge. 8Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Innere Medizin und Rehabilitationsmedizin, Chefarzt der Rehaklinik an der Rosenquelle, Dr. K ... 9Mit Schriftsatz vom 00.00.0000 hat der Kläger ausgeführt, er halte einen Internisten nicht für kompetent, die onkologischen Fakten einer seltenen Systemerkrankung zu beurteilen. Er kenne einen aktuellen Fall von Systemerkrankung, in dem der GdB allein für die Systemerkrankung mit 70 festgestellt worden sei. Er habe erhebliche Schmerzen und funktionale Beeinträchtigungen aufgrund der wiederholten Operationen am rechten Oberschenkel. Er halte die Beschreibungen des Gutachters hinsichtlich der OP-Narben und der Muskelminderung für grob unkorrekt. Es mangele an der Würdigung des OP-bedingt fehlenden Muskelfleisches. Auch habe der Gutachter zur Zuckererkrankung nur oberflächlich und seines Erachtens falsch Stellung bezogen. Soweit der Gutachter sich zu Selbstwertgefühl und Selbstsicherheit äußere seien dies Spekulationen. Wenn der Gutachter keine Probleme der Beweglichkeit attestiere, so habe er nicht richtig hingesehen. Auch sei die Beschreibung, die Wirbelsäule bilde kein Hohlkreuz falsch. Er könne nur durch regelmäßigen Sport u.a. permanente Krämpfe vermeiden. Auch im Hinblick auf die Feststellungen zu den Krampfadern sei das Gutachten unzutreffend. Er habe auch vermehrte Wasseransammlungen im rechten Bein, Oberschenkel bis zum Knie. Grund hierfür dürfte die Bestrahlung mit 60 Gray sein. Er halte das gesamte Gutachten für oberflächlich und unkorrekt. Auch sei er mit der Art und Weise der Begutachtung nicht einverstanden. Diese sei nach Bundeswehrmanier einschließlich "Stillgestanden, Augen rechts, die Augen links" erfolgt. 10Der Sachverständige hat daraufhin schriftlich erklärt, er bleibe bei seiner Einschätzung im Gutachten. Es liege zwar ein Muskelverlust vor, dieser wirke sich aber im Ablauf des täglichen Lebens nicht gravierend aus. Dies habe seine Untersuchung ergeben. Bei der Untersuchung beobachte er die Probanden auch in vermeintlich unbeobachteten Momenten. Die Bewegungsausmaße habe er im Gutachten beschrieben. Von "Stillgestanden, Augen rechts, die Augen links" könne keine Rede sein. Er fordere die Probanden aber auf, den Kopf nach rechts oder links zu drehen. Die Bewertung der Zuckerkrankheit sei anhand der aktuellen Versorgungsmedizinischen Grundsätze erfolgt. 11Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Kläger mitgeteilt, er sei seit Mai oder Juni 0000 in Behandlung wegen Problemen der Oberschenkelmuskulatur. Er nehme Lymphdrainagen in Anspruch. Nach den ersten sechs Behandlungen habe sich ein gutes Ergebnis eingestellt. Es sei zu Abschwellungen des Oberschenkels sowie zu einer Besserung der Krampfadern am Knie gekommen. 12Der Kläger beantragt, 13den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 00.00.0000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 00.00.0000 zu verurteilen, bei ihm ab dem 00.00.0000 einen GdB von mehr als 60 festzustellen. 14Der Beklagte beantragt, 15die Klage abzuweisen. 16Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und nimmt Bezug auf die Ausführungen seines ärztlichen Beraters und des Gutachters Dr. K ... 17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. 18Entscheidungsgründe: 19I. 20Die Klage ist zulässig, insbesondere richtet sie sich gegen den richtigen Klagegegner. 21Durch § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen – Eingliederungsgesetz - (Art. 1 Abschnitt I des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2007, GV. NRW S. 482 – Straffungsgesetz –) hat der Landesgesetzgeber die den Versorgungsämtern nach §§ 69 und 145 SGB des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) zugewiesenen Aufgaben in zulässiger Weise mit Wirkung vom 01.01.2008 auf die Kreise und kreisfreien Städte übertragen (vgl. dazu Landessozialgericht – LSG - Nordrhein-Westfalen Urteil vom 12.02.2008 - L 6 SB 101/06; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 05.03.2008 - L 10 SB 40/06; zur Anwendung des Behördenprinzips in Nordrhein-Westfalen bei sozialgerichtlichen Streitigkeiten, vgl. Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 24.03.2009, B 9 SO 29/07 R). Die Zuständigkeit der Bezirksregierung Münster zur Entscheidung über den Widerspruch ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Eingliederungsgesetz in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 25.10.2011 (GV. NRW S. 542; vgl. dazu auch LSG NRW Beschluss vom 16.01.2012 – L 10 SB 197/11 = juris Rn. 16; LSG NRW Urteil vom 6.12.2009 - L 10 SB 39/09 = juris Rn. 23 ff.). 22II. 23Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG nicht beschwert, da die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Dem Kläger steht derzeit kein höherer GdB als 60 zu. 24Nach § 2 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion oder geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft dargestellt. Bei dem Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. 25Die Bemessung des Gesamt-GdB hat dabei in mehreren Schritten zu erfolgen und ist tatrichterliche Aufgabe (BSG Beschluss vom 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 B = juris Rn. 5 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32). 26Zunächst sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinn von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. Sodann sind diese den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Schließlich ist unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen in einer Gesamtschau der Gesamt-GdB zu bilden (BSG Urteil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R = juris Rn. 18 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32). 27Nach Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (BGBl. I 2008, S. 2412 - Versorgungsmedizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (Versorgungsmedizinische Grundsätze), die wegen § 69 Abs. 1, Satz 4 SGB IX auch im Schwerbehindertenrecht zur Anwendung kommt, sind zur Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung rechnerische Methoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Teil A Ziffer 3 lit. d) ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderungen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Gesamtausmaßes der Behinderung zu schließen. 28Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-GdB zudem die Auswirkungen im konkreten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen feste GdB-Werte angegeben sind (BSG Urteil vom 02.12.2010 –B 9 SB 4/10 R = juris Rn. 25; vgl. auch Teil A Ziffer 3 lit. b) Versorgungsmedizinische Grundsätze). 29Der Kläger leidet zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unter 30(1.) einer Erkrankung des Weichteilgewebes (2.) Zuckerkrankheit (3.) Verlust des linken Hodens (4.) Funktionsstörung der Wirbelsäule (5.) Krampfadern 31Das Vorliegen dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Befund- und Arztberichte sowie des Gutachtens des Herrn Dr. K. fest. 32Das Gutachten beruht auf umfangreichen Untersuchungen, die von einem erfahrenen medizinischen Gutachter unter Einsatz von diversen Hilfsmitteln durchgeführt worden sind. Soweit der Kläger dem Gutachter vorwirft, er habe ihn bei der Untersuchung der körperlichen Untersuchung mit militärischen Befehlen "stillstehen lassen" und die Kommandos "Augen rechts" und "die Augen links" gegeben, so glaubt die Kammer dem Kläger diese Darstellung nicht. Aus dem Gutachten ist ersichtlich, dass der erfahrene Gutachter im Rahmen der körperlichen Untersuchung eine Ermittlung der Beweglichkeit der Wirbelsäule (Halswirbelsäule und Lenden-/Brustwirbelsäule) nach der sog. "Neutral-Null-Methode" vorgenommen hat. Dass der Kläger dies – vielleicht im Zusammenhang mit dem offensichtlich im Dienstzimmer befindlichen Wappen einer Reserveeinheit der Bundeswehr, welche der Gutachter angehört – als militärischen Drill assoziiert hat, mag sein. Es beruht aber klägerseitig auf einer völligen Verkennung der Ermittlungen nach der Neutral-Null-Methode (vgl. zur Neutral-Null-Methode etwa, Wülker (Hrsg.), Orthopädie und Unfallchirurgie, 2. Aufl. 2010, S 3 ff.; Dörfler/Eisenmenger/Wandl/Lippert, Medizinische Gutachten, 2008, S. 72 ff.). Dass die vom Kläger geschilderten militärischen Kommandos in diesem Zusammenhang eine Rolle gespielt hätten, glaubt die Kammer dem Kläger nicht. Es stellt sich nach Auffassung der Kammer als bloßer Versuch dar, den Gutachter, mit dessen Feststellungen der Kläger offensichtlich nicht einverstanden ist, zu diskreditieren. Auch soweit der Kläger die medizinische Kompetenz des Gutachters anzweifelt, folgt ihm die Kammer nicht. Dr. K. ist als Internist und Rehabilitationsmediziner zum einen durchaus in der Lage die beim Kläger bestehende Zuckererkrankung sowie die Auswirkungen der Krebserkrankungen zu beschreiben und auch entsprechend den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen zu bewerten. Dies umso mehr als ihm hierfür onkologische und pathologische Unterlagen zur Verfügung standen, die eine genaue Diagnose geliefert haben. Der Kläger verkennt in diesem Zusammenhang offensichtlich, dass es bei der Bewertung des GdB nicht auf die Diagnosen ankommt, sondern auf die Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Diese werden vom Gutachter beschrieben – auch wenn der Kläger sich mit diesen Feststellungen nicht einverstanden erklärt. 331. Beim Kläger ist am 00.00. bzw. 00.00.0000 ein intramuskuläres myxoides und schlecht differenziertes Liposarkom mit einem Maximaldurchmesser von 5 cm am proximalen medialen Oberschenkel entfernt worden. Es wurde ein minimaler Sicherheitsabstand von dorsal 2 cm, von ventral 0,9 cm, zur Hauptspindel 2 cm, zum proximalen Präparatausläufer 2,5 cm und zum kaudalen Präparatausläufer 12 cm eingehalten. Ausweislich der pathologischen Untersuchung wurde der Tumor allseits im Gesunden entfernt. Nach der Tumour-Node-Metastasis (TNM)-Klassifikation der Union International contre le Cancer (UICC) wurde der Tumor mit pT2b G 3 beschrieben. Gemäß Teil B Ziffer 17.13 Versorgungsmedizinischen Grundsätze ist der GdB hierfür – bis zum Ablauf der Heilungsbewährung – mit 50 zu bewerten. Die Kammer verkennt nicht, dass der Kläger gegenüber dem Gutachter und dem Gericht Schmerzen im Bereich der Operationsnarbe sowie am Oberschenkel geklagt hat. So hat er ausweislich des Gutachtens angegeben, er habe dort, wo die Operation stattgefunden habe, ein "Fremdkörpergefühl" und der Oberschenkel bis hinunter zur Wade täte weh, wie die Vorstufe zu einem Krampf. Dies sei besonders unangenehm, wenn er Auto fahre, wozu er beruflich häufig gezwungen sei. Nach Feststellungen des Gutachters stellen sich die Narbenverhältnisse aber unauffällig auf. Auch eine Beeinträchtigung des Gehvermögens fiel dem Gutachter nicht auf. Er beschrieb, dass der Kläger sich mit raumgreifenden Schritten und seitengleicher Belastungsphase bewegte. Ein Hilfsmittel benutzte der Kläger bei, Gehen nicht. Eine besondere Beeinträchtigung der Gehfähigkeit war auch für die Kammer nicht augenscheinlich. Die Kammer verkennt nicht, dass beim Kläger mit dem Tumor auch gesundes Haut- und Muskelgewebe mit entfernt worden ist. Der Gutachter beschreibt auch eine geringe umschriebene Muskelminderung im Bereich der Operationsnarbe. Der Kläger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die Muskelminderung sei erheblich und die Schmerzen seien ebenfalls vorhanden, was zu einem höheren GdB führen müsse. Er führte aus, dass er wegen des Beins und der Schmerzen seit einiger Zeit in Behandlung sei, es würden Lymphdrainagen gemacht. Dies führe zu einer Besserung der Symptomatik. Nach Einschätzung der Kammer ist der GdB unter Berücksichtigung der objektivierbaren Beschwerden des Klägers mit 50 zutreffend bewertet. Die mit der Entfernung des Tumors verbundene Entnahme gesunden Muskelgewebes ist bei der Bewertung des GdB bereits hinreichend berücksichtigt. Erhebliche darüber hinausgehende Beeinträchtigungen sind nicht objektiviert. Insbesondere Auswirkungen im Gangbild ließen sich nicht feststellen. Soweit der Kläger Schmerzen und Verkrampfungen angibt, konnte diese der Gutachter nicht objektivieren. Die vom Kläger geschilderte besondere Schwierigkeit im beruflichen Alltag führen nicht im Sinne eines "besonderen beruflichen Betroffenseins" zur Annahme eines höheren GdB, Teil A Ziffer 2 lit. b) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. 342. Der GdB für die Zuckerkrankheit ist gemäß Teil B Ziffer 15.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung (2. VersMedVÄndV) vom 14.07.2010 (BGBl. I, 928) mit 30 zu bewerten. 35Nach dieser Vorschrift gilt: 36Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0. Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20. Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40. Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50. Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen. 37Soweit der Normtext auf den Grad der Schädigungsfolgen (GdS) Bezug nimmt gilt er gemäß Teil A Ziffer 2 lit. a) für die Bemessung des GdB entsprechend (vgl. auch BSG Urteil vom 17.04.2013 - B 9 SB 3/12 R = juris Rn. 33 ff.) 38Der Kläger leidet seit Längerem unter einem Diabetes mellitus. Dieser wurde zunächst mit einer intensivierten Insulintherapie behandelt. Diese hatte nach Darstellung des Klägers u.a. eine Gewichtszunahme zur Folge. Sein behandelnder Arzt habe die Therapie zwischenzeitlich umgestellt. Er spritze nunmehr morgens 1,2 mg Victoza® subkutan und nehme darüber hinaus morgens und abends Metformin 1000. Bei Victoza® handelt es sich um eine Injektionslösung, die den Wirkstoff Liraglutid enthält und wird zusammen mit Metformin oder einem Sulfonylharnstoff bei Patienten angewendet, deren Glukosespiegel mit der höchstmöglichen Dosis Metformin oder eines Sulfonylharnstoffs allein nicht zufriedenstellend kontrolliert werden kann. Bei der Verwendung von Victoza® in Verbindung mit Metformin ist eine häufige Nebenwirkung die Unterzuckerung (vgl. zu alledem Zusammenfassung der European Medicines Agency für die Öffentlichkeit zu Victoza®, abrufbar unter http://www.ema.europa.eu/docs/de DE/ document library/EPAR - Summaryforthepublic/human/001026/WC500050013.pdf; Arzneimittelinformationen Victoza®). 39Es handelt sich bei der Therapieform des Klägers somit um eine solche, die Hypoglykämien auslösen kann. Tägliche eigene Blutzuckerkontrollen führt der Kläger nicht durch. Damit unterfällt der Kläger der oben genannten zweiten Gruppe, weswegen der GdB an sich mit 20 zutreffend bewertet wäre. Der Gutachter hat aber Hinweise auf eine beginnende, gering ausgeprägte Polyneuropathie festgestellt. Der Kläger gibt überdies an, er leide unter plötzlichem heftigen Harndrang, starken Schweißausbrüchen und schlechter, bzw. variierender Sehschärfe. Eine Objektivierung dieser geschilderten Symptome findet sich in den vorliegenden Arzt- und Befundberichten jedoch nicht. Insbesondere hat der Kläger nicht angegeben etwa in augenärztlicher Behandlung zu sein. Selbst wenn, was nicht bewiesen ist, der Kläger bedingt durch den Diabetes oder dessen Therapie unter den beschriebenen Symptomen litte, so wäre hier ein GdB von 30 nach obigen Ausführungen weiter angemessen. Ein höherer GdB kommt nach Auffassung der Kammer nicht in Betracht. 403. Der Verlust des linken Hodens ist – unter Berücksichtigung der vom Kläger ebenfalls beschriebenen beginnenden Impotentia coeundi – nach Teil B Ziffer 13.2 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit einem GdB von 10 in Ansatz zu bringen. 414. Der Kläger leidet unter einem rezidivierenden Wirbelsäulensyndrom bei statisch degenerativen Wirbelsäulenveränderungen. Dies steht für die Kammer aufgrund der in der Verwaltungsakte vorliegenden Arzt- und Befundberichte sowie den Feststellungen des Gutachters im Rahmen seiner Untersuchung fest. Die Streckung und Beugung des Kopfes wurde vom Gutachter nach der Neutral-Null-Methode mit 40/0/40, die Drehung mit 60°/0°/60° und die Seitenneigung mit 30°/0°/30° ermittelt. Diese Werte sind weitgehend altersentsprechend und normgerecht (vgl. dazu etwa Schünke, Topographie und Funktion des Bewegungssystems, 2000, S. 148 ff.). Für den Bereich der Lenden- und Brustwirbelsäule hat der Gutachter einen Finger-Boden-Abstand von 10 cm ermittelt. Das Schober-Maß wurde mit 10/16 cm gemessen (vgl. zu den Werten nach Schober Wülker (Hrsg.), Orthopädie und Unfallchirurgie, 2. Aufl. 2010, S. 224). Die Rotation des Rumpfes bei feststehendem Becken gelang beidseits beim Kläger mit 40°. Der Muskeltonus wird insgesamt als normal beschrieben. Der Langsitz auf der Liege war ohne erkennbare schmerzbedingte Ausweichbewegungen möglich. Hierbei flacht sich die Lordose der Lendenwirbelsäule nach den Feststellungen des Gutachters deutlich ab. Das Zeichen nach Lasègue ist beidseits negativ. Die Wirbelsäule weist eine Seitenausbiegung auf. Die jedoch nicht als deutlich zu klassifizieren ist. Insgesamt ist hier von leichten funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt auszugehen, welche nach Teil B Ziffer 18.9 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen GdB von 10 bedingen. 425. Der Gutachter beschreibt beim Kläger, dass eine deutliche Krampfaderbildung nicht auffällt. Krampfadern liegen damit, wenngleich auch nach Einschätzung des Gutachters nicht deutlich, vor. Diese sind gemäß Teil B Ziffer 9.2.3 als unkomplizierte Krampfadern mit einem GdB von höchstens 10 in Ansatz zu bringen. Durch die vorgenommenen Lymphdrainagen kommt es nach Darstellung des Klägers auch insoweit zu einer Besserung. 43Auf der Grundlage der genannten Einzel-GdB-Werte ist bei dem Kläger für den streitbefangenen Zeitraum nach § 69 Abs. 3 SGB IX in Verbindung mit Teil A Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein Gesamt-GdB von 60 zu bilden. 44§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX schreibt vor, bei Vorliegen mehrerer Teilhabebeeinträchtigungen den Grad der Behinderungen nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzusetzen. Der maßgebliche Gesamt-GdB ergibt sich dabei aus der Zusammenschau aller Funktionsbeeinträchtigungen. Er ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigengutachten sowie der versorgungsmedizinischen Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung nach natürlicher, wirklichkeitsorientierter und funktionaler Betrachtungsweise festzustellen (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 42 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 9/97 R = juris Rn. 10 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (BSG Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 4/10 R = juris). 45Im vorliegenden Fall bestehen vor die mit der Entfernung des Weichteiltumors einhergehenden Beeinträchtigungen mit einem GdB von 50 im Vordergrund. Daneben ist erhöhend der GdB für den Diabetes zu berücksichtigen. Die übrigen Beeinträchtigungen, sofern sie entsprechend den Vorgaben der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit einem GdB von 10 zu bewerten sind, nehmen in der Regel an der Bildung des Gesamt-GdB nicht teil Ausnahmen, die im vorliegenden Fall eine Berücksichtigung gleichwohl erforderlich machten, liegen nicht vor. Insgesamt ist der GdB des Klägers daher mit 60 zu bewerten. Die Feststellung eines höheren GdB kommt nach Auffassung der Kammer beim Kläger derzeit nicht in Betracht. 46Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. | die klage wird abgewiesen. kosten sind nicht zu erstatten. 1 | 2zwischen den beteiligten ist die höhe des grades der behinderung (gdb) streitig. mit bescheid vom 00.00.0000 stellte der kreis aachen bei dem am 00.00.0000 geborenen kläger aufgrund eines diabetes mellitus, des verlusts des linken hodens und einer funktionsstörung der wirbelsäule einen gdb von 30 fest. 3am 00.00.0000 stellte der kläger einen änderungsantrag beim beklagten. hierbei gab er an, er leide unter einem liposarkom klassifizierung pt2b, g3. dem antrag beigefügt war ein arztbericht des st.-b. -hospitals f. vom 00.00.0000 sowie eine pathologisch-anatomische begutachtung durch die institut und praxisgemeinschaft für pathologie des krankenhauses e. gem. gmbh vom 00.00.0000. 4diese berichte wertete der beklagte durch seinen ärztlichen dienst aus und kam zu der einschätzung aufgrund der erkrankung des weichteilgewebes sei ein einzel-gdb von 50, aufgrund der zuckerkrankheit ein einzel-gdb von 30, aufgrund des verlustes des linken hodens ein einzel-gdb von 10 und aufgrund einer funktionsstörung der wirbelsäule ein einzel-gdb von 10 in ansatz zu bringen. insgesamt sei der gdb mit 60 zu bewerten. 5mit bescheid vom 00.00.0000 stellte der beklagte daraufhin einen gdb von 60 fest. hiergegen legte der kläger am 00.00.0000 widerspruch mit der begründung ein, er halte den gdb für zu niedrig. am gleichen tag stellte der kläger einen änderungsantrag. 6mit widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 wies die bezirksregierung n. den widerspruch als unbegründet zurück. 7am 00.00.0000 hat der kläger klage erhoben. er hat ausgeführt, der aktuelle gdb von 60 sei zu niedrig. es sei schon zuvor wegen seines diabetes ein gdb von 30 festgestellt worden. hinzugekommen sei nun eine krebserkrankung, die ihrerseits schon einen gdb von 50 bedinge. 8das gericht hat beweis erhoben durch einholung eines gutachtens des facharztes für innere medizin und rehabilitationsmedizin, chefarzt der rehaklinik an der rosenquelle, dr. k ... 9mit schriftsatz vom 00.00.0000 hat der kläger ausgeführt, er halte einen internisten nicht für kompetent, die onkologischen fakten einer seltenen systemerkrankung zu beurteilen. er kenne einen aktuellen fall von systemerkrankung, in dem der gdb allein für die systemerkrankung mit 70 festgestellt worden sei. er habe erhebliche schmerzen und funktionale beeinträchtigungen aufgrund der wiederholten operationen am rechten oberschenkel. er halte die beschreibungen des gutachters hinsichtlich der op-narben und der muskelminderung für grob unkorrekt. es mangele an der würdigung des op-bedingt fehlenden muskelfleisches. auch habe der gutachter zur zuckererkrankung nur oberflächlich und seines erachtens falsch stellung bezogen. soweit der gutachter sich zu selbstwertgefühl und selbstsicherheit äußere seien dies spekulationen. wenn der gutachter keine probleme der beweglichkeit attestiere, so habe er nicht richtig hingesehen. auch sei die beschreibung, die wirbelsäule bilde kein hohlkreuz falsch. er könne nur durch regelmäßigen sport u.a. permanente krämpfe vermeiden. auch im hinblick auf die feststellungen zu den krampfadern sei das gutachten unzutreffend. er habe auch vermehrte wasseransammlungen im rechten bein, oberschenkel bis zum knie. grund hierfür dürfte die bestrahlung mit 60 gray sein. er halte das gesamte gutachten für oberflächlich und unkorrekt. auch sei er mit der art und weise der begutachtung nicht einverstanden. diese sei nach bundeswehrmanier einschließlich "stillgestanden, augen rechts, die augen links" erfolgt. 10der sachverständige hat daraufhin schriftlich erklärt, er bleibe bei seiner einschätzung im gutachten. es liege zwar ein muskelverlust vor, dieser wirke sich aber im ablauf des täglichen lebens nicht gravierend aus. dies habe seine untersuchung ergeben. bei der untersuchung beobachte er die probanden auch in vermeintlich unbeobachteten momenten. die bewegungsausmaße habe er im gutachten beschrieben. von "stillgestanden, augen rechts, die augen links" könne keine rede sein. er fordere die probanden aber auf, den kopf nach rechts oder links zu drehen. die bewertung der zuckerkrankheit sei anhand der aktuellen versorgungsmedizinischen grundsätze erfolgt. 11im rahmen der mündlichen verhandlung hat der kläger mitgeteilt, er sei seit mai oder juni 0000 in behandlung wegen problemen der oberschenkelmuskulatur. er nehme lymphdrainagen in anspruch. nach den ersten sechs behandlungen habe sich ein gutes ergebnis eingestellt. es sei zu abschwellungen des oberschenkels sowie zu einer besserung der krampfadern am knie gekommen. 12der kläger beantragt, 13den beklagten unter abänderung des bescheides vom 00.00.0000 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 00.00.0000 zu verurteilen, bei ihm ab dem 00.00.0000 einen gdb von mehr als 60 festzustellen. 14der beklagte beantragt, 15die klage abzuweisen. 16zur begründung wiederholt und vertieft er sein vorbringen aus dem verwaltungsverfahren und nimmt bezug auf die ausführungen seines ärztlichen beraters und des gutachters dr. k ... 17wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die beigezogene verwaltungsakte des beklagten sowie die gerichtsakte bezug genommen, deren wesentlicher inhalt gegenstand der mündlichen verhandlung gewesen ist. 18 | 19i. 20die klage ist zulässig, insbesondere richtet sie sich gegen den richtigen klagegegner. 21durch § 1 abs. 1, § 2 abs. 1 des gesetzes zur eingliederung der versorgungsämter in die allgemeine verwaltung des landes nordrhein-westfalen – eingliederungsgesetz - (art. 1 abschnitt i des zweiten gesetzes zur straffung der behördenstruktur in nordrhein-westfalen vom 30.10.2007, gv. nrw s. 482 – straffungsgesetz –) hat der landesgesetzgeber die den versorgungsämtern nach §§ 69 und 145 sgb des neunten buches des sozialgesetzbuches - rehabilitation und teilhabe behinderter menschen – (sgb ix) zugewiesenen aufgaben in zulässiger weise mit wirkung vom 01.01.2008 auf die kreise und kreisfreien städte übertragen (vgl. dazu landessozialgericht – lsg - nordrhein-westfalen urteil vom 12.02.2008 - l 6 sb 101/06; lsg nordrhein-westfalen urteil vom 05.03.2008 - l 10 sb 40/06; zur anwendung des behördenprinzips in nordrhein-westfalen bei sozialgerichtlichen streitigkeiten, vgl. bundessozialgericht – bsg – urteil vom 24.03.2009, b 9 so 29/07 r). die zuständigkeit der bezirksregierung münster zur entscheidung über den widerspruch ergibt sich aus § 2 abs. 2 satz 2 eingliederungsgesetz in der fassung des änderungsgesetzes vom 25.10.2011 (gv. nrw s. 542; vgl. dazu auch lsg nrw beschluss vom 16.01.2012 – l 10 sb 197/11 = juris rn. 16; lsg nrw urteil vom 6.12.2009 - l 10 sb 39/09 = juris rn. 23 ff.). 22ii. 23die klage ist jedoch unbegründet. der kläger ist durch die angefochtenen bescheide im sinne des § 54 abs. 2 sgg nicht beschwert, da die angefochtenen bescheide rechtmäßig sind. dem kläger steht derzeit kein höherer gdb als 60 zu. 24nach § 2 sgb ix sind menschen behindert, wenn ihre körperliche funktion oder geistige fähigkeit oder seelische gesundheit mit hoher wahrscheinlichkeit länger als sechs monate von dem für das lebensalter typischen zustand abweicht und daher ihre teilhabe am leben der gesellschaft beeinträchtigt ist. gemäß § 69 abs. 1 satz 4 sgb ix werden die auswirkungen auf die teilhabe am leben in der gesellschaft als grad der behinderung nach 10er graden abgestuft dargestellt. bei dem vorliegen mehrerer beeinträchtigungen der teilhabe am leben in der gesellschaft wird nach § 69 abs. 3 sgb ix der gdb nach den auswirkungen der beeinträchtigungen in ihrer gesamtheit unter berücksichtigung ihrer wechselseitigen beziehungen festgestellt. 25die bemessung des gesamt-gdb hat dabei in mehreren schritten zu erfolgen und ist tatrichterliche aufgabe (bsg beschluss vom 09.12.2010 – b 9 sb 35/10 b = juris rn. 5 m.w.n.; lsg nordrhein-westfalen urteil vom 29.06.2012 – l 13 sb 127/11 = juris rn. 32). 26zunächst sind unter heranziehung ärztlichen fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden gesundheitsstörungen im sinn von regelwidrigen, von der norm abweichenden zuständen gemäß § 2 abs. 1 sgb ix und die daraus ableitenden teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. sodann sind diese den in den versorgungsmedizinischen grundsätzen genannten funktionssystemen zuzuordnen und mit einem einzel-gdb zu bewerten. schließlich ist unter berücksichtigung der wechselseitigen beziehungen in einer gesamtschau der gesamt-gdb zu bilden (bsg urteil vom 30.09.2009 – b 9 sb 4/08 r = juris rn. 18 m.w.n.; lsg nordrhein-westfalen urteil vom 29.06.2012 – l 13 sb 127/11 = juris rn. 32). 27nach teil a ziffer 3 der anlage zu § 2 der aufgrund § 30 abs. 17 bundesversorgungsgesetzes (bvg) erlassenen verordnung zur durchführung des § 1 abs. 1 und 3, des § 30 abs. 1 und des § 35 abs. 1 bvg (bgbl. i 2008, s. 2412 - versorgungsmedizin-verordnung) vom 10.12.2008 (versorgungsmedizinische grundsätze), die wegen § 69 abs. 1, satz 4 sgb ix auch im schwerbehindertenrecht zur anwendung kommt, sind zur ermittlung des gesamtgrades der behinderung rechnerische methoden, insbesondere eine addition der einzelgrade der behinderung, nicht zulässig. vielmehr ist bei der beurteilung des gesamtgrades der behinderung in der regel von der funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten einzelgrad der behinderung bedingt und dann im hinblick auf alle weiteren funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das ausmaß der behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren funktionsbeeinträchtigungen dem ersten grad der behinderung 10 oder 20 oder mehr punkte hinzuzufügen sind, um der behinderung insgesamt gerecht zu werden. hierbei ist gemäß teil a ziffer 3 lit. d) ee) der versorgungsmedizinischen grundsätze zu beachten, dass leichtere gesundheitsstörungen mit einem einzelgrad der behinderung von 10 nicht zu einer erhöhung des gesamtgrades der behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren behinderungen kumulativ nebeneinander vorliegen. auch bei leiden mit einem einzelgrad der behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine zunahme des gesamtausmaßes der behinderung zu schließen. 28schließlich sind bei der festlegung des gesamt-gdb zudem die auswirkungen im konkreten fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den versorgungsmedizinischen grundsätzen feste gdb-werte angegeben sind (bsg urteil vom 02.12.2010 –b 9 sb 4/10 r = juris rn. 25; vgl. auch teil a ziffer 3 lit. b) versorgungsmedizinische grundsätze). 29der kläger leidet zum zeitpunkt der letzten mündlichen verhandlung unter 30(1.) einer erkrankung des weichteilgewebes (2.) zuckerkrankheit (3.) verlust des linken hodens (4.) funktionsstörung der wirbelsäule (5.) krampfadern 31das vorliegen dieser gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach auffassung der kammer aufgrund der im verwaltungs- und klageverfahren eingeholten befund- und arztberichte sowie des gutachtens des herrn dr. k. fest. 32das gutachten beruht auf umfangreichen untersuchungen, die von einem erfahrenen medizinischen gutachter unter einsatz von diversen hilfsmitteln durchgeführt worden sind. soweit der kläger dem gutachter vorwirft, er habe ihn bei der untersuchung der körperlichen untersuchung mit militärischen befehlen "stillstehen lassen" und die kommandos "augen rechts" und "die augen links" gegeben, so glaubt die kammer dem kläger diese darstellung nicht. aus dem gutachten ist ersichtlich, dass der erfahrene gutachter im rahmen der körperlichen untersuchung eine ermittlung der beweglichkeit der wirbelsäule (halswirbelsäule und lenden-/brustwirbelsäule) nach der sog. "neutral-null-methode" vorgenommen hat. dass der kläger dies – vielleicht im zusammenhang mit dem offensichtlich im dienstzimmer befindlichen wappen einer reserveeinheit der bundeswehr, welche der gutachter angehört – als militärischen drill assoziiert hat, mag sein. es beruht aber klägerseitig auf einer völligen verkennung der ermittlungen nach der neutral-null-methode (vgl. zur neutral-null-methode etwa, wülker (hrsg.), orthopädie und unfallchirurgie, 2. aufl. 2010, s 3 ff.; dörfler/eisenmenger/wandl/lippert, medizinische gutachten, 2008, s. 72 ff.). dass die vom kläger geschilderten militärischen kommandos in diesem zusammenhang eine rolle gespielt hätten, glaubt die kammer dem kläger nicht. es stellt sich nach auffassung der kammer als bloßer versuch dar, den gutachter, mit dessen feststellungen der kläger offensichtlich nicht einverstanden ist, zu diskreditieren. auch soweit der kläger die medizinische kompetenz des gutachters anzweifelt, folgt ihm die kammer nicht. dr. k. ist als internist und rehabilitationsmediziner zum einen durchaus in der lage die beim kläger bestehende zuckererkrankung sowie die auswirkungen der krebserkrankungen zu beschreiben und auch entsprechend den versorgungsmedizinischen grundsätzen zu bewerten. dies umso mehr als ihm hierfür onkologische und pathologische unterlagen zur verfügung standen, die eine genaue diagnose geliefert haben. der kläger verkennt in diesem zusammenhang offensichtlich, dass es bei der bewertung des gdb nicht auf die diagnosen ankommt, sondern auf die auswirkungen der gesundheitlichen beeinträchtigungen. diese werden vom gutachter beschrieben – auch wenn der kläger sich mit diesen feststellungen nicht einverstanden erklärt. 331. beim kläger ist am 00.00. bzw. 00.00.0000 ein intramuskuläres myxoides und schlecht differenziertes liposarkom mit einem maximaldurchmesser von 5 cm am proximalen medialen oberschenkel entfernt worden. es wurde ein minimaler sicherheitsabstand von dorsal 2 cm, von ventral 0,9 cm, zur hauptspindel 2 cm, zum proximalen präparatausläufer 2,5 cm und zum kaudalen präparatausläufer 12 cm eingehalten. ausweislich der pathologischen untersuchung wurde der tumor allseits im gesunden entfernt. nach der tumour-node-metastasis (tnm)-klassifikation der union international contre le cancer (uicc) wurde der tumor mit pt2b g 3 beschrieben. gemäß teil b ziffer 17.13 versorgungsmedizinischen grundsätze ist der gdb hierfür – bis zum ablauf der heilungsbewährung – mit 50 zu bewerten. die kammer verkennt nicht, dass der kläger gegenüber dem gutachter und dem gericht schmerzen im bereich der operationsnarbe sowie am oberschenkel geklagt hat. so hat er ausweislich des gutachtens angegeben, er habe dort, wo die operation stattgefunden habe, ein "fremdkörpergefühl" und der oberschenkel bis hinunter zur wade täte weh, wie die vorstufe zu einem krampf. dies sei besonders unangenehm, wenn er auto fahre, wozu er beruflich häufig gezwungen sei. nach feststellungen des gutachters stellen sich die narbenverhältnisse aber unauffällig auf. auch eine beeinträchtigung des gehvermögens fiel dem gutachter nicht auf. er beschrieb, dass der kläger sich mit raumgreifenden schritten und seitengleicher belastungsphase bewegte. ein hilfsmittel benutzte der kläger bei, gehen nicht. eine besondere beeinträchtigung der gehfähigkeit war auch für die kammer nicht augenscheinlich. die kammer verkennt nicht, dass beim kläger mit dem tumor auch gesundes haut- und muskelgewebe mit entfernt worden ist. der gutachter beschreibt auch eine geringe umschriebene muskelminderung im bereich der operationsnarbe. der kläger hat im rahmen der mündlichen verhandlung ausgeführt, die muskelminderung sei erheblich und die schmerzen seien ebenfalls vorhanden, was zu einem höheren gdb führen müsse. er führte aus, dass er wegen des beins und der schmerzen seit einiger zeit in behandlung sei, es würden lymphdrainagen gemacht. dies führe zu einer besserung der symptomatik. nach einschätzung der kammer ist der gdb unter berücksichtigung der objektivierbaren beschwerden des klägers mit 50 zutreffend bewertet. die mit der entfernung des tumors verbundene entnahme gesunden muskelgewebes ist bei der bewertung des gdb bereits hinreichend berücksichtigt. erhebliche darüber hinausgehende beeinträchtigungen sind nicht objektiviert. insbesondere auswirkungen im gangbild ließen sich nicht feststellen. soweit der kläger schmerzen und verkrampfungen angibt, konnte diese der gutachter nicht objektivieren. die vom kläger geschilderte besondere schwierigkeit im beruflichen alltag führen nicht im sinne eines "besonderen beruflichen betroffenseins" zur annahme eines höheren gdb, teil a ziffer 2 lit. b) der versorgungsmedizinischen grundsätze. 342. der gdb für die zuckerkrankheit ist gemäß teil b ziffer 15.1 der versorgungsmedizinischen grundsätze in der fassung der zweiten verordnung zur änderung der versorgungsmedizin-verordnung (2. versmedvändv) vom 14.07.2010 (bgbl. i, 928) mit 30 zu bewerten. 35nach dieser vorschrift gilt: 36die an diabetes erkrankten menschen, deren therapie regelhaft keine hypoglykämie auslösen kann und die somit in der lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den therapieaufwand keine teilhabebeeinträchtigung, die die feststellung eines gds rechtfertigt. der gds beträgt 0. die an diabetes erkrankten menschen, deren therapie eine hypoglykämie auslösen kann und die durch einschnitte in der lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den therapieaufwand eine signifikante teilhabebeeinträchtigung. der gds beträgt 20. die an diabetes erkrankten menschen, deren therapie eine hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte überprüfung des blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere einschnitte in der lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach ausmaß des therapieaufwands und der güte der stoffwechseleinstellung eine stärkere teilhabebeeinträchtigung. der gds beträgt 30 bis 40. die an diabetes erkrankten menschen, die eine insulintherapie mit täglich mindestens vier insulininjektionen durchführen, wobei die insulindosis in abhängigkeit vom aktuellen blutzucker, der folgenden mahlzeit und der körperlichen belastung selbstständig variiert werden muss, und durch erhebliche einschnitte gravierend in der lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf grund dieses therapieaufwands eine ausgeprägte teilhabebeeinträchtigung. die blutzuckerselbstmessungen und insulindosen (beziehungsweise insulingaben über die insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. der gds beträgt 50. außergewöhnlich schwer regulierbare stoffwechsellagen können jeweils höhere gds-werte bedingen. 37soweit der normtext auf den grad der schädigungsfolgen (gds) bezug nimmt gilt er gemäß teil a ziffer 2 lit. a) für die bemessung des gdb entsprechend (vgl. auch bsg urteil vom 17.04.2013 - b 9 sb 3/12 r = juris rn. 33 ff.) 38der kläger leidet seit längerem unter einem diabetes mellitus. dieser wurde zunächst mit einer intensivierten insulintherapie behandelt. diese hatte nach darstellung des klägers u.a. eine gewichtszunahme zur folge. sein behandelnder arzt habe die therapie zwischenzeitlich umgestellt. er spritze nunmehr morgens 1,2 mg victoza® subkutan und nehme darüber hinaus morgens und abends metformin 1000. bei victoza® handelt es sich um eine injektionslösung, die den wirkstoff liraglutid enthält und wird zusammen mit metformin oder einem sulfonylharnstoff bei patienten angewendet, deren glukosespiegel mit der höchstmöglichen dosis metformin oder eines sulfonylharnstoffs allein nicht zufriedenstellend kontrolliert werden kann. bei der verwendung von victoza® in verbindung mit metformin ist eine häufige nebenwirkung die unterzuckerung (vgl. zu alledem zusammenfassung der european medicines agency für die öffentlichkeit zu victoza®, abrufbar unter http://www.ema.europa.eu/docs/de de/ document library/epar - summaryforthepublic/human/001026/wc500050013.pdf; arzneimittelinformationen victoza®). 39es handelt sich bei der therapieform des klägers somit um eine solche, die hypoglykämien auslösen kann. tägliche eigene blutzuckerkontrollen führt der kläger nicht durch. damit unterfällt der kläger der oben genannten zweiten gruppe, weswegen der gdb an sich mit 20 zutreffend bewertet wäre. der gutachter hat aber hinweise auf eine beginnende, gering ausgeprägte polyneuropathie festgestellt. der kläger gibt überdies an, er leide unter plötzlichem heftigen harndrang, starken schweißausbrüchen und schlechter, bzw. variierender sehschärfe. eine objektivierung dieser geschilderten symptome findet sich in den vorliegenden arzt- und befundberichten jedoch nicht. insbesondere hat der kläger nicht angegeben etwa in augenärztlicher behandlung zu sein. selbst wenn, was nicht bewiesen ist, der kläger bedingt durch den diabetes oder dessen therapie unter den beschriebenen symptomen litte, so wäre hier ein gdb von 30 nach obigen ausführungen weiter angemessen. ein höherer gdb kommt nach auffassung der kammer nicht in betracht. 403. der verlust des linken hodens ist – unter berücksichtigung der vom kläger ebenfalls beschriebenen beginnenden impotentia coeundi – nach teil b ziffer 13.2 der versorgungsmedizinischen grundsätze mit einem gdb von 10 in ansatz zu bringen. 414. der kläger leidet unter einem rezidivierenden wirbelsäulensyndrom bei statisch degenerativen wirbelsäulenveränderungen. dies steht für die kammer aufgrund der in der verwaltungsakte vorliegenden arzt- und befundberichte sowie den feststellungen des gutachters im rahmen seiner untersuchung fest. die streckung und beugung des kopfes wurde vom gutachter nach der neutral-null-methode mit 40/0/40, die drehung mit 60°/0°/60° und die seitenneigung mit 30°/0°/30° ermittelt. diese werte sind weitgehend altersentsprechend und normgerecht (vgl. dazu etwa schünke, topographie und funktion des bewegungssystems, 2000, s. 148 ff.). für den bereich der lenden- und brustwirbelsäule hat der gutachter einen finger-boden-abstand von 10 cm ermittelt. das schober-maß wurde mit 10/16 cm gemessen (vgl. zu den werten nach schober wülker (hrsg.), orthopädie und unfallchirurgie, 2. aufl. 2010, s. 224). die rotation des rumpfes bei feststehendem becken gelang beidseits beim kläger mit 40°. der muskeltonus wird insgesamt als normal beschrieben. der langsitz auf der liege war ohne erkennbare schmerzbedingte ausweichbewegungen möglich. hierbei flacht sich die lordose der lendenwirbelsäule nach den feststellungen des gutachters deutlich ab. das zeichen nach lasègue ist beidseits negativ. die wirbelsäule weist eine seitenausbiegung auf. die jedoch nicht als deutlich zu klassifizieren ist. insgesamt ist hier von leichten funktionellen auswirkungen in einem wirbelsäulenabschnitt auszugehen, welche nach teil b ziffer 18.9 der versorgungsmedizinischen grundsätze einen gdb von 10 bedingen. 425. der gutachter beschreibt beim kläger, dass eine deutliche krampfaderbildung nicht auffällt. krampfadern liegen damit, wenngleich auch nach einschätzung des gutachters nicht deutlich, vor. diese sind gemäß teil b ziffer 9.2.3 als unkomplizierte krampfadern mit einem gdb von höchstens 10 in ansatz zu bringen. durch die vorgenommenen lymphdrainagen kommt es nach darstellung des klägers auch insoweit zu einer besserung. 43auf der grundlage der genannten einzel-gdb-werte ist bei dem kläger für den streitbefangenen zeitraum nach § 69 abs. 3 sgb ix in verbindung mit teil a nr. 3 der versorgungsmedizinischen grundsätze ein gesamt-gdb von 60 zu bilden. 44§ 69 abs. 3 satz 1 sgb ix schreibt vor, bei vorliegen mehrerer teilhabebeeinträchtigungen den grad der behinderungen nach den auswirkungen der beeinträchtigungen in ihrer gesamtheit unter berücksichtigung ihrer wechselseitigen beziehungen festzusetzen. der maßgebliche gesamt-gdb ergibt sich dabei aus der zusammenschau aller funktionsbeeinträchtigungen. er ist nicht nach starren beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher erfahrung unter hinzuziehung der sachverständigengutachten sowie der versorgungsmedizinischen grundsätze in freier richterlicher beweiswürdigung nach natürlicher, wirklichkeitsorientierter und funktionaler betrachtungsweise festzustellen (lsg nordrhein-westfalen urteil vom 29.06.2012 – l 13 sb 127/11 = juris rn. 42 unter bezugnahme auf bsg urteil vom 11.03.1998 - b 9 sb 9/97 r = juris rn. 10 m.w.n.). dabei ist zu berücksichtigen, ob die auswirkungen der einzelnen beeinträchtigungen ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (bsg urteil vom 02.12.2010 - b 9 sb 4/10 r = juris). 45im vorliegenden fall bestehen vor die mit der entfernung des weichteiltumors einhergehenden beeinträchtigungen mit einem gdb von 50 im vordergrund. daneben ist erhöhend der gdb für den diabetes zu berücksichtigen. die übrigen beeinträchtigungen, sofern sie entsprechend den vorgaben der versorgungsmedizinischen grundsätze mit einem gdb von 10 zu bewerten sind, nehmen in der regel an der bildung des gesamt-gdb nicht teil ausnahmen, die im vorliegenden fall eine berücksichtigung gleichwohl erforderlich machten, liegen nicht vor. insgesamt ist der gdb des klägers daher mit 60 zu bewerten. die feststellung eines höheren gdb kommt nach auffassung der kammer beim kläger derzeit nicht in betracht. 46die kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 sgg. | Verklagte*r | 0 |
169,469 | 14 A 759/13 | 2014-11-11T00:00:00 | Urteil | Tenor Das angegriffene Urteil wird bis auf die Verfahrenseinstellung geändert. Die Haftungsbescheide der Beklagten vom 2. März 2011 werden aufgehoben, soweit die Kläger hierdurch als Haftungsschuldner für die auf das Jahr 2008 bezogene Gewerbesteuervorauszahlung der vormaligen T. GmbH in Höhe von 79.868,80 Euro in Anspruch genommen werden. Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen bis zur (Teil-)Rücknahme der Klage mit Schriftsatz vom 24. Januar 2013 die Kläger zu drei Fünfteln, die Beklagte zu zwei Fünfteln; für die Zeit danach trägt die Beklagte die erstinstanzlichen Kosten. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Kläger waren bis zu ihrer Abberufung am 15. Januar 2009 jeweils alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der nach Insolvenzanmeldung im Juni 2009 und Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Juli 2010 im Handelsregister gelöschten Firma T. GmbH, C. , vormals vor Veräußerung, Umfirmierung und Sitzverlegung handelnd unter der Firma V. GmbH mit Sitz in N. . Ab dem 15. Januar 2009 waren Herr W. , Dubai, Geschäftsführer, in der Zeit vom 18. März 2009 bis zum 22. Juni 2009 auch Herr Dr. C1. . 3Das Finanzamt N. setzte mit Bescheiden vom 26. April 2006 (für das Steuerjahr 2003), vom 9. November 2007 (für das Steuerjahr 2004) und vom 25. März 2008 (für das Steuerjahr 2005) die für die V. GmbH geltenden Gewerbesteuermessbeträge im Wege der Schätzung fest, nachdem trotz entsprechender Aufforderungen keine Steuererklärungen abgegeben worden waren. Zudem setzte das Finanzamt unter dem 27. September 2006 den Gewerbesteuermessbetrag für Vorauszahlungszwecke ab 2005 auf 3.555 Euro und unter dem 9. November 2007 ab 2007 auf 1.990,00 Euro fest. Die Beklagte setzte daraufhin mit Steuerbescheid vom 27. September 2006 u. a. die für das Jahr 2006 und nachfolgend zu entrichtenden Gewerbesteuervorauszahlungen auf der Basis eines Messbetrages von 3.555 Euro fest. Mit Bescheid vom 22. November 2007 senkte Beklagte die Vorauszahlungen ab 2007 auf der Basis eines Messbetrags von 1.990,00 Euro. 4Unter dem 27. August 2008 setzte das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag für 2006 auf 16.955 Euro fest. Die Beklagte setzte darauf datumsgleich die Gewerbesteuer 2006 und das Vorauszahlungssoll ab 2008 fest, und zwar letzteres unverändert auf der Basis eines Messbetrags von 1.990,00 Euro. 5Mit Vorweganforderung an die steuerlich beratene V. GmbH vom 9. Mai 2008 forderte das Finanzamt N. diese auf, die Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2007 bis zum 29. August 2008 abzugeben, weil in der Vergangenheit Steuererklärungen nicht oder erheblich verspätet abgegeben worden waren. Die Steuerberater beantragten daraufhin unter dem 23. Dezember 2008 - mithin nach Fristablauf - ausnahmsweise mit Blick auf steuerliche Neuregelungen, Mandantenzuwächse und neu einzuarbeitende Mitarbeiter Fristverlängerung bis zum 30. Januar 2009. Das Finanzamt lehnte den Verlängerungsantrag mit Schreiben vom 6. Januar 2009 ab. Falls die Steuererklärung bis spätestens 3. Februar 2009 vorliege, werde ausnahmsweise von der Festsetzung von Verspätungszuschlägen abgesehen. Auch bis zu diesem Zeitpunkt wurde keine Steuererklärung abgegeben. 6Nachdem die Gewerbesteuererklärung für das Steuerjahr 2007 letztlich am 22. Juni 2009 abgegeben worden war, setzte das Finanzamt N. den Gewerbesteuermessbetrag der (nunmehr) T. GmbH ‑ als Inhaber des Handelsgewerbes mit einem oder mehreren still beteiligten Gesellschaftern - für das Steuerjahr 2007 mit Bescheid vom 2. September 2009 auf 26.840,00 Euro fest. Zugleich erfolgte die Bestimmung eines Verspätungszuschlags. Die Beklagte veranlagte daraufhin mit Steuerbescheid gleichen Datums die T. GmbH zur Gewerbesteuer 2007 in Höhe von nunmehr 118.096,00 Euro; zugleich wurden Nachzahlungszinsen für 2007 in Höhe von 2.732,00 Euro und ein Verspätungszuschlag von 500,00 Euro festgesetzt. Schließlich bestimmte die Beklagte auf der Grundlage des für 2007 festgesetzten Messbetrages (26.840,00 Euro) die für 2008 zu zahlende Vorausleistung in Höhe von 109.340,00 Euro. Der Gesamtbetrag wurde zum 7. Oktober 2009 fällig gestellt. Eine Zahlung erfolgte, zumal im Juni 2009 das vorläufige Insolvenzverfahren eingeleitet worden war, auch in der Folgezeit nicht. 7Im März 2010 trat die Beklagte in die Überprüfung etwaiger Haftungsansprüche ein. Das Finanzamt wurde um Auskünfte ersucht. Die Kläger wurden unter dem 3. Mai 2010 jeweils zu einer Inanspruchnahme durch Haftung angehört. Die Kläger äußerten sich durch Schreiben ihrer Steuerberatung vom 31. Mai 2010 und führten u.a. aus, eine Kausalität zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung und einem steuerlichen Schaden fehle. In der Zeit ihrer Geschäftsführung sei die Gesellschaft jederzeit in der Lage gewesen, ihre auch steuerlichen Verbindlichkeiten zu begleichen. 8Mit Haftungsbescheiden vom 2. März 2011, denen jeweils eine Zahlungsaufforderung beigefügt worden war, nahm die Beklagte die Kläger des vorliegenden Verfahrens und die weiteren früheren Geschäftsführer jeweils in Höhe von insgesamt 192.440,80 Euro, nämlich für die Gewerbesteuern 2007, die Nachforderungszinsen 2007, den Verspätungszuschlag 2007 sowie für die Gewerbesteuervorauszahlung 2008 - diese im Umfang von 79.868,80 Euro - in Anspruch. 9Die Kläger haben gegen die sie betreffenden Haftungsbescheide am 4. April 2011 Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2013 haben die Kläger die Klage, soweit sie sich gegen ihre Haftungsinanspruchnahme für Gewerbesteuern, Zinsen und den Verspätungszuschlag, jeweils bezogen auf das Steuerjahr 2007, gerichtet hat, zurückgenommen. 10Zur Begründung haben sie ausgeführt: Ihre Inanspruchnahme als Haftungsschuldner für Gewerbesteuervorauszahlungen des Jahres 2008 im Umfang von 79.868,80 Euro sei rechtswidrig. Es fehle an der von der Beklagten angenommenen Kausalität zwischen der verspäteten Abgabe der Gewerbesteuererklärung 2007 und dem Schaden, den diese wegen nicht in voller Höhe beigetriebener Gewerbesteuervorauszahlungen für das Jahr 2008 sehe. Ob die Beklagte bei einer pflichtgemäßen Abgabe der Steuererklärung 2007 zeitnah entsprechende Vorauszahlungen für das Jahr 2008 festgesetzt hätte, sei lediglich hypothetisch. 11Die Kläger haben beantragt, 12die Haftungsbescheide der Beklagten vom 2. März 2011, soweit sie - die Kläger - hierdurch als Haftungsschuldner für die auf das Jahr 2008 bezogene Gewerbesteuervorauszahlung der vormaligen T. GmbH in Höhe von 79.868,80 Euro in Anspruch genommen werden, aufzuheben. 13Die Beklagte hat beantragt, 14die Klage abzuweisen. 15Sie ist der Klage entgegengetreten und hat die Haftungsbescheide, soweit diese noch angegriffen worden sind, als rechtmäßig verteidigt. 16Durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht das erstinstanzliche Verfahren insoweit eingestellt, als die Klage zurückgenommen worden war. Im Übrigen hat es die weitergehende Klage abgewiesen. 17Auf Antrag der Kläger hat der Senat mit Beschluss vom 5. Juni 2014 die Berufung zugelassen. 18Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor: Zwar sei die Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2007 nicht innerhalb der von der Finanzverwaltung gesetzten Frist eingereicht worden. Dies sei jedoch nicht kausal für den geltend gemachten Haftungsschaden in Form der erst am 2. September 2009 und damit nach Stellung des Insolvenzantrages erfolgten Festsetzung der Erhöhung der bereits mit Bescheid vom 22. November 2007 erstmalig festgesetzten und seit dem nicht mehr angepassten Gewerbesteuervorauszahlung für das Jahr 2008 geworden. Entscheidend sei die Frage, ob bei Abgabe der Gewerbesteuererklärung für den Erhebungszeitraum 2007 bis zum 29. August 2008 und die Veranlagung durch das Finanzamt die Beklagte die Gewerbesteuervorauszahlung für das Jahr 2008 ebenfalls entsprechend erhöht hätte und die T. GmbH zu diesem Zeitpunkt auch noch die erforderlichen Mittel zur Begleichung des Betrages in Höhe von 79.868,80 Euro zur Verfügung gehabt hätte. Zweifel an der Kausalität bestünden bereits in tatsächlicher Hinsicht. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil ergebe die Auswertung der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge, dass diese in dem gesamten in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten Besteuerungszeiträumen ab dem Jahr 2003 nicht nur datumsgleich den jeweils vom Finanzamt bestimmten Gewerbesteuermaßbetrag den jeweiligen Jahresveranlagungen zugrunde gelegt habe, sondern ebenso, dass die Beklagte die zu leistenden Vorauszahlungen im Betrag exakt der Steuer angepasst habe, die sich für den Erhebungszeitraum auf der Grundlage ergangener Messbetragsfestsetzungen voraussichtlich ergeben würden. Dies sei jedoch gerade nicht der Fall. Da im Rahmen der drei im Jahr 2008 durchgeführten Gewerbesteuerveranlagungen entgegen den Annahmen des Verwaltungsgerichts keine Anpassung der Vorauszahlung entsprechend den Festsetzungen der jeweiligen Jahressteuer vorgenommen worden sei, sei nicht ersichtlich, inwiefern ohne Zweifel davon ausgegangen werden könne, dass die Vorauszahlungen für das Jahr 2008, obwohl nach Festsetzung der Gewerbesteuer für 2005 und 2006 nicht erhöhend angepasst, dann aber bei der Festsetzung der Gewerbesteuer 2007 im Jahr 2008 erhöht worden wären. 19Die Kläger beantragen, 20das angegriffene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu entscheiden. 21Die Beklagte beantragt, 22die Berufung zurückzuweisen, 23und führt zur Begründung aus: Die für die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner erforderliche Kausalität zwischen Pflichtverletzung und eingetretenem Schaden liege vor. Aufgrund der verspäteten Abgabe der bereits zum 29. August 2008 angeforderten Gewerbesteuererklärung 2007 erst durch den späteren Geschäftsführer Dr. C1. am 22. Juni 2009 sei ihr zeitlich eine frühere Anpassung der Vorauszahlung für 2008 nicht möglich gewesen. Das Pflichtversäumnis für die rechtzeitige Abgabe der Steuererklärung in 2008 habe allein bei den Klägern gelegen. Die Gewerbesteuererklärung sei vom Finanzamt N. vorzeitig wegen des schlechten Abgabeverhaltens der Kläger angefordert worden. Diese hätten auch in den Vorjahren trotz Aufforderung Steuererklärungen nicht oder nicht rechtzeitig abgegeben. Die Festsetzung des Messbetrages sei daher auch in den Vorjahren aufgrund einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erfolgt. Den Klägern sei somit bekannt gewesen, dass auch die Anforderung der Vorauszahlungen auf die Gewerbesteuer der jeweiligen Folgejahre nur aufgrund einer Schätzung mangels Abgabe von Steuererklärungen durchgeführt habe werden können. Insoweit könnten sich die Kläger nun nicht auf einen hypothetischen Kausalverlauf und damit den Ausschluss ihrer Haftung für die aufgrund der Schätzung ermittelten Vorauszahlungen berufen. Da nach eigenem Vortrag der Kläger im Jahr 2008 noch ausreichende liquide Mittel der T. GmbH zur Verfügung gestanden hätten, hätten bei rechtzeitiger Abgabe der Steuererklärung alle Gewerbesteuern für 2007 und die Vorauszahlung für 2008 gezahlt werden können. 24Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. 25Entscheidungsgründe: 26Die Berufung ist zulässig und begründet. 27Die Haftungsbescheide der Beklagten vom 2. März 2011, sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). 28Die Beklagte hat die Kläger als vormalige Geschäftsführer (vgl. §§ 69 Satz 1, 37 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO - sowie § 35 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) auf der Rechtsgrundlage des § 191 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 69 Satz 1 AO hinsichtlich der im Berufungsverfahren noch im Streit stehenden Gewerbesteuervorauszahlungen für das Steuerjahr 2008 im Umfang von 79.868,80 Euro in Anspruch genommen. Indes lagen die rechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Kläger im Wege der Haftung für die infolge der Insolvenz der Firma T. GmbH nicht zu realisierenden Vorauszahlungen nicht vor. 29Zwar dürfte dem Verwaltungsgericht insoweit zu folgen sein, als es sich auf den Standpunkt gestellt hat, die Kläger hätten zumindest in grob fahrlässiger Weise ihre Pflichten als Geschäftsführer dadurch verletzt, dass sie die Gewerbesteuererklärung für das Steuerjahr 2007 entgegen der vom Finanzamt N. bestimmten Frist bis zum 29. August 2008 nicht abgegeben haben. Dem haben auch die Kläger letztlich insoweit Rechnung getragen, als sie bereits im erstinstanzlichen Verfahren die Klage bezüglich der Haftungsforderung der Beklagten im Hinblick auf die Gewerbesteuer für das Jahr 2007 sowie Nachzahlungszinsen und einen Verspätungszuschlag zurückgenommen haben. 30Die Kläger vermögen sich jedoch zu Recht auf eine rechtswidrige Festsetzung der Vorauszahlungen für das Steuerjahr 2008 in Höhe von 79.868,60 Euro auf der Basis eines Messbetrages von 26.840,00 Euro durch den Bescheid der Beklagten vom 2. September 2009 zu berufen. 31Grundsätzlich stehen einem Haftungsschuldner sämtliche Einwendungen des Steuerschuldners gegen den Steueranspruch zu. 32Vgl. aus der Kommentierung nur Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Band VI, Loseblattsammlung (Stand: Oktober 2014), § 191 AO, Rn. 92, m. w. N. zur Rspr. 33Derartige Einwendungen sind den Klägern im vorliegenden Verfahren auch nicht gemäß § 166 AO abgeschnitten, wonach, sofern die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt ist, dies u.a. auch der gegen sich gelten lassen muss, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. Denn die Abberufung der Kläger als alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer erfolgte am 15. Januar 2009, während die hier in Rede stehende Vorauszahlung erst mit Bescheid vom 2. September 2009 festgesetzt worden ist. 34Diese Vorauszahlung in Form einer Anpassung infolge einer Erhöhung des Messbetrages von ursprünglich 1.990,00 Euro auf 26.840,00 Euro ist indes rechtswidrig erfolgt. Grundlage für die Erhebung der Vorauszahlungen war zunächst der Messbescheid vom 27. September 2006 in Höhe von 3.555,00 Euro betreffend Vorauszahlungen ab 2005. Mit Messbescheid vom 9. November 2007 setzte sodann das Finanzamt N. den Messbetrag für Vorauszahlungen ab dem Jahr 2007, somit für das Jahr 2007 und die Folgejahre, auf 1.990,00 Euro fest. Der Messbescheid vom 9. November 2007 ist bestandskräftig geworden. Eine Änderung des Messbetrages für Vorauszahlungen wurde in der Folgezeit nicht vorgenommen. 35Zwar eröffnet § 19 Abs.3 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG ‑, wonach die Gemeinde die Vorauszahlungen der Steuer anpassen kann, die sich für den Erhebungszeitraum (§ 14) voraussichtlich ergeben wird, grundsätzlich die Möglichkeit, die Vorauszahlungen anzupassen. Dies gilt allerdings nicht in den Fällen, in denen, wie hier, das Finanzamt einen Messbetrag betreffend die Erhebung von Vorauszahlungen festgesetzt hat. Die Berechtigung zu einer derartigen Festsetzung seitens des Finanzamts eröffnet § 19 Abs. 3 Satz 3 GewStG, wonach das Finanzamt bis zum Ende des 15. auf den Erhebungszeitraum folgenden Kalendermonats für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen den Steuermessbetrag festsetzen kann, der sich voraussichtlich ergeben wird. Nach der ausdrücklichen Regelung des § 19 Abs. 3 Satz 4 GewStG ist die Gemeinde hieran gebunden, vorliegend also an den mit Bescheid vom 9. November 2007 für Vorauszahlungszwecke ab 2007 festgesetzten Messbetrag von 1.990,00 Euro. 36Demgegenüber vermag die Beklagte nicht einzuwenden, mit der Festsetzung eines Messbetrages für die Gewerbesteuerforderung 2007 mit Messbescheid vom 2. September 2009 sei ihr für das Folgejahr die Entscheidungsbefugnis gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 GewStG eröffnet, nach ihrem Ermessen über eine Anpassung der Vorauszahlungen zu entscheiden. Die quasi "historische" Festsetzung des Messbetrages für Vorauszahlungen sei damit überholt. Eine Bindungswirkung nach § 19 Abs. 3 Satz 4 GewStG bestehe nicht mehr. 37Für ein derartig beschränktes Verständnis der Regelungen des § 19 Abs. 3 Sätze 1, 3 und 4 GewStG gibt der Wortlaut der Norm nichts her. Ein solcher Schluss lässt sich auch nicht aus der Regelung des § 19 Abs. 2 GewStG herleiten, wonach die Vorauszahlung grundsätzlich ein Viertel der Steuer beträgt, die sich bei der letzten Veranlagung ergeben hat. Wie bereits dem Begriff "grundsätzlich" zu entnehmen ist, begründet § 19 Abs. 2 GewStG keine zwingende Koppelung zwischen der Höhe der Grundsteuer für ein Jahr und der Höhe der Vorauszahlung für das Folgejahr. Im Übrigen regelt § 19 Abs. 2 GewStG nicht die Möglichkeit einer Anpassung der Vorauszahlung nach der Steuerforderung des Vorjahres, sondern nach der der letzten Veranlagung. Für die Annahme dass die Festsetzung des Messbetrages für Vorauszahlungen für ein Jahr durch die Festsetzung der Steuerforderung aufgrund eines geänderten Messbetrages für das Vorjahr quasi "überholt" würde, gibt die Norm nichts her. Zwar hätte die Beklagte auf eine Änderung des mit dem Messbescheid vom 9. November 2007 festgesetzten Messbetrages für die Erhebung von Vorauszahlungen hinwirken können. Diesen Weg hat die Beklagte aber nicht beschritten. Eine Änderung des Messbetrages für die Erhebung von Vorauszahlungen ab dem Jahr 2008 hat das Finanzamt N. mit seinem Bescheid vom 2. September 2009 betreffend die Festsetzung des Messbetrages für die Gewerbesteuer für das Jahr 2007 von Amts wegen nicht vorgenommen. 38Ist somit die Erhöhung der Vorauszahlungen für das Jahr 2008 mit Bescheid vom 2. September 2009 zu Unrecht erfolgt, so lässt sich darüberhinaus die für den Haftungstatbestand gemäß § 69 Satz 1 AO erforderliche Kausalität zwischen der unterbliebenen Steuererklärung seitens der Kläger und der von der Beklagten geltend gemachten unterbliebenen rechtzeitigen Anpassung der Vorauszahlung für das Jahr 2008 nicht feststellen. 39Die erforderliche Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem mit der Haftung geltend gemachten Schaden richtet sich wegen des Schadensersatzcharakters der Haftung nach § 69 AO wie bei zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen nach der Adäquanztheorie. Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet sind, den Erfolg zu verursachen. Sofern - wie hier - ein Unterlassen in Rede steht, muss, um die Ursächlichkeit bejahen zu können, ein Hinzudenken der unterbliebenen Handlung zu dem Ergebnis führen, dass der Schaden ohne das Unterlassen nicht eingetreten wäre. Die Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Nichteintritts des Erfolges genügen dazu nicht. 40Vgl. BFH, Urteil vom 11.11.2008 - VII R 19/08 -, in: BFHE 223, 303 (305). 41Ob bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Erklärungspflicht die Forderung so rechtzeitig festgesetzt worden wäre, dass der Schaden nicht eingetreten wäre, kann auf konkrete Feststellungen zur Bearbeitungspraxis der Gemeinden in vergleichbaren Fällen gestützt werden. Auch kann die Überzeugung des Gerichts zu dem maßgeblichen hypothetischen Kausalverlauf auf andere Gesichtspunkte und Überlegungen gestützt werden. 42Vgl. BFH, Urteil vom 29.11.2006 ‑ I R 103/05 ‑, in: juris Rn. 16. 43Nach diesen Maßstäben kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte bei rechtzeitiger Abgabe der Steuererklärung für das Steuerjahr 2007 eine Erhöhung der angeforderten Vorauszahlungen im Umfang der geltend gemachten Haftungssumme vorgenommen hätte. Die hier in Rede stehenden Steuerfestsetzungen stellen sich im historischen Ablauf wie folgt dar: Messbescheid vom 27. September 2006 für Vorauszahlungen ab 2005 in Höhe von 3.555,00 Euro; Steuerbescheid vom 27. September 2006 u.a. für Vorauszahlungen ab 2006 auf der Basis von 3.555,00 Euro; Messbescheid vom 9. November 2007 für Gewerbesteuern 2004 und Vorauszahlungen ab 2007 in Höhe von 1.990,00 Euro; Steuerbescheid vom 22. November 2007 für Gewerbesteuern 2004 sowie Vorauszahlungen ab 2007 auf der Basis von 1.990,00 Euro; Messbescheid vom 25. März 2008 für Gewerbesteuern 2005 in Höhe von 3.575,00 Euro; Steuerbescheid vom 25. März 2008 für Gewerbesteuern 2005 auf der Basis von 3.575,00 Euro sowie Vorauszahlungen ab 2008 unverändert auf der Basis von 1.990,00 Euro; Messbescheid vom 11. Juni 2008 für Gewerbesteuern 2005 in Höhe von 7.225,00 Euro; Steuerbescheid vom 11. Juni 2008 für Gewerbesteuern 2005 auf der Basis von 7.225,00 Euro sowie Vorauszahlungen ab 2008 unverändert auf der Basis von 1.990,00 Euro; Messbescheid vom 27. August 2008 für Gewerbesteuern 2006 in Höhe von 16.955,00 Euro; Steuerbescheid vom 27. August 2008 für Gewerbesteuern 2006 auf der Basis von 16.955,00 Euro sowie Vorauszahlungen ab 2008 unverändert auf der Basis von 1.990,00 Euro; Steuerbescheid vom 26. Januar 2009 für Vorauszahlungen 2009 auf der Basis von 1.990,00 Euro; Messbescheid vom 2. September 2009 für Gewerbesteuern 2007 in Höhe von 26.840,00 Euro; Steuerbescheid vom 2. September 2009 für Gewerbesteuern 2007 auf der Basis von 26.840,00 Euro sowie für Vorauszahlungen 2008 auf der Basis von 26.840,00 Euro. 44Anhand dieses Ablaufes lässt sich feststellen, dass das Finanzamt N. im Jahre 2008 Messbescheide für die Gewerbesteuern 2005 und 2006 erlassen hat, die jeweils deutlich höher waren als der den Vorauszahlungen zugrundegelegte Messbetrag von 1.990,00 Euro. In Reaktion auf diese Messbescheide hat die Beklagte die Kläger jeweils auf der den Messbetrag von 1.990,00 Euro übersteigenden Basis zu Gewerbesteuern veranlagt, es bei den Vorauszahlungen ab 2008 aber unverändert bei der Basis von 1.990,00 Euro belassen. Gleiches gilt für die Festsetzung von Vorauszahlungen für das Jahre 2009 mit Bescheid vom 26. Januar 2009 ebenfalls auf der Basis von 1.990,00 Euro, obwohl die vorangegangene Gewerbesteuerfestsetzung für das Jahr 2006 auf der Basis von 16.955,00 Euro erfolgt war. 45Trotz höherer Messbeträge für die Gewerbesteuern hat die Beklagte an den auf dem niedrigeren Messbetrag beruhenden Vorauszahlungen festgehalten. Insbesondere trifft die Behauptung der Beklagten nicht zu, sie ändere die Vorauszahlung für das Folgejahr, wenn für das Jahr zuvor ein höherer Messbetrag festgesetzt worden sei. So wurde durch Messbescheid vom 27. August 2008 der Messbetrag für die Gewerbesteuer 2006 auf 16.955 Euro festgesetzt. Die Beklagte setzte noch unter demselben Tag die Gewerbesteuer 2006 auf dieser Messbetragsbasis fest, beließ der Vorausleistung für das Folgejahr 2007 jedoch ‑ entgegen ihrer aufgestellten Behauptung ‑ auf der Basis eines Messbetrags von 1.990 Euro, wie es durch Bescheid vom 22. November 2007 verfügt worden war. Für die weiteren Folgejahre ab 2008 wurden die Vorauszahlungen im Bescheid vom 27. August 2008 sogar ausdrücklich auf der Basis eines Messbetrags von 1.990,00 Euro bestätigt. Demgegenüber stellt sich die im vorliegenden Verfahren in Rede stehende Anpassung mit Bescheid vom 2. September 2009 als Ausnahmefall dar, der allenfalls die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit einer rechtzeitigen Anpassung der Vorauszahlungen vor der Insolvenzeröffnung im Jahr 2009 begründen kann, zur Annahme einer haftungsbegründenden Kausalität jedoch nicht ausreicht. 46Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10 sowie 711 der Zivilprozessordnung ‑ ZPO -. 47Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. | das angegriffene urteil wird bis auf die verfahrenseinstellung geändert. die haftungsbescheide der beklagten vom 2. märz 2011 werden aufgehoben, soweit die kläger hierdurch als haftungsschuldner für die auf das jahr 2008 bezogene gewerbesteuervorauszahlung der vormaligen t. gmbh in höhe von 79.868,80 euro in anspruch genommen werden. die erstinstanzlichen kosten des rechtsstreits tragen bis zur (teil-)rücknahme der klage mit schriftsatz vom 24. januar 2013 die kläger zu drei fünfteln, die beklagte zu zwei fünfteln; für die zeit danach trägt die beklagte die erstinstanzlichen kosten. die kosten des berufungsverfahrens trägt die beklagte. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der jeweilige vollstreckungsschuldner darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige vollstreckungsgläubiger vor der vollstreckung sicherheit in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1 | 2die kläger waren bis zu ihrer abberufung am 15. januar 2009 jeweils alleinvertretungsberechtigte geschäftsführer der nach insolvenzanmeldung im juni 2009 und eröffnung des insolvenzverfahrens im juli 2010 im handelsregister gelöschten firma t. gmbh, c. , vormals vor veräußerung, umfirmierung und sitzverlegung handelnd unter der firma v. gmbh mit sitz in n. . ab dem 15. januar 2009 waren herr w. , dubai, geschäftsführer, in der zeit vom 18. märz 2009 bis zum 22. juni 2009 auch herr dr. c1. . 3das finanzamt n. setzte mit bescheiden vom 26. april 2006 (für das steuerjahr 2003), vom 9. november 2007 (für das steuerjahr 2004) und vom 25. märz 2008 (für das steuerjahr 2005) die für die v. gmbh geltenden gewerbesteuermessbeträge im wege der schätzung fest, nachdem trotz entsprechender aufforderungen keine steuererklärungen abgegeben worden waren. zudem setzte das finanzamt unter dem 27. september 2006 den gewerbesteuermessbetrag für vorauszahlungszwecke ab 2005 auf 3.555 euro und unter dem 9. november 2007 ab 2007 auf 1.990,00 euro fest. die beklagte setzte daraufhin mit steuerbescheid vom 27. september 2006 u. a. die für das jahr 2006 und nachfolgend zu entrichtenden gewerbesteuervorauszahlungen auf der basis eines messbetrages von 3.555 euro fest. mit bescheid vom 22. november 2007 senkte beklagte die vorauszahlungen ab 2007 auf der basis eines messbetrags von 1.990,00 euro. 4unter dem 27. august 2008 setzte das finanzamt den gewerbesteuermessbetrag für 2006 auf 16.955 euro fest. die beklagte setzte darauf datumsgleich die gewerbesteuer 2006 und das vorauszahlungssoll ab 2008 fest, und zwar letzteres unverändert auf der basis eines messbetrags von 1.990,00 euro. 5mit vorweganforderung an die steuerlich beratene v. gmbh vom 9. mai 2008 forderte das finanzamt n. diese auf, die gewerbesteuererklärung für das jahr 2007 bis zum 29. august 2008 abzugeben, weil in der vergangenheit steuererklärungen nicht oder erheblich verspätet abgegeben worden waren. die steuerberater beantragten daraufhin unter dem 23. dezember 2008 - mithin nach fristablauf - ausnahmsweise mit blick auf steuerliche neuregelungen, mandantenzuwächse und neu einzuarbeitende mitarbeiter fristverlängerung bis zum 30. januar 2009. das finanzamt lehnte den verlängerungsantrag mit schreiben vom 6. januar 2009 ab. falls die steuererklärung bis spätestens 3. februar 2009 vorliege, werde ausnahmsweise von der festsetzung von verspätungszuschlägen abgesehen. auch bis zu diesem zeitpunkt wurde keine steuererklärung abgegeben. 6nachdem die gewerbesteuererklärung für das steuerjahr 2007 letztlich am 22. juni 2009 abgegeben worden war, setzte das finanzamt n. den gewerbesteuermessbetrag der (nunmehr) t. gmbh ‑ als inhaber des handelsgewerbes mit einem oder mehreren still beteiligten gesellschaftern - für das steuerjahr 2007 mit bescheid vom 2. september 2009 auf 26.840,00 euro fest. zugleich erfolgte die bestimmung eines verspätungszuschlags. die beklagte veranlagte daraufhin mit steuerbescheid gleichen datums die t. gmbh zur gewerbesteuer 2007 in höhe von nunmehr 118.096,00 euro; zugleich wurden nachzahlungszinsen für 2007 in höhe von 2.732,00 euro und ein verspätungszuschlag von 500,00 euro festgesetzt. schließlich bestimmte die beklagte auf der grundlage des für 2007 festgesetzten messbetrages (26.840,00 euro) die für 2008 zu zahlende vorausleistung in höhe von 109.340,00 euro. der gesamtbetrag wurde zum 7. oktober 2009 fällig gestellt. eine zahlung erfolgte, zumal im juni 2009 das vorläufige insolvenzverfahren eingeleitet worden war, auch in der folgezeit nicht. 7im märz 2010 trat die beklagte in die überprüfung etwaiger haftungsansprüche ein. das finanzamt wurde um auskünfte ersucht. die kläger wurden unter dem 3. mai 2010 jeweils zu einer inanspruchnahme durch haftung angehört. die kläger äußerten sich durch schreiben ihrer steuerberatung vom 31. mai 2010 und führten u.a. aus, eine kausalität zwischen einer etwaigen pflichtverletzung und einem steuerlichen schaden fehle. in der zeit ihrer geschäftsführung sei die gesellschaft jederzeit in der lage gewesen, ihre auch steuerlichen verbindlichkeiten zu begleichen. 8mit haftungsbescheiden vom 2. märz 2011, denen jeweils eine zahlungsaufforderung beigefügt worden war, nahm die beklagte die kläger des vorliegenden verfahrens und die weiteren früheren geschäftsführer jeweils in höhe von insgesamt 192.440,80 euro, nämlich für die gewerbesteuern 2007, die nachforderungszinsen 2007, den verspätungszuschlag 2007 sowie für die gewerbesteuervorauszahlung 2008 - diese im umfang von 79.868,80 euro - in anspruch. 9die kläger haben gegen die sie betreffenden haftungsbescheide am 4. april 2011 klage erhoben. mit schriftsatz vom 24. januar 2013 haben die kläger die klage, soweit sie sich gegen ihre haftungsinanspruchnahme für gewerbesteuern, zinsen und den verspätungszuschlag, jeweils bezogen auf das steuerjahr 2007, gerichtet hat, zurückgenommen. 10zur begründung haben sie ausgeführt: ihre inanspruchnahme als haftungsschuldner für gewerbesteuervorauszahlungen des jahres 2008 im umfang von 79.868,80 euro sei rechtswidrig. es fehle an der von der beklagten angenommenen kausalität zwischen der verspäteten abgabe der gewerbesteuererklärung 2007 und dem schaden, den diese wegen nicht in voller höhe beigetriebener gewerbesteuervorauszahlungen für das jahr 2008 sehe. ob die beklagte bei einer pflichtgemäßen abgabe der steuererklärung 2007 zeitnah entsprechende vorauszahlungen für das jahr 2008 festgesetzt hätte, sei lediglich hypothetisch. 11die kläger haben beantragt, 12die haftungsbescheide der beklagten vom 2. märz 2011, soweit sie - die kläger - hierdurch als haftungsschuldner für die auf das jahr 2008 bezogene gewerbesteuervorauszahlung der vormaligen t. gmbh in höhe von 79.868,80 euro in anspruch genommen werden, aufzuheben. 13die beklagte hat beantragt, 14die klage abzuweisen. 15sie ist der klage entgegengetreten und hat die haftungsbescheide, soweit diese noch angegriffen worden sind, als rechtmäßig verteidigt. 16durch das angefochtene urteil, auf das bezug genommen wird, hat das verwaltungsgericht das erstinstanzliche verfahren insoweit eingestellt, als die klage zurückgenommen worden war. im übrigen hat es die weitergehende klage abgewiesen. 17auf antrag der kläger hat der senat mit beschluss vom 5. juni 2014 die berufung zugelassen. 18zur begründung ihrer berufung tragen die kläger vor: zwar sei die gewerbesteuererklärung für das jahr 2007 nicht innerhalb der von der finanzverwaltung gesetzten frist eingereicht worden. dies sei jedoch nicht kausal für den geltend gemachten haftungsschaden in form der erst am 2. september 2009 und damit nach stellung des insolvenzantrages erfolgten festsetzung der erhöhung der bereits mit bescheid vom 22. november 2007 erstmalig festgesetzten und seit dem nicht mehr angepassten gewerbesteuervorauszahlung für das jahr 2008 geworden. entscheidend sei die frage, ob bei abgabe der gewerbesteuererklärung für den erhebungszeitraum 2007 bis zum 29. august 2008 und die veranlagung durch das finanzamt die beklagte die gewerbesteuervorauszahlung für das jahr 2008 ebenfalls entsprechend erhöht hätte und die t. gmbh zu diesem zeitpunkt auch noch die erforderlichen mittel zur begleichung des betrages in höhe von 79.868,80 euro zur verfügung gehabt hätte. zweifel an der kausalität bestünden bereits in tatsächlicher hinsicht. nach ansicht des verwaltungsgerichts im angefochtenen urteil ergebe die auswertung der von der beklagten vorgelegten verwaltungsvorgänge, dass diese in dem gesamten in den verwaltungsvorgängen dokumentierten besteuerungszeiträumen ab dem jahr 2003 nicht nur datumsgleich den jeweils vom finanzamt bestimmten gewerbesteuermaßbetrag den jeweiligen jahresveranlagungen zugrunde gelegt habe, sondern ebenso, dass die beklagte die zu leistenden vorauszahlungen im betrag exakt der steuer angepasst habe, die sich für den erhebungszeitraum auf der grundlage ergangener messbetragsfestsetzungen voraussichtlich ergeben würden. dies sei jedoch gerade nicht der fall. da im rahmen der drei im jahr 2008 durchgeführten gewerbesteuerveranlagungen entgegen den annahmen des verwaltungsgerichts keine anpassung der vorauszahlung entsprechend den festsetzungen der jeweiligen jahressteuer vorgenommen worden sei, sei nicht ersichtlich, inwiefern ohne zweifel davon ausgegangen werden könne, dass die vorauszahlungen für das jahr 2008, obwohl nach festsetzung der gewerbesteuer für 2005 und 2006 nicht erhöhend angepasst, dann aber bei der festsetzung der gewerbesteuer 2007 im jahr 2008 erhöht worden wären. 19die kläger beantragen, 20das angegriffene urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen klageantrag zu entscheiden. 21die beklagte beantragt, 22die berufung zurückzuweisen, 23und führt zur begründung aus: die für die inanspruchnahme als haftungsschuldner erforderliche kausalität zwischen pflichtverletzung und eingetretenem schaden liege vor. aufgrund der verspäteten abgabe der bereits zum 29. august 2008 angeforderten gewerbesteuererklärung 2007 erst durch den späteren geschäftsführer dr. c1. am 22. juni 2009 sei ihr zeitlich eine frühere anpassung der vorauszahlung für 2008 nicht möglich gewesen. das pflichtversäumnis für die rechtzeitige abgabe der steuererklärung in 2008 habe allein bei den klägern gelegen. die gewerbesteuererklärung sei vom finanzamt n. vorzeitig wegen des schlechten abgabeverhaltens der kläger angefordert worden. diese hätten auch in den vorjahren trotz aufforderung steuererklärungen nicht oder nicht rechtzeitig abgegeben. die festsetzung des messbetrages sei daher auch in den vorjahren aufgrund einer schätzung der besteuerungsgrundlagen erfolgt. den klägern sei somit bekannt gewesen, dass auch die anforderung der vorauszahlungen auf die gewerbesteuer der jeweiligen folgejahre nur aufgrund einer schätzung mangels abgabe von steuererklärungen durchgeführt habe werden können. insoweit könnten sich die kläger nun nicht auf einen hypothetischen kausalverlauf und damit den ausschluss ihrer haftung für die aufgrund der schätzung ermittelten vorauszahlungen berufen. da nach eigenem vortrag der kläger im jahr 2008 noch ausreichende liquide mittel der t. gmbh zur verfügung gestanden hätten, hätten bei rechtzeitiger abgabe der steuererklärung alle gewerbesteuern für 2007 und die vorauszahlung für 2008 gezahlt werden können. 24hinsichtlich der weiteren einzelheiten des sachverhalts und des parteivorbringens im übrigen wird auf den inhalt der verfahrensakte und der beigezogenen verwaltungsvorgänge bezug genommen. 25 | 26die berufung ist zulässig und begründet. 27die haftungsbescheide der beklagten vom 2. märz 2011, sind rechtswidrig und verletzen die kläger in ihren rechten (vgl. § 113 abs. 1 satz 1 der verwaltungsgerichtsordnung - vwgo -). 28die beklagte hat die kläger als vormalige geschäftsführer (vgl. §§ 69 satz 1, 37 abs. 1 der abgabenordnung - ao - sowie § 35 abs. 1 satz 1 des gesetzes betreffend die gesellschaften mit beschränkter haftung - gmbhg -) auf der rechtsgrundlage des § 191 abs. 1 satz 1 i. v. m. § 69 satz 1 ao hinsichtlich der im berufungsverfahren noch im streit stehenden gewerbesteuervorauszahlungen für das steuerjahr 2008 im umfang von 79.868,80 euro in anspruch genommen. indes lagen die rechtlichen voraussetzungen für die inanspruchnahme der kläger im wege der haftung für die infolge der insolvenz der firma t. gmbh nicht zu realisierenden vorauszahlungen nicht vor. 29zwar dürfte dem verwaltungsgericht insoweit zu folgen sein, als es sich auf den standpunkt gestellt hat, die kläger hätten zumindest in grob fahrlässiger weise ihre pflichten als geschäftsführer dadurch verletzt, dass sie die gewerbesteuererklärung für das steuerjahr 2007 entgegen der vom finanzamt n. bestimmten frist bis zum 29. august 2008 nicht abgegeben haben. dem haben auch die kläger letztlich insoweit rechnung getragen, als sie bereits im erstinstanzlichen verfahren die klage bezüglich der haftungsforderung der beklagten im hinblick auf die gewerbesteuer für das jahr 2007 sowie nachzahlungszinsen und einen verspätungszuschlag zurückgenommen haben. 30die kläger vermögen sich jedoch zu recht auf eine rechtswidrige festsetzung der vorauszahlungen für das steuerjahr 2008 in höhe von 79.868,60 euro auf der basis eines messbetrages von 26.840,00 euro durch den bescheid der beklagten vom 2. september 2009 zu berufen. 31grundsätzlich stehen einem haftungsschuldner sämtliche einwendungen des steuerschuldners gegen den steueranspruch zu. 32vgl. aus der kommentierung nur boeker, in: hübschmann/hepp/spitaler, ao/fgo, band vi, loseblattsammlung (stand: oktober 2014), § 191 ao, rn. 92, m. w. n. zur rspr. 33derartige einwendungen sind den klägern im vorliegenden verfahren auch nicht gemäß § 166 ao abgeschnitten, wonach, sofern die steuer dem steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt ist, dies u.a. auch der gegen sich gelten lassen muss, wer in der lage gewesen wäre, den gegen den steuerpflichtigen erlassenen bescheid als dessen vertreter, bevollmächtigter oder kraft eigenen rechts anzufechten. denn die abberufung der kläger als alleinvertretungsberechtigte geschäftsführer erfolgte am 15. januar 2009, während die hier in rede stehende vorauszahlung erst mit bescheid vom 2. september 2009 festgesetzt worden ist. 34diese vorauszahlung in form einer anpassung infolge einer erhöhung des messbetrages von ursprünglich 1.990,00 euro auf 26.840,00 euro ist indes rechtswidrig erfolgt. grundlage für die erhebung der vorauszahlungen war zunächst der messbescheid vom 27. september 2006 in höhe von 3.555,00 euro betreffend vorauszahlungen ab 2005. mit messbescheid vom 9. november 2007 setzte sodann das finanzamt n. den messbetrag für vorauszahlungen ab dem jahr 2007, somit für das jahr 2007 und die folgejahre, auf 1.990,00 euro fest. der messbescheid vom 9. november 2007 ist bestandskräftig geworden. eine änderung des messbetrages für vorauszahlungen wurde in der folgezeit nicht vorgenommen. 35zwar eröffnet § 19 abs.3 satz 1 des gewerbesteuergesetzes - gewstg ‑, wonach die gemeinde die vorauszahlungen der steuer anpassen kann, die sich für den erhebungszeitraum (§ 14) voraussichtlich ergeben wird, grundsätzlich die möglichkeit, die vorauszahlungen anzupassen. dies gilt allerdings nicht in den fällen, in denen, wie hier, das finanzamt einen messbetrag betreffend die erhebung von vorauszahlungen festgesetzt hat. die berechtigung zu einer derartigen festsetzung seitens des finanzamts eröffnet § 19 abs. 3 satz 3 gewstg, wonach das finanzamt bis zum ende des 15. auf den erhebungszeitraum folgenden kalendermonats für zwecke der gewerbesteuer-vorauszahlungen den steuermessbetrag festsetzen kann, der sich voraussichtlich ergeben wird. nach der ausdrücklichen regelung des § 19 abs. 3 satz 4 gewstg ist die gemeinde hieran gebunden, vorliegend also an den mit bescheid vom 9. november 2007 für vorauszahlungszwecke ab 2007 festgesetzten messbetrag von 1.990,00 euro. 36demgegenüber vermag die beklagte nicht einzuwenden, mit der festsetzung eines messbetrages für die gewerbesteuerforderung 2007 mit messbescheid vom 2. september 2009 sei ihr für das folgejahr die entscheidungsbefugnis gemäß § 19 abs. 3 satz 1 gewstg eröffnet, nach ihrem ermessen über eine anpassung der vorauszahlungen zu entscheiden. die quasi "historische" festsetzung des messbetrages für vorauszahlungen sei damit überholt. eine bindungswirkung nach § 19 abs. 3 satz 4 gewstg bestehe nicht mehr. 37für ein derartig beschränktes verständnis der regelungen des § 19 abs. 3 sätze 1, 3 und 4 gewstg gibt der wortlaut der norm nichts her. ein solcher schluss lässt sich auch nicht aus der regelung des § 19 abs. 2 gewstg herleiten, wonach die vorauszahlung grundsätzlich ein viertel der steuer beträgt, die sich bei der letzten veranlagung ergeben hat. wie bereits dem begriff "grundsätzlich" zu entnehmen ist, begründet § 19 abs. 2 gewstg keine zwingende koppelung zwischen der höhe der grundsteuer für ein jahr und der höhe der vorauszahlung für das folgejahr. im übrigen regelt § 19 abs. 2 gewstg nicht die möglichkeit einer anpassung der vorauszahlung nach der steuerforderung des vorjahres, sondern nach der der letzten veranlagung. für die annahme dass die festsetzung des messbetrages für vorauszahlungen für ein jahr durch die festsetzung der steuerforderung aufgrund eines geänderten messbetrages für das vorjahr quasi "überholt" würde, gibt die norm nichts her. zwar hätte die beklagte auf eine änderung des mit dem messbescheid vom 9. november 2007 festgesetzten messbetrages für die erhebung von vorauszahlungen hinwirken können. diesen weg hat die beklagte aber nicht beschritten. eine änderung des messbetrages für die erhebung von vorauszahlungen ab dem jahr 2008 hat das finanzamt n. mit seinem bescheid vom 2. september 2009 betreffend die festsetzung des messbetrages für die gewerbesteuer für das jahr 2007 von amts wegen nicht vorgenommen. 38ist somit die erhöhung der vorauszahlungen für das jahr 2008 mit bescheid vom 2. september 2009 zu unrecht erfolgt, so lässt sich darüberhinaus die für den haftungstatbestand gemäß § 69 satz 1 ao erforderliche kausalität zwischen der unterbliebenen steuererklärung seitens der kläger und der von der beklagten geltend gemachten unterbliebenen rechtzeitigen anpassung der vorauszahlung für das jahr 2008 nicht feststellen. 39die erforderliche kausalität zwischen der pflichtverletzung und dem mit der haftung geltend gemachten schaden richtet sich wegen des schadensersatzcharakters der haftung nach § 69 ao wie bei zivilrechtlichen schadensersatzansprüchen nach der adäquanztheorie. danach sind solche pflichtverletzungen für den erfolg ursächlich, die allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet sind, den erfolg zu verursachen. sofern - wie hier - ein unterlassen in rede steht, muss, um die ursächlichkeit bejahen zu können, ein hinzudenken der unterbliebenen handlung zu dem ergebnis führen, dass der schaden ohne das unterlassen nicht eingetreten wäre. die möglichkeit oder eine gewisse wahrscheinlichkeit des nichteintritts des erfolges genügen dazu nicht. 40vgl. bfh, urteil vom 11.11.2008 - vii r 19/08 -, in: bfhe 223, 303 (305). 41ob bei ordnungsgemäßer erfüllung der erklärungspflicht die forderung so rechtzeitig festgesetzt worden wäre, dass der schaden nicht eingetreten wäre, kann auf konkrete feststellungen zur bearbeitungspraxis der gemeinden in vergleichbaren fällen gestützt werden. auch kann die überzeugung des gerichts zu dem maßgeblichen hypothetischen kausalverlauf auf andere gesichtspunkte und überlegungen gestützt werden. 42vgl. bfh, urteil vom 29.11.2006 ‑ i r 103/05 ‑, in: juris rn. 16. 43nach diesen maßstäben kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beklagte bei rechtzeitiger abgabe der steuererklärung für das steuerjahr 2007 eine erhöhung der angeforderten vorauszahlungen im umfang der geltend gemachten haftungssumme vorgenommen hätte. die hier in rede stehenden steuerfestsetzungen stellen sich im historischen ablauf wie folgt dar: messbescheid vom 27. september 2006 für vorauszahlungen ab 2005 in höhe von 3.555,00 euro; steuerbescheid vom 27. september 2006 u.a. für vorauszahlungen ab 2006 auf der basis von 3.555,00 euro; messbescheid vom 9. november 2007 für gewerbesteuern 2004 und vorauszahlungen ab 2007 in höhe von 1.990,00 euro; steuerbescheid vom 22. november 2007 für gewerbesteuern 2004 sowie vorauszahlungen ab 2007 auf der basis von 1.990,00 euro; messbescheid vom 25. märz 2008 für gewerbesteuern 2005 in höhe von 3.575,00 euro; steuerbescheid vom 25. märz 2008 für gewerbesteuern 2005 auf der basis von 3.575,00 euro sowie vorauszahlungen ab 2008 unverändert auf der basis von 1.990,00 euro; messbescheid vom 11. juni 2008 für gewerbesteuern 2005 in höhe von 7.225,00 euro; steuerbescheid vom 11. juni 2008 für gewerbesteuern 2005 auf der basis von 7.225,00 euro sowie vorauszahlungen ab 2008 unverändert auf der basis von 1.990,00 euro; messbescheid vom 27. august 2008 für gewerbesteuern 2006 in höhe von 16.955,00 euro; steuerbescheid vom 27. august 2008 für gewerbesteuern 2006 auf der basis von 16.955,00 euro sowie vorauszahlungen ab 2008 unverändert auf der basis von 1.990,00 euro; steuerbescheid vom 26. januar 2009 für vorauszahlungen 2009 auf der basis von 1.990,00 euro; messbescheid vom 2. september 2009 für gewerbesteuern 2007 in höhe von 26.840,00 euro; steuerbescheid vom 2. september 2009 für gewerbesteuern 2007 auf der basis von 26.840,00 euro sowie für vorauszahlungen 2008 auf der basis von 26.840,00 euro. 44anhand dieses ablaufes lässt sich feststellen, dass das finanzamt n. im jahre 2008 messbescheide für die gewerbesteuern 2005 und 2006 erlassen hat, die jeweils deutlich höher waren als der den vorauszahlungen zugrundegelegte messbetrag von 1.990,00 euro. in reaktion auf diese messbescheide hat die beklagte die kläger jeweils auf der den messbetrag von 1.990,00 euro übersteigenden basis zu gewerbesteuern veranlagt, es bei den vorauszahlungen ab 2008 aber unverändert bei der basis von 1.990,00 euro belassen. gleiches gilt für die festsetzung von vorauszahlungen für das jahre 2009 mit bescheid vom 26. januar 2009 ebenfalls auf der basis von 1.990,00 euro, obwohl die vorangegangene gewerbesteuerfestsetzung für das jahr 2006 auf der basis von 16.955,00 euro erfolgt war. 45trotz höherer messbeträge für die gewerbesteuern hat die beklagte an den auf dem niedrigeren messbetrag beruhenden vorauszahlungen festgehalten. insbesondere trifft die behauptung der beklagten nicht zu, sie ändere die vorauszahlung für das folgejahr, wenn für das jahr zuvor ein höherer messbetrag festgesetzt worden sei. so wurde durch messbescheid vom 27. august 2008 der messbetrag für die gewerbesteuer 2006 auf 16.955 euro festgesetzt. die beklagte setzte noch unter demselben tag die gewerbesteuer 2006 auf dieser messbetragsbasis fest, beließ der vorausleistung für das folgejahr 2007 jedoch ‑ entgegen ihrer aufgestellten behauptung ‑ auf der basis eines messbetrags von 1.990 euro, wie es durch bescheid vom 22. november 2007 verfügt worden war. für die weiteren folgejahre ab 2008 wurden die vorauszahlungen im bescheid vom 27. august 2008 sogar ausdrücklich auf der basis eines messbetrags von 1.990,00 euro bestätigt. demgegenüber stellt sich die im vorliegenden verfahren in rede stehende anpassung mit bescheid vom 2. september 2009 als ausnahmefall dar, der allenfalls die bloße möglichkeit oder eine gewisse wahrscheinlichkeit einer rechtzeitigen anpassung der vorauszahlungen vor der insolvenzeröffnung im jahr 2009 begründen kann, zur annahme einer haftungsbegründenden kausalität jedoch nicht ausreicht. 46die kostenentscheidung beruht auf §§ 154 abs. 1 und 155 abs. 2 vwgo. die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit der kostenentscheidung folgt aus § 167 vwgo i. v. m. den §§ 708 nr. 10 sowie 711 der zivilprozessordnung ‑ zpo -. 47die revision ist nicht zuzulassen, weil die voraussetzungen des § 132 abs. 2 vwgo nicht vorliegen. | Klaeger*in | 1 |
171,951 | 6a K 1557/12.A | 2014-08-18T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die am 20. April 1949 geborene Klägerin ist armenische Staatsangehörige und armenische Volkszugehörige armenisch-orthodoxen Glaubens. Sie stellte mit anwaltlichem Schreiben vom 23. September 2010 am 29. September 2010 einen Asylantrag. 3Im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 14. Juni 2011 gab sie zur Begründung ihres Antrags im Wesentlichen an, sie könne nicht sagen, wie sie nach Deutschland gekommen sei. Sie wolle in Deutschland ärztlich behandelt werden. In Armenien habe sie eine Rente und auch staatliche Hilfen erhalten. Dort sei sie auch schon medizinisch behandelt worden, sie habe im Krankenhaus Verbände, Umschläge und Salben erhalten und Medikamente bekommen. Sie habe dort auch operiert werden sollen. Eine ihrer Schwestern sei wegen dieser Erkrankung aber bereits zweimal, eine andere einmal operiert worden und nach der Operation sei keine Besserung eingetreten. Als ihr in der Klinik gesagt worden sei, mehr könne man nicht für sie machen, habe sie beschlossen, zur weiteren Behandlung nach Deutschland zu fahren. Bei den Arztbesuchen in Deutschland habe sie auch nur Salben und Verbände bekommen. Wegen ihrer offenen Beine bekomme sie eine Salbe und möglicherweise nehme sie sie auch Medikamente. Der Arzt habe gesagt, sie müsse unbedingt in ein Krankenhaus, dafür brauche sie allerdings einen Asylantrag. Zur weiteren Begründung ihres Antrags legte die Klägerin eine Bescheinigung des Klinikums X. GmbH M. vom 9. September 2010 vor, wonach die Klägerin an einer chronisch venösen Insuffizienz der Ulcera cruris litte. Ausweislich eines weiteren ärztlichen Attests der Internisten Dr. M1. und T. aus E. vom 2. September 2010 lag bei der Klägerin eine Reisunfähigkeit aufgrund akuter Erkrankungen vor. In drei weiteren Attesten der Gemeinschaftspraxis Dr. T1. und Dr. Q. aus C. vom 2. Dezember 2010 und vom 10. Januar 2011 und vom 6. Juni 2011 wurden bei der Klägerin eine außergewöhnlich starke venöse Erkrankung beider Unterschenkel mit Ulzerationen beider Beine (offenes Bein), die vermehrte Gefahr einer Blutung der Varizen und die Gefahr einer Venenentzündung oder Thrombose festgestellt. Schließlich legte die Klägerin eine Bescheinigung des Venenzentrums der Ruhr-Universität Bochum vom 15. Juli 2011 vor. Darin wurde eine Stammvarikosis der V. saphena magna Grad II am linken und am rechten Bein diagnostiziert und es wurde eine stationäre operative Sanierung empfohlen. Nach der Operation solle für sechs Wochen ein Kompressionsstrumpf getragen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 22 f., 54, 153 ff. des von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. 4Durch Bescheid vom 27. Februar 2012 lehnte das Bundesamt den Antrag der Klägerin auf Anerkennung als Asylberechtigte ab (Ziffer 1.) und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen (Ziffer 2.) und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 – 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 3.). Es forderte die Klägerin unter Androhung der Abschiebung nach Armenien auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen (Ziffer 4.). 5Die Klägerin hat am 15. März 2012 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und legt eine Bescheinigung des Venenzentrums der Ruhr-Universität Bochum vom 16. März 2012 vor. Darin wird diagnostiziert: „Sklerophlebititen bei Z.n. Sklerosionstherapie am linken und rechten Unterschenkel, Ausschluss einer tiefen Beinvenenthrombose links, Z.n. Cross- und Saphenektomie der Vena saphena magna beidseits und Seitenastexhairese am 14.9.2011, großlumige Seitenastvarikosis beider Unterschenkel, Purpura jaune d´ocre, anam.: Z.n. Ulcera crurum beider Beine, arterielle Hypertonie, Sklerophlebitis am linken Unterschenkel“. Weiter wird festgestellt: „Wir konnten in Zusammenschau des klinischen Befundes und der duplexsonographischen Diagnostik keinen Anhalt für eine tiefe Beinvenenthrombose finden. Es zeigten sich jedoch Sklerophlebititen an oben genannter Lokalisation. (…) Therapeutisch empfehlen wir eine konsequente Kompressionstherapie mittels Kompressionsstrümpfen der Klasse II.“ Zudem legt die Klägerin einen vom Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. C1. aus C. erstellen Dosierplan vom 24. April 2012 betreffend die Medikamente Amlodipin Besilat und Ramipril vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 48 bis 50 der Gerichtsakte Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2014 legt die Klägerin ein weiteres Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin G. aus C. vor, aus dem hervorgeht, dass die Klägerin dort wegen ihres Beinleidens, Gelenkschmerzen und erheblicher Beschwerden der rechten Schulter in ärztlicher Behandlung befinde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 96 der Gerichtsakte Bezug genommen. 6Die Klägerin beantragt schriftsätzlich, 7der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zum Aktenzeichen 5457554-422 vom 27. Februar 2012, zugestellt am 1. März 2012, wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass in Ansehung der Person der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise Abschiebehindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. 8Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, 9die Klage abzuweisen. 10Sie nimmt zur Begründung Bezug auf den angegriffenen Bescheid und führt darüber hinaus aus, die von der Klägerin benötigten Medikamente seien in Armenien erhältlich. 11Mit Beschluss vom 30. Juli 2014 hat das Gericht den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten (Az.: 5457554-422) sowie der beigezogenen Ausländerpersonalakte der Klägerin Bezug genommen. 12Entscheidungsgründe: 13Die Entscheidung ergeht nach § 6 Abs. 1 VwGO durch die Einzelrichterin, da dieser der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 7. Juli 2014 zur Entscheidung übertragen worden ist. Das Gericht entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben. 14Die Klage mit dem – entsprechend der aktuellen Rechtslage dahingehend auszulegenden – Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Februar 2012 zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Ziffern 3. und 4. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Februar 2012 zu verpflichten, ihr subsidiären internationalen Schutz zuzuerkennen, weiter hilfsweise, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Ziffern 3. und 4. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Februar 2012 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Armeniens vorliegt, hat keinen Erfolg. 15Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 27. Februar 2012 ist – soweit er angegriffen wird (Ziffern 2. bis 4.) – rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO. 16Die Klägerin hat auf der Grundlage der gemäß § 77 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylVfG, auf Feststellung von subsidiärem Schutz im Sinne von § 4 AsylVfG oder auf Feststellung eines (nationalen) Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht zunächst Bezug auf die Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid des Bundesamtes vom 27. Februar 2012, denen es folgt (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Darüber hinaus hat das Gericht bereits in seinem Beschluss vom 30. Juli 2014 betreffend den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin ausgeführt: 17„Auch die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen führen aller Voraussicht nach nicht zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Die Klägerin hat weder mit den Attesten aus dem Jahr 2012 noch mit dem nunmehr vorgelegten Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin G. aus C. ausreichend dargelegt, dass sie an einer Erkrankung leidet, die sich im Falle der Nichtbehandlung im Heimatstaat alsbald nach der Rückkehr wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird. Im Hinblick auf die geltend gemachten Beinerkrankungen der Klägerin sind die Atteste aus dem Jahr 2012 bereits wegen ihrer fehlenden Aktualität nicht geeignet, den Gesundheitszustand der Klägerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt wiederzugeben. Im Hinblick auf die nunmehr mit undatiertem Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin G. aus C. erstmals geltend gemachten Beschwerden in der rechten Schulter hat die Klägerin bereits nicht ausreichend dargelegt, unter welcher konkreten Erkrankung sie leidet. Die ausweislich des vorgenannten Attests im Falle eines Behandlungsabbruchs bzw. einer Nichtbehandlung schlimmstenfalls zu befürchtende Beeinträchtigung der Arm- und Schulterfunktion bis hin zur vollständigen Steifigkeit stellt zudem aller Voraussicht nach keine wesentliche, lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung dar, wie sie Voraussetzung für die Annahme eines krankheitsbedingten Abschiebungshindernisses ist. Im Hinblick auf die in dem Attest genannten Beinleiden und Gelenkschmerzen fehlt es bereits an einer konkreten Diagnose sowie an Angaben zu Erkrankungsstand und Art einer gegebenenfalls erforderlichen Behandlung.“ 18Nach nochmaliger Überprüfung unter Berücksichtigung des im vorliegenden Verfahren anzulegenden Prüfungsmaßstabs hält das Gericht weiter an den obigen Ausführungen fest. 19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Zivilprozessordnung. | die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens, für das gerichtskosten nicht erhoben werden. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der klägerin wird nachgelassen, die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abzuwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2die am 20. april 1949 geborene klägerin ist armenische staatsangehörige und armenische volkszugehörige armenisch-orthodoxen glaubens. sie stellte mit anwaltlichem schreiben vom 23. september 2010 am 29. september 2010 einen asylantrag. 3im rahmen ihrer anhörung vor dem bundesamt für migration und flüchtlinge (bundesamt) am 14. juni 2011 gab sie zur begründung ihres antrags im wesentlichen an, sie könne nicht sagen, wie sie nach deutschland gekommen sei. sie wolle in deutschland ärztlich behandelt werden. in armenien habe sie eine rente und auch staatliche hilfen erhalten. dort sei sie auch schon medizinisch behandelt worden, sie habe im krankenhaus verbände, umschläge und salben erhalten und medikamente bekommen. sie habe dort auch operiert werden sollen. eine ihrer schwestern sei wegen dieser erkrankung aber bereits zweimal, eine andere einmal operiert worden und nach der operation sei keine besserung eingetreten. als ihr in der klinik gesagt worden sei, mehr könne man nicht für sie machen, habe sie beschlossen, zur weiteren behandlung nach deutschland zu fahren. bei den arztbesuchen in deutschland habe sie auch nur salben und verbände bekommen. wegen ihrer offenen beine bekomme sie eine salbe und möglicherweise nehme sie sie auch medikamente. der arzt habe gesagt, sie müsse unbedingt in ein krankenhaus, dafür brauche sie allerdings einen asylantrag. zur weiteren begründung ihres antrags legte die klägerin eine bescheinigung des klinikums x. gmbh m. vom 9. september 2010 vor, wonach die klägerin an einer chronisch venösen insuffizienz der ulcera cruris litte. ausweislich eines weiteren ärztlichen attests der internisten dr. m1. und t. aus e. vom 2. september 2010 lag bei der klägerin eine reisunfähigkeit aufgrund akuter erkrankungen vor. in drei weiteren attesten der gemeinschaftspraxis dr. t1. und dr. q. aus c. vom 2. dezember 2010 und vom 10. januar 2011 und vom 6. juni 2011 wurden bei der klägerin eine außergewöhnlich starke venöse erkrankung beider unterschenkel mit ulzerationen beider beine (offenes bein), die vermehrte gefahr einer blutung der varizen und die gefahr einer venenentzündung oder thrombose festgestellt. schließlich legte die klägerin eine bescheinigung des venenzentrums der ruhr-universität bochum vom 15. juli 2011 vor. darin wurde eine stammvarikosis der v. saphena magna grad ii am linken und am rechten bein diagnostiziert und es wurde eine stationäre operative sanierung empfohlen. nach der operation solle für sechs wochen ein kompressionsstrumpf getragen werden. wegen der weiteren einzelheiten wird auf blatt 22 f., 54, 153 ff. des von der beklagten vorgelegten verwaltungsvorgangs bezug genommen. 4durch bescheid vom 27. februar 2012 lehnte das bundesamt den antrag der klägerin auf anerkennung als asylberechtigte ab (ziffer 1.) und stellte fest, dass die voraussetzungen für die zuerkennung der flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen (ziffer 2.) und dass abschiebungsverbote nach § 60 abs. 2 – 7 aufenthaltsgesetz (aufenthg) nicht vorliegen (ziffer 3.). es forderte die klägerin unter androhung der abschiebung nach armenien auf, die bundesrepublik deutschland zu verlassen (ziffer 4.). 5die klägerin hat am 15. märz 2012 die vorliegende klage erhoben. zur begründung ihrer klage wiederholt sie ihr vorbringen aus dem verwaltungsverfahren und legt eine bescheinigung des venenzentrums der ruhr-universität bochum vom 16. märz 2012 vor. darin wird diagnostiziert: „sklerophlebititen bei z.n. sklerosionstherapie am linken und rechten unterschenkel, ausschluss einer tiefen beinvenenthrombose links, z.n. cross- und saphenektomie der vena saphena magna beidseits und seitenastexhairese am 14.9.2011, großlumige seitenastvarikosis beider unterschenkel, purpura jaune d´ocre, anam.: z.n. ulcera crurum beider beine, arterielle hypertonie, sklerophlebitis am linken unterschenkel“. weiter wird festgestellt: „wir konnten in zusammenschau des klinischen befundes und der duplexsonographischen diagnostik keinen anhalt für eine tiefe beinvenenthrombose finden. es zeigten sich jedoch sklerophlebititen an oben genannter lokalisation. (…) therapeutisch empfehlen wir eine konsequente kompressionstherapie mittels kompressionsstrümpfen der klasse ii.“ zudem legt die klägerin einen vom facharzt für allgemeinmedizin dr. c1. aus c. erstellen dosierplan vom 24. april 2012 betreffend die medikamente amlodipin besilat und ramipril vor. wegen der weiteren einzelheiten wird auf blatt 48 bis 50 der gerichtsakte bezug genommen. mit schriftsatz vom 28. juli 2014 legt die klägerin ein weiteres attest des facharztes für allgemeinmedizin g. aus c. vor, aus dem hervorgeht, dass die klägerin dort wegen ihres beinleidens, gelenkschmerzen und erheblicher beschwerden der rechten schulter in ärztlicher behandlung befinde. wegen der weiteren einzelheiten wird auf blatt 96 der gerichtsakte bezug genommen. 6die klägerin beantragt schriftsätzlich, 7der bescheid des bundesamtes für migration und flüchtlinge zum aktenzeichen 5457554-422 vom 27. februar 2012, zugestellt am 1. märz 2012, wird aufgehoben. die beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass in ansehung der person der klägerin die voraussetzungen des § 60 abs. 1 aufenthg, hilfsweise abschiebehindernisse gemäß § 60 abs. 2 bis 7 aufenthg vorliegen. 8die beklagte beantragt schriftsätzlich, 9die klage abzuweisen. 10sie nimmt zur begründung bezug auf den angegriffenen bescheid und führt darüber hinaus aus, die von der klägerin benötigten medikamente seien in armenien erhältlich. 11mit beschluss vom 30. juli 2014 hat das gericht den antrag der klägerin auf gewährung von prozesskostenhilfe abgelehnt. wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und des beigezogenen verwaltungsvorgangs der beklagten (az.: 5457554-422) sowie der beigezogenen ausländerpersonalakte der klägerin bezug genommen. 12 | 13die entscheidung ergeht nach § 6 abs. 1 vwgo durch die einzelrichterin, da dieser der rechtsstreit durch beschluss der kammer vom 7. juli 2014 zur entscheidung übertragen worden ist. das gericht entscheidet gemäß § 101 abs. 2 vwgo ohne mündliche verhandlung, nachdem die beteiligten auf die durchführung einer mündlichen verhandlung verzichtet haben. 14die klage mit dem – entsprechend der aktuellen rechtslage dahingehend auszulegenden – antrag, die beklagte unter aufhebung des bescheides des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 27. februar 2012 zu verpflichten, der klägerin die flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, die beklagte unter teilweiser aufhebung der ziffern 3. und 4. des bescheides des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 27. februar 2012 zu verpflichten, ihr subsidiären internationalen schutz zuzuerkennen, weiter hilfsweise, die beklagte unter teilweiser aufhebung der ziffern 3. und 4. des bescheides des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 27. februar 2012 zu verpflichten, festzustellen, dass ein abschiebungsverbot nach § 60 abs. 5 oder nach § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg hinsichtlich armeniens vorliegt, hat keinen erfolg. 15die zulässige klage ist unbegründet. der bescheid des bundesamtes vom 27. februar 2012 ist – soweit er angegriffen wird (ziffern 2. bis 4.) – rechtmäßig und verletzt die klägerin nicht in ihren rechten, § 113 abs. 1 satz 1 und abs. 5 satz 1 vwgo. 16die klägerin hat auf der grundlage der gemäß § 77 abs. 1 asylverfahrensgesetz (asylvfg) maßgeblichen sach- und rechtslage im zeitpunkt der mündlichen verhandlung keinen anspruch auf zuerkennung der flüchtlingseigenschaft im sinne von § 3 abs. 1 asylvfg, auf feststellung von subsidiärem schutz im sinne von § 4 asylvfg oder auf feststellung eines (nationalen) abschiebungsverbotes gemäß § 60 abs. 5 oder abs. 7 s. 1 aufenthaltsgesetz (aufenthg). zur vermeidung von wiederholungen nimmt das gericht zunächst bezug auf die ausführungen in dem angegriffenen bescheid des bundesamtes vom 27. februar 2012, denen es folgt (§ 77 abs. 2 asylvfg). darüber hinaus hat das gericht bereits in seinem beschluss vom 30. juli 2014 betreffend den prozesskostenhilfeantrag der klägerin ausgeführt: 17„auch die im gerichtlichen verfahren vorgelegten ärztlichen bescheinigungen führen aller voraussicht nach nicht zur feststellung eines abschiebungshindernisses nach § 60 abs. 7 satz 1 aufenthaltsgesetz (aufenthg). die klägerin hat weder mit den attesten aus dem jahr 2012 noch mit dem nunmehr vorgelegten attest des facharztes für allgemeinmedizin g. aus c. ausreichend dargelegt, dass sie an einer erkrankung leidet, die sich im falle der nichtbehandlung im heimatstaat alsbald nach der rückkehr wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird. im hinblick auf die geltend gemachten beinerkrankungen der klägerin sind die atteste aus dem jahr 2012 bereits wegen ihrer fehlenden aktualität nicht geeignet, den gesundheitszustand der klägerin zum gegenwärtigen zeitpunkt wiederzugeben. im hinblick auf die nunmehr mit undatiertem attest des facharztes für allgemeinmedizin g. aus c. erstmals geltend gemachten beschwerden in der rechten schulter hat die klägerin bereits nicht ausreichend dargelegt, unter welcher konkreten erkrankung sie leidet. die ausweislich des vorgenannten attests im falle eines behandlungsabbruchs bzw. einer nichtbehandlung schlimmstenfalls zu befürchtende beeinträchtigung der arm- und schulterfunktion bis hin zur vollständigen steifigkeit stellt zudem aller voraussicht nach keine wesentliche, lebensbedrohliche verschlimmerung der erkrankung dar, wie sie voraussetzung für die annahme eines krankheitsbedingten abschiebungshindernisses ist. im hinblick auf die in dem attest genannten beinleiden und gelenkschmerzen fehlt es bereits an einer konkreten diagnose sowie an angaben zu erkrankungsstand und art einer gegebenenfalls erforderlichen behandlung.“ 18nach nochmaliger überprüfung unter berücksichtigung des im vorliegenden verfahren anzulegenden prüfungsmaßstabs hält das gericht weiter an den obigen ausführungen fest. 19die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo in verbindung mit § 83b asylvfg. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit der kosten ergibt sich aus § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 709 zivilprozessordnung. | Verklagte*r | 0 |
143,215 | 1 A 857/12 | 2015-11-23T00:00:00 | Urteil | Tenor Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Oktober 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2010 verpflichtet, die geklagten psychischen Beschwerden (Agoraphobie mit Panikattacken) als Folge des Dienstunfalls vom 16. Februar 2000 anzuerkennen und dem Kläger Unfallausgleich nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 30 vom Hundert zu gewähren. Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz trägt die Beklagte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Mit seiner Klage begehrt der 1953 geborene Kläger die Anerkennung bestimmter geklagter psychischer Beschwerden als Folgen seines Dienstunfalls vom 16. Februar 2000 sowie die Gewährung eines Unfallausgleichs. Er steht seit 1967 im Dienste der Beklagte, und zwar seit 1995 als Posthauptsekretär. Seit 1982 ist er als Mitarbeiter im Kassenwesen/Schalterdienst tätig, zunächst für die Deutsche Bundespost, seit dem 1. Januar 1995 für die Deutsche Post AG und seit dem 1. Januar 2006 für die Postbank AG. 3Am 16. Februar 2000 arbeitete der Kläger in der Filiale der Deutschen Post AG in F. -G. . Am Vormittag betrat ein mit einer Strumpfmaske maskierter Mann die Filiale durch den Kundeneingang und zog eine Handfeuerwaffe. Die Kunden rannten aus der Filiale. Der Kläger forderte den Täter auf, die Filiale sofort zu verlassen, flüchtete – hierbei stolpernd und sich Prellungen zuziehend – in den Betriebsraum, alarmierte von dort aus durch Betätigung des Alarmknopfes die Umgebung und rief die Filialbezirksleitung an. Der Täter floh und wurde nie gefasst. Der Kläger versah seinen Dienst an diesem Tag sodann weiter und begab sich an den beiden Folgetagen in ärztliche Behandlung. Unter dem 18. Februar 2000 diagnostizierte Herr Dr. S. aus F. , Facharzt für Chirurgie, an welchen der Hausarzt des Klägers, der Facharzt für Allgemeinmedizin X. aus F. , diesen überwiesen hatte, eine schwere multiple Prellung und Hämatome am rechten Ellenbogen, Knie und Unterschenkel. Dienstunfähig war der Kläger in der Folge des Überfalls vom 17. Februar 2000 (Folgetag des Überfalls) bis zum 25. März 2000 (38 Tage). 4Mit Schreiben vom 1. März 2000 meldete der Kläger formblattmäßig das Ereignis als Dienstunfall. In der Rubrik „Verletzte Körperteile“ führte er eine Prellung am rechten Unterschenkel an. Daraufhin teilte die Unfallkasse Post und Telekom dem Kläger mit Schreiben vom 6. März 2000 mit, das Unfallereignis vom 16. Februar 2000 sei als Dienstunfall anerkannt. 5Am 7. April 2000 begab sich der Kläger auf Veranlassung seines Hausarztes in kardiologische Behandlung bei Frau Dr. I. , Q.-stift F. , und gab zur aktuellen Symptomatik an, dass er nach einer Stresssituation (Überfall während des Schalterdienstes) an mehreren Tagen wiederholt ein Brennen hinter dem Brustbein verspürt habe, das bis in den Unterkiefer ausgestrahlt habe. Mit Blick auf den dringenden Verdacht einer Ischämie im inferolateralen Myokardgebiet und das ausgedehnte kardiovaskuläre Risikoprofil des Klägers (arterielle Hypertonie, Nikotinabsus, Hypercholsterinämie und Adipositas) erfolgte bereits wenige Tage später eine invasive Abklärung, in deren Rahmen sich der Verdacht einer koronaren Gefäßerkrankung bestätigte und diese Erkrankung mittels PCTA (Angioplastie/Dilatation) und Stentimplantation erfolgreich behandelt wurde. Im September 2000 fand ein weiterer Eingriff dieser Art statt. In einem Schreiben vom 24. April 2001 an das Versorgungsamt F. führte der Hausarzt des Klägers u.a. aus, dass es bei dem Kläger im Zusammenhang mit dem Überfall „zu einem psychischen Trauma“ gekommen sei, an welchem der Kläger lange gelitten habe. Im Januar 2004 erlitt der Kläger einen Hinterwand-Infarkt, in dessen Folge am 16. Januar 2004 ein operativer Eingriff in Form einer myokardialen Dreifachrevaskularisation erfolgte. Vom 2. bis 28. Februar 2004 befand der Kläger sich zur Rehabilitation in der Herz-Kreislauf-Klinik C. C1. . In deren Bericht vom 29. März 2004 an Frau Dr. I. führte die Klinik unter dem Abschnitt „Aufnahmebefund“ u.a. aus: „Psyche regelgerecht“. Am 26. Juli 2004 nahm der Kläger seinen Dienst stufenweise wieder auf. Zwischen dem 25. Januar 2005 und dem 1. Februar 2005 wurde der Kläger in der Medizinischen Klinik II des akademischen Lehrkrankenhauses der Universität E. -F. stationär behandelt. Ausweislich des Entlassungsberichts der Assistenzärztin Dr. G1. sowie der– inzwischen an dieses Krankenhaus gewechselten und Professorin gewordenen – Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie Prof. Dr. I. vom 17. November 2008 war die Aufnahme mit reduzierter Belastbarkeit bei bekannter koronarer Herzkrankheit und nach Bypassoperation erfolgt. Nachdem sich kein Hinweis auf eine Bypassinsuffizienz gezeigt habe, habe der Kläger in stabilem Allgemeinzustand entlassen werden können. 6Im November 2005 begab der Kläger sich auf Veranlassung seines Hausarztes in die Behandlung des Facharztes für Psychiatrie Dipl.-Med. A. aus F. . 7Im Zeitraum vom 10. Mai 2006 bis 7. Juni 2006 befand der Kläger sich in stationärer Behandlung in der O. Reha-Klinik St. Q. -P. . Nach dem Entlassungsbericht vom 14. Juni 2006 (Herr Dr. E1. , Herr Dr. E2. , Frau Stationsärztin N. ) lag bei dem Kläger diagnostisch u.a. eine „reaktive depressive Störung b. Z. n. 3-fach ACBV OP b. koronarer 2 Gefäßerkrankung 1/04 (F432)“ vor. In der vegetativen Anamnese war u.a. ausgeführt, dass seit 2000 Durchschlafstörungen bestünden, die seit der Einnahme von Insidon gebessert seien. Zu den jetzigen Beschwerden hieß es: 8„Seit Manifestation einer koronaren Herzerkrankung im Jahr 2000 mit Z. n. 3-fach ACVB 01/2004 und Stent-Operationen im Jahr 2000 und 2002 (Anm. des Senats: Muss richtig heißen: 2000) leide der Pat. unter rez. depressiven Verstimmungen, Ängsten und Schlafstörungen. Er mache sich Sorgen, daß eine erneute Obliteration der Koronargefäße auftreten könne und er ein solches Ereignis evtl. nicht überleben werde. Darüber hinaus leide er unter Ängsten seit eines Überfalls auf den Postbetrieb, in den er arbeite. Seit 11/2005 befindet sich der Pat. in psychotherapeutischer Behandlung, unterstützend erfolgt eine thymoleptische Medikation mit Insidon. Seit Einnahme der Medikation seien die Schlafstörungen deutl. gebessert.“ 9Arbeitsanamnestisch wurde festgehalten, dass der Kläger insgesamt sehr gut mit seiner Arbeit zurechtkomme und sich an seinem Arbeitsplatz wohl fühle. Im psychologischen Abschlussbericht vom 7. Juni 2006, der Bestandteil des Entlassungsberichts ist, wurde u.a. ausgeführt: 10„Im Aufnahmegespräch berichtete der Pat., dass in den letzten sechs Jahren gehäuft einschneidende Lebensereignisse aufgetreten seien. Begonnen habe es mit einem Überfall 2000 in der Postfiliale in der er gearbeitet habe. Nach diesem Überfall habe er massive Ängste und Alpträume gehabt. Es sei keine psychotherapeutische Traumabehandlung durchgeführt worden. Dann seien in den Jahren danach Herzbeschwerden aufgetreten, die sich so verschlimmert hätten, dass eine Bypassoperation im Januar 2005 (Anm. des Senats: Muss richtig heißen: 2004) notwendig geworden sei. Nach der Operation seien verstärkt Angstzustände mit Schweissausbrüchen, Herzrasen, muskulärer Anspannung und Katastrophenphantasien aufgetreten. Wegen dieser Angststörung sei er seit November 2005 in psychotherapeutischer Behandlung. Diese Rehamaßnahme sei aufgrund der geschilderten Symptomatik veranlasst worden. Im Mittelpunkt der psychologischen Gespräche stand die Angst des Pat. vor einer erneuten Erkrankung.“ 11In seiner seit dem 13. Februar 2001 betriebenen Schwerbehindertenangelegenheit berief der Kläger sich – nach diversen Bescheidungen, Änderungsanträgen und Widersprüchen – mit seinem insgesamt vierten Änderungsantrag (3. August 2006) erstmalig auch auf psychische Beschwerden („Reaktive depressive Störungen, Angstzustände, Schlafstörung, Schweißausbrüche nachts auch bedingt durch Überfall (dienstliche)“). Zu diesem Änderungsantrag legte der Kläger u.a. eine Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie Dipl.-Med. A. aus F. vom 18. September 2006 vor. Zu den erhobenen Befunden hieß es darin: 12„2004 Bypass-Op. Danach zunehmende depressiv-ängstliche Symptomatik, erhebliche vegetative Begleitsymptomatik, innerer Unruhe, Durchschlafstörungen, diffuse körperliche Beschwerden, anankastische Persönlichkeitsstrukturen, arbeitet seit 39 Jahren bei der Post (Schalterdienst).“ 13Als Diagnosen nannte Herr A. „Angst und Depression gemischt (F 41.2), Anpassungsstörung (F 43.2), Somatisierungsstörung (F 45.0)“. Die Therapie bestehe in der Gabe von Insidon und der Durchführung verhaltensorientierter Gespräche. Vom 6. November 2006 bis zum 10. November 2006 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im Q.-stift in F. . In der Rechnung von Frau Prof. Dr. I. vom 17. Januar 2007 ist als Diagnose u.a. aufgeführt: „Seit 05/05 posttraumatisches Belastungssyndrom mit Angststörung“. 14Zur Begründung seines Widerspruchs gegen die Ablehnung seines bereits angesprochenen schwerbehindertenrechtlichen vierten Änderungsantrags führte der Kläger unter dem 9. Januar 2007 gegenüber dem Versorgungsamt F. u.a. aus: 15„Erwähnen muss ich meinen Bluthochdruck in Verbindung mit meiner koronaren Herzerkrankung. Auch bedingt durch diese Behinderung liegt bei mir ein sehr starkes Angstgefühl vor. Trotz Bypass-OP ist bei mir ein sehr negatives Lebensgefühl geblieben. Erschwerend kommt hinzu, dass ich im Februar 2000 während meiner Dienstzeit (ich bin Postbeamter im Filialbereich) überfallen wurde. Auch aus diesem Grund hat sich mein Leben sehr negativ verändert.“ 16In dem im April 2007 eingeleiteten Verfahren vor dem Sozialgericht E. (S 22 SB 83/07), in welchem der Kläger die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung begehrte, äußerte sich Herr Dipl.-Med. A. unter dem 18. September 2007 u.a. wie folgt: Nach Angaben des Klägers habe dieser seit dem Überfall zunehmende Ängste entwickelt. Er leide unter Durchschlafstörungen, innerer Unruhe und Schweißausbrüchen. Diese Symptome hätten sich nach einem erlittenen Herzinfarkt und im Jahre 2004 durchgeführter Bypass-Operation eigentlich noch verschlimmert. Es liege eine ausgeprägte Angststörung sowie eine schwere Anpassungsstörung vor; leider sei eine Chronifizierung eingetreten. 17Am 18. Januar 2008 beauftragte das Sozialgericht E. in dem bereits erwähnten Rechtsstreit den Orthopäden Dr. U. B. aus F. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens und beauftragte ihn zugleich, von dem Neurologen und Psychologen Dr. X1. aus F. ein Zusatzgutachten einzuholen. In seinem fachorthopädischen Gutachten vom 15. Mai 2008 gab Herr Dr. B. die Klagen des Klägers u.a. wie folgt wieder: 18„Erheblich eingeschränkt bin ich durch die psychische Belastung seit dem Überfall 2000. Die Panikattacken und Angstzustände überfallen mich seit 2005, seit dem bin ich auch in ständiger psychiatrischer Behandlung, bei Dr. A. . Weiter habe ich Angst, dass die Bypässe, die ich nach einem Herzinfarkt im Dezember 2003 und im Januar 2004 erhalten habe, sich wieder verschließen könnten.“ 19In seinem zuvor gefertigten, im vorgenannten Gutachten berücksichtigten Zusatzgutachten hielt der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Herr Dr. med. Dipl.-Psych. X1. unter dem 2. April 2008 in anamnestischer Hinsicht u.a. folgende Angaben des Klägers fest: Bei dem Überfall sei er allein in der Filiale gewesen. Nach dem Überfall sei er zunächst völlig fertig gewesen, nichts sei mehr gegangen, dennoch habe er nachmittags ab 15.00 Uhr wieder die Filiale geöffnet. Er habe dann seinen Hausarzt konsultiert, der Blutdruck sei steil nach oben gegangen, Magen- und Darmprobleme hätten sich eingestellt. Nach seinem Herzinfarkt sei er dann 2003 in die Essener Hauptpost versetzt worden und habe dort mehrere Angst- und Panikattacken erlitten. Wegen dieser Beschwerden habe er dann nach Überweisung durch den Hausarzt Herrn Dipl.-Med. A. aufgesucht. Er sei heute immer noch gerne bei der Post, fühle sich auch in der Hauptpost im Bereich des Schalters wohl, habe guten Kontakt zu den Kollegen. Bedrohlich sei für ihn allerdings der Anblick von „vermummten“ Leuten vor dem Schalter oder in der Schalterhalle. Erblicke er „vermummte“ Kunden, dann erlebe er, ohne dass er sich dagegen wehren könne, Angst und Panik, Herzrasen, Schweißausbrüche, Luftnot und müsse dann – nicht selten – sofort aus dem Schalter raus, um nicht eventuell zusammenzubrechen. Die Angst habe dazu geführt, dass er mit dem Rauchen aufgehört habe; er habe auch Angst, dass die Bypässe sich wieder verschließen könnten. Der Gutachter diagnostizierte (sachlich ausdrücklich übereinstimmend mit der Diagnose des Herrn Dipl.-Med. A. vom 18. September 2006) eine bei dem Kläger vorliegende „Anpassungsstörung mit ängstlich-depressiver Färbung und Neigung zur Somatisierung, ICD – 10: F 43.2 G“. In der Zusammenfassung hielt er u.a. fest: 20„Nach einem Überfall auf die damals von ihm geführte Postfiliale in F. -G. entwickelte er zunächst im Sinne einer Belastungsreaktion psychosomatische und psychovegetative Störungen und eine hypertone Blutdrucklage. 21In der Folge war dann eine Stent-Implantation (2 Stents) wegen coronarer Herzkrankheit notwendig und noch später (Januar 2004) – nach einem Hinterwandinfarkt – eine Bypass-Operation (3 Bypässe) unumgänglich. 22Auf dem Boden der vorgenannten gravierenden Belastungen entwickelten sich Anpassungsstörungen mit Neigung zur Somatisierung und ängstlich-depressiver Färbung, wobei die Ängste vielschichtig sind, einerseits bezogen auf die Traumatisierung im Rahmen des Überfalls (Ängste und Panik beim Anblick „vermummter“ oder sonst für ihn auffälliger Kunden) und andererseits Ängste bezogen auf die Bypass-Situation und dabei vor allem die Angst, die Bypässe könnten sich wieder verschließen (Angst vor dem Tod).“ 23Zum Krankheitsverlauf auf seinem Fachgebiet führte der Gutachter aus, „dass spätestens im Laufe des Jahres 2005 die Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet ein Ausmaß angenommen“ hätten, das vom Hausarzt nicht mehr habe alleine behandelt werden können. 24Zu Durchführung einer von Herrn Dipl.-Med. A. veranlassten stationären Rehabilitationsmaßnahme befand sich der Kläger vom 18. August 2008 bis zum 13. September 2008 in der C2. -Klinik C. U1. . In dem Entlassungsbericht der Dres. I1. , L. -I1. und H. an den Hausarzt des Klägers vom 13. Oktober 2008 ist als Diagnose u.a. festgehalten: „Posttraumatische Belastungsstörung mit langer depressiver Reaktion (F 32.0)“. Nach dem Bericht gab der Kläger an, seit dem Überfall an einer Angststörung zu leiden. Es bestehe auch eine Problematik am Arbeitsplatz; er müsse größere Menschenmengen wie etwa bei Konzerten meiden und fühle sich durch Stress und kleine außergewöhnliche Belastungen schnell aus der Bahn geworfen, wie z.B. vermummte Personen oder aggressive Kunden. 25Mit Schreiben vom 23. Oktober 2008 beantragte der Kläger im Hinblick auf den Dienstunfall vom 16. Februar 2000 Unfallausgleich und führte zur Begründung aus: Der Dienstunfall habe schon früh zu gesundheitlichen Problemen geführt, in deren Folge die Eingriffe am Herzen zu sehen seien. Seit Mai 2005 sei eine posttraumatische Belastungsstörung durch Frau Prof. Dr. I. diagnostiziert. 26Herr Dipl.-Med. A. führte in seinem Fachärztlichen Behandlungsbericht vom 30. Juli 2009 u.a. aus: Der Kläger habe ihm bei Beginn der Behandlung im Jahre 2005 das Folgende berichtet: Am 16. Februar 2000 habe sich sein bisheriges Leben völlig verändert. An diesem Tag sei seine Poststelle überfallen worden. Er habe u.a. unter fürchterlichen Ängsten gelitten und habe nicht mehr schlafen können. Kurze Zeit später (April bzw. September 2000) seien ihm Stents gesetzt worden. Körperlich habe er sich dann eigentlich ganz gut wieder erholt, allerdings habe er schon damals zunehmend unter Schlafstörungen und teilweise massiven Alpträumen gelitten. Trotzdem sei er arbeiten gegangen. In der Zeit um Sylvester 2003 habe er nach Angaben von Frau Prof. Dr. I. sehr wahrscheinlich einen Herzinfarkt erlitten; 2004 habe dann eine Bypass-Operation erfolgen müssen. Weiter berichtete Herr Dipl.-Med. A. : Bei der Erstvorstellung habe der Kläger eine deutlich bedrückte Stimmungslage geboten und sei in der affektiven Schwingungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen. Er habe über massive Durchschlafstörungen, innere Unruhe, Konzentrationsstörungen, Antriebsminderung sowie panikartig auftretende Angstgefühle geklagt. Seither erfolgten eine angst- und depressionslösende Medikation mit Insidon sowie verhaltensorientierte Gespräche. Das Beschwerdebild auf seinem Fachgebiet habe sich zwar gebessert, es sei jedoch trotz der erfolgten Behandlung nebst kardiologischen Reha-Maßnahmen immer noch deutlich instabil. Der Kläger reagiere auf nur kleinere außergewöhnliche Belastungen im Alltagsleben mit einer sofortigen Verschlechterung des psychischen und auch physischen Befindens und klage dann über zunehmende Ängste, Unruhe, Konzentrationsstörungen, Durchschlafstörungen und Nervosität. Auch berichte er immer wieder über häufiges und intensives Wiederdurchleben des Überfalls in Form von Alp- oder Tagträumen. Obwohl der Kläger seiner Arbeit gern nachgehe, sei es wiederholt im Sinne von akuten Kriseninterventionen notwendig gewesen, ihn vorübergehend für arbeitsunfähig zu erklären. Zusammenfassend hieß es: 27„Zusammenfassend handelt es sich bei Herrn C. diagnostisch am ehesten um eine posttraumatische Belastungsstörung mit einer lang andauernden depressiv-ängstlichen Reaktion. Gleichzeitig besteht eine zum Teil erhebliche Somatisierungstendenz. Die psychischen Störungen werden durch die zusätzlichen körperlichen Erkrankungen insgesamt noch kompliziert.“ 28Unter dem 7. August 2009 beauftragte die Beklagte den fachärztlichen Berater der Unfallkasse Post und Telekom, den Neurologen und Psychiater Dr. N1. , mit der Begutachtung des Falles nach Aktenlage. Dieser führte unter dem 17. September 2009 aus: Der Überfall sei nicht rechtlich wesentlich für die geklagten psychischen Beschwerden. Die Angstsymptomatik nach dem Überfall habe sich offensichtlich gebessert bzw. sei ohne Auswirkung auf den beruflichen Alltag des Klägers. Eindeutig abgrenzbar durch die Herzoperation 2005 (Anmerkung des Senats: richtig ist „2004“) sei eine schwere Angstneurose manifest geworden, hier lasse sich eindeutig belegen, dass die Verschlechterung und Behandlungsbedürftigkeit durch ein andere Lebensereignis bedingt worden sei, wenn es auch im Rahmen der psychischen Auseinandersetzung zu einer neuerlichen Auseinandersetzung mit dem Überfall gekommen sei. Aktuell liege eine schwere Angstneurose vor, welche rechtlich nicht wesentlich auf den Dienstunfall zurückzuführen sei. Notwendig sei aktuell eine Psychotherapie. Sollte es in deren Rahmen erforderlich werden, den Unfall noch einmal zu bearbeiten, so wäre es kulanterweise sinnvoll, die Kosten für eine solche Traumatherapie von der Unfallkasse über zehn Stunden zu übernehmen. Die Folgen der psychischen Auseinandersetzung mit den Folgen des Unfalls seien als weitgehend abgeklungen aufzufassen und bedingten keine Minderung der Erwerbsfähigkeit. 29In ihrem hierauf erlassenen, auf die Stellungnahme des Herrn Dr. N1. gestützten Bescheid vom 9. Oktober 2009 führte die Beklagte in den Entscheidungssätzen aus, dass (1.) die Angstneurose nicht rechtlich wesentlich auf den Dienstunfall zurückzuführen sei und dass (2.) Unfallausgleich nicht gewährt werde. 30Hiergegen erhob der Kläger am 21. Oktober 2009 Widerspruch. Zur Begründung legte er ein Attest seines Hausarztes vom 18. November 2009 vor, in dem es u.a. hieß: Der Kläger habe sich bei dem Überfall ein schweres Psychotrauma zugezogen. Bei der Untersuchung des Klägers am Folgetag des Überfalls seien neben Herzkreislaufproblemen (RR 180/100 mm Hg. Puls 102/min.) deutliche nervöse Unruhe- und Angstzustände aufgetreten, wie sie nach derartigen Traumata üblich seien. Diese Symptome sowie Herzrasen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen hätten in einem derartigen Umfang persistiert, dass er den Kläger bis zum 25. März 2000 krankgeschrieben habe. Da die Herzbeschwerden i.S. einer Angina pectoris – sicherlich mitverursacht durch den Überfall – in der unmittelbaren Folgezeit zugenommen hätten, sei am 5. April 2000 ein Belastungs-EKG durchgeführt worden, das deutlich pathologisch ausgefallen sei. Bei der daraufhin eingeleiteten stationären Krankenhausbehandlung sei dann die koronare Herzkrankheit festgestellt worden, welche in der Folgezeit das weitere Geschehen im Wesentlichen bestimmt habe. Dem Behandlungsbericht von Herrn Dipl.-Med. A. sei zu entnehmen, dass es sich bei der Erkrankung des Klägers aus psychiatrischer Sicht um eine posttraumatische Belastungsstörung mit reaktiver Depression handele. Abschließend führte der Hausarzt aus: 31„Das psychische Trauma des Überfalls, nicht die Reaktion auf die kurze Zeit später diagnostizierte Herzerkrankung, stellt den auslösenden Faktor für die Gesundheitsstörung meines Pat. dar, natürlich massiv verstärkt durch die Diagnose und die sich anschließenden Behandlungen der Herzerkrankung. Insofern ist als auslösender Faktor der psychischen Erkrankung von Herrn B. meines Erachtens eindeutig der Dienstunfall vom 16.02.2000 zu sehen.“ 32Ergänzend begründete der Kläger seinen Widerspruch wie folgt: Aus dem Attest gehe hinreichend klar hervor, dass sich die psychische Symptomatik infolge des Überfalls rapide verfestigt habe und nachdrücklich bereits vor dem Auftreten der somatischen Beschwerden aufgetreten sei. Die Ehefrau des Klägers habe sich bei der Besprechung des Ablehnungsbescheides mit dem (damaligen) Bevollmächtigten daran erinnert, schon sehr bald nach dem Ereignis Verhaltensauffälligkeiten bei dem Kläger beobachtet zu haben, u.a. Schlaflosigkeit, Schreien und Umsichschlagen im Schlaf. Sie erinnere sich hieran, weil sie damit nicht habe umgehen können und weil die Auffälligkeiten begonnen hätten, das Familienleben und auch ihre eigene Gesundheit zu beeinträchtigen. Sie habe deshalb seinerzeit ihren Hausarzt aufgesucht, dessen Nachfolger aber leider kein älteres Befundmaterial mehr habe. 33Mit Bescheid vom 21. September 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Der Dienstunfall sei nicht die rechtlich wesentliche (Teil-) Ursache der geltend gemachten psychischen Beschwerdesymptomatik, und Unfallausgleich könne dementsprechend mangels einer unfallbedingten MdE nicht gewährt werden. Nach der Stellungnahme des fachärztlichen Beraters der Unfallkasse Post und Telekom (vom 17. September 2009) sei die vorliegende schwere Angstneurose nicht in rechtlich erheblicher Weise durch den Dienstunfall verursacht worden, sondern durch die zwingend in Betracht zu ziehende Alternativursache der Manifestation bzw. Diagnose der koronaren Herzerkrankung. Bestätigt werde das auch durch den Entlassungsbericht der O. Reha-Klinik St. Q. -P. vom 14. Juni 2006, nach dem die rezividierenden depressiven Verstimmungen mit Angstzuständen und Schlafstörungen vorrangig seit Manifestation der koronaren Herzerkrankung bestünden. Der Hausarzt des Klägers hingegen unterscheide in seinem Attest vom 18. November 2009 nicht zwischen der Diagnosestellung einer posttraumatischen Belastungsstörung und der Begründung des Ursachenzusammenhangs zwischen der festgestellten psychischen Erkrankung mit dem angeschuldigten Unfallereignis. Er schließe aus der von Herrn Dipl.-Med. A. gestellten Diagnose auf eine zwingende Ursächlichkeit des Dienstunfalls, ohne ausreichend die anderen in Betracht kommenden Ursachen zu erwägen, die gerade bei einer psychischen Erkrankung von besonderer Bedeutung seien. 34Der Kläger hat am 22. Oktober 2010 Klage erhoben und diese wie folgt begründet: Entgegen der Ansicht der Beklagten sei der Dienstunfall das auslösende Moment für die geklagte psychische Beschwerdesymptomatik und auch für die Herz-, Blutdruck- und Magenproblematik gewesen. Er sei durch den Überfall traumatisiert. Belegt werde dies schon durch die lange Krankschreibung nach dem Überfall (17. Februar 2000 bis 25. März 2000). Daran habe sich auf Anraten seines Hausarztes ein einwöchiger Urlaub in Tirol angeschlossen, damit er wieder ein „sicheres Gefühl“ bekomme. Danach sei er im Jahre 2000 noch häufiger krankgeschrieben gewesen, vor allem wegen Angstzuständen, Schlafstörungen und Unwohlsein, so dass er vom 18. Oktober 2000 bis zum 15. November 2000 gemeinsam mit seiner Ehefrau einen Kuraufenthalt in C. L1. wegen somatischer Beschwerden absolviert habe. Die Traumatisierung habe sich auch auf seine dienstliche Tätigkeit ausgewirkt. So habe er bereits ab März 2000 – d.h. sofort nach Wiederaufnahme des Dienstes – Panikattacken bekommen, unter welchen er übrigens noch heute leide. Ausgelöst würden diese Attacken durch dunkel gekleidete Personen, deren Gesicht nicht erkennbar sei (Motorradhelm, Hut, Schleier) und die sich seinem Schalter näherten. Dann schließe er sofort seinen Schalter und begebe sich in einen aus seiner Sicht geschützten Bereich. Aufgrund der regelmäßigen Angstattacken sei er nach Ansicht seines Chefs in der Zwei-Mann-Filiale in G. nicht mehr tragbar gewesen und deshalb 2001 in die Großfiliale im L2. -Center B1. versetzt worden. Dort habe er sich sicherer gefühlt, weil dort regelmäßig 5 bis 6 Postbeamte eingesetzt gewesen seien und ein Wachdienst tätig gewesen sei. Gleichwohl sei es auch dort zu Panikattacken gekommen. Wegen Schließung der Filiale in B1. werde er seit 2002 in der Großfiliale am Hauptbahnhof eingesetzt. Aus seiner Sicht sei dort ein Brennpunkt von „vermummten Personen“. Deshalb sei er ständig auf die Tür fixiert, um zu kontrollieren, wer dort hereinkomme. Schon eine Person in Ganzkörperschleier löse eine solche Attacke aus. Bis heute begleite ihn der Überfall; auch in seinem Privatleben sei er erheblich beeinträchtigt. An Tagen mit Angstattacke führe er noch immer zwei- bis fünfstündige Gespräche mit seiner Ehefrau und den Kindern. Er träume häufig von Bedrohungssituationen, aus denen er nicht herauskönne, insbesondere bei vorangegangenen Belastungssituationen. Er schlafe dann erkennbar unruhig und habe auch schon seine Ehefrau im Schlaf attackiert bzw. eine Abwehrhaltung gezeigt. Einschlaf- und Durchschlafprobleme seien an der Tagesordnung. Hierdurch und durch die Medikation (Schlaftabletten, Insidon) stehe er auch im Dienst immens unter Druck und sei häufig krank. Der Unfall habe ihn krank gemacht. Er habe in 2000 versucht, über den Schatten zu springen; er habe so schnell wie möglich in die Normalität zurückgewollt, und er und sein Hausarzt seien damals der Ansicht gewesen, dass eine symptomatische Behandlung insoweit ausreichen werde. Erst nachdem der Leidensdruck immer größer geworden sei und der Hausarzt sich nicht mehr in der Lage gesehen habe, ihn angemessen zu behandeln, habe dieser ihn an den Facharzt Dipl.-Med. A. überwiesen. Der Umstand, dass er erst so spät einen Facharzt wegen seiner psychischen Probleme aufgesucht habe, spreche nicht gegen die Ursächlichkeit des Dienstunfalls für die Belastungsstörung. 35In der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2012 hat der Kläger die Sachanträge gestellt, 361. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Oktober 2009 und des Widerspruchs-bescheides vom 21. September 2010 zu verpflichten, die schwere Angstneurose / posttraumatische Belastungsstörung mit reaktiver Depression und Somatisierungstendenz als Folge des Dienstunfalls vom 16. Februar 2000 anzuerkennen, und 372. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Oktober 2009 und des Widerspruchsbe-scheides vom 21. September 2010 zu verpflich-ten, ihm Unfallausgleich entsprechend einer Min-derung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 30 % zu gewähren. 38Die Beklagte hat beantragt, 39die Klage abzuweisen. 40Zur Begründung hat sie auf den Inhalt der angegriffenen Bescheide Bezug genommen und ergänzend ausgeführt: Der Dienstunfall sei nicht die rechtlich wesentliche Ursache der geklagten psychischen Beschwerden. Zwar sei es durch das Unfallereignis nach den Schilderungen des Hergangs und den erhobenen ärztlichen Befunden bei dem Kläger zu psychischen Reaktionen gekommen; diese seien aber offenbar nicht so gravierend gewesen, dass der Kläger schon zu dieser Zeit eine psychologische oder psychiatrische Behandlung für notwendig gehalten habe. Erst nachdem bei ihm eine koronare Herzerkrankung diagnostiziert und operativ behandelt worden sei, habe der Kläger eine anhaltende psychische Störung in Form von Ängsten entwickelt, welche ihn erst im November 2005 veranlasst habe, eine psychiatrische Behandlung zu beginnen. 41Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Kern ausgeführt: Der Kläger habe nicht den notwendigen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Dienstunfall und der behaupteten Dienstunfallfolge nachgewiesen. Denn psychische Beschwerden seien bei dem Kläger nicht schon nach dem Überfall, sondern erst nach der Manifestation der Herzerkrankung aufgetreten. Gegen den Ursachenzusammenhang spreche zudem der späte Diagnosezeitpunkt (Mai 2005), da eine posttraumatische Belastungsstörung in der Regel mit einer Latenz von Wochen bis Monaten nach dem Trauma ausbreche. Die Gewährung von Unfallausgleich scheitere daran, dass eine etwaige Minderung der Erwerbsfähigkeit (jedenfalls) nicht infolge des Dienstunfalles aufgetreten sei. 42Mit Beschluss vom 19. Februar 2014 hat der Senat die Berufung wegen Durchgreifens der Aufklärungsrüge zugelassen. In der – ersten – mündlichen Verhandlung vom 12. November 2014 hat er sodann die Ehefrau des Klägers sowie Frau V. N2. (frühere Kollegin des Klägers im Schalterdienst) und Herrn K. X2. (früherer Vorgesetzter des Klägers) als Zeugen zu Veränderungen/Auffälligkeiten im Verhalten des Klägers nach dem Dienstunfall gehört; auf das Protokoll dieser mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen. Nachfolgend hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, das Univ.-Prof. Dr. med. Dr. rer. soc. T. , Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Universitätsklinikum B2. erstellt hat. Der Gutachter kommt in dem von ihm vorgelegten, hier in Bezug genommenen psychiatrischen Gutachten vom 1. April 2015 nebst Bericht über die testpsychologische Zusatzuntersuchung im Kern zu folgenden Ergebnissen: Bei dem Kläger liege eine Agoraphobie mit Panikattacken (ICD-10: F40.01) vor. Die Kriterien einer depressiven Episode seien zum Untersuchungszeitpunkt nicht erfüllt, wohl aber in der Vergangenheit zu verschiedenen Zeitpunkten. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung könne ebensowenig gestellt wie die mehr als nur geringfügiger somatoformer Beschwerden. Die beklagten Angst- und Paniksymptome seien in ihrer Gesamtheit als Folge des Dienstunfalls zu werten. Die Herzerkrankung mit der nachfolgenden Behandlung könne sicherlich als komplizierender Faktor für die Angsterkrankung gewertet werden, nicht aber als ursächlicher Faktor. Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit sei im Zeitraum vom 16. Februar 2000 bis zum 21. September 2010 (und bis heute) mit 30 v.H. anzusetzen. In der nachfolgenden – zweiten – mündlichen Verhandlung vom 23. November 2015 hat der Sachverständige sein Gutachten näher erläutert; auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen. 43Zur Begründung seiner Berufung wiederholt der Kläger der Sache nach sein (vom Verwaltungsgericht nicht hinreichend berücksichtigtes) Sachvorbringen erster Instanz, welches insgesamt belege, dass die posttraumatische Belastungsstörung schon seit dem Dienstunfall vorgelegen habe und dass die nachfolgende Herzerkrankung quasi nur der Tropfen gewesen sei, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. In Ergänzung des erstinstanzlichen Vortrags macht er ferner geltend: Eine fachpsychiatrische Behandlung habe er vor Aufsuchen des Herrn Dipl.-Med. A. aus Scham abgelehnt; außerdem habe er großes Vertrauen zu seinem langjährigen Hausarzt gehabt und auch deswegen insoweit einen anderen Arzt nicht konsultieren wollen. Schließlich hätten er und sein Hausarzt zunächst die Hoffnung gehabt, die medizinische (gemeint: psychische) Problematik in den Griff zu bekommen. Der späte Diagnosezeitpunkt erlaube – natürlich – nicht zwingend den Rückschluss, dass die Erkrankung nicht schon vorher (noch unerkannt) vorgelegen habe. Der Stellungnahme der Beklagten zu dem Sachverständigengutachten hält der Kläger im Kern entgegen: Die behauptete Widersprüchlichkeit des Gutachtens liege nicht vor, da die Herzerkrankung die diagnostizierte Störung nach dem Gutachten gerade nicht ausgelöst habe. Vollbeweislich zu sichern sei nur der erste Verletzungserfolg (Primärschaden), der hier in der erlittenen Prellung liege. Die weiteren, sich erst entwickelnden psychischen Beeinträchtigungen unterlägen (nur) dem Beweismaßstab des § 287 ZPO. Die von dem Beratungsarzt vermissten Brückensymptome lägen vor. So habe die Ehefrau des Klägers als Zeugin bekundet, dass der Kläger bereits unmittelbar nach dem Dienstunfall ein extrem gestörtes Schlafverhalten und Furcht vor Menschenansammlungen gezeigt habe. An einer fachärztlichen Sicherung dieser Symptome bis 2005 fehle es nur aus den bereits dargelegten und von der angeführten Zeugin glaubhaft geschilderten Gründen. Zudem ergebe sich aus dem Gutachten, dass die ersten Kriterien für die Agoraphobie bereits unmittelbar nach dem Dienstunfall vorgelegen hätten (Verweis auf den Arztbericht auf S. 5 des Gutachtens: Herzrasen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen; Wiedergabe der Exploration auf S. 22 des Gutachtens, wonach der Kläger am Tag nach dem Überfall zittrig gewesen sei, starke Ängste gehabt habe und es ihm nicht gelungen sei, die Filiale aufzuschließen). 44Der Kläger beantragt, 45das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Oktober 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2010 zu verpflichten, 46 471. die geklagten psychischen Beschwerden (Agoraphobie mit Panikattacken) als Folge des Dienstunfalls vom 16. Februar 2000 anzuerkennen und 48 492. ihm Unfallausgleich nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 30 v.H. zu gewähren. 50Die Beklagte beantragt, 51die Berufung zurückzuweisen. 52Zur Begründung bekräftigt sie ihr bisheriges Vorbringen und macht unter Vorlage einer Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. N1. (Neurologe und Psychiater) ergänzend geltend: Das Sachverständigengutachten sei nicht geeignet, eine wesentliche (Mit-) Ursächlichkeit des Dienstunfalls zu beweisen. Die Kernaussage des Gutachters zur Ursächlichkeit sei schon in sich widersprüchlich. Denn dieser nehme die alleinige Ursächlichkeit des Dienstunfalls an, gehe der Sache nach aber zugleich von einer Mitursächlichkeit der Herzerkrankung aus. Zudem sei die Beweisfrage 1. b) nicht ordnungsgemäß beantwortet. Denn die geforderte Gewichtung der in Betracht kommenden Ursachen könne nicht durch die schlichte Behauptung der alleinigen Ursächlichkeit des Dienstunfalls umgangen werden. Näheres ergebe sich aus der beratungsärztlichen Stellungnahme, welche sich die Beklagte ausdrücklich zu eigen mache. Dort ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Diagnose einer Agoraphobie mit Panikattacken sei zutreffend. Das gelte auch für den angesetzten Beginn dieser Störung (November 2005), weil zuvor das eindrückliche Krankheitsbild einer Agoraphobie mit Panikattacken, welches in der Regel zu häufigen Arztkontakten meist somatischer Natur führe, weder dem Gutachten noch den Akten zu entnehmen sei. Zu hinterfragen sei aber die Kausalitätsbetrachtung, da sie ohne Begründung erheblich von der wissenschaftlichen Standardliteratur abweiche. Zweifel ergäben sich zunächst aus der langen Latenz der Symptome bis zum 25. November 2005. Nach der Sk2-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen AWMF – Registernummer 051/029 ergebe sich aus der maßgeblichen Literatur primär kein Hinweis darauf, dass die vorliegende Störung nach ICD-10 F:40.01 durch einen Unfall oder ein Trauma ausgelöst werden könne. Nach Auswertung der Akten und des Gutachtens fehle es an aber Brückensymptomen für die Zeit vom Dienstunfall bis 2005. Der Gutachter habe eine initiale Anpassungsstörung schon nicht diagnostiziert. Gehe man aber auf der Grundlage der Schilderung des Hausarztes von einer solchen aus, so klinge diese nach „Statement 13“ der erwähnten Sk2-Leitlinie nach einmaligen psychischen Traumen spätestens nach 2 Jahren ab; länger anhaltende Anpassungsstörungen seien nur bei anhaltendem – hier aber nicht erkennbarem – Stressor (z.B. anhaltende schwere körperliche Schädigungsfolgen) zu diagnostizieren und ggf. als Schädigungsfolge anzuerkennen. Falle die vorliegende Störung unter „Statement 16“ der Sk2-Leitlinie, so ergebe sich die Notwendigkeit der ausführlichen Diskussion der schädigungsunabhängigen konkurrierenden Faktoren, hier also der schweren koronaren Herzerkrankung mit Luftnot und Herzbeschwerden bis hin zur notwendigen Bypass-Operation. Eindeutige Hinweise ergäben sich insoweit aus der Anamnese, denn die psychischen Symptome hätten ab 2002/2003 in Verbindung mit den Herzbeschwerden deutlich zugenommen. Mit zeitlicher Latenz zum Schädigungsereignis auftretende psychische Symptome seien nach „Statement 17“ der Sk2-Leitlinie im Allgemeinen nur dann als – gutachterlich stets zu sichernder – Primärschaden zu werten, wenn ein auch nach objektiven Kriterien katastrophales Ereignis vorgelegen habe, dass erst mit Verzögerung dem bewussten Erleben zugänglich geworden sei. Das Vorliegen dieser Voraussetzung habe der Gutachter nicht überzeugend nachgewiesen. Es fehle im Gutachten der notwenige Beleg dafür, dass die erst 2005 aufgetretene Störung auf den Dienstunfall und nicht auf die Symptome der Herzkrankheit zurückzuführen sein soll, zumal nach der S3-Leitlinie Behandlung von Angststörungen in der wissenschaftlichen Literatur üblicherweise in der Regel eher physiologische Faktoren als Auslöser einer Agoraphobie mit Panikattacken angesehen werden. Nach der S3-Leitlinie seien bei Patienten mit einer Panikstörung in den letzten 12 Monaten vor der ersten Panikattacke signifikant mehr belastende Lebensereignisse festgestellt worden als bei Kontrollpersonen; potentiell todbringende Krankheiten wie die koronare Herzerkrankung erzeugten hingegen reale Angst, welche indes typischerweise auf Anpassungsstörungen, nicht aber auf Angststörungen führe. Angesichts dieser Literaturlage überrasche es, dass der Gutachter ausschließe, dass die ab 2005 aufgetretenen Panikattacken sich aus einer erst im Gefolge der Herzerkrankung aufgetretenen Anpassungsstörung entwickelt haben könnte, zumal diese auch vom zeitlichen Bezug her doch deutlich plausibler wäre. Hinsichtlich der vom Gutachter festgestellten MdE sei zum einen zu fragen, weshalb diese bereits ab 2000 vorliegen solle, obwohl die Agoraphobie nach den Feststellungen erst seit 2005 gegeben sei. Zum anderen erscheine die angesetzte MdE von 30 v.H. begründungsbedürftig hoch angesetzt; nach Schönberger et al., Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 157 sei bei zeitlich begrenzten Attacken nämlich nur von einer MdE i.H.v. 20 v.H. auszugehen. 53Unter dem 18. Juli 2014 bzw. dem 28. Juli 2014 haben die Beklagte bzw. der Kläger erklärt, auch nach der erfolgten Zulassung der Berufung mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO) einverstanden zu sein, und der Berichterstatter hat von dieser ihm eingeräumten Befugnis nachfolgend durch die Ladung zur – ersten – mündlichen Verhandlung nach außen erkennbar Gebrauch gemacht. 54Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (3 Hefte) Bezug genommen. 55Entscheidungsgründe: 56Die zulässige Berufung ist begründet. 57Die insgesamt als Verpflichtungsklage statthafte und auch ansonsten zulässige Klage ist mit beiden in der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2015 gestellten Anträgen begründet (dazu nachfolgend A. und B.). 58A. Begründet (dazu nachfolgend II.) ist zunächst die – im Berufungsverfahren nicht geänderte (dazu nachfolgend I.) – Klage mit dem im Klageantrag zu 1. formulierten Anerkennungsbegehren. 59I. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten liegt in der Neufassung des Klageantrags zu 1. in der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2015 keine Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO. Denn der Klagegrund hat sich hierdurch nicht verändert; er ist im Laufe des gesamten Gerichtsverfahrens vielmehr unverändert geblieben. Ausweislich des in der Klageschrift vom 21. Oktober 2010 angekündigten einschlägigen Klageantrags war das (dem Sachbegehren im Verwaltungsverfahren entsprechende) Sachbegehren des Klägers insoweit darauf gerichtet, die bei ihm „vorliegende psychische Beschwerdesymptomatik (schwere Angstneurose/ posttraumatische Belastungsstörung mit reaktiver Depression und Somatisierungstendenz)“ als Folge des „Arbeitsunfalls vom 16.02.2000 anzuerkennen“. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger sodann einen dem inhaltlich entsprechenden Verpflichtungsantrag gestellt, indem er beantragt hat, die schwere Angstneurose/posttraumatische Belastungsstörung mit reaktiver Depression und Somatisierungstendenz als Folge des Dienstunfalls vom 16. Februar 2000 anzuerkennen; dem wiederum entsprach der in der Berufungsbegründungsschrift vom 7. März 2014 formulierte Antrag zu 1. In der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12. November 2014 hat der Kläger sodann auf Anraten des Gerichts die anzuerkennenden Dienstunfallfolgen in dem Verpflichtungsantrag zu 1. wieder – der Sache nach dem Antrag in der Klageschrift entsprechend – als „die geklagten psychischen Beschwerden (schwere Angstneurose/ posttraumatische Belastungsstörung mit reaktiver Depression und Somatisierungstendenz)“ bezeichnet. Von diesem mithin bis dahin durchgängig verfolgten Sachbegehren ist der Kläger in der letzten mündlichen Verhandlung nicht abgewichen. Denn der nunmehr gestellte Antrag, die Beklagte zu verpflichten, „die geklagten psychischen Beschwerden (Agoraphobie mit Panikattacken) als Folge des Dienstunfalls vom 16. Februar 2000 anzuerkennen“, hat nach wie vor die Anerkennung der geklagten psychischen Beschwerden als Dienstunfallfolge zum Gegenstand. Die Konkretisierung dieser psychischen Beschwerden durch den Klammerzusatz ändert daran nichts. Sie ist allein dem Umstand geschuldet, dass der Kläger seine psychischen Beschwerden erstmals nach dem Vorliegen der (grundsätzlich auch vom Beratungsarzt der Beklagten für zutreffend gehaltenen) Diagnose des Sachverständigen eindeutig bezeichnen konnte, während ihm zuvor eine Vielzahl sich teilweise widersprechender Diagnosen gestellt worden war, welche er in den früheren Klammerzusätzen deshalb nur beispielhaft anführen konnte und angeführt hat. 60II. Der Kläger hat gemäß den §§ 45 Abs. 3 Satz 2, 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG einen Anspruch (dazu nachfolgend 1.) gegen die Beklagte, dass diese seine nunmehr als Agoraphobie mit Panikattacken identifizierte bestehende psychische Erkrankung als Folge des Dienstunfalls (dazu nachfolgend 2.) vom 16. Februar 2000 anerkennt. Die Beklagte ist daher verpflichtet, den entgegenstehenden Bescheid vom 9. Oktober 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2010 entsprechend abzuändern (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 611. Nach § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG entscheidet die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle u. a. darüber, ob ein Dienstunfall im Sinne des § 31 BeamtVG vorliegt. Die daraus abzuleitende Entscheidungsbefugnis umfasst auch die Entscheidung darüber, ob bestimmte Leiden (und ggf. welche) Folge eines als Dienstunfall anerkannten bzw. anzuerkennenden Ereignisses sind. Hierüber kann bereits in dem Anerkennungsbescheid oder durch gesonderten Verwaltungsakt entschieden werden. Der betroffene Beamte hat gegenüber seinem Dienstherrn auch einen Anspruch auf eine solche Entscheidung. Das gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – Streit darüber besteht, ob ein bestimmter Körperschaden Dienstunfallfolge ist, und der Dienstherr insoweit eine Anerkennung bereits abgelehnt hat. 62Vgl. das Senatsurteil vom 23. Mai 2014– 1 A 1988/11 –, juris, Rn. 47 f. 632. Die geklagte psychische Erkrankung des Klägers (Agoraphobie mit Panikattacken) ist Folge des Dienstunfalls. 64Ein Dienstunfall ist nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Ein Körperschaden in diesem Sinne liegt vor, wenn der Gesundheitszustand eines Menschen für eine bestimmte Mindestzeit ungünstig verändert ist und diese Veränderung (auch sonst) nicht nur Bagatellcharakter hat, sondern aus medizinischer Sicht Krankheitswert besitzt. 65Vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 22. April 2009 – 1 A 155/08 –, juris Rn. 27, und OVG NRW, Urteil vom 28. November 2014– 1 A 1860/14 –, DÖD 2015, 104 = juris, Rn. 44 f., m. w. N.; dazu, dass auch eine (nicht unerhebliche) Verletzung der seelischen Integrität – also eine psychische Störung – einen Körperschaden darstellt, vgl. Groepper/Tegethoff, in: Plog/ Wie-dow, Bundesbeamtengesetz, Stand: Oktober 2015, BeamtVG § 31 Rn. 44, und Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 8. Aufl. 2013, § 14 Rn. 11, jeweils m. w. N. – 66Ein Dienstunfall liegt deshalb unter anderem auch dann vor, wenn der Betroffene in Ausübung oder infolge des Dienstes eine solche psychische, Krankheitswert aufweisende Gesundheitsstörung erleidet, die unmittelbar (also nicht erst über den Zwischenschritt eines physischen Traumas) auf der Wahrnehmung eines belastenden äußeren Ereignisses beruht, welche einen psychoreaktiven Prozess in Gang gesetzt hat. Auch in einem solchen Fall liegt mit Blick auf die (begrenzte) Funktion des Merkmals äußerer Einwirkung, allein auf inneren Vorgängen des Betroffenen beruhende Körperschäden vom Begriff des Dienstunfalls auszunehmen, 67vgl. insoweit etwa Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand: Oktober 2015, BeamtVG § 31 Rn. 39, 68eine Einwirkung auf den Körper von außen vor. 69Deutlich Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 148.; jeweils dazu, dass ein Körperschaden i. S. d. § 31 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 BeamtVG in einer als Folge einer Traumatisierung eingetretenen seelischen Störung liegen kann, BVerwG, Urteile vom 29. Oktober 2009– 2 C 134.07 –, BVerwGE 135, 176 = ZBR 2010, 378 = juris, Rn. 24, und vom 25. Oktober 2012– 2 C 41.11 –, NVwZ-RR 2013, 320 = juris, Rn. 12. 70Im Dienstunfallrecht der Beamten sind als Ursache im Rechtssinne nur solche für den eingetretenen Schaden ursächlichen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise an dessen Eintritt mitgewirkt haben, die also insofern als „wesentlich“ anzusehen sind (Theorie der wesentlich mitwirkenden Ursache). Dies zielt auf eine sachgerechte Risikoverteilung. Dem Dienstherrn sollen nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit oder die nach der Lebenserfahrung auf sie zurückführbaren, für den Schaden wesentlichen Risiken aufgebürdet werden. Diejenigen Risiken, die sich aus persönlichen, von der Norm abweichenden Anlagen oder aus anderen als dienstlich gesetzten Gründen ergeben, sollen hingegen bei dem Beamten belassen werden. Dementsprechend ist der Dienstunfall dann als wesentliche Ursache im Rechtssinne anzuerkennen, wenn er bei natürlicher Betrachtungsweise entweder überragend zum Erfolg (Körperschaden) beigetragen hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Schadens hatte wie die anderen Umstände insgesamt. Wesentliche Ursache im Dienstunfallrecht kann auch ein äußeres Ereignis sein, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder (nur) beschleunigt, wenn diesem Ereignis nicht im Verhältnis zu anderen Bedingungen – zu denen auch die bei Eintritt des äußeren Ereignisses schon vorhandene Veranlagung gehört – eine derart untergeordnete Bedeutung für den Eintritt der Schadensfolge zukommt, dass diese anderen Bedingungen bei natürlicher Betrachtung allein als maßgeblich anzusehen sind. Nicht Ursachen im Rechtssinne sind demnach sog. Gelegenheitsursachen, d. h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienstunfall eine rein zufällige Beziehung besteht, wenn also die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte. Haben hieran gemessen mehrere Bedingungen im Rechtssinne einen bestimmten Erfolg (Körperschaden) herbeigeführt, so sind sie jeweils als wesentliche (Mit‑)Ursachen einzustufen. Die materielle Beweislast für den Nachweis des geforderten Kausalzusammenhangs trägt der (anspruchstellende) Beamte. Grundsätzlich bedarf es insoweit des vollen Beweises im Sinne „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“. 71Ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Oktober 2009 – 2 C 134.07 –, BVerwGE 135, 176 = ZBR 2010, 378 = juris, Rn. 26 f., vom 1. März 2007 – 2 A 9.04 –, Schütz, BeamtR ES/C II 3.5 Nr. 16 = juris, Rn. 8, und vom 18. April 2002 – 2 C 22.01 –, ZBR 2003, 140 = juris, Rn. 10, sowie Beschluss vom 23. Oktober 2013 – 2 B 34.12 –, juris, Rn. 6; ferner aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats zuletzt die Urteile vom 28. November 2014– 1 A 1860/14 –, DÖD 2015, 104 = juris, Rn. 46 f., und vom 23. Mai 2014 – 1 A 1988/11 –, juris, Rn. 50 ff., jeweils m. w. N. 72Ausgehend von diesen Maßstäben stellt die bei dem Kläger diagnostizierte, seit dem Dienstunfall bestehende Agoraphobie mit Panikattacken einen Körperschaden dar (dazu weiter unten a)), dessen alleinige Ursache im dienstunfallrechtlichen Sinne der Dienstunfall (Überfall) ist (dazu weiter unten b)). 73Das alles steht auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung des Akteninhalts, dabei insbesondere der im Berufungsrechtszug durchgeführten Beweisaufnahmen (Zeugenbefragung, Einholung des Sachverständigengutachtens und dessen Erläuterung durch den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung) zur Überzeugung des erkennenden Gerichts fest, und zwar mit dem erforderlichen Grad der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen und Bewertungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Dr. T. . Es würdigt dabei dessen gesamte Ausführungen in einer Gesamtschau, also nicht nur das vorgelegte schriftliche psychiatrische Gutachten nebst Bericht über die testpsychologische Zusatzbegutachtung, sondern auch die in der mündlichen Verhandlung gegebenen mündlichen Erläuterungen. Soweit das schriftliche Gutachten noch wegen Unklarheiten bzw. Begründungsdefiziten erläuterungsbedürftig war, hat der Gutachter die erforderlichen Erläuterungen in allen bedeutsamen Punkten in der mündlichen Verhandlung gegeben. Gerade unter Einbeziehung dieser Erläuterungen ergibt sich hier in fachlich-medizinischer Sicht insgesamt eine taugliche und hinreichend fundierte Grundlage für das Gericht, um die aufgeworfenen Fragen nach der Art und Dauer der psychischen Erkrankung und nach dem Ursachenzusammenhang auf einer zureichenden Tatsachenbasis beurteilen zu können. Das ergibt sich aus Folgendem: Der Sachverständige hat zur Überzeugung des Senats den entscheidungserheblichen Sachverhalt, soweit er ihm für die Urteilsbildung zu den Beweisfragen 1.a) und 1.b) Gewicht beigemessen hat und beimessen musste, seiner Beurteilung vollständig und zutreffend zugrunde gelegt. Er hat bei seinen Erläuterungen keine Unsicherheiten erkennen lassen oder widersprüchliche Angaben gemacht. Schließlich sind nicht ansatzweise Bedenken hinsichtlich der fachlichen Kompetenz oder Unparteilichkeit des Sachverständigen erkennbar oder geltend gemacht worden. 74a) Der Sachverständige hat bei dem Kläger eine Agoraphobie mit Panikattacken (ICD-10: F40.01) diagnostiziert und in der mündlichen Verhandlung zur Dauer dieser Erkrankung klargestellt, dass diese seiner Einschätzung nach durch das bei dem Dienstunfall (Überfall) erlebte Trauma ausgelöst worden ist und von diesem Zeitpunkt an durchgängig (jedenfalls) bis zur Untersuchung im Januar 2015 vorgelegen hat; die Begrenzung seiner Aussage auf den zuletzt genannten Zeitpunkt sei dabei lediglich dem Umstand geschuldet, dass er den Kläger nach Januar 2015 nicht mehr untersucht habe. Dies rechtfertigt ohne Weiteres die Annahme, dass dem Kläger der behauptete Anerkennungsanspruch durchgängig auch bis zu dem insoweit nach dem materiellen Recht maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung im September 2010 zugestanden hat. Auf diesen Zeitpunkt kommt es vorliegend deshalb an, weil ein Anerkennungsbegehren der vorliegenden Art von Gesetzes wegen nicht zwingend – wie hier geschehen – selbständig formuliert werden muss, die mit ihm aufgeworfene Frage vielmehr auch Gegenstand eines allein gestellten Antrags auf Gewährung von Unfallausgleich sein kann, 75vgl. insoweit die eine Streitwertbeschwerde und eine Gegenvorstellung betreffenden Senatsbeschlüsse zum Aktenzeichen 1 E 433/11 vom 20. Dezember 2012, juris, Rn. 8, und vom 28. Dezember 2012, juris, Rn. 9, 76und die Frage, ob Unfallausgleich zu gewähren ist, sich unstreitig nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung beantwortet. 77Vgl. insoweit OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2014 – 1 A 27/13 –, juris, Rn. 7 f., und Urteil vom 8. Februar 1994 – 6 A 2089/91 –, juris, Rn. 4 f., jeweils m. w. N.; ferner VG Bremen, Urteil vom 9. September 2011– 2 K 1472/10 –, juris, Rn. 41 f., und Groepper/Tegethoff, in: Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand: Oktober 2015, BeamtVG § 35 Rn. 87, jeweils m. w. N.; zu der (bejahten) Frage, ob dem Kläger, der die Anerkennung bestimmter, bereits während des Widerspruchsverfahrens ausgeheilter Beschwerden begehrt, ein Rechtsschutzinteresse zur Seite steht, vgl. das Senatsurteil vom 28. November 2014– 1 A 1860/14 –. DÖD 2015, 104 = juris, Rn. 29 ff. 78Letzteres findet seinen Grund darin, dass es, wie die Regelung des § 35 Abs.3 BeamtVG verdeutlicht, nicht Aufgabe des Gerichts ist, den für die Gewährung von Unfallausgleich maßgeblichen, ggf. Änderungen unterworfenen Gesundheitszustand des Beamten während der Dauer des gerichtlichen Verfahrens „rechtlich unter Kontrolle zu halten“. Fiele es in die Verantwortung des Gerichts, die Frage der Fortdauer der Erkrankung und des Ursachenzusammenhangs zwischen Dienstunfall und Erkrankung bis zur mündlichen Verhandlung „rechtlich unter Kontrolle zu halten“, so würde dies im Übrigen im Einzelfall zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen können. Ein Sachverständigengutachten, welches das Gericht zu der Anerkennungsfrage einzuholen hatte, wird nämlich gerade bei solchen Körperschäden, hinsichtlich derer sich künftig noch relevante Änderungen ergeben könnten, grundsätzlich keine prognostischen, d.h. über den Zeitpunkt seiner Erstellung hinausweisenden Aussagen enthalten bzw. enthalten können; dieser Umstand würde das Gericht bei Eintritt relevanter gesundheitlicher Umstände nach Vorlage des Gutachtens und vor der gerichtlichen Entscheidung aber zwingen, den Gutachter zu einer ergänzenden, u.U. sogar noch eine weitere Untersuchung erforderlich machenden Begutachtung zu veranlassen, und zwar womöglich noch innerhalb der mündlichen Verhandlung. 79Aber auch dann, wenn ein selbständiges Anerkennungsbegehren entgegen dem Vorstehenden auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu beurteilen wäre, würde sich das Ergebnis hier nicht ändern. Denn vernünftige Zweifel daran, dass der Kläger an der in Rede stehenden psychischen Erkrankung auch heute – rund 10 Monate nach der Untersuchung durch den Gutachter – leidet, sind angesichts der inzwischen 15jährigen Dauer der Erkrankung und ihres längst chronischen Charakters nicht einmal ansatzweise zu erkennen. 80Der Senat ist mit dem insoweit erforderlichen Grad der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit überzeugt, dass die gestellte Diagnose, welche auf die Annahme eines Körperschadens in der Form einer erheblichen Beeinträchtigung der seelischen Integrität führt, zutrifft, und zwar auch hinsichtlich der vom Gutachter angenommenen Dauer der Erkrankung bis Anfang 2015; in gleicher Weise ist der Senat aus den bereits angesprochenen Gründen im Übrigen, wie hier nur hilfsweise ausgeführt werden soll, überzeugt, dass die Erkrankung bis heute andauert. Zwar hat das schriftliche Gutachten sich noch auf eine im Kern nur ergebnishafte Mitteilung der Diagnose beschränkt und zudem u.U. nicht hinreichend klar ausgeführt, wann der Beginn der Erkrankung anzusetzen ist. Diese Punkte hat der Sachverständige aber in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unter Rückgriff auf die Ergebnisse seiner eigenen Untersuchungen und die Ergebnisse der erfolgten intensiven Auswertung der Aktenlage nachvollziehbar und überzeugend erläutert. 81Nach ICD-10: F.40.0 wird die Agoraphobie, die „mit Panikstörung“ die Ziffer F.40.01 trägt, wie folgt beschrieben: 82„Eine relativ gut definierte Gruppe von Phobien, mit Befürchtungen, das Haus zu verlassen, Geschäfte zu betreten, in Menschenmengen und auf öffentlichen Plätzen zu sein, alleine mit Bahn, Bus oder Flugzeug zu reisen. Eine Panikstörung kommt als häufiges Merkmal bei gegenwärtigen oder zurückliegenden Episoden vor. Depressive und zwanghafte Symptome sowie soziale Phobien sind als zusätzliche Merkmale gleichfalls häufig vorhanden. Die Vermeidung der phobischen Situation steht oft im Vordergrund, und einige Agoraphobiker erleben nur wenig Angst, da sie die phobischen Situationen meiden können.“ 83Diese Beschreibung konkretisierend hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Diagnose dieser Erkrankung das Vorliegen von drei Kriterien verlange: Die vegetativen und psychischen Symptome müssten primär auf die Angst zurückzuführen sein. Ferner müsse sich die Angst auf mindestens zwei verschiedene Situationen beziehen, so z.B. auf den Aufenthalt in Menschenmengen oder im Dunkeln außerhalb der (eigenen) vier Wände. Schließlich müsse ein Vermeidungsverhalten vorliegen. Diese Voraussetzungen hätten bei dem Kläger ausweislich des ausgewerteten Akteninhalts und der Exploration seit dem Dienstunfall im Jahre 2000 und durchgängig bis zum Untersuchungszeitpunkt Anfang 2015 vorgelegen. Mit der zuletzt genannten Aussage sowie den von ihm hierzu sodann gegebenen näheren, nachfolgend behandelten Erläuterungen hat der Sachverständige nicht nur klargestellt, seit welchem Zeitpunkt der Kläger an der diagnostizierten Erkrankung leidet, sondern seine Diagnose insgesamt – auch in zeitlicher Hinsicht – nachvollziehbar und überzeugend begründet. Vor diesem Hintergrund ist, wie schon an dieser Stelle festgehalten werden soll, die Argumentation der Beklagten bzw. des Beratungsarztes irrelevant, soweit sie auf der These aufbaut, der Sachverständige habe die Agoraphobie mit Panikattacken erst ab November 2005 diagnostiziert (Fragen langer Latenz und des Fehlens von „Brückensymptomen“). 84Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass das schriftliche Gutachten hinsichtlich der Frage des Zeitraums der Erkrankung nicht ganz eindeutig war. Es konnte dahin verstanden werden, die Agoraphobie liege erst seit dem 25. November 2005 vor. Das ergab sich entgegen der Einschätzung der Beklagten zwar nicht schon aus der Wendung auf Seite 30 des Gutachtens, nach der davon auszugehen ist, „dass die Kriterien zu diesen Zeitpunkten ab November 2005 erfüllt waren“. Denn der Satzzusammenhang, in welchem sich diese Wendung findet, und auch ein Blick auf den vorhergehenden Satz erhellen ohne Weiteres, dass der Sachverständige sich an dieser Stelle zu den Kriterien einer depressiven Episode und nicht etwa zu der diagnostizierten Agoraphobie geäußert hat. Der Satz, welcher der Feststellung auf Seite 29 des Gutachtens, die Diagnosekriterien für eine Agoraphobie mit Panikattacken seien erfüllt, nachfolgt, konnte aber auf die Annahme führen, die Agoraphobie liege erst seit dem 25. November 2005 vor. Denn dort heißt es: „Eine erstmalige psychiatrische Vorstellung auf Grund der Beschwerden erfolgte nach dem Bericht von Dr. A. am 25.11.2005, so dass hier der Beginn anzusetzen ist“. Dass mit dieser Äußerung nicht der Krankheitsbeginn bezeichnet werden sollte, hat der Sachverständige aber in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und überzeugend dargelegt. Er hat insoweit ausgeführt, dass die Äußerung auf Seite 29 des Gutachtens ausweislich der Gliederung desselben nicht schon die Beantwortung der Beweisfragen betreffe und lediglich den Beginn der erstmaligen psychiatrischen Vorstellung und Fremddokumentation angebe. Das ist schon deshalb ohne Weiteres nachvollziehbar, weil – wie der Sachverständige im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung auch ergänzt hat – eine Krankheit in aller Regel nicht erst bei dem ersten Arztkontakt ausbricht, sondern bereits Grund für das Aufsuchen des Arztes und damit vorbestehend ist. Das kommt in der fraglichen Äußerung im Gutachten auch zum Ausdruck. Denn dort hat der Sachverständige ausgeführt, dass die erstmalige psychiatrische Vorstellung am 25. November 2005 auf Grund der (damit ja bereits vorhandenen) Beschwerden erfolgt sei. Bestätigt wird die Annahme, der Sachverständige habe den Krankheitsbeginn bereits in seinem Gutachten mit dem Tag des Dienstunfalls angesetzt und dies folglich in der mündlichen Verhandlung nur klargestellt, durch die im Gutachten auf Seite 31 gegebene Antwort auf die Beweisfrage 1.c), wie hoch der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers im Zeitraum vom 16. Februar 2000 bis zum 21. September 2010 gewesen ist. Mit der gegebenen Antwort, dass „über den besagten Zeitraum“ eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30% vorliege, hat der Sachverständige nämlich erkennbar auf die unmittelbar zuvor von ihm zitierte Beweisfrage und damit auf den in ihr genannten Zeitraum vom 16. Februar 2000 bis zum 21. September 2010 Bezug genommen und für diesen Zeitraum durchgängig das Vorliegen der angenommenen Minderung der Erwerbsfähigkeit festgestellt. Das ergäbe aber offensichtlich keinen Sinn, wenn die einzig diagnostizierte Erkrankung erst seit dem 25. November 2005 und damit nur für einen Teilzeitraum des Zeitraums der Minderung der Erwerbsfähigkeit vorgelegen hätte. 85Die demnach vom Sachverständigen von Anfang an getroffene medizinische Feststellung, der Kläger leide an einer Agoraphobie mit Panikattacken, deren Ausbruch am 16. Februar 2000 und nicht erst 2005 erfolgt sei, hat der Sachverständige jedenfalls bei Einbeziehung seiner mündlichen Erläuterungen nachvollziehbar und überzeugend begründet. 86Zusammenfassend hat er diese Einschätzung darauf gestützt, dass der Kläger in der Untersuchung entsprechend berichtet habe, dass die durchgeführten einschlägigen Untersuchungen insoweit keine Hinweise auf eine Simulation oder Aggravation erbracht hätten, dass es in keinem ärztlichen Dokument Hinweise auf einen Ausbruch der Krankheit erst zu einem nach dem Tag des Dienstunfalls gelegenen Zeitpunkt gebe und dass auch die Aussagen der Zeugen auf das Vorliegen der Erkrankung schon im Zeitraum zwischen dem Dienstunfall und dem Jahre 2005 hinwiesen. Das überzeugt aus den nachfolgenden Gründen. 87Ausgangspunkt der Betrachtung sind – wie stets bei psychischen Erkrankungen – die eigenen Angaben des Probanden, hier also der Bericht des Klägers gegenüber dem Sachverständigen. Diese Angaben stützen den Befund des Gutachters. Im Einzelnen hat der Kläger dem Sachverständigen gegenüber nämlich ausweislich des Gutachtens angegeben: Bis zu dem Überfall sei er ein lebensfroher Mensch gewesen (S. 18), habe nie psychische Probleme gehabt (S. 16) und sei (auch sonst) nie ernsthaft krank gewesen (S. 15). Am Folgetag des Überfalls habe er es nicht geschafft, die Filiale wieder zu öffnen, weil es ihm dabei sehr schlecht gegangen sei, er starke Ängste gehabt habe und er zittrig gewesen sei; von dem sogleich aufgesuchten Hausarzt sei er dann krankgeschrieben worden (S. 16 und 22). Während dieser Zeit (der Krankschreibung) habe er dann auch Luftnot und Herzbeschwerden entwickelt, welche sich dann als Herzerkrankung herausgestellt hätten (S. 16 f.). Nach der etwa zweimonatigen Krankschreibung sei er in seine alte Filiale zurückgekehrt, habe sich dort aber nicht mehr wohlgefühlt, sondern Angst gehabt, da er dort meistens alleine Dienst gehabt habe (S. 22). Er habe häufig den Schalter wegen Ängsten schließen müssen und nach sechs Monaten den Wechsel in eine andere Postfiliale beantragt, zu dem es dann auch gekommen sei (S. 22). Sehr zugesetzt habe ihm, dass es bei der Post seit 2001 nur noch „offene“ Schalter gebe, also solche ohne Glasabtrennung (S. 22). Seit 2002 arbeite er in der Postfiliale am Essener Bahnhof; auch dort sei er hoch belastet und habe oft Ängste (S. 22). Wenn als vermummt wahrgenommene Personen die Filiale beträten, werde er nervös und müsse den Schalter verlassen, um sich zu beruhigen (S. 22 f.). Seit dem Überfall habe er auch Angst davor, im Dunkeln vor die Tür zu gehen, und in größeren Menschenansammlungen fühle er sich sehr unwohl (S. 23). Häufig habe er Alpträume, welche sich in Stresssituationen noch verschlimmerten (S. 23). Seit dem Überfall leide er unter Ängsten (S. 18), welche sich zwei bis drei Jahre nach dem Überfall wieder vermehrt eingestellt hätten (s. 17), und könne keine Nacht mehr durchschlafen (S. 18). Er durchlebe in seinen Träumen den Überfall, führe im Schlaf Tritte aus und nehme, wie er beim Erwachen bemerke, eine Abwehrstellung ein (S. 18). Insgesamt fühle er sich seit dem Überfall in seiner Lebensführung und Arbeitsfähigkeit erheblich beeinträchtigt (S. 23). 88Diese Angaben des Klägers zu Beginn, Art und Dauer des Beschwerdebildes hat der Sachverständige nicht, wie der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2015 unterstellt hat, unkritisch übernommen. Vielmehr hat er die Eigenangaben des Klägers seiner Gesamtbewertung erst deshalb wie vom Kläger bekundet (mit) zugrunde gelegt, weil die Schilderung nach der erfolgten fachärztlichen Beobachtung des Verhaltens des Klägers während der Untersuchungen insgesamt authentisch gewirkt hat und weil sich testpsychologisch nach Durchführung mehrerer Beschwerdevalidierungstests keine Hinweise auf Aggravations- und/oder Simulationstendenzen gezeigt haben (S. 28 des Gutachtens sowie S. 23 bis 25 und S. 27 und 29 f. des Berichts über die testpsychologische Zusatzuntersuchung). Die diesbezüglichen – von der Beklagten im Übrigen auch nicht angegriffenen – Ausführungen des Sachverständigen sind nachvollziehbar und überzeugend. 89Außerdem hat der Sachverständige seiner Bewertung nicht nur die – nach dem Vorstehenden als glaubhaft bestätigten – Eigenangaben des Klägers zum Verlauf seiner Erkrankung und zum Beschwerdebild zugrunde gelegt, sondern auch das Aktenmaterial umfassend gewürdigt. Dieses rechtfertigt auch nach der Überzeugung des Gerichts in seiner Summe die Annahme, der Kläger habe bereits seit dem Dienstunfall im Februar 2000 und nicht erst seit 2004/2005 (Bypass-Operation; Vorstellung beim Facharzt) oder seit April 2000 (Ausbruch der Herzerkrankung) massive psychische Probleme i. S. einer Agoraphobie und Panikattacken. 90Insbesondere hat der Sachverständige die auf Seite 5 seines Gutachtens auszugsweise wiedergegebene Schilderung des Hausarztes des Klägers im Attest vom 18. November 2009 berücksichtigt, die das Krankheitsgeschehen unmittelbar nach dem Überfall betrifft (und die Eigenangaben des Klägers bestätigt). Nach dieser Schilderung hat der Kläger bei seiner dortigen Vorstellung am Tag nach dem Überfall „deutliche nervöse Unruhe- und Angstzustände“ gezeigt. Diese hätten in der Folge zusammen mit Herzrasen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen in einem derartigen Umfang persistiert, dass er – der Hausarzt – den Kläger bis zum 25. März 2000 einschließlich krankgeschrieben habe. Zudem hat der Sachverständige ausweislich seines Gutachtens die in den Akten vorhandenen sonstigen (fach)ärztlichen Atteste oder Gutachten ausgewertet, welche, soweit sie (auch) die Psyche des Klägers betreffen, mit der regelmäßig gestellten (nach Erkenntnis des Sachverständigen allerdings fehlerhaften) Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung im Wesentlichen übereinstimmend davon ausgehen, dass die psychische Erkrankung des Klägers (zumindest auch) auf ein bei dem Überfall erlittenes Trauma zurückzuführen sei, also seit dem Dienstunfall bestehe; eine Ausnahme bildet insoweit lediglich die auf Seite 10 des Gutachtens zitierte, für die Beklagte angefertigte Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. N1. vom 17. September 2009, der zwar vom Vorliegen einer „schweren Angstneurose“ (Angstneurose ist der fachlich veraltete Begriff für Angststörung; vgl. insoweit Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 263. Aufl. 2012, S. 102, Stichwort „Angststörung, generalisierte“) ausgeht, diese aber nicht rechtlich wesentlich auf den Unfall zurückführen will. 91Berücksichtigt hat der Sachverständige im Gutachten und bei seinen mündlichen Erläuterungen schließlich auch das Ergebnis der Zeugenbefragung, welche das erkennende Gericht in der – ersten – mündlichen Verhandlung vom 12. November 2014 durchgeführt hat. So hat er insbesondere die Aussagen der Ehefrau des Klägers zitiert, der Kläger habe schon während seiner Krankschreibung unmittelbar nach dem Überfall ein extremes Schlafverhalten mit nächtlichen Kämpfen gezeigt und sich auch sonst nach dem Überfall verändert; er sei viel vorsichtiger und misstrauischer geworden und meide verschiedene Situationen, so etwa Menschenansammlungen. Ferner hat er die Aussage der Zeugin N2. (Kollegin des Klägers in den Jahren 2003 bis 2013) hervorgehoben, der Kläger habe sich (wegen ausgelöster Ängste) etwa drei- bis viermal im Monat vom Schalter in die hintere Räume der Filiale zurückziehen müssen. Auch die Heranziehung dieser thematisch einschlägigen Aussagen ist nicht zu beanstanden und überzeugt, weil Zweifel an der Richtigkeit dieser Bekundungen nicht erkennbar sind. Denn bei den Zeugen ist keinerlei Tendenz zu erkennen gewesen (und von der Beklagten auch nicht behauptet worden), den Kläger durch wahrheitswidrige Aussagen zu begünstigen, und der Inhalt ihrer Aussagen fügt sich wiederum in das durch den angeführten Akteninhalt sowie durch die validierten Bekundungen des Klägers gezeichnete Bild. 92Der sich nach alledem als richtig geradezu aufdrängenden Bewertung des Sachverständigen, der Kläger leide im gesamten zu betrachtenden Zeitraum an der diagnostizierten, lange Jahre nicht leitliniengerecht behandelten und sich selbst unterhaltenden Angsterkrankung, hält die Beklagte nichts Durchgreifendes entgegen. Das gilt schon deshalb, weil die insoweit mit Schriftsatz vom 18. Juni 2015 vorgelegte beratungsärztliche Stellungnahme des Herrn Dr. N1. vom 11. Juni 2015 ausweislich der dortigen Ausführungen „zur Aktenlage“ von unzutreffenden Tatsachen ausgeht. Bereits die obigen Feststellungen erhellen, dass die Behauptung von Herrn Dr. N1. fehlerhaft ist, erstmals 2005 würden Panikattacken und Angstzustände geschildert. Zwar findet sich in dem (von Dr. N1. nicht zitierten) fachorthopädischen Gutachten des Herrn Dr. B. vom 15. Mai 2008 eine Wiedergabe der Klage des Klägers, die Panikattacken und Angstzustände überfielen ihn „seit 2005“; diese Angabe ist aber angesichts des oben dargelegten Geschehens unmittelbar nach dem Überfall, angesichts der wegen der Angstzustände erfolgten Versetzung des Klägers und angesichts seiner auch schon in den Jahren vor 2005 häufigen Flucht aus dem Schalterbereich nicht nachvollziehbar und auch vereinzelt geblieben. Die weitere Feststellung des Herrn Dr. N1. , die Aktenlage ergebe „bis auf die Angabe des Hausarztes erstmals ab 2005 bzw. 2006 die Angabe von psychischen Beschwerden“, ist zwar richtig, aber erlaubt nicht den Schluss auf das Fehlen solcher Beschwerden vor den genannten Zeitpunkten. Erstens ist schon nicht erkennbar, warum den Sachangaben des Hausarztes keine Bedeutung zukommen sollte. Zweitens liegt mit den validierten Angaben des Klägers, mit den (späteren) ärztlichen Äußerungen in den Akten und mit den Zeugenaussagen eine Vielzahl von Belegen für das Bestehen der Agoraphobie mit Panikattacken seit dem Dienstunfall vor. Drittens schließlich hat der Kläger zudem glaubhaft vorgetragen, einen Facharzt trotz der längst bestehenden psychischen Beschwerden aus Scham und ferner deshalb erst 2005 aufgesucht zu haben, weil er, seine Frau und auch sein Hausarzt angenommen hätten, die Problematik durch eine hausärztliche Behandlung „in den Griff“ zu bekommen; das aber erklärt ohne Weiteres nachvollziehbar und überzeugend das Fehlen einschlägiger sonstiger (fach-) ärztlicher Befunde vor 2005. 93Die weitere Rüge der Beklagten, der Kläger habe sich ausweislich der Versorgungsakte im dortigen Verfahren bis in das Jahr 2006 hinein nicht auf eine psychische Erkrankung berufen, trifft zwar der Sache nach zu, erlaubt aber nicht den mit ihr beabsichtigten Schluss. Denn vor der Jahreswende 2005/2006 hatte dem bis dahin nur hausärztlich betreuten Kläger eine hinreichende Grundlage gefehlt, eine psychische Erkrankung geltend zu machen, weil seine fachärztliche Betreuung überhaupt erst im November 2005 eingesetzt hat. Nach dem Behandlungsbeginn bei dem Facharzt für Psychiatrie Dipl.-Med. A. und nach dem Aufenthalt in der O. -Reha-Klinik vom 10. Mai 2006 bis zum 7. Juni 2006 hat der Kläger sich dann gegenüber dem Versorgungsamt unverzüglich auch auf seine psychischen Beschwerden berufen, nämlich mit seinem Änderungsantrag vom 3. August 2006. Im Übrigen zeigt gerade auch das vorliegende Verfahren, dass von einem bestimmten Antragszeitpunkt nicht zwingend darauf geschlossen werden kann, vor diesem Zeitpunkt hätten die nun geklagten Beschwerden noch nicht bestanden. Denn der Kläger hat erst mit Schreiben vom 23. Oktober 2008 die Gewährung von Unfallausgleich begehrt, obwohl er bereits seit Ende 2005/Anfang 2006 über die Diagnose einer psychischen Erkrankung verfügt hatte und diese Erkrankung auch nach der Auffassung der Beklagten bereits seit 2005 vorgelegen hatte (vgl. die Stellungnahme des Herrn Dr. N1. vom 11. Juni 2015). 94An dieser Stelle ist mithin zusammenfassend festzuhalten: Das Gericht ist mit dem Grad an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der Richtigkeit der Einschätzung des Sachverständigen überzeugt, der Kläger leide im gesamten zu betrachtenden Zeitraum an der diagnostizierten, lange Jahre nicht leitliniengerecht behandelten und sich selbst unterhaltenden Agoraphobie mit Panikattacken. Diese Überzeugung gründet sich zunächst darauf, dass der Sachverständige den Sachverhalt, welcher für die Beantwortung der Beweisfrage 1.a) entscheidungserheblich ist, in Ansehung der vorstehenden Ausführungen vollständig und zutreffend ermittelt und zugrunde gelegt hat. Ferner stützt sie sich darauf, dass der Sachverständige seine Einschätzung auch hinreichend plausibel und überzeugend begründet hat, indem er sie aus einer Gesamtschau der oben dargestellten Gesichtspunkte (validierte Angaben des Klägers zu seinem Beschwerden, Auswertung der ärztlichen Äußerungen in den Akten und Würdigung der Zeugenaussagen) widerspruchsfrei abgeleitet hat, ohne hierbei irgendwelche Unsicherheiten erkennen zu lassen. 95b) Der Dienstunfall ist im dienstunfallrechtlichen Sinne kausal für die diagnostizierte Agoraphobie mit Panikattacken. Das ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus einer Gesamtwürdigung des Akteninhalts, insbesondere aus den Ausführungen des Sachverständigen, und zwar mit dem erforderlichen Grad der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Die in dem schriftlichen Gutachten insoweit noch vorhandenen Begründungsdefizite hat der Sachverständige, hinsichtlich dessen fachlicher Kompetenz oder Unparteilichkeit auch insoweit nicht ansatzweise Bedenken ersichtlich sind, in der mündlichen Verhandlung überzeugend beseitigt, und er hat hierbei keine Unsicherheiten erkennen lassen oder widersprüchliche Angaben gemacht. 96aa) Der Sachverständige hat zunächst plausibel und überzeugend begründet, dass zwischen dem traumatischen Erlebnis des Überfalls (Dienstunfall) und der Agoraphobie mit Panikattacken ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang in dem Sinne besteht, dass diese psychische Erkrankung ohne den Dienstunfall nicht ausgebrochen wäre, Letzterer also conditio sine qua non für Erstere ist. Er hat in der mündlichen Verhandlung nämlich nachvollziehbar und überzeugend das Folgende ausgeführt: Der Kläger habe bei dem Überfallgeschehen eine existentielle Bedrohung erlebt und sei deswegen in schwerster Weise traumatisiert worden. Ein solches massives Trauma sei nach wissenschaftlicher Erkenntnis auch dann, wenn sich hieraus – wie vorliegend – keine posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS; englisch: Posttraumatic Stress Disorder, PTSD) entwickele, geeignet, die diagnostizierte Angsterkrankung hervorzurufen. Dieser Bewertung steht nicht die beratungsärztliche Äußerung des Herrn Dr. N1. vom 11. Juni 2015 entgegen, in der maßgeblichen Literatur ergebe sich „primär kein Hinweis auf die Auslösung einer Agoraphobie mit Panikattacken als Folge eines Unfalls oder Traumas“, wenn man die „Sk2-Leitlinie [Anmerkung des Gerichts: Die Bezeichnung der Leitlinien dieser Kategorie ist uneinheitlich. Die in Rede stehende Leitlinie bezeichnet sich selbst als „Sk2-Leitlinie“, während solche Leitlinien nach dem weiter unter zitierten Leitlinien-Glossar „S2k-Leitlinien“ genannt werden. Letzteres dürfte vorzugswürdig sein, da hierbei die Hierarchieebenen (2; k bzw. e) in zutreffender, nämlich absteigender Reihenfolge angegeben werden.] zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen AWMF – Registernummer 051/029“ heranziehe. Zwar trifft es zu, dass diese Leitlinie unter ihrem Punkt 2.2 (Psychoreaktive Störungen im ICD-10- und DSM-IV-System) als Kategorien psychoreaktiver Störungen auf Traumen fünf verschiedene Störungsarten aufführt (vgl. die dortige Tabelle 4, S. 102, sowie die Gliederungspunkte 2.2.1 bis 2.2.5) und dabei die Agoraphobie nicht erwähnt. Auch ist es richtig, dass bei einer nach dieser Leitlinie daher nur noch möglichen Einordnung der Agoraphobie als „sonstige psychoreaktive Störung“ i. S. d. Gliederungspunktes 2.2.6 „ein Zusammenhang mit dann ggf. auch dauerhaften Symptomen im Allgemeinen nur in zwei Fällen anzuerkennen ist“, nämlich bei dem – hier nicht gegebenen – „Nachweis einer seelischen Traumatisierung im Sinne der PTBS“ oder bei – hier ebenfalls nicht gegebenen – anhaltenden körperlichen Schädigungsfolgen, die intensiv emotional belegt sind. Der Sachverständige hat insoweit aber nachvollziehbar und überzeugend erläutert, dass diese Leitlinie insoweit wegen ihrer Fehlerhaftigkeit nicht zugrundegelegt werden könne. Zur Begründung hat er zunächst ausgeführt, dass sie als S2k-Leitlinie lediglich auf einer (fehleranfälligen) formalen Konsensfindung der Unterzeichner beruhe und damit nicht den Grad an Wissenschaftlichkeit erreiche, der den sog. S3-Leitlinien zukomme, welche ausschließlich auf Metaanalysen gestützt würden, also auf solche Analysen, welche Primär-Untersuchungen zu Metadaten zusammenfassen und ausschließlich mit quantitativen, statistischen und damit nicht subjektiven Daten arbeiten. Dies trifft zu. Die Leitlinien der Mitgliedsgesellschaften der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) werden – wie vom Sachverständigen erläutert – in drei auf die Entwicklungsmethodik bezogene Klassen eingeteilt: 97„S1: von einer Expertengruppe im informellen Konsens erarbeitet (Ergebnis: Empfehlungen) 98S2: eine formale Konsensfindung („S2k“) und/oder eine formale „Evidenz“-Recherche („S2e“) hat stattgefunden 99S3: Leitlinie mit allen Elementen einer systematischen Entwicklung (Logik-, Entscheidungs- und „outcome“-Analyse)“; Zitat aus dem Leitlinien-Glossar (= Band 30 der Schriftenreihe des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin, eines gemeinsamen Instituts von Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung), 2007, S. 66 (Stichwort: Klassifizierung von Leitlinien), welches auch im Internet verfügbar ist, und zwar über die Webseite der AWMF (www.awmf.org) und über die hinsichtlich der online-Version verlinkte Webseite www.leitlinien.de, welche von dem erwähnten Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin verantwortet wird; eine entsprechende Darstellung findet sich ferner bei Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 263. Aufl. 2012, S. 1178, Stichwort „Leitlinien“. 100Ferner trifft es zu, dass die fragliche S2k-Leitlinie von der größten, ältesten und wichtigsten Fachgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) nicht unterzeichnet und damit in ihren Aussagen als qualitativ mangelhaft eingestuft worden ist. Bestätigt wird die Einschätzung des Sachverständigen zur generellen Eignung eines Traumas, eine Angsterkrankung hervorzurufen, durch die von der Beklagten über die Stellungnahme des Herrn Dr. N1. ins Verfahren eingeführte, einen höheren Grad an Wissenschaftlichkeit aufweisende und auch von der DGPPN herausgegebene S3-Leitlinie „Behandlung von Angststörungen“. Diese geht in ihrem Abschnitt 3.2 (Ätiopathogenese und Risikofaktoren) bei der Erörterung der verschiedenen Ursachen von Angststörungen bei der Behandlung der psychosozialen Faktoren (Gliederungspunkt 3.2.2) – sachlich mit dem Gutachter übereinstimmend – davon aus, dass auch aktuelle belastende Lebensereignisse mit einer höheren Häufigkeit von Angsterkrankungen assoziiert sind, also eine mögliche Ursache von Angsterkrankungen darstellen. 101bb) Der Dienstunfall des Klägers ist ferner im dienstunfallrechtlichen Sinne wesentliche Ursache für die bestehende Agoraphobie mit Panikattacken. Diese (auch rechtliche) Bewertung des Gerichts beruht in medizinischer Hinsicht auf den entsprechenden, ohne Unsicherheiten, ohne Widersprüche dargelegten, nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen. 102Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung seine einschlägigen, im vorgelegten Gutachten im Kern noch ergebnishaften Ausführungen nachvollziehbar und das Gericht überzeugend weiter wie folgt erläutert: Er könne mit der ihm höchstmöglichen Gewissheit sagen, dass die gegebene Agoraphobie mit Panikattacken ausschließlich auf das massive Trauma zurückzuführen sei, welches der Kläger bei dem Überfall erlebt habe, nicht aber auch auf dessen Herzerkrankung. Das ergebe sich zunächst – erstens – wesentlich aus dem Umstand, dass die Herzerkrankung überhaupt erst etwa zwei Monate nach dem erlebten Trauma aufgetreten sei. Zweitens gebe es zwar Zusammenhänge zwischen Herzerkrankungen oder auch etwa Diabetes einerseits und Angsterkrankungen andererseits; die entsprechenden allgemeinen Erkenntnisse könnten aber nicht wissenschaftlich auf den einzelnen Betroffenen „heruntergebrochen“ werden; im Einzelfall könne also nicht seriös überprüft werden, ob eine gemeinsame Bedingtheit vorliege. Drittens seien die aus der Herzerkrankung erwachsenen physiologischen Ängste im Rahmen der kardiologischen Rehabilitation gut behandelt worden; dass ergebe sich aus den in den Akten befindlichen und im Gutachten (S. 9 und 10) auch aufgeführten einschlägigen Berichten etwa des Q.-stift-Krankenhauses in F. und der O. Reha-Klinik vom 14. Juni 2006. Die Herzerkrankung sei namentlich auch nicht zu irgendeinem nach dem Dienstunfall gelegenen Zeitpunkt als Ursache der Agoraphobie mit Panikattacken hinzugetreten. Der Kläger habe nämlich dahingehend keine einschlägigen Informationen geliefert, und es fehle auch an einer entsprechenden Dokumentation für eine relevante ursächliche Beteiligung der Herzerkrankung an der Angsterkrankung, auch hinsichtlich deren Unterhalts. Die vorliegende Angsterkrankung oder auch nur ihr Schweregrad könnten auch nicht etwa auf die Persönlichkeit des Kläger zurückgeführt werden. Die Persönlichkeit bzw. deren Ausstattung seien zwar grundsätzlich relevant; die Wissenschaft habe sich aber von dem Freudschen Modell verabschiedet, welches Ursachen psychischer Erkrankungen in bestimmten lebensgeschichtlichen Prägungen sehe, weil sich dieses Modell als unwissenschaftlich erwiesen habe. Dies gelte umso mehr, als kein Anhalt dafür bestehe, dass bei dem Kläger vor dem Dienstunfall eine Angsterkrankung oder sonstige psychische Erkrankung bestanden habe. 103Mit diesen Ausführungen ist nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass alleinige Ursache – und damit auch im Rechtssinne wesentliche Ursache – der Angsterkrankung das als sehr schwer erlebte Trauma des Dienstunfalls ist, und zwar während der gesamten diagnostizierten Dauer der Erkrankung. Überzeugend ist insoweit zunächst die Schlussfolgerung, mangels psychischer Vorerkrankungen und mangels Vorliegens der Herzerkrankung im Zeitpunkt des Überfalls und auch noch knapp zwei Monate danach könne Auslöser der schon anfänglich gegebenen Agoraphobie mit Panikattacken allein der Dienstunfall sein. Ebenso überzeugt die Annahme des Sachverständigen, die Herzerkrankung und aus ihr resultierende Ängste seien auch zu keiner Zeit nach dem Dienstunfall als (Mit-)Ursache zu der festgestellten Ursache hinzugetreten, sondern stellten nur eine komplizierenden Faktor dar. Insoweit leuchtet es zunächst ein, dass die Herzerkrankung als solche nicht schon wegen insoweit bislang allein festgestellter allgemeiner Zusammenhänge zwischen Herz- und Angsterkrankungen wissenschaftlich seriös im Einzelfall als Ursache namhaft gemacht werden kann. Ferner überzeugt insoweit auch die Aussage, dass die aus der Herzerkrankung erwachsenen physiologischen Ängste, welche der Kläger nach Aktenlage insbesondere im Gefolge der Bypass-Operation wiederholt geäußert hat (vgl. insoweit den Entlassungsbericht der O. Reha-Klinik vom 14. Juni 2006 und die Wiedergabe einer entsprechenden Klage im fachorthopädischen Gutachten des Herrn Dr. B. vom 15. Mai 2008), keinen Kausalbeitrag zum Unterhalt der Agoraphobie mit Panikattacken geleistet haben. Denn die in Rede stehenden Ängste – einerseits die Angst vor einem erneuten Verschluss der Gefäße o.ä. und andererseits die Angst vor als bedrohlich eingestuften Situationen – haben gänzlich unterschiedliche Gegenstände und kommen auch aus völlig unterschiedlichen Richtungen. Die Auffassung, dass die körperliche Erkrankung die psychische Erkrankung (nur) kompliziert habe, hat übrigens auch schon Herr Dipl.-Med. A. in seinem Fachärztlichen Behandlungsbericht vom 30. Juli 2009 vertreten. Im Übrigen fällt bei Auswertung des Aktenmaterials insoweit auf, dass die mit der Herzerkrankung verbundenen Ängste anders als die mit dem Überfall assoziierten Ängste nicht durchgängig, sondern zeitlich nur im Umkreis dieser Erkrankung aufgetreten und nach Angaben des Klägers nach der „Reparatur“ des Herzens wieder (gänzlich) in den Hintergrund gerückt sind (vgl. das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2014, S. 4: „Für mich stehen ganz klar die mit dem Überfall verbundenen Ängste im Vordergrund, denn das Herz ist repariert worden, und ich werde kardiologisch gut betreut“; vgl. ferner die im Gutachten wiedergegebenen, nicht mit der Herzerkrankung verbundenen – validierten – Angaben des Klägers gegenüber dem Sachverständigen zum Gegenstand seiner Ängste: „Menschenansammlungen“, S. 15, „Vermummte“, S. 22, „Er habe seit dem Überfall auch Angst davor, im Dunkeln vor die Tür zu gehen, in größeren Menschenansammlungen fühle er sich sehr unwohl“, S. 23). Schließlich lässt sich aus den einschlägigen Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts ableiten, dass der Dienstunfall auch nicht als sog. Gelegenheitsursache eingestuft werden kann. Hat nämlich der Kläger vor dem Dienstunfall nach der Exploration zu keiner Zeit an einer psychischen Erkrankung gelitten und scheiden Persönlichkeit und Ausstattung als konkret namhaft zu machende Ursachen einer psychischen Erkrankung nach dem Stand der Wissenschaft generell aus, wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt hat, so fehlt es schon an einer krankhaften Veranlagung bzw. an einem anlagebedingten Leiden, die bzw. das die Annahme erlauben könnte, bereits ein anderes, aber alltäglich vorkommendes Ereignis hätte zum selben Erfolg geführt wie der Dienstunfall. 104Dazu, dass der Betroffene grundsätzlich mit seiner individuellen Veranlagung (und Vulnerabilität) geschützt ist und es deshalb allein darauf ankommt, wie sich die Belastungen bei ihm abhängig von seiner Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit auswirken, vgl. Schönberger/Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 152 mit Fn. 61, unter Hinweis auf das die Parallelproblematik bei der Gewährung von Verletztengeld (noch nach § 560 RVO) betreffende Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 30. September 1999 – L 7 U 179/97 –, EzS 40/597 = juris, Rn. 65. 105B. Begründet ist die Klage ferner auch mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2015 gestellten Klageantrag zu 2. Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung von Unfallausgleich nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (im Folgenden: MdE) in Höhe von 30 v. H. Zahlungsbeginn ist mit Blick darauf, dass die MdE nach den vorstehenden Ausführungen zum Anerkennungsanspruch bereits mit dem Tag des Dienstunfalls eingetreten ist, der 16. Februar 2000. 106Zum Zahlungsbeginn bei der Gewährung von Unfallausgleich vgl. näher Groepper/Tegethoff, in: Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand: Oktober 2015, BeamtVG § 35 Rn. 43, 77 und 78. 107Nach § 35 Abs. 1 BeamtVG erhält der Beamte, der infolge eines Dienstunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate wesentlich beschränkt ist, solange dieser Zustand andauert, neben seinen Bezügen einen Unfallausgleich; eine wesentliche Beschränkung im vorgenannten Sinne liegt dabei vor, wenn die MdE mindestens 25 v. H. beträgt. 108Näher zu Letzterem: Groepper/Tegethoff, in: Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand: Oktober 2015, BeamtVG § 35 Rn. 39. 109Die MdE ist gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen. Erwerbsfähigkeit ist die Kompetenz des Verletzten, sich unter Nutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich ihm abstrakt im gesamten Bereich des Erwerbslebens bieten, einen Erwerb zu verschaffen. Für die Beurteilung dieser Kompetenz kommt es weder auf die individuellen Verhältnisse an noch auf die bislang ausgeübte Tätigkeit. 110Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2013 – 2 B 57.12 –, juris, Rn. 9, und Groepper/Tegethoff, in: Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand: Oktober 2015, BeamtVG § 35 Rn. 39 und 49. 111Der Grad der MdE, also der in einem Prozentsatz ausgedrückte Anteil der Erwerbsmöglichkeiten, der dem Verletzten aufgrund der Störungen verschlossen ist, ist auf der Grundlage vor allem medizinischer und ferner auch wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher sowie rechtlicher Feststellungen und Einschätzungen zu ermitteln. 112Vgl. etwa Groepper/Tegethoff, in: Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand: Oktober 2015, BeamtVG § 35 Rn. 50 ff. 113Er ist deshalb auf der Grundlage eines ärztlichen Gutachtens festzustellen. 114Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014– 3 A 528/12 –, juris, Rn. 45, und BayVGH, Beschluss vom 1. Februar 2013 – 3 ZB 11.1166 –, juris, Rn. 13, jeweils m. w. N. 115Für die Bemessung der Auswirkungen der jeweils maßgeblichen Gesundheitseinschränkungen haben sich in der Praxis Erfahrungswerte in Form von Richtwerten und allgemeinen Grundsätzen herausgebildet. „Richtwerte“ für die Bemessung der MdE bei psychischen Störungen finden sich nicht nur in der Fachliteratur, 116vgl. die Richtwerte-Tabelle bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 156 f., 117sondern insbesondere auch in der seit Dezember 2008 vorliegenden Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV), welche aufgrund des § 30 Abs. 17 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz – BVG) erlassen worden ist und deshalb eine hinreichende demokratische Legitimierung aufweist. Diese Verordnung regelt die Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG (vgl. § 30 Abs. 17 BVG und § 1 VersMedV). Dies geschieht gemäß § 2 VersMedV in der Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“, welche auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellt und fortentwickelt wird. Zwar knüpft die Verordnung an einen Rechtsbegriff an, nach welchem die allgemeinen Auswirkungen der maßgeblichen Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen in den Blick zu nehmen sind (§ 30 Abs. 1 Satz 1 BVG), während es für die Minderung der Erwerbsfähigkeit insoweit nur auf das allgemeine Erwerbsleben ankommt. Aus der mithin zu konstatierenden Verschiedenheit der Maßstäbe folgt aber nicht, dass die Gesichtspunkte, welche in dem für das Recht der sozialen Entschädigung nach dem BVG geltenden und auch im Schwerbehindertenrecht herangezogenen Beurteilungsgefüge der „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ niedergelegt sind, im Recht der Dienstunfallfürsorge keine Berücksichtigung finden können. Sie können vielmehr als Orientierungsmaßstab Anwendung finden, soweit das mit dem Rechtsbegriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Einklang steht. 118Vgl. BayVGH, Beschluss vom 1. Februar 2013– 3 ZB 11.1166 –, juris, Rn. 5 f. und 13, und Urteil vom 29. Juli 2010 – 3 B 09.659 –, juris, Rn. 46 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 25. März 2014 – OVG 4 B 3.11 –, juris, Rn. 42, und vom 19. Januar 2011 – OVG 4 B 32.10 –, juris, Rn. 23 (noch zu den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“, also zu der noch nicht im Verordnungswege ergangenen Vorgänger-Regelung der VersMedV); OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 3 A 528/12 –, juris, Rn. 45 f., m. w. N., und Beschluss vom 31. Mai 2013 – 3 A 547/12 –, n. v.; Groepper/Tegethoff, in: Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand: Oktober 2015, BeamtVG § 35 Rn. 49, 50 ff. 119Für die sachverständige Begutachtung, welche der Entscheidung über den Anspruch auf Unfallausgleich zugrundeliegt, bedeutet dies, dass der Sachverständige sich bei der gebotenen individuellen, also auf den Einzelfall des Verletzten bezogenen Beurteilung der MdE zwar an den „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“ orientieren darf, aber zugleich berücksichtigen muss, dass der zutreffende Maßstab die körperliche Beeinträchtigung im Erwerbsleben (und nicht etwa in allen Lebensbereichen) ist. 120Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 3 A 528/12 –, juris, Rn. 45 f., m. w. N., OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. März 2014 – OVG 4 B 3.11 –, juris, Rn. 42, m. w. N. 121Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2015 ausgeführt, dass die MdE hier für den maßgeblichen Zeitraum mit 30 v. H. anzusetzen sei. Bei Angsterkrankungen sei nach heutigem (kritikwürdigem, weil generell zu niedrige Werte auswerfenden) Stand normalerweise von einem Grad der MdE in Höhe von 20 bis 30 auszugehen. Hier sei ein Grad der MdE von 30 v. H. angemessen, weil die Panikattacken relativ häufig (einmal oder mehrmals im Monat) aufträten und der Kläger in seinem eigenen Denken eine ständige Bedrohung erlebe. Das ist ohne Weiteres nachvollziehbar und überzeugt auch vor dem Hintergrund sowohl der Richtwerte der „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ als auch der Richtwerte, welche in der von der Beklagten zitierten Literatur 122vgl. die Richtwerte-Tabelle bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 156 f. (157 unten), 123vorgeschlagen werden, die hier nach den weiteren – ebenfalls nachvollziehbaren – Ausführungen des Gutachters jeweils ebenfalls auf die Annahme einer MdE i. H. v. 30 v. H. führen. Bei Heranziehung der „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ ist zur Überzeugung des Gerichts zunächst davon auszugehen, dass die vorliegende psychische Beeinträchtigung des Klägers diesen im Erwerbsleben (mindestens) im gleichen Maße wie in den sonstigen Lebensbereichen betrifft, da er im Rahmen einer Erwerbstätigkeit immer wieder mit Situationen der ihn ängstigenden Art konfrontiert sein wird, deren Auftreten er weniger leicht schon im Vorfeld vermeiden kann als im weitgehend autonom bestimmten Privatleben; die für den GdS geltenden Grundsätze können hier deshalb, wie vom Sachverständigen auch zugrundegelegt, ohne Weiteres auf die hier erforderliche Bewertung übertragen werden. Die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ sehen in ihrem Teil B (GdS-Tabelle) unter dem Gliederungspunkt 3.7 (Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen) den Ansatz eines Grades der Schädigungsfolgen (GdS) von 30 bis 40 vor, wenn eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit gegeben ist, und nennen als Beispiel insoweit u.a. ausgeprägtere phobische Störungen. Die Aussage, dass die hier diagnostizierte Agoraphobie mit Panikattacken dieser Kategorie zuzuordnen ist und nicht lediglich als eine mit einem GdS bzw. einer MdE von 0 bis 20 belegte „leichtere psychovegetative oder psychische Störung“ eingestuft werden kann, ist nach der bereits oben zitierten Begründung des Sachverständigen ohne Weiteres nachvollziehbar. Gleiches gilt für seine Aussage, nach welcher der Ansatz einer MdE i. H. v. 30 v. H. auch bei Berücksichtigung der „Richtwerte“ bei Schönberger et. al. angemessen ist. Nach dieser Literaturstelle ist bei Vorliegen einer Agoraphobie „auf Grund erheblicher sozial-kommunikativer Auswirkung“ eine MdE bis 30 v. H. anzusetzen, wenn eine „stärkergradige Einschränkung und Beeinträchtigung mit ausgeprägtem Vermeidungsverhalten“ gegeben ist. Diese Voraussetzungen sind hier offensichtlich erfüllt. Denn der Kläger zeigt ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten (Meidung von Menschenmengen, Nichtverlassen des Hauses bei Dunkelheit und Rückzug in die hinteren Diensträume bei Bemerken einer als bedrohlich empfunden Situation während des Schalterdienstes), welches ihn im Erwerbs- wie sonstigen Leben erheblich körperlich-funktionell einschränkt und psychisch-emotional beeinträchtigt. Die in diesem Zusammenhang erfolgte Äußerung des Beratungsarztes, bei „zeitlich begrenzten Attacken“ sei nach Schönberger et. al. (nur) eine MdE bis 20 v. H. angezeigt, überzeugt schon deswegen nicht, weil sie auf die Ausführungen von Schönberger et. al. zu der hier nicht diagnostizierten Erkrankung Panikstörung (ICD-10 F:41.0) bezogen sind; hierauf hat das Gericht bereits in der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2015 hingewiesen. 124Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO. 125Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2 VwGO, 127 BRRG nicht vorliegen. | das angefochtene urteil wird geändert. die beklagte wird unter aufhebung des bescheides vom 9. oktober 2009 und des widerspruchsbescheides vom 21. september 2010 verpflichtet, die geklagten psychischen beschwerden (agoraphobie mit panikattacken) als folge des dienstunfalls vom 16. februar 2000 anzuerkennen und dem kläger unfallausgleich nach maßgabe der gesetzlichen vorschriften entsprechend einer minderung der erwerbsfähigkeit in höhe von 30 vom hundert zu gewähren. die kosten des verfahrens erster und zweiter instanz trägt die beklagte. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 vom hundert des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der kläger vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 vom hundert des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1 | 2mit seiner klage begehrt der 1953 geborene kläger die anerkennung bestimmter geklagter psychischer beschwerden als folgen seines dienstunfalls vom 16. februar 2000 sowie die gewährung eines unfallausgleichs. er steht seit 1967 im dienste der beklagte, und zwar seit 1995 als posthauptsekretär. seit 1982 ist er als mitarbeiter im kassenwesen/schalterdienst tätig, zunächst für die deutsche bundespost, seit dem 1. januar 1995 für die deutsche post ag und seit dem 1. januar 2006 für die postbank ag. 3am 16. februar 2000 arbeitete der kläger in der filiale der deutschen post ag in f. -g. . am vormittag betrat ein mit einer strumpfmaske maskierter mann die filiale durch den kundeneingang und zog eine handfeuerwaffe. die kunden rannten aus der filiale. der kläger forderte den täter auf, die filiale sofort zu verlassen, flüchtete – hierbei stolpernd und sich prellungen zuziehend – in den betriebsraum, alarmierte von dort aus durch betätigung des alarmknopfes die umgebung und rief die filialbezirksleitung an. der täter floh und wurde nie gefasst. der kläger versah seinen dienst an diesem tag sodann weiter und begab sich an den beiden folgetagen in ärztliche behandlung. unter dem 18. februar 2000 diagnostizierte herr dr. s. aus f. , facharzt für chirurgie, an welchen der hausarzt des klägers, der facharzt für allgemeinmedizin x. aus f. , diesen überwiesen hatte, eine schwere multiple prellung und hämatome am rechten ellenbogen, knie und unterschenkel. dienstunfähig war der kläger in der folge des überfalls vom 17. februar 2000 (folgetag des überfalls) bis zum 25. märz 2000 (38 tage). 4mit schreiben vom 1. märz 2000 meldete der kläger formblattmäßig das ereignis als dienstunfall. in der rubrik „verletzte körperteile“ führte er eine prellung am rechten unterschenkel an. daraufhin teilte die unfallkasse post und telekom dem kläger mit schreiben vom 6. märz 2000 mit, das unfallereignis vom 16. februar 2000 sei als dienstunfall anerkannt. 5am 7. april 2000 begab sich der kläger auf veranlassung seines hausarztes in kardiologische behandlung bei frau dr. i. , q.-stift f. , und gab zur aktuellen symptomatik an, dass er nach einer stresssituation (überfall während des schalterdienstes) an mehreren tagen wiederholt ein brennen hinter dem brustbein verspürt habe, das bis in den unterkiefer ausgestrahlt habe. mit blick auf den dringenden verdacht einer ischämie im inferolateralen myokardgebiet und das ausgedehnte kardiovaskuläre risikoprofil des klägers (arterielle hypertonie, nikotinabsus, hypercholsterinämie und adipositas) erfolgte bereits wenige tage später eine invasive abklärung, in deren rahmen sich der verdacht einer koronaren gefäßerkrankung bestätigte und diese erkrankung mittels pcta (angioplastie/dilatation) und stentimplantation erfolgreich behandelt wurde. im september 2000 fand ein weiterer eingriff dieser art statt. in einem schreiben vom 24. april 2001 an das versorgungsamt f. führte der hausarzt des klägers u.a. aus, dass es bei dem kläger im zusammenhang mit dem überfall „zu einem psychischen trauma“ gekommen sei, an welchem der kläger lange gelitten habe. im januar 2004 erlitt der kläger einen hinterwand-infarkt, in dessen folge am 16. januar 2004 ein operativer eingriff in form einer myokardialen dreifachrevaskularisation erfolgte. vom 2. bis 28. februar 2004 befand der kläger sich zur rehabilitation in der herz-kreislauf-klinik c. c1. . in deren bericht vom 29. märz 2004 an frau dr. i. führte die klinik unter dem abschnitt „aufnahmebefund“ u.a. aus: „psyche regelgerecht“. am 26. juli 2004 nahm der kläger seinen dienst stufenweise wieder auf. zwischen dem 25. januar 2005 und dem 1. februar 2005 wurde der kläger in der medizinischen klinik ii des akademischen lehrkrankenhauses der universität e. -f. stationär behandelt. ausweislich des entlassungsberichts der assistenzärztin dr. g1. sowie der– inzwischen an dieses krankenhaus gewechselten und professorin gewordenen – fachärztin für innere medizin und kardiologie prof. dr. i. vom 17. november 2008 war die aufnahme mit reduzierter belastbarkeit bei bekannter koronarer herzkrankheit und nach bypassoperation erfolgt. nachdem sich kein hinweis auf eine bypassinsuffizienz gezeigt habe, habe der kläger in stabilem allgemeinzustand entlassen werden können. 6im november 2005 begab der kläger sich auf veranlassung seines hausarztes in die behandlung des facharztes für psychiatrie dipl.-med. a. aus f. . 7im zeitraum vom 10. mai 2006 bis 7. juni 2006 befand der kläger sich in stationärer behandlung in der o. reha-klinik st. q. -p. . nach dem entlassungsbericht vom 14. juni 2006 (herr dr. e1. , herr dr. e2. , frau stationsärztin n. ) lag bei dem kläger diagnostisch u.a. eine „reaktive depressive störung b. z. n. 3-fach acbv op b. koronarer 2 gefäßerkrankung 1/04 (f432)“ vor. in der vegetativen anamnese war u.a. ausgeführt, dass seit 2000 durchschlafstörungen bestünden, die seit der einnahme von insidon gebessert seien. zu den jetzigen beschwerden hieß es: 8„seit manifestation einer koronaren herzerkrankung im jahr 2000 mit z. n. 3-fach acvb 01/2004 und stent-operationen im jahr 2000 und 2002 (anm. des senats: muss richtig heißen: 2000) leide der pat. unter rez. depressiven verstimmungen, ängsten und schlafstörungen. er mache sich sorgen, daß eine erneute obliteration der koronargefäße auftreten könne und er ein solches ereignis evtl. nicht überleben werde. darüber hinaus leide er unter ängsten seit eines überfalls auf den postbetrieb, in den er arbeite. seit 11/2005 befindet sich der pat. in psychotherapeutischer behandlung, unterstützend erfolgt eine thymoleptische medikation mit insidon. seit einnahme der medikation seien die schlafstörungen deutl. gebessert.“ 9arbeitsanamnestisch wurde festgehalten, dass der kläger insgesamt sehr gut mit seiner arbeit zurechtkomme und sich an seinem arbeitsplatz wohl fühle. im psychologischen abschlussbericht vom 7. juni 2006, der bestandteil des entlassungsberichts ist, wurde u.a. ausgeführt: 10„im aufnahmegespräch berichtete der pat., dass in den letzten sechs jahren gehäuft einschneidende lebensereignisse aufgetreten seien. begonnen habe es mit einem überfall 2000 in der postfiliale in der er gearbeitet habe. nach diesem überfall habe er massive ängste und alpträume gehabt. es sei keine psychotherapeutische traumabehandlung durchgeführt worden. dann seien in den jahren danach herzbeschwerden aufgetreten, die sich so verschlimmert hätten, dass eine bypassoperation im januar 2005 (anm. des senats: muss richtig heißen: 2004) notwendig geworden sei. nach der operation seien verstärkt angstzustände mit schweissausbrüchen, herzrasen, muskulärer anspannung und katastrophenphantasien aufgetreten. wegen dieser angststörung sei er seit november 2005 in psychotherapeutischer behandlung. diese rehamaßnahme sei aufgrund der geschilderten symptomatik veranlasst worden. im mittelpunkt der psychologischen gespräche stand die angst des pat. vor einer erneuten erkrankung.“ 11in seiner seit dem 13. februar 2001 betriebenen schwerbehindertenangelegenheit berief der kläger sich – nach diversen bescheidungen, änderungsanträgen und widersprüchen – mit seinem insgesamt vierten änderungsantrag (3. august 2006) erstmalig auch auf psychische beschwerden („reaktive depressive störungen, angstzustände, schlafstörung, schweißausbrüche nachts auch bedingt durch überfall (dienstliche)“). zu diesem änderungsantrag legte der kläger u.a. eine bescheinigung des facharztes für psychiatrie dipl.-med. a. aus f. vom 18. september 2006 vor. zu den erhobenen befunden hieß es darin: 12„2004 bypass-op. danach zunehmende depressiv-ängstliche symptomatik, erhebliche vegetative begleitsymptomatik, innerer unruhe, durchschlafstörungen, diffuse körperliche beschwerden, anankastische persönlichkeitsstrukturen, arbeitet seit 39 jahren bei der post (schalterdienst).“ 13als diagnosen nannte herr a. „angst und depression gemischt (f 41.2), anpassungsstörung (f 43.2), somatisierungsstörung (f 45.0)“. die therapie bestehe in der gabe von insidon und der durchführung verhaltensorientierter gespräche. vom 6. november 2006 bis zum 10. november 2006 befand sich der kläger in stationärer behandlung im q.-stift in f. . in der rechnung von frau prof. dr. i. vom 17. januar 2007 ist als diagnose u.a. aufgeführt: „seit 05/05 posttraumatisches belastungssyndrom mit angststörung“. 14zur begründung seines widerspruchs gegen die ablehnung seines bereits angesprochenen schwerbehindertenrechtlichen vierten änderungsantrags führte der kläger unter dem 9. januar 2007 gegenüber dem versorgungsamt f. u.a. aus: 15„erwähnen muss ich meinen bluthochdruck in verbindung mit meiner koronaren herzerkrankung. auch bedingt durch diese behinderung liegt bei mir ein sehr starkes angstgefühl vor. trotz bypass-op ist bei mir ein sehr negatives lebensgefühl geblieben. erschwerend kommt hinzu, dass ich im februar 2000 während meiner dienstzeit (ich bin postbeamter im filialbereich) überfallen wurde. auch aus diesem grund hat sich mein leben sehr negativ verändert.“ 16in dem im april 2007 eingeleiteten verfahren vor dem sozialgericht e. (s 22 sb 83/07), in welchem der kläger die feststellung eines höheren grades der behinderung begehrte, äußerte sich herr dipl.-med. a. unter dem 18. september 2007 u.a. wie folgt: nach angaben des klägers habe dieser seit dem überfall zunehmende ängste entwickelt. er leide unter durchschlafstörungen, innerer unruhe und schweißausbrüchen. diese symptome hätten sich nach einem erlittenen herzinfarkt und im jahre 2004 durchgeführter bypass-operation eigentlich noch verschlimmert. es liege eine ausgeprägte angststörung sowie eine schwere anpassungsstörung vor; leider sei eine chronifizierung eingetreten. 17am 18. januar 2008 beauftragte das sozialgericht e. in dem bereits erwähnten rechtsstreit den orthopäden dr. u. b. aus f. mit der erstellung eines sachverständigengutachtens und beauftragte ihn zugleich, von dem neurologen und psychologen dr. x1. aus f. ein zusatzgutachten einzuholen. in seinem fachorthopädischen gutachten vom 15. mai 2008 gab herr dr. b. die klagen des klägers u.a. wie folgt wieder: 18„erheblich eingeschränkt bin ich durch die psychische belastung seit dem überfall 2000. die panikattacken und angstzustände überfallen mich seit 2005, seit dem bin ich auch in ständiger psychiatrischer behandlung, bei dr. a. . weiter habe ich angst, dass die bypässe, die ich nach einem herzinfarkt im dezember 2003 und im januar 2004 erhalten habe, sich wieder verschließen könnten.“ 19in seinem zuvor gefertigten, im vorgenannten gutachten berücksichtigten zusatzgutachten hielt der facharzt für neurologie und psychiatrie, psychotherapie, herr dr. med. dipl.-psych. x1. unter dem 2. april 2008 in anamnestischer hinsicht u.a. folgende angaben des klägers fest: bei dem überfall sei er allein in der filiale gewesen. nach dem überfall sei er zunächst völlig fertig gewesen, nichts sei mehr gegangen, dennoch habe er nachmittags ab 15.00 uhr wieder die filiale geöffnet. er habe dann seinen hausarzt konsultiert, der blutdruck sei steil nach oben gegangen, magen- und darmprobleme hätten sich eingestellt. nach seinem herzinfarkt sei er dann 2003 in die essener hauptpost versetzt worden und habe dort mehrere angst- und panikattacken erlitten. wegen dieser beschwerden habe er dann nach überweisung durch den hausarzt herrn dipl.-med. a. aufgesucht. er sei heute immer noch gerne bei der post, fühle sich auch in der hauptpost im bereich des schalters wohl, habe guten kontakt zu den kollegen. bedrohlich sei für ihn allerdings der anblick von „vermummten“ leuten vor dem schalter oder in der schalterhalle. erblicke er „vermummte“ kunden, dann erlebe er, ohne dass er sich dagegen wehren könne, angst und panik, herzrasen, schweißausbrüche, luftnot und müsse dann – nicht selten – sofort aus dem schalter raus, um nicht eventuell zusammenzubrechen. die angst habe dazu geführt, dass er mit dem rauchen aufgehört habe; er habe auch angst, dass die bypässe sich wieder verschließen könnten. der gutachter diagnostizierte (sachlich ausdrücklich übereinstimmend mit der diagnose des herrn dipl.-med. a. vom 18. september 2006) eine bei dem kläger vorliegende „anpassungsstörung mit ängstlich-depressiver färbung und neigung zur somatisierung, icd – 10: f 43.2 g“. in der zusammenfassung hielt er u.a. fest: 20„nach einem überfall auf die damals von ihm geführte postfiliale in f. -g. entwickelte er zunächst im sinne einer belastungsreaktion psychosomatische und psychovegetative störungen und eine hypertone blutdrucklage. 21in der folge war dann eine stent-implantation (2 stents) wegen coronarer herzkrankheit notwendig und noch später (januar 2004) – nach einem hinterwandinfarkt – eine bypass-operation (3 bypässe) unumgänglich. 22auf dem boden der vorgenannten gravierenden belastungen entwickelten sich anpassungsstörungen mit neigung zur somatisierung und ängstlich-depressiver färbung, wobei die ängste vielschichtig sind, einerseits bezogen auf die traumatisierung im rahmen des überfalls (ängste und panik beim anblick „vermummter“ oder sonst für ihn auffälliger kunden) und andererseits ängste bezogen auf die bypass-situation und dabei vor allem die angst, die bypässe könnten sich wieder verschließen (angst vor dem tod).“ 23zum krankheitsverlauf auf seinem fachgebiet führte der gutachter aus, „dass spätestens im laufe des jahres 2005 die gesundheitsstörungen auf psychiatrischem fachgebiet ein ausmaß angenommen“ hätten, das vom hausarzt nicht mehr habe alleine behandelt werden können. 24zu durchführung einer von herrn dipl.-med. a. veranlassten stationären rehabilitationsmaßnahme befand sich der kläger vom 18. august 2008 bis zum 13. september 2008 in der c2. -klinik c. u1. . in dem entlassungsbericht der dres. i1. , l. -i1. und h. an den hausarzt des klägers vom 13. oktober 2008 ist als diagnose u.a. festgehalten: „posttraumatische belastungsstörung mit langer depressiver reaktion (f 32.0)“. nach dem bericht gab der kläger an, seit dem überfall an einer angststörung zu leiden. es bestehe auch eine problematik am arbeitsplatz; er müsse größere menschenmengen wie etwa bei konzerten meiden und fühle sich durch stress und kleine außergewöhnliche belastungen schnell aus der bahn geworfen, wie z.b. vermummte personen oder aggressive kunden. 25mit schreiben vom 23. oktober 2008 beantragte der kläger im hinblick auf den dienstunfall vom 16. februar 2000 unfallausgleich und führte zur begründung aus: der dienstunfall habe schon früh zu gesundheitlichen problemen geführt, in deren folge die eingriffe am herzen zu sehen seien. seit mai 2005 sei eine posttraumatische belastungsstörung durch frau prof. dr. i. diagnostiziert. 26herr dipl.-med. a. führte in seinem fachärztlichen behandlungsbericht vom 30. juli 2009 u.a. aus: der kläger habe ihm bei beginn der behandlung im jahre 2005 das folgende berichtet: am 16. februar 2000 habe sich sein bisheriges leben völlig verändert. an diesem tag sei seine poststelle überfallen worden. er habe u.a. unter fürchterlichen ängsten gelitten und habe nicht mehr schlafen können. kurze zeit später (april bzw. september 2000) seien ihm stents gesetzt worden. körperlich habe er sich dann eigentlich ganz gut wieder erholt, allerdings habe er schon damals zunehmend unter schlafstörungen und teilweise massiven alpträumen gelitten. trotzdem sei er arbeiten gegangen. in der zeit um sylvester 2003 habe er nach angaben von frau prof. dr. i. sehr wahrscheinlich einen herzinfarkt erlitten; 2004 habe dann eine bypass-operation erfolgen müssen. weiter berichtete herr dipl.-med. a. : bei der erstvorstellung habe der kläger eine deutlich bedrückte stimmungslage geboten und sei in der affektiven schwingungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen. er habe über massive durchschlafstörungen, innere unruhe, konzentrationsstörungen, antriebsminderung sowie panikartig auftretende angstgefühle geklagt. seither erfolgten eine angst- und depressionslösende medikation mit insidon sowie verhaltensorientierte gespräche. das beschwerdebild auf seinem fachgebiet habe sich zwar gebessert, es sei jedoch trotz der erfolgten behandlung nebst kardiologischen reha-maßnahmen immer noch deutlich instabil. der kläger reagiere auf nur kleinere außergewöhnliche belastungen im alltagsleben mit einer sofortigen verschlechterung des psychischen und auch physischen befindens und klage dann über zunehmende ängste, unruhe, konzentrationsstörungen, durchschlafstörungen und nervosität. auch berichte er immer wieder über häufiges und intensives wiederdurchleben des überfalls in form von alp- oder tagträumen. obwohl der kläger seiner arbeit gern nachgehe, sei es wiederholt im sinne von akuten kriseninterventionen notwendig gewesen, ihn vorübergehend für arbeitsunfähig zu erklären. zusammenfassend hieß es: 27„zusammenfassend handelt es sich bei herrn c. diagnostisch am ehesten um eine posttraumatische belastungsstörung mit einer lang andauernden depressiv-ängstlichen reaktion. gleichzeitig besteht eine zum teil erhebliche somatisierungstendenz. die psychischen störungen werden durch die zusätzlichen körperlichen erkrankungen insgesamt noch kompliziert.“ 28unter dem 7. august 2009 beauftragte die beklagte den fachärztlichen berater der unfallkasse post und telekom, den neurologen und psychiater dr. n1. , mit der begutachtung des falles nach aktenlage. dieser führte unter dem 17. september 2009 aus: der überfall sei nicht rechtlich wesentlich für die geklagten psychischen beschwerden. die angstsymptomatik nach dem überfall habe sich offensichtlich gebessert bzw. sei ohne auswirkung auf den beruflichen alltag des klägers. eindeutig abgrenzbar durch die herzoperation 2005 (anmerkung des senats: richtig ist „2004“) sei eine schwere angstneurose manifest geworden, hier lasse sich eindeutig belegen, dass die verschlechterung und behandlungsbedürftigkeit durch ein andere lebensereignis bedingt worden sei, wenn es auch im rahmen der psychischen auseinandersetzung zu einer neuerlichen auseinandersetzung mit dem überfall gekommen sei. aktuell liege eine schwere angstneurose vor, welche rechtlich nicht wesentlich auf den dienstunfall zurückzuführen sei. notwendig sei aktuell eine psychotherapie. sollte es in deren rahmen erforderlich werden, den unfall noch einmal zu bearbeiten, so wäre es kulanterweise sinnvoll, die kosten für eine solche traumatherapie von der unfallkasse über zehn stunden zu übernehmen. die folgen der psychischen auseinandersetzung mit den folgen des unfalls seien als weitgehend abgeklungen aufzufassen und bedingten keine minderung der erwerbsfähigkeit. 29in ihrem hierauf erlassenen, auf die stellungnahme des herrn dr. n1. gestützten bescheid vom 9. oktober 2009 führte die beklagte in den entscheidungssätzen aus, dass (1.) die angstneurose nicht rechtlich wesentlich auf den dienstunfall zurückzuführen sei und dass (2.) unfallausgleich nicht gewährt werde. 30hiergegen erhob der kläger am 21. oktober 2009 widerspruch. zur begründung legte er ein attest seines hausarztes vom 18. november 2009 vor, in dem es u.a. hieß: der kläger habe sich bei dem überfall ein schweres psychotrauma zugezogen. bei der untersuchung des klägers am folgetag des überfalls seien neben herzkreislaufproblemen (rr 180/100 mm hg. puls 102/min.) deutliche nervöse unruhe- und angstzustände aufgetreten, wie sie nach derartigen traumata üblich seien. diese symptome sowie herzrasen, schlaf- und konzentrationsstörungen hätten in einem derartigen umfang persistiert, dass er den kläger bis zum 25. märz 2000 krankgeschrieben habe. da die herzbeschwerden i.s. einer angina pectoris – sicherlich mitverursacht durch den überfall – in der unmittelbaren folgezeit zugenommen hätten, sei am 5. april 2000 ein belastungs-ekg durchgeführt worden, das deutlich pathologisch ausgefallen sei. bei der daraufhin eingeleiteten stationären krankenhausbehandlung sei dann die koronare herzkrankheit festgestellt worden, welche in der folgezeit das weitere geschehen im wesentlichen bestimmt habe. dem behandlungsbericht von herrn dipl.-med. a. sei zu entnehmen, dass es sich bei der erkrankung des klägers aus psychiatrischer sicht um eine posttraumatische belastungsstörung mit reaktiver depression handele. abschließend führte der hausarzt aus: 31„das psychische trauma des überfalls, nicht die reaktion auf die kurze zeit später diagnostizierte herzerkrankung, stellt den auslösenden faktor für die gesundheitsstörung meines pat. dar, natürlich massiv verstärkt durch die diagnose und die sich anschließenden behandlungen der herzerkrankung. insofern ist als auslösender faktor der psychischen erkrankung von herrn b. meines erachtens eindeutig der dienstunfall vom 16.02.2000 zu sehen.“ 32ergänzend begründete der kläger seinen widerspruch wie folgt: aus dem attest gehe hinreichend klar hervor, dass sich die psychische symptomatik infolge des überfalls rapide verfestigt habe und nachdrücklich bereits vor dem auftreten der somatischen beschwerden aufgetreten sei. die ehefrau des klägers habe sich bei der besprechung des ablehnungsbescheides mit dem (damaligen) bevollmächtigten daran erinnert, schon sehr bald nach dem ereignis verhaltensauffälligkeiten bei dem kläger beobachtet zu haben, u.a. schlaflosigkeit, schreien und umsichschlagen im schlaf. sie erinnere sich hieran, weil sie damit nicht habe umgehen können und weil die auffälligkeiten begonnen hätten, das familienleben und auch ihre eigene gesundheit zu beeinträchtigen. sie habe deshalb seinerzeit ihren hausarzt aufgesucht, dessen nachfolger aber leider kein älteres befundmaterial mehr habe. 33mit bescheid vom 21. september 2010 wies die beklagte den widerspruch zurück und führte zur begründung aus: der dienstunfall sei nicht die rechtlich wesentliche (teil-) ursache der geltend gemachten psychischen beschwerdesymptomatik, und unfallausgleich könne dementsprechend mangels einer unfallbedingten mde nicht gewährt werden. nach der stellungnahme des fachärztlichen beraters der unfallkasse post und telekom (vom 17. september 2009) sei die vorliegende schwere angstneurose nicht in rechtlich erheblicher weise durch den dienstunfall verursacht worden, sondern durch die zwingend in betracht zu ziehende alternativursache der manifestation bzw. diagnose der koronaren herzerkrankung. bestätigt werde das auch durch den entlassungsbericht der o. reha-klinik st. q. -p. vom 14. juni 2006, nach dem die rezividierenden depressiven verstimmungen mit angstzuständen und schlafstörungen vorrangig seit manifestation der koronaren herzerkrankung bestünden. der hausarzt des klägers hingegen unterscheide in seinem attest vom 18. november 2009 nicht zwischen der diagnosestellung einer posttraumatischen belastungsstörung und der begründung des ursachenzusammenhangs zwischen der festgestellten psychischen erkrankung mit dem angeschuldigten unfallereignis. er schließe aus der von herrn dipl.-med. a. gestellten diagnose auf eine zwingende ursächlichkeit des dienstunfalls, ohne ausreichend die anderen in betracht kommenden ursachen zu erwägen, die gerade bei einer psychischen erkrankung von besonderer bedeutung seien. 34der kläger hat am 22. oktober 2010 klage erhoben und diese wie folgt begründet: entgegen der ansicht der beklagten sei der dienstunfall das auslösende moment für die geklagte psychische beschwerdesymptomatik und auch für die herz-, blutdruck- und magenproblematik gewesen. er sei durch den überfall traumatisiert. belegt werde dies schon durch die lange krankschreibung nach dem überfall (17. februar 2000 bis 25. märz 2000). daran habe sich auf anraten seines hausarztes ein einwöchiger urlaub in tirol angeschlossen, damit er wieder ein „sicheres gefühl“ bekomme. danach sei er im jahre 2000 noch häufiger krankgeschrieben gewesen, vor allem wegen angstzuständen, schlafstörungen und unwohlsein, so dass er vom 18. oktober 2000 bis zum 15. november 2000 gemeinsam mit seiner ehefrau einen kuraufenthalt in c. l1. wegen somatischer beschwerden absolviert habe. die traumatisierung habe sich auch auf seine dienstliche tätigkeit ausgewirkt. so habe er bereits ab märz 2000 – d.h. sofort nach wiederaufnahme des dienstes – panikattacken bekommen, unter welchen er übrigens noch heute leide. ausgelöst würden diese attacken durch dunkel gekleidete personen, deren gesicht nicht erkennbar sei (motorradhelm, hut, schleier) und die sich seinem schalter näherten. dann schließe er sofort seinen schalter und begebe sich in einen aus seiner sicht geschützten bereich. aufgrund der regelmäßigen angstattacken sei er nach ansicht seines chefs in der zwei-mann-filiale in g. nicht mehr tragbar gewesen und deshalb 2001 in die großfiliale im l2. -center b1. versetzt worden. dort habe er sich sicherer gefühlt, weil dort regelmäßig 5 bis 6 postbeamte eingesetzt gewesen seien und ein wachdienst tätig gewesen sei. gleichwohl sei es auch dort zu panikattacken gekommen. wegen schließung der filiale in b1. werde er seit 2002 in der großfiliale am hauptbahnhof eingesetzt. aus seiner sicht sei dort ein brennpunkt von „vermummten personen“. deshalb sei er ständig auf die tür fixiert, um zu kontrollieren, wer dort hereinkomme. schon eine person in ganzkörperschleier löse eine solche attacke aus. bis heute begleite ihn der überfall; auch in seinem privatleben sei er erheblich beeinträchtigt. an tagen mit angstattacke führe er noch immer zwei- bis fünfstündige gespräche mit seiner ehefrau und den kindern. er träume häufig von bedrohungssituationen, aus denen er nicht herauskönne, insbesondere bei vorangegangenen belastungssituationen. er schlafe dann erkennbar unruhig und habe auch schon seine ehefrau im schlaf attackiert bzw. eine abwehrhaltung gezeigt. einschlaf- und durchschlafprobleme seien an der tagesordnung. hierdurch und durch die medikation (schlaftabletten, insidon) stehe er auch im dienst immens unter druck und sei häufig krank. der unfall habe ihn krank gemacht. er habe in 2000 versucht, über den schatten zu springen; er habe so schnell wie möglich in die normalität zurückgewollt, und er und sein hausarzt seien damals der ansicht gewesen, dass eine symptomatische behandlung insoweit ausreichen werde. erst nachdem der leidensdruck immer größer geworden sei und der hausarzt sich nicht mehr in der lage gesehen habe, ihn angemessen zu behandeln, habe dieser ihn an den facharzt dipl.-med. a. überwiesen. der umstand, dass er erst so spät einen facharzt wegen seiner psychischen probleme aufgesucht habe, spreche nicht gegen die ursächlichkeit des dienstunfalls für die belastungsstörung. 35in der mündlichen verhandlung vom 17. februar 2012 hat der kläger die sachanträge gestellt, 361. die beklagte unter aufhebung des bescheides vom 9. oktober 2009 und des widerspruchs-bescheides vom 21. september 2010 zu verpflichten, die schwere angstneurose / posttraumatische belastungsstörung mit reaktiver depression und somatisierungstendenz als folge des dienstunfalls vom 16. februar 2000 anzuerkennen, und 372. die beklagte unter aufhebung des bescheides vom 9. oktober 2009 und des widerspruchsbe-scheides vom 21. september 2010 zu verpflich-ten, ihm unfallausgleich entsprechend einer min-derung der erwerbsfähigkeit in höhe von 30 % zu gewähren. 38die beklagte hat beantragt, 39die klage abzuweisen. 40zur begründung hat sie auf den inhalt der angegriffenen bescheide bezug genommen und ergänzend ausgeführt: der dienstunfall sei nicht die rechtlich wesentliche ursache der geklagten psychischen beschwerden. zwar sei es durch das unfallereignis nach den schilderungen des hergangs und den erhobenen ärztlichen befunden bei dem kläger zu psychischen reaktionen gekommen; diese seien aber offenbar nicht so gravierend gewesen, dass der kläger schon zu dieser zeit eine psychologische oder psychiatrische behandlung für notwendig gehalten habe. erst nachdem bei ihm eine koronare herzerkrankung diagnostiziert und operativ behandelt worden sei, habe der kläger eine anhaltende psychische störung in form von ängsten entwickelt, welche ihn erst im november 2005 veranlasst habe, eine psychiatrische behandlung zu beginnen. 41durch das angefochtene urteil, auf das wegen der einzelheiten bezug genommen wird, hat das verwaltungsgericht die klage abgewiesen und zur begründung im kern ausgeführt: der kläger habe nicht den notwendigen ursächlichen zusammenhang zwischen dem dienstunfall und der behaupteten dienstunfallfolge nachgewiesen. denn psychische beschwerden seien bei dem kläger nicht schon nach dem überfall, sondern erst nach der manifestation der herzerkrankung aufgetreten. gegen den ursachenzusammenhang spreche zudem der späte diagnosezeitpunkt (mai 2005), da eine posttraumatische belastungsstörung in der regel mit einer latenz von wochen bis monaten nach dem trauma ausbreche. die gewährung von unfallausgleich scheitere daran, dass eine etwaige minderung der erwerbsfähigkeit (jedenfalls) nicht infolge des dienstunfalles aufgetreten sei. 42mit beschluss vom 19. februar 2014 hat der senat die berufung wegen durchgreifens der aufklärungsrüge zugelassen. in der – ersten – mündlichen verhandlung vom 12. november 2014 hat er sodann die ehefrau des klägers sowie frau v. n2. (frühere kollegin des klägers im schalterdienst) und herrn k. x2. (früherer vorgesetzter des klägers) als zeugen zu veränderungen/auffälligkeiten im verhalten des klägers nach dem dienstunfall gehört; auf das protokoll dieser mündlichen verhandlung wird bezug genommen. nachfolgend hat der senat beweis erhoben durch einholung eines schriftlichen sachverständigengutachtens, das univ.-prof. dr. med. dr. rer. soc. t. , direktor der klinik für psychiatrie, psychotherapie und psychosomatik am universitätsklinikum b2. erstellt hat. der gutachter kommt in dem von ihm vorgelegten, hier in bezug genommenen psychiatrischen gutachten vom 1. april 2015 nebst bericht über die testpsychologische zusatzuntersuchung im kern zu folgenden ergebnissen: bei dem kläger liege eine agoraphobie mit panikattacken (icd-10: f40.01) vor. die kriterien einer depressiven episode seien zum untersuchungszeitpunkt nicht erfüllt, wohl aber in der vergangenheit zu verschiedenen zeitpunkten. die diagnose einer posttraumatischen belastungsstörung könne ebensowenig gestellt wie die mehr als nur geringfügiger somatoformer beschwerden. die beklagten angst- und paniksymptome seien in ihrer gesamtheit als folge des dienstunfalls zu werten. die herzerkrankung mit der nachfolgenden behandlung könne sicherlich als komplizierender faktor für die angsterkrankung gewertet werden, nicht aber als ursächlicher faktor. der grad der minderung der erwerbsfähigkeit sei im zeitraum vom 16. februar 2000 bis zum 21. september 2010 (und bis heute) mit 30 v.h. anzusetzen. in der nachfolgenden – zweiten – mündlichen verhandlung vom 23. november 2015 hat der sachverständige sein gutachten näher erläutert; auf das sitzungsprotokoll wird bezug genommen. 43zur begründung seiner berufung wiederholt der kläger der sache nach sein (vom verwaltungsgericht nicht hinreichend berücksichtigtes) sachvorbringen erster instanz, welches insgesamt belege, dass die posttraumatische belastungsstörung schon seit dem dienstunfall vorgelegen habe und dass die nachfolgende herzerkrankung quasi nur der tropfen gewesen sei, der das fass zum überlaufen gebracht habe. in ergänzung des erstinstanzlichen vortrags macht er ferner geltend: eine fachpsychiatrische behandlung habe er vor aufsuchen des herrn dipl.-med. a. aus scham abgelehnt; außerdem habe er großes vertrauen zu seinem langjährigen hausarzt gehabt und auch deswegen insoweit einen anderen arzt nicht konsultieren wollen. schließlich hätten er und sein hausarzt zunächst die hoffnung gehabt, die medizinische (gemeint: psychische) problematik in den griff zu bekommen. der späte diagnosezeitpunkt erlaube – natürlich – nicht zwingend den rückschluss, dass die erkrankung nicht schon vorher (noch unerkannt) vorgelegen habe. der stellungnahme der beklagten zu dem sachverständigengutachten hält der kläger im kern entgegen: die behauptete widersprüchlichkeit des gutachtens liege nicht vor, da die herzerkrankung die diagnostizierte störung nach dem gutachten gerade nicht ausgelöst habe. vollbeweislich zu sichern sei nur der erste verletzungserfolg (primärschaden), der hier in der erlittenen prellung liege. die weiteren, sich erst entwickelnden psychischen beeinträchtigungen unterlägen (nur) dem beweismaßstab des § 287 zpo. die von dem beratungsarzt vermissten brückensymptome lägen vor. so habe die ehefrau des klägers als zeugin bekundet, dass der kläger bereits unmittelbar nach dem dienstunfall ein extrem gestörtes schlafverhalten und furcht vor menschenansammlungen gezeigt habe. an einer fachärztlichen sicherung dieser symptome bis 2005 fehle es nur aus den bereits dargelegten und von der angeführten zeugin glaubhaft geschilderten gründen. zudem ergebe sich aus dem gutachten, dass die ersten kriterien für die agoraphobie bereits unmittelbar nach dem dienstunfall vorgelegen hätten (verweis auf den arztbericht auf s. 5 des gutachtens: herzrasen, schlaf- und konzentrationsstörungen; wiedergabe der exploration auf s. 22 des gutachtens, wonach der kläger am tag nach dem überfall zittrig gewesen sei, starke ängste gehabt habe und es ihm nicht gelungen sei, die filiale aufzuschließen). 44der kläger beantragt, 45das angefochtene urteil zu ändern und die beklagte unter aufhebung des bescheides vom 9. oktober 2009 und des widerspruchsbescheides vom 21. september 2010 zu verpflichten, 46 471. die geklagten psychischen beschwerden (agoraphobie mit panikattacken) als folge des dienstunfalls vom 16. februar 2000 anzuerkennen und 48 492. ihm unfallausgleich nach maßgabe der gesetzlichen vorschriften entsprechend einer minderung der erwerbsfähigkeit in höhe von 30 v.h. zu gewähren. 50die beklagte beantragt, 51die berufung zurückzuweisen. 52zur begründung bekräftigt sie ihr bisheriges vorbringen und macht unter vorlage einer stellungnahme ihres beratenden arztes dr. n1. (neurologe und psychiater) ergänzend geltend: das sachverständigengutachten sei nicht geeignet, eine wesentliche (mit-) ursächlichkeit des dienstunfalls zu beweisen. die kernaussage des gutachters zur ursächlichkeit sei schon in sich widersprüchlich. denn dieser nehme die alleinige ursächlichkeit des dienstunfalls an, gehe der sache nach aber zugleich von einer mitursächlichkeit der herzerkrankung aus. zudem sei die beweisfrage 1. b) nicht ordnungsgemäß beantwortet. denn die geforderte gewichtung der in betracht kommenden ursachen könne nicht durch die schlichte behauptung der alleinigen ursächlichkeit des dienstunfalls umgangen werden. näheres ergebe sich aus der beratungsärztlichen stellungnahme, welche sich die beklagte ausdrücklich zu eigen mache. dort ist im wesentlichen ausgeführt: die diagnose einer agoraphobie mit panikattacken sei zutreffend. das gelte auch für den angesetzten beginn dieser störung (november 2005), weil zuvor das eindrückliche krankheitsbild einer agoraphobie mit panikattacken, welches in der regel zu häufigen arztkontakten meist somatischer natur führe, weder dem gutachten noch den akten zu entnehmen sei. zu hinterfragen sei aber die kausalitätsbetrachtung, da sie ohne begründung erheblich von der wissenschaftlichen standardliteratur abweiche. zweifel ergäben sich zunächst aus der langen latenz der symptome bis zum 25. november 2005. nach der sk2-leitlinie zur begutachtung psychischer und psychosomatischer erkrankungen awmf – registernummer 051/029 ergebe sich aus der maßgeblichen literatur primär kein hinweis darauf, dass die vorliegende störung nach icd-10 f:40.01 durch einen unfall oder ein trauma ausgelöst werden könne. nach auswertung der akten und des gutachtens fehle es an aber brückensymptomen für die zeit vom dienstunfall bis 2005. der gutachter habe eine initiale anpassungsstörung schon nicht diagnostiziert. gehe man aber auf der grundlage der schilderung des hausarztes von einer solchen aus, so klinge diese nach „statement 13“ der erwähnten sk2-leitlinie nach einmaligen psychischen traumen spätestens nach 2 jahren ab; länger anhaltende anpassungsstörungen seien nur bei anhaltendem – hier aber nicht erkennbarem – stressor (z.b. anhaltende schwere körperliche schädigungsfolgen) zu diagnostizieren und ggf. als schädigungsfolge anzuerkennen. falle die vorliegende störung unter „statement 16“ der sk2-leitlinie, so ergebe sich die notwendigkeit der ausführlichen diskussion der schädigungsunabhängigen konkurrierenden faktoren, hier also der schweren koronaren herzerkrankung mit luftnot und herzbeschwerden bis hin zur notwendigen bypass-operation. eindeutige hinweise ergäben sich insoweit aus der anamnese, denn die psychischen symptome hätten ab 2002/2003 in verbindung mit den herzbeschwerden deutlich zugenommen. mit zeitlicher latenz zum schädigungsereignis auftretende psychische symptome seien nach „statement 17“ der sk2-leitlinie im allgemeinen nur dann als – gutachterlich stets zu sichernder – primärschaden zu werten, wenn ein auch nach objektiven kriterien katastrophales ereignis vorgelegen habe, dass erst mit verzögerung dem bewussten erleben zugänglich geworden sei. das vorliegen dieser voraussetzung habe der gutachter nicht überzeugend nachgewiesen. es fehle im gutachten der notwenige beleg dafür, dass die erst 2005 aufgetretene störung auf den dienstunfall und nicht auf die symptome der herzkrankheit zurückzuführen sein soll, zumal nach der s3-leitlinie behandlung von angststörungen in der wissenschaftlichen literatur üblicherweise in der regel eher physiologische faktoren als auslöser einer agoraphobie mit panikattacken angesehen werden. nach der s3-leitlinie seien bei patienten mit einer panikstörung in den letzten 12 monaten vor der ersten panikattacke signifikant mehr belastende lebensereignisse festgestellt worden als bei kontrollpersonen; potentiell todbringende krankheiten wie die koronare herzerkrankung erzeugten hingegen reale angst, welche indes typischerweise auf anpassungsstörungen, nicht aber auf angststörungen führe. angesichts dieser literaturlage überrasche es, dass der gutachter ausschließe, dass die ab 2005 aufgetretenen panikattacken sich aus einer erst im gefolge der herzerkrankung aufgetretenen anpassungsstörung entwickelt haben könnte, zumal diese auch vom zeitlichen bezug her doch deutlich plausibler wäre. hinsichtlich der vom gutachter festgestellten mde sei zum einen zu fragen, weshalb diese bereits ab 2000 vorliegen solle, obwohl die agoraphobie nach den feststellungen erst seit 2005 gegeben sei. zum anderen erscheine die angesetzte mde von 30 v.h. begründungsbedürftig hoch angesetzt; nach schönberger et al., arbeitsunfall und berufskrankheit, 8. aufl. 2010, s. 157 sei bei zeitlich begrenzten attacken nämlich nur von einer mde i.h.v. 20 v.h. auszugehen. 53unter dem 18. juli 2014 bzw. dem 28. juli 2014 haben die beklagte bzw. der kläger erklärt, auch nach der erfolgten zulassung der berufung mit einer entscheidung durch den berichterstatter (§ 87a abs. 2 und 3 vwgo) einverstanden zu sein, und der berichterstatter hat von dieser ihm eingeräumten befugnis nachfolgend durch die ladung zur – ersten – mündlichen verhandlung nach außen erkennbar gebrauch gemacht. 54wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird ergänzend auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen verwaltungsvorgänge (3 hefte) bezug genommen. 55 | 56die zulässige berufung ist begründet. 57die insgesamt als verpflichtungsklage statthafte und auch ansonsten zulässige klage ist mit beiden in der mündlichen verhandlung vom 23. november 2015 gestellten anträgen begründet (dazu nachfolgend a. und b.). 58a. begründet (dazu nachfolgend ii.) ist zunächst die – im berufungsverfahren nicht geänderte (dazu nachfolgend i.) – klage mit dem im klageantrag zu 1. formulierten anerkennungsbegehren. 59i. entgegen dem vorbringen der beklagten liegt in der neufassung des klageantrags zu 1. in der mündlichen verhandlung vom 23. november 2015 keine klageänderung im sinne des § 91 abs. 1 vwgo. denn der klagegrund hat sich hierdurch nicht verändert; er ist im laufe des gesamten gerichtsverfahrens vielmehr unverändert geblieben. ausweislich des in der klageschrift vom 21. oktober 2010 angekündigten einschlägigen klageantrags war das (dem sachbegehren im verwaltungsverfahren entsprechende) sachbegehren des klägers insoweit darauf gerichtet, die bei ihm „vorliegende psychische beschwerdesymptomatik (schwere angstneurose/ posttraumatische belastungsstörung mit reaktiver depression und somatisierungstendenz)“ als folge des „arbeitsunfalls vom 16.02.2000 anzuerkennen“. in der mündlichen verhandlung vor dem verwaltungsgericht hat der kläger sodann einen dem inhaltlich entsprechenden verpflichtungsantrag gestellt, indem er beantragt hat, die schwere angstneurose/posttraumatische belastungsstörung mit reaktiver depression und somatisierungstendenz als folge des dienstunfalls vom 16. februar 2000 anzuerkennen; dem wiederum entsprach der in der berufungsbegründungsschrift vom 7. märz 2014 formulierte antrag zu 1. in der ersten mündlichen verhandlung vor dem senat am 12. november 2014 hat der kläger sodann auf anraten des gerichts die anzuerkennenden dienstunfallfolgen in dem verpflichtungsantrag zu 1. wieder – der sache nach dem antrag in der klageschrift entsprechend – als „die geklagten psychischen beschwerden (schwere angstneurose/ posttraumatische belastungsstörung mit reaktiver depression und somatisierungstendenz)“ bezeichnet. von diesem mithin bis dahin durchgängig verfolgten sachbegehren ist der kläger in der letzten mündlichen verhandlung nicht abgewichen. denn der nunmehr gestellte antrag, die beklagte zu verpflichten, „die geklagten psychischen beschwerden (agoraphobie mit panikattacken) als folge des dienstunfalls vom 16. februar 2000 anzuerkennen“, hat nach wie vor die anerkennung der geklagten psychischen beschwerden als dienstunfallfolge zum gegenstand. die konkretisierung dieser psychischen beschwerden durch den klammerzusatz ändert daran nichts. sie ist allein dem umstand geschuldet, dass der kläger seine psychischen beschwerden erstmals nach dem vorliegen der (grundsätzlich auch vom beratungsarzt der beklagten für zutreffend gehaltenen) diagnose des sachverständigen eindeutig bezeichnen konnte, während ihm zuvor eine vielzahl sich teilweise widersprechender diagnosen gestellt worden war, welche er in den früheren klammerzusätzen deshalb nur beispielhaft anführen konnte und angeführt hat. 60ii. der kläger hat gemäß den §§ 45 abs. 3 satz 2, 31 abs. 1 satz 1 beamtvg einen anspruch (dazu nachfolgend 1.) gegen die beklagte, dass diese seine nunmehr als agoraphobie mit panikattacken identifizierte bestehende psychische erkrankung als folge des dienstunfalls (dazu nachfolgend 2.) vom 16. februar 2000 anerkennt. die beklagte ist daher verpflichtet, den entgegenstehenden bescheid vom 9. oktober 2009 in der fassung des widerspruchsbescheides vom 21. september 2010 entsprechend abzuändern (§ 113 abs. 5 satz 1 vwgo). 611. nach § 45 abs. 3 satz 2 beamtvg entscheidet die oberste dienstbehörde oder die von ihr bestimmte stelle u. a. darüber, ob ein dienstunfall im sinne des § 31 beamtvg vorliegt. die daraus abzuleitende entscheidungsbefugnis umfasst auch die entscheidung darüber, ob bestimmte leiden (und ggf. welche) folge eines als dienstunfall anerkannten bzw. anzuerkennenden ereignisses sind. hierüber kann bereits in dem anerkennungsbescheid oder durch gesonderten verwaltungsakt entschieden werden. der betroffene beamte hat gegenüber seinem dienstherrn auch einen anspruch auf eine solche entscheidung. das gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – streit darüber besteht, ob ein bestimmter körperschaden dienstunfallfolge ist, und der dienstherr insoweit eine anerkennung bereits abgelehnt hat. 62vgl. das senatsurteil vom 23. mai 2014– 1 a 1988/11 –, juris, rn. 47 f. 632. die geklagte psychische erkrankung des klägers (agoraphobie mit panikattacken) ist folge des dienstunfalls. 64ein dienstunfall ist nach § 31 abs. 1 satz 1 beamtvg ein auf äußerer einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen körperschaden verursachendes ereignis, das in ausübung oder infolge des dienstes eingetreten ist. ein körperschaden in diesem sinne liegt vor, wenn der gesundheitszustand eines menschen für eine bestimmte mindestzeit ungünstig verändert ist und diese veränderung (auch sonst) nicht nur bagatellcharakter hat, sondern aus medizinischer sicht krankheitswert besitzt. 65vgl. ovg des saarlandes, urteil vom 22. april 2009 – 1 a 155/08 –, juris rn. 27, und ovg nrw, urteil vom 28. november 2014– 1 a 1860/14 –, död 2015, 104 = juris, rn. 44 f., m. w. n.; dazu, dass auch eine (nicht unerhebliche) verletzung der seelischen integrität – also eine psychische störung – einen körperschaden darstellt, vgl. groepper/tegethoff, in: plog/ wie-dow, bundesbeamtengesetz, stand: oktober 2015, beamtvg § 31 rn. 44, und schnellenbach, beamtenrecht in der praxis, 8. aufl. 2013, § 14 rn. 11, jeweils m. w. n. – 66ein dienstunfall liegt deshalb unter anderem auch dann vor, wenn der betroffene in ausübung oder infolge des dienstes eine solche psychische, krankheitswert aufweisende gesundheitsstörung erleidet, die unmittelbar (also nicht erst über den zwischenschritt eines physischen traumas) auf der wahrnehmung eines belastenden äußeren ereignisses beruht, welche einen psychoreaktiven prozess in gang gesetzt hat. auch in einem solchen fall liegt mit blick auf die (begrenzte) funktion des merkmals äußerer einwirkung, allein auf inneren vorgängen des betroffenen beruhende körperschäden vom begriff des dienstunfalls auszunehmen, 67vgl. insoweit etwa plog/wiedow, bundesbeamtengesetz, stand: oktober 2015, beamtvg § 31 rn. 39, 68eine einwirkung auf den körper von außen vor. 69deutlich schönberger/mehrtens/valentin, arbeitsunfall und berufskrankheit, 8. aufl. 2010, s. 148.; jeweils dazu, dass ein körperschaden i. s. d. § 31 abs. 1 satz 1, abs. 4 satz 1 beamtvg in einer als folge einer traumatisierung eingetretenen seelischen störung liegen kann, bverwg, urteile vom 29. oktober 2009– 2 c 134.07 –, bverwge 135, 176 = zbr 2010, 378 = juris, rn. 24, und vom 25. oktober 2012– 2 c 41.11 –, nvwz-rr 2013, 320 = juris, rn. 12. 70im dienstunfallrecht der beamten sind als ursache im rechtssinne nur solche für den eingetretenen schaden ursächlichen bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) sinne anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen beziehung zum erfolg nach natürlicher betrachtungsweise an dessen eintritt mitgewirkt haben, die also insofern als „wesentlich“ anzusehen sind (theorie der wesentlich mitwirkenden ursache). dies zielt auf eine sachgerechte risikoverteilung. dem dienstherrn sollen nur die spezifischen gefahren der beamtentätigkeit oder die nach der lebenserfahrung auf sie zurückführbaren, für den schaden wesentlichen risiken aufgebürdet werden. diejenigen risiken, die sich aus persönlichen, von der norm abweichenden anlagen oder aus anderen als dienstlich gesetzten gründen ergeben, sollen hingegen bei dem beamten belassen werden. dementsprechend ist der dienstunfall dann als wesentliche ursache im rechtssinne anzuerkennen, wenn er bei natürlicher betrachtungsweise entweder überragend zum erfolg (körperschaden) beigetragen hat oder zumindest annähernd die gleiche bedeutung für den eintritt des schadens hatte wie die anderen umstände insgesamt. wesentliche ursache im dienstunfallrecht kann auch ein äußeres ereignis sein, das ein anlagebedingtes leiden auslöst oder (nur) beschleunigt, wenn diesem ereignis nicht im verhältnis zu anderen bedingungen – zu denen auch die bei eintritt des äußeren ereignisses schon vorhandene veranlagung gehört – eine derart untergeordnete bedeutung für den eintritt der schadensfolge zukommt, dass diese anderen bedingungen bei natürlicher betrachtung allein als maßgeblich anzusehen sind. nicht ursachen im rechtssinne sind demnach sog. gelegenheitsursachen, d. h. ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen schaden und dem dienstunfall eine rein zufällige beziehung besteht, wenn also die krankhafte veranlagung oder das anlagebedingte leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur auslösung akuter erscheinungen keiner besonderen, in ihrer eigenart unersetzlichen einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes ereignis zum selben erfolg geführt hätte. haben hieran gemessen mehrere bedingungen im rechtssinne einen bestimmten erfolg (körperschaden) herbeigeführt, so sind sie jeweils als wesentliche (mit‑)ursachen einzustufen. die materielle beweislast für den nachweis des geforderten kausalzusammenhangs trägt der (anspruchstellende) beamte. grundsätzlich bedarf es insoweit des vollen beweises im sinne „an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit“. 71ständige rechtsprechung; vgl. bverwg, urteile vom 29. oktober 2009 – 2 c 134.07 –, bverwge 135, 176 = zbr 2010, 378 = juris, rn. 26 f., vom 1. märz 2007 – 2 a 9.04 –, schütz, beamtr es/c ii 3.5 nr. 16 = juris, rn. 8, und vom 18. april 2002 – 2 c 22.01 –, zbr 2003, 140 = juris, rn. 10, sowie beschluss vom 23. oktober 2013 – 2 b 34.12 –, juris, rn. 6; ferner aus der rechtsprechung des erkennenden senats zuletzt die urteile vom 28. november 2014– 1 a 1860/14 –, död 2015, 104 = juris, rn. 46 f., und vom 23. mai 2014 – 1 a 1988/11 –, juris, rn. 50 ff., jeweils m. w. n. 72ausgehend von diesen maßstäben stellt die bei dem kläger diagnostizierte, seit dem dienstunfall bestehende agoraphobie mit panikattacken einen körperschaden dar (dazu weiter unten a)), dessen alleinige ursache im dienstunfallrechtlichen sinne der dienstunfall (überfall) ist (dazu weiter unten b)). 73das alles steht auf der grundlage einer gesamtwürdigung des akteninhalts, dabei insbesondere der im berufungsrechtszug durchgeführten beweisaufnahmen (zeugenbefragung, einholung des sachverständigengutachtens und dessen erläuterung durch den sachverständigen in der mündlichen verhandlung) zur überzeugung des erkennenden gerichts fest, und zwar mit dem erforderlichen grad der an sicherheit grenzenden wahrscheinlichkeit. der senat folgt insoweit den ausführungen und bewertungen des gerichtlichen sachverständigen prof. dr. dr. t. . es würdigt dabei dessen gesamte ausführungen in einer gesamtschau, also nicht nur das vorgelegte schriftliche psychiatrische gutachten nebst bericht über die testpsychologische zusatzbegutachtung, sondern auch die in der mündlichen verhandlung gegebenen mündlichen erläuterungen. soweit das schriftliche gutachten noch wegen unklarheiten bzw. begründungsdefiziten erläuterungsbedürftig war, hat der gutachter die erforderlichen erläuterungen in allen bedeutsamen punkten in der mündlichen verhandlung gegeben. gerade unter einbeziehung dieser erläuterungen ergibt sich hier in fachlich-medizinischer sicht insgesamt eine taugliche und hinreichend fundierte grundlage für das gericht, um die aufgeworfenen fragen nach der art und dauer der psychischen erkrankung und nach dem ursachenzusammenhang auf einer zureichenden tatsachenbasis beurteilen zu können. das ergibt sich aus folgendem: der sachverständige hat zur überzeugung des senats den entscheidungserheblichen sachverhalt, soweit er ihm für die urteilsbildung zu den beweisfragen 1.a) und 1.b) gewicht beigemessen hat und beimessen musste, seiner beurteilung vollständig und zutreffend zugrunde gelegt. er hat bei seinen erläuterungen keine unsicherheiten erkennen lassen oder widersprüchliche angaben gemacht. schließlich sind nicht ansatzweise bedenken hinsichtlich der fachlichen kompetenz oder unparteilichkeit des sachverständigen erkennbar oder geltend gemacht worden. 74a) der sachverständige hat bei dem kläger eine agoraphobie mit panikattacken (icd-10: f40.01) diagnostiziert und in der mündlichen verhandlung zur dauer dieser erkrankung klargestellt, dass diese seiner einschätzung nach durch das bei dem dienstunfall (überfall) erlebte trauma ausgelöst worden ist und von diesem zeitpunkt an durchgängig (jedenfalls) bis zur untersuchung im januar 2015 vorgelegen hat; die begrenzung seiner aussage auf den zuletzt genannten zeitpunkt sei dabei lediglich dem umstand geschuldet, dass er den kläger nach januar 2015 nicht mehr untersucht habe. dies rechtfertigt ohne weiteres die annahme, dass dem kläger der behauptete anerkennungsanspruch durchgängig auch bis zu dem insoweit nach dem materiellen recht maßgeblichen zeitpunkt der letzten verwaltungsentscheidung im september 2010 zugestanden hat. auf diesen zeitpunkt kommt es vorliegend deshalb an, weil ein anerkennungsbegehren der vorliegenden art von gesetzes wegen nicht zwingend – wie hier geschehen – selbständig formuliert werden muss, die mit ihm aufgeworfene frage vielmehr auch gegenstand eines allein gestellten antrags auf gewährung von unfallausgleich sein kann, 75vgl. insoweit die eine streitwertbeschwerde und eine gegenvorstellung betreffenden senatsbeschlüsse zum aktenzeichen 1 e 433/11 vom 20. dezember 2012, juris, rn. 8, und vom 28. dezember 2012, juris, rn. 9, 76und die frage, ob unfallausgleich zu gewähren ist, sich unstreitig nach maßgabe der sach- und rechtslage im zeitpunkt der letzten behördenentscheidung beantwortet. 77vgl. insoweit ovg nrw, beschluss vom 3. november 2014 – 1 a 27/13 –, juris, rn. 7 f., und urteil vom 8. februar 1994 – 6 a 2089/91 –, juris, rn. 4 f., jeweils m. w. n.; ferner vg bremen, urteil vom 9. september 2011– 2 k 1472/10 –, juris, rn. 41 f., und groepper/tegethoff, in: plog/wiedow, bundesbeamtengesetz, stand: oktober 2015, beamtvg § 35 rn. 87, jeweils m. w. n.; zu der (bejahten) frage, ob dem kläger, der die anerkennung bestimmter, bereits während des widerspruchsverfahrens ausgeheilter beschwerden begehrt, ein rechtsschutzinteresse zur seite steht, vgl. das senatsurteil vom 28. november 2014– 1 a 1860/14 –. död 2015, 104 = juris, rn. 29 ff. 78letzteres findet seinen grund darin, dass es, wie die regelung des § 35 abs.3 beamtvg verdeutlicht, nicht aufgabe des gerichts ist, den für die gewährung von unfallausgleich maßgeblichen, ggf. änderungen unterworfenen gesundheitszustand des beamten während der dauer des gerichtlichen verfahrens „rechtlich unter kontrolle zu halten“. fiele es in die verantwortung des gerichts, die frage der fortdauer der erkrankung und des ursachenzusammenhangs zwischen dienstunfall und erkrankung bis zur mündlichen verhandlung „rechtlich unter kontrolle zu halten“, so würde dies im übrigen im einzelfall zu erheblichen praktischen schwierigkeiten führen können. ein sachverständigengutachten, welches das gericht zu der anerkennungsfrage einzuholen hatte, wird nämlich gerade bei solchen körperschäden, hinsichtlich derer sich künftig noch relevante änderungen ergeben könnten, grundsätzlich keine prognostischen, d.h. über den zeitpunkt seiner erstellung hinausweisenden aussagen enthalten bzw. enthalten können; dieser umstand würde das gericht bei eintritt relevanter gesundheitlicher umstände nach vorlage des gutachtens und vor der gerichtlichen entscheidung aber zwingen, den gutachter zu einer ergänzenden, u.u. sogar noch eine weitere untersuchung erforderlich machenden begutachtung zu veranlassen, und zwar womöglich noch innerhalb der mündlichen verhandlung. 79aber auch dann, wenn ein selbständiges anerkennungsbegehren entgegen dem vorstehenden auf der grundlage der sach- und rechtslage im zeitpunkt der letzten mündlichen verhandlung zu beurteilen wäre, würde sich das ergebnis hier nicht ändern. denn vernünftige zweifel daran, dass der kläger an der in rede stehenden psychischen erkrankung auch heute – rund 10 monate nach der untersuchung durch den gutachter – leidet, sind angesichts der inzwischen 15jährigen dauer der erkrankung und ihres längst chronischen charakters nicht einmal ansatzweise zu erkennen. 80der senat ist mit dem insoweit erforderlichen grad der an sicherheit grenzenden wahrscheinlichkeit überzeugt, dass die gestellte diagnose, welche auf die annahme eines körperschadens in der form einer erheblichen beeinträchtigung der seelischen integrität führt, zutrifft, und zwar auch hinsichtlich der vom gutachter angenommenen dauer der erkrankung bis anfang 2015; in gleicher weise ist der senat aus den bereits angesprochenen gründen im übrigen, wie hier nur hilfsweise ausgeführt werden soll, überzeugt, dass die erkrankung bis heute andauert. zwar hat das schriftliche gutachten sich noch auf eine im kern nur ergebnishafte mitteilung der diagnose beschränkt und zudem u.u. nicht hinreichend klar ausgeführt, wann der beginn der erkrankung anzusetzen ist. diese punkte hat der sachverständige aber in der mündlichen verhandlung vor dem senat unter rückgriff auf die ergebnisse seiner eigenen untersuchungen und die ergebnisse der erfolgten intensiven auswertung der aktenlage nachvollziehbar und überzeugend erläutert. 81nach icd-10: f.40.0 wird die agoraphobie, die „mit panikstörung“ die ziffer f.40.01 trägt, wie folgt beschrieben: 82„eine relativ gut definierte gruppe von phobien, mit befürchtungen, das haus zu verlassen, geschäfte zu betreten, in menschenmengen und auf öffentlichen plätzen zu sein, alleine mit bahn, bus oder flugzeug zu reisen. eine panikstörung kommt als häufiges merkmal bei gegenwärtigen oder zurückliegenden episoden vor. depressive und zwanghafte symptome sowie soziale phobien sind als zusätzliche merkmale gleichfalls häufig vorhanden. die vermeidung der phobischen situation steht oft im vordergrund, und einige agoraphobiker erleben nur wenig angst, da sie die phobischen situationen meiden können.“ 83diese beschreibung konkretisierend hat der sachverständige in der mündlichen verhandlung ausgeführt, dass die diagnose dieser erkrankung das vorliegen von drei kriterien verlange: die vegetativen und psychischen symptome müssten primär auf die angst zurückzuführen sein. ferner müsse sich die angst auf mindestens zwei verschiedene situationen beziehen, so z.b. auf den aufenthalt in menschenmengen oder im dunkeln außerhalb der (eigenen) vier wände. schließlich müsse ein vermeidungsverhalten vorliegen. diese voraussetzungen hätten bei dem kläger ausweislich des ausgewerteten akteninhalts und der exploration seit dem dienstunfall im jahre 2000 und durchgängig bis zum untersuchungszeitpunkt anfang 2015 vorgelegen. mit der zuletzt genannten aussage sowie den von ihm hierzu sodann gegebenen näheren, nachfolgend behandelten erläuterungen hat der sachverständige nicht nur klargestellt, seit welchem zeitpunkt der kläger an der diagnostizierten erkrankung leidet, sondern seine diagnose insgesamt – auch in zeitlicher hinsicht – nachvollziehbar und überzeugend begründet. vor diesem hintergrund ist, wie schon an dieser stelle festgehalten werden soll, die argumentation der beklagten bzw. des beratungsarztes irrelevant, soweit sie auf der these aufbaut, der sachverständige habe die agoraphobie mit panikattacken erst ab november 2005 diagnostiziert (fragen langer latenz und des fehlens von „brückensymptomen“). 84der beklagten ist zwar zuzugeben, dass das schriftliche gutachten hinsichtlich der frage des zeitraums der erkrankung nicht ganz eindeutig war. es konnte dahin verstanden werden, die agoraphobie liege erst seit dem 25. november 2005 vor. das ergab sich entgegen der einschätzung der beklagten zwar nicht schon aus der wendung auf seite 30 des gutachtens, nach der davon auszugehen ist, „dass die kriterien zu diesen zeitpunkten ab november 2005 erfüllt waren“. denn der satzzusammenhang, in welchem sich diese wendung findet, und auch ein blick auf den vorhergehenden satz erhellen ohne weiteres, dass der sachverständige sich an dieser stelle zu den kriterien einer depressiven episode und nicht etwa zu der diagnostizierten agoraphobie geäußert hat. der satz, welcher der feststellung auf seite 29 des gutachtens, die diagnosekriterien für eine agoraphobie mit panikattacken seien erfüllt, nachfolgt, konnte aber auf die annahme führen, die agoraphobie liege erst seit dem 25. november 2005 vor. denn dort heißt es: „eine erstmalige psychiatrische vorstellung auf grund der beschwerden erfolgte nach dem bericht von dr. a. am 25.11.2005, so dass hier der beginn anzusetzen ist“. dass mit dieser äußerung nicht der krankheitsbeginn bezeichnet werden sollte, hat der sachverständige aber in der mündlichen verhandlung nachvollziehbar und überzeugend dargelegt. er hat insoweit ausgeführt, dass die äußerung auf seite 29 des gutachtens ausweislich der gliederung desselben nicht schon die beantwortung der beweisfragen betreffe und lediglich den beginn der erstmaligen psychiatrischen vorstellung und fremddokumentation angebe. das ist schon deshalb ohne weiteres nachvollziehbar, weil – wie der sachverständige im weiteren verlauf der mündlichen verhandlung auch ergänzt hat – eine krankheit in aller regel nicht erst bei dem ersten arztkontakt ausbricht, sondern bereits grund für das aufsuchen des arztes und damit vorbestehend ist. das kommt in der fraglichen äußerung im gutachten auch zum ausdruck. denn dort hat der sachverständige ausgeführt, dass die erstmalige psychiatrische vorstellung am 25. november 2005 auf grund der (damit ja bereits vorhandenen) beschwerden erfolgt sei. bestätigt wird die annahme, der sachverständige habe den krankheitsbeginn bereits in seinem gutachten mit dem tag des dienstunfalls angesetzt und dies folglich in der mündlichen verhandlung nur klargestellt, durch die im gutachten auf seite 31 gegebene antwort auf die beweisfrage 1.c), wie hoch der grad der minderung der erwerbsfähigkeit des klägers im zeitraum vom 16. februar 2000 bis zum 21. september 2010 gewesen ist. mit der gegebenen antwort, dass „über den besagten zeitraum“ eine minderung der erwerbsfähigkeit von 30% vorliege, hat der sachverständige nämlich erkennbar auf die unmittelbar zuvor von ihm zitierte beweisfrage und damit auf den in ihr genannten zeitraum vom 16. februar 2000 bis zum 21. september 2010 bezug genommen und für diesen zeitraum durchgängig das vorliegen der angenommenen minderung der erwerbsfähigkeit festgestellt. das ergäbe aber offensichtlich keinen sinn, wenn die einzig diagnostizierte erkrankung erst seit dem 25. november 2005 und damit nur für einen teilzeitraum des zeitraums der minderung der erwerbsfähigkeit vorgelegen hätte. 85die demnach vom sachverständigen von anfang an getroffene medizinische feststellung, der kläger leide an einer agoraphobie mit panikattacken, deren ausbruch am 16. februar 2000 und nicht erst 2005 erfolgt sei, hat der sachverständige jedenfalls bei einbeziehung seiner mündlichen erläuterungen nachvollziehbar und überzeugend begründet. 86zusammenfassend hat er diese einschätzung darauf gestützt, dass der kläger in der untersuchung entsprechend berichtet habe, dass die durchgeführten einschlägigen untersuchungen insoweit keine hinweise auf eine simulation oder aggravation erbracht hätten, dass es in keinem ärztlichen dokument hinweise auf einen ausbruch der krankheit erst zu einem nach dem tag des dienstunfalls gelegenen zeitpunkt gebe und dass auch die aussagen der zeugen auf das vorliegen der erkrankung schon im zeitraum zwischen dem dienstunfall und dem jahre 2005 hinwiesen. das überzeugt aus den nachfolgenden gründen. 87ausgangspunkt der betrachtung sind – wie stets bei psychischen erkrankungen – die eigenen angaben des probanden, hier also der bericht des klägers gegenüber dem sachverständigen. diese angaben stützen den befund des gutachters. im einzelnen hat der kläger dem sachverständigen gegenüber nämlich ausweislich des gutachtens angegeben: bis zu dem überfall sei er ein lebensfroher mensch gewesen (s. 18), habe nie psychische probleme gehabt (s. 16) und sei (auch sonst) nie ernsthaft krank gewesen (s. 15). am folgetag des überfalls habe er es nicht geschafft, die filiale wieder zu öffnen, weil es ihm dabei sehr schlecht gegangen sei, er starke ängste gehabt habe und er zittrig gewesen sei; von dem sogleich aufgesuchten hausarzt sei er dann krankgeschrieben worden (s. 16 und 22). während dieser zeit (der krankschreibung) habe er dann auch luftnot und herzbeschwerden entwickelt, welche sich dann als herzerkrankung herausgestellt hätten (s. 16 f.). nach der etwa zweimonatigen krankschreibung sei er in seine alte filiale zurückgekehrt, habe sich dort aber nicht mehr wohlgefühlt, sondern angst gehabt, da er dort meistens alleine dienst gehabt habe (s. 22). er habe häufig den schalter wegen ängsten schließen müssen und nach sechs monaten den wechsel in eine andere postfiliale beantragt, zu dem es dann auch gekommen sei (s. 22). sehr zugesetzt habe ihm, dass es bei der post seit 2001 nur noch „offene“ schalter gebe, also solche ohne glasabtrennung (s. 22). seit 2002 arbeite er in der postfiliale am essener bahnhof; auch dort sei er hoch belastet und habe oft ängste (s. 22). wenn als vermummt wahrgenommene personen die filiale beträten, werde er nervös und müsse den schalter verlassen, um sich zu beruhigen (s. 22 f.). seit dem überfall habe er auch angst davor, im dunkeln vor die tür zu gehen, und in größeren menschenansammlungen fühle er sich sehr unwohl (s. 23). häufig habe er alpträume, welche sich in stresssituationen noch verschlimmerten (s. 23). seit dem überfall leide er unter ängsten (s. 18), welche sich zwei bis drei jahre nach dem überfall wieder vermehrt eingestellt hätten (s. 17), und könne keine nacht mehr durchschlafen (s. 18). er durchlebe in seinen träumen den überfall, führe im schlaf tritte aus und nehme, wie er beim erwachen bemerke, eine abwehrstellung ein (s. 18). insgesamt fühle er sich seit dem überfall in seiner lebensführung und arbeitsfähigkeit erheblich beeinträchtigt (s. 23). 88diese angaben des klägers zu beginn, art und dauer des beschwerdebildes hat der sachverständige nicht, wie der vertreter der beklagten in der mündlichen verhandlung vom 23. november 2015 unterstellt hat, unkritisch übernommen. vielmehr hat er die eigenangaben des klägers seiner gesamtbewertung erst deshalb wie vom kläger bekundet (mit) zugrunde gelegt, weil die schilderung nach der erfolgten fachärztlichen beobachtung des verhaltens des klägers während der untersuchungen insgesamt authentisch gewirkt hat und weil sich testpsychologisch nach durchführung mehrerer beschwerdevalidierungstests keine hinweise auf aggravations- und/oder simulationstendenzen gezeigt haben (s. 28 des gutachtens sowie s. 23 bis 25 und s. 27 und 29 f. des berichts über die testpsychologische zusatzuntersuchung). die diesbezüglichen – von der beklagten im übrigen auch nicht angegriffenen – ausführungen des sachverständigen sind nachvollziehbar und überzeugend. 89außerdem hat der sachverständige seiner bewertung nicht nur die – nach dem vorstehenden als glaubhaft bestätigten – eigenangaben des klägers zum verlauf seiner erkrankung und zum beschwerdebild zugrunde gelegt, sondern auch das aktenmaterial umfassend gewürdigt. dieses rechtfertigt auch nach der überzeugung des gerichts in seiner summe die annahme, der kläger habe bereits seit dem dienstunfall im februar 2000 und nicht erst seit 2004/2005 (bypass-operation; vorstellung beim facharzt) oder seit april 2000 (ausbruch der herzerkrankung) massive psychische probleme i. s. einer agoraphobie und panikattacken. 90insbesondere hat der sachverständige die auf seite 5 seines gutachtens auszugsweise wiedergegebene schilderung des hausarztes des klägers im attest vom 18. november 2009 berücksichtigt, die das krankheitsgeschehen unmittelbar nach dem überfall betrifft (und die eigenangaben des klägers bestätigt). nach dieser schilderung hat der kläger bei seiner dortigen vorstellung am tag nach dem überfall „deutliche nervöse unruhe- und angstzustände“ gezeigt. diese hätten in der folge zusammen mit herzrasen, schlaf- und konzentrationsstörungen in einem derartigen umfang persistiert, dass er – der hausarzt – den kläger bis zum 25. märz 2000 einschließlich krankgeschrieben habe. zudem hat der sachverständige ausweislich seines gutachtens die in den akten vorhandenen sonstigen (fach)ärztlichen atteste oder gutachten ausgewertet, welche, soweit sie (auch) die psyche des klägers betreffen, mit der regelmäßig gestellten (nach erkenntnis des sachverständigen allerdings fehlerhaften) diagnose einer posttraumatischen belastungsstörung im wesentlichen übereinstimmend davon ausgehen, dass die psychische erkrankung des klägers (zumindest auch) auf ein bei dem überfall erlittenes trauma zurückzuführen sei, also seit dem dienstunfall bestehe; eine ausnahme bildet insoweit lediglich die auf seite 10 des gutachtens zitierte, für die beklagte angefertigte stellungnahme des beratungsarztes dr. n1. vom 17. september 2009, der zwar vom vorliegen einer „schweren angstneurose“ (angstneurose ist der fachlich veraltete begriff für angststörung; vgl. insoweit pschyrembel, klinisches wörterbuch, 263. aufl. 2012, s. 102, stichwort „angststörung, generalisierte“) ausgeht, diese aber nicht rechtlich wesentlich auf den unfall zurückführen will. 91berücksichtigt hat der sachverständige im gutachten und bei seinen mündlichen erläuterungen schließlich auch das ergebnis der zeugenbefragung, welche das erkennende gericht in der – ersten – mündlichen verhandlung vom 12. november 2014 durchgeführt hat. so hat er insbesondere die aussagen der ehefrau des klägers zitiert, der kläger habe schon während seiner krankschreibung unmittelbar nach dem überfall ein extremes schlafverhalten mit nächtlichen kämpfen gezeigt und sich auch sonst nach dem überfall verändert; er sei viel vorsichtiger und misstrauischer geworden und meide verschiedene situationen, so etwa menschenansammlungen. ferner hat er die aussage der zeugin n2. (kollegin des klägers in den jahren 2003 bis 2013) hervorgehoben, der kläger habe sich (wegen ausgelöster ängste) etwa drei- bis viermal im monat vom schalter in die hintere räume der filiale zurückziehen müssen. auch die heranziehung dieser thematisch einschlägigen aussagen ist nicht zu beanstanden und überzeugt, weil zweifel an der richtigkeit dieser bekundungen nicht erkennbar sind. denn bei den zeugen ist keinerlei tendenz zu erkennen gewesen (und von der beklagten auch nicht behauptet worden), den kläger durch wahrheitswidrige aussagen zu begünstigen, und der inhalt ihrer aussagen fügt sich wiederum in das durch den angeführten akteninhalt sowie durch die validierten bekundungen des klägers gezeichnete bild. 92der sich nach alledem als richtig geradezu aufdrängenden bewertung des sachverständigen, der kläger leide im gesamten zu betrachtenden zeitraum an der diagnostizierten, lange jahre nicht leitliniengerecht behandelten und sich selbst unterhaltenden angsterkrankung, hält die beklagte nichts durchgreifendes entgegen. das gilt schon deshalb, weil die insoweit mit schriftsatz vom 18. juni 2015 vorgelegte beratungsärztliche stellungnahme des herrn dr. n1. vom 11. juni 2015 ausweislich der dortigen ausführungen „zur aktenlage“ von unzutreffenden tatsachen ausgeht. bereits die obigen feststellungen erhellen, dass die behauptung von herrn dr. n1. fehlerhaft ist, erstmals 2005 würden panikattacken und angstzustände geschildert. zwar findet sich in dem (von dr. n1. nicht zitierten) fachorthopädischen gutachten des herrn dr. b. vom 15. mai 2008 eine wiedergabe der klage des klägers, die panikattacken und angstzustände überfielen ihn „seit 2005“; diese angabe ist aber angesichts des oben dargelegten geschehens unmittelbar nach dem überfall, angesichts der wegen der angstzustände erfolgten versetzung des klägers und angesichts seiner auch schon in den jahren vor 2005 häufigen flucht aus dem schalterbereich nicht nachvollziehbar und auch vereinzelt geblieben. die weitere feststellung des herrn dr. n1. , die aktenlage ergebe „bis auf die angabe des hausarztes erstmals ab 2005 bzw. 2006 die angabe von psychischen beschwerden“, ist zwar richtig, aber erlaubt nicht den schluss auf das fehlen solcher beschwerden vor den genannten zeitpunkten. erstens ist schon nicht erkennbar, warum den sachangaben des hausarztes keine bedeutung zukommen sollte. zweitens liegt mit den validierten angaben des klägers, mit den (späteren) ärztlichen äußerungen in den akten und mit den zeugenaussagen eine vielzahl von belegen für das bestehen der agoraphobie mit panikattacken seit dem dienstunfall vor. drittens schließlich hat der kläger zudem glaubhaft vorgetragen, einen facharzt trotz der längst bestehenden psychischen beschwerden aus scham und ferner deshalb erst 2005 aufgesucht zu haben, weil er, seine frau und auch sein hausarzt angenommen hätten, die problematik durch eine hausärztliche behandlung „in den griff“ zu bekommen; das aber erklärt ohne weiteres nachvollziehbar und überzeugend das fehlen einschlägiger sonstiger (fach-) ärztlicher befunde vor 2005. 93die weitere rüge der beklagten, der kläger habe sich ausweislich der versorgungsakte im dortigen verfahren bis in das jahr 2006 hinein nicht auf eine psychische erkrankung berufen, trifft zwar der sache nach zu, erlaubt aber nicht den mit ihr beabsichtigten schluss. denn vor der jahreswende 2005/2006 hatte dem bis dahin nur hausärztlich betreuten kläger eine hinreichende grundlage gefehlt, eine psychische erkrankung geltend zu machen, weil seine fachärztliche betreuung überhaupt erst im november 2005 eingesetzt hat. nach dem behandlungsbeginn bei dem facharzt für psychiatrie dipl.-med. a. und nach dem aufenthalt in der o. -reha-klinik vom 10. mai 2006 bis zum 7. juni 2006 hat der kläger sich dann gegenüber dem versorgungsamt unverzüglich auch auf seine psychischen beschwerden berufen, nämlich mit seinem änderungsantrag vom 3. august 2006. im übrigen zeigt gerade auch das vorliegende verfahren, dass von einem bestimmten antragszeitpunkt nicht zwingend darauf geschlossen werden kann, vor diesem zeitpunkt hätten die nun geklagten beschwerden noch nicht bestanden. denn der kläger hat erst mit schreiben vom 23. oktober 2008 die gewährung von unfallausgleich begehrt, obwohl er bereits seit ende 2005/anfang 2006 über die diagnose einer psychischen erkrankung verfügt hatte und diese erkrankung auch nach der auffassung der beklagten bereits seit 2005 vorgelegen hatte (vgl. die stellungnahme des herrn dr. n1. vom 11. juni 2015). 94an dieser stelle ist mithin zusammenfassend festzuhalten: das gericht ist mit dem grad an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit von der richtigkeit der einschätzung des sachverständigen überzeugt, der kläger leide im gesamten zu betrachtenden zeitraum an der diagnostizierten, lange jahre nicht leitliniengerecht behandelten und sich selbst unterhaltenden agoraphobie mit panikattacken. diese überzeugung gründet sich zunächst darauf, dass der sachverständige den sachverhalt, welcher für die beantwortung der beweisfrage 1.a) entscheidungserheblich ist, in ansehung der vorstehenden ausführungen vollständig und zutreffend ermittelt und zugrunde gelegt hat. ferner stützt sie sich darauf, dass der sachverständige seine einschätzung auch hinreichend plausibel und überzeugend begründet hat, indem er sie aus einer gesamtschau der oben dargestellten gesichtspunkte (validierte angaben des klägers zu seinem beschwerden, auswertung der ärztlichen äußerungen in den akten und würdigung der zeugenaussagen) widerspruchsfrei abgeleitet hat, ohne hierbei irgendwelche unsicherheiten erkennen zu lassen. 95b) der dienstunfall ist im dienstunfallrechtlichen sinne kausal für die diagnostizierte agoraphobie mit panikattacken. das ergibt sich zur überzeugung des gerichts aus einer gesamtwürdigung des akteninhalts, insbesondere aus den ausführungen des sachverständigen, und zwar mit dem erforderlichen grad der an sicherheit grenzenden wahrscheinlichkeit. die in dem schriftlichen gutachten insoweit noch vorhandenen begründungsdefizite hat der sachverständige, hinsichtlich dessen fachlicher kompetenz oder unparteilichkeit auch insoweit nicht ansatzweise bedenken ersichtlich sind, in der mündlichen verhandlung überzeugend beseitigt, und er hat hierbei keine unsicherheiten erkennen lassen oder widersprüchliche angaben gemacht. 96aa) der sachverständige hat zunächst plausibel und überzeugend begründet, dass zwischen dem traumatischen erlebnis des überfalls (dienstunfall) und der agoraphobie mit panikattacken ein naturwissenschaftlicher zusammenhang in dem sinne besteht, dass diese psychische erkrankung ohne den dienstunfall nicht ausgebrochen wäre, letzterer also conditio sine qua non für erstere ist. er hat in der mündlichen verhandlung nämlich nachvollziehbar und überzeugend das folgende ausgeführt: der kläger habe bei dem überfallgeschehen eine existentielle bedrohung erlebt und sei deswegen in schwerster weise traumatisiert worden. ein solches massives trauma sei nach wissenschaftlicher erkenntnis auch dann, wenn sich hieraus – wie vorliegend – keine posttraumatischen belastungsstörung (ptbs; englisch: posttraumatic stress disorder, ptsd) entwickele, geeignet, die diagnostizierte angsterkrankung hervorzurufen. dieser bewertung steht nicht die beratungsärztliche äußerung des herrn dr. n1. vom 11. juni 2015 entgegen, in der maßgeblichen literatur ergebe sich „primär kein hinweis auf die auslösung einer agoraphobie mit panikattacken als folge eines unfalls oder traumas“, wenn man die „sk2-leitlinie [anmerkung des gerichts: die bezeichnung der leitlinien dieser kategorie ist uneinheitlich. die in rede stehende leitlinie bezeichnet sich selbst als „sk2-leitlinie“, während solche leitlinien nach dem weiter unter zitierten leitlinien-glossar „s2k-leitlinien“ genannt werden. letzteres dürfte vorzugswürdig sein, da hierbei die hierarchieebenen (2; k bzw. e) in zutreffender, nämlich absteigender reihenfolge angegeben werden.] zur begutachtung psychischer und psychosomatischer erkrankungen awmf – registernummer 051/029“ heranziehe. zwar trifft es zu, dass diese leitlinie unter ihrem punkt 2.2 (psychoreaktive störungen im icd-10- und dsm-iv-system) als kategorien psychoreaktiver störungen auf traumen fünf verschiedene störungsarten aufführt (vgl. die dortige tabelle 4, s. 102, sowie die gliederungspunkte 2.2.1 bis 2.2.5) und dabei die agoraphobie nicht erwähnt. auch ist es richtig, dass bei einer nach dieser leitlinie daher nur noch möglichen einordnung der agoraphobie als „sonstige psychoreaktive störung“ i. s. d. gliederungspunktes 2.2.6 „ein zusammenhang mit dann ggf. auch dauerhaften symptomen im allgemeinen nur in zwei fällen anzuerkennen ist“, nämlich bei dem – hier nicht gegebenen – „nachweis einer seelischen traumatisierung im sinne der ptbs“ oder bei – hier ebenfalls nicht gegebenen – anhaltenden körperlichen schädigungsfolgen, die intensiv emotional belegt sind. der sachverständige hat insoweit aber nachvollziehbar und überzeugend erläutert, dass diese leitlinie insoweit wegen ihrer fehlerhaftigkeit nicht zugrundegelegt werden könne. zur begründung hat er zunächst ausgeführt, dass sie als s2k-leitlinie lediglich auf einer (fehleranfälligen) formalen konsensfindung der unterzeichner beruhe und damit nicht den grad an wissenschaftlichkeit erreiche, der den sog. s3-leitlinien zukomme, welche ausschließlich auf metaanalysen gestützt würden, also auf solche analysen, welche primär-untersuchungen zu metadaten zusammenfassen und ausschließlich mit quantitativen, statistischen und damit nicht subjektiven daten arbeiten. dies trifft zu. die leitlinien der mitgliedsgesellschaften der awmf (arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen fachgesellschaften) werden – wie vom sachverständigen erläutert – in drei auf die entwicklungsmethodik bezogene klassen eingeteilt: 97„s1: von einer expertengruppe im informellen konsens erarbeitet (ergebnis: empfehlungen) 98s2: eine formale konsensfindung („s2k“) und/oder eine formale „evidenz“-recherche („s2e“) hat stattgefunden 99s3: leitlinie mit allen elementen einer systematischen entwicklung (logik-, entscheidungs- und „outcome“-analyse)“; zitat aus dem leitlinien-glossar (= band 30 der schriftenreihe des ärztlichen zentrums für qualität in der medizin, eines gemeinsamen instituts von bundesärztekammer und der kassenärztlichen bundesvereinigung), 2007, s. 66 (stichwort: klassifizierung von leitlinien), welches auch im internet verfügbar ist, und zwar über die webseite der awmf (www.awmf.org) und über die hinsichtlich der online-version verlinkte webseite www.leitlinien.de, welche von dem erwähnten ärztlichen zentrum für qualität in der medizin verantwortet wird; eine entsprechende darstellung findet sich ferner bei pschyrembel, klinisches wörterbuch, 263. aufl. 2012, s. 1178, stichwort „leitlinien“. 100ferner trifft es zu, dass die fragliche s2k-leitlinie von der größten, ältesten und wichtigsten fachgesellschaft, der deutschen gesellschaft für psychiatrie, psychosomatik und nervenheilkunde (dgppn) nicht unterzeichnet und damit in ihren aussagen als qualitativ mangelhaft eingestuft worden ist. bestätigt wird die einschätzung des sachverständigen zur generellen eignung eines traumas, eine angsterkrankung hervorzurufen, durch die von der beklagten über die stellungnahme des herrn dr. n1. ins verfahren eingeführte, einen höheren grad an wissenschaftlichkeit aufweisende und auch von der dgppn herausgegebene s3-leitlinie „behandlung von angststörungen“. diese geht in ihrem abschnitt 3.2 (ätiopathogenese und risikofaktoren) bei der erörterung der verschiedenen ursachen von angststörungen bei der behandlung der psychosozialen faktoren (gliederungspunkt 3.2.2) – sachlich mit dem gutachter übereinstimmend – davon aus, dass auch aktuelle belastende lebensereignisse mit einer höheren häufigkeit von angsterkrankungen assoziiert sind, also eine mögliche ursache von angsterkrankungen darstellen. 101bb) der dienstunfall des klägers ist ferner im dienstunfallrechtlichen sinne wesentliche ursache für die bestehende agoraphobie mit panikattacken. diese (auch rechtliche) bewertung des gerichts beruht in medizinischer hinsicht auf den entsprechenden, ohne unsicherheiten, ohne widersprüche dargelegten, nachvollziehbaren und überzeugenden ausführungen des sachverständigen. 102der sachverständige hat in der mündlichen verhandlung seine einschlägigen, im vorgelegten gutachten im kern noch ergebnishaften ausführungen nachvollziehbar und das gericht überzeugend weiter wie folgt erläutert: er könne mit der ihm höchstmöglichen gewissheit sagen, dass die gegebene agoraphobie mit panikattacken ausschließlich auf das massive trauma zurückzuführen sei, welches der kläger bei dem überfall erlebt habe, nicht aber auch auf dessen herzerkrankung. das ergebe sich zunächst – erstens – wesentlich aus dem umstand, dass die herzerkrankung überhaupt erst etwa zwei monate nach dem erlebten trauma aufgetreten sei. zweitens gebe es zwar zusammenhänge zwischen herzerkrankungen oder auch etwa diabetes einerseits und angsterkrankungen andererseits; die entsprechenden allgemeinen erkenntnisse könnten aber nicht wissenschaftlich auf den einzelnen betroffenen „heruntergebrochen“ werden; im einzelfall könne also nicht seriös überprüft werden, ob eine gemeinsame bedingtheit vorliege. drittens seien die aus der herzerkrankung erwachsenen physiologischen ängste im rahmen der kardiologischen rehabilitation gut behandelt worden; dass ergebe sich aus den in den akten befindlichen und im gutachten (s. 9 und 10) auch aufgeführten einschlägigen berichten etwa des q.-stift-krankenhauses in f. und der o. reha-klinik vom 14. juni 2006. die herzerkrankung sei namentlich auch nicht zu irgendeinem nach dem dienstunfall gelegenen zeitpunkt als ursache der agoraphobie mit panikattacken hinzugetreten. der kläger habe nämlich dahingehend keine einschlägigen informationen geliefert, und es fehle auch an einer entsprechenden dokumentation für eine relevante ursächliche beteiligung der herzerkrankung an der angsterkrankung, auch hinsichtlich deren unterhalts. die vorliegende angsterkrankung oder auch nur ihr schweregrad könnten auch nicht etwa auf die persönlichkeit des kläger zurückgeführt werden. die persönlichkeit bzw. deren ausstattung seien zwar grundsätzlich relevant; die wissenschaft habe sich aber von dem freudschen modell verabschiedet, welches ursachen psychischer erkrankungen in bestimmten lebensgeschichtlichen prägungen sehe, weil sich dieses modell als unwissenschaftlich erwiesen habe. dies gelte umso mehr, als kein anhalt dafür bestehe, dass bei dem kläger vor dem dienstunfall eine angsterkrankung oder sonstige psychische erkrankung bestanden habe. 103mit diesen ausführungen ist nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass alleinige ursache – und damit auch im rechtssinne wesentliche ursache – der angsterkrankung das als sehr schwer erlebte trauma des dienstunfalls ist, und zwar während der gesamten diagnostizierten dauer der erkrankung. überzeugend ist insoweit zunächst die schlussfolgerung, mangels psychischer vorerkrankungen und mangels vorliegens der herzerkrankung im zeitpunkt des überfalls und auch noch knapp zwei monate danach könne auslöser der schon anfänglich gegebenen agoraphobie mit panikattacken allein der dienstunfall sein. ebenso überzeugt die annahme des sachverständigen, die herzerkrankung und aus ihr resultierende ängste seien auch zu keiner zeit nach dem dienstunfall als (mit-)ursache zu der festgestellten ursache hinzugetreten, sondern stellten nur eine komplizierenden faktor dar. insoweit leuchtet es zunächst ein, dass die herzerkrankung als solche nicht schon wegen insoweit bislang allein festgestellter allgemeiner zusammenhänge zwischen herz- und angsterkrankungen wissenschaftlich seriös im einzelfall als ursache namhaft gemacht werden kann. ferner überzeugt insoweit auch die aussage, dass die aus der herzerkrankung erwachsenen physiologischen ängste, welche der kläger nach aktenlage insbesondere im gefolge der bypass-operation wiederholt geäußert hat (vgl. insoweit den entlassungsbericht der o. reha-klinik vom 14. juni 2006 und die wiedergabe einer entsprechenden klage im fachorthopädischen gutachten des herrn dr. b. vom 15. mai 2008), keinen kausalbeitrag zum unterhalt der agoraphobie mit panikattacken geleistet haben. denn die in rede stehenden ängste – einerseits die angst vor einem erneuten verschluss der gefäße o.ä. und andererseits die angst vor als bedrohlich eingestuften situationen – haben gänzlich unterschiedliche gegenstände und kommen auch aus völlig unterschiedlichen richtungen. die auffassung, dass die körperliche erkrankung die psychische erkrankung (nur) kompliziert habe, hat übrigens auch schon herr dipl.-med. a. in seinem fachärztlichen behandlungsbericht vom 30. juli 2009 vertreten. im übrigen fällt bei auswertung des aktenmaterials insoweit auf, dass die mit der herzerkrankung verbundenen ängste anders als die mit dem überfall assoziierten ängste nicht durchgängig, sondern zeitlich nur im umkreis dieser erkrankung aufgetreten und nach angaben des klägers nach der „reparatur“ des herzens wieder (gänzlich) in den hintergrund gerückt sind (vgl. das protokoll der mündlichen verhandlung vom 12. november 2014, s. 4: „für mich stehen ganz klar die mit dem überfall verbundenen ängste im vordergrund, denn das herz ist repariert worden, und ich werde kardiologisch gut betreut“; vgl. ferner die im gutachten wiedergegebenen, nicht mit der herzerkrankung verbundenen – validierten – angaben des klägers gegenüber dem sachverständigen zum gegenstand seiner ängste: „menschenansammlungen“, s. 15, „vermummte“, s. 22, „er habe seit dem überfall auch angst davor, im dunkeln vor die tür zu gehen, in größeren menschenansammlungen fühle er sich sehr unwohl“, s. 23). schließlich lässt sich aus den einschlägigen ausführungen des sachverständigen in der mündlichen verhandlung zur überzeugung des gerichts ableiten, dass der dienstunfall auch nicht als sog. gelegenheitsursache eingestuft werden kann. hat nämlich der kläger vor dem dienstunfall nach der exploration zu keiner zeit an einer psychischen erkrankung gelitten und scheiden persönlichkeit und ausstattung als konkret namhaft zu machende ursachen einer psychischen erkrankung nach dem stand der wissenschaft generell aus, wie der sachverständige in der mündlichen verhandlung nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt hat, so fehlt es schon an einer krankhaften veranlagung bzw. an einem anlagebedingten leiden, die bzw. das die annahme erlauben könnte, bereits ein anderes, aber alltäglich vorkommendes ereignis hätte zum selben erfolg geführt wie der dienstunfall. 104dazu, dass der betroffene grundsätzlich mit seiner individuellen veranlagung (und vulnerabilität) geschützt ist und es deshalb allein darauf ankommt, wie sich die belastungen bei ihm abhängig von seiner belastbarkeit und kompensationsfähigkeit auswirken, vgl. schönberger/mehrtens/ valentin, arbeitsunfall und berufskrankheit, 8. aufl. 2010, s. 152 mit fn. 61, unter hinweis auf das die parallelproblematik bei der gewährung von verletztengeld (noch nach § 560 rvo) betreffende urteil des lsg rheinland-pfalz vom 30. september 1999 – l 7 u 179/97 –, ezs 40/597 = juris, rn. 65. 105b. begründet ist die klage ferner auch mit dem in der mündlichen verhandlung vom 23. november 2015 gestellten klageantrag zu 2. der kläger hat anspruch auf die gewährung von unfallausgleich nach maßgabe der gesetzlichen vorschriften entsprechend einer minderung der erwerbsfähigkeit (im folgenden: mde) in höhe von 30 v. h. zahlungsbeginn ist mit blick darauf, dass die mde nach den vorstehenden ausführungen zum anerkennungsanspruch bereits mit dem tag des dienstunfalls eingetreten ist, der 16. februar 2000. 106zum zahlungsbeginn bei der gewährung von unfallausgleich vgl. näher groepper/tegethoff, in: plog/wiedow, bundesbeamtengesetz, stand: oktober 2015, beamtvg § 35 rn. 43, 77 und 78. 107nach § 35 abs. 1 beamtvg erhält der beamte, der infolge eines dienstunfalls in seiner erwerbsfähigkeit länger als sechs monate wesentlich beschränkt ist, solange dieser zustand andauert, neben seinen bezügen einen unfallausgleich; eine wesentliche beschränkung im vorgenannten sinne liegt dabei vor, wenn die mde mindestens 25 v. h. beträgt. 108näher zu letzterem: groepper/tegethoff, in: plog/wiedow, bundesbeamtengesetz, stand: oktober 2015, beamtvg § 35 rn. 39. 109die mde ist gemäß § 35 abs. 2 satz 1 beamtvg nach der körperlichen beeinträchtigung im allgemeinen erwerbsleben zu beurteilen. erwerbsfähigkeit ist die kompetenz des verletzten, sich unter nutzung der arbeitsgelegenheiten, die sich ihm abstrakt im gesamten bereich des erwerbslebens bieten, einen erwerb zu verschaffen. für die beurteilung dieser kompetenz kommt es weder auf die individuellen verhältnisse an noch auf die bislang ausgeübte tätigkeit. 110vgl. etwa bverwg, beschluss vom 25. februar 2013 – 2 b 57.12 –, juris, rn. 9, und groepper/tegethoff, in: plog/wiedow, bundesbeamtengesetz, stand: oktober 2015, beamtvg § 35 rn. 39 und 49. 111der grad der mde, also der in einem prozentsatz ausgedrückte anteil der erwerbsmöglichkeiten, der dem verletzten aufgrund der störungen verschlossen ist, ist auf der grundlage vor allem medizinischer und ferner auch wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher sowie rechtlicher feststellungen und einschätzungen zu ermitteln. 112vgl. etwa groepper/tegethoff, in: plog/wiedow, bundesbeamtengesetz, stand: oktober 2015, beamtvg § 35 rn. 50 ff. 113er ist deshalb auf der grundlage eines ärztlichen gutachtens festzustellen. 114vgl. ovg nrw, urteil vom 7. märz 2014– 3 a 528/12 –, juris, rn. 45, und bayvgh, beschluss vom 1. februar 2013 – 3 zb 11.1166 –, juris, rn. 13, jeweils m. w. n. 115für die bemessung der auswirkungen der jeweils maßgeblichen gesundheitseinschränkungen haben sich in der praxis erfahrungswerte in form von richtwerten und allgemeinen grundsätzen herausgebildet. „richtwerte“ für die bemessung der mde bei psychischen störungen finden sich nicht nur in der fachliteratur, 116vgl. die richtwerte-tabelle bei schönberger/mehrtens/valentin, arbeitsunfall und berufskrankheit, 8. aufl. 2010, s. 156 f., 117sondern insbesondere auch in der seit dezember 2008 vorliegenden verordnung zur durchführung des § 1 abs. 1 und 3, des § 30 abs. 1 und des § 35 abs. 1 des bundesversorgungsgesetzes (versorgungsmedizin-verordnung – versmedv), welche aufgrund des § 30 abs. 17 des gesetzes über die versorgung der opfer des krieges (bundesversorgungsgesetz – bvg) erlassen worden ist und deshalb eine hinreichende demokratische legitimierung aufweist. diese verordnung regelt die grundsätze für die medizinische bewertung von schädigungsfolgen und die feststellung des grades der schädigungsfolgen im sinne des § 30 abs. 1 bvg (vgl. § 30 abs. 17 bvg und § 1 versmedv). dies geschieht gemäß § 2 versmedv in der anlage „versorgungsmedizinische grundsätze“, welche auf der grundlage des aktuellen stands der medizinischen wissenschaft unter anwendung der grundsätze der evidenzbasierten medizin erstellt und fortentwickelt wird. zwar knüpft die verordnung an einen rechtsbegriff an, nach welchem die allgemeinen auswirkungen der maßgeblichen funktionsbeeinträchtigungen in allen lebensbereichen in den blick zu nehmen sind (§ 30 abs. 1 satz 1 bvg), während es für die minderung der erwerbsfähigkeit insoweit nur auf das allgemeine erwerbsleben ankommt. aus der mithin zu konstatierenden verschiedenheit der maßstäbe folgt aber nicht, dass die gesichtspunkte, welche in dem für das recht der sozialen entschädigung nach dem bvg geltenden und auch im schwerbehindertenrecht herangezogenen beurteilungsgefüge der „versorgungsmedizinischen grundsätze“ niedergelegt sind, im recht der dienstunfallfürsorge keine berücksichtigung finden können. sie können vielmehr als orientierungsmaßstab anwendung finden, soweit das mit dem rechtsbegriff der minderung der erwerbsfähigkeit im einklang steht. 118vgl. bayvgh, beschluss vom 1. februar 2013– 3 zb 11.1166 –, juris, rn. 5 f. und 13, und urteil vom 29. juli 2010 – 3 b 09.659 –, juris, rn. 46 ff.; ovg berlin-brandenburg, urteile vom 25. märz 2014 – ovg 4 b 3.11 –, juris, rn. 42, und vom 19. januar 2011 – ovg 4 b 32.10 –, juris, rn. 23 (noch zu den „anhaltspunkten für die ärztliche gutachtertätigkeit im sozialen entschädigungsrecht und nach dem schwerbehindertenrecht“, also zu der noch nicht im verordnungswege ergangenen vorgänger-regelung der versmedv); ovg nrw, urteil vom 7. märz 2014 – 3 a 528/12 –, juris, rn. 45 f., m. w. n., und beschluss vom 31. mai 2013 – 3 a 547/12 –, n. v.; groepper/tegethoff, in: plog/wiedow, bundesbeamtengesetz, stand: oktober 2015, beamtvg § 35 rn. 49, 50 ff. 119für die sachverständige begutachtung, welche der entscheidung über den anspruch auf unfallausgleich zugrundeliegt, bedeutet dies, dass der sachverständige sich bei der gebotenen individuellen, also auf den einzelfall des verletzten bezogenen beurteilung der mde zwar an den „versorgungsmedizinischen grundsätzen“ orientieren darf, aber zugleich berücksichtigen muss, dass der zutreffende maßstab die körperliche beeinträchtigung im erwerbsleben (und nicht etwa in allen lebensbereichen) ist. 120vgl. ovg nrw, urteil vom 7. märz 2014 – 3 a 528/12 –, juris, rn. 45 f., m. w. n., ovg berlin-brandenburg, urteil vom 25. märz 2014 – ovg 4 b 3.11 –, juris, rn. 42, m. w. n. 121der sachverständige hat in der mündlichen verhandlung vom 23. november 2015 ausgeführt, dass die mde hier für den maßgeblichen zeitraum mit 30 v. h. anzusetzen sei. bei angsterkrankungen sei nach heutigem (kritikwürdigem, weil generell zu niedrige werte auswerfenden) stand normalerweise von einem grad der mde in höhe von 20 bis 30 auszugehen. hier sei ein grad der mde von 30 v. h. angemessen, weil die panikattacken relativ häufig (einmal oder mehrmals im monat) aufträten und der kläger in seinem eigenen denken eine ständige bedrohung erlebe. das ist ohne weiteres nachvollziehbar und überzeugt auch vor dem hintergrund sowohl der richtwerte der „versorgungsmedizinischen grundsätze“ als auch der richtwerte, welche in der von der beklagten zitierten literatur 122vgl. die richtwerte-tabelle bei schönberger/mehrtens/valentin, arbeitsunfall und berufskrankheit, 8. aufl. 2010, s. 156 f. (157 unten), 123vorgeschlagen werden, die hier nach den weiteren – ebenfalls nachvollziehbaren – ausführungen des gutachters jeweils ebenfalls auf die annahme einer mde i. h. v. 30 v. h. führen. bei heranziehung der „versorgungsmedizinischen grundsätze“ ist zur überzeugung des gerichts zunächst davon auszugehen, dass die vorliegende psychische beeinträchtigung des klägers diesen im erwerbsleben (mindestens) im gleichen maße wie in den sonstigen lebensbereichen betrifft, da er im rahmen einer erwerbstätigkeit immer wieder mit situationen der ihn ängstigenden art konfrontiert sein wird, deren auftreten er weniger leicht schon im vorfeld vermeiden kann als im weitgehend autonom bestimmten privatleben; die für den gds geltenden grundsätze können hier deshalb, wie vom sachverständigen auch zugrundegelegt, ohne weiteres auf die hier erforderliche bewertung übertragen werden. die „versorgungsmedizinischen grundsätze“ sehen in ihrem teil b (gds-tabelle) unter dem gliederungspunkt 3.7 (neurosen, persönlichkeitsstörungen, folgen psychischer traumen) den ansatz eines grades der schädigungsfolgen (gds) von 30 bis 40 vor, wenn eine stärker behindernde störung mit wesentlicher einschränkung der erlebnis- und gestaltungsfähigkeit gegeben ist, und nennen als beispiel insoweit u.a. ausgeprägtere phobische störungen. die aussage, dass die hier diagnostizierte agoraphobie mit panikattacken dieser kategorie zuzuordnen ist und nicht lediglich als eine mit einem gds bzw. einer mde von 0 bis 20 belegte „leichtere psychovegetative oder psychische störung“ eingestuft werden kann, ist nach der bereits oben zitierten begründung des sachverständigen ohne weiteres nachvollziehbar. gleiches gilt für seine aussage, nach welcher der ansatz einer mde i. h. v. 30 v. h. auch bei berücksichtigung der „richtwerte“ bei schönberger et. al. angemessen ist. nach dieser literaturstelle ist bei vorliegen einer agoraphobie „auf grund erheblicher sozial-kommunikativer auswirkung“ eine mde bis 30 v. h. anzusetzen, wenn eine „stärkergradige einschränkung und beeinträchtigung mit ausgeprägtem vermeidungsverhalten“ gegeben ist. diese voraussetzungen sind hier offensichtlich erfüllt. denn der kläger zeigt ein ausgeprägtes vermeidungsverhalten (meidung von menschenmengen, nichtverlassen des hauses bei dunkelheit und rückzug in die hinteren diensträume bei bemerken einer als bedrohlich empfunden situation während des schalterdienstes), welches ihn im erwerbs- wie sonstigen leben erheblich körperlich-funktionell einschränkt und psychisch-emotional beeinträchtigt. die in diesem zusammenhang erfolgte äußerung des beratungsarztes, bei „zeitlich begrenzten attacken“ sei nach schönberger et. al. (nur) eine mde bis 20 v. h. angezeigt, überzeugt schon deswegen nicht, weil sie auf die ausführungen von schönberger et. al. zu der hier nicht diagnostizierten erkrankung panikstörung (icd-10 f:41.0) bezogen sind; hierauf hat das gericht bereits in der mündlichen verhandlung vom 23. november 2015 hingewiesen. 124die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 abs. 1 vwgo, 708 nr. 10, 711 zpo. 125die revision ist nicht zuzulassen, weil die voraussetzungen der §§ 132 abs. 2 vwgo, 127 brrg nicht vorliegen. | Klaeger*in | 1 |
188,681 | L 14 R 250/13 | 2013-10-25T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Streitig zwischen den Beteiligten ist der Beginn einer der Klägerin zustehenden Regelaltersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). 3Die Klägerin wurde am 00.00.1924 in Rumänien geboren. Sie ist jüdischen Glaubens. Sie lebt in Israel und ist israelische Staatsbürgerin. 4Am 01.03.1984 stellte die Klägerin einen Rentenantrag in Israel. Am 04.12.1998 beantragte sie mittels eines Vordrucks mit dem Betreff " Anerkennung von Arbeitszeiten im Ghetto" "nach dem FRG/ WGSVG/SGB VI"die Anerkennung ihrer Arbeitszeiten im Ghetto als Beitragszeiten, die Zulassung zum Nachentrichtungsverfahren und eine Altersrente. Die Beklagte übersandte der Klägerin daraufhin Antragsvordrucke und bat sie, diese auszufüllen. Am 19.04.1999 erinnerte die Beklagte die Klägerin an die Übersendung der Unterlagen. Sofern eine solche nicht erfolge, müsse der Antrag abgelehnt werden. Mit Schreiben vom 03.05.1999 (eingegangen am 31.05.1999) erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten: "Sehr geehrter Herr, ersuche höflichst meine Akte zu schliessen, ich kann keine Deutschprüfung machen, weil ich die Sprache nicht beherrsche." Die Beklagte sah die Erklärung als Rücknahme des Antrags an und schloss das Verfahren ab. 5Mit Bescheid vom 16.02.2009 gewährte das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen der Klägerin eine Anerkennungsleistung in Höhe von EUR 2000,- für Arbeit in einem Ghetto, die keine Zwangsarbeit war und bisher ohne sozialversicherungsrechtliche Berücksichtigung geblieben ist. 6Am 23.12.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Anerkennung einer Beitragszeit und Rentennachzahlung nach dem ZRBG. Soweit bereits ein Rentenverfahren durchgeführt worden sei beantrage sie die Überprüfung nach § 44 SGB X. Die Klägerin gab hierbei an, sich im Zeitraum von Anfang bis Ende Mai 1944 zwangsweise im Ghetto Oradea aufgehalten zu haben. Sie habe dort Küchenarbeiten durchgeführt und dafür Mittagessen und zusätzliche Lebensmittel erhalten. 7Mit Bescheid vom 24.11.2010 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Regelaltersrente in Höhe von EUR 201,07 monatlich für den Zeitraum ab dem 01.12.2009. Sie erkannte hierbei die Zeit vom 01.05.1944 bis zum 31.05.1944 als Beitragszeit nach dem ZRBG und die Zeiten vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1949 als Ersatzzeit an. Die Klägerin erhob am 29.11.2010 Widerspruch gegen diesen Bescheid. Der Rentenbeginn sei am 01.07.1997 anzusetzen. Sie sei im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob der Antrag bereits am 30.06.2003 gestellt worden sei. Die Rentenversicherungsträger hätten durch ihre restriktive Gesetzesauslegung in der Vergangenheit, die insbesondere Sachbezüge nicht für ausreichend gehalten habe und bestimmte Gebiete von der Einbeziehung in das ZRBG ausgeschlossen habe, die Antragsteller davon abgehalten, den Aufwand eines früheren Antragsverfahrens zu betreiben. Damit hätten sie die sich aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebende Verpflichtung zur gebotenen Förderung sozialer Rechte verletzt. Zudem liege ein Verstoß gegen Art.3 des Grundgesetzes (GG) vor. Die "Berücksichtigung von offenen Verfahren und der damit einhergehenden Rechtsfolge Rentenbeginn 1997" beruhe auf Zufälligkeiten, die der Personengruppe der Verfolgten nicht zugemutet werden könne. 8Mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach § 19 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) würden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur auf Antrag erbracht. Der Rentenantrag löse gemäß § 115 Abs.1 SGB VI das Verwaltungsverfahren aus. Er bestimme in Zusammenhang mit § 99 SGB VI den Rentenbeginn. Mit § 3 ZRBG habe der Gesetzgeber keine Spezialregelung zur allgemeinen Regelung des § 99 SGB VI geschaffen. Dieser regele nur, dass ein bis zum 30.06.2003 gestellter Rentenantrag als ein zum 18.06.1997 gestellter Antrag gelte und stelle somit eine Antragsfiktion, aber keine spezielle Beginnsvorschrift dar. Die Klägerin habe ihren Antrag erstmals am 23.12.2009 und damit nach dem 30.06.2003 gestellt. Aus dem Antrag vom 04.12.1998 könne die Klägerin keine Rechte mehr herleiten, weil sie diesen am 31.05.1999 zurückgenommen habe. 9Diese Rücknahme erfasse auch den israelischen Rentenantrag. Ein Überprüfungsantrag gemäß § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) könne bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil mit dem Bescheid vom 24.11.2010 auch erstmalig über das Begehren der Klägerin entschieden worden sei. § 44 SGB X könne auch in Verbindung mit einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht zu einem Erfolg des Widerspruchs führen. Eine rechtswidrige Pflichtverletzung könne bereits deshalb nicht festgestellt werden, weil das Bundessozialgericht erstmals in seinen Urteilen vom 02.06.2009 und 03.06.2009 die Tatbestandsmerkmale nach dem ZRBG "gegen Entgelt" und "aus eigenem Willensentschluss" erweiternd ausgelegt habe. Die Klägerin habe ihre Anträge zurückgenommen. 10Am 22.06.2012 hat die Klägerin vor dem SG Düsseldorf Klage gegen den Bescheid vom 24.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.06.2012 erhoben. Sie hat vorgetragen, dass der Rentenbeginn bereits früher anzusetzen sei. Sie sei im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob der Antrag bereits am 30.06.2003 gestellt worden sei. Die Rentenversicherungsträger hätten durch ihre restriktive Gesetzesauslegung in der Vergangenheit, die insbesondere Sachbezüge nicht für ausreichend gehalten habe und bestimmte Gebiete von der Einbeziehung in das ZRBG ausgeschlossen habe, die Antragsteller davon abgehalten, den Aufwand eines früheren Antragsverfahrens zu betreiben. Damit hätten sie die sich aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebende Verpflichtung zur gebotenen Förderung sozialer Rechte verletzt. Im vorliegenden Fall ergebe sich dies insbesondere daraus, dass sie sich in Ghettos in Ungarn aufgehalten habe. Bis zum Jahr 2009 habe die Beklagte ausdrücklich ausgeführt, dass das ZRBG auf Ghettos in Ungarn keine Anwendung finde. Auch der Präsident des Sozialgerichts Düsseldorf habe geäußert, dass die meisten Klagen hätten abgewiesen werden müssen. Aufgrund der in vielen Fällen geäußerten Rechtsauffassung seien andere Personen davon abgehalten worden, einen Rentenantrag zu stellen. Auch sie habe sich aufgrund der Chancenlosigkeit dazu entschlossen, das psychisch und physisch belastende Rentenverfahren nicht durchzuführen. Im Hinblick auf den von ihr angenommenen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verweist die Klägerin auf die Urteile des Bundessozialgerichts, 13 RJ 23/95, 13 RJ 5/95 und 12 RK 27/88. 11Die Unrichtigkeit eines Bescheides sei aus heutiger Sicht und nicht aus der Sicht des Zeitpunkts der Bescheiderteilung zu beurteilen. Die Klägerin hat einen anonymisierten Bescheid aus einem Parallelverfahren aus dem Jahr 2003 beigefügt, in dem die Beklagte einen Anspruch nach dem ZRBG mit der Begründung der fehlenden Anwendbarkeit des ZRBG auf Ghettos in Ungarn abgelehnt hat. 12Mit Urteil vom 22.02.2013 hat das SG Düsseldorf die Klage ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Der Rentenbeginn sei mit dem 01.12.2009 zutreffend angesetzt, weil die Klägerin erst am 14.12.2009 die Rente nach dem ZRBG beantragt habe. Weder aus dem in Israel gestellten Rentenantrag aus dem Jahr 1984 noch aus dem Antrag der Klägerin vom 04.12.1998 folge etwas anderes. Denn diese Anträge habe die Klägerin zurückgenommen. Gemäß dem Urteil des BSG vom 07.02.2012 - B 13 R 40/11 R - erfasse eine der Antragsrücknahme vergleichbare bestandskräftige Ablehnung eines in Deutschland gestellten Rentenantrags auch den zuvor in Israel gestellten Rentenantrag. Für die Auslegung des Schreibens vom 03.05.1999 als Rücknahme spreche auch, dass die Klägerin danach zehn Jahre lang keinen Kontakt zur Beklagten mehr gesucht habe. 13Der Klägerin stehe weiter kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zur Seite. Dieser setze zunächst eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur Aufklärung der Bevölkerung gemäß § 13 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I) aber nicht verletzt. Insbesondere habe sie keine fehlerhafte Allgemeininformation zum ZRBG verfasst. Die Beklagte habe lediglich in Parallelfällen das ZRBG gemäß der damaligen Rechtsprechung des BSG restriktiv ausgelegt und insbesondere ein die Versicherungspflicht dem Grunde nach auslösendes Entgelt als Voraussetzung gesehen. Die Annahme einer Pflichtverletzung scheide bereits deshalb aus, weil die Beklagte sich im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung befunden habe. Zudem sei keine Kausalität zwischen einer unterstellten Pflichtverletzung der Beklagten und der Rücknahme des Rentenantrags durch die Klägerin zu erkennen. Andere Antragsteller hätten sich durch die restriktive Bewilligungspraxis der Beklagten nämlich nicht davon abhalten lassen, ihren Rentenantrag weiterzuverfolgen und gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen. 14Am 15.03.2013 hat die Klägerin Berufung gegen das Urteil eingelegt. Sie trägt weiter vor, dass ihr aus verschiedenen Quellen bekannt gewesen sei, dass die deutschen Rentenversicherungsträger Tätigkeiten in einem Ghetto ohne entsprechende Bezahlung nicht als anspruchsauslösend ansähen. Sie nimmt weiter Bezug auf das Urteil des BSG vom 24.10.1985 - 12 RK 48/84 und vom 21.06.1990 - 12 RK 27/88. Sie hat sich zunächst ergänzend darauf bezogen, dass ihre Erklärung vom 31.05.1999 nicht als Rücknahme zu werten sei und in diesem Zusammenhang einen Richterbrief des Senats aus dem Verfahren L 14 R 861/12 übersandt. 15Die Beklagte hat in Reaktion auf diesen Vortrag darauf verwiesen, dass im Jahr 1998 das ZRBG noch nicht verkündet gewesen sei. Für die Anerkennung von Zeiten nach § 20 WGSVG oder § 17a FRG sei die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis unabdingbare Voraussetzung gewesen, so dass der Verweis der Klägerin auf ihre fehlenden Deutschkenntnisse als Begründung der Rücknahme zu werten sei. Die Rücknahme erfasse auch den israelischen Antrag; es sei davon auszugehen, dass die Klägerin von diesem Kenntnis gehabt habe. Art.27 DISVA sei auch im Jahr 1999 - auch vor der Verkündung des ZRBG - schon existent gewesen. Die Klägerin hat daraufhin an ihren Ausführungen zur Rücknahme des Antrags nicht mehr festgehalten, bezieht sich aber weiterhin darauf, dass ihr ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zur Seite stehe. 16Die Klägerin stützt sich weiter auf einen Richterbrief des Sozialgerichts Berlin im dortigen Verfahren S 31 R 4726/12. Der dortige Kammervorsitzende hat darauf verwiesen, dass die bis zum 31.12.1991 geltende Reichsversicherungsordnung (RVO) und das Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) für Versicherte, die das 65.Lebensjahr vollendet und die Wartezeit erfüllt hatten, kein Antragserfordernis vorgesehen hätten. Ein bereits unter Geltung der RVO entstandener Altersrentenanspruch erlösche nicht durch das zum 01.01.1992 eingeführte Antragserfordernis. Da sie das 65. Lebensjahr bereits im Jahr 1985 vollendet habe, sei diese Rechtsauffassung auch auf sie anwendbar. Es sei der Zeitpunkt der Entstehung des Stammrechts und nicht der Zahlungsbeginn maßgeblich. 17Die Klägerin beantragt, 18das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2013 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 24.11.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2012 zu verurteilen, der Klägerin Regelaltersrente bereits ab 01.07.1997 zu gewähren. 19Die Beklagte beantragt, 20die Berufung zurückzuweisen. 21Im vorliegenden Fall sei eine Pflichtverletzung der Beklagten schon deshalb nicht anzunehmen, weil die Klägerin vor ihrer Antragstellung im November 2009 überhaupt keine Angaben gemacht habe, die eine Prüfung ihres Anspruchs ermöglicht hätten. Die von der Klägerin zitierten Urteile des BSG seien nicht auf den vorliegenden Sachverhalt zu übertragen. 22Das Urteil vom 24.10.1985 - 12 RK 48/84 - habe sich mit der Frage beschäftigt, ob eine Ausschlussfrist unter bestimmten Voraussetzungen neu eröffnet werden müsse. In dem Urteil werde ausdrücklich aufgeführt, das in einem derartigen Fall der Rückgriff auf das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht zulässig sei. 23Das Urteil vom 21.06.1990 - 12 RK 27/88 - sei bereits deshalb nicht anwendbar, weil die Beklagte im vorliegenden Fall (dort abweichend: Herausgabe eines Merkblatts) keine Allgemeininformation erteilt habe. Das BSG habe auch angemerkt, dass die Versäumung einer Frist nicht mit einer fehlerhaften Beratung oder Auskunft begründet werden könne, wenn sich der Antragsteller erst nach dem Ablauf dieser Frist an die Behörde gewandt habe. Dies müsse auch gelten, wenn der Antragsteller gegenüber der Behörde vor dem Ablauf der Frist keine Angaben gemacht habe, die eine Prüfung des Anspruchs ermöglicht hätten. Da das ZRBG rückwirkend zum 01.07.1997 in Kraft getreten sei, könnten Renten nach diesem Buch auch frühestens am 01.07.1997 beginnen und seien damit am SGB VI zu messen. Ghettobeitragszeiten nach dem ZRBG seien nämlich Zeiten eigener Art gemäß § 55 Abs.1 S.2 SGB VI, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Ein Rentenstammrecht aus Ghettobeitragszeiten könne damit erst mit dessen Inkrafttreten entstanden sein. 24Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung und hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der wesentliche Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. 25Entscheidungsgründe: 26Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Bescheid der Beklagten vom 24.11.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2012 nicht rechtswidrig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt ( § 54 Absatz 2 SGG). Denn die Beklagte hat rechtmäßig entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung der Regelaltersrente vor dem 01.12.2009 und damit auch nicht für die Zeit vom 01.07.1997 bis zum 30.11.2009 hat. 27Gemäß § 99 SGB VI hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung ihrer Regelaltersrente erst für die Zeit ab dem 01.12.2009, weil sie dem Antragserfordernis des § 115 Absatz 1 Satz 1 SGB VI unterlag und als zu berücksichtigender Antrag allein ihr Rentenantrag vom 23.12.2009 in Frage kommt (dazu I.). Ein früherer Rentenbeginn kann weder aufgrund einer Verlängerung der Rentenantragsfrist entsprechend der Rechtsprechung des BSG zur Verlängerung von Nachentrichtungsfristen (dazu II.) noch aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (dazu III) noch unter Berücksichtigung des sogenannten Wiedergutmachungsgedankens (dazu IV) angenommen werden. 28I. 29Gemäß § 99 SGB VI hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung ihrer Regelaltersrente erst für die Zeit ab dem 01.12.2009 Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Regelaltersrente der Klägerin nach § 35 SGB VI und nach Maßgabe des ZRBG waren für sie zwar mit (dem rückwirkenden) Inkrafttreten des ZRBG vom 20.06.2002 (Artikel 1 des Gesetzes vom 20.06.2002, veröffentlicht am 27.06.2002, BGBl I, 2074) zum 01.07.1997 (Artikel 3 Absatz 2 des Gesetzes vom 20.06.2002) erfüllt, weil sie bereits im März 1989 ihr 65. Lebensjahr vollendet hatte, Zeiten nach dem ZRBG vom 01.05.1944 bis zum 31.10.1944 vorliegen und sie hierdurch auch die allgemeine Wartezeit erfüllt. 30Weitere Voraussetzung für die Gewährung einer Altersrente an die Klägerin war aufgrund der Vorschrift des § 115 Absatz 1 Satz 1 SGB VI aber ein wirksamer Rentenantrag. 31Mit dem Inkrafttreten der §§ 19 Satz 1 SGB IV und 115 Absatz 1 Satz 1 SGB VI am 01.01.1992 ist nämlich das Antragsprinzip eingeführt worden: Danach werden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich nur auf Antrag erbracht. Erst der Rentenantrag löst regelmäßig das Verwaltungsverfahren aus. Der Rentenantrag ist dabei auch für den Rentenbeginn nach § 99 SGB VI maßgeblich. Danach wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird ( § 99 Absatz 1 Satz 2 SGB VI). 32§ 99 Absatz 1 Satz 2 SGB VI gestaltet einen materiell-rechtlichen, die fälligen und ab dem 01.01.1992 entstandenen Einzelansprüche aus einem Recht auf Regelaltersrente vernichtenden Einwand aus. Dieser greift dann Platz, wenn der Antrag mehr als drei Kalendermonate nach Ablauf des Monats gestellt wird, in dem das Recht auf Rente entstanden ist (BSG, Urteil vom 02.08.2000, B 4 RA 54/99 R, SozR 3 2600 § 99 Nr. 5 (Rdnr. 17)). Nachdem die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen für eine Regelaltersrente nach § 35 SGB VI und nach Maßgabe des ZRBG mit (dem rückwirkenden) Inkrafttreten des ZRBG zum 01.07.1997 erfüllt hatte, war der dritte Kalendermonat nach Ablauf dieses Monats der Oktober 1997. Da aber nach § 99 Absatz 1 Satz 2 SGB VI bei späterer Antragstellung eine Rente aus eigener Versicherung erst vom Antragsmonat an geleistet wird, war Rente ab dem 01.12.2009 zu leisten. In diesem Zusammenhang kommt als maßgeblicher Antrag auch allein der Antrag der Klägerin vom 23.12.2009 in Betracht. 33Die Klägerin kann sich in diesem Zusammnhang weder auf ihren früheren Antrag vom 04.12.1998 noch auf den im Jahr 1984 in Israel gestellten Antrag auf Gewährung einer Altersrente berufen. 34Sie kann sich zunächst nicht auf ihren früheren Antrag vom 04.12.1998 berufen. 35Ihre Erklärung vom 31.05.1999 "Sehr geehrter Herr, ersuche höflichst meine Akte zu schließen, ich kann keine Deutschprüfung machen, weil ich die Sprache nicht beherrsche" ist im Rahmen einer verständigen Würdigung gemäß §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nämlich als Rücknahme des Antrags zu verstehen. Bereits ohne die Einbeziehung zusätzlicher Gesichtspunkte kommt im Deutschen der Begrifflichkeit des (Ab)Schließens eines Vorgangs, eines Kapitels etc. (der Begriff des "Schließens der Akte" ist hier eher unüblich) eine endgültige Bedeutung zu. In der englischen Sprache ist die wörtliche Übersetzung "to close a file"- insbesondere in Medienberichten zu rechtlichen Fragestellungen - deutlich gebräuchlicher und wird in Zusammenhang mit dem Abschluss eines Verfahrens gebraucht. 36Auch die Würdigung des Zusammenhangs, in dem die Klägerin ihre Erklärung vom 04.12.1998 abgegeben hat, spricht für deren Wertung als Rücknahme. Die Beklagte hatte die Klägerin nach ihrer Antragstellung von ihr auszufüllende Vordrucke übersandt. Die Anspruchsvoraussetzungen für eine mögliche Altersrente der Klägerin im Jahre 1998 bestimmten sich nach den Vorschriften des Fremdrentengesetzes (FRG) und nach dem Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG). Die Vorschriften der §§ 17a FRG und 20 WGSVG knüpften aber ausdrücklich an eine Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis an. Es ist davon auszugehen, dass auch in den der Klägerin von der Beklagten übersandten Vordrucken Fragen zum kulturellen Hintergrund der Klägerin, ihrem Sprachgebrauch und ihren Sprachkenntnissen gestellt worden sind und dass die Klägerin im Hinblick auf die von ihr angenommenen fehlenden deutschen Sprachkenntnisse von der Erfolgslosigkeit ihres Begehrens ausgegangen ist. Für die Würdigung der Erklärung als Rücknahme und nicht als bloßen Antrag auf Ruhen des Verfahrens spricht auch, dass die Klägerin sich bis zur erneuten Antragstellung im Jahr 2009 nicht mehr bei der Beklagten gemeldet hat. 37Auf einen israelischen Rentenantrag kann die Klägerin sich ebenfalls nicht berufen. Zwar hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 19.04.2011 - B 13 R 20/10R - juris - (die Entscheidung des Senats vom 12.02.2010, L 14 R 3/08 - juris - bestätigend) entschieden, dass ein in Israel gestellter Antrag auf Altersrente gemäß Art.27 Abs.2 S.1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit ( Israel SozSich) auch für die deutsche Altersrente zu berücksichtigen ist. Der israelische Antrag gilt -sowohl formell als auch materiell- zugleich als Antrag auf "entsprechende Leistung" nach deutschem Recht (BSG, Urteil vom 19.04.2011 - B 13 R 20/10 R - juris - (Rdnr.19)). 38Die Rücknahmeerklärung der Klägerin vom 31.05.1999 erfasst jedoch auch den israelischen Rentenantrag, soweit dieser sich auf die Gewährung einer deutschen Altersrente bezog, weil insoweit ein identischer Streitgegenstand vorliegt. 39Das BSG hat in dem Urteil B 13 R 20/10 R (juris (Rdnr.19)) ausgeführt, dass Art. 27 Abs.2 S.2 Abk Israel SozSich eine Antragsfiktion bewirkt, die keine ausdrückliche Geltendmachung deutscher Versicherungszeiten, keine Übermittlung des israelischen Antrags an den Versicherungsträger und keine tatsächliche Kenntnis des deutschen Rentenversicherungsträgers voraussetzt. Der Antragsteller soll damit von der Mühe einer doppelten Antragstellung entbunden werden. Die Antragsgleichstellung bewirkt die "automatische" Erstreckung eines Antrags auf Leistung in einem Vertragsstaat auf die entsprechende Leistung in dem anderen Vertragsstaat (BSG, wie vor juris - (Rdnr.23)). Aufgrund der automatischen Funktion als deutscher Rentenantrag war der Gegenstand des israelischen Antrags mit dem Gegenstand des Antrags der Klägerin vom 04.12.1998 identisch, soweit ersterer sich auf die eine mögliche Altersrente bezog. Die Aufspaltung dieses Streitgegenstands ist unter Berücksichtigung der Ausführungen im Urteil des BSG - B 13 R 20/10 R - und insbesondere des Urteils vom 07.02.2012- B 13 R 40/11 R - juris-, dessen Betrachtung der Senat sich anschließt - nicht möglich. 40Das BSG hat sich in dem Urteil B 13 R 40/11 R unter anderem mit der Frage befasst, wie sich die bestandskräftige Entscheidung über einen deutschen Altersrentenantrag auf einen bereits zuvor gestellten israelischen Antrag auswirkt. Hierzu führt es aus (juris, Rdnr.34): "Ob die Klägerin vor dem 30.6.2003 weitere Rentenanträge zB bei einem israelischen Versicherungsträger (mit Wirkung für die deutsche gesetzliche Rentenversicherung: s hierzu Senatsurteil vom 19.4.2011 - B 13 R 20/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-6480 Art 27 Nr 1 vorgesehen) gestellt hat, kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben. Denn solche Anträge hätten sich auch dann mit Erlass des Bescheids der Beklagten vom 19.11.2004 erledigt, wenn sie der Beklagten nicht bekannt waren. Denn dieser Bescheid ist mit Eintritt seiner Bestandskraft nach § 77 SGG "in der Sache" bindend geworden (vgl zur Bindungswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte bereits BSG vom 21.9.1962 - BSGE 18, 22, 26 = SozR Nr 35 zu § 77 SGG). Nach der Rücknahme des Ablehnungsbescheids vom 19.11.2004 nach § 44 SGB X ist daher auch insoweit die rückwirkende Rentenzahlung durch § 44 Abs 4 SGB X beschränkt." 41Dieser Rechtsauffassung schließt der erkennende Senat sich vollumfänglich an. 42Diese Doppelwirkung in der "Sache" muss nach dem Vorstehenden auch hinsichtlich der Wirkung der Rücknahme der Klägerin für den israelischen Rentenantrag gelten. Sofern man die Möglichkeit der Aufspaltung der "einheitlichen" Sache im Rahmen einer sie erfassenden Entscheidung verneint, kann diese Möglichkeit auch bei einer auf "die Sache" bezogenen Rücknahme nämlich nicht angenommen werden. 43Der aus § 99 SGB VI resultierende Rentenbeginn am 01.11.2009 erfährt durch § 3 Absatz 1 Satz 1 ZRBG keine Änderung. Nach dieser Vorschrift gilt (nur) ein bis zum 30.06.2003 gestellter Antrag auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als am 18.06.1997 gestellt. Wurde der Antrag bis zum 30.06.2003 gestellt, wird durch § 3 Absatz 1 Satz 2 ZRBG das Antragsdatum fiktiv auf den 18.06.1997 festgesetzt. Damit wurden jene Berechtigten, die durch die Verkündung des ZRBG am 27.06.2002 davon Kenntnis erlangten und sich aufgrund dieses Gesetzes binnen gut einen Jahres nach seiner Verkündung zu einem Antrag auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung veranlasst sahen, so behandelt, als hätten sie den Antrag bereits am Tage des BSG-Urteils (vom 18.06.1997, 5 RJ 66/95, BSGE 80, 250) über die rentenversicherungsrechtliche Behandlung von Beschäftigungen in einem Ghetto gestellt (vgl. BSG, Urteil vom 03.05.2005, B 13 RJ 34/04 R, BSGE 94, 294 (Rdnr. 29)). Dass bereits 65-jährige Berechtigte mit erfüllter Wartezeit aufgrund des rückwirkenden Inkrafttretens des ZRBG vom 20.06.2002 zum 01.07.1997 trotz erst am 27.06.2002 erfolgter Verkündung des ZRBG und damit erstmalig gegebener Möglichkeit zur Kenntnisnahme dieses Gesetzes einen Antrag bis spätestens Oktober 1997 hätten stellen müssen, um die zwingende Folge eines Anspruchsverlusts nach § 99 Absatz 1 Sätze 1 und 2 SGB VI zu vermeiden, wurde durch § 3 Absatz 1 Satz 1 ZRBG modifiziert. Die Vorschrift regelt nämlich nicht selbst unmittelbar den Rentenbeginn, sondern fingiert lediglich den maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung (BSG, Urteil vom 07.02.2012, B 13 R 40/11 R, BSGE 110, 97 (Rdnr. 22 m.w.N.)). 44Die amtliche Überschrift des § 3 Absatz 1 ZRBG ("Besonderheiten beim Rentenbeginn") verdeutlicht dabei, dass die Regelung nicht selbst den Rentenbeginn für "Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto" festlegt, sondern lediglich Besonderheiten hinsichtlich eines einzelnen für den Rentenbeginn nach § 99 SGB VI bedeutsamen Umstandes - des Zeitpunktes der Antragstellung - normiert. Dies geht auch aus der Regelung des § 1 Absatz 2 ZRBG hervor, wonach dieses Gesetz "die rentenrechtlichen Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung" (WGSVG) ergänzt. Nach § 7 WGSVG ergänzen jedoch wiederum diese Vorschriften "zugunsten von Verfolgten die allgemein anzuwendenden Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch". 45Dem aus § 99 SGB VI resultierenden Rentenbeginn am 01.11.2009 steht nicht entgegen, dass die Klägerin möglicherweise von der Frist des § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI und vom rückwirkenden Inkrafttreten des am 27.06.2002 veröffentlichten ZRBG zum 01.07.1997 keine Kenntnis hatte. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Absatz 1 Satz 1 SGB X kann ihr nicht zugebilligt werden. Zwar ist eine solche Wiedereinsetzung grundsätzlich auch bei Versäumung einer Frist des materiellen Sozialrechts zulässig, wenn die betreffende Regelung dies ausdrücklich bestimmt oder ihre Auslegung dies ergibt (BSG, Urteile vom 25.10.1988, 12 RK 22/87, BSGE 64, 153 ff.; vom 21.05.1996, 12 RK 43/95, SozR 3 5070 § 21 Nr. 3; vom 22.10.1996, 13 RJ 23/95, BSGE 79, 168 ff.). Ob danach eine Wiedereinsetzung bei Versäumung der Dreimonatsfrist des § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI, der eine Wiedereinsetzung nicht ausdrücklich vorsieht, im Wege der Auslegung zulässig wäre, kann indes offenbleiben (so auch BSG, Urteil vom 22.10.1996, a.a.O.). Denn gemäß § 27 Absatz 3 SGB X kann nach Ablauf eines Jahres seit dem Ende der versäumten Frist (hier Oktober 1997) die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden oder die versäumte Handlung - hier Antrag auf Regelaltersrente - nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Dafür, dass die Klägerin bis zum Ablauf des Oktober 1998 durch höhere Gewalt an der rechtzeitigen Antragstellung gehindert gewesen sein soll, ist nichts ersichtlich. Wegen Nichteinhaltung der Jahresfrist konnte ein allenfalls erstmalig für den 23.12.2009 anzunehmender Antrag auf Wiedereinsetzung nicht zu einer solchen führen. Hinzu kommt, dass die Klägerin auch bei bestehender Unkenntnis der Fristen-Regelung des § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI nicht im Sinne des § 27 Absatz 1 SGB X ohne ihr Verschulden gehindert war, diese Frist einzuhalten, weil sich dies aus dem Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen ergibt. Danach gelten Gesetze mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich davon Kenntnis erhalten haben (BSG, Urteil vom 21.06.1990, 12 RK 27/88, BSGE 67, 90 ff.); dieser Grundsatz ist auch für die Beantwortung der Frage bedeutsam, welche Gründe eine etwa zulässige Wiedereinsetzung rechtfertigen können und ob dazu auch die Unkenntnis von dem Recht und der Befristung seiner Ausübung geeignet ist (BSG, Urteil vom 09.02.1993, 12 RK 28/92, BSGE 72, 80 ff.). Eine Unkenntnis solcher Rechte, deren befristete Ausübung im Gesetz selbst ausdrücklich geregelt ist, kann eine Wiedereinsetzung nicht rechtfertigen (BSG, Urteile vom 21.05.1996 und 22.10.1996, a.a.O.). 46Da eine etwaige Rechtsunkenntnis der Klägerin über die Frist des § 99 SGB VI eine Wiedereinsetzung nicht begründen kann, scheidet auch eine Nachsichtgewährung aus, falls für sie bei einer grundsätzlichen Anwendung der Wiedereinsetzung auch auf Fristen des materiellen Sozialrechts überhaupt noch Raum sein sollte (vgl. BSG, Urteil vom 27.09.1983, 12 RK 7/82, SozR 5750 Art. 2 § 51a Nr. 55). 47Ein früherer Rentenbeginn als zum 01.12.2009 ist der Klägerin auch nicht aufgrund einer Entstehung des Stammrechts auf Altersruhegeld bereits vor 1992 einzuräumen. In einem solchen Fall wäre noch eine Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) beziehungsweise des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) anzunehmen. Die Klägerin unterläge in einem solchen Fall nicht dem Antragseinwand des § 99 Abs.1 SGB VI. Eine entsprechende Entstehung des Stammrechts ist aber nicht gegeben. 48Zwar ist die Klägerin am 22.03.1924 geboren und hat demnach am 22.03.1989 das 65. Lebensjahr vollendet. Zu diesem Zeitpunkt galten noch die erst ab dem 01.01.1992 durch das SGB VI abgelösten Vorschriften der RVO beziehungsweise des AVG , die eine Antragstellung als Leistungsvoraussetzung für ein Altersruhegeld nur bei einem vorzeitigen Altersruhegeld (§§ 1248 Absätze 1 bis 3 und 1290 Absatz 1 Satz 2 RVO; §§ 25 Absätze 1 bis 3 und 67 Absatz 1 Satz 2 AVG), ansonsten beim Altersruhegeld aber nicht vorsahen (§ 1248 Absatz 5 RVO, § 25 Absatz 5 AVG). Auch erwarben hiernach Versicherte mit Vollendung des 65. Lebensjahres kraft Gesetzes ein eigentumsrechtlich geschütztes Vollrecht auf Regelaltersrente, wobei der Antragseinwand des § 99 SGB VI nicht gilt, wenn das Recht auf Regelaltersrente bereits vor dem 01.01.1992 entstanden ist(BSG, Urteil vom 02.08.2000, B 4 RA 54/99 R, SozR 3 2600 § 99 Nr. 5). Ein bereits unter der Geltung der RVO beziehungsweise des AVG entstandener Anspruch auf Altersruhegeld entfällt schließlich auch nicht nachträglich auf Grund des mit dem SGB VI ab dem 01.01.1992 eingeführten Antragserfordernisses (BSG, Urteil vom 08.1.2005, B 13 RJ 41/04 R, BSGE 95, 300). 49Vorliegend ist aber ein Stammrecht der Klägerin auf - antragsfreies - Altersruhegeld unter Geltung der RVO beziehungsweise des AVG nicht bereits spätestens bis zum 31.12.1991 entstanden, so dass ein solches auch nicht mit dem Inkrafttreten des ZRBG zum 01.07.1997 zahlbar gemacht werden kann; vielmehr richtet sich ihr Anspruch auf Rente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres nach den Vorschriften des SGB VI und des ZRBG und unterliegt daher auch dem Antragseinwand des § 99 SGB VI. Zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 erfüllte die Klägerin nämlich nicht die allgemeine Wartezeit (Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten). Dies ist aber Voraussetzung für einen Anspruch auf Altersruhegeld nach §§ 1248 Absatz 5 RVO, 25 Absatz 5 AVG. 50Gemäß § 1249 Satz 1 RVO wurden auf die Wartezeit für das Altersruhegeld die ab dem 01.01.1924 zurückgelegten Versicherungszeiten angerechnet; anrechnungsfähig waren dabei gemäß § 1250 Absatz 1 RVO Zeiten, für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Invalidenversicherung Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet galten (Beitragszeiten), Zeiten ohne Beitragsleistung nach § 1251 RVO (Ersatzzeiten) und Zeiten der Kindererziehung vor dem 01.01.1986 nach § 1251a RVO, wobei gemäß § 1251 Absatz 2 Satz 1 RVO die in § 1251 Absatz 1 RVO aufgeführten Zeiten als Ersatzzeiten für die Erfüllung der Wartezeiten angerechnet wurden, wenn eine Versicherung vorher bestanden hatte und während der Ersatzzeit Versicherungspflicht nicht bestanden hatte; insofern musste zumindest ein Beitragsmonat vorhanden sein, um mit Ersatzzeiten die allgemeine Wartezeit zu erfüllen. Entsprechende Regelungen sah auch das AVG vor. 51Im Zeitpunkt der Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 hatte die Klägerin solche auf die allgemeine Wartezeit anrechnungsfähigen Zeiten zur deutschen Rentenversicherung nicht zurückgelegt. 52Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen im Rentenbescheid der Beklagten sind der Klägerin Beitragszeiten nach dem ZRBG vom 01.05.1942 bis zum 31.10.1942 sowie Ersatzzeiten vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1949 anzurechnen. Bei diesen Zeiten handelt es sich nicht um auf die allgemeine Wartezeit nach §§ 1250, 1251, 1251 a RVO bzw. den entsprechenden Regelungen des AVG anrechnungsfähige Zeiten zur deutschen Rentenversicherung. 53Zwar konnten auch Beschäftigungszeiten in einem Ghetto bereits vor dem rückwirkenden Inkrafttreten des ZRBG zum 01.01.1997 Beitragszeiten sein. Dies traf insbesondere für das Ghetto Lodz zu, weil dort ab Inkrafttreten der Ostgebiete-Verordnung vom 22.12.1941 zum 01.01.1942 das Recht der RVO galt. Solche Zeiten hat die Klägerin aufgrund ihres individuellen Verfolgungsschicksals jedoch nicht zurückgelegt. Vielmehr weist sie Beschäftigungszeiten im Ghetto Oradea/ Großwardein im damaligen Ungarn vor. Zwar ist die Berücksichtigung einer ausgeübten Beschäftigung in einem Gebiet, in dem während des zweiten Weltkrieges die RVO nicht galt, als gleichgestellte Beitrags-/Beschäftigungszeit nach §§ 15, 16 FRG möglich, wodurch zugleich eine Anrechnung von Ersatzzeiten möglich würde. Die Berücksichtigung der von der Klägerin im Ghetto Oradea/ Großwardein ausgeübten Beschäftigung nach §§ 15, 16 FRG kommt aber nicht in Betracht. Hierfür wäre nämlich die Zugehörigkeit der Klägerin zum deutschen Sprach- und Kulturkreis erforderlich. Dafür bestehen aber keine Anhaltspunkte. Vielmehr hat die Klägerin im Rahmen ihrer Erklärung vom 31.05.1999 ausgeführt, dass sie die deutsche Sprache nicht beherrscht. 54§ 15 FRG sieht vor, dass Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichstehen; nach Maßgabe des § 16 FRG gilt Entsprechendes für Beschäftigungszeiten in Vertreibungsgebieten. Da die Klägerin, soweit ersichtlich, nicht zu dem gemäß §§ 1, 17 a FRG begünstigten Personenkreis gehört (insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie Vertriebene im Sinne von § 1 des Bundesvertriebenengesetzes ist), könnte ihr insoweit noch die Regelung des § 20 WGSVG zugutekommen, nach der bei Anwendung des FRG den anerkannten Vertriebenen im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes vertriebene Verfolgte gleichstehen, die lediglich deswegen nicht als Vertriebene anerkannt sind oder anerkannt werden können, weil sie sich nicht ausdrücklich zum deutschen Volkstum bekannt haben. Da § 20 Absatz 1 Satz 2 WGSVG auf § 19 Absatz 2 Buchstabe a Halbsatz 2 WGSVG verweist, genügt es, soweit es auf die deutsche Volkszugehörigkeit ankommt, dass Verfolgte im Zeitraum des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört haben. Eine solche Zugehörigkeit der Klägerin ist - wie vorab dargestellt - aber nicht erkennbar. 55Die aufgrund der Beitragsfiktion des § 2 Absatz 1 ZRBG anerkannten Beitragszeiten der Klägerin vom 01.05.1944 bis zum 31.05.1944 können nicht für die Erfüllung der für einen Anspruch auf Altersruhegeld nach §§ 1248 Absatz 5 RVO, 25 Absatz 5 AVG erforderlichen allgemeinen Wartezeit herangezogen werden. Diese sind nämlich erst mit Inkrafttreten des ZRBG rückwirkend zum 01.07.1997 entstanden und bestanden damit nicht bereits zum Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres der Klägerin am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991. Nach § 2 Absatz 1 ZRBG gelten für die Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt, und zwar für die Berechnung der Rente als Beiträge nach den Reichsversicherungsgesetzen für eine Beschäftigung außerhalb des Bundesgebietes sowie für die Erbringung von Leistungen ins Ausland als Beiträge für eine Beschäftigung im Bundesgebiet (Ghetto-Beitragszeiten). Dabei ist die rechtliche Wirkung von fiktiven Beiträgen nach dem ZRBG dieselbe wie die der tatsächlich zur deutschen Rentenversicherung entrichteten und damit vergleichbar mit den im Rahmen des FRG gleichgestellten Beiträgen (BSG, Urteil vom 19.05.2009, B 5 R 14/08 R, BSGE 103, 161). Bei den Personen, die wie die Klägerin aufgrund gesetzlicher Fiktion in die Geltung der Reichsversicherungsgesetze einbezogen worden sind, handelt es sich um "tatsächlich" (wenn auch nachträglich) Versicherte im Sinne der Rentenversicherung. Sie sind in Bezug auf die nach dem ZRBG anerkannten Beitragszeiten nicht anders als diejenigen zu behandeln, für deren Beschäftigung die Reichsversicherungsgesetze galten, während sie sich innerhalb von deren territorialem Geltungsbereich aufgehalten haben (BSG, Urteil vom 19.05.2009, a.a.O.). Trotz der durch die Beitragsfiktion nach § 2 Absatz 1 ZRBG entstandenen nachträglichen Versicherteneigenschaft reicht die Fiktion dieser Vorschrift nicht so weit, dass hierdurch die fiktive Beitragszeit bereits mit Vollendung des 65. Lebensjahres im Jahr 1989 als zurückgelegt und damit die allgemeine Wartezeit zusammen mit den Verfolgungsersatzzeiten zu diesem Zeitpunkt als erfüllt gilt. Hiergegen spricht die Systematik der eine Fiktionswirkung entfaltenden Regelungen in §§ 2 und 3 ZRBG, der Wortlaut der Vorschrift des § 3 Absatz 2 ZRBG sowie die Gesetzesbegründung und der darin zum Ausdruck kommende mutmaßliche Wille des Gesetzgebers. Der Senat verweist insoweit auf die Entscheidungsgründe der beiden Urteile des Sozialgerichts Lübeck vom 23.04.2013 (S 6 R 353/11- juris - (Rdnr.26 bis 37)) und vom 24.04.2013 (S 45 R 675/11 - juris - (Rdnr.26 bis 29) dazu anhängig B 13 R 10/13 R), denen er sich vollinhaltlich anschließt. 56Allein durch die von der Beklagten festgestellten Ersatzzeiten der Klägerin vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1949 konnte die Klägerin auch nicht bereits zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 die für die Erfüllung der für einen Anspruch auf Altersruhegeld nach §§ 1248 Absatz 5 RVO, 25 Absatz 5 AVG erforderliche allgemeine Wartezeit erfüllen. Zeiten ohne Beitragsleistung nach § 1251 RVO (Ersatzzeiten) konnten gemäß § 1251 Absatz 2 Satz 1 RVO für die Erfüllung der Wartezeiten nur angerechnet werden, wenn eine Versicherung vorher bestanden hatte und während der Ersatzzeit Versicherungspflicht nicht bestanden hatte. Insofern musste zumindest ein Beitragsmonat vorhanden sein, um mit Ersatzzeiten die allgemeine Wartezeit zu erfüllen. Da, wie aufgezeigt, Beitragszeiten der Klägerin zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 nicht bestanden, können auch die festgestellten Ersatzzeiten vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1949 gemäß § 1251 Absatz 2 Satz 1 RVO nicht zur Erfüllung der allgemeinen Wartezeit angerechnet werden. 57II. 58Ein früherer Rentenbeginn als zum 01.12.2009 kann der Klägerin auch nicht aufgrund einer Verlängerung der Rentenantragsfrist entsprechend der von ihrem Bevollmächtigten angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Verlängerung von Nachentrichtungsfristen (Urteile vom 01.12.1978, 12 RAr 56/77, SozR 4100 § 141 e Nr. 4; vom 12.10.1979, 12 RK 15/78, SozR 5070 § 10 a Nr. 2; vom 24.10.1985, 12 RK 48/84, SozR 5070 § 10 a Nr. 13; vom 26.06.1985, 12 RK 23/84 - juris -; vom 03.05.2005, B 13 RJ 34/04 R, BSGE 4 2600 § 306 Nr. 1) eingeräumt werden. 59Etwaige Rechtsprechung zur Verlängerung von Nachentrichtungsfristen ist auf den vorliegenden Fall schon dadurch nicht übertragbar, dass die Antragstellung nach dem ZRBG nicht an eine Frist gebunden ist. Die in § 3 des ZRBG genannte Frist bis zum 30.06.2003 führt lediglich zu einer Fiktivverlegung des Rentenantrags auf den 18.06.1997 (Tag des BSG-Urteils B 5 RJ 66/95 (BSGE 80, 250) über die rentenversicherungsrechtliche Behandlung von Beschäftigungen in einem Ghetto). Jedoch war und ist auch nach Juni 2003 jederzeit die Möglichkeit zur Geltendmachung eines Rentenanspruchs auf der Grundlage des ZRBG gegeben. 60Auch im Übrigen sind die diesbezüglich vom Bevollmächtigten der Klägerin genannten Entscheidungen auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die Entscheidung des 12. Senats des BSG vom 12.10.1979 hatte keine Verlängerung einer Antragsfrist oder einer Nachentrichtungsfrist zum Inhalt. Vielmehr erweiterte der 12. Senat des BSG den unter § 10 a WGSVG fallenden Personenkreis auch auf solche Personen, die nach Kriegsende nicht in den Geltungsbereich des WGSVG zurückgekehrt waren, so dass auch diese die durch § 10 a WGSVG geregelte Möglichkeit zur Beitragsentrichtung längstens für die Zeit bis zum 31.12.1955 nutzen konnten. Ebenso wenig befasst sich die Entscheidung des 13. Senats des BSG vom 03.05.2005 mit der Verlängerung einer Antragsfrist oder einer Nachentrichtungsfrist. Vielmehr hat der 13. Senat des BSG dort eine Rechtsfortbildung zur Schließung einer gesetzgeberischen Lücke im ZRBG dahingehend vorgenommen, dass die Vorschrift des § 306 Absatz 1 SGB VI für Bestandsrentner, die bereits vor dem 18.06.1997 (= Tag des BSG-Urteils B 5 RJ 66/95 (BSGE 80, 250) über die rentenversicherungsrechtliche Behandlung von Beschäftigungen in einem Ghetto) eine Altersrente bezogen haben, und die vor dem 30.06.2003 einen Antrag auf Zahlung der Rente unter Bezugnahme auf das ZRBG gestellt hatten, nicht nachteilig anzuwenden ist, und zwar aus Gründen der Gleichbehandlung. Aus dem Leitsatz des Urteils des 12. Senats vom 24.10.1985 ergibt sich wiederum der Grund, warum hier eine ursprünglich (am 31.12.1975) bereits abgelaufene Ausschlussfrist (zur Nachentrichtung von Beiträgen nach § 10 a Absatz 2 WGSVG) neu zu eröffnen war (was dann unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom 24.10.1985 erfolgte mit einer Neueröffnung bis zum 31.12.1986). Grund war nämlich, dass durch eine zuvor erfolgte Rechtsprechung des BSG (vom 17.03.1981 bzw. 24.06.1981) eine Gesetzeslücke in der Form geschlossen wurde, als dass für einen weiteren Personenkreis das Nachentrichtungsrecht erstmals ermöglicht wurde. Der Entscheidung des 12. Senats vom 01.12.1978 lag zugrunde, dass das BSG die Frist des § 141 e Absatz 1 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz für einen Antrag auf Konkursausfallgeld neu eröffnet hat, weil es insoweit eine planwidrige Unvollständigkeit (Lücke) im Einführungsgesetz zum Einkommenssteuergesetz von 1974 erkannt hat. In der Entscheidung vom 26.06.1985 wiederum sah sich der 12. Senat des BSG infolge seiner Rechtsprechung vom 27.03.1980, dass in Ausfüllung einer Gesetzeslücke Artikel 2 § 5 b Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes auf Vorstandsmitglieder von großen Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit analog anzuwenden sei, veranlasst, die in dieser Norm enthaltende Befristung (31.12.1979) auf einen angemessenen Zeitpunkt nach dem Bekanntwerden seines Urteils vom 27.03.1980 zu verschieben. 61Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von den vorgenannten Konstellationen aber dadurch, dass die Rechtsprechung des BSG zum ZRBG vom 02. und 03. Juni 2009 sich lediglich mit der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und damit mit der reinen Auslegung eines Gesetzes befasst hat. Es hat aber nicht Gesetzeslücken im Wege richterlicher Rechtsfortbildung geschlossen. 62Darüber hinaus führt der - verspätete - Antrag der Klägerin nicht dazu, dass sie von einem Rentenanspruch nach dem ZRBG vollständig (und auf Dauer) ausgeschlossen wird. Die Verspätung hat lediglich die Folge einer nur eingeschränkten Rückwirkung. Dass im Übrigen der 13. Senat im Urteil vom 03.05.2005 aus Gründen der Gleichbehandlung gemäß Artikel 3 GG zur Anwendbarkeit des ZRBG auch für Bestandsrentner gelangte (§ 306 SGB VI), vorliegend aber schon kein Verstoß gegen Artikel 3 GG erkennbar ist, obwohl die Klägerin unter Anwendung des § 99 SGB VI erst ab dem Monat ihrer Antragstellung eine Regelaltersrente erhält, hat bereits das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Die von ihr angenommene Ungleichbehandlung zu anderen Verfolgten mit früherem Rentenbeginn ist durch den Umstand gerechtfertigt, dass letztere auch zu einem früheren Zeitpunkt Rente beantragt haben. Dies hätte die Klägerin im Gegensatz zu den Klägern der vom BSG zu § 306 SGB VI entschiedenen Fälle auch in der Hand gehabt. 63III.) 64Die Klägerin kann auch nicht verlangen, aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so behandelt zu werden, als hätte sie den Antrag auf eine Leistung aus der deutschen Rentenversicherung spätestens bis zum 30.06.2003 gestellt, um wie entsprechend § 3 ZRBG bereits ab dem 01.07.1997 in den Genuss einer Rente zu gelangen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, dessen Rückwirkung zu einem frühesten Rentenbeginn ab dem 01.01.2005 führen könnte (dazu 1.), steht der Klägerin nicht zu. Eine Pflichtverletzung der Beklagten, die diesbezügliche Voraussetzung wäre, ist nämlich nicht festzustellen. Auch die vom Bevollmächtigten der Klägerin zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts führt nicht zu einem anderen Ergebnis (dazu 2.). 651. 66Bei der hier vorliegenden Erstfeststellung einer Rente könnte einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch der Klägerin selbst für den Fall seines Vorliegens in entsprechender Anwendung des § 44 Absatz 4 SGB X Rückwirkung nicht bis zum 01.07.1997, sondern nur bis zum 01.01.2005 zukommen. Maßgeblich ist hier der (erstmalige/ allein zu berücksichtigende) Antrag der Klägerin auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus dem Monat November 2010. Die in § 44 Absatz 4 SGB X für eine rückwirkende Erbringung von Sozialleistungen festgesetzte zeitliche Grenze von vier Jahren ist nämlich entsprechend anzuwenden, auch wenn die rückwirkende Gewährung vorenthaltener Leistungen auf einer Erstfeststellung im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beruht (Urteil des erkennenden Senats vom 24.05.2013, L 14 R 432/12 -juris -; dazu anhängig B 13 R 23/13 R). 672. 68Der Klägerin steht ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch mit der Folge eines frühest- möglichen Rentenbeginns ab dem 01.01.2005 nicht zu (dazu a.). Die von ihrem Bevollmächtigten angesprochenen Urteile des Bundessozialgerichts erfassen die hier vorliegende Konstellation nicht (dazu b.). 69a.) 70Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger entweder seine Verpflichtung nach § 13 SGB I zur Aufklärung der Bevölkerung über ihre sozialen Rechte durch unrichtige oder missverständliche Allgemeininformationen (BSG, Urteile vom 16.12.1993, 13 RJ 19/92, SozR 3 1200 § 14 Nr. 12 und vom 23.05.1996, 13 RJ 17/95, SozR 3 5750 Art. 2 § 6 Nr. 15) oder die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber erwachsenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Beratung, zur Auskunft und zu Hinweisen nach §§ 14 und 15 sowie 115 Absatz 6 SGB VI, nicht verletzt hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des BSG vom 16.12.1993, 13 RJ 19/92, SozR 3-1200 § 14 Nr 12 m.w.N. und vom 25.01.1996, 7 RAr 60/94, SozR 3-3200 § 86a Nr 2). Voraussetzung ist weiter, dass die verletzte Pflicht dem Sozialleistungsträger gerade gegenüber dem Versicherten oblag, diesem also ein entsprechendes subjektives Recht einräumt, dass die objektiv rechtswidrige Pflichtverletzung zumindest gleichwertig (neben anderen Bedingungen) einen Nachteil des Versicherten bewirkt hat und dass die verletzte Pflicht darauf gerichtet war, den Betroffenen gerade vor den eingetretenen Nachteilen zu bewahren (Schutzzweckzusammenhang). Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können, das heißt die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen. 71Die Beklagte hat weder im Rahmen ihrer Verpflichtung nach § 13 SGB I zur Aufklärung der Bevölkerung über deren sozialen Rechte diese unrichtig oder missverständlich informiert (dazu aa.) noch hat sie ihr aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber der Klägerin obliegende und dieser ein entsprechendes subjektives Recht einräumende Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Beratung und Auskunft nach §§ 14 und 15 SGB VI (dazu bb.) bzw. zum Hinweis nach § 115 Absatz 6 SGB VI (dazu cc.), verletzt. 72aa.) 73Die Klägerin kann einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht auf eine Verletzung der allgemeinen Aufklärungspflicht nach § 13 SGB I stützen. Nach § 13 SGB I sind die Leistungsträger, ihre Verbände und die sonstigen im SGB genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über ihre Rechte und Pflichten nach dem SGB aufzuklären. Unter "Aufklärung" ist dabei die allgemeine und abstrakte Unterrichtung der Bevölkerung, insbesondere aller von den sozialen Rechten und Pflichten möglicherweise Betroffenen, die im Einzelnen in der Regel nicht bekannt sind, zu verstehen (vgl. Hauck/Haines, SGB I, K § 13 Rdn. 5). Diese Aufklärungspflicht begründet nach der Rechtsprechung des BSG regelmäßig kein subjektives Recht des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger; aus ihrer Verletzung erwächst dem Betroffenen daher grundsätzlich kein Herstellungsanspruch (BSG, Urteil vom 21.06.1990, 12 RK 27/88, BSGE 67, 90). Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn ein Versicherungsträger eine unrichtige oder missverständliche Allgemeininformation, z.B. in Merkblättern oder Broschüren, verbreitet hat und ein Versicherter dadurch etwa von der rechtzeitigen Ausübung eines Gestaltungsrechts abgehalten worden ist (BSG, Urteile vom 16.12.1993, 13 RJ 19/92, SozR 3 1200 § 14 Nr. 12 und vom 23.05.1996, 13 RJ 17/95, SozR 3 5750 Art. 2 § 6 Nr. 15). Dabei kann auch eine unrichtige Information durch ausländische Stellen dem deutschen Rentenversicherungsträger, zumindest im Sinne einer wesentlichen Mitursache, zuzurechnen sein, wenn dieser die ausländischen Verbindungsstellen seinerseits unzutreffend, etwa über bestehende Antragsfristen, informiert hat (BSG, Urteil vom 23.05.1996, a.a.O.). 74Dass die Beklagte vorliegend eine solche unrichtige oder missverständliche (Allgemein-) Information der Bevölkerung in Israel im Hinblick auf das ZRBG, auf etwaige Antragsfristen oder zu den Ghettos in Ungarn erteilt oder den israelischen Versicherungsträger entsprechend unrichtig informiert hätte, wäre allerdings von der Klägerin darzulegen und nachzuweisen. 75Im vorliegenden Fall ist aber zunächst nicht erkennbar, dass die Beklagte vor dem Jahr 2009 eine Allgemeininformation im Hinblick auf den Anwendungsbereich des ZRBG herausgegeben hat. Darüber hinaus ist die damalige Rechtsauffassung der Beklagten insbesondere zum Entgeltbegriff des ZRBG und zur anspruchsbegründenden Qualität einer Internierung in einem Ghetto in Ungarn auch nicht "unrichtig", weil sie in Übereinstimmung mit der damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung stand. 76Das Bundessozialgericht hat noch in seinem Urteil vom 07.10.2004 - B13 RJ 59/03 R- juris - ausgeführt, dass auch ein Anspruch nach § 1 Abs.1 ZRBG nur gegeben sei, wenn die von der Rechtsprechung aufgeführten Kriterien der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto erfüllt seien (Rdnr.50). Auch bei Arbeiten, die unter den Bedingungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zustandegekommen seien, sei eine Differenzierung zwischen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung einerseits und einer nichtversicherten Beschäftigung andererseits geboten (Rdnr.44). Das BSG hat mit diesem Urteil das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.10.2003 - L 8 RJ 90/01 - juris - geändert und im Fall einer Klägerin, die für die Tätigkeit in einer Militärkantine im Ghetto Lodz eine überdurchschnittliche Verpflegung erhalten hatte, die Merkmale der Entgeltlichkeit, der Versicherungspflicht und der Freiwilligkeit abgelehnt. 77Als Entgelt gemäß § 1226 RVO a.F. i.V.m. § 160 RVO a.F. seien zunächst nur die Gegenleistungen anzusehen, die zum Umfang und der Art der geleisteten Arbeit noch in einem angemessenen Verhältnis stünden (Rdnr.38). Obwohl auch freier Unterhalt grundsätzlich dem Begriff des Entgelts unterfallen könne, sei eine Beschäftigung für die nur freiwilliger Unterhalt gewährt worden sei, gemäß § 1227 RVO a.F. nicht versicherungspflichtig gewesen. Als freier Unterhalt sei dasjenige Maß von Wirtschaftsgütern anzusehen, das zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitnehmers erforderlich sei, nicht aber das, was darüber hinausgehe (Rdnr.36-38). Zudem hat das BSG aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin die Arbeit vom jüdischen Komitee zugewiesen bekommen habe, keine Freiwilligkeit der von ihr geleisteten Arbeit angenommen. 78Noch mit Beschluss vom 22.03.2007 - B 5 R 16/07 B - juris - hat das BSG eine Nichtzulassungsbeschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein Anspruch nach § 1 Abs.1 S.1 Nr.1 ZRBG die Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit der Beschäftigung voraussetze und damit an die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto anknüpfe und diese Rechtsfrage als geklärt anzusehen sei. 79Inwiefern die in den Jahren 2003 und 2004 vorherrschende Annahme der Beklagten, dass die in einem ungarischen Ghetto ausgeübte Tätigkeit nicht anspruchsbegründend im Sinne von § 1 Abs.1 S.1 Nr.1 ZRBG sei, bedarf keiner weiteren Klärung. 80Die Beklagte hat ausweislich der Begründungen der vom Klägerbevollmächtigten zum ebenfalls am 25.10.2013 vor dem Senat verhandelten Verfahren L 14 R 317/13 übersandten anonymisierten Bescheide aus Verfahren mit Parallelproblematik ihre Ablehnung nämlich darauf gestützt, dass sie aufgrund der späten Besetzung Ungarns durch die deutsche Wehrmacht am 19.03.1944, der Einrichtung von Ghettos erst ab dem 16.04.1944 und dem nur kurzen Bestand dieser Ghettos von etwa sechs Wochen Arbeitsverhältnisse, die von den Merkmalen der "Freiwilligkeit" und "Entgeltlichkeit" nach den vorab dargestellten Maßstäben geprägt waren, grundsätzlich nicht als glaubhaft gemacht ansah. Die in den Jahren 2003 und 2004 vorherrschende Betrachtung der Beklagten ist mithin untrennbar mit den zum damaligen Zeitpunkt von der Rechtsprechung vertretenen Anforderungen an die Begriffe von Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit verknüpft. Angaben, die die Beklagte zur Annahme einer freiwilligen und entgeltlichen Tätigkeit der Klägerin nach den im Jahr 2003 angenommenen Maßstäben veranlassen mussten, hat auch die Klägerin des vorliegenden Verfahrens nicht gemacht. 81Überdies stellen die vorgenannten Bescheidungen in Parallelfällen jedenfalls aufgrund ihrer bloßen Inter - Partes - Wirkung keine Allgemeininformation im Sinne von § 13 SGB I dar. Auch ansonsten sind fehlerhaft erfolgte Allgemeininformationen der israelischen Bevölkerung oder des israelischen Versicherungsträgers durch die Beklagte zum ZRBG, zu etwaigen Antragsfristen und insbesondere zu den Ghettos in Ungarn sowie deren Zugang bei der Klägerin dem Senat nicht bekannt. Im Übrigen geht der Senat von einem erheblichen Bekanntheitsgrad des ZRBG und bestehender Antragsfristen in der israelischen Bevölkerung auch bereits für die Zeit bis (zu dem für § 3 ZRBG maßgeblichen Zeitpunkt) Juni 2003 beziehungsweise für die Zeit bis (zur "Rechtsprechungswende" des BSG) 2009 aus, weil dies die bereits bis dahin gestellten sehr zahlreichen Anträge nach diesem Gesetz widerspiegeln. 82bb.) 83Durch die vom Bevollmächtigten der Klägerin gerügte restriktive Verwaltungspraxis beziehungsweise Auslegung des ZRBG hat die Beklagte der Klägerin gegenüber auch keine Pflichten zur individuellen Beratung nach § 14 SGB I oder zur individuellen Auskunft nach § 15 SGB I verletzt. 84Zunächst liegt keine fehlerhafte Auskunft oder Beratung der Beklagten gegenüber der Klägerin vor. Wie das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat (und wie unter aa.) ausgeführt wurde), liegt in der früheren restriktiven Auslegungspraxis des ZRBG durch die Beklagte schon deshalb keine Pflichtverletzung, weil sich die Beklagte hierbei auf die damalige höchstrichterliche Rechtsprechung gestützt hat. Zudem hat die Beklagte hierdurch nicht gegenüber der Klägerin gehandelt, weil sich die Verwaltungspraxis nur auf beschiedene Parallelfälle anderer Antragsteller mit allenfalls ähnlicher Fallgestaltung bezogen hat und daher nur zwischen diesen Inter- Partes- Wirkung entfaltet. Zudem wäre, wie das Sozialgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, auch kein kausaler Nachteil zu einer unterstellten Pflichtverletzung zu erkennen, weil zahlreiche andere Antragsteller, die ebenfalls Beitragszeiten nach dem ZRBG geltend gemacht haben, durch das Erfordernis eines versicherungspflichtigen Entgelts und einer "freiwilligen" Beschäftigungsaufnahme auch in der Zeit bis 2009 nicht davon abgehalten worden sind, ihren Rentenantrag zu stellen und dessen Ablehnung gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen. 85Der Beklagten ist weiter nicht vorzuwerfen, dass sie eine Beratung oder Auskunft gegenüber der Klägerin pflichtwidrig nicht vorgenommen hat. Eine solche Verpflichtung der Beklagten bestand nicht. 86Voraussetzung für das Entstehen einer Beratungspflicht nach § 14 SGB I ist ein Beratungsbegehren oder zumindest ein konkreter Anlass zur Beratung (BSG, Urteile vom 21.03.1990, 7 RAr 36/88, BSGE 66, 258, vom 16.12.1993, 13 RJ 19/92, a.a.O. und vom 16.06.1994, 13 RJ 25/93, SozR 3-1200 § 14 Nr. 15); für eine Auskunftspflicht im Sinne des § 15 SGB I ist es ebenfalls erforderlich, dass ein entsprechender Informationsbedarf der Versicherten für den zuständigen Versicherungsträger oder eine andere auskunftspflichtige Stelle offen zu Tage tritt (BSG, Urteil vom 28.09.1976, 3 RK 7/76, BSGE 42, 224). Im Rahmen ihrer Beratungspflicht nach § 14 SGB I beziehungsweise ihrer Auskunftspflicht nach § 15 SGB I §§ 14 und 15 SGB I hat die Beklagte nicht die Pflicht, all diejenigen möglicherweise Anspruchsberechtigten erst noch zu ermitteln, die in absehbarer Zeit Anspruch auf Rente haben könnten, um sie über die Voraussetzungen der Rentengewährung zu informieren. 87Im vorliegenden Fall scheidet nach diesen Maßgaben das Entstehen einer Beratungspflicht aus. Vor dem Neuantrag am 23.12.2009 (und damit auch vor der Rücknahme des Erstantrags der Klägerin am 31.05.1999) war für die Beklagte aufgrund der fehlenden Angaben der Klägerin über ihre Internierung im Ghetto (Ort des Ghettos, ausgeführte Arbeit etc.) nämlich nicht einmal erkennbar, in welcher Weise ein Informationsbedarf der Klägerin entstehen konnte. Zudem bestand nach der Rücknahme des Antrags der Klägerin am 31.05.1999 zwischen den Beteiligten keinerlei Kontakt mehr. Es war für die Beklagte in keiner Weise ersichtlich, dass die Klägerin noch an der Durchsetzung des von ihr geltend gemachten Anspruchs festhalten wollte. 88Anhaltspunkte für einen der Beklagten zuzurechnenden Beratungsfehler des israelischen Sozialversicherungsträgers bestehen nicht (zu den Voraussetzungen Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 15.07.1986, L 2 An 135/85 - juris - und BSG, Urteil vom 22.02.1989, 5 RJ 42/88 SozR 6961 § 7 Nr. 2; anders BSG, Urteile vom 21.06.1990, 12 RK 27/88, BSGE 67, 90 und vom 23.05.1996, B 13 RJ 17/95, SozR 3 5750 Artikel 2 § 6 Nr. 15, wenn der deutsche Rentenversicherungsträger die ausländische Verbindungsstelle unzutreffend informiert hat und diese dann ihrerseits den Versicherten unrichtig informiert). 89cc.) 90Auf eine Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Absatz 6 Satz 1 SGB VI kann die Klägerin ihren Herstellungsanspruch ebenfalls nicht stützen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ist zwar nicht auf die Verletzung der Pflichten aus §§ 14, 15 SGB I beschränkt, sondern kommt auch bei andersartiger Fehl- oder Nichtinformation der Versicherten in Betracht (BSG, Urteil vom 08.11.1995, 13 RJ 5/95, SozR 3 2600 § 300 Nr. 5). Als Pflicht, deren Verletzung grundsätzlich geeignet ist, einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu begründen, kommt insofern auch die aus § 115 Absatz 6 Satz 1 SGB VI resultierende Hinweispflicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift sollen die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen; die Rentenversicherungsträger können dabei in gemeinsamen Richtlinien bestimmen, unter welchen Voraussetzungen solche Hinweise erfolgen sollen (Satz 2 a.a.O). Sinn und Zweck des § 115 Absatz 6 SGB VI ist es, die nicht ausreichend Informierten vor Nachteilen aus dem Antragsprinzip zu bewahren (Hauck/Haines, SGB VI-Kommentar, § 115, RdNr. 12; Gemeinschaftskommentar-SGB VI / Meyer, § 115, RdNr. 4). Die Vorschrift wurde durch das Rentenreformgesetz 1992 zugleich mit § 99 SGB VI eingeführt, in dem die Auswirkung des Antragszeitpunktes auf den Rentenbeginn bestimmt wird. Da durch § 99 SGB VI gravierendere Folgen an die Antragstellung beziehungsweise deren Zeitpunkt geknüpft werden als nach dem altem Recht der RVO, ist als Korrektiv hierfür die Regelung des § 115 Absatz 6 SGB VI vorgesehen. Die Beklagte war im vorliegenden Fall aber nicht verpflichtet, der Klägerin einen Hinweis auf die Möglichkeit des Bezugs eines Altersrente und auf den bei Überschreitung der Frist des § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI eintretenden Anspruchsverlust zu erteilen. Die Verpflichtung der Beklagten zur Hinweiserteilung scheidet dabei zwar nicht bereits deshalb aus, weil die Klägerin sich nicht rechtzeitig rat- oder auskunftsuchend an die Beklagte gewandt hätte; denn für das Entstehen einer Verpflichtung des Versicherungsträgers zur Erteilung eines Hinweises ist eine Anfrage der Versicherten nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 22.10.1996, 13 RJ 23/95, BSGE 79, 168). Die Adressaten derartiger Hinweise (anders als etwa bei § 13 SGB I) müssen für den Versicherungsträger aber konkret bestimmbar sein, weil die Regelung den Schutz der Einzelnen bezweckt; nur so kann davon ausgegangen werden, dass diesen auch ein subjektives Recht auf Erteilung eines Hinweises zustehen soll (Hauck/Haines, SGB VI-Kommentar, § 115, RdNr. 13). 91Unter Berücksichtigung der Ausführungen zu bb.) konnte eine entsprechende Hinweispflicht der Beklagten jedoch bereits deshalb nicht bestehen, weil der Beklagten aufgrund der vor dem Jahr 2009 völlig fehlenden Informationen über die Natur des Aufenthalts der Klägerin im Ghetto überhaupt nicht erkennbar war, worauf die Klägerin gegebenenfalls hinzuweisen war. Dies gilt unabhängig davon, dass die Rechtsauffassung der Beklagten aus der ex-post-Perspektive jedenfalls nicht unrichtig war. 92b.) 93Zu einem anderen Ergebnis gelangt man auch nicht unter Berücksichtigung der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeführten Entscheidungen des BSG (BSG, Urteile vom 15.12.1983, 12 RK 6/83 - juris -; vom 21.06.1990, 12 RK 27/88, BSGE 67, 90; vom 08.11.1995, 13 RJ 5/95, SozR 3 2600 § 300 Nr. 5), ohne dass es insoweit auf ein Verschulden der Beklagten ankomme (BSG, Urteile vom 12.10.1979, 12 RK 47/77, BSGE 49, 76; vom 09.05.1979, 9 RV 20/87, SozR 3100, § 44 Nr. 11; vom 15.12.1983, 12 RK 6/83, - juris -; vom 28.02.1984, 12 RK 31/83, SozR 1200 § 14 Nr. 16; vom 24.10.1985, 12 RK 48/84, SozR 5070 § 10 a Nr. 13). 94Diese Entscheidungen haben nicht den ihnen vom Bevollmächtigten zugesprochenen Inhalt. Sie sind insbesondere auf den vorliegenden Fall nicht dahingehend übertragbar -, dass das für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch erforderliche Fehlverhalten eines Versicherungsträgers darin liegen kann, dass dieser bis zum Zeitpunkt geänderter höchstrichterlicher Rechtsprechung in größerer Zahl negative Bescheidungen erlassen hat, die aus der ex - post - Sicht der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung seitdem nicht mehr haltbar erscheinen, und aufgrund derer Berechtigte von einer Antragstellung abgehalten worden sind oder sein könnten. Vielmehr fordern (auch) die vom Bevollmächtigten genannten Entscheidungen des 12. Senats des BSG für einen Herstellungsanspruch, dass das gerügte Verhalten - etwa eine fehlerhafte Gesetzesanwendung - bereits im Zeitpunkt der Ausübung fehlerhaft gewesen sein muss, wozu die spätere Erkenntnis der Fehlerhaftigkeit aus der Rückschau nicht ausreicht. Dass diese Anforderungen an den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu stellen sind, ist nicht nur den vom Bevollmächtigten angeführten Entscheidungen des 12. Senats des BSG zu entnehmen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung weiterer Senate des BSG, so zum Beispiel der Rechtsprechung des 7. Senats (Urteil vom 25.01.1996, 7 RAr 60/94, SozR 3 3200 § 86 a Nr. 2), der ausgeführt hat, dass der Leistungsträger, wenn seine - negative - Auskunft über eventuelle Leistungsansprüche im Zeitpunkt ihrer Erteilung der Gesetzeslage und dem Stand des eingeleiteten Gesetzgebungsverfahrens entsprach, bei einer späteren, im Zeitpunkt der Auskunftserteilung nicht erkennbaren Gesetzesänderung zugunsten des Betroffenen nicht verpflichtet ist, den durch eine verspätete Antragstellung bedingten Nachteil im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auszugleichen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des heute für das Recht der Rentenversicherung zuständigen 13. Senats des BSG (Urteil vom 08.11.1995,13 RJ 5/95, SozR 3 2600 § 300 Nr. 5), der ausgeführt hat, dass ein Herstellungsanspruch nicht in Betracht kommt, wenn die dem Versicherten günstigen Voraussetzungen erst später bekannt wurden oder nachgewiesen werden konnten. 95Die in größerer Zahl ergangenen negativen Bescheidungen der Beklagten bis zum Jahr 2009 standen aber in Einklang mit der bis zur "Rechtsprechungswende" des BSG zum ZRBG im Jahr 2009 bestehenden damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die die unbestimmten Rechtsbegriffe des "Entgelts" und des Beschäftigungsverhältnisses "aus eigenem Willensentschluss" restriktiv ausgelegt hatte (vgl. etwas Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03, BSGE 93, 214, und Beschluss vom 22.03.2007, B 5 R 16/07 B - juris -). Dass Erfolgsaussicht für die Durchsetzung ihrer Ansprüche für die Klägerin erst aufgrund der Urteile des BSG von Juni 2009 bestand und vorher nicht, beruht somit nicht auf einem objektiven Fehlverhalten der Beklagten durch etwaige Falschanwendung von Gesetzen bzw. Rechtsprechung im Zeitpunkt der Anwendung. Aus dem gleichen Grund führen auch die vom Bevollmächtigten angeführten Entscheidungen des BSG vom 12.10.1979, 09.05.1979, 15.12.1983, 28.02.1984 und 24.10.1985 (alle a.a.O.) nicht weiter, nach denen ein - hier nicht vorliegendes - im Zeitpunkt der Ausübung bereits objektiv fehlerhaftes Verhalten der Verwaltung, das einen Herstellungsanspruch begründet, nicht subjektiv schuldhaft zu sein braucht. Beim Fehlen eines objektiven Fehlverhaltens kommt es auf die Frage der subjektiven Vorwerfbarkeit nicht mehr an. Deutlich wird dies insbesondere aus der vom Bevollmächtigten angeführten Entscheidung des BSG vom 12.10.1979 (12 RK 47/77), in der das BSG ausgeführt hat, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch auf Seiten des Versicherungsträgers grundsätzlich kein Verschulden voraussetze, also (auch) bestehe, wenn der Versicherungsträger im Zeitpunkt der Auskunftserteilung eine bereits damals objektiv unrichtige Auskunft erteilt habe, er zu diesem Zeitpunkt aber von der Richtigkeit seiner Rechtsansicht habe ausgehen dürfen. 96Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass zum einen wegen der verspäteten Antragstellung eine der notwendigen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt ist und zum anderen eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht vorliegt, die eine Ersetzung des nicht rechtzeitig gestellten Antrags im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ermöglichen könnte. 97IV. 98Die von der Klägerin erstrebte Rechtsanwendung - Gewährung einer Altersrente auf der Grundlage des ZRBG bereits für die Zeit ab dem 01.07.1997 trotz Versäumung der Antragsfrist des § 99 Absatz 1 Satz 1 SGB VI - ist schließlich auch unter Berücksichtigung des sogenannten Wiedergutmachungsgedankens nicht möglich. Denn zugunsten der Klägerin wirkt sich hier auch nicht der vom Bundesgerichtshof (BGH) zum Entschädigungsrecht entwickelte Grundsatz aus, dass eine Gesetzesauslegung, die möglich ist und dem Ziel entspricht, das zugefügte Unrecht so bald und so weit wie irgend möglich wiedergutzumachen, den Vorzug gegenüber jeder anderen Auslegung verdient, die die Wiedergutmachung erschwert oder zunichte macht (Urteile des BGH vom 26.02.1960, IV ZR 255/59, RzW 1960, 262; vom 22.02.2011, IX ZR 113/00, BGH Report 2001, 372). Zwar ist hiervon bei der Auslegung einschlägiger Vorschriften auch das BSG ausgegangen; der Bevollmächtigte der Klägerin hat die einschlägigen Entscheidungen des BSG auch (in anderem Zusammenhang) genannt (Urteile vom 26.10.1976, 12/1 RA 81/75, SozR 5070 § 9 Nr. 1; vom 12.10.1979, 12 RK 15/78, SozR 5070 § 10 a Nr. 2; vom 28.02.1984, 12 RK 50/82, SozR 5070 § 9 Nr. 7). Dennoch führt dies hier nicht zu einem anderen Ergebnis. Der Gesetzgeber hat mit dem ZRBG zur Wiedergutmachung erlittenen Unrechts Rentenzeiten, die mit in einem Ghetto verrichteter Arbeit erworben wurden, unabhängig von weiteren Voraussetzungen (insbesondere nach dem FRG) als Regelaltersrente zahlbar gemacht. Anders als etwa bei der Zuerkennung eines festen Entschädigungsbetrags handelt es sich damit bei den auf der Grundlage des ZRBG gezahlten Leistungen um Renten, die dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI folgen. Die aus dieser Konzeption folgenden Konsequenzen, wie etwa der Verfall von Rentenansprüchen für die Vergangenheit bei Versäumung der Antragsfrist, treten aber bei allen Renten gleichermaßen ein und widersprechen insofern auch nicht dem Wiedergutmachungsgedanken. 99Aus dem gleichen Grund lässt sich auch kein anderes Ergebnis aus § 2 Absatz 2 Halbsatz 2 SGB I ableiten, wonach bei der Auslegung der Vorschriften des SGB sicherzustellen ist, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. 100Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf den Beginn der Regelaltersrente vor dem 01.12.2009 und damit auch nicht auf Zahlung von Regelaltersrente für die Zeit vom 01.07.1997 bis zum 30.11.2009. Im Übrigen wirkt es sich zu Gunsten der Klägerin aus, dass die Beklagte für den Zugangsfaktor (§ 77 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 b SGB VI) davon ausgegangen ist, dass die Klägerin die Altersrente nach Erreichen der Regelaltersgrenze erst zum 01.12.2009 in Anspruch genommen hat, so dass die Beklage insofern die Rente auch nach einem höheren Zugangsfaktor als bei einem (begehrten) Rentenbeginn zum 01.07.1997 berechnet hat (vgl. § 3 Absatz 2 ZRBG). Angesichts des hohen Lebensalters der Klägerin dürfte sich allerdings ihr wirtschaftliches Interesse eher auf eine (größere) Nachzahlung als auf eine laufende höhere Rente richten. Zu dem weiteren Vortrag des Bevollmächtigten , dass die Regelungen der §§ 3 ZRBG und 44 SGB X sowie das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs je nachdem, ob es sich um ein Überprüfungsverfahren oder eine Erstbescheidung handele, zu sehr unterschiedlichen Folgen für den Rentenbeginn führen würden (Rentenbeginn ab 1997, ab 2005 oder erst ab Rentenantragstellung) und dies den Betroffenen schwierig zu vermitteln sei, ist auf Folgendes hinzuweisen: Überprüfungsanträgen nach Ablehnungsbescheiden, die seit 2009 - fußend auf der "Rechtsprechungswende" des Bundessozialgerichts vom 02.06.2009 und 03.06.2009 zur Auslegung der Rechtsbegriffe des "Entgelts" und des Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses "aus eigenem Willensentschluss" - gestellt wurden, kann nach § 44 Absatz 4 SGB X Rückwirkung maximal bis 2005 und nicht bis 1997 zukommen (vgl. allerdings die anhängigen zahlreichen Revisionen im 5. und 13 Senat des BSG zu der Frage: " Kann eine Rente bei Berechtigten des Personenkreises des § 1 ZRBG im Falle eines erstmaligen Rentenantrages noch vor Juli 2003 schon ab dem 01.07.1997 beginnen, wenn bereits eine bestandskräftig gewordene Ablehnung des Rentenantrags vorlag und die Rente erst danach aufgrund eines Überprüfungsverfahrens bewilligt wurde unter Anwendung von § 44 SGB X oder § 100 Absatz 4 SGB VI). Auch Erstbescheidungen aufgrund erstmaliger Antragstellung seit der "Rechtsprechungswende" in 2009 könnte selbst bei Vorliegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Rückwirkung nur in Anwendung des § 44 Absatz 4 SGB X (Urteil des erkennenden Senats vom 24.05.2013, L 14 R 432/12 in juris; dazu anhängig B 13 R 23/13 R) und damit ebenfalls maximal bis 2005 und nicht bis 1997 zukommen. Liegen die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs allerdings nicht vor, können Rentenleistungen in Einklang mit § 99 SGB VI erst ab dem Antragsmonat gewährt werden. 101Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Absatz 1 SGG. 102Die Revisionszulassung folgt aus § 160 Absatz 2 Nr. 1 SGG, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. | die berufung gegen das urteil des sozialgerichts düsseldorf vom 22.02.2013 wird zurückgewiesen. außergerichtliche kosten sind auch im berufungsverfahren nicht zu erstatten. die revision wird zugelassen. 1 | 2streitig zwischen den beteiligten ist der beginn einer der klägerin zustehenden regelaltersrente nach dem gesetz zur zahlbarmachung von renten aus beschäftigungen in einem ghetto (zrbg). 3die klägerin wurde am 00.00.1924 in rumänien geboren. sie ist jüdischen glaubens. sie lebt in israel und ist israelische staatsbürgerin. 4am 01.03.1984 stellte die klägerin einen rentenantrag in israel. am 04.12.1998 beantragte sie mittels eines vordrucks mit dem betreff " anerkennung von arbeitszeiten im ghetto" "nach dem frg/ wgsvg/sgb vi"die anerkennung ihrer arbeitszeiten im ghetto als beitragszeiten, die zulassung zum nachentrichtungsverfahren und eine altersrente. die beklagte übersandte der klägerin daraufhin antragsvordrucke und bat sie, diese auszufüllen. am 19.04.1999 erinnerte die beklagte die klägerin an die übersendung der unterlagen. sofern eine solche nicht erfolge, müsse der antrag abgelehnt werden. mit schreiben vom 03.05.1999 (eingegangen am 31.05.1999) erklärte die klägerin gegenüber der beklagten: "sehr geehrter herr, ersuche höflichst meine akte zu schliessen, ich kann keine deutschprüfung machen, weil ich die sprache nicht beherrsche." die beklagte sah die erklärung als rücknahme des antrags an und schloss das verfahren ab. 5mit bescheid vom 16.02.2009 gewährte das bundesamt für zentrale dienste und offene vermögensfragen der klägerin eine anerkennungsleistung in höhe von eur 2000,- für arbeit in einem ghetto, die keine zwangsarbeit war und bisher ohne sozialversicherungsrechtliche berücksichtigung geblieben ist. 6am 23.12.2009 beantragte die klägerin bei der beklagten die anerkennung einer beitragszeit und rentennachzahlung nach dem zrbg. soweit bereits ein rentenverfahren durchgeführt worden sei beantrage sie die überprüfung nach § 44 sgb x. die klägerin gab hierbei an, sich im zeitraum von anfang bis ende mai 1944 zwangsweise im ghetto oradea aufgehalten zu haben. sie habe dort küchenarbeiten durchgeführt und dafür mittagessen und zusätzliche lebensmittel erhalten. 7mit bescheid vom 24.11.2010 gewährte die beklagte der klägerin eine regelaltersrente in höhe von eur 201,07 monatlich für den zeitraum ab dem 01.12.2009. sie erkannte hierbei die zeit vom 01.05.1944 bis zum 31.05.1944 als beitragszeit nach dem zrbg und die zeiten vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1949 als ersatzzeit an. die klägerin erhob am 29.11.2010 widerspruch gegen diesen bescheid. der rentenbeginn sei am 01.07.1997 anzusetzen. sie sei im rahmen eines sozialrechtlichen herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob der antrag bereits am 30.06.2003 gestellt worden sei. die rentenversicherungsträger hätten durch ihre restriktive gesetzesauslegung in der vergangenheit, die insbesondere sachbezüge nicht für ausreichend gehalten habe und bestimmte gebiete von der einbeziehung in das zrbg ausgeschlossen habe, die antragsteller davon abgehalten, den aufwand eines früheren antragsverfahrens zu betreiben. damit hätten sie die sich aus dem sozialrechtsverhältnis ergebende verpflichtung zur gebotenen förderung sozialer rechte verletzt. zudem liege ein verstoß gegen art.3 des grundgesetzes (gg) vor. die "berücksichtigung von offenen verfahren und der damit einhergehenden rechtsfolge rentenbeginn 1997" beruhe auf zufälligkeiten, die der personengruppe der verfolgten nicht zugemutet werden könne. 8mit widerspruchsbescheid vom 05.06.2012 wies die beklagte den widerspruch zurück. nach § 19 des vierten buchs sozialgesetzbuch (sgb iv) würden leistungen aus der gesetzlichen rentenversicherung nur auf antrag erbracht. der rentenantrag löse gemäß § 115 abs.1 sgb vi das verwaltungsverfahren aus. er bestimme in zusammenhang mit § 99 sgb vi den rentenbeginn. mit § 3 zrbg habe der gesetzgeber keine spezialregelung zur allgemeinen regelung des § 99 sgb vi geschaffen. dieser regele nur, dass ein bis zum 30.06.2003 gestellter rentenantrag als ein zum 18.06.1997 gestellter antrag gelte und stelle somit eine antragsfiktion, aber keine spezielle beginnsvorschrift dar. die klägerin habe ihren antrag erstmals am 23.12.2009 und damit nach dem 30.06.2003 gestellt. aus dem antrag vom 04.12.1998 könne die klägerin keine rechte mehr herleiten, weil sie diesen am 31.05.1999 zurückgenommen habe. 9diese rücknahme erfasse auch den israelischen rentenantrag. ein überprüfungsantrag gemäß § 44 des zehnten buchs sozialgesetzbuch (sgb x) könne bereits deshalb keinen erfolg haben, weil mit dem bescheid vom 24.11.2010 auch erstmalig über das begehren der klägerin entschieden worden sei. § 44 sgb x könne auch in verbindung mit einem sozialrechtlichen herstellungsanspruch nicht zu einem erfolg des widerspruchs führen. eine rechtswidrige pflichtverletzung könne bereits deshalb nicht festgestellt werden, weil das bundessozialgericht erstmals in seinen urteilen vom 02.06.2009 und 03.06.2009 die tatbestandsmerkmale nach dem zrbg "gegen entgelt" und "aus eigenem willensentschluss" erweiternd ausgelegt habe. die klägerin habe ihre anträge zurückgenommen. 10am 22.06.2012 hat die klägerin vor dem sg düsseldorf klage gegen den bescheid vom 24.11.2010 in der gestalt des widerspruchsbescheids vom 05.06.2012 erhoben. sie hat vorgetragen, dass der rentenbeginn bereits früher anzusetzen sei. sie sei im rahmen eines sozialrechtlichen herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob der antrag bereits am 30.06.2003 gestellt worden sei. die rentenversicherungsträger hätten durch ihre restriktive gesetzesauslegung in der vergangenheit, die insbesondere sachbezüge nicht für ausreichend gehalten habe und bestimmte gebiete von der einbeziehung in das zrbg ausgeschlossen habe, die antragsteller davon abgehalten, den aufwand eines früheren antragsverfahrens zu betreiben. damit hätten sie die sich aus dem sozialrechtsverhältnis ergebende verpflichtung zur gebotenen förderung sozialer rechte verletzt. im vorliegenden fall ergebe sich dies insbesondere daraus, dass sie sich in ghettos in ungarn aufgehalten habe. bis zum jahr 2009 habe die beklagte ausdrücklich ausgeführt, dass das zrbg auf ghettos in ungarn keine anwendung finde. auch der präsident des sozialgerichts düsseldorf habe geäußert, dass die meisten klagen hätten abgewiesen werden müssen. aufgrund der in vielen fällen geäußerten rechtsauffassung seien andere personen davon abgehalten worden, einen rentenantrag zu stellen. auch sie habe sich aufgrund der chancenlosigkeit dazu entschlossen, das psychisch und physisch belastende rentenverfahren nicht durchzuführen. im hinblick auf den von ihr angenommenen sozialrechtlichen herstellungsanspruch verweist die klägerin auf die urteile des bundessozialgerichts, 13 rj 23/95, 13 rj 5/95 und 12 rk 27/88. 11die unrichtigkeit eines bescheides sei aus heutiger sicht und nicht aus der sicht des zeitpunkts der bescheiderteilung zu beurteilen. die klägerin hat einen anonymisierten bescheid aus einem parallelverfahren aus dem jahr 2003 beigefügt, in dem die beklagte einen anspruch nach dem zrbg mit der begründung der fehlenden anwendbarkeit des zrbg auf ghettos in ungarn abgelehnt hat. 12mit urteil vom 22.02.2013 hat das sg düsseldorf die klage ohne mündliche verhandlung abgewiesen. der rentenbeginn sei mit dem 01.12.2009 zutreffend angesetzt, weil die klägerin erst am 14.12.2009 die rente nach dem zrbg beantragt habe. weder aus dem in israel gestellten rentenantrag aus dem jahr 1984 noch aus dem antrag der klägerin vom 04.12.1998 folge etwas anderes. denn diese anträge habe die klägerin zurückgenommen. gemäß dem urteil des bsg vom 07.02.2012 - b 13 r 40/11 r - erfasse eine der antragsrücknahme vergleichbare bestandskräftige ablehnung eines in deutschland gestellten rentenantrags auch den zuvor in israel gestellten rentenantrag. für die auslegung des schreibens vom 03.05.1999 als rücknahme spreche auch, dass die klägerin danach zehn jahre lang keinen kontakt zur beklagten mehr gesucht habe. 13der klägerin stehe weiter kein sozialrechtlicher herstellungsanspruch zur seite. dieser setze zunächst eine dem sozialleistungsträger zurechenbare behördliche pflichtverletzung voraus. die beklagte habe ihre pflicht zur aufklärung der bevölkerung gemäß § 13 des ersten buchs sozialgesetzbuch (sgb i) aber nicht verletzt. insbesondere habe sie keine fehlerhafte allgemeininformation zum zrbg verfasst. die beklagte habe lediglich in parallelfällen das zrbg gemäß der damaligen rechtsprechung des bsg restriktiv ausgelegt und insbesondere ein die versicherungspflicht dem grunde nach auslösendes entgelt als voraussetzung gesehen. die annahme einer pflichtverletzung scheide bereits deshalb aus, weil die beklagte sich im einklang mit der höchstrichterlichen rechtsprechung befunden habe. zudem sei keine kausalität zwischen einer unterstellten pflichtverletzung der beklagten und der rücknahme des rentenantrags durch die klägerin zu erkennen. andere antragsteller hätten sich durch die restriktive bewilligungspraxis der beklagten nämlich nicht davon abhalten lassen, ihren rentenantrag weiterzuverfolgen und gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen. 14am 15.03.2013 hat die klägerin berufung gegen das urteil eingelegt. sie trägt weiter vor, dass ihr aus verschiedenen quellen bekannt gewesen sei, dass die deutschen rentenversicherungsträger tätigkeiten in einem ghetto ohne entsprechende bezahlung nicht als anspruchsauslösend ansähen. sie nimmt weiter bezug auf das urteil des bsg vom 24.10.1985 - 12 rk 48/84 und vom 21.06.1990 - 12 rk 27/88. sie hat sich zunächst ergänzend darauf bezogen, dass ihre erklärung vom 31.05.1999 nicht als rücknahme zu werten sei und in diesem zusammenhang einen richterbrief des senats aus dem verfahren l 14 r 861/12 übersandt. 15die beklagte hat in reaktion auf diesen vortrag darauf verwiesen, dass im jahr 1998 das zrbg noch nicht verkündet gewesen sei. für die anerkennung von zeiten nach § 20 wgsvg oder § 17a frg sei die zugehörigkeit zum deutschen sprach- und kulturkreis unabdingbare voraussetzung gewesen, so dass der verweis der klägerin auf ihre fehlenden deutschkenntnisse als begründung der rücknahme zu werten sei. die rücknahme erfasse auch den israelischen antrag; es sei davon auszugehen, dass die klägerin von diesem kenntnis gehabt habe. art.27 disva sei auch im jahr 1999 - auch vor der verkündung des zrbg - schon existent gewesen. die klägerin hat daraufhin an ihren ausführungen zur rücknahme des antrags nicht mehr festgehalten, bezieht sich aber weiterhin darauf, dass ihr ein sozialrechtlicher herstellungsanspruch zur seite stehe. 16die klägerin stützt sich weiter auf einen richterbrief des sozialgerichts berlin im dortigen verfahren s 31 r 4726/12. der dortige kammervorsitzende hat darauf verwiesen, dass die bis zum 31.12.1991 geltende reichsversicherungsordnung (rvo) und das angestelltenversicherungsgesetz (avg) für versicherte, die das 65.lebensjahr vollendet und die wartezeit erfüllt hatten, kein antragserfordernis vorgesehen hätten. ein bereits unter geltung der rvo entstandener altersrentenanspruch erlösche nicht durch das zum 01.01.1992 eingeführte antragserfordernis. da sie das 65. lebensjahr bereits im jahr 1985 vollendet habe, sei diese rechtsauffassung auch auf sie anwendbar. es sei der zeitpunkt der entstehung des stammrechts und nicht der zahlungsbeginn maßgeblich. 17die klägerin beantragt, 18das urteil des sozialgerichts düsseldorf vom 22.02.2013 zu ändern und die beklagte unter änderung des bescheides vom 24.11.2010 in der fassung des widerspruchsbescheides vom 05.06.2012 zu verurteilen, der klägerin regelaltersrente bereits ab 01.07.1997 zu gewähren. 19die beklagte beantragt, 20die berufung zurückzuweisen. 21im vorliegenden fall sei eine pflichtverletzung der beklagten schon deshalb nicht anzunehmen, weil die klägerin vor ihrer antragstellung im november 2009 überhaupt keine angaben gemacht habe, die eine prüfung ihres anspruchs ermöglicht hätten. die von der klägerin zitierten urteile des bsg seien nicht auf den vorliegenden sachverhalt zu übertragen. 22das urteil vom 24.10.1985 - 12 rk 48/84 - habe sich mit der frage beschäftigt, ob eine ausschlussfrist unter bestimmten voraussetzungen neu eröffnet werden müsse. in dem urteil werde ausdrücklich aufgeführt, das in einem derartigen fall der rückgriff auf das institut des sozialrechtlichen herstellungsanspruchs nicht zulässig sei. 23das urteil vom 21.06.1990 - 12 rk 27/88 - sei bereits deshalb nicht anwendbar, weil die beklagte im vorliegenden fall (dort abweichend: herausgabe eines merkblatts) keine allgemeininformation erteilt habe. das bsg habe auch angemerkt, dass die versäumung einer frist nicht mit einer fehlerhaften beratung oder auskunft begründet werden könne, wenn sich der antragsteller erst nach dem ablauf dieser frist an die behörde gewandt habe. dies müsse auch gelten, wenn der antragsteller gegenüber der behörde vor dem ablauf der frist keine angaben gemacht habe, die eine prüfung des anspruchs ermöglicht hätten. da das zrbg rückwirkend zum 01.07.1997 in kraft getreten sei, könnten renten nach diesem buch auch frühestens am 01.07.1997 beginnen und seien damit am sgb vi zu messen. ghettobeitragszeiten nach dem zrbg seien nämlich zeiten eigener art gemäß § 55 abs.1 s.2 sgb vi, für die pflichtbeiträge nach besonderen vorschriften als gezahlt gelten. ein rentenstammrecht aus ghettobeitragszeiten könne damit erst mit dessen inkrafttreten entstanden sein. 24zur weiteren sachverhaltsdarstellung und hinsichtlich des vorbringens der beteiligten im einzelnen wird auf die prozessakte und die verwaltungsakte der beklagten bezug genommen. der wesentliche inhalt dieser akten ist gegenstand der mündlichen verhandlung gewesen. 25 | 26die zulässige berufung ist nicht begründet. das sozialgericht hat die klage zu recht abgewiesen, weil der bescheid der beklagten vom 24.11.2010 in der fassung des widerspruchsbescheides vom 05.06.2012 nicht rechtswidrig ist und die klägerin nicht in ihren rechten verletzt ( § 54 absatz 2 sgg). denn die beklagte hat rechtmäßig entschieden, dass die klägerin keinen anspruch auf zahlung der regelaltersrente vor dem 01.12.2009 und damit auch nicht für die zeit vom 01.07.1997 bis zum 30.11.2009 hat. 27gemäß § 99 sgb vi hat die klägerin einen anspruch auf zahlung ihrer regelaltersrente erst für die zeit ab dem 01.12.2009, weil sie dem antragserfordernis des § 115 absatz 1 satz 1 sgb vi unterlag und als zu berücksichtigender antrag allein ihr rentenantrag vom 23.12.2009 in frage kommt (dazu i.). ein früherer rentenbeginn kann weder aufgrund einer verlängerung der rentenantragsfrist entsprechend der rechtsprechung des bsg zur verlängerung von nachentrichtungsfristen (dazu ii.) noch aufgrund eines sozialrechtlichen herstellungsanspruchs (dazu iii) noch unter berücksichtigung des sogenannten wiedergutmachungsgedankens (dazu iv) angenommen werden. 28i. 29gemäß § 99 sgb vi hat die klägerin einen anspruch auf zahlung ihrer regelaltersrente erst für die zeit ab dem 01.12.2009 die anspruchsvoraussetzungen für eine regelaltersrente der klägerin nach § 35 sgb vi und nach maßgabe des zrbg waren für sie zwar mit (dem rückwirkenden) inkrafttreten des zrbg vom 20.06.2002 (artikel 1 des gesetzes vom 20.06.2002, veröffentlicht am 27.06.2002, bgbl i, 2074) zum 01.07.1997 (artikel 3 absatz 2 des gesetzes vom 20.06.2002) erfüllt, weil sie bereits im märz 1989 ihr 65. lebensjahr vollendet hatte, zeiten nach dem zrbg vom 01.05.1944 bis zum 31.10.1944 vorliegen und sie hierdurch auch die allgemeine wartezeit erfüllt. 30weitere voraussetzung für die gewährung einer altersrente an die klägerin war aufgrund der vorschrift des § 115 absatz 1 satz 1 sgb vi aber ein wirksamer rentenantrag. 31mit dem inkrafttreten der §§ 19 satz 1 sgb iv und 115 absatz 1 satz 1 sgb vi am 01.01.1992 ist nämlich das antragsprinzip eingeführt worden: danach werden leistungen aus der gesetzlichen rentenversicherung grundsätzlich nur auf antrag erbracht. erst der rentenantrag löst regelmäßig das verwaltungsverfahren aus. der rentenantrag ist dabei auch für den rentenbeginn nach § 99 sgb vi maßgeblich. danach wird eine rente aus eigener versicherung von dem kalendermonat an geleistet, zu dessen beginn die anspruchsvoraussetzungen für die rente erfüllt sind, wenn die rente bis zum ende des 3. kalendermonats nach ablauf des monats beantragt wird, in dem die anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, § 99 absatz 1 satz 1 sgb vi. bei späterer antragstellung wird eine rente aus eigener versicherung von dem kalendermonat an geleistet, in dem die rente beantragt wird ( § 99 absatz 1 satz 2 sgb vi). 32§ 99 absatz 1 satz 2 sgb vi gestaltet einen materiell-rechtlichen, die fälligen und ab dem 01.01.1992 entstandenen einzelansprüche aus einem recht auf regelaltersrente vernichtenden einwand aus. dieser greift dann platz, wenn der antrag mehr als drei kalendermonate nach ablauf des monats gestellt wird, in dem das recht auf rente entstanden ist (bsg, urteil vom 02.08.2000, b 4 ra 54/99 r, sozr 3 2600 § 99 nr. 5 (rdnr. 17)). nachdem die klägerin die anspruchsvoraussetzungen für eine regelaltersrente nach § 35 sgb vi und nach maßgabe des zrbg mit (dem rückwirkenden) inkrafttreten des zrbg zum 01.07.1997 erfüllt hatte, war der dritte kalendermonat nach ablauf dieses monats der oktober 1997. da aber nach § 99 absatz 1 satz 2 sgb vi bei späterer antragstellung eine rente aus eigener versicherung erst vom antragsmonat an geleistet wird, war rente ab dem 01.12.2009 zu leisten. in diesem zusammenhang kommt als maßgeblicher antrag auch allein der antrag der klägerin vom 23.12.2009 in betracht. 33die klägerin kann sich in diesem zusammnhang weder auf ihren früheren antrag vom 04.12.1998 noch auf den im jahr 1984 in israel gestellten antrag auf gewährung einer altersrente berufen. 34sie kann sich zunächst nicht auf ihren früheren antrag vom 04.12.1998 berufen. 35ihre erklärung vom 31.05.1999 "sehr geehrter herr, ersuche höflichst meine akte zu schließen, ich kann keine deutschprüfung machen, weil ich die sprache nicht beherrsche" ist im rahmen einer verständigen würdigung gemäß §§ 133, 157 des bürgerlichen gesetzbuchs (bgb) nämlich als rücknahme des antrags zu verstehen. bereits ohne die einbeziehung zusätzlicher gesichtspunkte kommt im deutschen der begrifflichkeit des (ab)schließens eines vorgangs, eines kapitels etc. (der begriff des "schließens der akte" ist hier eher unüblich) eine endgültige bedeutung zu. in der englischen sprache ist die wörtliche übersetzung "to close a file"- insbesondere in medienberichten zu rechtlichen fragestellungen - deutlich gebräuchlicher und wird in zusammenhang mit dem abschluss eines verfahrens gebraucht. 36auch die würdigung des zusammenhangs, in dem die klägerin ihre erklärung vom 04.12.1998 abgegeben hat, spricht für deren wertung als rücknahme. die beklagte hatte die klägerin nach ihrer antragstellung von ihr auszufüllende vordrucke übersandt. die anspruchsvoraussetzungen für eine mögliche altersrente der klägerin im jahre 1998 bestimmten sich nach den vorschriften des fremdrentengesetzes (frg) und nach dem gesetz zur regelung der wiedergutmachung nationalsozialistischen unrechts in der sozialversicherung (wgsvg). die vorschriften der §§ 17a frg und 20 wgsvg knüpften aber ausdrücklich an eine zugehörigkeit zum deutschen sprach- und kulturkreis an. es ist davon auszugehen, dass auch in den der klägerin von der beklagten übersandten vordrucken fragen zum kulturellen hintergrund der klägerin, ihrem sprachgebrauch und ihren sprachkenntnissen gestellt worden sind und dass die klägerin im hinblick auf die von ihr angenommenen fehlenden deutschen sprachkenntnisse von der erfolgslosigkeit ihres begehrens ausgegangen ist. für die würdigung der erklärung als rücknahme und nicht als bloßen antrag auf ruhen des verfahrens spricht auch, dass die klägerin sich bis zur erneuten antragstellung im jahr 2009 nicht mehr bei der beklagten gemeldet hat. 37auf einen israelischen rentenantrag kann die klägerin sich ebenfalls nicht berufen. zwar hat das bundessozialgericht mit urteil vom 19.04.2011 - b 13 r 20/10r - juris - (die entscheidung des senats vom 12.02.2010, l 14 r 3/08 - juris - bestätigend) entschieden, dass ein in israel gestellter antrag auf altersrente gemäß art.27 abs.2 s.1 des abkommens zwischen der bundesrepublik deutschland und dem staat israel über soziale sicherheit ( israel sozsich) auch für die deutsche altersrente zu berücksichtigen ist. der israelische antrag gilt -sowohl formell als auch materiell- zugleich als antrag auf "entsprechende leistung" nach deutschem recht (bsg, urteil vom 19.04.2011 - b 13 r 20/10 r - juris - (rdnr.19)). 38die rücknahmeerklärung der klägerin vom 31.05.1999 erfasst jedoch auch den israelischen rentenantrag, soweit dieser sich auf die gewährung einer deutschen altersrente bezog, weil insoweit ein identischer streitgegenstand vorliegt. 39das bsg hat in dem urteil b 13 r 20/10 r (juris (rdnr.19)) ausgeführt, dass art. 27 abs.2 s.2 abk israel sozsich eine antragsfiktion bewirkt, die keine ausdrückliche geltendmachung deutscher versicherungszeiten, keine übermittlung des israelischen antrags an den versicherungsträger und keine tatsächliche kenntnis des deutschen rentenversicherungsträgers voraussetzt. der antragsteller soll damit von der mühe einer doppelten antragstellung entbunden werden. die antragsgleichstellung bewirkt die "automatische" erstreckung eines antrags auf leistung in einem vertragsstaat auf die entsprechende leistung in dem anderen vertragsstaat (bsg, wie vor juris - (rdnr.23)). aufgrund der automatischen funktion als deutscher rentenantrag war der gegenstand des israelischen antrags mit dem gegenstand des antrags der klägerin vom 04.12.1998 identisch, soweit ersterer sich auf die eine mögliche altersrente bezog. die aufspaltung dieses streitgegenstands ist unter berücksichtigung der ausführungen im urteil des bsg - b 13 r 20/10 r - und insbesondere des urteils vom 07.02.2012- b 13 r 40/11 r - juris-, dessen betrachtung der senat sich anschließt - nicht möglich. 40das bsg hat sich in dem urteil b 13 r 40/11 r unter anderem mit der frage befasst, wie sich die bestandskräftige entscheidung über einen deutschen altersrentenantrag auf einen bereits zuvor gestellten israelischen antrag auswirkt. hierzu führt es aus (juris, rdnr.34): "ob die klägerin vor dem 30.6.2003 weitere rentenanträge zb bei einem israelischen versicherungsträger (mit wirkung für die deutsche gesetzliche rentenversicherung: s hierzu senatsurteil vom 19.4.2011 - b 13 r 20/10 r - zur veröffentlichung in sozr 4-6480 art 27 nr 1 vorgesehen) gestellt hat, kann im vorliegenden verfahren dahingestellt bleiben. denn solche anträge hätten sich auch dann mit erlass des bescheids der beklagten vom 19.11.2004 erledigt, wenn sie der beklagten nicht bekannt waren. denn dieser bescheid ist mit eintritt seiner bestandskraft nach § 77 sgg "in der sache" bindend geworden (vgl zur bindungswirkung bestandskräftiger verwaltungsakte bereits bsg vom 21.9.1962 - bsge 18, 22, 26 = sozr nr 35 zu § 77 sgg). nach der rücknahme des ablehnungsbescheids vom 19.11.2004 nach § 44 sgb x ist daher auch insoweit die rückwirkende rentenzahlung durch § 44 abs 4 sgb x beschränkt." 41dieser rechtsauffassung schließt der erkennende senat sich vollumfänglich an. 42diese doppelwirkung in der "sache" muss nach dem vorstehenden auch hinsichtlich der wirkung der rücknahme der klägerin für den israelischen rentenantrag gelten. sofern man die möglichkeit der aufspaltung der "einheitlichen" sache im rahmen einer sie erfassenden entscheidung verneint, kann diese möglichkeit auch bei einer auf "die sache" bezogenen rücknahme nämlich nicht angenommen werden. 43der aus § 99 sgb vi resultierende rentenbeginn am 01.11.2009 erfährt durch § 3 absatz 1 satz 1 zrbg keine änderung. nach dieser vorschrift gilt (nur) ein bis zum 30.06.2003 gestellter antrag auf rente aus der gesetzlichen rentenversicherung als am 18.06.1997 gestellt. wurde der antrag bis zum 30.06.2003 gestellt, wird durch § 3 absatz 1 satz 2 zrbg das antragsdatum fiktiv auf den 18.06.1997 festgesetzt. damit wurden jene berechtigten, die durch die verkündung des zrbg am 27.06.2002 davon kenntnis erlangten und sich aufgrund dieses gesetzes binnen gut einen jahres nach seiner verkündung zu einem antrag auf rente aus der gesetzlichen rentenversicherung veranlasst sahen, so behandelt, als hätten sie den antrag bereits am tage des bsg-urteils (vom 18.06.1997, 5 rj 66/95, bsge 80, 250) über die rentenversicherungsrechtliche behandlung von beschäftigungen in einem ghetto gestellt (vgl. bsg, urteil vom 03.05.2005, b 13 rj 34/04 r, bsge 94, 294 (rdnr. 29)). dass bereits 65-jährige berechtigte mit erfüllter wartezeit aufgrund des rückwirkenden inkrafttretens des zrbg vom 20.06.2002 zum 01.07.1997 trotz erst am 27.06.2002 erfolgter verkündung des zrbg und damit erstmalig gegebener möglichkeit zur kenntnisnahme dieses gesetzes einen antrag bis spätestens oktober 1997 hätten stellen müssen, um die zwingende folge eines anspruchsverlusts nach § 99 absatz 1 sätze 1 und 2 sgb vi zu vermeiden, wurde durch § 3 absatz 1 satz 1 zrbg modifiziert. die vorschrift regelt nämlich nicht selbst unmittelbar den rentenbeginn, sondern fingiert lediglich den maßgeblichen zeitpunkt der antragstellung (bsg, urteil vom 07.02.2012, b 13 r 40/11 r, bsge 110, 97 (rdnr. 22 m.w.n.)). 44die amtliche überschrift des § 3 absatz 1 zrbg ("besonderheiten beim rentenbeginn") verdeutlicht dabei, dass die regelung nicht selbst den rentenbeginn für "renten aus beschäftigungen in einem ghetto" festlegt, sondern lediglich besonderheiten hinsichtlich eines einzelnen für den rentenbeginn nach § 99 sgb vi bedeutsamen umstandes - des zeitpunktes der antragstellung - normiert. dies geht auch aus der regelung des § 1 absatz 2 zrbg hervor, wonach dieses gesetz "die rentenrechtlichen vorschriften des gesetzes zur regelung der wiedergutmachung nationalsozialistischen unrechts in der sozialversicherung" (wgsvg) ergänzt. nach § 7 wgsvg ergänzen jedoch wiederum diese vorschriften "zugunsten von verfolgten die allgemein anzuwendenden vorschriften des sechsten buches sozialgesetzbuch". 45dem aus § 99 sgb vi resultierenden rentenbeginn am 01.11.2009 steht nicht entgegen, dass die klägerin möglicherweise von der frist des § 99 absatz 1 satz 1 sgb vi und vom rückwirkenden inkrafttreten des am 27.06.2002 veröffentlichten zrbg zum 01.07.1997 keine kenntnis hatte. eine wiedereinsetzung in den vorigen stand gemäß § 27 absatz 1 satz 1 sgb x kann ihr nicht zugebilligt werden. zwar ist eine solche wiedereinsetzung grundsätzlich auch bei versäumung einer frist des materiellen sozialrechts zulässig, wenn die betreffende regelung dies ausdrücklich bestimmt oder ihre auslegung dies ergibt (bsg, urteile vom 25.10.1988, 12 rk 22/87, bsge 64, 153 ff.; vom 21.05.1996, 12 rk 43/95, sozr 3 5070 § 21 nr. 3; vom 22.10.1996, 13 rj 23/95, bsge 79, 168 ff.). ob danach eine wiedereinsetzung bei versäumung der dreimonatsfrist des § 99 absatz 1 satz 1 sgb vi, der eine wiedereinsetzung nicht ausdrücklich vorsieht, im wege der auslegung zulässig wäre, kann indes offenbleiben (so auch bsg, urteil vom 22.10.1996, a.a.o.). denn gemäß § 27 absatz 3 sgb x kann nach ablauf eines jahres seit dem ende der versäumten frist (hier oktober 1997) die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden oder die versäumte handlung - hier antrag auf regelaltersrente - nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor ablauf der jahresfrist infolge höherer gewalt unmöglich war. dafür, dass die klägerin bis zum ablauf des oktober 1998 durch höhere gewalt an der rechtzeitigen antragstellung gehindert gewesen sein soll, ist nichts ersichtlich. wegen nichteinhaltung der jahresfrist konnte ein allenfalls erstmalig für den 23.12.2009 anzunehmender antrag auf wiedereinsetzung nicht zu einer solchen führen. hinzu kommt, dass die klägerin auch bei bestehender unkenntnis der fristen-regelung des § 99 absatz 1 satz 1 sgb vi nicht im sinne des § 27 absatz 1 sgb x ohne ihr verschulden gehindert war, diese frist einzuhalten, weil sich dies aus dem grundsatz der formellen publizität bei der verkündung von gesetzen ergibt. danach gelten gesetze mit ihrer verkündung im bundesgesetzblatt allen normadressaten als bekannt, ohne rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich davon kenntnis erhalten haben (bsg, urteil vom 21.06.1990, 12 rk 27/88, bsge 67, 90 ff.); dieser grundsatz ist auch für die beantwortung der frage bedeutsam, welche gründe eine etwa zulässige wiedereinsetzung rechtfertigen können und ob dazu auch die unkenntnis von dem recht und der befristung seiner ausübung geeignet ist (bsg, urteil vom 09.02.1993, 12 rk 28/92, bsge 72, 80 ff.). eine unkenntnis solcher rechte, deren befristete ausübung im gesetz selbst ausdrücklich geregelt ist, kann eine wiedereinsetzung nicht rechtfertigen (bsg, urteile vom 21.05.1996 und 22.10.1996, a.a.o.). 46da eine etwaige rechtsunkenntnis der klägerin über die frist des § 99 sgb vi eine wiedereinsetzung nicht begründen kann, scheidet auch eine nachsichtgewährung aus, falls für sie bei einer grundsätzlichen anwendung der wiedereinsetzung auch auf fristen des materiellen sozialrechts überhaupt noch raum sein sollte (vgl. bsg, urteil vom 27.09.1983, 12 rk 7/82, sozr 5750 art. 2 § 51a nr. 55). 47ein früherer rentenbeginn als zum 01.12.2009 ist der klägerin auch nicht aufgrund einer entstehung des stammrechts auf altersruhegeld bereits vor 1992 einzuräumen. in einem solchen fall wäre noch eine geltung der reichsversicherungsordnung (rvo) beziehungsweise des angestelltenversicherungsgesetzes (avg) anzunehmen. die klägerin unterläge in einem solchen fall nicht dem antragseinwand des § 99 abs.1 sgb vi. eine entsprechende entstehung des stammrechts ist aber nicht gegeben. 48zwar ist die klägerin am 22.03.1924 geboren und hat demnach am 22.03.1989 das 65. lebensjahr vollendet. zu diesem zeitpunkt galten noch die erst ab dem 01.01.1992 durch das sgb vi abgelösten vorschriften der rvo beziehungsweise des avg , die eine antragstellung als leistungsvoraussetzung für ein altersruhegeld nur bei einem vorzeitigen altersruhegeld (§§ 1248 absätze 1 bis 3 und 1290 absatz 1 satz 2 rvo; §§ 25 absätze 1 bis 3 und 67 absatz 1 satz 2 avg), ansonsten beim altersruhegeld aber nicht vorsahen (§ 1248 absatz 5 rvo, § 25 absatz 5 avg). auch erwarben hiernach versicherte mit vollendung des 65. lebensjahres kraft gesetzes ein eigentumsrechtlich geschütztes vollrecht auf regelaltersrente, wobei der antragseinwand des § 99 sgb vi nicht gilt, wenn das recht auf regelaltersrente bereits vor dem 01.01.1992 entstanden ist(bsg, urteil vom 02.08.2000, b 4 ra 54/99 r, sozr 3 2600 § 99 nr. 5). ein bereits unter der geltung der rvo beziehungsweise des avg entstandener anspruch auf altersruhegeld entfällt schließlich auch nicht nachträglich auf grund des mit dem sgb vi ab dem 01.01.1992 eingeführten antragserfordernisses (bsg, urteil vom 08.1.2005, b 13 rj 41/04 r, bsge 95, 300). 49vorliegend ist aber ein stammrecht der klägerin auf - antragsfreies - altersruhegeld unter geltung der rvo beziehungsweise des avg nicht bereits spätestens bis zum 31.12.1991 entstanden, so dass ein solches auch nicht mit dem inkrafttreten des zrbg zum 01.07.1997 zahlbar gemacht werden kann; vielmehr richtet sich ihr anspruch auf rente wegen vollendung des 65. lebensjahres nach den vorschriften des sgb vi und des zrbg und unterliegt daher auch dem antragseinwand des § 99 sgb vi. zum zeitpunkt der vollendung ihres 65. lebensjahres am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 erfüllte die klägerin nämlich nicht die allgemeine wartezeit (versicherungszeit von 60 kalendermonaten). dies ist aber voraussetzung für einen anspruch auf altersruhegeld nach §§ 1248 absatz 5 rvo, 25 absatz 5 avg. 50gemäß § 1249 satz 1 rvo wurden auf die wartezeit für das altersruhegeld die ab dem 01.01.1924 zurückgelegten versicherungszeiten angerechnet; anrechnungsfähig waren dabei gemäß § 1250 absatz 1 rvo zeiten, für die nach bundesrecht oder früheren vorschriften der reichsgesetzlichen invalidenversicherung beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet galten (beitragszeiten), zeiten ohne beitragsleistung nach § 1251 rvo (ersatzzeiten) und zeiten der kindererziehung vor dem 01.01.1986 nach § 1251a rvo, wobei gemäß § 1251 absatz 2 satz 1 rvo die in § 1251 absatz 1 rvo aufgeführten zeiten als ersatzzeiten für die erfüllung der wartezeiten angerechnet wurden, wenn eine versicherung vorher bestanden hatte und während der ersatzzeit versicherungspflicht nicht bestanden hatte; insofern musste zumindest ein beitragsmonat vorhanden sein, um mit ersatzzeiten die allgemeine wartezeit zu erfüllen. entsprechende regelungen sah auch das avg vor. 51im zeitpunkt der vollendung ihres 65. lebensjahres am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 hatte die klägerin solche auf die allgemeine wartezeit anrechnungsfähigen zeiten zur deutschen rentenversicherung nicht zurückgelegt. 52nach den nicht zu beanstandenden feststellungen im rentenbescheid der beklagten sind der klägerin beitragszeiten nach dem zrbg vom 01.05.1942 bis zum 31.10.1942 sowie ersatzzeiten vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1949 anzurechnen. bei diesen zeiten handelt es sich nicht um auf die allgemeine wartezeit nach §§ 1250, 1251, 1251 a rvo bzw. den entsprechenden regelungen des avg anrechnungsfähige zeiten zur deutschen rentenversicherung. 53zwar konnten auch beschäftigungszeiten in einem ghetto bereits vor dem rückwirkenden inkrafttreten des zrbg zum 01.01.1997 beitragszeiten sein. dies traf insbesondere für das ghetto lodz zu, weil dort ab inkrafttreten der ostgebiete-verordnung vom 22.12.1941 zum 01.01.1942 das recht der rvo galt. solche zeiten hat die klägerin aufgrund ihres individuellen verfolgungsschicksals jedoch nicht zurückgelegt. vielmehr weist sie beschäftigungszeiten im ghetto oradea/ großwardein im damaligen ungarn vor. zwar ist die berücksichtigung einer ausgeübten beschäftigung in einem gebiet, in dem während des zweiten weltkrieges die rvo nicht galt, als gleichgestellte beitrags-/beschäftigungszeit nach §§ 15, 16 frg möglich, wodurch zugleich eine anrechnung von ersatzzeiten möglich würde. die berücksichtigung der von der klägerin im ghetto oradea/ großwardein ausgeübten beschäftigung nach §§ 15, 16 frg kommt aber nicht in betracht. hierfür wäre nämlich die zugehörigkeit der klägerin zum deutschen sprach- und kulturkreis erforderlich. dafür bestehen aber keine anhaltspunkte. vielmehr hat die klägerin im rahmen ihrer erklärung vom 31.05.1999 ausgeführt, dass sie die deutsche sprache nicht beherrscht. 54§ 15 frg sieht vor, dass beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen träger der gesetzlichen rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach bundesrecht zurückgelegten beitragszeiten gleichstehen; nach maßgabe des § 16 frg gilt entsprechendes für beschäftigungszeiten in vertreibungsgebieten. da die klägerin, soweit ersichtlich, nicht zu dem gemäß §§ 1, 17 a frg begünstigten personenkreis gehört (insbesondere liegen keine anhaltspunkte dafür vor, dass sie vertriebene im sinne von § 1 des bundesvertriebenengesetzes ist), könnte ihr insoweit noch die regelung des § 20 wgsvg zugutekommen, nach der bei anwendung des frg den anerkannten vertriebenen im sinne des bundesvertriebenengesetzes vertriebene verfolgte gleichstehen, die lediglich deswegen nicht als vertriebene anerkannt sind oder anerkannt werden können, weil sie sich nicht ausdrücklich zum deutschen volkstum bekannt haben. da § 20 absatz 1 satz 2 wgsvg auf § 19 absatz 2 buchstabe a halbsatz 2 wgsvg verweist, genügt es, soweit es auf die deutsche volkszugehörigkeit ankommt, dass verfolgte im zeitraum des verlassens des vertreibungsgebietes dem deutschen sprach- und kulturkreis angehört haben. eine solche zugehörigkeit der klägerin ist - wie vorab dargestellt - aber nicht erkennbar. 55die aufgrund der beitragsfiktion des § 2 absatz 1 zrbg anerkannten beitragszeiten der klägerin vom 01.05.1944 bis zum 31.05.1944 können nicht für die erfüllung der für einen anspruch auf altersruhegeld nach §§ 1248 absatz 5 rvo, 25 absatz 5 avg erforderlichen allgemeinen wartezeit herangezogen werden. diese sind nämlich erst mit inkrafttreten des zrbg rückwirkend zum 01.07.1997 entstanden und bestanden damit nicht bereits zum zeitpunkt der vollendung des 65. lebensjahres der klägerin am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991. nach § 2 absatz 1 zrbg gelten für die zeiten der beschäftigung von verfolgten in einem ghetto beiträge als gezahlt, und zwar für die berechnung der rente als beiträge nach den reichsversicherungsgesetzen für eine beschäftigung außerhalb des bundesgebietes sowie für die erbringung von leistungen ins ausland als beiträge für eine beschäftigung im bundesgebiet (ghetto-beitragszeiten). dabei ist die rechtliche wirkung von fiktiven beiträgen nach dem zrbg dieselbe wie die der tatsächlich zur deutschen rentenversicherung entrichteten und damit vergleichbar mit den im rahmen des frg gleichgestellten beiträgen (bsg, urteil vom 19.05.2009, b 5 r 14/08 r, bsge 103, 161). bei den personen, die wie die klägerin aufgrund gesetzlicher fiktion in die geltung der reichsversicherungsgesetze einbezogen worden sind, handelt es sich um "tatsächlich" (wenn auch nachträglich) versicherte im sinne der rentenversicherung. sie sind in bezug auf die nach dem zrbg anerkannten beitragszeiten nicht anders als diejenigen zu behandeln, für deren beschäftigung die reichsversicherungsgesetze galten, während sie sich innerhalb von deren territorialem geltungsbereich aufgehalten haben (bsg, urteil vom 19.05.2009, a.a.o.). trotz der durch die beitragsfiktion nach § 2 absatz 1 zrbg entstandenen nachträglichen versicherteneigenschaft reicht die fiktion dieser vorschrift nicht so weit, dass hierdurch die fiktive beitragszeit bereits mit vollendung des 65. lebensjahres im jahr 1989 als zurückgelegt und damit die allgemeine wartezeit zusammen mit den verfolgungsersatzzeiten zu diesem zeitpunkt als erfüllt gilt. hiergegen spricht die systematik der eine fiktionswirkung entfaltenden regelungen in §§ 2 und 3 zrbg, der wortlaut der vorschrift des § 3 absatz 2 zrbg sowie die gesetzesbegründung und der darin zum ausdruck kommende mutmaßliche wille des gesetzgebers. der senat verweist insoweit auf die entscheidungsgründe der beiden urteile des sozialgerichts lübeck vom 23.04.2013 (s 6 r 353/11- juris - (rdnr.26 bis 37)) und vom 24.04.2013 (s 45 r 675/11 - juris - (rdnr.26 bis 29) dazu anhängig b 13 r 10/13 r), denen er sich vollinhaltlich anschließt. 56allein durch die von der beklagten festgestellten ersatzzeiten der klägerin vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1949 konnte die klägerin auch nicht bereits zum zeitpunkt der vollendung ihres 65. lebensjahres am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 die für die erfüllung der für einen anspruch auf altersruhegeld nach §§ 1248 absatz 5 rvo, 25 absatz 5 avg erforderliche allgemeine wartezeit erfüllen. zeiten ohne beitragsleistung nach § 1251 rvo (ersatzzeiten) konnten gemäß § 1251 absatz 2 satz 1 rvo für die erfüllung der wartezeiten nur angerechnet werden, wenn eine versicherung vorher bestanden hatte und während der ersatzzeit versicherungspflicht nicht bestanden hatte. insofern musste zumindest ein beitragsmonat vorhanden sein, um mit ersatzzeiten die allgemeine wartezeit zu erfüllen. da, wie aufgezeigt, beitragszeiten der klägerin zum zeitpunkt der vollendung ihres 65. lebensjahres am 22.03.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 nicht bestanden, können auch die festgestellten ersatzzeiten vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1949 gemäß § 1251 absatz 2 satz 1 rvo nicht zur erfüllung der allgemeinen wartezeit angerechnet werden. 57ii. 58ein früherer rentenbeginn als zum 01.12.2009 kann der klägerin auch nicht aufgrund einer verlängerung der rentenantragsfrist entsprechend der von ihrem bevollmächtigten angeführten rechtsprechung des bundessozialgerichts zur verlängerung von nachentrichtungsfristen (urteile vom 01.12.1978, 12 rar 56/77, sozr 4100 § 141 e nr. 4; vom 12.10.1979, 12 rk 15/78, sozr 5070 § 10 a nr. 2; vom 24.10.1985, 12 rk 48/84, sozr 5070 § 10 a nr. 13; vom 26.06.1985, 12 rk 23/84 - juris -; vom 03.05.2005, b 13 rj 34/04 r, bsge 4 2600 § 306 nr. 1) eingeräumt werden. 59etwaige rechtsprechung zur verlängerung von nachentrichtungsfristen ist auf den vorliegenden fall schon dadurch nicht übertragbar, dass die antragstellung nach dem zrbg nicht an eine frist gebunden ist. die in § 3 des zrbg genannte frist bis zum 30.06.2003 führt lediglich zu einer fiktivverlegung des rentenantrags auf den 18.06.1997 (tag des bsg-urteils b 5 rj 66/95 (bsge 80, 250) über die rentenversicherungsrechtliche behandlung von beschäftigungen in einem ghetto). jedoch war und ist auch nach juni 2003 jederzeit die möglichkeit zur geltendmachung eines rentenanspruchs auf der grundlage des zrbg gegeben. 60auch im übrigen sind die diesbezüglich vom bevollmächtigten der klägerin genannten entscheidungen auf den vorliegenden fall nicht übertragbar. die entscheidung des 12. senats des bsg vom 12.10.1979 hatte keine verlängerung einer antragsfrist oder einer nachentrichtungsfrist zum inhalt. vielmehr erweiterte der 12. senat des bsg den unter § 10 a wgsvg fallenden personenkreis auch auf solche personen, die nach kriegsende nicht in den geltungsbereich des wgsvg zurückgekehrt waren, so dass auch diese die durch § 10 a wgsvg geregelte möglichkeit zur beitragsentrichtung längstens für die zeit bis zum 31.12.1955 nutzen konnten. ebenso wenig befasst sich die entscheidung des 13. senats des bsg vom 03.05.2005 mit der verlängerung einer antragsfrist oder einer nachentrichtungsfrist. vielmehr hat der 13. senat des bsg dort eine rechtsfortbildung zur schließung einer gesetzgeberischen lücke im zrbg dahingehend vorgenommen, dass die vorschrift des § 306 absatz 1 sgb vi für bestandsrentner, die bereits vor dem 18.06.1997 (= tag des bsg-urteils b 5 rj 66/95 (bsge 80, 250) über die rentenversicherungsrechtliche behandlung von beschäftigungen in einem ghetto) eine altersrente bezogen haben, und die vor dem 30.06.2003 einen antrag auf zahlung der rente unter bezugnahme auf das zrbg gestellt hatten, nicht nachteilig anzuwenden ist, und zwar aus gründen der gleichbehandlung. aus dem leitsatz des urteils des 12. senats vom 24.10.1985 ergibt sich wiederum der grund, warum hier eine ursprünglich (am 31.12.1975) bereits abgelaufene ausschlussfrist (zur nachentrichtung von beiträgen nach § 10 a absatz 2 wgsvg) neu zu eröffnen war (was dann unter bezugnahme auf die entscheidung vom 24.10.1985 erfolgte mit einer neueröffnung bis zum 31.12.1986). grund war nämlich, dass durch eine zuvor erfolgte rechtsprechung des bsg (vom 17.03.1981 bzw. 24.06.1981) eine gesetzeslücke in der form geschlossen wurde, als dass für einen weiteren personenkreis das nachentrichtungsrecht erstmals ermöglicht wurde. der entscheidung des 12. senats vom 01.12.1978 lag zugrunde, dass das bsg die frist des § 141 e absatz 1 satz 2 arbeitsförderungsgesetz für einen antrag auf konkursausfallgeld neu eröffnet hat, weil es insoweit eine planwidrige unvollständigkeit (lücke) im einführungsgesetz zum einkommenssteuergesetz von 1974 erkannt hat. in der entscheidung vom 26.06.1985 wiederum sah sich der 12. senat des bsg infolge seiner rechtsprechung vom 27.03.1980, dass in ausfüllung einer gesetzeslücke artikel 2 § 5 b angestelltenversicherungs-neuregelungsgesetzes auf vorstandsmitglieder von großen versicherungsvereinen auf gegenseitigkeit analog anzuwenden sei, veranlasst, die in dieser norm enthaltende befristung (31.12.1979) auf einen angemessenen zeitpunkt nach dem bekanntwerden seines urteils vom 27.03.1980 zu verschieben. 61der vorliegende sachverhalt unterscheidet sich von den vorgenannten konstellationen aber dadurch, dass die rechtsprechung des bsg zum zrbg vom 02. und 03. juni 2009 sich lediglich mit der auslegung unbestimmter rechtsbegriffe und damit mit der reinen auslegung eines gesetzes befasst hat. es hat aber nicht gesetzeslücken im wege richterlicher rechtsfortbildung geschlossen. 62darüber hinaus führt der - verspätete - antrag der klägerin nicht dazu, dass sie von einem rentenanspruch nach dem zrbg vollständig (und auf dauer) ausgeschlossen wird. die verspätung hat lediglich die folge einer nur eingeschränkten rückwirkung. dass im übrigen der 13. senat im urteil vom 03.05.2005 aus gründen der gleichbehandlung gemäß artikel 3 gg zur anwendbarkeit des zrbg auch für bestandsrentner gelangte (§ 306 sgb vi), vorliegend aber schon kein verstoß gegen artikel 3 gg erkennbar ist, obwohl die klägerin unter anwendung des § 99 sgb vi erst ab dem monat ihrer antragstellung eine regelaltersrente erhält, hat bereits das sozialgericht im angefochtenen urteil zutreffend dargelegt. die von ihr angenommene ungleichbehandlung zu anderen verfolgten mit früherem rentenbeginn ist durch den umstand gerechtfertigt, dass letztere auch zu einem früheren zeitpunkt rente beantragt haben. dies hätte die klägerin im gegensatz zu den klägern der vom bsg zu § 306 sgb vi entschiedenen fälle auch in der hand gehabt. 63iii.) 64die klägerin kann auch nicht verlangen, aufgrund eines sozialrechtlichen herstellungsanspruchs so behandelt zu werden, als hätte sie den antrag auf eine leistung aus der deutschen rentenversicherung spätestens bis zum 30.06.2003 gestellt, um wie entsprechend § 3 zrbg bereits ab dem 01.07.1997 in den genuss einer rente zu gelangen. ein sozialrechtlicher herstellungsanspruch, dessen rückwirkung zu einem frühesten rentenbeginn ab dem 01.01.2005 führen könnte (dazu 1.), steht der klägerin nicht zu. eine pflichtverletzung der beklagten, die diesbezügliche voraussetzung wäre, ist nämlich nicht festzustellen. auch die vom bevollmächtigten der klägerin zitierte rechtsprechung des bundessozialgerichts führt nicht zu einem anderen ergebnis (dazu 2.). 651. 66bei der hier vorliegenden erstfeststellung einer rente könnte einem sozialrechtlichen herstellungsanspruch der klägerin selbst für den fall seines vorliegens in entsprechender anwendung des § 44 absatz 4 sgb x rückwirkung nicht bis zum 01.07.1997, sondern nur bis zum 01.01.2005 zukommen. maßgeblich ist hier der (erstmalige/ allein zu berücksichtigende) antrag der klägerin auf rente aus der gesetzlichen rentenversicherung aus dem monat november 2010. die in § 44 absatz 4 sgb x für eine rückwirkende erbringung von sozialleistungen festgesetzte zeitliche grenze von vier jahren ist nämlich entsprechend anzuwenden, auch wenn die rückwirkende gewährung vorenthaltener leistungen auf einer erstfeststellung im rahmen eines sozialrechtlichen herstellungsanspruchs beruht (urteil des erkennenden senats vom 24.05.2013, l 14 r 432/12 -juris -; dazu anhängig b 13 r 23/13 r). 672. 68der klägerin steht ein sozialrechtlicher herstellungsanspruch mit der folge eines frühest- möglichen rentenbeginns ab dem 01.01.2005 nicht zu (dazu a.). die von ihrem bevollmächtigten angesprochenen urteile des bundessozialgerichts erfassen die hier vorliegende konstellation nicht (dazu b.). 69a.) 70der von der rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche herstellungsanspruch ist auf die vornahme einer amtshandlung zur herstellung des zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der versicherungsträger entweder seine verpflichtung nach § 13 sgb i zur aufklärung der bevölkerung über ihre sozialen rechte durch unrichtige oder missverständliche allgemeininformationen (bsg, urteile vom 16.12.1993, 13 rj 19/92, sozr 3 1200 § 14 nr. 12 und vom 23.05.1996, 13 rj 17/95, sozr 3 5750 art. 2 § 6 nr. 15) oder die ihm aufgrund eines gesetzes oder konkreten sozialrechtsverhältnisses dem versicherten gegenüber erwachsenden haupt- oder nebenpflichten, insbesondere zur beratung, zur auskunft und zu hinweisen nach §§ 14 und 15 sowie 115 absatz 6 sgb vi, nicht verletzt hätte (ständige rechtsprechung, vgl. urteile des bsg vom 16.12.1993, 13 rj 19/92, sozr 3-1200 § 14 nr 12 m.w.n. und vom 25.01.1996, 7 rar 60/94, sozr 3-3200 § 86a nr 2). voraussetzung ist weiter, dass die verletzte pflicht dem sozialleistungsträger gerade gegenüber dem versicherten oblag, diesem also ein entsprechendes subjektives recht einräumt, dass die objektiv rechtswidrige pflichtverletzung zumindest gleichwertig (neben anderen bedingungen) einen nachteil des versicherten bewirkt hat und dass die verletzte pflicht darauf gerichtet war, den betroffenen gerade vor den eingetretenen nachteilen zu bewahren (schutzzweckzusammenhang). schließlich muss der durch das pflichtwidrige verwaltungshandeln eingetretene nachteil durch eine zulässige amtshandlung beseitigt werden können, das heißt die korrektur durch den herstellungsanspruch darf dem jeweiligen gesetzeszweck nicht widersprechen. 71die beklagte hat weder im rahmen ihrer verpflichtung nach § 13 sgb i zur aufklärung der bevölkerung über deren sozialen rechte diese unrichtig oder missverständlich informiert (dazu aa.) noch hat sie ihr aufgrund eines gesetzes oder konkreten sozialrechtsverhältnisses gegenüber der klägerin obliegende und dieser ein entsprechendes subjektives recht einräumende haupt- oder nebenpflichten, insbesondere zur beratung und auskunft nach §§ 14 und 15 sgb vi (dazu bb.) bzw. zum hinweis nach § 115 absatz 6 sgb vi (dazu cc.), verletzt. 72aa.) 73die klägerin kann einen sozialrechtlichen herstellungsanspruch nicht auf eine verletzung der allgemeinen aufklärungspflicht nach § 13 sgb i stützen. nach § 13 sgb i sind die leistungsträger, ihre verbände und die sonstigen im sgb genannten öffentlich-rechtlichen vereinigungen verpflichtet, im rahmen ihrer zuständigkeit die bevölkerung über ihre rechte und pflichten nach dem sgb aufzuklären. unter "aufklärung" ist dabei die allgemeine und abstrakte unterrichtung der bevölkerung, insbesondere aller von den sozialen rechten und pflichten möglicherweise betroffenen, die im einzelnen in der regel nicht bekannt sind, zu verstehen (vgl. hauck/haines, sgb i, k § 13 rdn. 5). diese aufklärungspflicht begründet nach der rechtsprechung des bsg regelmäßig kein subjektives recht des versicherten gegenüber dem versicherungsträger; aus ihrer verletzung erwächst dem betroffenen daher grundsätzlich kein herstellungsanspruch (bsg, urteil vom 21.06.1990, 12 rk 27/88, bsge 67, 90). etwas anderes gilt allerdings dann, wenn ein versicherungsträger eine unrichtige oder missverständliche allgemeininformation, z.b. in merkblättern oder broschüren, verbreitet hat und ein versicherter dadurch etwa von der rechtzeitigen ausübung eines gestaltungsrechts abgehalten worden ist (bsg, urteile vom 16.12.1993, 13 rj 19/92, sozr 3 1200 § 14 nr. 12 und vom 23.05.1996, 13 rj 17/95, sozr 3 5750 art. 2 § 6 nr. 15). dabei kann auch eine unrichtige information durch ausländische stellen dem deutschen rentenversicherungsträger, zumindest im sinne einer wesentlichen mitursache, zuzurechnen sein, wenn dieser die ausländischen verbindungsstellen seinerseits unzutreffend, etwa über bestehende antragsfristen, informiert hat (bsg, urteil vom 23.05.1996, a.a.o.). 74dass die beklagte vorliegend eine solche unrichtige oder missverständliche (allgemein-) information der bevölkerung in israel im hinblick auf das zrbg, auf etwaige antragsfristen oder zu den ghettos in ungarn erteilt oder den israelischen versicherungsträger entsprechend unrichtig informiert hätte, wäre allerdings von der klägerin darzulegen und nachzuweisen. 75im vorliegenden fall ist aber zunächst nicht erkennbar, dass die beklagte vor dem jahr 2009 eine allgemeininformation im hinblick auf den anwendungsbereich des zrbg herausgegeben hat. darüber hinaus ist die damalige rechtsauffassung der beklagten insbesondere zum entgeltbegriff des zrbg und zur anspruchsbegründenden qualität einer internierung in einem ghetto in ungarn auch nicht "unrichtig", weil sie in übereinstimmung mit der damaligen höchstrichterlichen rechtsprechung stand. 76das bundessozialgericht hat noch in seinem urteil vom 07.10.2004 - b13 rj 59/03 r- juris - ausgeführt, dass auch ein anspruch nach § 1 abs.1 zrbg nur gegeben sei, wenn die von der rechtsprechung aufgeführten kriterien der freiwilligkeit und entgeltlichkeit für eine versicherungspflichtige beschäftigung in einem ghetto erfüllt seien (rdnr.50). auch bei arbeiten, die unter den bedingungen der nationalsozialistischen gewaltherrschaft zustandegekommen seien, sei eine differenzierung zwischen einer sozialversicherungspflichtigen beschäftigung einerseits und einer nichtversicherten beschäftigung andererseits geboten (rdnr.44). das bsg hat mit diesem urteil das urteil des lsg nordrhein-westfalen vom 22.10.2003 - l 8 rj 90/01 - juris - geändert und im fall einer klägerin, die für die tätigkeit in einer militärkantine im ghetto lodz eine überdurchschnittliche verpflegung erhalten hatte, die merkmale der entgeltlichkeit, der versicherungspflicht und der freiwilligkeit abgelehnt. 77als entgelt gemäß § 1226 rvo a.f. i.v.m. § 160 rvo a.f. seien zunächst nur die gegenleistungen anzusehen, die zum umfang und der art der geleisteten arbeit noch in einem angemessenen verhältnis stünden (rdnr.38). obwohl auch freier unterhalt grundsätzlich dem begriff des entgelts unterfallen könne, sei eine beschäftigung für die nur freiwilliger unterhalt gewährt worden sei, gemäß § 1227 rvo a.f. nicht versicherungspflichtig gewesen. als freier unterhalt sei dasjenige maß von wirtschaftsgütern anzusehen, das zur unmittelbaren befriedigung der notwendigen lebensbedürfnisse des arbeitnehmers erforderlich sei, nicht aber das, was darüber hinausgehe (rdnr.36-38). zudem hat das bsg aufgrund des umstandes, dass die klägerin die arbeit vom jüdischen komitee zugewiesen bekommen habe, keine freiwilligkeit der von ihr geleisteten arbeit angenommen. 78noch mit beschluss vom 22.03.2007 - b 5 r 16/07 b - juris - hat das bsg eine nichtzulassungsbeschwerde mit der begründung zurückgewiesen, dass ein anspruch nach § 1 abs.1 s.1 nr.1 zrbg die freiwilligkeit und entgeltlichkeit der beschäftigung voraussetze und damit an die von der rechtsprechung aufgestellten kriterien für eine versicherungspflichtige beschäftigung in einem ghetto anknüpfe und diese rechtsfrage als geklärt anzusehen sei. 79inwiefern die in den jahren 2003 und 2004 vorherrschende annahme der beklagten, dass die in einem ungarischen ghetto ausgeübte tätigkeit nicht anspruchsbegründend im sinne von § 1 abs.1 s.1 nr.1 zrbg sei, bedarf keiner weiteren klärung. 80die beklagte hat ausweislich der begründungen der vom klägerbevollmächtigten zum ebenfalls am 25.10.2013 vor dem senat verhandelten verfahren l 14 r 317/13 übersandten anonymisierten bescheide aus verfahren mit parallelproblematik ihre ablehnung nämlich darauf gestützt, dass sie aufgrund der späten besetzung ungarns durch die deutsche wehrmacht am 19.03.1944, der einrichtung von ghettos erst ab dem 16.04.1944 und dem nur kurzen bestand dieser ghettos von etwa sechs wochen arbeitsverhältnisse, die von den merkmalen der "freiwilligkeit" und "entgeltlichkeit" nach den vorab dargestellten maßstäben geprägt waren, grundsätzlich nicht als glaubhaft gemacht ansah. die in den jahren 2003 und 2004 vorherrschende betrachtung der beklagten ist mithin untrennbar mit den zum damaligen zeitpunkt von der rechtsprechung vertretenen anforderungen an die begriffe von freiwilligkeit und entgeltlichkeit verknüpft. angaben, die die beklagte zur annahme einer freiwilligen und entgeltlichen tätigkeit der klägerin nach den im jahr 2003 angenommenen maßstäben veranlassen mussten, hat auch die klägerin des vorliegenden verfahrens nicht gemacht. 81überdies stellen die vorgenannten bescheidungen in parallelfällen jedenfalls aufgrund ihrer bloßen inter - partes - wirkung keine allgemeininformation im sinne von § 13 sgb i dar. auch ansonsten sind fehlerhaft erfolgte allgemeininformationen der israelischen bevölkerung oder des israelischen versicherungsträgers durch die beklagte zum zrbg, zu etwaigen antragsfristen und insbesondere zu den ghettos in ungarn sowie deren zugang bei der klägerin dem senat nicht bekannt. im übrigen geht der senat von einem erheblichen bekanntheitsgrad des zrbg und bestehender antragsfristen in der israelischen bevölkerung auch bereits für die zeit bis (zu dem für § 3 zrbg maßgeblichen zeitpunkt) juni 2003 beziehungsweise für die zeit bis (zur "rechtsprechungswende" des bsg) 2009 aus, weil dies die bereits bis dahin gestellten sehr zahlreichen anträge nach diesem gesetz widerspiegeln. 82bb.) 83durch die vom bevollmächtigten der klägerin gerügte restriktive verwaltungspraxis beziehungsweise auslegung des zrbg hat die beklagte der klägerin gegenüber auch keine pflichten zur individuellen beratung nach § 14 sgb i oder zur individuellen auskunft nach § 15 sgb i verletzt. 84zunächst liegt keine fehlerhafte auskunft oder beratung der beklagten gegenüber der klägerin vor. wie das sozialgericht im angefochtenen urteil zutreffend ausgeführt hat (und wie unter aa.) ausgeführt wurde), liegt in der früheren restriktiven auslegungspraxis des zrbg durch die beklagte schon deshalb keine pflichtverletzung, weil sich die beklagte hierbei auf die damalige höchstrichterliche rechtsprechung gestützt hat. zudem hat die beklagte hierdurch nicht gegenüber der klägerin gehandelt, weil sich die verwaltungspraxis nur auf beschiedene parallelfälle anderer antragsteller mit allenfalls ähnlicher fallgestaltung bezogen hat und daher nur zwischen diesen inter- partes- wirkung entfaltet. zudem wäre, wie das sozialgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, auch kein kausaler nachteil zu einer unterstellten pflichtverletzung zu erkennen, weil zahlreiche andere antragsteller, die ebenfalls beitragszeiten nach dem zrbg geltend gemacht haben, durch das erfordernis eines versicherungspflichtigen entgelts und einer "freiwilligen" beschäftigungsaufnahme auch in der zeit bis 2009 nicht davon abgehalten worden sind, ihren rentenantrag zu stellen und dessen ablehnung gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen. 85der beklagten ist weiter nicht vorzuwerfen, dass sie eine beratung oder auskunft gegenüber der klägerin pflichtwidrig nicht vorgenommen hat. eine solche verpflichtung der beklagten bestand nicht. 86voraussetzung für das entstehen einer beratungspflicht nach § 14 sgb i ist ein beratungsbegehren oder zumindest ein konkreter anlass zur beratung (bsg, urteile vom 21.03.1990, 7 rar 36/88, bsge 66, 258, vom 16.12.1993, 13 rj 19/92, a.a.o. und vom 16.06.1994, 13 rj 25/93, sozr 3-1200 § 14 nr. 15); für eine auskunftspflicht im sinne des § 15 sgb i ist es ebenfalls erforderlich, dass ein entsprechender informationsbedarf der versicherten für den zuständigen versicherungsträger oder eine andere auskunftspflichtige stelle offen zu tage tritt (bsg, urteil vom 28.09.1976, 3 rk 7/76, bsge 42, 224). im rahmen ihrer beratungspflicht nach § 14 sgb i beziehungsweise ihrer auskunftspflicht nach § 15 sgb i §§ 14 und 15 sgb i hat die beklagte nicht die pflicht, all diejenigen möglicherweise anspruchsberechtigten erst noch zu ermitteln, die in absehbarer zeit anspruch auf rente haben könnten, um sie über die voraussetzungen der rentengewährung zu informieren. 87im vorliegenden fall scheidet nach diesen maßgaben das entstehen einer beratungspflicht aus. vor dem neuantrag am 23.12.2009 (und damit auch vor der rücknahme des erstantrags der klägerin am 31.05.1999) war für die beklagte aufgrund der fehlenden angaben der klägerin über ihre internierung im ghetto (ort des ghettos, ausgeführte arbeit etc.) nämlich nicht einmal erkennbar, in welcher weise ein informationsbedarf der klägerin entstehen konnte. zudem bestand nach der rücknahme des antrags der klägerin am 31.05.1999 zwischen den beteiligten keinerlei kontakt mehr. es war für die beklagte in keiner weise ersichtlich, dass die klägerin noch an der durchsetzung des von ihr geltend gemachten anspruchs festhalten wollte. 88anhaltspunkte für einen der beklagten zuzurechnenden beratungsfehler des israelischen sozialversicherungsträgers bestehen nicht (zu den voraussetzungen landessozialgericht berlin, urteil vom 15.07.1986, l 2 an 135/85 - juris - und bsg, urteil vom 22.02.1989, 5 rj 42/88 sozr 6961 § 7 nr. 2; anders bsg, urteile vom 21.06.1990, 12 rk 27/88, bsge 67, 90 und vom 23.05.1996, b 13 rj 17/95, sozr 3 5750 artikel 2 § 6 nr. 15, wenn der deutsche rentenversicherungsträger die ausländische verbindungsstelle unzutreffend informiert hat und diese dann ihrerseits den versicherten unrichtig informiert). 89cc.) 90auf eine verletzung der hinweispflicht nach § 115 absatz 6 satz 1 sgb vi kann die klägerin ihren herstellungsanspruch ebenfalls nicht stützen. ein sozialrechtlicher herstellungsanspruch ist zwar nicht auf die verletzung der pflichten aus §§ 14, 15 sgb i beschränkt, sondern kommt auch bei andersartiger fehl- oder nichtinformation der versicherten in betracht (bsg, urteil vom 08.11.1995, 13 rj 5/95, sozr 3 2600 § 300 nr. 5). als pflicht, deren verletzung grundsätzlich geeignet ist, einen sozialrechtlichen herstellungsanspruch zu begründen, kommt insofern auch die aus § 115 absatz 6 satz 1 sgb vi resultierende hinweispflicht in betracht. nach dieser vorschrift sollen die träger der rentenversicherung die berechtigten in geeigneten fällen darauf hinweisen, dass sie eine leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen; die rentenversicherungsträger können dabei in gemeinsamen richtlinien bestimmen, unter welchen voraussetzungen solche hinweise erfolgen sollen (satz 2 a.a.o). sinn und zweck des § 115 absatz 6 sgb vi ist es, die nicht ausreichend informierten vor nachteilen aus dem antragsprinzip zu bewahren (hauck/haines, sgb vi-kommentar, § 115, rdnr. 12; gemeinschaftskommentar-sgb vi / meyer, § 115, rdnr. 4). die vorschrift wurde durch das rentenreformgesetz 1992 zugleich mit § 99 sgb vi eingeführt, in dem die auswirkung des antragszeitpunktes auf den rentenbeginn bestimmt wird. da durch § 99 sgb vi gravierendere folgen an die antragstellung beziehungsweise deren zeitpunkt geknüpft werden als nach dem altem recht der rvo, ist als korrektiv hierfür die regelung des § 115 absatz 6 sgb vi vorgesehen. die beklagte war im vorliegenden fall aber nicht verpflichtet, der klägerin einen hinweis auf die möglichkeit des bezugs eines altersrente und auf den bei überschreitung der frist des § 99 absatz 1 satz 1 sgb vi eintretenden anspruchsverlust zu erteilen. die verpflichtung der beklagten zur hinweiserteilung scheidet dabei zwar nicht bereits deshalb aus, weil die klägerin sich nicht rechtzeitig rat- oder auskunftsuchend an die beklagte gewandt hätte; denn für das entstehen einer verpflichtung des versicherungsträgers zur erteilung eines hinweises ist eine anfrage der versicherten nicht erforderlich (bsg, urteil vom 22.10.1996, 13 rj 23/95, bsge 79, 168). die adressaten derartiger hinweise (anders als etwa bei § 13 sgb i) müssen für den versicherungsträger aber konkret bestimmbar sein, weil die regelung den schutz der einzelnen bezweckt; nur so kann davon ausgegangen werden, dass diesen auch ein subjektives recht auf erteilung eines hinweises zustehen soll (hauck/haines, sgb vi-kommentar, § 115, rdnr. 13). 91unter berücksichtigung der ausführungen zu bb.) konnte eine entsprechende hinweispflicht der beklagten jedoch bereits deshalb nicht bestehen, weil der beklagten aufgrund der vor dem jahr 2009 völlig fehlenden informationen über die natur des aufenthalts der klägerin im ghetto überhaupt nicht erkennbar war, worauf die klägerin gegebenenfalls hinzuweisen war. dies gilt unabhängig davon, dass die rechtsauffassung der beklagten aus der ex-post-perspektive jedenfalls nicht unrichtig war. 92b.) 93zu einem anderen ergebnis gelangt man auch nicht unter berücksichtigung der vom prozessbevollmächtigten der klägerin angeführten entscheidungen des bsg (bsg, urteile vom 15.12.1983, 12 rk 6/83 - juris -; vom 21.06.1990, 12 rk 27/88, bsge 67, 90; vom 08.11.1995, 13 rj 5/95, sozr 3 2600 § 300 nr. 5), ohne dass es insoweit auf ein verschulden der beklagten ankomme (bsg, urteile vom 12.10.1979, 12 rk 47/77, bsge 49, 76; vom 09.05.1979, 9 rv 20/87, sozr 3100, § 44 nr. 11; vom 15.12.1983, 12 rk 6/83, - juris -; vom 28.02.1984, 12 rk 31/83, sozr 1200 § 14 nr. 16; vom 24.10.1985, 12 rk 48/84, sozr 5070 § 10 a nr. 13). 94diese entscheidungen haben nicht den ihnen vom bevollmächtigten zugesprochenen inhalt. sie sind insbesondere auf den vorliegenden fall nicht dahingehend übertragbar -, dass das für einen sozialrechtlichen herstellungsanspruch erforderliche fehlverhalten eines versicherungsträgers darin liegen kann, dass dieser bis zum zeitpunkt geänderter höchstrichterlicher rechtsprechung in größerer zahl negative bescheidungen erlassen hat, die aus der ex - post - sicht der geänderten höchstrichterlichen rechtsprechung seitdem nicht mehr haltbar erscheinen, und aufgrund derer berechtigte von einer antragstellung abgehalten worden sind oder sein könnten. vielmehr fordern (auch) die vom bevollmächtigten genannten entscheidungen des 12. senats des bsg für einen herstellungsanspruch, dass das gerügte verhalten - etwa eine fehlerhafte gesetzesanwendung - bereits im zeitpunkt der ausübung fehlerhaft gewesen sein muss, wozu die spätere erkenntnis der fehlerhaftigkeit aus der rückschau nicht ausreicht. dass diese anforderungen an den sozialrechtlichen herstellungsanspruch zu stellen sind, ist nicht nur den vom bevollmächtigten angeführten entscheidungen des 12. senats des bsg zu entnehmen. dies entspricht auch der rechtsprechung weiterer senate des bsg, so zum beispiel der rechtsprechung des 7. senats (urteil vom 25.01.1996, 7 rar 60/94, sozr 3 3200 § 86 a nr. 2), der ausgeführt hat, dass der leistungsträger, wenn seine - negative - auskunft über eventuelle leistungsansprüche im zeitpunkt ihrer erteilung der gesetzeslage und dem stand des eingeleiteten gesetzgebungsverfahrens entsprach, bei einer späteren, im zeitpunkt der auskunftserteilung nicht erkennbaren gesetzesänderung zugunsten des betroffenen nicht verpflichtet ist, den durch eine verspätete antragstellung bedingten nachteil im wege des sozialrechtlichen herstellungsanspruchs auszugleichen. dies entspricht auch der rechtsprechung des heute für das recht der rentenversicherung zuständigen 13. senats des bsg (urteil vom 08.11.1995,13 rj 5/95, sozr 3 2600 § 300 nr. 5), der ausgeführt hat, dass ein herstellungsanspruch nicht in betracht kommt, wenn die dem versicherten günstigen voraussetzungen erst später bekannt wurden oder nachgewiesen werden konnten. 95die in größerer zahl ergangenen negativen bescheidungen der beklagten bis zum jahr 2009 standen aber in einklang mit der bis zur "rechtsprechungswende" des bsg zum zrbg im jahr 2009 bestehenden damaligen höchstrichterlichen rechtsprechung, die die unbestimmten rechtsbegriffe des "entgelts" und des beschäftigungsverhältnisses "aus eigenem willensentschluss" restriktiv ausgelegt hatte (vgl. etwas urteil vom 07.10.2004, b 13 rj 59/03, bsge 93, 214, und beschluss vom 22.03.2007, b 5 r 16/07 b - juris -). dass erfolgsaussicht für die durchsetzung ihrer ansprüche für die klägerin erst aufgrund der urteile des bsg von juni 2009 bestand und vorher nicht, beruht somit nicht auf einem objektiven fehlverhalten der beklagten durch etwaige falschanwendung von gesetzen bzw. rechtsprechung im zeitpunkt der anwendung. aus dem gleichen grund führen auch die vom bevollmächtigten angeführten entscheidungen des bsg vom 12.10.1979, 09.05.1979, 15.12.1983, 28.02.1984 und 24.10.1985 (alle a.a.o.) nicht weiter, nach denen ein - hier nicht vorliegendes - im zeitpunkt der ausübung bereits objektiv fehlerhaftes verhalten der verwaltung, das einen herstellungsanspruch begründet, nicht subjektiv schuldhaft zu sein braucht. beim fehlen eines objektiven fehlverhaltens kommt es auf die frage der subjektiven vorwerfbarkeit nicht mehr an. deutlich wird dies insbesondere aus der vom bevollmächtigten angeführten entscheidung des bsg vom 12.10.1979 (12 rk 47/77), in der das bsg ausgeführt hat, dass der sozialrechtliche herstellungsanspruch auf seiten des versicherungsträgers grundsätzlich kein verschulden voraussetze, also (auch) bestehe, wenn der versicherungsträger im zeitpunkt der auskunftserteilung eine bereits damals objektiv unrichtige auskunft erteilt habe, er zu diesem zeitpunkt aber von der richtigkeit seiner rechtsansicht habe ausgehen dürfen. 96zusammenfassend ist daher festzustellen, dass zum einen wegen der verspäteten antragstellung eine der notwendigen anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt ist und zum anderen eine pflichtverletzung der beklagten nicht vorliegt, die eine ersetzung des nicht rechtzeitig gestellten antrags im rahmen des sozialrechtlichen herstellungsanspruchs ermöglichen könnte. 97iv. 98die von der klägerin erstrebte rechtsanwendung - gewährung einer altersrente auf der grundlage des zrbg bereits für die zeit ab dem 01.07.1997 trotz versäumung der antragsfrist des § 99 absatz 1 satz 1 sgb vi - ist schließlich auch unter berücksichtigung des sogenannten wiedergutmachungsgedankens nicht möglich. denn zugunsten der klägerin wirkt sich hier auch nicht der vom bundesgerichtshof (bgh) zum entschädigungsrecht entwickelte grundsatz aus, dass eine gesetzesauslegung, die möglich ist und dem ziel entspricht, das zugefügte unrecht so bald und so weit wie irgend möglich wiedergutzumachen, den vorzug gegenüber jeder anderen auslegung verdient, die die wiedergutmachung erschwert oder zunichte macht (urteile des bgh vom 26.02.1960, iv zr 255/59, rzw 1960, 262; vom 22.02.2011, ix zr 113/00, bgh report 2001, 372). zwar ist hiervon bei der auslegung einschlägiger vorschriften auch das bsg ausgegangen; der bevollmächtigte der klägerin hat die einschlägigen entscheidungen des bsg auch (in anderem zusammenhang) genannt (urteile vom 26.10.1976, 12/1 ra 81/75, sozr 5070 § 9 nr. 1; vom 12.10.1979, 12 rk 15/78, sozr 5070 § 10 a nr. 2; vom 28.02.1984, 12 rk 50/82, sozr 5070 § 9 nr. 7). dennoch führt dies hier nicht zu einem anderen ergebnis. der gesetzgeber hat mit dem zrbg zur wiedergutmachung erlittenen unrechts rentenzeiten, die mit in einem ghetto verrichteter arbeit erworben wurden, unabhängig von weiteren voraussetzungen (insbesondere nach dem frg) als regelaltersrente zahlbar gemacht. anders als etwa bei der zuerkennung eines festen entschädigungsbetrags handelt es sich damit bei den auf der grundlage des zrbg gezahlten leistungen um renten, die dem recht der gesetzlichen rentenversicherung nach dem sgb vi folgen. die aus dieser konzeption folgenden konsequenzen, wie etwa der verfall von rentenansprüchen für die vergangenheit bei versäumung der antragsfrist, treten aber bei allen renten gleichermaßen ein und widersprechen insofern auch nicht dem wiedergutmachungsgedanken. 99aus dem gleichen grund lässt sich auch kein anderes ergebnis aus § 2 absatz 2 halbsatz 2 sgb i ableiten, wonach bei der auslegung der vorschriften des sgb sicherzustellen ist, dass die sozialen rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. 100nach alledem hat die klägerin keinen anspruch auf den beginn der regelaltersrente vor dem 01.12.2009 und damit auch nicht auf zahlung von regelaltersrente für die zeit vom 01.07.1997 bis zum 30.11.2009. im übrigen wirkt es sich zu gunsten der klägerin aus, dass die beklagte für den zugangsfaktor (§ 77 absatz 2 satz 1 nr. 2 b sgb vi) davon ausgegangen ist, dass die klägerin die altersrente nach erreichen der regelaltersgrenze erst zum 01.12.2009 in anspruch genommen hat, so dass die beklage insofern die rente auch nach einem höheren zugangsfaktor als bei einem (begehrten) rentenbeginn zum 01.07.1997 berechnet hat (vgl. § 3 absatz 2 zrbg). angesichts des hohen lebensalters der klägerin dürfte sich allerdings ihr wirtschaftliches interesse eher auf eine (größere) nachzahlung als auf eine laufende höhere rente richten. zu dem weiteren vortrag des bevollmächtigten , dass die regelungen der §§ 3 zrbg und 44 sgb x sowie das institut des sozialrechtlichen herstellungsanspruchs je nachdem, ob es sich um ein überprüfungsverfahren oder eine erstbescheidung handele, zu sehr unterschiedlichen folgen für den rentenbeginn führen würden (rentenbeginn ab 1997, ab 2005 oder erst ab rentenantragstellung) und dies den betroffenen schwierig zu vermitteln sei, ist auf folgendes hinzuweisen: überprüfungsanträgen nach ablehnungsbescheiden, die seit 2009 - fußend auf der "rechtsprechungswende" des bundessozialgerichts vom 02.06.2009 und 03.06.2009 zur auslegung der rechtsbegriffe des "entgelts" und des zustandekommen eines beschäftigungsverhältnisses "aus eigenem willensentschluss" - gestellt wurden, kann nach § 44 absatz 4 sgb x rückwirkung maximal bis 2005 und nicht bis 1997 zukommen (vgl. allerdings die anhängigen zahlreichen revisionen im 5. und 13 senat des bsg zu der frage: " kann eine rente bei berechtigten des personenkreises des § 1 zrbg im falle eines erstmaligen rentenantrages noch vor juli 2003 schon ab dem 01.07.1997 beginnen, wenn bereits eine bestandskräftig gewordene ablehnung des rentenantrags vorlag und die rente erst danach aufgrund eines überprüfungsverfahrens bewilligt wurde unter anwendung von § 44 sgb x oder § 100 absatz 4 sgb vi). auch erstbescheidungen aufgrund erstmaliger antragstellung seit der "rechtsprechungswende" in 2009 könnte selbst bei vorliegen eines sozialrechtlichen herstellungsanspruchs rückwirkung nur in anwendung des § 44 absatz 4 sgb x (urteil des erkennenden senats vom 24.05.2013, l 14 r 432/12 in juris; dazu anhängig b 13 r 23/13 r) und damit ebenfalls maximal bis 2005 und nicht bis 1997 zukommen. liegen die voraussetzungen eines sozialrechtlichen herstellungsanspruchs allerdings nicht vor, können rentenleistungen in einklang mit § 99 sgb vi erst ab dem antragsmonat gewährt werden. 101die kostenentscheidung beruht auf § 193 absatz 1 sgg. 102die revisionszulassung folgt aus § 160 absatz 2 nr. 1 sgg, weil die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat. | Verklagte*r | 0 |
120,641 | 8 K 745/14 | 2016-10-25T00:00:00 | Urteil | Tenor Das Verfahren hinsichtlich der Kläger zu 1. und 3. wird eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die am 00.00.0000 geborene Klägerin zu 1. und ihre Tochter, die am 00.00.0000 geborene Klägerin zu 2., sowie der am 00.00.0000 geborene Kläger zu 3., Ehemann der Klägerin zu 1. und Vater der Klägerin zu 2., sind nach ihren Angaben armenische Staatsangehörige. Sie reisten erstmals im Jahr 1999 in das Bundesgebiet ein und stellten einen Asylantrag. Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt am 7. Oktober 1999 gab die Klägerin zu 1. an, dass ihre Papiere beim Schlepper verblieben seien. Sie habe einen Reisepass gehabt, der 1996 ausgestellt worden sei. Der Kläger zu 3. gab an, dass sein alter Pass 1985 und sein neuer Pass 1995 ausgestellt worden seien. Der Asylantrag der Kläger wurde mit Bescheid vom 2. November 1999 abgelehnt. Die eingelegten Rechtsmittel hatten keinen Erfolg. In der Folgezeit wurden die Kläger von der Beklagten geduldet. 3Im Rahmen des Verfahrens zur Beschaffung von Passersatzpapieren teilte die armenische Botschaft im Juli 2006 der Beklagten mit, dass Passersatzpapiere für die Kläger nicht ausgestellt werden könnten, da Staatsbürger mit entsprechenden Personalien in Armenien nicht registriert seien. Die Beklagte forderte die Kläger daraufhin dazu auf, richtige Angaben über ihre Identität zu machen. Im Dezember 2006 wurden die Kläger der armenischen Botschaft vorgeführt. Sie verblieben bei ihren bisherigen Angaben zu ihrer Identität, die von der Botschaft als nachweislich falsch erachtet wurden. Die Zentrale Ausländerbehörde veranlasste daraufhin im Juni 2007 eine Expertenanhörung durch armenische Experten. Hieran nahm nur der Kläger zu 3. teil. Die Anhörung kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei ihm und auch den Klägerinnen zu 1. und 2. um armenische Staatsangehörige handele. 4Im Juli 2008 beantragten die Kläger erstmals die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. 5Unter dem 13. Dezember 2010 wandten die Kläger sich schriftlich an das armenische Konsulat in Berlin und baten um Übersendung eines Antrags für Ausstellung eines Personalausweises oder Reisepasses. Dieses teilte mit Schreiben vom 25. Januar 2011 mit, dass die Kläger zu 1. und 3. unter den von ihnen angegebenen Personalien nie einen armenischen Nationalpass erhalten hätten und nicht als armenische Staatsangehörige erfasst seien. 6Mit Schreiben vom 27. Dezember 2011 forderte die Beklagte die Kläger auf, einen Anwalt oder Verwandte in Armenien zu bemühen, Dokumente zu beschaffen, die ihre Identität belegen könnten. Unter dem 13. Januar 2012 lehnte der frühere Prozessbevollmächtigte der Kläger die Beauftragung eines armenischen Anwalts mangels finanzieller Möglichkeiten ab. 7Mit Ordnungsverfügungen vom 19. März 2014 lehnte die Beklagte die Anträge der Kläger auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Zur Begründung stellte die Beklagte vor allem darauf ab, dass die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 3. falsche Angaben zu ihren Personalien gemacht hätten. Jedenfalls aber hätten sie sich nicht ausreichend um die Erlangung armenischer Nationalpässe bemüht, da sie einen Vertrauensanwalt in Armenien nicht eingeschaltet hätten. Die Klägerin zu 2. müsse sich das Fehlverhalten ihrer Eltern zurechnen lassen. Zum Ermessen nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG führte die Beklagte hinsichtlich der Klägerin zu 2. aus, dass von dem Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung und des Nichtvorliegens eines Ausweisungsgrundes möglicherweise abgesehen werden könnte, da hierfür ihre Eltern und nicht sie selbst die Verantwortlichkeit trügen. Dies gelte aber nicht für das Erfordernis der Klärung der Identität und der Erfüllung der Passpflicht. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund weltweiter Terrorismusgefahren könne es nicht angehen, dass Personen, die an der Klärung ihrer Identität nicht mitwirkten, der Zugang zu einem Aufenthaltstitel geebnet werde. Die Versagung des Aufenthaltstitels sei deshalb auch aus generalpräventiven Gründen erforderlich. Die faktischen und rechtlichen Nachteile, die mit einer Duldung verbunden seien, könnten das öffentliche Interesse nicht überwiegen. Spätestens mit Eintritt der Volljährigkeit könne die Klägerin zu 2. sich zudem selbst um Passpapiere bemühen. Die Entscheidung sei auch unter Berücksichtigung von Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Zwar sei zu Gunsten der Klägerin zu 2. zu berücksichtigen, dass sie sich bereits seit dem Kleinkindalter in Deutschland aufhalte. Dem stehe jedoch das überragende staatliche Interesse gegenüber, zu wissen wer sich im Bundesgebiet aufhalte. Die hierdurch berührten Sicherheitsbelange überstrahlten deutlich das Privatinteresse, vor allem deshalb, da es nur um die Versagung eines Aufenthaltstitels und nicht um eine Aufenthaltsbeendigung gehe. 8Die Kläger haben am 16. April 2014 Klage erhoben. Sie wiederholen und vertiefen ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren. Sie hätten alles Zumutbare unternommen, um an armenische Pässe zu gelangen. Insbesondere hätten sie ihre Personalien wahrheitsgemäß angegeben. Ein gegenüber der Stadt F. gestellter Antrag auf Übernahme der Kosten für die Beauftragung eines Anwalts in ihrem Heimatland sei abgelehnt worden. 9Im Rahmen der mündlichen Verhandlung führt der Kläger zu 3. aus, dass nach der Geburt der Klägerin zu 2. das Krankenhaus eine Urkunde erstellt habe, die beim Schlepper verblieben sei. Bei einer Behörde habe er die Geburt hingegen nicht angezeigt, da er hierfür 300 US-Dollar hätte bezahlen müssen. Die Klägerin zu 2. gibt an, dass sie im Bundesgebiet zunächst den Hauptschulabschluss absolviert habe, danach eine Lehre als Frisörin begonnen, sich dann aber nach einem Monat anders entschlossen und nunmehr ihren Realschulabschluss für Sommer 2017 geplant habe. Sie besuche derzeit das Berufskolleg F. im Bereich "Gesundheitswesen und Soziales". 10Die Kläger zu 1. und 3. haben in der mündlichen Verhandlung ihre Klagen zurückgenommen. 11Die Klägerin zu 2. beantragt, 12die Beklagte unter Aufhebung der Ordnungsverfügung vom 19. März 2014 zu verpflichten, der Klägerin zu 2. eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. 13Die Beklagte beantragt, 14die Klage abzuweisen. 15Die Beklagte wiederholt und vertieft die Begründung des Ablehnungsbescheids. Die Identität der Kläger sei weiterhin nicht geklärt. Sie hätten nachweislich falsche Angaben getätigt. 16Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. 17Entscheidungsgründe: 18Soweit die Kläger zu 1. und 3. ihre Klagen zurückgenommen haben, wird das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt. Im Übrigen, d.h. betreffend die Klägerin zu 2., ist die zulässige Klage unbegründet. 19Die Klägerin zu 2. hat weder einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis noch auf erneute Bescheidung ihres Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die ablehnende Ordnungsverfügung vom 19. März 2014 ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. 20Die Klägerin zu 2. hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. 21Ein Ausreisehindernis in diesem Sinne kommt zunächst wegen der Passlosigkeit der Klägerin zu 2. in Betracht. Allerdings ist es nicht hinreichend sicher, ob eine Abschiebung nicht zumindest mit Passersatzpapieren möglich wäre, da eine armenische Expertenkommission die armenische Staatsangehörigkeit der Klägerin zu 2. anerkannt hatte. Dies bedarf aber keiner weiteren Aufklärung, da der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen Passlosigkeit zumindest der Ausschlussgrund des § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG entgegensteht. Hiernach darf eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt. 22Die Klägerin zu 2. hat zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Passlosigkeit nicht erfüllt. Da sie zwischenzeitlich volljährig ist, kommt es nicht (mehr) darauf an, ob ihren Eltern ein Verschulden zu Last gelegt werden kann, das ihr zuzurechnen sein könnte. 23Es ist die ureigene Angelegenheit eines Ausländers, seine Identität aufzuklären und sich bei der für ihn zuständigen Auslandsvertretung um die Ausstellung eines Ausweispapiers zu bemühen. Der Besitz eines gültigen Passes zählt zu den Obliegenheiten eines Ausländers (vgl. § 3 Abs. 1 AufenthG). Jener ist ferner Regelvoraussetzung für die Erteilung eines jeden Aufenthaltstitels (vgl. § 5 Abs. 1 AufenthG) und damit auch für die hier erstrebte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Zudem verdeutlicht § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, dass ein Ausländer bei der Beschaffung von Identitätspapieren alle erforderlichen Mitwirkungshandlungen vorzunehmen hat. Diese müssen sich neben dem Bemühen um einen Pass oder Passersatz auch auf die Beschaffung sonstiger Urkunden und Dokumente unabhängig vom Aussteller richten, sofern sie zu dem Zweck geeignet sind, die Ausländerbehörde bei der Geltendmachung und Durchsetzung einer Rückführungsmöglichkeit zu unterstützen. Deshalb hat ein ausreisepflichtiger Ausländer alle zur Erfüllung seiner Ausreisepflicht erforderlichen Maßnahmen, und damit auch die zur Beschaffung eines gültigen Passes oder Passersatzpapiers, grundsätzlich ohne besondere Aufforderung durch die Ausländerbehörde unverzüglich einzuleiten. Dabei hat er - nicht die Ausländerbehörde - sich gegebenenfalls unter Einschaltung von Mittelspersonen in seinem Heimatland um erforderliche Dokumente und Auskünfte zu bemühen, wobei es grundsätzlich auch zumutbar ist, einen Rechtsanwalt im Herkunftsstaat zu beauftragen. Erwartet werden muss in diesem Zusammenhang, dass mit der größtmöglichen Sorgfalt in nachvollziehbarer Weise Nachforschungen angestellt werden. Deren Art und Umfang bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, 24vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2008 – 18 E 471/08 -, juris, Rn. 5 ff. 25Grundsätzlich sind sämtliche Handlungen zumutbar, die zur Beschaffung eines zur Ausreise oder zur Abschiebung notwendigen Dokuments erforderlich sind und nur vom Ausländer persönlich vorgenommen werden können. Eine Mitwirkungshandlung, die von vornherein erkennbar aussichtslos ist, kann dem Ausländer nicht abverlangt werden, 26vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2006 - 1 B 54/06 -, juris, Rn. 4; OVG NRW, Urteil vom 18. Juni 2008 - 17 A 2250/07 -, juris, Rn. 35. 27Gemessen hieran hat die Klägerin zu 2. zumutbare Anforderungen zur Erlangung eines Passes, die nicht von vornherein erkennbar aussichtslos sind, nicht unternommen. 28Es liegen ausreichende Anknüpfungspunkte vor, die der Klägerin zu 2. Nachforschungen zu ihrer Identität und darauf aufbauend die Beschaffung eines Passes möglich machen könnten. 29Die Kammer geht dabei davon aus, dass die Klägerin zu 2. sich hinsichtlich ihrer Identität auf die Angaben ihrer Eltern verlassen muss. Sie ist noch im Kleinkindalter in das Bundesgebiet eingereist und kann deshalb nur auf die Angaben ihrer Eltern zurückgreifen. Anhaltspunkte dafür, dass die Eltern der Klägerin 2. eine falsche Identität der Klägerin zu 2. gegenüber den Behörden angegeben und gleichzeitig der Klägerin zu 2. ihre wahre Identität eröffnet haben, sind nicht ersichtlich. 30Aus den Angaben des Vaters der Klägerin zu 2. im Rahmen der mündlichen Verhandlung lässt sich ableiten, dass der Klägerin der Beweis ihrer Identität gegenüber den armenischen Behörden möglich sein könnte, auch wenn diese bislang mitgeteilt hatten, unter den Personalien der Klägerin zu 2. keine Person registriert zu haben. Der Vater der Klägerin zu 2. führte aus, dass ein Krankenhaus die Geburt der Klägerin zu 2. dokumentiert habe. Die Urkunde sei aber beim Schlepper verlieben. Die vom Krankenhaus dokumentierte Geburt könnte aber eine Möglichkeit für die Klägerin zu 2. bieten, ihre Identität und Staatsangehörigkeit zu beweisen und einen Pass zu erlangen. Auch wenn hierbei Schwierigkeiten entstehen sollten und nicht unwahrscheinlich sind, ist es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zumindest nicht erkennbar aussichtslos, die Unterlagen erneut von dem fraglichen Krankenkaus zu beschaffen. Im Hinblick hierauf kann die Kammer offen lassen, ob die weitere Angabe des Vaters, eine staatliche Registrierung der Klägerin zu 2. sei nicht erfolgt, glaubhaft ist. Hieran könnten zumindest Zweifel bestehen, da die angeblich hierfür zu bezahlenden 300 US-Dollar übertrieben hoch erscheinen. 31Die Klägerin zu 2. wird nach aller Voraussicht für die Beschaffung von Dokumenten aus Armenien auf die Einschaltung von Mittelspersonen in Armenien, etwa in Form eines Anwalts, angewiesen sein. Sie kann ihrer Obliegenheit zur Passbeschaffung aber nicht damit entgegentreten, hieran wegen fehlender finanzieller Mittel gehindert zu sein. 32Dabei kann die Kammer offen lassen, ob der Einwand finanzieller Mittel schon deshalb ausgeschlossen ist, da dieses Risiko der Lebenssphäre des Ausländers zuzurechnen sein könnte. Denn zumindest erfasst die Obliegenheit des Ausländers nach dem vorstehend beschriebenen Maßstab, alle zumutbaren Anstrengungen hinsichtlich der Passbeschaffung zu unternehmen, die nicht erkennbar aussichtslos sind, also auch alle zumutbaren Anstrengungen zur Erlangung einer Finanzierung der notwendigen Maßnahmen für eine Passbeschaffung zu unternehmen. Dies bedeutet, dass ein Ausländer, der Sozialleistungen bezieht - so wie die Klägerin zu 2. -, sich ausreichend und nachhaltig um die Übernahme der Kosten durch den Sozialleistungsträger bemüht haben muss. Diesem Erfordernis ist die Klägerin zu 2. nicht nachgekommen. 33Ausreichende Bemühungen in diesem Sinne setzen voraus, dass der Ausländer zunächst ermitteln muss, welche Kosten für die Beauftragung von Mittelspersonen, etwa in Form eines Anwalts, in seinem Heimatland anfallen werden. Denn so lange diese Kosten nicht zumindest ungefähr benannt sind, wird ein Sozialleistungsträger schon wegen eines nicht hinreichend konkretisierten Antrags keine Kostenzusage geben können. Der Ausländer muss von seiner Seite aus alles getan haben, um die Bewilligung eines Antrags gegenüber dem Sozialleistungsträger zu erreichen. 34Dies hat die Klägerin zu 2. nicht getan. Zwar hat sie nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung die Kosten für einen Rechtsanwalt im Internet recherchiert. Die Ergebnisse der Recherche und die zu erwartenden Kosten hat sie aber in keiner Form nachvollziehbar dokumentiert. Vor diesem Hintergrund kann aus dem Umstand, dass die Stadt F. einen von der Klägerin zu 2. gestellten Antrag auf Übernahme der Kosten (mit einer fragwürdigen Begründung) abgelehnt hat, keine ausreichende Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit abgeleitet werden. 35Die Klägerin zu 2. kann gegen die Verweisung auf die Inanspruchnahme eines Sozialleistungsträgers auch nicht einwenden, dass ein entsprechender Antrag offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hätte. Die Erfolgsaussichten eines solchen Antrags dürften vielmehr offen, also eben nicht offensichtlich aussichtslos, sein. 36Die Übernahme von Kosten für die Passbeschaffung kommt für Ausländer, die Leistungen nach dem AsylbLG beziehen, zunächst auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Alt. 4 AsylbLG in Betracht. Hiernach können sonstige Leistungen insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. Bei der ausländerrechtlichen Pflicht der Erlangung eines Passes handelt es sich sowohl nach der verwaltungsgerichtlichen als auch der sozialgerichtlichen Rechtsprechung um eine verwaltungsrechtliche Mitwirkungspflicht im Sinne der Vorschrift, 37vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2008 - 18 E 471/08 -, juris, Rn. 14, m.w.N.; LSG NRW, Urteil vom 10. März 2008 - L 20 AY 16/07 -, juris, Rn. 34; Deibel, in: Dohm, GK-AsylbLG, § 6 Rn. 244, 246; Frerichs, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 6 AsylbLG, Rn. 93, 95. 38Vorliegend dürfte ein Anspruch der Klägerin zu 2. auf Grund von § 6 Abs. 1 AsylbLG aber deshalb nicht mehr in Betracht kommen, da die Klägerin zu 2. gegenwärtig sogenannte Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG bezieht. Nach dieser Vorschrift ist abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Aufenthaltsdauer in diesem Sinne hat die Klägerin zu 2. erfüllt. Zu Gunsten der Klägerin zu 2. geht die Kammer auch davon aus, dass diese ihren Aufenthalt nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne der Vorschrift beeinflusst hat. Würde man hingegen von einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung des Aufenthalts ausgehen, würde der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis schon der Ausschlussgrund des § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG entgegenstehen, da die Klägerin zu 2. dann nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert wäre. 39Soweit man die Klägerin als (rechtmäßige) Bezieherin von Analogleistungen im Sinne von § 2 Abs. 1 AsybLG erachtet, kommt ein Anspruch auf die zuschussweise Übernahme der Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts in ihrem Heimatstaat zwecks Beschaffung eines Nationalpasses aus § 73 Satz 1 SGB XII in Betracht. 40Nach § 73 Satz 1 SGB XII können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Hierbei gilt es zu beachten, dass auf Grund des seit dem 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Gesetzes zur Ermittlung des Regelbedarfs nach § 28 SGB XII die Kosten für die Beschaffung von Ausweispapieren im Regelbedarf abgebildet sind. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 17/3404 S. 64): "Bei sonstigen Dienstleistungen werden die neufestgelegten Gebühren von 28,80 EUR bezogen auf zehn Jahre für den Personalausweis, die künftig auch hilfebedürftige Personen zu entrichten haben, zusätzlich berücksichtigt. [...] Zusätzlich wird unter der Position "Sonstige Dienstleitungen, nicht genannte" ein Betrag von 0,25 EUR berücksichtigt. (Daraus ergeben sich 3,00 EUR im Jahr und für die Gültigkeitsdauer des neuen Personalausweises insgesamt 30.00 EUR.)“ Da die Kosten für eine Passbeschaffung bereits in dem Regelsatz nach § 28 SGB XII enthalten sind, bleibt nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung für eine zuschussweise Übernahme der Passbeschaffungskosten eines Ausländers gemäß § 73 Satz 1 SGB XII kein Raum. Denn die Vorschrift setzt eine unbenannte Bedarfslage voraus, die eine gewisse Vergleichbarkeit mit den ansonsten von der Sozialhilfe abgedeckten Lebenslagen aufweist, und die in den sonstigen Bereichen des Sozialrechts keine abschließende Regelung erfährt. Am letzteren fehlt es, da die Kosten für ein Ausweispapier im Regelbedarf abgebildet werden, 41vgl. LSG NRW, Urteil vom 18. Mai 2015 - L 20 SO 355/13 -, juris, Rn. 36; SG Aachen, Urteil vom 16. Juli 2013 - S 20 75/13 -, juris, Rn. 21; vgl. zur Rechtslage vor dem 1. Januar 2011, als die Kosten noch nicht im Regelsatz enthalten waren, hingegen LSG NRW, Urteil vom 23. Mai 2011 - L 20 AY 19/08 -, juris, Rn. 35. 42Vorliegend geht es aber gerade nicht um Passbeschaffungskosten im engeren Sinne, wie der Entrichtung einer Gebühr für den Ausweis oder die Fahrtkosten zu einem Konsulat, sondern um die Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts, der in (einem ersten Schritt) geeignete Dokumente im Heimatstaat zum Beweis der Identität der Klägerin 2. beschaffen soll, die es ihr (in einem zweiten Schritt) erst ermöglichen sollen, einen erfolgversprechenden Antrag auf Erteilung eines armenischen Nationalpasses zu stellen. Eine Regelung für die Übernahme von Kosten der Einschaltung eines Rechtsanwalts im Heimatland zur Beschaffung von Dokumenten zum Nachweis der eigenen Identität existiert nicht, sodass § 73 Satz 1 SGB XII nicht schon deshalb gesperrt wäre, weil die Erfüllung des Bedarfs bereits abschließend geregelt wäre. 43Soweit man entgegen der Ansicht der Kammer davon ausgeht, dass auch die Kosten zur Beschaffung von Dokumenten im Regelsatz enthalten sind, müsste die Klägerin zu 2. sich darauf verweisen lassen, einen Anspruch nach § 37 Abs. 1 SGB XII geltend zu machen. Kann im Einzelfall ein von den Regelbedarfen umfasster und nach den Umständen unabweisbar gebotener Bedarf auf keine andere Weise gedeckt werden, sollen nach dieser Vorschrift auf Antrag hierfür notwendige Leistungen als Darlehen erbracht werden, 44vgl. zum Anspruch nach § 37 Abs. 1 SGB XII im Falle der Beschaffung eines Passes LSG NRW, Urteil vom 18. Mai 2015 - L 20 SO 355/13 -, a.a.O., Rn. 52 f. 45Geht man mit der Kammer hingegen davon aus, dass die anfallenden Kosten nicht im Regelsatz enthalten sind, hält die Kammer es für offen, ob die Klägerin zu 2. mit Erfolg einen Antrag nach § 73 Satz 1 SGB XII stellen kann. Der Begriff der Lebenslage im Sinne der Vorschrift ist mit Blick auf das System der im SGB XII geregelten Leistungen zur Deckung verschiedener Bedarfssituationen zu verstehen, deren Deckung zur Führung eines menschenwürdigen Lebens unerlässlich ist, vgl. § 1 Satz 1 SGB XII. Voraussetzung ist deshalb, dass ein besonderer, atypischer Bedarf begründet ist. Daher ist bei der Erbringung von Sozialhilfeleistungen, die der Gesetzgeber nicht bereits ausdrücklich in den §§ 27-74 SGB XII erfasst hat, zu verlangen, dass ohne die Leistungserbringung eine Verletzung des verfassungsrechtlich gesicherten Existenzminimums, der Menschenwürde oder eines anderen Grundrechts eintreten würde, 46vgl. für Fälle mit SGB II Bezug: BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 13/10 R -, juris, Rn. 17, m.w.N.; für Fälle ohne SGB II Bezug BayLSG, Beschluss vom 27. Januar 2016 - L 8 SO 306/14 B ER -, juris, Rn. 16; Böttiger, in: jurisPK-SGB XII, § 73 Rn. 25. 47Ob aufgrund der spezifischen ausländerrechtlichen Situation der Klägerin ein grundrechtlicher Bedarf im vorgenannten Sinne für die Übernahme der Kosten, die die Identität der Klägerin beweisen sollen, angenommen werden kann, ist bislang in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung nicht geklärt. Es könnte aber einen verfassungsrechtlich relevanten, nicht auflösbaren Wertungswiderspruch bedeuten, die beschriebenen Kosten zur Klärung der Identität und dem Erhalt eines Passes nicht zu übernehmen, wenn der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiets rechtlich oder tatsächlich zwingend ist, etwa weil ein Ausreisehindernis im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG vorliegt, die Erteilung eines Aufenthaltstitels aber allein daran scheitert, dass die Identität nicht geklärt ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG) und die Passpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) nicht erfüllt wird. Denn dann würde der betroffene Ausländer trotz eines zwingend notwendigen Aufenthalts im Bundesgebiet daran gehindert, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten und müsste sich dauerhaft auf den Duldungsstatus trotz der damit verbundenen Nachteile verweisen lassen. Die Kammer braucht die Frage, ob eine Auslegung von § 73 Satz 1 SGB XII in diesem Sinne gerechtfertigt ist, nicht zu entscheiden. Im Hinblick auf den bei § 25 Abs. 5 Satz 4 AufentG anzulegenden Maßstab ist es ausreichend, dass eine Auslegung im vorgenannten Sinne und damit ein Antrag gegenüber dem Sozialleistungsträger nicht erkennbar aussichtslos sind. Dies ist im Hinblick auf die vorstehenden Argumente der Fall. Insbesondere liegen auch keine anderslautenden Judikate der sozialgerichtlichen Rechtsprechung hierzu vor. Aus der ausländerrechtlichen Perspektive des § 25 Abs. 5 Satz 4 AufentG ist es der Klägerin deshalb zuzumuten, zunächst einen - substantiierten - Antrag gegenüber dem Sozialleistungsträger zu stellen und anschließend ggf. sozialgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Dass ein von der Klägerin zu 2. gestellter Antrag vom Sozialamt der Stadt F. abgelehnt worden ist, ist deshalb unerheblich, da die Klägerin zu 2. sich gegen die Ablehnung nicht zu Wehr gesetzt hat. 48Die fehlende Vorlage eines Passes durch die Klägerin zu 2. hat weiterhin zur Folge, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG auch die Nichterfüllung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG entgegensteht. Gründe für einen Ausnahmefall von der Regel liegen nicht vor, da die Klägerin zu 2. - wie vorstehend ausgeführt - die ihr zumutbaren Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung nicht erfüllt hat. Die im Hinblick auf § 114 Satz 1 VwGO nur eingeschränkt überprüfbare Ermessensentscheidung der Beklagten, von dem Erfordernis der Passpflicht auch nicht im Ermessenswege nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abzusehen, ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hatte in der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung ausgeführt, dass die Klägerin zu 2. mit Eintritt der Volljährigkeit selbst die Möglichkeit haben wird, sich einen Reisepass und Identitätsdokumente zu beschaffen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte diese Erwägung im Sinne des § 114 Satz 2 VwGO zulässig dahingehend ergänzt, dass Anhaltspunkte vorlägen, die Nachforschungen der Klägerin zu 2. zu ihrer Identität erlaubten. Diese Erwägungen werden dem Zweck der Erfüllung der Passpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) und der Absehensvorschrift (§ 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG) gerecht, da die von der Beklagten von der Klägerin zu 2. verlangten Aufklärungsmaßnahmen dieser zumutbar sind, wie vorstehend bereits ausgeführt wurde. Auf die weiteren Ermessenserwägungen der Beklagten kommt es deshalb nicht an. 49Da die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG nicht vorliegt, bedarf es keiner weiteren Erörterung, ob im Rahmen des § 25 Abs. 5 AufenthG noch ein Ausreisehindernis aus einem anderen Grund als der Passlosigkeit in Betracht kommt. 50Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG, deren besondere Erteilungsvoraussetzungen vorliegen dürften, und der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG steht die Nichterfüllung der Passpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) ebenfalls entgegen. Es bestand keine Veranlassung für die Beklagte, das Absehensermessen nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG für diese Aufenthaltstitel anders auszuüben. 51Hinsichtlich der Kläger zu 1. und 3 folgt die Kostenentscheidung aus § 155 Abs. 2 VwGO. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Klägerin zu 2. folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. | das verfahren hinsichtlich der kläger zu 1. und 3. wird eingestellt. im übrigen wird die klage abgewiesen. die kläger tragen die kosten des verfahrens. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. die kläger können die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe von 110 % des auf grund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2die am 00.00.0000 geborene klägerin zu 1. und ihre tochter, die am 00.00.0000 geborene klägerin zu 2., sowie der am 00.00.0000 geborene kläger zu 3., ehemann der klägerin zu 1. und vater der klägerin zu 2., sind nach ihren angaben armenische staatsangehörige. sie reisten erstmals im jahr 1999 in das bundesgebiet ein und stellten einen asylantrag. im rahmen der anhörung vor dem bundesamt am 7. oktober 1999 gab die klägerin zu 1. an, dass ihre papiere beim schlepper verblieben seien. sie habe einen reisepass gehabt, der 1996 ausgestellt worden sei. der kläger zu 3. gab an, dass sein alter pass 1985 und sein neuer pass 1995 ausgestellt worden seien. der asylantrag der kläger wurde mit bescheid vom 2. november 1999 abgelehnt. die eingelegten rechtsmittel hatten keinen erfolg. in der folgezeit wurden die kläger von der beklagten geduldet. 3im rahmen des verfahrens zur beschaffung von passersatzpapieren teilte die armenische botschaft im juli 2006 der beklagten mit, dass passersatzpapiere für die kläger nicht ausgestellt werden könnten, da staatsbürger mit entsprechenden personalien in armenien nicht registriert seien. die beklagte forderte die kläger daraufhin dazu auf, richtige angaben über ihre identität zu machen. im dezember 2006 wurden die kläger der armenischen botschaft vorgeführt. sie verblieben bei ihren bisherigen angaben zu ihrer identität, die von der botschaft als nachweislich falsch erachtet wurden. die zentrale ausländerbehörde veranlasste daraufhin im juni 2007 eine expertenanhörung durch armenische experten. hieran nahm nur der kläger zu 3. teil. die anhörung kam zu dem ergebnis, dass es sich bei ihm und auch den klägerinnen zu 1. und 2. um armenische staatsangehörige handele. 4im juli 2008 beantragten die kläger erstmals die erteilung einer aufenthaltserlaubnis. 5unter dem 13. dezember 2010 wandten die kläger sich schriftlich an das armenische konsulat in berlin und baten um übersendung eines antrags für ausstellung eines personalausweises oder reisepasses. dieses teilte mit schreiben vom 25. januar 2011 mit, dass die kläger zu 1. und 3. unter den von ihnen angegebenen personalien nie einen armenischen nationalpass erhalten hätten und nicht als armenische staatsangehörige erfasst seien. 6mit schreiben vom 27. dezember 2011 forderte die beklagte die kläger auf, einen anwalt oder verwandte in armenien zu bemühen, dokumente zu beschaffen, die ihre identität belegen könnten. unter dem 13. januar 2012 lehnte der frühere prozessbevollmächtigte der kläger die beauftragung eines armenischen anwalts mangels finanzieller möglichkeiten ab. 7mit ordnungsverfügungen vom 19. märz 2014 lehnte die beklagte die anträge der kläger auf erteilung einer aufenthaltserlaubnis ab. zur begründung stellte die beklagte vor allem darauf ab, dass die klägerin zu 1. und der kläger zu 3. falsche angaben zu ihren personalien gemacht hätten. jedenfalls aber hätten sie sich nicht ausreichend um die erlangung armenischer nationalpässe bemüht, da sie einen vertrauensanwalt in armenien nicht eingeschaltet hätten. die klägerin zu 2. müsse sich das fehlverhalten ihrer eltern zurechnen lassen. zum ermessen nach § 5 abs. 3 satz 2 aufenthg führte die beklagte hinsichtlich der klägerin zu 2. aus, dass von dem erfordernis der lebensunterhaltssicherung und des nichtvorliegens eines ausweisungsgrundes möglicherweise abgesehen werden könnte, da hierfür ihre eltern und nicht sie selbst die verantwortlichkeit trügen. dies gelte aber nicht für das erfordernis der klärung der identität und der erfüllung der passpflicht. nicht zuletzt vor dem hintergrund weltweiter terrorismusgefahren könne es nicht angehen, dass personen, die an der klärung ihrer identität nicht mitwirkten, der zugang zu einem aufenthaltstitel geebnet werde. die versagung des aufenthaltstitels sei deshalb auch aus generalpräventiven gründen erforderlich. die faktischen und rechtlichen nachteile, die mit einer duldung verbunden seien, könnten das öffentliche interesse nicht überwiegen. spätestens mit eintritt der volljährigkeit könne die klägerin zu 2. sich zudem selbst um passpapiere bemühen. die entscheidung sei auch unter berücksichtigung von art. 8 emrk gerechtfertigt. zwar sei zu gunsten der klägerin zu 2. zu berücksichtigen, dass sie sich bereits seit dem kleinkindalter in deutschland aufhalte. dem stehe jedoch das überragende staatliche interesse gegenüber, zu wissen wer sich im bundesgebiet aufhalte. die hierdurch berührten sicherheitsbelange überstrahlten deutlich das privatinteresse, vor allem deshalb, da es nur um die versagung eines aufenthaltstitels und nicht um eine aufenthaltsbeendigung gehe. 8die kläger haben am 16. april 2014 klage erhoben. sie wiederholen und vertiefen ihren vortrag aus dem verwaltungsverfahren. sie hätten alles zumutbare unternommen, um an armenische pässe zu gelangen. insbesondere hätten sie ihre personalien wahrheitsgemäß angegeben. ein gegenüber der stadt f. gestellter antrag auf übernahme der kosten für die beauftragung eines anwalts in ihrem heimatland sei abgelehnt worden. 9im rahmen der mündlichen verhandlung führt der kläger zu 3. aus, dass nach der geburt der klägerin zu 2. das krankenhaus eine urkunde erstellt habe, die beim schlepper verblieben sei. bei einer behörde habe er die geburt hingegen nicht angezeigt, da er hierfür 300 us-dollar hätte bezahlen müssen. die klägerin zu 2. gibt an, dass sie im bundesgebiet zunächst den hauptschulabschluss absolviert habe, danach eine lehre als frisörin begonnen, sich dann aber nach einem monat anders entschlossen und nunmehr ihren realschulabschluss für sommer 2017 geplant habe. sie besuche derzeit das berufskolleg f. im bereich "gesundheitswesen und soziales". 10die kläger zu 1. und 3. haben in der mündlichen verhandlung ihre klagen zurückgenommen. 11die klägerin zu 2. beantragt, 12die beklagte unter aufhebung der ordnungsverfügung vom 19. märz 2014 zu verpflichten, der klägerin zu 2. eine aufenthaltserlaubnis zu erteilen. 13die beklagte beantragt, 14die klage abzuweisen. 15die beklagte wiederholt und vertieft die begründung des ablehnungsbescheids. die identität der kläger sei weiterhin nicht geklärt. sie hätten nachweislich falsche angaben getätigt. 16wegen der weiteren einzelheiten wird auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen verwaltungsvorgänge verwiesen. 17 | 18soweit die kläger zu 1. und 3. ihre klagen zurückgenommen haben, wird das verfahren nach § 92 abs. 3 satz 1 vwgo eingestellt. im übrigen, d.h. betreffend die klägerin zu 2., ist die zulässige klage unbegründet. 19die klägerin zu 2. hat weder einen anspruch auf die erteilung einer aufenthaltserlaubnis noch auf erneute bescheidung ihres antrags unter beachtung der rechtsauffassung des gerichts. die ablehnende ordnungsverfügung vom 19. märz 2014 ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren rechten, § 113 abs. 5 vwgo. 20die klägerin zu 2. hat keinen anspruch auf die erteilung einer aufenthaltserlaubnis nach § 25 abs. 5 aufenthg. nach satz 1 dieser vorschrift kann einem ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen gründen unmöglich ist und mit dem wegfall der ausreisehindernisse in absehbarer zeit nicht zu rechnen ist. 21ein ausreisehindernis in diesem sinne kommt zunächst wegen der passlosigkeit der klägerin zu 2. in betracht. allerdings ist es nicht hinreichend sicher, ob eine abschiebung nicht zumindest mit passersatzpapieren möglich wäre, da eine armenische expertenkommission die armenische staatsangehörigkeit der klägerin zu 2. anerkannt hatte. dies bedarf aber keiner weiteren aufklärung, da der erteilung einer aufenthaltserlaubnis nach § 25 abs. 5 aufenthg wegen passlosigkeit zumindest der ausschlussgrund des § 25 abs. 5 satz 3 und 4 aufenthg entgegensteht. hiernach darf eine aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn der ausländer unverschuldet an der ausreise gehindert ist. ein verschulden des ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche angaben macht oder über seine identität oder staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare anforderungen zur beseitigung der ausreisehindernisse nicht erfüllt. 22die klägerin zu 2. hat zumutbare anforderungen zur beseitigung der passlosigkeit nicht erfüllt. da sie zwischenzeitlich volljährig ist, kommt es nicht (mehr) darauf an, ob ihren eltern ein verschulden zu last gelegt werden kann, das ihr zuzurechnen sein könnte. 23es ist die ureigene angelegenheit eines ausländers, seine identität aufzuklären und sich bei der für ihn zuständigen auslandsvertretung um die ausstellung eines ausweispapiers zu bemühen. der besitz eines gültigen passes zählt zu den obliegenheiten eines ausländers (vgl. § 3 abs. 1 aufenthg). jener ist ferner regelvoraussetzung für die erteilung eines jeden aufenthaltstitels (vgl. § 5 abs. 1 aufenthg) und damit auch für die hier erstrebte aufenthaltserlaubnis nach § 25 abs. 5 aufenthg. zudem verdeutlicht § 48 abs. 3 satz 1 aufenthg, dass ein ausländer bei der beschaffung von identitätspapieren alle erforderlichen mitwirkungshandlungen vorzunehmen hat. diese müssen sich neben dem bemühen um einen pass oder passersatz auch auf die beschaffung sonstiger urkunden und dokumente unabhängig vom aussteller richten, sofern sie zu dem zweck geeignet sind, die ausländerbehörde bei der geltendmachung und durchsetzung einer rückführungsmöglichkeit zu unterstützen. deshalb hat ein ausreisepflichtiger ausländer alle zur erfüllung seiner ausreisepflicht erforderlichen maßnahmen, und damit auch die zur beschaffung eines gültigen passes oder passersatzpapiers, grundsätzlich ohne besondere aufforderung durch die ausländerbehörde unverzüglich einzuleiten. dabei hat er - nicht die ausländerbehörde - sich gegebenenfalls unter einschaltung von mittelspersonen in seinem heimatland um erforderliche dokumente und auskünfte zu bemühen, wobei es grundsätzlich auch zumutbar ist, einen rechtsanwalt im herkunftsstaat zu beauftragen. erwartet werden muss in diesem zusammenhang, dass mit der größtmöglichen sorgfalt in nachvollziehbarer weise nachforschungen angestellt werden. deren art und umfang bestimmt sich nach den umständen des einzelfalls, 24vgl. ovg nrw, beschluss vom 5. juni 2008 – 18 e 471/08 -, juris, rn. 5 ff. 25grundsätzlich sind sämtliche handlungen zumutbar, die zur beschaffung eines zur ausreise oder zur abschiebung notwendigen dokuments erforderlich sind und nur vom ausländer persönlich vorgenommen werden können. eine mitwirkungshandlung, die von vornherein erkennbar aussichtslos ist, kann dem ausländer nicht abverlangt werden, 26vgl. bverwg, beschluss vom 15. juni 2006 - 1 b 54/06 -, juris, rn. 4; ovg nrw, urteil vom 18. juni 2008 - 17 a 2250/07 -, juris, rn. 35. 27gemessen hieran hat die klägerin zu 2. zumutbare anforderungen zur erlangung eines passes, die nicht von vornherein erkennbar aussichtslos sind, nicht unternommen. 28es liegen ausreichende anknüpfungspunkte vor, die der klägerin zu 2. nachforschungen zu ihrer identität und darauf aufbauend die beschaffung eines passes möglich machen könnten. 29die kammer geht dabei davon aus, dass die klägerin zu 2. sich hinsichtlich ihrer identität auf die angaben ihrer eltern verlassen muss. sie ist noch im kleinkindalter in das bundesgebiet eingereist und kann deshalb nur auf die angaben ihrer eltern zurückgreifen. anhaltspunkte dafür, dass die eltern der klägerin 2. eine falsche identität der klägerin zu 2. gegenüber den behörden angegeben und gleichzeitig der klägerin zu 2. ihre wahre identität eröffnet haben, sind nicht ersichtlich. 30aus den angaben des vaters der klägerin zu 2. im rahmen der mündlichen verhandlung lässt sich ableiten, dass der klägerin der beweis ihrer identität gegenüber den armenischen behörden möglich sein könnte, auch wenn diese bislang mitgeteilt hatten, unter den personalien der klägerin zu 2. keine person registriert zu haben. der vater der klägerin zu 2. führte aus, dass ein krankenhaus die geburt der klägerin zu 2. dokumentiert habe. die urkunde sei aber beim schlepper verlieben. die vom krankenhaus dokumentierte geburt könnte aber eine möglichkeit für die klägerin zu 2. bieten, ihre identität und staatsangehörigkeit zu beweisen und einen pass zu erlangen. auch wenn hierbei schwierigkeiten entstehen sollten und nicht unwahrscheinlich sind, ist es im zeitpunkt der mündlichen verhandlung zumindest nicht erkennbar aussichtslos, die unterlagen erneut von dem fraglichen krankenkaus zu beschaffen. im hinblick hierauf kann die kammer offen lassen, ob die weitere angabe des vaters, eine staatliche registrierung der klägerin zu 2. sei nicht erfolgt, glaubhaft ist. hieran könnten zumindest zweifel bestehen, da die angeblich hierfür zu bezahlenden 300 us-dollar übertrieben hoch erscheinen. 31die klägerin zu 2. wird nach aller voraussicht für die beschaffung von dokumenten aus armenien auf die einschaltung von mittelspersonen in armenien, etwa in form eines anwalts, angewiesen sein. sie kann ihrer obliegenheit zur passbeschaffung aber nicht damit entgegentreten, hieran wegen fehlender finanzieller mittel gehindert zu sein. 32dabei kann die kammer offen lassen, ob der einwand finanzieller mittel schon deshalb ausgeschlossen ist, da dieses risiko der lebenssphäre des ausländers zuzurechnen sein könnte. denn zumindest erfasst die obliegenheit des ausländers nach dem vorstehend beschriebenen maßstab, alle zumutbaren anstrengungen hinsichtlich der passbeschaffung zu unternehmen, die nicht erkennbar aussichtslos sind, also auch alle zumutbaren anstrengungen zur erlangung einer finanzierung der notwendigen maßnahmen für eine passbeschaffung zu unternehmen. dies bedeutet, dass ein ausländer, der sozialleistungen bezieht - so wie die klägerin zu 2. -, sich ausreichend und nachhaltig um die übernahme der kosten durch den sozialleistungsträger bemüht haben muss. diesem erfordernis ist die klägerin zu 2. nicht nachgekommen. 33ausreichende bemühungen in diesem sinne setzen voraus, dass der ausländer zunächst ermitteln muss, welche kosten für die beauftragung von mittelspersonen, etwa in form eines anwalts, in seinem heimatland anfallen werden. denn so lange diese kosten nicht zumindest ungefähr benannt sind, wird ein sozialleistungsträger schon wegen eines nicht hinreichend konkretisierten antrags keine kostenzusage geben können. der ausländer muss von seiner seite aus alles getan haben, um die bewilligung eines antrags gegenüber dem sozialleistungsträger zu erreichen. 34dies hat die klägerin zu 2. nicht getan. zwar hat sie nach ihren angaben in der mündlichen verhandlung die kosten für einen rechtsanwalt im internet recherchiert. die ergebnisse der recherche und die zu erwartenden kosten hat sie aber in keiner form nachvollziehbar dokumentiert. vor diesem hintergrund kann aus dem umstand, dass die stadt f. einen von der klägerin zu 2. gestellten antrag auf übernahme der kosten (mit einer fragwürdigen begründung) abgelehnt hat, keine ausreichende erfüllung der mitwirkungsobliegenheit abgeleitet werden. 35die klägerin zu 2. kann gegen die verweisung auf die inanspruchnahme eines sozialleistungsträgers auch nicht einwenden, dass ein entsprechender antrag offensichtlich keine aussicht auf erfolg hätte. die erfolgsaussichten eines solchen antrags dürften vielmehr offen, also eben nicht offensichtlich aussichtslos, sein. 36die übernahme von kosten für die passbeschaffung kommt für ausländer, die leistungen nach dem asylblg beziehen, zunächst auf der grundlage von § 6 abs. 1 alt. 4 asylblg in betracht. hiernach können sonstige leistungen insbesondere gewährt werden, wenn sie im einzelfall zur erfüllung einer verwaltungsrechtlichen mitwirkungspflicht erforderlich sind. bei der ausländerrechtlichen pflicht der erlangung eines passes handelt es sich sowohl nach der verwaltungsgerichtlichen als auch der sozialgerichtlichen rechtsprechung um eine verwaltungsrechtliche mitwirkungspflicht im sinne der vorschrift, 37vgl. ovg nrw, beschluss vom 5. juni 2008 - 18 e 471/08 -, juris, rn. 14, m.w.n.; lsg nrw, urteil vom 10. märz 2008 - l 20 ay 16/07 -, juris, rn. 34; deibel, in: dohm, gk-asylblg, § 6 rn. 244, 246; frerichs, in schlegel/voelzke, jurispk-sgb xii, 2. aufl. 2014, § 6 asylblg, rn. 93, 95. 38vorliegend dürfte ein anspruch der klägerin zu 2. auf grund von § 6 abs. 1 asylblg aber deshalb nicht mehr in betracht kommen, da die klägerin zu 2. gegenwärtig sogenannte analogleistungen nach § 2 abs. 1 asylblg bezieht. nach dieser vorschrift ist abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 asylblg das sgb xii auf diejenigen leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 15 monaten ohne wesentliche unterbrechung im bundesgebiet aufhalten und die dauer des aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. die aufenthaltsdauer in diesem sinne hat die klägerin zu 2. erfüllt. zu gunsten der klägerin zu 2. geht die kammer auch davon aus, dass diese ihren aufenthalt nicht rechtsmissbräuchlich im sinne der vorschrift beeinflusst hat. würde man hingegen von einer rechtsmissbräuchlichen beeinflussung des aufenthalts ausgehen, würde der erteilung einer aufenthaltserlaubnis schon der ausschlussgrund des § 25 abs. 5 satz 4 aufenthg entgegenstehen, da die klägerin zu 2. dann nicht unverschuldet an der ausreise gehindert wäre. 39soweit man die klägerin als (rechtmäßige) bezieherin von analogleistungen im sinne von § 2 abs. 1 asyblg erachtet, kommt ein anspruch auf die zuschussweise übernahme der kosten für die beauftragung eines rechtsanwalts in ihrem heimatstaat zwecks beschaffung eines nationalpasses aus § 73 satz 1 sgb xii in betracht. 40nach § 73 satz 1 sgb xii können leistungen auch in sonstigen lebenslagen erbracht werden, wenn sie den einsatz öffentlicher mittel rechtfertigen. hierbei gilt es zu beachten, dass auf grund des seit dem 1. januar 2011 in kraft getretenen gesetzes zur ermittlung des regelbedarfs nach § 28 sgb xii die kosten für die beschaffung von ausweispapieren im regelbedarf abgebildet sind. hierzu heißt es in der gesetzesbegründung (bt-drucksache 17/3404 s. 64): "bei sonstigen dienstleistungen werden die neufestgelegten gebühren von 28,80 eur bezogen auf zehn jahre für den personalausweis, die künftig auch hilfebedürftige personen zu entrichten haben, zusätzlich berücksichtigt. [...] zusätzlich wird unter der position "sonstige dienstleitungen, nicht genannte" ein betrag von 0,25 eur berücksichtigt. (daraus ergeben sich 3,00 eur im jahr und für die gültigkeitsdauer des neuen personalausweises insgesamt 30.00 eur.)“ da die kosten für eine passbeschaffung bereits in dem regelsatz nach § 28 sgb xii enthalten sind, bleibt nach der sozialgerichtlichen rechtsprechung für eine zuschussweise übernahme der passbeschaffungskosten eines ausländers gemäß § 73 satz 1 sgb xii kein raum. denn die vorschrift setzt eine unbenannte bedarfslage voraus, die eine gewisse vergleichbarkeit mit den ansonsten von der sozialhilfe abgedeckten lebenslagen aufweist, und die in den sonstigen bereichen des sozialrechts keine abschließende regelung erfährt. am letzteren fehlt es, da die kosten für ein ausweispapier im regelbedarf abgebildet werden, 41vgl. lsg nrw, urteil vom 18. mai 2015 - l 20 so 355/13 -, juris, rn. 36; sg aachen, urteil vom 16. juli 2013 - s 20 75/13 -, juris, rn. 21; vgl. zur rechtslage vor dem 1. januar 2011, als die kosten noch nicht im regelsatz enthalten waren, hingegen lsg nrw, urteil vom 23. mai 2011 - l 20 ay 19/08 -, juris, rn. 35. 42vorliegend geht es aber gerade nicht um passbeschaffungskosten im engeren sinne, wie der entrichtung einer gebühr für den ausweis oder die fahrtkosten zu einem konsulat, sondern um die kosten für die beauftragung eines rechtsanwalts, der in (einem ersten schritt) geeignete dokumente im heimatstaat zum beweis der identität der klägerin 2. beschaffen soll, die es ihr (in einem zweiten schritt) erst ermöglichen sollen, einen erfolgversprechenden antrag auf erteilung eines armenischen nationalpasses zu stellen. eine regelung für die übernahme von kosten der einschaltung eines rechtsanwalts im heimatland zur beschaffung von dokumenten zum nachweis der eigenen identität existiert nicht, sodass § 73 satz 1 sgb xii nicht schon deshalb gesperrt wäre, weil die erfüllung des bedarfs bereits abschließend geregelt wäre. 43soweit man entgegen der ansicht der kammer davon ausgeht, dass auch die kosten zur beschaffung von dokumenten im regelsatz enthalten sind, müsste die klägerin zu 2. sich darauf verweisen lassen, einen anspruch nach § 37 abs. 1 sgb xii geltend zu machen. kann im einzelfall ein von den regelbedarfen umfasster und nach den umständen unabweisbar gebotener bedarf auf keine andere weise gedeckt werden, sollen nach dieser vorschrift auf antrag hierfür notwendige leistungen als darlehen erbracht werden, 44vgl. zum anspruch nach § 37 abs. 1 sgb xii im falle der beschaffung eines passes lsg nrw, urteil vom 18. mai 2015 - l 20 so 355/13 -, a.a.o., rn. 52 f. 45geht man mit der kammer hingegen davon aus, dass die anfallenden kosten nicht im regelsatz enthalten sind, hält die kammer es für offen, ob die klägerin zu 2. mit erfolg einen antrag nach § 73 satz 1 sgb xii stellen kann. der begriff der lebenslage im sinne der vorschrift ist mit blick auf das system der im sgb xii geregelten leistungen zur deckung verschiedener bedarfssituationen zu verstehen, deren deckung zur führung eines menschenwürdigen lebens unerlässlich ist, vgl. § 1 satz 1 sgb xii. voraussetzung ist deshalb, dass ein besonderer, atypischer bedarf begründet ist. daher ist bei der erbringung von sozialhilfeleistungen, die der gesetzgeber nicht bereits ausdrücklich in den §§ 27-74 sgb xii erfasst hat, zu verlangen, dass ohne die leistungserbringung eine verletzung des verfassungsrechtlich gesicherten existenzminimums, der menschenwürde oder eines anderen grundrechts eintreten würde, 46vgl. für fälle mit sgb ii bezug: bsg, urteil vom 19. august 2010 - b 14 as 13/10 r -, juris, rn. 17, m.w.n.; für fälle ohne sgb ii bezug baylsg, beschluss vom 27. januar 2016 - l 8 so 306/14 b er -, juris, rn. 16; böttiger, in: jurispk-sgb xii, § 73 rn. 25. 47ob aufgrund der spezifischen ausländerrechtlichen situation der klägerin ein grundrechtlicher bedarf im vorgenannten sinne für die übernahme der kosten, die die identität der klägerin beweisen sollen, angenommen werden kann, ist bislang in der sozialgerichtlichen rechtsprechung nicht geklärt. es könnte aber einen verfassungsrechtlich relevanten, nicht auflösbaren wertungswiderspruch bedeuten, die beschriebenen kosten zur klärung der identität und dem erhalt eines passes nicht zu übernehmen, wenn der aufenthalt eines ausländers im bundesgebiets rechtlich oder tatsächlich zwingend ist, etwa weil ein ausreisehindernis im sinne des § 25 abs. 5 aufenthg vorliegt, die erteilung eines aufenthaltstitels aber allein daran scheitert, dass die identität nicht geklärt ist (§ 5 abs. 1 nr. 1a aufenthg) und die passpflicht (§ 5 abs. 1 nr. 4 aufenthg) nicht erfüllt wird. denn dann würde der betroffene ausländer trotz eines zwingend notwendigen aufenthalts im bundesgebiet daran gehindert, eine aufenthaltserlaubnis zu erhalten und müsste sich dauerhaft auf den duldungsstatus trotz der damit verbundenen nachteile verweisen lassen. die kammer braucht die frage, ob eine auslegung von § 73 satz 1 sgb xii in diesem sinne gerechtfertigt ist, nicht zu entscheiden. im hinblick auf den bei § 25 abs. 5 satz 4 aufentg anzulegenden maßstab ist es ausreichend, dass eine auslegung im vorgenannten sinne und damit ein antrag gegenüber dem sozialleistungsträger nicht erkennbar aussichtslos sind. dies ist im hinblick auf die vorstehenden argumente der fall. insbesondere liegen auch keine anderslautenden judikate der sozialgerichtlichen rechtsprechung hierzu vor. aus der ausländerrechtlichen perspektive des § 25 abs. 5 satz 4 aufentg ist es der klägerin deshalb zuzumuten, zunächst einen - substantiierten - antrag gegenüber dem sozialleistungsträger zu stellen und anschließend ggf. sozialgerichtlichen rechtsschutz in anspruch zu nehmen. dass ein von der klägerin zu 2. gestellter antrag vom sozialamt der stadt f. abgelehnt worden ist, ist deshalb unerheblich, da die klägerin zu 2. sich gegen die ablehnung nicht zu wehr gesetzt hat. 48die fehlende vorlage eines passes durch die klägerin zu 2. hat weiterhin zur folge, dass der erteilung einer aufenthaltserlaubnis nach § 25 abs. 5 aufenthg auch die nichterfüllung der regelerteilungsvoraussetzung des § 5 abs. 1 nr. 4 aufenthg entgegensteht. gründe für einen ausnahmefall von der regel liegen nicht vor, da die klägerin zu 2. - wie vorstehend ausgeführt - die ihr zumutbaren mitwirkungspflichten bei der passbeschaffung nicht erfüllt hat. die im hinblick auf § 114 satz 1 vwgo nur eingeschränkt überprüfbare ermessensentscheidung der beklagten, von dem erfordernis der passpflicht auch nicht im ermessenswege nach § 5 abs. 3 satz 2 aufenthg abzusehen, ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. die beklagte hatte in der streitgegenständlichen ordnungsverfügung ausgeführt, dass die klägerin zu 2. mit eintritt der volljährigkeit selbst die möglichkeit haben wird, sich einen reisepass und identitätsdokumente zu beschaffen. im rahmen der mündlichen verhandlung hat die beklagte diese erwägung im sinne des § 114 satz 2 vwgo zulässig dahingehend ergänzt, dass anhaltspunkte vorlägen, die nachforschungen der klägerin zu 2. zu ihrer identität erlaubten. diese erwägungen werden dem zweck der erfüllung der passpflicht (§ 5 abs. 1 nr. 4 aufenthg) und der absehensvorschrift (§ 5 abs. 3 satz 2 aufenthg) gerecht, da die von der beklagten von der klägerin zu 2. verlangten aufklärungsmaßnahmen dieser zumutbar sind, wie vorstehend bereits ausgeführt wurde. auf die weiteren ermessenserwägungen der beklagten kommt es deshalb nicht an. 49da die allgemeine erteilungsvoraussetzung des § 5 abs. 1 nr. 4 aufenthg nicht vorliegt, bedarf es keiner weiteren erörterung, ob im rahmen des § 25 abs. 5 aufenthg noch ein ausreisehindernis aus einem anderen grund als der passlosigkeit in betracht kommt. 50der erteilung einer aufenthaltserlaubnis nach § 25a aufenthg, deren besondere erteilungsvoraussetzungen vorliegen dürften, und der erteilung einer aufenthaltserlaubnis nach § 25b aufenthg steht die nichterfüllung der passpflicht (§ 5 abs. 1 nr. 4 aufenthg) ebenfalls entgegen. es bestand keine veranlassung für die beklagte, das absehensermessen nach § 5 abs. 3 satz 2 aufenthg für diese aufenthaltstitel anders auszuüben. 51hinsichtlich der kläger zu 1. und 3 folgt die kostenentscheidung aus § 155 abs. 2 vwgo. die kostenentscheidung hinsichtlich der klägerin zu 2. folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 abs. 2, abs. 1 vwgo i. v. m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo. | Verklagte*r | 0 |
124,143 | 17 K 8189/15 | 2016-06-28T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin ist Eigentümerin zweier Festmacheinerichtungen für Binnenschiffe am Rhein „An der T. “ (Steiger Düsseldorf 0, Rheinstrom-km 000,0+00 und Steiger Düsseldorf 0, Rheinstrom-km 000,0+0) und wendet sich gegen eine ihr mit Änderungsbescheid vom 13. November 2015 auferlegte Nebenbestimmung, die Festmacheinrichtungen dürften bei Belegung mit jeweils zwei Schiffen nur mit einem zweiten Angriffs- und Rettungsweg für die Feuerwehr betrieben werden. Die Steiger werden von Hotelschiffen mit einer Länge von bis zu 135m und jeweils etwa 140 bis 220 Passagieren zuzüglich 30 bis 45 Personen Besatzung genutzt. 3Mit Bescheid vom 4. Februar 2013 wurde der O. -E. Häfen GmbH & Co. KG antragsgemäß die wasserrechtliche Genehmigung zum Umbau und Betrieb der Steiger Düsseldorf 0 und Düsseldorf 0 erteilt. In den Nebenbestimmungen des Bescheides hieß es u.a., Änderungen und Ergänzungen blieben vorbehalten. Sie würden dann vorgenommen, wenn wesentliche Nachteile für das Gemeinwohl zu beseitigen oder zu verhüten wären (Ziff. 3.3). Das wurde in den Erwägungen des Bescheides wiederholt. Hinsichtlich des Brandschutzes war lediglich bestimmt, die freie Zuwegung für Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge zu der Anlegestelle sei jederzeit zu gewährleisten (Ziff. 3.18 - alt -). Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens beteiligte die Bezirksregierung Düsseldorf die Stadt Düsseldorf als Trägerin öffentlicher Belange und Grundstückeigentümerin. Durch eine partielle Gesamtrechtsnachfolge zwischen der O. -E. Häfen GmbH & Co. KG und der Klägerin sind die in Rede stehenden Steigeranlagen auf die Klägerin übergegangen. 4Mit 1. Änderungsbescheid vom 13. November 2015 fügte die Bezirksregierung Düsseldorf gestützt auf § 99 Abs. 2 Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (LWG NRW) nach vorheriger Anhörung der Klägerin eine weitere Nebenbestimmung (Ziff. 3.18 - neu -) zu der zuvor genannten Nebenbestimmung Ziff. 3.18 - alt - der wasserrechtlichen Genehmigung hinzu. Der Betrieb der Steigeranlagen Düsseldorf 0 und Düsseldorf 0 mit jeweils zwei Schiffen sei nicht zulässig, sofern kein zweiter verkehrssicherer Angriffs- und Rettungsweg (im Folgenden: Rettungsweg) für die Feuerwehr vorhanden sei. Details zur Ausführung seien mit der Feuerwehr Düsseldorf abzustimmen. Der zweite Rettungsweg sei aus Gründen des vorbeugenden Brandschutzes zwingend erforderlich. Bei einer Schiffsdoppelbelegung ermögliche ein Rettungsweg im Brandfalle den Passagieren die Flucht. Der andere Weg diene gleichzeitig der Feuerwehr als Zuwegung für die Brandbekämpfung. Ein fehlender zweiter Rettungsweg führe im Brandfalle zu einer akuten Gefährdung der Passagiere und sei daher zur Vermeidung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Vermögen und Eigentum der Passagiere geboten und verhältnismäßig. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich, ebenfalls bestünde aus der Ursprungsgenehmigung heraus kein Vertrauensschutz, von einer solchen Maßnahme verschont zu bleiben. 5Dagegen hat die Klägerin am 9. Dezember 2015 Klage erhoben und macht im Wesentlichen geltend: Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 99 Abs. 2 LWG NRW lägen nicht vor. Das Wohl der Allgemeinheit erfordere die angefochtene Nebenbestimmung nicht, sie sei unverhältnismäßig. Sie sei schon nicht erforderlich. Hotelschiffe, die an den Steigern festmachten, verfügten über spezielle Brandschutzvorschiften und Rettungspläne (Sicherheitsrollen). Das Schiffspersonal sei für den Brandfall umfassend geschult. Es gebe nicht nur Sammel- und Evakuierungsflächen an Bord, die im Brandfalle eine schnelle Evakuierung der Passagiere ermöglichten, sondern diese sei gegebenenfalls auch über den Wasserweg mittels Rettungsboten möglich. Im Brandfalle könne Feuer sogar ohne die Unterstützung der Feuerwehr bekämpft werden. Dies gelte auch bei Doppelbelegung der Steiger. Im Übrigen verstoße der nachträgliche Erlass der Nebenbestimmung gegen Grundsätze des Vertrauensschutzes. Sie habe erhebliche finanzielle Aufwendungen getätigt um die Steiger zu betreiben und bei ihrer Kostenkalkulation darauf vertrauen können, dass das beklagte Land alle bereits damals bekannten Tatsachen bei Genehmigungserlass in die Nebenbestimmungen eingestellt habe. Die Kosten für einen jetzt auferlegten zweiten Rettungsweg betrügen etwa 400.000,00 Euro, was eine wirtschaftliche Nutzung der Steiger nicht mehr möglich mache. Auch eine nur einfache Belegung der Steiger sei wegen der anderweitigen Planungen bei Genehmigungserlass wirtschaftlich nicht rentabel. Der Vertrauensschutz müsse gegenüber Belangen des Gemeinwohls überwiegen. 6Die Klägerin beantragt, 7den 1. Änderungsbescheid vom 13. November 2015 in der Gestalt vom 28. Juni 2016 aufzuheben, 8hilfsweise, 9das beklagte Land unter Aufhebung des 1. Änderungsbescheides vom 13. November 2015 in der Gestalt vom 28. Juni 2016 zu verpflichten, ihr eine wasserrechtliche Genehmigung zum Umbau und Betrieb der Steiger Düsseldorf 0 (Rheinstrom-km 000,0+00) und Düsseldorf 0 (Rheinstrom-km 000,0+0) ohne die Nebenbestimmung Ziff. 3.18 - neu - aus dem 1. Änderungsbescheid vom 13. November 2015 in der Gestalt vom 28. Juni 2016 zu erteilen. 10Das beklagte Land beantragt, 11die Klage abzuweisen. 12Die Klage sei unbegründet. Vertiefend zu den Ausführungen in dem 1. Änderungsbescheid macht es geltend, die Gefahrenabwehr habe den zweiten Rettungsweg bei Schiffsdoppelbelegung erforderlich werden lassen. Es sei einer Forderung der Stadt Düsseldorf nachgekommen worden. Der Weg über eine weitere Nebenbestimmung zur Ausgangsgenehmigung sei auch gegenüber dem möglichen Widerruf der gesamten wasserrechtlichen Genehmigung ein milderes Mittel. 13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. 14Entscheidungsgründe: 15Die Klage hat weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg. 16A. Der zulässige Hauptantrag (I.) ist unbegründet (II.). 17I. Der Hauptantrag ist als Anfechtungsklage zulässig. Bei der angefochtenen Nebenbestimmung Ziff. 3.18 - neu - in der 1. Änderungsgenehmigung vom 13. November 2015 in der Gestalt vom 28. Juni 2016 handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne der §§ 1 Abs. 1, 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW), der der Klägerin eine belastende Regelung (Errichtung eines zweiten Rettungsweges bei Doppelbelegung der Steiger mit jeweils zwei Schiffen) aufgibt. 18Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist gegen belastende Nebenbestimmungen grundsätzlich die Anfechtungsklage gegeben, 19vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2000 – 11 C 2.00 -, juris Rn. 25. 20Dies gilt insbesondere für die einem - wie hier in Form der wasserrechtlichen Genehmigung vom 4. Februar 2013 - begünstigenden Verwaltungsakt beigefügte Auflage gem. § 35 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW. Wird - wie es die Klägerin begehrt - geltend gemacht, eine solche Nebenbestimmung finde im Gesetz keine Grundlage, so kann dies mit der Klage auf Aufhebung der Nebenbestimmung geltend gemacht werden. Ob diese Klage zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, hängt davon ab, ob der begünstigende Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann; dies ist indes eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet, 21vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2000 – 11 C 2.00 -, juris Rn. 25; BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1984 - 4 C 70.80 -, juris Rn. 14, jew. m.w.N. 22Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Insbesondere handelt es sich bei der Nebenbestimmung Ziff. 3.18 - neu - nicht um eine modifizierende Auflage oder Inhaltsbestimmung, die die eigentliche Genehmigung qualitativ veränderte. Denn die bestandskräftige Genehmigung zum Umbau und Betrieb der Steiger wird nicht durch eine Gewährung anderer Art ersetzt. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine spezifische Teilbeschränkung des Betriebs der Steiger bei der Doppelbelegung mit zwei Schiffen ohne die bestandskräftige Genehmigung gänzlich inhaltlich zu modifizieren. Typ, grundlegendes Konzept oder Standort der Steigeranlage selbst bleiben unverändert, zumal die Anlage nur optional auf den Betrieb mit jeweils zwei Schiffen an einem Steiger ausgerichtet ist (vgl. etwa Genehmigungsunterlagen, Statik, Bl. 7, Bl. 72 VV BA Heft 2). 23II. Der Hauptantrag ist jedoch unbegründet. Der 1. Änderungsbescheid vom 13. November 2015 in der Gestalt vom 28. Juni 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 241. Gem. § 36 Satz 3 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) i.V.m. § 99 Abs. 2 Satz 1 LWG NRW darf eine - wie hier - wasserrechtliche Genehmigung auch nachträglich nur mit Nebenbestimmungen verbunden werden, wenn dies das Wohl der Allgemeinheit erfordert. 25Der Begriff „Wohl der Allgemeinheit“ in § 99 Abs. 2 Satz 1 LWG NRW entzieht sich einem vordefinierten Verständnis und bedarf der Konkretisierung. Er ist als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegend, 26vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 6. September 2004 - 7 B 62.04 -, juris. 27Der Gesetzgeber verbindet mit ihm begrifflich in aller Regel die Vorstellung, besondere öffentliche Interessen seien zu berücksichtigen. Der Begriff ist in einem umfassenden Sinne zu verstehen und wird, insoweit in Anbetracht des in § 1 WHG normierten Zwecks der Gewässerbewirtschaftung sowie der in § 6 Abs. 1 WHG, § 2 LWG NRW zum Ausdruck kommenden Grundsätze der Gewässerbewirtschaftung, jedenfalls geprägt durch die Berücksichtigung wasserwirtschaftlicher Belange, 28vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1978 - 4 C 25.75, juris; BVerwG, Urteil vom 17. März 1989 - 4 C 30.88, juris; Czychowski/Reinhardt, WHG, 10. Aufl., § 55 Rn. 7, § 6 Rn. 30; Kotulla, Wasserhaushaltsgesetz, 2. Aufl., § 55 Rn. 4. 29Ungeachtet der Frage, ob die Anlegung eines zweiten Rettungsweges im Rahmen der erleichterten Brandbekämpfung von im Paket, d.h. an einem Steiger nebeneinander liegenden Schiffen ebenso der Minimierung von Gefahren für das Gewässer selbst (etwa Eindringen von Betriebsstoffen durch zu spät gelöschtes Feuer) und damit auch wasserwirtschaftlichen Belangen dient, ist der Regelungsgehalt der Norm nicht auf solche Belange beschränkt. Denn die Beeinträchtigung wasserrechtlicher Bewirtschaftungsgrundsätze in § 2 LWG NRW wird lediglich als ein Beispiel („insbesondere“) für eine mögliche Gefährdung des Wohls der Allgemeinheit genannt. Der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung erschöpft sich daher nicht in der Sicherung des Wasserhaushalts allein. Die Benutzung der Gewässer soll vielmehr in umfassenderer Weise dem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang mit ihm auch dem Nutzen Einzelner dienen, 30vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 1989 – 4 C 30.88 –, juris Rn. 11 ff.; allg. Berendes, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, § 6 Rn. 18. 31Gebietet der Wortlaut damit ein umfassenderes Verständnis, sind jedenfalls bei Steigeranlagen die dem Regelungsgehalt des § 99 Abs. 1 Satz 1 LWG NRW unterliegen und die naturgemäß dem Übertritt von Personen vom Festland auf Schiffe und umgekehrt dienen, Belange der Sicherheit von Leib und Leben („menschliche Gesundheit“) einzustellen. Ob jedes öffentliche Interesse - etwa das von dem beklagten Land auch bemühte Interesse am Schutz von Sachgütern und Eigentum der Passagiere - geeignet ist, hier einen Gemeinwohlbelang darzustellen, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung. 32Im Übrigen ist unbeschadet § 36 Satz 3 WHG i.V.m. § 99 Abs. 2 Satz 1 LWG NRW in der wasserrechtlichen Erlaubnisurkunde vom 4. Februar 2013 mit der Nebenbestimmung Ziff. 3.3 selbst festgehalten, dass nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen der Genehmigung zulässig sind, wenn (wesentliche) „Nachteile für das Gemeinwohl“ zu beseitigen oder zu verhüten sind. 332. Vor diesem Hintergrund erfordert das Wohl der Allgemeinheit die Einrichtung eines zweiten Rettungsweges, wenn jeweils zwei Schiffe an einem Steiger liegen (a.), die Maßnahme ist auch verhältnismäßig (b.). 34a. Eingedenk der Ausführungen unter A. II. 1. umfasst der Begriff „Wohl der Allgemeinheit“ in § 99 Abs. 2 Satz 1 LWG NRW jedenfalls auch im Zusammenhang mit der wasserrechtlich genehmigten Steigeranlage in Rede stehende Belange der Sicherheit von Leib und Leben („menschliche Gesundheit“) der Nutzer. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn das beklagte Land in der angefochtenen 1. Änderungsgenehmigung aus diesem schützenswerten Interesse heraus bei Doppelbelegung eines Steigers mit zwei (Hotel-)Schiffen einen weiteren verkehrssicheren Rettungsweg für die Feuerwehr fordert. Dies gilt auch in Ansehung der nicht unbeträchtlichen Passagier- und Besatzungszahlen, die im Falle der Maximalbelegung evakuiert werden müssten (zwischen 400 und 500 Personen). Die von der Klägerin vorgebrachten Eigensicherungen der Hotelschiffe (Sicherheitsrollen, speziell ausgebildetes Personal für den Brandfall, Brandschutzkonzepte und Rettungspläne) stehen hier nicht entgegen. Denn ob trotz dieser eigenen Vorkehrungen noch ein weiterer Rettungsweg erforderlich ist, ist keine tatbestandliche Frage des „Wohls der Allgemeinheit“, sondern der Verhältnismäßigkeit der Nebenbestimmung (siehe dazu b.). 35b. Die Nebenbestimmung Ziff. 3.18 - neu - ist verhältnismäßig. 36aa. Zu der Erreichung des beabsichtigten legitimen Zieles, die Passagiere und Besatzungsmitglieder vor Brandgefahren durch eine zügige Evakuierung bei einer Doppelbelegung der Steiger mit zwei Schiffen zu schützen und Brände schneller bekämpfen zu können, ist die Anlegung eines weiteren verkehrssicheren Rettungsweges als Maßnahme geeignet. 37bb. Sie ist auch erforderlich, da ein milderes, gleich wirksames Mittel nicht ersichtlich ist. Dies gilt nicht nur im Hinblick darauf, dass die auferlegten Änderungen das mildere Mittel gegenüber einem sonst möglichen Widerruf der Erlaubnis nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen - VwVfG NRW - i.V.m. § 99 Abs. 2 Satz 1 LWG NRW darstellten. Ungeachtet dessen bildet die von der Klägerin bemühte Eigensicherung der Schiffe gegen Brände kein hinreichend gleich geeignetes Mittel bei Festbelegung des Steigers mit zwei Schiffen. Die Hotelschiffe verfügen zwar jeweils über Sicherheitsanweisungen nach den Maßgaben für Flusskreuzfahrtschiffe der Q. -Flotte. Darin sind Evakuierungsabläufe vorgeschrieben (vgl. etwa Sicherheitsanweisung, Stand März 2011, S. 14ff.). Das Borpersonal ist entsprechend geschult und die Aufgaben für die Besatzung im Brandfalle in den Sicherheitsrollen festgelegt (vgl. Anlage 2 zum Schriftsatz der Klägerin vom 18. März 2016). Auch ist es zutreffend, dass die Bekämpfung eines Feuers an Bord des Schiffes notfalls ohne Landkontakt erfolgen muss. Jedoch gelten abweichend hiervon bei der Belegung eines Steigers mit zwei Schiffen gleichzeitig Besonderheiten, die zu erhöhten Anforderungen führen. Wird der Steiger doppelt belegt, sind im Brandfalle auch doppelt so viele Passagiere und Besatzungsmitglieder zu evakuieren. Bei den in Rede stehenden Schiffen der Q. -Klasse sind dies nahezu gleichzeitig bei einer Maximalbelegung insgesamt bis zu 530 Personen (vgl. etwa Datenblatt der MS B. , Anlage 1 zum Schriftsatz der Klägerin vom 18. März 2016) und bei Minimalbelegung immerhin noch über 200 Personen einschließlich der jeweiligen Bordcrew (vgl. etwa Datenblatt der MS H. , Anlage 1 zum Schriftsatz der Klägerin vom 18. März 2016 - 71 Kabinen, d.h. Einzelkabinenbelegung nebst Bordcrew). Die Möglichkeit einer schnelleren und sichereren Evakuierung der Passagiere über zwei Rettungswege (ein Fluchtweg und zugleich ein Zugang für die Feuerwehr zur schnelleren Brandbekämpfung, bzw. vor Eintreffen der Landfeuerwehr zwei Rettungswege für die Passagiere) ist angesichts des hohen Gutes von Leib und Leben der Passagiere und Bordmitglieder für eine schnelle und möglichst gefahrlose Evakuierung und dann folgende Brandbekämpfung daher geboten. Dafür spricht auch der der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über die technischen Vorschriften für Binnenschiffe und zur Aufhebung der Richtlinie 82/714/EWG des Rates - 2006/87/EG - (EU Abl. L 389/1) zugrundeliegende Gedanke, wonach unter Art. 15.06 Ziff. 8 Buchst. f) die Evakuierung der Personen von Bord über gekennzeichnete Evakuierungsflächen von beiden Seiten des Schiffes möglich sein muss. Ziel ist stets eine schnelle und zügige Fortbringung der Personen von der Brandgefahrenquelle. Liegen die Schiffe im Paket nebeneinander, ist die Evakuierung über eine Seite ohnehin schon erschwert, weil dort die Passagiere und Besatzungsmitglieder des anderen Schiffes warten und zunächst evakuiert werden müssen. Über einen zweiten Rettungsweg gelingt dies im Brandfalle geordneter und rascher und verringert damit die Gefahr, Schaden an Leib und Leben zu nehmen. Eine eventuell auch mögliche Evakuierung eines Teils der Passagiere über das Wasser kann hier - zumal auch diese erschwert ist, weil nur eine Schiffsseite dafür zur Verfügung steht - nicht ins Feld geführt werden. Die Richtlinien über die Sicherheitsanweisungen für Passagiere (vgl. Anlage 2 zum Schriftsatz der Klägerin vom 18. März 2016, S. 1) schreiben unter „Verhalten bei Generalalarm“, worunter der Brandfall fällt, generell für alle Schiffe der Q. - Klasse vor: „Im Hafen ist der Sammelplatz an Land …Sie [die Passagiere] versammeln sich an Land, 50m vom Schiff entfernt“. Liegen die Schiffe folglich im Hafen, gleichzuachten ist der Festmachsteiger, erfolgt die Evakuierung über Land und nicht über das Wasser mittels zusätzlicher Rettungsboote. Schließlich ist die geforderte zweite Zuwegung bei einer Doppelbelegung des Steigers auch deswegen notwendig, weil sie dazu führt, dass ein weiterer Angriffsweg für die Feuerwehr geschaffen wird und so ungeachtet der bordeigenen Brandbekämpfung des jeweiligen Schiffes ein Übergreifen des Feuers von einem auf das andere Schiff effektiver bekämpft werden kann. Dies minimiert weitere Brandgefahren für noch auf den Evakuierungsflächen befindliche Personen. Ein gleich geeignetes milderes Mittel zu der Schaffung eines weiteren Angriffs- und Rettungsweges bei optionaler Doppelbelegung der Steiger ist nach alledem nicht ersichtlich; ein solches wird auch von der Klägerin im Klageverfahren letztlich alternativ zum gänzlichen Verzicht auf die angefochtenen Nebenbestimmung nicht vorgebracht. 38cc. Die Nebenbestimmung Ziff. 3.18 - neu - ist verhältnismäßig im engeren Sinne. Die nicht weiter von der Klägerin substantiierten, hier dennoch zu ihren Gunsten unterstellten Gesamtkosten für die Errichtung eines zweiten Angriffs- und Rettungsweges für die Feuerwehr von etwa 400.000,00 Euro (für beide Steiger) sind gemessen an der durch die weitere Zuwegung geschaffenen Möglichkeit einer schnelleren und sichereren Evakuierung der Passagiere und damit einer Minimierung des Gefahrenpotentials für das hohe Schutzgut Leib und Leben sowie einer schnelleren - ggf. die Bordcrew unterstützenden - Brandbekämpfung durch die Landfeuerwehr nicht unzumutbar. Der Schutz von Leib und Leben kann grundsätzlich hier nicht mit der finanziellen Zumutbarkeit der Auferlegung von Kosten aufgewogen werden. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass es sich um einen einmaligen Investitionsaufwand handelt, der die Doppeltbelegung der Steiger dann auf Jahre hin weiter ermöglicht. Im Übrigen führte es auch zu keinem anderen Ergebnis, wenn tatsächlich die Steiger nur zu Messezeiten und damit nicht ganzjährig doppelt belegt wären, wie die Klägerin vorträgt (vgl. Stellungnahme der Klägerin vom 19. August 2015 zur Anhörung, Bl. 47ff. BA Heft 1). Denn die Sachlage stellt sich nicht ersichtlich anders dar als zum Erlasszeitpunkt der wasserrechtlichen Genehmigung vom 4. Februar 2013. Hätte das beklagte Land seinerzeit die - nach den obigen Ausführungen gebotene - Nebenbestimmung bereits in die Genehmigung aufnehmen wollen, hätte die Klägerin ebenso die jetzt vorgebrachten Wirtschaftlichkeitserwägungen bei der Nutzung des Steigers mit zwei Schiffen anstellen müssen und auch - wie die Ausführungen in der Klageschrift vom 17. März 2016, S. 6f. zeigen - angestellt. Sie hätte für sich befinden müssen, ob Umbau und Betrieb der Steiger mit gegebenenfalls jeweils nur einem Schiff dann insgesamt noch rentabel gewesen wären. Wäre die Hinzufügung derselben Nebenbestimmung aber im Zeitpunkt der wasserrechtlichen Genehmigung rechtmäßig gewesen, gilt jetzt nichts anderes. Hätte die Klägerin seinerzeit dann auf eine entsprechende Genehmigung aus wirtschaftlichen Gründen ganz verzichtet oder den Umbau des Steigers nur von vornherein planungsrechtlich auf ein Schiff ausgelegt, mag dies eventuell schadensersatzrechtliche Fragen aufwerfen, nicht aber die Nebenbestimmung jetzt unverhältnismäßig sein lassen. 39Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Zwar hat sie nach eigenen Aussagen offenbar nicht unerhebliche und bei Erlass des 1. Änderungsbescheides im Jahre 2015 zeitlich noch nicht lange zurückliegende Investitionen für den Umbau und Betrieb der Steiger getätigt. Der Genehmigungsinhalt der am 4. Februar 2013 erteilten wasserrechtlichen Genehmigung war von vornherein jedoch in seinem Regelungsinhalt zum einen beschränkt durch den nachträglichen Nebenbestimmungsvorbehalt in Ziff. 3.3 zum anderen durch die normativen Regelungen über die nachträgliche Ergänzung einer Anlagengenehmigung in § 99 Abs. 2 Satz 1 LWG NRW. Daher konnte die Klägerin nicht darauf vertrauen, dass „alles so bleibt, wie es bei Genehmigungserteilung war“ und nicht noch finanzielle Folgeinvestitionen hinzutreten. Die Tatsachen, die die nunmehr angefochtene Nebenbestimmung geboten sein ließen, waren zwar wohl jedenfalls der im Genehmigungsverfahren beteiligten Stadt Düsseldorf bei Erlass der Ursprungsgenehmigung im Jahre 2013 bekannt, daraus folgt jedoch kein öffentlich-rechtlicher Vertrauensschutz. Denn das Unterlassen einer aus Gründen des Allgemeinwohls angezeigten Nebenbestimmung zum Zeitpunkt der Erteilung der begehrten wasserrechtlichen Genehmigung - gleich aus welchem Grunde und welcher Motivation folgend - führt nicht dazu, es wäre dem beklagten Land für die Zukunft verwehrt, eine solche zu erlassen. Dies mag dann - wie zuvor bereits erwähnt - unter bestimmten Umständen Schadensersatzansprüche der Klägerin begründen können, nicht jedoch dazu führen, die Allgemeinheit weiterhin schutzlos potentiellen Gefährdungen auszusetzen. 40Sonstige Bedenken gegen die angefochtene Verfügung sind nicht ersichtlich, insbesondere wird angemerkt, dass die Ausführungen der Klägerin zu etwaigen Ermessenfehlern des beklagten Landes mit Blick auf die in der Klageerwiderung zitierten baurechtlichen Normen ins Leere gehen, da sich solche baurechtlichen Erwägungen im 1. Änderungsbescheid schon nicht finden, sondern explizit auf § 99 Abs. 2 Satz 1 LWG NRW abgestellt wird. 41B. Der Hilfsantrag hat keinen Erfolg. Jedenfalls hat die Klägerin aufgrund der Darlegungen unter Ziffer A. II. 2. keinen Anspruch auf die Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung ohne den Regelungsgehalt der Nebenbestimmung Ziff. 3.18 - neu - in dem 1. Änderungsbescheid vom 13. November 2015 in Gestalt vom 28. Juni 2016. 42C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung. 43Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 VwGO). | die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110% des auf grund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2die klägerin ist eigentümerin zweier festmacheinerichtungen für binnenschiffe am rhein „an der t. “ (steiger düsseldorf 0, rheinstrom-km 000,0+00 und steiger düsseldorf 0, rheinstrom-km 000,0+0) und wendet sich gegen eine ihr mit änderungsbescheid vom 13. november 2015 auferlegte nebenbestimmung, die festmacheinrichtungen dürften bei belegung mit jeweils zwei schiffen nur mit einem zweiten angriffs- und rettungsweg für die feuerwehr betrieben werden. die steiger werden von hotelschiffen mit einer länge von bis zu 135m und jeweils etwa 140 bis 220 passagieren zuzüglich 30 bis 45 personen besatzung genutzt. 3mit bescheid vom 4. februar 2013 wurde der o. -e. häfen gmbh & co. kg antragsgemäß die wasserrechtliche genehmigung zum umbau und betrieb der steiger düsseldorf 0 und düsseldorf 0 erteilt. in den nebenbestimmungen des bescheides hieß es u.a., änderungen und ergänzungen blieben vorbehalten. sie würden dann vorgenommen, wenn wesentliche nachteile für das gemeinwohl zu beseitigen oder zu verhüten wären (ziff. 3.3). das wurde in den erwägungen des bescheides wiederholt. hinsichtlich des brandschutzes war lediglich bestimmt, die freie zuwegung für feuerwehr- und rettungsfahrzeuge zu der anlegestelle sei jederzeit zu gewährleisten (ziff. 3.18 - alt -). im rahmen des genehmigungsverfahrens beteiligte die bezirksregierung düsseldorf die stadt düsseldorf als trägerin öffentlicher belange und grundstückeigentümerin. durch eine partielle gesamtrechtsnachfolge zwischen der o. -e. häfen gmbh & co. kg und der klägerin sind die in rede stehenden steigeranlagen auf die klägerin übergegangen. 4mit 1. änderungsbescheid vom 13. november 2015 fügte die bezirksregierung düsseldorf gestützt auf § 99 abs. 2 wassergesetz für das land nordrhein-westfalen (lwg nrw) nach vorheriger anhörung der klägerin eine weitere nebenbestimmung (ziff. 3.18 - neu -) zu der zuvor genannten nebenbestimmung ziff. 3.18 - alt - der wasserrechtlichen genehmigung hinzu. der betrieb der steigeranlagen düsseldorf 0 und düsseldorf 0 mit jeweils zwei schiffen sei nicht zulässig, sofern kein zweiter verkehrssicherer angriffs- und rettungsweg (im folgenden: rettungsweg) für die feuerwehr vorhanden sei. details zur ausführung seien mit der feuerwehr düsseldorf abzustimmen. der zweite rettungsweg sei aus gründen des vorbeugenden brandschutzes zwingend erforderlich. bei einer schiffsdoppelbelegung ermögliche ein rettungsweg im brandfalle den passagieren die flucht. der andere weg diene gleichzeitig der feuerwehr als zuwegung für die brandbekämpfung. ein fehlender zweiter rettungsweg führe im brandfalle zu einer akuten gefährdung der passagiere und sei daher zur vermeidung von gefahren für leben, gesundheit, vermögen und eigentum der passagiere geboten und verhältnismäßig. ein milderes mittel sei nicht ersichtlich, ebenfalls bestünde aus der ursprungsgenehmigung heraus kein vertrauensschutz, von einer solchen maßnahme verschont zu bleiben. 5dagegen hat die klägerin am 9. dezember 2015 klage erhoben und macht im wesentlichen geltend: die tatbestandlichen voraussetzungen des § 99 abs. 2 lwg nrw lägen nicht vor. das wohl der allgemeinheit erfordere die angefochtene nebenbestimmung nicht, sie sei unverhältnismäßig. sie sei schon nicht erforderlich. hotelschiffe, die an den steigern festmachten, verfügten über spezielle brandschutzvorschiften und rettungspläne (sicherheitsrollen). das schiffspersonal sei für den brandfall umfassend geschult. es gebe nicht nur sammel- und evakuierungsflächen an bord, die im brandfalle eine schnelle evakuierung der passagiere ermöglichten, sondern diese sei gegebenenfalls auch über den wasserweg mittels rettungsboten möglich. im brandfalle könne feuer sogar ohne die unterstützung der feuerwehr bekämpft werden. dies gelte auch bei doppelbelegung der steiger. im übrigen verstoße der nachträgliche erlass der nebenbestimmung gegen grundsätze des vertrauensschutzes. sie habe erhebliche finanzielle aufwendungen getätigt um die steiger zu betreiben und bei ihrer kostenkalkulation darauf vertrauen können, dass das beklagte land alle bereits damals bekannten tatsachen bei genehmigungserlass in die nebenbestimmungen eingestellt habe. die kosten für einen jetzt auferlegten zweiten rettungsweg betrügen etwa 400.000,00 euro, was eine wirtschaftliche nutzung der steiger nicht mehr möglich mache. auch eine nur einfache belegung der steiger sei wegen der anderweitigen planungen bei genehmigungserlass wirtschaftlich nicht rentabel. der vertrauensschutz müsse gegenüber belangen des gemeinwohls überwiegen. 6die klägerin beantragt, 7den 1. änderungsbescheid vom 13. november 2015 in der gestalt vom 28. juni 2016 aufzuheben, 8hilfsweise, 9das beklagte land unter aufhebung des 1. änderungsbescheides vom 13. november 2015 in der gestalt vom 28. juni 2016 zu verpflichten, ihr eine wasserrechtliche genehmigung zum umbau und betrieb der steiger düsseldorf 0 (rheinstrom-km 000,0+00) und düsseldorf 0 (rheinstrom-km 000,0+0) ohne die nebenbestimmung ziff. 3.18 - neu - aus dem 1. änderungsbescheid vom 13. november 2015 in der gestalt vom 28. juni 2016 zu erteilen. 10das beklagte land beantragt, 11die klage abzuweisen. 12die klage sei unbegründet. vertiefend zu den ausführungen in dem 1. änderungsbescheid macht es geltend, die gefahrenabwehr habe den zweiten rettungsweg bei schiffsdoppelbelegung erforderlich werden lassen. es sei einer forderung der stadt düsseldorf nachgekommen worden. der weg über eine weitere nebenbestimmung zur ausgangsgenehmigung sei auch gegenüber dem möglichen widerruf der gesamten wasserrechtlichen genehmigung ein milderes mittel. 13wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird ergänzend auf den inhalt der gerichtsakten und den der beigezogenen verwaltungsvorgänge bezug genommen. 14 | 15die klage hat weder im haupt- noch im hilfsantrag erfolg. 16a. der zulässige hauptantrag (i.) ist unbegründet (ii.). 17i. der hauptantrag ist als anfechtungsklage zulässig. bei der angefochtenen nebenbestimmung ziff. 3.18 - neu - in der 1. änderungsgenehmigung vom 13. november 2015 in der gestalt vom 28. juni 2016 handelt es sich um einen verwaltungsakt im sinne der §§ 1 abs. 1, 35 satz 1 verwaltungsverfahrensgesetz für das land nordrhein-westfalen (vwvfg nrw), der der klägerin eine belastende regelung (errichtung eines zweiten rettungsweges bei doppelbelegung der steiger mit jeweils zwei schiffen) aufgibt. 18nach inzwischen gefestigter rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts ist gegen belastende nebenbestimmungen grundsätzlich die anfechtungsklage gegeben, 19vgl. bverwg, urteil vom 22. november 2000 – 11 c 2.00 -, juris rn. 25. 20dies gilt insbesondere für die einem - wie hier in form der wasserrechtlichen genehmigung vom 4. februar 2013 - begünstigenden verwaltungsakt beigefügte auflage gem. § 35 abs. 2 nr. 4 vwvfg nrw. wird - wie es die klägerin begehrt - geltend gemacht, eine solche nebenbestimmung finde im gesetz keine grundlage, so kann dies mit der klage auf aufhebung der nebenbestimmung geltend gemacht werden. ob diese klage zur isolierten aufhebung der nebenbestimmung führen kann, hängt davon ab, ob der begünstigende verwaltungsakt ohne die nebenbestimmung sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann; dies ist indes eine frage der begründetheit und nicht der zulässigkeit des anfechtungsbegehrens, sofern nicht eine isolierte aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet, 21vgl. bverwg, urteil vom 22. november 2000 – 11 c 2.00 -, juris rn. 25; bverwg, urteil vom 17. februar 1984 - 4 c 70.80 -, juris rn. 14, jew. m.w.n. 22ein derartiger ausnahmefall liegt hier nicht vor. insbesondere handelt es sich bei der nebenbestimmung ziff. 3.18 - neu - nicht um eine modifizierende auflage oder inhaltsbestimmung, die die eigentliche genehmigung qualitativ veränderte. denn die bestandskräftige genehmigung zum umbau und betrieb der steiger wird nicht durch eine gewährung anderer art ersetzt. vielmehr handelt es sich lediglich um eine spezifische teilbeschränkung des betriebs der steiger bei der doppelbelegung mit zwei schiffen ohne die bestandskräftige genehmigung gänzlich inhaltlich zu modifizieren. typ, grundlegendes konzept oder standort der steigeranlage selbst bleiben unverändert, zumal die anlage nur optional auf den betrieb mit jeweils zwei schiffen an einem steiger ausgerichtet ist (vgl. etwa genehmigungsunterlagen, statik, bl. 7, bl. 72 vv ba heft 2). 23ii. der hauptantrag ist jedoch unbegründet. der 1. änderungsbescheid vom 13. november 2015 in der gestalt vom 28. juni 2016 ist rechtmäßig und verletzt die klägerin nicht in ihren rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). 241. gem. § 36 satz 3 wasserhaushaltsgesetz (whg) i.v.m. § 99 abs. 2 satz 1 lwg nrw darf eine - wie hier - wasserrechtliche genehmigung auch nachträglich nur mit nebenbestimmungen verbunden werden, wenn dies das wohl der allgemeinheit erfordert. 25der begriff „wohl der allgemeinheit“ in § 99 abs. 2 satz 1 lwg nrw entzieht sich einem vordefinierten verständnis und bedarf der konkretisierung. er ist als unbestimmter rechtsbegriff der vollen gerichtlichen nachprüfbarkeit unterliegend, 26vgl. etwa bverwg, urteil vom 6. september 2004 - 7 b 62.04 -, juris. 27der gesetzgeber verbindet mit ihm begrifflich in aller regel die vorstellung, besondere öffentliche interessen seien zu berücksichtigen. der begriff ist in einem umfassenden sinne zu verstehen und wird, insoweit in anbetracht des in § 1 whg normierten zwecks der gewässerbewirtschaftung sowie der in § 6 abs. 1 whg, § 2 lwg nrw zum ausdruck kommenden grundsätze der gewässerbewirtschaftung, jedenfalls geprägt durch die berücksichtigung wasserwirtschaftlicher belange, 28vgl. bereits bverwg, urteil vom 10. februar 1978 - 4 c 25.75, juris; bverwg, urteil vom 17. märz 1989 - 4 c 30.88, juris; czychowski/reinhardt, whg, 10. aufl., § 55 rn. 7, § 6 rn. 30; kotulla, wasserhaushaltsgesetz, 2. aufl., § 55 rn. 4. 29ungeachtet der frage, ob die anlegung eines zweiten rettungsweges im rahmen der erleichterten brandbekämpfung von im paket, d.h. an einem steiger nebeneinander liegenden schiffen ebenso der minimierung von gefahren für das gewässer selbst (etwa eindringen von betriebsstoffen durch zu spät gelöschtes feuer) und damit auch wasserwirtschaftlichen belangen dient, ist der regelungsgehalt der norm nicht auf solche belange beschränkt. denn die beeinträchtigung wasserrechtlicher bewirtschaftungsgrundsätze in § 2 lwg nrw wird lediglich als ein beispiel („insbesondere“) für eine mögliche gefährdung des wohls der allgemeinheit genannt. der sinn und zweck der gesetzlichen regelung erschöpft sich daher nicht in der sicherung des wasserhaushalts allein. die benutzung der gewässer soll vielmehr in umfassenderer weise dem wohl der allgemeinheit und im einklang mit ihm auch dem nutzen einzelner dienen, 30vgl. bverwg, urteil vom 17. märz 1989 – 4 c 30.88 –, juris rn. 11 ff.; allg. berendes, in: berendes/frenz/müggenborg, whg, § 6 rn. 18. 31gebietet der wortlaut damit ein umfassenderes verständnis, sind jedenfalls bei steigeranlagen die dem regelungsgehalt des § 99 abs. 1 satz 1 lwg nrw unterliegen und die naturgemäß dem übertritt von personen vom festland auf schiffe und umgekehrt dienen, belange der sicherheit von leib und leben („menschliche gesundheit“) einzustellen. ob jedes öffentliche interesse - etwa das von dem beklagten land auch bemühte interesse am schutz von sachgütern und eigentum der passagiere - geeignet ist, hier einen gemeinwohlbelang darzustellen, bedarf vor diesem hintergrund keiner entscheidung. 32im übrigen ist unbeschadet § 36 satz 3 whg i.v.m. § 99 abs. 2 satz 1 lwg nrw in der wasserrechtlichen erlaubnisurkunde vom 4. februar 2013 mit der nebenbestimmung ziff. 3.3 selbst festgehalten, dass nachträgliche änderungen oder ergänzungen der genehmigung zulässig sind, wenn (wesentliche) „nachteile für das gemeinwohl“ zu beseitigen oder zu verhüten sind. 332. vor diesem hintergrund erfordert das wohl der allgemeinheit die einrichtung eines zweiten rettungsweges, wenn jeweils zwei schiffe an einem steiger liegen (a.), die maßnahme ist auch verhältnismäßig (b.). 34a. eingedenk der ausführungen unter a. ii. 1. umfasst der begriff „wohl der allgemeinheit“ in § 99 abs. 2 satz 1 lwg nrw jedenfalls auch im zusammenhang mit der wasserrechtlich genehmigten steigeranlage in rede stehende belange der sicherheit von leib und leben („menschliche gesundheit“) der nutzer. es ist daher nicht zu beanstanden, wenn das beklagte land in der angefochtenen 1. änderungsgenehmigung aus diesem schützenswerten interesse heraus bei doppelbelegung eines steigers mit zwei (hotel-)schiffen einen weiteren verkehrssicheren rettungsweg für die feuerwehr fordert. dies gilt auch in ansehung der nicht unbeträchtlichen passagier- und besatzungszahlen, die im falle der maximalbelegung evakuiert werden müssten (zwischen 400 und 500 personen). die von der klägerin vorgebrachten eigensicherungen der hotelschiffe (sicherheitsrollen, speziell ausgebildetes personal für den brandfall, brandschutzkonzepte und rettungspläne) stehen hier nicht entgegen. denn ob trotz dieser eigenen vorkehrungen noch ein weiterer rettungsweg erforderlich ist, ist keine tatbestandliche frage des „wohls der allgemeinheit“, sondern der verhältnismäßigkeit der nebenbestimmung (siehe dazu b.). 35b. die nebenbestimmung ziff. 3.18 - neu - ist verhältnismäßig. 36aa. zu der erreichung des beabsichtigten legitimen zieles, die passagiere und besatzungsmitglieder vor brandgefahren durch eine zügige evakuierung bei einer doppelbelegung der steiger mit zwei schiffen zu schützen und brände schneller bekämpfen zu können, ist die anlegung eines weiteren verkehrssicheren rettungsweges als maßnahme geeignet. 37bb. sie ist auch erforderlich, da ein milderes, gleich wirksames mittel nicht ersichtlich ist. dies gilt nicht nur im hinblick darauf, dass die auferlegten änderungen das mildere mittel gegenüber einem sonst möglichen widerruf der erlaubnis nach § 49 abs. 2 satz 1 nr. 1 alt. 1 verwaltungsverfahrensgesetz für das land nordrhein-westfalen - vwvfg nrw - i.v.m. § 99 abs. 2 satz 1 lwg nrw darstellten. ungeachtet dessen bildet die von der klägerin bemühte eigensicherung der schiffe gegen brände kein hinreichend gleich geeignetes mittel bei festbelegung des steigers mit zwei schiffen. die hotelschiffe verfügen zwar jeweils über sicherheitsanweisungen nach den maßgaben für flusskreuzfahrtschiffe der q. -flotte. darin sind evakuierungsabläufe vorgeschrieben (vgl. etwa sicherheitsanweisung, stand märz 2011, s. 14ff.). das borpersonal ist entsprechend geschult und die aufgaben für die besatzung im brandfalle in den sicherheitsrollen festgelegt (vgl. anlage 2 zum schriftsatz der klägerin vom 18. märz 2016). auch ist es zutreffend, dass die bekämpfung eines feuers an bord des schiffes notfalls ohne landkontakt erfolgen muss. jedoch gelten abweichend hiervon bei der belegung eines steigers mit zwei schiffen gleichzeitig besonderheiten, die zu erhöhten anforderungen führen. wird der steiger doppelt belegt, sind im brandfalle auch doppelt so viele passagiere und besatzungsmitglieder zu evakuieren. bei den in rede stehenden schiffen der q. -klasse sind dies nahezu gleichzeitig bei einer maximalbelegung insgesamt bis zu 530 personen (vgl. etwa datenblatt der ms b. , anlage 1 zum schriftsatz der klägerin vom 18. märz 2016) und bei minimalbelegung immerhin noch über 200 personen einschließlich der jeweiligen bordcrew (vgl. etwa datenblatt der ms h. , anlage 1 zum schriftsatz der klägerin vom 18. märz 2016 - 71 kabinen, d.h. einzelkabinenbelegung nebst bordcrew). die möglichkeit einer schnelleren und sichereren evakuierung der passagiere über zwei rettungswege (ein fluchtweg und zugleich ein zugang für die feuerwehr zur schnelleren brandbekämpfung, bzw. vor eintreffen der landfeuerwehr zwei rettungswege für die passagiere) ist angesichts des hohen gutes von leib und leben der passagiere und bordmitglieder für eine schnelle und möglichst gefahrlose evakuierung und dann folgende brandbekämpfung daher geboten. dafür spricht auch der der richtlinie des europäischen parlaments und des rates vom 12. dezember 2006 über die technischen vorschriften für binnenschiffe und zur aufhebung der richtlinie 82/714/ewg des rates - 2006/87/eg - (eu abl. l 389/1) zugrundeliegende gedanke, wonach unter art. 15.06 ziff. 8 buchst. f) die evakuierung der personen von bord über gekennzeichnete evakuierungsflächen von beiden seiten des schiffes möglich sein muss. ziel ist stets eine schnelle und zügige fortbringung der personen von der brandgefahrenquelle. liegen die schiffe im paket nebeneinander, ist die evakuierung über eine seite ohnehin schon erschwert, weil dort die passagiere und besatzungsmitglieder des anderen schiffes warten und zunächst evakuiert werden müssen. über einen zweiten rettungsweg gelingt dies im brandfalle geordneter und rascher und verringert damit die gefahr, schaden an leib und leben zu nehmen. eine eventuell auch mögliche evakuierung eines teils der passagiere über das wasser kann hier - zumal auch diese erschwert ist, weil nur eine schiffsseite dafür zur verfügung steht - nicht ins feld geführt werden. die richtlinien über die sicherheitsanweisungen für passagiere (vgl. anlage 2 zum schriftsatz der klägerin vom 18. märz 2016, s. 1) schreiben unter „verhalten bei generalalarm“, worunter der brandfall fällt, generell für alle schiffe der q. - klasse vor: „im hafen ist der sammelplatz an land …sie [die passagiere] versammeln sich an land, 50m vom schiff entfernt“. liegen die schiffe folglich im hafen, gleichzuachten ist der festmachsteiger, erfolgt die evakuierung über land und nicht über das wasser mittels zusätzlicher rettungsboote. schließlich ist die geforderte zweite zuwegung bei einer doppelbelegung des steigers auch deswegen notwendig, weil sie dazu führt, dass ein weiterer angriffsweg für die feuerwehr geschaffen wird und so ungeachtet der bordeigenen brandbekämpfung des jeweiligen schiffes ein übergreifen des feuers von einem auf das andere schiff effektiver bekämpft werden kann. dies minimiert weitere brandgefahren für noch auf den evakuierungsflächen befindliche personen. ein gleich geeignetes milderes mittel zu der schaffung eines weiteren angriffs- und rettungsweges bei optionaler doppelbelegung der steiger ist nach alledem nicht ersichtlich; ein solches wird auch von der klägerin im klageverfahren letztlich alternativ zum gänzlichen verzicht auf die angefochtenen nebenbestimmung nicht vorgebracht. 38cc. die nebenbestimmung ziff. 3.18 - neu - ist verhältnismäßig im engeren sinne. die nicht weiter von der klägerin substantiierten, hier dennoch zu ihren gunsten unterstellten gesamtkosten für die errichtung eines zweiten angriffs- und rettungsweges für die feuerwehr von etwa 400.000,00 euro (für beide steiger) sind gemessen an der durch die weitere zuwegung geschaffenen möglichkeit einer schnelleren und sichereren evakuierung der passagiere und damit einer minimierung des gefahrenpotentials für das hohe schutzgut leib und leben sowie einer schnelleren - ggf. die bordcrew unterstützenden - brandbekämpfung durch die landfeuerwehr nicht unzumutbar. der schutz von leib und leben kann grundsätzlich hier nicht mit der finanziellen zumutbarkeit der auferlegung von kosten aufgewogen werden. dies gilt erst recht vor dem hintergrund, dass es sich um einen einmaligen investitionsaufwand handelt, der die doppeltbelegung der steiger dann auf jahre hin weiter ermöglicht. im übrigen führte es auch zu keinem anderen ergebnis, wenn tatsächlich die steiger nur zu messezeiten und damit nicht ganzjährig doppelt belegt wären, wie die klägerin vorträgt (vgl. stellungnahme der klägerin vom 19. august 2015 zur anhörung, bl. 47ff. ba heft 1). denn die sachlage stellt sich nicht ersichtlich anders dar als zum erlasszeitpunkt der wasserrechtlichen genehmigung vom 4. februar 2013. hätte das beklagte land seinerzeit die - nach den obigen ausführungen gebotene - nebenbestimmung bereits in die genehmigung aufnehmen wollen, hätte die klägerin ebenso die jetzt vorgebrachten wirtschaftlichkeitserwägungen bei der nutzung des steigers mit zwei schiffen anstellen müssen und auch - wie die ausführungen in der klageschrift vom 17. märz 2016, s. 6f. zeigen - angestellt. sie hätte für sich befinden müssen, ob umbau und betrieb der steiger mit gegebenenfalls jeweils nur einem schiff dann insgesamt noch rentabel gewesen wären. wäre die hinzufügung derselben nebenbestimmung aber im zeitpunkt der wasserrechtlichen genehmigung rechtmäßig gewesen, gilt jetzt nichts anderes. hätte die klägerin seinerzeit dann auf eine entsprechende genehmigung aus wirtschaftlichen gründen ganz verzichtet oder den umbau des steigers nur von vornherein planungsrechtlich auf ein schiff ausgelegt, mag dies eventuell schadensersatzrechtliche fragen aufwerfen, nicht aber die nebenbestimmung jetzt unverhältnismäßig sein lassen. 39die klägerin kann sich auch nicht auf vertrauensschutz berufen. zwar hat sie nach eigenen aussagen offenbar nicht unerhebliche und bei erlass des 1. änderungsbescheides im jahre 2015 zeitlich noch nicht lange zurückliegende investitionen für den umbau und betrieb der steiger getätigt. der genehmigungsinhalt der am 4. februar 2013 erteilten wasserrechtlichen genehmigung war von vornherein jedoch in seinem regelungsinhalt zum einen beschränkt durch den nachträglichen nebenbestimmungsvorbehalt in ziff. 3.3 zum anderen durch die normativen regelungen über die nachträgliche ergänzung einer anlagengenehmigung in § 99 abs. 2 satz 1 lwg nrw. daher konnte die klägerin nicht darauf vertrauen, dass „alles so bleibt, wie es bei genehmigungserteilung war“ und nicht noch finanzielle folgeinvestitionen hinzutreten. die tatsachen, die die nunmehr angefochtene nebenbestimmung geboten sein ließen, waren zwar wohl jedenfalls der im genehmigungsverfahren beteiligten stadt düsseldorf bei erlass der ursprungsgenehmigung im jahre 2013 bekannt, daraus folgt jedoch kein öffentlich-rechtlicher vertrauensschutz. denn das unterlassen einer aus gründen des allgemeinwohls angezeigten nebenbestimmung zum zeitpunkt der erteilung der begehrten wasserrechtlichen genehmigung - gleich aus welchem grunde und welcher motivation folgend - führt nicht dazu, es wäre dem beklagten land für die zukunft verwehrt, eine solche zu erlassen. dies mag dann - wie zuvor bereits erwähnt - unter bestimmten umständen schadensersatzansprüche der klägerin begründen können, nicht jedoch dazu führen, die allgemeinheit weiterhin schutzlos potentiellen gefährdungen auszusetzen. 40sonstige bedenken gegen die angefochtene verfügung sind nicht ersichtlich, insbesondere wird angemerkt, dass die ausführungen der klägerin zu etwaigen ermessenfehlern des beklagten landes mit blick auf die in der klageerwiderung zitierten baurechtlichen normen ins leere gehen, da sich solche baurechtlichen erwägungen im 1. änderungsbescheid schon nicht finden, sondern explizit auf § 99 abs. 2 satz 1 lwg nrw abgestellt wird. 41b. der hilfsantrag hat keinen erfolg. jedenfalls hat die klägerin aufgrund der darlegungen unter ziffer a. ii. 2. keinen anspruch auf die erteilung einer wasserrechtlichen genehmigung ohne den regelungsgehalt der nebenbestimmung ziff. 3.18 - neu - in dem 1. änderungsbescheid vom 13. november 2015 in gestalt vom 28. juni 2016. 42c. die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo; die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zivilprozessordnung. 43die berufung war nicht zuzulassen, da die gründe des § 124 abs. 2 nr. 3 oder 4 vwgo nicht vorliegen (§ 124 a abs. 1 vwgo). | Verklagte*r | 0 |
188,790 | 9 O 109/09 | 2013-10-21T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 51.444,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.06.2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 15 % und die Beklagte zu 85 %.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand:2Die minderjährige Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht im Wege der Stufenklage, nunmehr in der Leistungsstufe, auf teilweise Rückzahlung eines Betrages in Anspruch, den der Vater der Klägerin im Rahmen einer Vereinbarung mit der Beklagten über die Kosten der medizinischen Behandlung der Klägerin in Deutschland geleistet hat.3Die Klägerin wurde am 14.05.2004 geboren und ist russische Staatsangehörige. Sie war am Burkitt-Syndrom erkrankt. Die Beklagte organisiert die Behandlung von Patienten aus Russland in deutschen Kliniken.4Der Vater der Klägerin nahm im Jahre 2008 Kontakt mit der Beklagten auf. Die Zeugin T3, eine Mitarbeiterin der Beklagten, teilte diesem zunächst mit, dass die Beklagte nicht für minderjährige Patienten tätig werde. Auf weitere Nachfrage des Vaters der Klägerin sah sie sich aber kostenlos nach geeigneten Krankenhausplätzen um und schlug eine Behandlung im Universitätsklinikum Münster vor, welches eine Vorabzahlung von 183.600,00 € verlangte. Dieser Betrag konnte vom Vater der Klägerin nicht aufgebracht werden, möglich war kurzfristig nur die Zahlung von 100.000,00 EUR. Die Zeugin T3 erklärte sodann, dass die Beklagte weiter nur tätig werde, wenn ein Vertrag mit dem Vater der Klägerin gegen Zahlung eines Betrages von 100.000,00 € zustande kommen könne.5Die Beklagte erstellte sodann unter dem 23.07.2008 ein als „Kostenkalkulation für die Untersuchung und Behandlung im Zentrum der Kinderonkologie Uniklinik Düsseldorf (Anlage 1 zum Vertrag 672/08 vom 30.07.2008)“ bezeichnetes Schriftstück in russischer Sprache, in welchem als „Programm“ für die Klägerin diagnostische und therapeutische Maßnahmen zur Behandlung der Erkrankung der Klägerin, die Unterbringung in einem 2-Bett-Zimmer inklusive Kosten für eine Begleitperson, Chefarztbehandlung, Dolmetscherleistungen, Transfer vom Flughafen zur Klinik und zurück, Visenverlängerung, Übersetzung und medizinisches Management angegeben wurde. Weiterhin wurde angegeben, das „Depositum“ für den Beginn des medizinischen Programms betrage 100.000 EUR“. Unterzeichnet wurde das Schriftstück nur von der Beklagten.6Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage (Bl. 35 d.GA) Bezug genommen.7Zwischen dem 23.07.2008 und dem 30.07.2008 führte die Zeugin T3 mit dem Vater der Klägerin ein Telefonat. Der weitere Inhalt des Gesprächs in Bezug auf die Zahlungsvereinbarungen ist zwischen den Parteien streitig.8Unter dem 30.07.2008 erstellte die Beklagte ein weiteres Schriftstück, welches als Vertrag bezeichnet wurde.9Als Parteien wurden die Beklagte (weiter als „ausführende Person“ im Vertrag genannt) und der Vater der Klägerin angegeben. Als Gegenstand des Vertrages wurden in § 1 die in Ziffer 1.2 näher aufgeführten Dienstleistungen der Beklagten, wie u.a. die Auswahl der medizinischen Facheinrichtung und Aufsetzung eines schriftlichen Angebotes für die Behandlung und Kalkulation der Kosten angegeben. Der Vertragspartner wurde zur Begleichung der Kosten für die Dienstleistungen verpflichtet.10In § 3 wird unter Ziffer 3.1 festgehalten, dass die Kosten der medizinischen Leistungen, inklusive Honorarkosten, im Angebot angegeben und in der Kalkulation (= Anl. 1 zum Vertrag) festgehalten und vom Auftraggeber unterzeichnet werden. In Ziffer 3.2 wird sodann der Fall geregelt, dass die Kosten nur nach einer Untersuchung feststellbar sind. In diesem Fall werde die Höhe des Hinterlegungsbetrages angegeben, der vor dem Beginn der Behandlung einzuzahlen sei.11In § 5 wird ausgeführt, dass die „Partnerseiten“ für die Nicht-Erfüllung des Vertrages oder eine unpassende Erfüllung der Vereinbarungen dieses Vertrags gemäß aktueller Gesetzgebung Deutschlands haften.12Auch dieses Schriftstück wurde nur von der Beklagten unterzeichnet.13Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage (Bl. 36-40 d.GA) Bezug genommen.14Ebenfalls unter dem 30.07.2008 erstellte die Beklagte eine Rechnung über 100.000,00 EUR, die von dem Vater der Klägerin per Sofortüberweisung bezahlt wurde.15Die Behandlung der Klägerin endete im September 2008. Hiernach forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte mehrfach erfolglos auf, die Rechnungen des Universitätsklinikums in Düsseldorf zur Verfügung zu stellen.16Unter anderem mit Schreiben vom 18.09.2008 stellte die Beklagte die Übersendung der Rechnungen in Aussicht. Sie führt wörtlich aus:17„Was die Rechnungen betrifft, so wird Herr G2 bzw. Sie, die gesamte Kostenaufstellung nach dem Behandlungsabschluss erhalten (wie vereinbart mit Herrn G2).“18Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K12 (Bl. 29 d.GA) Bezug genommen.19Mit Schreiben vom 30.10.2008 erklärte das Universitätsklinikum Düsseldorf den Prozessbevollmächtigten der Klägerin für die Behandlung der Klägerin über eine Kostenübernahme der Beklagten zu verfügen und alle Rechnungen an die Beklagte direkt übersandt zu haben. Man habe die Rechnungen deshalb nicht mehr vorliegen.20In einem weiteren Schreiben vom 27.11.2008 verwies die Beklagte die Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf eine Abschlusskalkulation nach Behandlungsabschluss und führte weiter wörtlich aus:21„Wir möchten Sie hierzu, auf den zwischen Herrn G2 und uns abgeschlossenen Vertrag höflich hinweisen, wo ausdrücklich steht, dass die Abschlusskalkulation erst innerhalb von 30 Tagen, nachdem das medizinische Programm beendet ist, erfolgen kann.“22Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K13 (Bl. 30 d.GA) Bezug genommen.23Unter dem 04.12.2008 kündigten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin „namens und in Vollmacht unseres Mandanten“ den Vertrag. Es wurde eine Frist zur Rückzahlung der verbliebenen Geldbeträge bis zum 16.12.2008 gesetzt. Eine Zahlung oder eine Abschlusskalkulation erfolgten in der folgenden Zeit nicht.24Die Klägerin hat die Beklagte im Wege der Stufenklage in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 19.11.2010 wurde die Beklagte verurteilt, der Klägerin durch Vorlage von Rechnungen über eigene und Fremdleistungen Auskunft darüber zu erteilen, welche Kosten im Zusammenhang mit ihrer Behandlung im Jahre 2008 entstanden sind.25Die Beklagte hat der Klägerin eine Aufstellung über die von ihr verauslagten Kosten sowie dazugehörige Rechnungen mit Schriftsatz vom 12.04.2011 übermittelt. Danach hat die Beklagte Leistungen in Höhe von insgesamt 45.960,32 € erbracht.26Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Aufstellung wird auf den Schriftsatz vom 12.04.2011 (Bl. 164 d.GA) sowie die entsprechenden Rechnungen Bezug genommen.27Für Eigenleistungen hat die Beklagte einen Betrag von 54.039,68 € in Rechnung gestellt. Auf die Rechnung (Bl. 212 d.GA) wird Bezug genommen.28Die Klägerin macht im Rahmen der Leistungsstufe nunmehr die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 60.265,39 € geltend. Dieser Betrag resultiert aus dem gezahlten Betrag in Höhe von 100.000 € abzüglich der nach Ansicht der Klägerin berechtigten Behandlungskosten in Höhe von 32.623,96 € sowie abzüglich eines Honoraranspruches in Höhe von 15 % der Gesamtbehandlungskosten (4.893,59 € netto und 5.823,38 € inkl. USt.) und abzüglich sonstiger berechtigter Kosten in Höhe von 947,27 €.29Die Klägerin behauptet, ihr Vater haben die Ansprüche aus dem Vertrag an sie abgetreten und auch in ihrem Namen die Annahmeerklärung der Abtretung ausgesprochen. Dieses Insichgeschäft sei als für sie lediglich rechtlich vorteilhaft und auch nach russischem Recht nicht genehmigungsbedürftig.30In dem Vertrag hätten die Parteien keine Pauschale, sondern ein Depositum, einen Hinterlegungsbetrag vereinbart, über welchen die Beklagte noch nicht abgerechnet habe. Die Vereinbarung eines Hinterlegungsbetrages führe zu einem Anspruch auf Rückzahlung der verbliebenen Geldbeträge.31Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Rechnungen, die in Zusammenhang mit der Behandlung der Klägerin stehen, zu kontrollieren. Die Rechnungen der Frau Q sei in Höhe eines Betrages von 10 € fehlerhaft, die Rechnung der Frau B in Höhe von 752,79 € lasse weder Ort noch Datum der Tätigkeit erkennen und sei nicht ersatzfähig. Weitere Beträge in Höhe von 2.214,17 €, 870,33 €, 614,72 €, 880,33 €, 870,33 € und 1.081,84 € (insg. 6.531,72 €) hinsichtlich der Rechnungen des v seien ebenfalls fehlerhaft. Dies gelte auch für die Rechnungen der Fa. in Höhe von 75,08 € und des Prof. N2 vom 22.05.2009 in Höhe von 520,42 €. Die Rechnung der Zeugin T3 in Höhe von 4.500 € sei nicht ersatzfähig, da eigene Leistungen von dieser nicht erbracht worden seien.32Die Klägerin beantragt nunmehr,die Beklagte zu verurteilen, an sie 60.265,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.06.2009 zu zahlen.Die Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.33Sie bestreitet, dass die Ansprüche des Vaters der Klägerin an diese abgetreten worden seien. Die Abtretung sei auch sittenwidrig, da einziger Grund für diese sei, dass der Vater der Klägerin das Prozesskostenrisiko scheue und ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch gegen die minderjährige Klägerin kaum durchsetzbar sei. Die Abtretung sei auch nicht allein rechtlich vorteilhaft für die Klägerin, da eine negative Kostenentscheidung des Gerichts möglich sei und es darüber hinaus zu einer Nachzahlungsverpflichtung kommen könne. Zudem sei zumindest konkludent ein Abtretungsverbot vereinbart worden, da sich die Beklagte mit dem Vater der Klägerin darauf geeinigt habe, dass nur der Vater der Klägerin Vertragspartner werden sollte.34Es sei telefonisch eine Pauschale vereinbart worden, eine Abrechnung oder Rückzahlung des überschießenden Betrages sei grundsätzlich nicht geschuldet. Von der Pauschale solle entsprechend den Ziffer 3.5 und 3.11 des Schriftstücks vom 30.07.2008 nur dann abgewichen werden, wenn es durch eine Änderung des Untersuchungs- oder Behandlungsprogramms weniger Ausgaben gebe oder falls weitergehende medizinische Leistungen erforderlich seien. Der Vertragsentwurf vom 30.07.2008 sei unbeachtlich, da eine Unterzeichnung durch den Vater der Klägerin gerade nicht erfolgt sei. Maßgeblich sei somit allein die mündliche Vereinbarung des Pauschalpreises bei einem Telefonat am 30.07.2008.35Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Regelungen des Dienstvertrages anwendbar seien, die weder einen Auskunftsanspruch noch eine Rechenschaftsverpflichtung oder eine Rechnungsprüfungspflicht kennen würden.36Die Beklagte erhebt hilfsweise die Aufrechnung mit einer noch ausstehenden Forderung des Prof. Dr. C, der gegenüber der Beklagten seine wahlärztlich erbrachten Leistung im Zusammenhang mit der Behandlung der Klägerin noch nicht abgerechnet hat. Äußerst hilfsweise macht die Beklagte im Hinblick auf diese Forderung ein Zurückbehaltungsrecht geltend.37Die Klägerin erhebt hinsichtlich dieser vermeintlichen Forderung des Prof. Dr. C die Einrede der Verjährung.38Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die überreichten Schriftsätze und die zu den Akten gelangten Unterlagen Bezug genommen.39Das Gericht hat ein Rechtsgutachten zu der Frage eingeholt, ob die Abtretung vom 03.03.2009 nach russischem Recht wirksam sei. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. U vom 16.05.2010 (Bl. 119–126 d.GA) Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T und T2 im Termin vom 19.11.2010. Wegen der Einzelheiten der Zeugenvernehmungen wird Bezug genommen auf das Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 19.11.2010 (Bl. 145–148 d.GA.). Das Gericht hat weiter Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen T3 und J in der mündlichen Verhandlung vom 02.09.2013. Wegen der Einzelheiten dieser Zeugenvernehmungen wird Bezug genommen auf das Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 02.09.2013 (Bl. 412–422 d.GA.).40Entscheidungsgründe:41I.42Die zulässige Klage ist in überwiegendem Umfang begründet.43Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 51.444,09 €.441.45Die Klägerin ist aktivlegitimiert.46a) Zur sicheren Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Vater der Klägerin in den Kanzleiräumlichkeiten der Prozessbevollmächtigten in e alle Ansprüche aus dem Vertrag mit der Beklagten an die Klägerin abgetreten hat. Diese Überzeugung stützt das Gericht auf die glaubhafte Aussage der Zeugen T und T2. Beide haben übereinstimmend bekundet, dass im Rahmen der Beratung des Vaters der Klägerin bezüglich der Ansprüche gegen die Beklagte erklärt worden ist, dass die Tochter Klägerin sein sollte. Der Zeuge T hat hierzu noch angegeben, dass die Eltern der Klägerin erklärt hätten, dass es ja auch um die Behandlung der Tochter gehen würde. Man habe dem Vater dann erklärt, dass hierzu eine Abtretung der Ansprüche aus dem Vertrag notwendig sei. Der Zeuge T2 hat weiterhin bekundet, dass auch darüber aufgeklärt worden sei, dass es sich dann um ein Insichgeschäft handeln würde, dass der Vater auch eine Willenserklärung für die Klägerin abgeben müsse. Der Vater habe dann zum Ausdruck gebracht, dass so vorgegangen werden solle. Dies ist – auch wenn es nicht ausdrücklich so gesagt wurde – konkludent nur dahin zu verstehen, dass der Vater mit Zustimmung der Mutter zum Einen für sich erklärt hat, die Ansprüche aus dem Vertrag auf die Klägerin zu übertragen und zum Anderen im Namen der Tochter erklärt hat, dieses Angebot auf Übertragung der Ansprüche anzunehmen.47b) Die Abtretung ist auch als Insichgeschäft wirksam.48Die Frage der Wirksamkeit der Abtretung beurteilt sich nach russischem Recht, da die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Russland hat und es um die Frage geht, ob und in welchem Umfang ein Elternteil Vertretungsmacht hat (vgl. Art. 21 EGBGB). Aus dem eingeholten Rechtsgutachten ergibt sich, dass im russischen Recht gem. Art. 64 Pkt. 1 Satz 1 FamGB Vater und Mutter gesetzliche Vertreter des minderjährigen Kindes sind. Auf deren Handlungen finden wiederum die Vorschriften des russischen Zivilgesetzbuches Anwendung (Art. 4 FamGB i.V.m. Art. 182 ff. ZGB). Art. 182 Pkt. 3 ZGB bestimmt allerdings ein Verbot von Insichgeschäften des Vertreters. Nach dem eingeholten Rechtsgutachten wird nur ganz vereinzelt die Auffassung vertreten, dass eine teleologische Reduktion dieser Norm stattfinden kann, wenn das Rechtsgeschäft für den Vertretenen lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Aus Art. 37 Pkt. 3 ZGB ergibt sich aber, dass Rechtsgeschäfte zwischen dem Vormund und dem Mündel dann nicht unwirksam sind, wenn es sich um Schenkungen oder kostenlose Nutzungsüberlassungen handelt. Die – hier vorliegende – unentgeltliche Abtretung von Ansprüchen an das minderjährige Kind unterfallen mithin der Ausnahme vom Verbot des Insichgeschäftes wie sie sich aus Art. 37 Pkt. 3 ZGB ergibt.49Auch die Zustimmung des russischen Vormundschafts- und Pflegschaftsbehörde ist gem. Art. 28 Pkt. 1 Satz 2 ZGB i.V.m. Art. 37 Pkt. 2 ZGB nicht erforderlich. Eine Veräußerung des Vermögens des Mündels im Sinne des Art. 37 Pkt. 2 ZGB wird gerade nicht vorgenommen, vielmehr erhält das Mündel eine Forderung ohne Entgeltverpflichtung. Zwar wird in der russischen Rechtsliteratur nicht erwähnt, ob eine Schenkung unter Art. 37 Pkt. 2 ZGB fällt, wenn mit dieser Folgeverpflichtungen verbunden sind. Der Gutachter verweist aber darauf, dass nach der russischen Rechtsprechung sogar ein Kaufvertrag als gegenseitiger Vertrag nicht in den Anwendungsbereich des Art. 37 Pkt. 2 ZGB fällt. Erst Recht muss dies dann für eine Schenkung gelten.50c) Die Abtretung erfolgte auch formgültig.51Gemäß Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB reicht es für die Formgültigkeit einer Vereinbarung aus, dass diese dem Ortsrecht entspricht. Ausreichend ist die Formgültigkeit nach deutschem Recht, da die Abtretung in Deutschland, namentlich in den Kanzleiräumen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in E, erfolgte. Nach deutschem Recht bedarf die Abtretung grundsätzlich keiner Form, dies gilt sowohl für das Verfügungs- als auch das Verpflichtungsgeschäft (MünchKomm/Roth, Komm. z. BGB, 6. Aufl. 2012, § 398 BGB, Rn. 33 ff.). Eine Ausnahme von dieser Formfreiheit ist nicht ersichtlich.52d) Die Vereinbarung eines Abtretungsverbotes ist nicht ersichtlich.53Es gilt der Grundsatz der freien Abtretbarkeit von Ansprüchen, sofern es sich nicht um höchstpersönliche Ansprüche handelt. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Vertrag zwischen den Parteien keinen höchstpersönlichen Charakter. Unabhängig von der konkreten rechtlichen Einordnung des zwischen dem Vater der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Vertrages handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, der eine Leistungsverpflichtung der Beklagten und eine Zahlungsverpflichtung des Vaters der Klägerin statuiert. Höchstpersönliche Züge enthält dieser Vertrag nicht.54Zudem betrifft die Abtretung nur die Ansprüche des Vaters der Klägerin gegen die Beklagte. Auf Gegenansprüche der Beklagten gegen den Vater der Klägerin kann sie keine Anwendung finden. Dass der Vater seine Ansprüche nicht abtreten kann, ist nicht ersichtlich. Eines dahingehenden Schutzbedürfnisses zugunsten des Vaters der Klägerin bedarf es nicht. Ein Risiko der fehlenden Durchsetzung von Forderungen gegenüber einem minderjährigen Kind besteht allenfalls für die Gegenansprüche der Beklagten, deren Abtretbarkeit nicht in Rede steht.55e) Die Abtretung ist auch nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Die Abtretung des Vaters der Klägerin an die Klägerin stellt sich nicht als Gefährdung eines möglichen Kostenerstattungsanspruches der Beklagten dar. Unabhängig vom Ziel der Abtretung im konkreten Fall ist die pauschale Annahme der Vermögenslosigkeit der Klägerin durch keine Tatsachen oder Indizien belegt. Es gilt auch dahingehend der Grundsatz, dass die Forderung grundsätzlich frei abtretbar ist.562.57Die Beklagte ist zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 51.444,09 € aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB verpflichtet.58a) Die Beklagte hat durch eine Leistung des Vaters der Klägerin in Form einer Überweisung einen Anspruch auf Auszahlung eines Betrages in Höhe von 100.000,00 € erlangt.59b) Die Beklagte hat einen Betrag in Höhe von 48.555,91 € mit Rechtsgrund aufgrund des zwischen der Beklagten und dem Vater der Klägerin abgeschlossenen typengemischten Vertrages erhalten. Hinsichtlich des weiteren Betrages in Höhe von 51.444,09 € ist der rechtliche Grund mit Abschluss der Behandlung der Klägerin und Kündigung des Vertrages durch den Vater der Klägerin entfallen. Insoweit ist die Beklagte zur Herausgabe verpflichtet.60Die Beklagte und der Vater der Klägerin haben vereinbart, dass die Zahlung des Betrages von 100.000,00 € nur als Hinterlegung dienen sollte und der überschießende Betrag anschließend wieder ausgekehrt werden sollte. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Unabhängig von der konkreten Bezeichnung des abgeschlossenen Vertrages vereinbarten der Vater der Klägerin und die Beklagte die entgeltliche Vermittlung von ärztlichen Behandlungsleistungen als individualvertragliche Regelung. Die Abrechnung sollte nach Abschluss der Behandlung erfolgen.61Der Vater der Klägerin hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung gemäß § 141 ZPO glaubhaft bekundet, dass er mit der Zeugin T3 die Hinterlegung eines Betrages von 100.000,00 € vereinbart hat. Der Vater der Klägerin hat die Inhalte der Telefonate mit der Zeugin T3 detailliert und plausibel erläutert. Dem steht nicht entgegen, dass er sich aufgrund der Vielzahl der Telefonate nicht mehr an das konkrete Datum des Telefonats erinnern kann, welches im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bereits über fünf Jahre vergangen war. Der Vater der Klägerin hat glaubhaft bekundet, dass ihm nach Hinterlegung des Betrages von 100.000,00 € auch die Übersendung der entsprechenden Rechnungen für die Behandlung der Klägerin in Aussicht gestellt wurde. Die Aussage ist auch dahingehend nachvollziehbar, dass es abwegig erscheint, dass eine Person am Telefon ohne weitere schriftliche Unterlagen und ohne die detaillierte Besprechung des Umfangs der Leistungen der Beklagten die Zahlung einer Pauschale vereinbart.62Die Aussage des Vaters der Klägerin im Rahmen seiner persönlichen Anhörung ist besonders zu berücksichtigen, da es sich um ein Vier-Augen-Gespräch mit der Zeugin T3 handelte, so dass der Grundsatz der Waffengleichheit es gebietet, dass seiner Aussage ebenso viel Gewicht beigemessen wird, wie der Aussage der Zeugin T3.63Der konkrete Inhalt der Vereinbarungen zwischen dem Vater der Klägerin und der Beklagten ergibt sich auch aus dem Schriftstück vom 30.07.2008 und der dazu gehörenden Anlage 1 vom 23.07.2008. Zwar gab es zuvor bereits mündliche Absprachen bezüglich eines Vertrages. Wie sich aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sollte das Schriftstück vom 30.07.2008 mit der dazugehörenden Anlage aber „Geschäftsgrundlage“ zwischen den Parteien seien. Die Parteien waren mithin schon bei den mündlichen Verhandlungen darüber einig, dass eine schriftliche Niederlegung noch erfolgen sollte. Dies war von dem Vater der Klägerin auch so gewünscht worden.64Aus dem Schriftstück vom 30.07.2008 im Zusammenhang mit der Anlage 1 ergibt sich, dass kein Pauschalbetrag gezahlt wurde, sondern ein „Depositum“. Das Wort „depositum“ meint im herkömmlichen Sprachgebrauch einen Hinterlegungsbetrag. In dieser Form ist er auch in der Vorbemerkung zum Vertragsentwurf unter Ziffer 4 definiert. Ähnlich wie der Begriff der Kaution geht damit einher, dass der Betrag, soweit er im Rahmen eines Vertragsverhältnisses nicht verbraucht wurde, an die Person zurückgezahlt wird, die den Betrag zunächst geleistet hat.65In dem Schriftstück vom 30.07.2008 werden hinsichtlich der von dem Auftraggeber zu zahlenden Kosten zwei Fälle unterschieden. Im ersten Fall setzt die Beklagte nach Information durch den Auftraggeber über die Erkrankung und Beratung durch Ärzte zunächst ein schriftliches Angebot für die Behandlung auf und kalkuliert deren Kosten (Ziff. 1.2). Das Angebot wird dem Auftraggeber vorgelegt (Ziff. 2.2), der sein Einverständnis damit erklärt. Die in diesem Angebot kalkulierten Kosten werden dann Vertragsbestandteil. So ist die Beklagte aber im vorliegenden Fall offensichtlich nicht vorgegangen. Zwar liegt eine Anlage 1 vor, diese beinhaltet aber keine Kostenkalkulation, denn weder die konkrete geplante Behandlung der Klägerin noch die im Einzelnen hierfür entstehenden Kosten sind dort angegeben. Es ist nur allgemein von einem „Komplex der diagnostischen und Therapiemaßnahmen“ die Rede, ohne konkret zu sagen, welche Maßnahmen dies im Einzelnen sein sollen und welche Kosten jeweils anfallen. Unter diesen Umständen kann es sich nur um den Fall 3.2 handeln, wo die Kosten nur nach Untersuchungen festgestellt werden können und zuvor ein Hinterlegungsbetrag gezahlt wird. Dann hatte die Beklagte den Betrag aber treuhänderisch zu verwalten und hierüber nach Abschluss der Behandlungen auch abzurechnen.66Dies wird auch durch die Verwendung der Begriffe „für den Beginn des medizinischen Programms“ in der Kalkulation vom 23.08.2008 deutlich. Die Zahlung des Betrages von 100.000,00 € sollte zunächst nur dafür sorgen, dass eine Behandlung begonnen wird, eine Nachzahlung wurde damit aber vorbehalten. Damit wird aber auch deutlich, dass eine Pauschale, die eine Nachzahlung nach „Beginn des medizinischen Programms“ dem Grunde nach ausschließt, nicht gemeint gewesen sein kann.67Für den Willen der Beklagten zum Abschluss des Vertragswerkes vom 30.07.2008 spricht auch der Bezug der Beklagten in den von ihr verfassten Schreiben vom 18.09. und 27.11.2008 jeweils auf einen abgeschlossenen Vertrag mit dem Vater der Klägerin. Die Vereinbarungen zur Übersendung der Abschlusskalkulation 30 Tage nach Beendigung der Behandlung, die in diesen Schreiben Gegenstand sind, finden sich in dieser Form genauso in dem schriftlichen Vertrag vom 30.07.2008 in § 3.11 wider. Dass eine solche Vereinbarung auch mündlich getroffen wurde, erscheint unglaubhaft, insbesondere da die Zeugin T3 selbst ausgesagt hat, dass bei dem Telefonat am 30.07.2008 keine weiteren Vertragsmodalitäten besprochen wurden.68Der Heranziehung dieses Schriftstückes vom 30.07.2008 als Indiz für den Willen der Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses steht auch nicht entgegen, dass der Vertragsentwurf letztlich nicht von dem Vater der Klägerin unterzeichnet wurde. Die Unterschrift der Beklagten unter dem von ihr aufgesetzten Dokument, welches als Vertragspartner den Vater der Klägerin ausweist, ist als Indiz dahingehend zu werten, dass dieser Vertragsentwurf ihrem Willen im Zeitpunkt des mündlichen Vertragsschlusses entsprach.69Gegen die Annahme der Pauschale spricht auch, dass für den Fall, dass höhere Kosten entstünden, eine Nachzahlungspflicht des Vaters der Klägerin bestehen würde. Nur soweit der gezahlte Betrag zur Deckung der Kosten ausreicht, stünde der Überschuss der Beklagten zu. Dies entspricht nicht einer ausgewogenen vertraglichen Risikoverteilung.70Grundsätzlich ist der Beklagten zuzugestehen, dass die Vereinbarung einer pauschalen Vergütung nicht unüblich ist. Dabei ist vorliegend aber auch das Missverhältnis zwischen tatsächlicher Leistungserbringung und gezahlter Pauschale zu berücksichtigen. Nach den vorgelegten Rechnungen durch die Beklagte hat diese ein Honorar von 54.039,68 € berechnet. Ausgehend von der alternativen Berechnung eines Honorars von 10–15 % der Behandlungskosten entspricht dies im konkreten Fall dem zehnfachen Betrag der alternativen Abrechnung. Ob diese Abweichung schon die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB erreicht, kann zwar letztlich dahinstehen. Sie lässt aber den Rückschluss zu, dass es abwegig erscheint, dass sich der Vater der Klägerin auf ein derart unwirtschaftliches Rechtsgeschäft eingelassen hätte.71Zudem dient die Zahlung eines Pauschalbetrages grundsätzlich auch der Einsparung weiterer Kosten auf Seiten des Bestellers bzw. Auftraggebers. Dieser kann mit einer Pauschale höhere Kosten vermeiden. Diese Erwägung trifft vorliegend aber gerade nicht zu, da eine Nachzahlung durch den Vater der Klägerin erforderlich geworden wäre, falls die Leistungen der Beklagten /einschließlich der Leistungen der Ärzte/Krankenhäuser etc.) den Pauschalbetrag von 100.000,00 € überstiegen hätte. Eine solche preisliche Erhöhung konnte die Beklagte aufgrund der ihr vorliegenden Angebote über Preise von 183.000,00 € auch nicht ausschließen. Der Zeugin T3, die das Telefonat mit dem Vater der Klägerin führte, lagen zum Zeitpunkt des Telefonats die Unterlagen des Universitätsklinikums Düsseldorf noch nicht vor, eine Erhöhung war nicht auszuschließen.72Der Umstand, dass andere Kliniken höhere Beträge für die Behandlung eines Kindes mit einem der Klägerin ähnlichen Krankheitsbild verlangen, lässt zwar die Aushandlung guter Vertragsbedingungen erkennen. Dies lässt aber nicht den zwingenden Schluss zu, dass ein besonderes Risiko bei der Beklagten lag. Vielmehr ist dabei zu berücksichtigen, dass die Beklagte für ihre Leistungen, und darunter fällt auch die Verhandlung mit Kliniken und die Einholung von Angeboten, ein Honorar im Verhältnis zur Behandlungssumme erhält. Dies lässt nicht den Rückschluss zu, dass der Aushandlung günstiger Vertragsbedingungen mit den Kliniken auch die Zahlung eines Pauschalpreises durch den Patienten einhergeht.73Aufgrund dieses Schriftstückes mit der Unterschrift des Geschäftsführers der Beklagten obliegt es der Beklagten darzulegen, dass sie die Vereinbarungen dieses Schriftstückes nicht gegen sich gelten lassen wolle. Die dahingehenden Ausführungen der Beklagten sind nicht plausibel.74Die Beklagte hat selbst eingeräumt, dass es sich um einen existenten Vertragsvordruck der Beklagten handelte. Daraus folgt, dass auch die Vereinbarung eines Hinterlegungsbetrages nach dem Leistungsprogramm der Beklagten möglich ist. Dass es sich bei der Verwendung des Vertragsentwurfes im konkreten Fall um einen Fehler des Geschäftsführers der Beklagten handelt, erscheint dem Gericht zweifelhaft, da dieser immer mit Vertragsabwicklung beschäftigt ist. Die Zeugin T3 hat selbst bekundet, dass sie nur ausnahmsweise die Vertragsverhandlungen mit dem Vater der Klägerin durchgeführt hat. Es ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass der Geschäftsführer der Beklagten einen fehlerhaften Vertragsentwurf aus Gründen des Zeitdrucks verwendete, da der Vertragsentwurf erst mehrere Tage später dem Vater der Klägerin übergeben wurde.75Zweifel erweckt vorliegend auch die Vereinbarung einer besonderen Pauschale. In Abweichung zu dem – nach Angaben der Beklagten – üblichen Vorgehen, wurde das komplette Behandlungsprogramm pauschaliert und nicht – wie üblich –nur die medizinische Behandlung. Gründe für diese abweichende Pauschalisierung wurden nicht plausibel vorgetragen.76Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte gegenüber dem Universitätsklinikum Düsseldorf, gegenüber dem Ausländeramt Düsseldorf und dem Deutschen Konsulat eine Kostenübernahmeerklärung abgegeben hat. Aufgrund des durch den Vater der Klägerin hinterlegten Betrages war das Risiko der Beklagten abschätzbar. Die Übernahme dieser Garantien unter Berücksichtigung eines hinterlegten Betrages von 100.000,00 € kann nicht als außerordentliche und risikoreiche Leistung der Beklagten, die die Annahme einer Pauschale rechtfertigen würde, gewertet werden.77Diese Einschätzung des Gerichts ändert sich auch nicht durch die Vernehmung der Zeugin T3. Die Aussage der Zeugin T3 war nicht glaubhaft. Die Zeugin T3 konnte nicht plausibel erklären, warum dem Vater der Kläger das Schreiben vom 30.07.2008 übermittelt wurde, obwohl angeblich ein Pauschalpreis vereinbart worden sei. Die Herkunft des als „Vertrag“ bezeichneten Schriftstückes vom 30.07.2008, welches zudem von der Beklagten, namentlich dem Geschäftsführer der Beklagten, unterzeichnet wurde, konnte die Zeugin nicht plausibel erklären, obwohl sie es war, die an diesem Tag mit dem Vater der Klägerin telefonierte, weil ihr Ehemann, der Geschäftsführer der Beklagten, nicht im Büro anwesend war. Die Zeugin T3 hat dabei selbst eingeräumt, dass dieses Schriftstück gerade für die Behandlung der Klägerin angefertigt wurde. Das weitere Vorbringen der Zeugin T3, dass normalerweise das Wort „Zahlung“ in den Kalkulationen verwendet werden würde, lässt nicht den Rückschluss zu, dass damit die Zahlung eines Pauschalbetrages gemeint sein soll. Auch im Hinblick auf den nachfolgenden Schriftverkehr zwischen den Parteien, insbesondere die E-Mails der Beklagten, die auch von der Zeugin T3 verfasst wurden, konnte die Zeugin T3 nicht plausibel erläutern, warum dort auf bestehende Verträge abgestellt und die Übersendung einer Abschlusskalkulation in Aussicht gestellt wurde.78Es bestehen auch Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin T3. Diese ist die Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten, ein eigenes persönliches oder finanzielles Interesse am Ausgang des Rechtsstreits kann nicht ausgeschlossen werden.79Der Wertung des Gerichts steht auch nicht die Aussage der Zeugin J entgegen. Die Aussage der Zeugin J kann ebenfalls nicht gefolgt werden, die Aussage der Zeugin war nicht glaubhaft. Die Zeugin J hat bekundet, dass sie mitbekommen habe, wie die Zeugin T3 mit dem Vater der Klägerin über die Zahlung eines Pauschalbetrages gesprochen habe. An weitere Umstände und Inhalte des Telefonates konnte sich die Zeugin J nicht erinnern. Die Zeugin konnte auch nicht plausibel erklären, warum sie sich genau an dieses Wort in einem Telefonat, nicht aber an die weiteren Inhalte erinnern konnte. Weitere Besonderheiten dieses Telefonates, welches im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung mehr als fünf Jahre zurücklag, waren der Zeugin J ebenfalls nicht erinnerlich. Der Vortrag der Zeugin stellt sich als äußerst lückenhaft dar. Es erscheint so, dass die vermeintlichen Erinnerungen der Zeugin J allein aus dem Telefonat mit der Zeugin T3 kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung herrühren.80Es bestehen auch Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin J. Nach ihrer eigenen Aussage wurde sie kurz vor dem Termin von der Zeugin T3 kontaktiert und auf den anstehenden Gerichtstermin hingewiesen. Dahingehend kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeugin J bei diesem Kontakt mitgeteilt wurde, dass die Vereinbarung einer Pauschale bestätigt werden solle. So ist auch zu erklären, dass die Zeugin J, abgesehen von der Verwendung des Wortes Pauschale keinerlei Erinnerung an den weiteren Inhalt des Telefonats der Zeugin T3 mit dem Vater der Klägerin hatte.81c) Die Klägerin kann einen Betrag in Höhe von 51.444,09 € zurückverlangen. Dies entspricht dem gezahlten Betrag von 100.000 € abzüglich eines Betrages von 48.555,91 €, den die Beklagte mit Rechtsgrund behalten darf.82(1) Die Beklagte hat die Behandlungskosten in Höhe eines Betrages von 39.751,18 € mit Rechtsgrund erhalten. Die Behandlungen wurden von den Ärzten unstreitig durchgeführt. Der Betrag ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Rechnungen.83Die Klägerin kann keine Abzüge von den Behandlungskosten vornehmen. Voraussetzung wäre eine Verpflichtung der Beklagten zur Rechnungsprüfung, die dazu führen würde, dass sie unberechtigt bezahlte Rechnungen nicht einbehalten dürfte. Eine Verpflichtung zur Prüfung der Rechnungen bestand auf Seiten der Beklagten nicht. Eine solche Verpflichtung ergibt sich nicht aus den Vereinbarungen der Parteien, insbesondere auch nicht aus dem von der Beklagten vorgelegten Vertragsentwurf. Eine solche Pflicht zur Rechnungsprüfung ist auch nicht Bestandteil eines herkömmlichen Vertrages, der als Auftrag oder als Dienstvertrag zu qualifizieren ist. Diese Vertragstypen sehen eine Verpflichtung des Leistungserbringers zur Rechnungsprüfung, unabhängig von einer konkreten Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern, nicht vor. Die mündlichen Vereinbarungen zwischen den Parteien sind insoweit ebenfalls nicht ergiebig.84Eine solche Verpflichtung folgt auch nicht als Annex aus der Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung des nicht verbrauchten Betrages. Eine Prüfungspflicht stellt sich als eigenständige vertragliche Hauptpflicht dar, die einer eigenen vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien bedarf. Eine solche liegt nicht vor.85(2) Die Beklagte hat zudem ihr Honorar hinsichtlich der Tätigkeit für die Klägerin in Höhe eines Betrages von 7.095,59 € brutto (5.962,68 € netto) mit Rechtsgrund erhalten. Die Beklagte kann aus dem mit dem Vater der Klägerin abgeschlossenen Vertrag ein Honorar in Höhe von 15 % der Behandlungskosten zuzüglich Umsatzsteuer einbehalten. Der Ansatz des Honorars in Höhe von 15 % der Behandlungskosten ergibt sich schon aus dem Vortrag der Klägerin selbst, die diesen Prozentsatz im Rahmen der Begründung ihres Leistungsantrags angeführt hat.86(3) Hinsichtlich eines Betrages von 4.500 €, den die Beklagte für Leistungen der Zeugin T3 einbehalten hat, ist ein Rechtsgrund nicht ersichtlich. Die Beklagte muss diesen Betrag ebenfalls herausgeben. Die Zeugin T3 ist nach eigenen Angaben als Mitarbeiterin der Beklagten tätig. Die von ihr erbrachten Leistungen sind bereits durch das Honorar für die Beklagte abgegolten. Der Vater der Klägerin konnte davon ausgehen, dass die Leistungen einer Mitarbeiterin der Beklagten von dem zu zahlenden Honorar gedeckt sein würden, §§ 133, 157 BGB. Eine gesonderte Abrechnung würde eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Parteien voraussetzen. Eine solche Abrechnung wurde zwischen den Parteien nicht vereinbart.87(4) Hinsichtlich der weiteren Kosten ist ein Betrag von 946,35 € zwischen den Parteien für den VIP-Service am Flughafen, die Rechnung der Frau Q in Höhe eines Betrages von 290,04 € sowie der Leistungen der Frau B2 hinsichtlich der Rechnung in Höhe von 408,30 € unstreitig.88Mangels Bestehen einer Rechnungsprüfungspflicht kann die Beklagte auch den überschüssigen Betrag in Höhe von 10 € hinsichtlich der Rechnung der Frau Q einbehalten. Hinsichtlich der weiteren Rechnung der Frau B2 über 752,79 € hat die Klägerin deren Tätigwerden nicht bestritten. Allein das Fehlen von Angaben über Ort und Zeit lassen die Rechnung nicht unwirksam werden. Nur wenn es an einem Tätigwerden der Frau B2 gemangelt hätte, hätte es auch an einem Rechtsgrund der Beklagten gefehlt, diesen Betrag einzubehalten.89d) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich seit dem 28.06.2009 in Verzug. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben die Beklagte mit dem Schreiben vom 04.12.2008 erstmalig zur Zahlung der verbliebenen Geldbeträge bis zum 16.12.2008 aufgefordert. Die Beklagte hat jeweils auf die fehlende Abrechnung durch das Universitätsklinikum verwiesen. Die letzte Rechnung, die Teil der Abschlusskalkulation der Beklagten ist, datiert vom 28.05.2009. Eine Rückzahlung 30 Tage nach Erstellung der letzten Rechnung, die von der Beklagten nicht geprüft wurde, ist ausreichend und entspricht der Wertung des § 286 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 BGB.90e) Der Anspruch der Klägerin ist nicht durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung durch die Beklagte (teilweise) erloschen gemäß §§ 389, 406 BGB. Eine Forderung auf Seiten der Beklagten, die diese zur Aufrechnung stellen könnte, besteht nicht. Eine Forderung des Prof. Dr. C ist mangels erfolgter Abrechnung gegenüber der Beklagten und demnach auch gegenüber dem Vater der Klägerin zumindest noch nicht fällig. Künftige Ansprüche können nicht zur Aufrechnung gestellt werden (BGH, Urteil vom 20.11.2008, Az.: IX ZR 139/07).91f) Ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB steht der Beklagten hinsichtlich der Forderung des Prof. Dr. C ebenfalls nicht zu. Dies setzt ebenfalls die Fälligkeit der Forderung voraus.923. Der Klägerin steht darüber hinaus kein weitergehender Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB zu. Die geltend gemachten Beträge sind teilweise im Rahmen des Anspruchs aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB zu erstatten. Ein Anspruch wegen Verletzung einer Rechnungsprüfungspflicht besteht nach den obigen Erwägungen nicht.93II.94Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.95Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt für die Klägerin aus § 709 S. 1 ZPO und für die Beklagte aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.96III.97Der Streitwert wird auf 60.265,39 € festgesetzt.98 | die beklagte wird verurteilt, an die klägerin 51.444,09 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 28.06.2009 zu zahlen. im übrigen wird die klage abgewiesen.die kosten des rechtsstreits tragen die klägerin zu 15 % und die beklagte zu 85 %.das urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die klägerin nur gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages. die klägerin kann die gegen sie gerichtete vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht zuvor die beklagte sicherheit in höhe von 110 % des zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2die minderjährige klägerin nimmt die beklagte aus abgetretenem recht im wege der stufenklage, nunmehr in der leistungsstufe, auf teilweise rückzahlung eines betrages in anspruch, den der vater der klägerin im rahmen einer vereinbarung mit der beklagten über die kosten der medizinischen behandlung der klägerin in deutschland geleistet hat.3die klägerin wurde am 14.05.2004 geboren und ist russische staatsangehörige. sie war am burkitt-syndrom erkrankt. die beklagte organisiert die behandlung von patienten aus russland in deutschen kliniken.4der vater der klägerin nahm im jahre 2008 kontakt mit der beklagten auf. die zeugin t3, eine mitarbeiterin der beklagten, teilte diesem zunächst mit, dass die beklagte nicht für minderjährige patienten tätig werde. auf weitere nachfrage des vaters der klägerin sah sie sich aber kostenlos nach geeigneten krankenhausplätzen um und schlug eine behandlung im universitätsklinikum münster vor, welches eine vorabzahlung von 183.600,00 € verlangte. dieser betrag konnte vom vater der klägerin nicht aufgebracht werden, möglich war kurzfristig nur die zahlung von 100.000,00 eur. die zeugin t3 erklärte sodann, dass die beklagte weiter nur tätig werde, wenn ein vertrag mit dem vater der klägerin gegen zahlung eines betrages von 100.000,00 € zustande kommen könne.5die beklagte erstellte sodann unter dem 23.07.2008 ein als „kostenkalkulation für die untersuchung und behandlung im zentrum der kinderonkologie uniklinik düsseldorf (anlage 1 zum vertrag 672/08 vom 30.07.2008)“ bezeichnetes schriftstück in russischer sprache, in welchem als „programm“ für die klägerin diagnostische und therapeutische maßnahmen zur behandlung der erkrankung der klägerin, die unterbringung in einem 2-bett-zimmer inklusive kosten für eine begleitperson, chefarztbehandlung, dolmetscherleistungen, transfer vom flughafen zur klinik und zurück, visenverlängerung, übersetzung und medizinisches management angegeben wurde. weiterhin wurde angegeben, das „depositum“ für den beginn des medizinischen programms betrage 100.000 eur“. unterzeichnet wurde das schriftstück nur von der beklagten.6hinsichtlich der einzelheiten wird auf die anlage (bl. 35 d.ga) bezug genommen.7zwischen dem 23.07.2008 und dem 30.07.2008 führte die zeugin t3 mit dem vater der klägerin ein telefonat. der weitere inhalt des gesprächs in bezug auf die zahlungsvereinbarungen ist zwischen den parteien streitig.8unter dem 30.07.2008 erstellte die beklagte ein weiteres schriftstück, welches als vertrag bezeichnet wurde.9als parteien wurden die beklagte (weiter als „ausführende person“ im vertrag genannt) und der vater der klägerin angegeben. als gegenstand des vertrages wurden in § 1 die in ziffer 1.2 näher aufgeführten dienstleistungen der beklagten, wie u.a. die auswahl der medizinischen facheinrichtung und aufsetzung eines schriftlichen angebotes für die behandlung und kalkulation der kosten angegeben. der vertragspartner wurde zur begleichung der kosten für die dienstleistungen verpflichtet.10in § 3 wird unter ziffer 3.1 festgehalten, dass die kosten der medizinischen leistungen, inklusive honorarkosten, im angebot angegeben und in der kalkulation (= anl. 1 zum vertrag) festgehalten und vom auftraggeber unterzeichnet werden. in ziffer 3.2 wird sodann der fall geregelt, dass die kosten nur nach einer untersuchung feststellbar sind. in diesem fall werde die höhe des hinterlegungsbetrages angegeben, der vor dem beginn der behandlung einzuzahlen sei.11in § 5 wird ausgeführt, dass die „partnerseiten“ für die nicht-erfüllung des vertrages oder eine unpassende erfüllung der vereinbarungen dieses vertrags gemäß aktueller gesetzgebung deutschlands haften.12auch dieses schriftstück wurde nur von der beklagten unterzeichnet.13hinsichtlich der weiteren einzelheiten wird auf die anlage (bl. 36-40 d.ga) bezug genommen.14ebenfalls unter dem 30.07.2008 erstellte die beklagte eine rechnung über 100.000,00 eur, die von dem vater der klägerin per sofortüberweisung bezahlt wurde.15die behandlung der klägerin endete im september 2008. hiernach forderten die prozessbevollmächtigten der klägerin die beklagte mehrfach erfolglos auf, die rechnungen des universitätsklinikums in düsseldorf zur verfügung zu stellen.16unter anderem mit schreiben vom 18.09.2008 stellte die beklagte die übersendung der rechnungen in aussicht. sie führt wörtlich aus:17„was die rechnungen betrifft, so wird herr g2 bzw. sie, die gesamte kostenaufstellung nach dem behandlungsabschluss erhalten (wie vereinbart mit herrn g2).“18hinsichtlich der weiteren einzelheiten wird auf die anlage k12 (bl. 29 d.ga) bezug genommen.19mit schreiben vom 30.10.2008 erklärte das universitätsklinikum düsseldorf den prozessbevollmächtigten der klägerin für die behandlung der klägerin über eine kostenübernahme der beklagten zu verfügen und alle rechnungen an die beklagte direkt übersandt zu haben. man habe die rechnungen deshalb nicht mehr vorliegen.20in einem weiteren schreiben vom 27.11.2008 verwies die beklagte die prozessbevollmächtigten der klägerin auf eine abschlusskalkulation nach behandlungsabschluss und führte weiter wörtlich aus:21„wir möchten sie hierzu, auf den zwischen herrn g2 und uns abgeschlossenen vertrag höflich hinweisen, wo ausdrücklich steht, dass die abschlusskalkulation erst innerhalb von 30 tagen, nachdem das medizinische programm beendet ist, erfolgen kann.“22hinsichtlich der weiteren einzelheiten wird auf die anlage k13 (bl. 30 d.ga) bezug genommen.23unter dem 04.12.2008 kündigten die prozessbevollmächtigten der klägerin „namens und in vollmacht unseres mandanten“ den vertrag. es wurde eine frist zur rückzahlung der verbliebenen geldbeträge bis zum 16.12.2008 gesetzt. eine zahlung oder eine abschlusskalkulation erfolgten in der folgenden zeit nicht.24die klägerin hat die beklagte im wege der stufenklage in anspruch genommen. mit urteil vom 19.11.2010 wurde die beklagte verurteilt, der klägerin durch vorlage von rechnungen über eigene und fremdleistungen auskunft darüber zu erteilen, welche kosten im zusammenhang mit ihrer behandlung im jahre 2008 entstanden sind.25die beklagte hat der klägerin eine aufstellung über die von ihr verauslagten kosten sowie dazugehörige rechnungen mit schriftsatz vom 12.04.2011 übermittelt. danach hat die beklagte leistungen in höhe von insgesamt 45.960,32 € erbracht.26hinsichtlich der einzelheiten dieser aufstellung wird auf den schriftsatz vom 12.04.2011 (bl. 164 d.ga) sowie die entsprechenden rechnungen bezug genommen.27für eigenleistungen hat die beklagte einen betrag von 54.039,68 € in rechnung gestellt. auf die rechnung (bl. 212 d.ga) wird bezug genommen.28die klägerin macht im rahmen der leistungsstufe nunmehr die rückzahlung eines betrages in höhe von 60.265,39 € geltend. dieser betrag resultiert aus dem gezahlten betrag in höhe von 100.000 € abzüglich der nach ansicht der klägerin berechtigten behandlungskosten in höhe von 32.623,96 € sowie abzüglich eines honoraranspruches in höhe von 15 % der gesamtbehandlungskosten (4.893,59 € netto und 5.823,38 € inkl. ust.) und abzüglich sonstiger berechtigter kosten in höhe von 947,27 €.29die klägerin behauptet, ihr vater haben die ansprüche aus dem vertrag an sie abgetreten und auch in ihrem namen die annahmeerklärung der abtretung ausgesprochen. dieses insichgeschäft sei als für sie lediglich rechtlich vorteilhaft und auch nach russischem recht nicht genehmigungsbedürftig.30in dem vertrag hätten die parteien keine pauschale, sondern ein depositum, einen hinterlegungsbetrag vereinbart, über welchen die beklagte noch nicht abgerechnet habe. die vereinbarung eines hinterlegungsbetrages führe zu einem anspruch auf rückzahlung der verbliebenen geldbeträge.31die beklagte sei verpflichtet gewesen, die rechnungen, die in zusammenhang mit der behandlung der klägerin stehen, zu kontrollieren. die rechnungen der frau q sei in höhe eines betrages von 10 € fehlerhaft, die rechnung der frau b in höhe von 752,79 € lasse weder ort noch datum der tätigkeit erkennen und sei nicht ersatzfähig. weitere beträge in höhe von 2.214,17 €, 870,33 €, 614,72 €, 880,33 €, 870,33 € und 1.081,84 € (insg. 6.531,72 €) hinsichtlich der rechnungen des v seien ebenfalls fehlerhaft. dies gelte auch für die rechnungen der fa. in höhe von 75,08 € und des prof. n2 vom 22.05.2009 in höhe von 520,42 €. die rechnung der zeugin t3 in höhe von 4.500 € sei nicht ersatzfähig, da eigene leistungen von dieser nicht erbracht worden seien.32die klägerin beantragt nunmehr,die beklagte zu verurteilen, an sie 60.265,39 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 28.06.2009 zu zahlen.die beklagte beantragt,die klage abzuweisen.33sie bestreitet, dass die ansprüche des vaters der klägerin an diese abgetreten worden seien. die abtretung sei auch sittenwidrig, da einziger grund für diese sei, dass der vater der klägerin das prozesskostenrisiko scheue und ein etwaiger kostenerstattungsanspruch gegen die minderjährige klägerin kaum durchsetzbar sei. die abtretung sei auch nicht allein rechtlich vorteilhaft für die klägerin, da eine negative kostenentscheidung des gerichts möglich sei und es darüber hinaus zu einer nachzahlungsverpflichtung kommen könne. zudem sei zumindest konkludent ein abtretungsverbot vereinbart worden, da sich die beklagte mit dem vater der klägerin darauf geeinigt habe, dass nur der vater der klägerin vertragspartner werden sollte.34es sei telefonisch eine pauschale vereinbart worden, eine abrechnung oder rückzahlung des überschießenden betrages sei grundsätzlich nicht geschuldet. von der pauschale solle entsprechend den ziffer 3.5 und 3.11 des schriftstücks vom 30.07.2008 nur dann abgewichen werden, wenn es durch eine änderung des untersuchungs- oder behandlungsprogramms weniger ausgaben gebe oder falls weitergehende medizinische leistungen erforderlich seien. der vertragsentwurf vom 30.07.2008 sei unbeachtlich, da eine unterzeichnung durch den vater der klägerin gerade nicht erfolgt sei. maßgeblich sei somit allein die mündliche vereinbarung des pauschalpreises bei einem telefonat am 30.07.2008.35die beklagte ist der ansicht, dass die regelungen des dienstvertrages anwendbar seien, die weder einen auskunftsanspruch noch eine rechenschaftsverpflichtung oder eine rechnungsprüfungspflicht kennen würden.36die beklagte erhebt hilfsweise die aufrechnung mit einer noch ausstehenden forderung des prof. dr. c, der gegenüber der beklagten seine wahlärztlich erbrachten leistung im zusammenhang mit der behandlung der klägerin noch nicht abgerechnet hat. äußerst hilfsweise macht die beklagte im hinblick auf diese forderung ein zurückbehaltungsrecht geltend.37die klägerin erhebt hinsichtlich dieser vermeintlichen forderung des prof. dr. c die einrede der verjährung.38wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die überreichten schriftsätze und die zu den akten gelangten unterlagen bezug genommen.39das gericht hat ein rechtsgutachten zu der frage eingeholt, ob die abtretung vom 03.03.2009 nach russischem recht wirksam sei. wegen der einzelheiten wird auf das gutachten des sachverständigen prof. dr. u vom 16.05.2010 (bl. 119–126 d.ga) bezug genommen. das gericht hat beweis erhoben durch vernehmung der zeugen t und t2 im termin vom 19.11.2010. wegen der einzelheiten der zeugenvernehmungen wird bezug genommen auf das protokoll des termins zur mündlichen verhandlung vom 19.11.2010 (bl. 145–148 d.ga.). das gericht hat weiter beweis erhoben durch vernehmung der zeuginnen t3 und j in der mündlichen verhandlung vom 02.09.2013. wegen der einzelheiten dieser zeugenvernehmungen wird bezug genommen auf das protokoll des termins zur mündlichen verhandlung vom 02.09.2013 (bl. 412–422 d.ga.).40 | 41i.42die zulässige klage ist in überwiegendem umfang begründet.43die klägerin hat aus abgetretenem recht gegen die beklagte einen anspruch auf zahlung eines betrages in höhe von 51.444,09 €.441.45die klägerin ist aktivlegitimiert.46a) zur sicheren überzeugung des gerichts steht fest, dass der vater der klägerin in den kanzleiräumlichkeiten der prozessbevollmächtigten in e alle ansprüche aus dem vertrag mit der beklagten an die klägerin abgetreten hat. diese überzeugung stützt das gericht auf die glaubhafte aussage der zeugen t und t2. beide haben übereinstimmend bekundet, dass im rahmen der beratung des vaters der klägerin bezüglich der ansprüche gegen die beklagte erklärt worden ist, dass die tochter klägerin sein sollte. der zeuge t hat hierzu noch angegeben, dass die eltern der klägerin erklärt hätten, dass es ja auch um die behandlung der tochter gehen würde. man habe dem vater dann erklärt, dass hierzu eine abtretung der ansprüche aus dem vertrag notwendig sei. der zeuge t2 hat weiterhin bekundet, dass auch darüber aufgeklärt worden sei, dass es sich dann um ein insichgeschäft handeln würde, dass der vater auch eine willenserklärung für die klägerin abgeben müsse. der vater habe dann zum ausdruck gebracht, dass so vorgegangen werden solle. dies ist – auch wenn es nicht ausdrücklich so gesagt wurde – konkludent nur dahin zu verstehen, dass der vater mit zustimmung der mutter zum einen für sich erklärt hat, die ansprüche aus dem vertrag auf die klägerin zu übertragen und zum anderen im namen der tochter erklärt hat, dieses angebot auf übertragung der ansprüche anzunehmen.47b) die abtretung ist auch als insichgeschäft wirksam.48die frage der wirksamkeit der abtretung beurteilt sich nach russischem recht, da die klägerin ihren gewöhnlichen aufenthalt in russland hat und es um die frage geht, ob und in welchem umfang ein elternteil vertretungsmacht hat (vgl. art. 21 egbgb). aus dem eingeholten rechtsgutachten ergibt sich, dass im russischen recht gem. art. 64 pkt. 1 satz 1 famgb vater und mutter gesetzliche vertreter des minderjährigen kindes sind. auf deren handlungen finden wiederum die vorschriften des russischen zivilgesetzbuches anwendung (art. 4 famgb i.v.m. art. 182 ff. zgb). art. 182 pkt. 3 zgb bestimmt allerdings ein verbot von insichgeschäften des vertreters. nach dem eingeholten rechtsgutachten wird nur ganz vereinzelt die auffassung vertreten, dass eine teleologische reduktion dieser norm stattfinden kann, wenn das rechtsgeschäft für den vertretenen lediglich rechtlich vorteilhaft ist. aus art. 37 pkt. 3 zgb ergibt sich aber, dass rechtsgeschäfte zwischen dem vormund und dem mündel dann nicht unwirksam sind, wenn es sich um schenkungen oder kostenlose nutzungsüberlassungen handelt. die – hier vorliegende – unentgeltliche abtretung von ansprüchen an das minderjährige kind unterfallen mithin der ausnahme vom verbot des insichgeschäftes wie sie sich aus art. 37 pkt. 3 zgb ergibt.49auch die zustimmung des russischen vormundschafts- und pflegschaftsbehörde ist gem. art. 28 pkt. 1 satz 2 zgb i.v.m. art. 37 pkt. 2 zgb nicht erforderlich. eine veräußerung des vermögens des mündels im sinne des art. 37 pkt. 2 zgb wird gerade nicht vorgenommen, vielmehr erhält das mündel eine forderung ohne entgeltverpflichtung. zwar wird in der russischen rechtsliteratur nicht erwähnt, ob eine schenkung unter art. 37 pkt. 2 zgb fällt, wenn mit dieser folgeverpflichtungen verbunden sind. der gutachter verweist aber darauf, dass nach der russischen rechtsprechung sogar ein kaufvertrag als gegenseitiger vertrag nicht in den anwendungsbereich des art. 37 pkt. 2 zgb fällt. erst recht muss dies dann für eine schenkung gelten.50c) die abtretung erfolgte auch formgültig.51gemäß art. 11 abs. 1 alt. 2 egbgb reicht es für die formgültigkeit einer vereinbarung aus, dass diese dem ortsrecht entspricht. ausreichend ist die formgültigkeit nach deutschem recht, da die abtretung in deutschland, namentlich in den kanzleiräumen der prozessbevollmächtigten der klägerin in e, erfolgte. nach deutschem recht bedarf die abtretung grundsätzlich keiner form, dies gilt sowohl für das verfügungs- als auch das verpflichtungsgeschäft (münchkomm/roth, komm. z. bgb, 6. aufl. 2012, § 398 bgb, rn. 33 ff.). eine ausnahme von dieser formfreiheit ist nicht ersichtlich.52d) die vereinbarung eines abtretungsverbotes ist nicht ersichtlich.53es gilt der grundsatz der freien abtretbarkeit von ansprüchen, sofern es sich nicht um höchstpersönliche ansprüche handelt. entgegen der ansicht der beklagten hat der vertrag zwischen den parteien keinen höchstpersönlichen charakter. unabhängig von der konkreten rechtlichen einordnung des zwischen dem vater der klägerin und der beklagten geschlossenen vertrages handelt es sich um einen gegenseitigen vertrag, der eine leistungsverpflichtung der beklagten und eine zahlungsverpflichtung des vaters der klägerin statuiert. höchstpersönliche züge enthält dieser vertrag nicht.54zudem betrifft die abtretung nur die ansprüche des vaters der klägerin gegen die beklagte. auf gegenansprüche der beklagten gegen den vater der klägerin kann sie keine anwendung finden. dass der vater seine ansprüche nicht abtreten kann, ist nicht ersichtlich. eines dahingehenden schutzbedürfnisses zugunsten des vaters der klägerin bedarf es nicht. ein risiko der fehlenden durchsetzung von forderungen gegenüber einem minderjährigen kind besteht allenfalls für die gegenansprüche der beklagten, deren abtretbarkeit nicht in rede steht.55e) die abtretung ist auch nicht gemäß § 138 abs. 1 bgb nichtig. die abtretung des vaters der klägerin an die klägerin stellt sich nicht als gefährdung eines möglichen kostenerstattungsanspruches der beklagten dar. unabhängig vom ziel der abtretung im konkreten fall ist die pauschale annahme der vermögenslosigkeit der klägerin durch keine tatsachen oder indizien belegt. es gilt auch dahingehend der grundsatz, dass die forderung grundsätzlich frei abtretbar ist.562.57die beklagte ist zur zahlung eines betrages in höhe von 51.444,09 € aus § 812 abs. 1 s. 2 alt. 1 bgb verpflichtet.58a) die beklagte hat durch eine leistung des vaters der klägerin in form einer überweisung einen anspruch auf auszahlung eines betrages in höhe von 100.000,00 € erlangt.59b) die beklagte hat einen betrag in höhe von 48.555,91 € mit rechtsgrund aufgrund des zwischen der beklagten und dem vater der klägerin abgeschlossenen typengemischten vertrages erhalten. hinsichtlich des weiteren betrages in höhe von 51.444,09 € ist der rechtliche grund mit abschluss der behandlung der klägerin und kündigung des vertrages durch den vater der klägerin entfallen. insoweit ist die beklagte zur herausgabe verpflichtet.60die beklagte und der vater der klägerin haben vereinbart, dass die zahlung des betrages von 100.000,00 € nur als hinterlegung dienen sollte und der überschießende betrag anschließend wieder ausgekehrt werden sollte. dies steht zur überzeugung des gerichts fest. unabhängig von der konkreten bezeichnung des abgeschlossenen vertrages vereinbarten der vater der klägerin und die beklagte die entgeltliche vermittlung von ärztlichen behandlungsleistungen als individualvertragliche regelung. die abrechnung sollte nach abschluss der behandlung erfolgen.61der vater der klägerin hat im rahmen seiner persönlichen anhörung gemäß § 141 zpo glaubhaft bekundet, dass er mit der zeugin t3 die hinterlegung eines betrages von 100.000,00 € vereinbart hat. der vater der klägerin hat die inhalte der telefonate mit der zeugin t3 detailliert und plausibel erläutert. dem steht nicht entgegen, dass er sich aufgrund der vielzahl der telefonate nicht mehr an das konkrete datum des telefonats erinnern kann, welches im zeitpunkt der letzten mündlichen verhandlung bereits über fünf jahre vergangen war. der vater der klägerin hat glaubhaft bekundet, dass ihm nach hinterlegung des betrages von 100.000,00 € auch die übersendung der entsprechenden rechnungen für die behandlung der klägerin in aussicht gestellt wurde. die aussage ist auch dahingehend nachvollziehbar, dass es abwegig erscheint, dass eine person am telefon ohne weitere schriftliche unterlagen und ohne die detaillierte besprechung des umfangs der leistungen der beklagten die zahlung einer pauschale vereinbart.62die aussage des vaters der klägerin im rahmen seiner persönlichen anhörung ist besonders zu berücksichtigen, da es sich um ein vier-augen-gespräch mit der zeugin t3 handelte, so dass der grundsatz der waffengleichheit es gebietet, dass seiner aussage ebenso viel gewicht beigemessen wird, wie der aussage der zeugin t3.63der konkrete inhalt der vereinbarungen zwischen dem vater der klägerin und der beklagten ergibt sich auch aus dem schriftstück vom 30.07.2008 und der dazu gehörenden anlage 1 vom 23.07.2008. zwar gab es zuvor bereits mündliche absprachen bezüglich eines vertrages. wie sich aus dem vorbringen der beklagten ergibt sollte das schriftstück vom 30.07.2008 mit der dazugehörenden anlage aber „geschäftsgrundlage“ zwischen den parteien seien. die parteien waren mithin schon bei den mündlichen verhandlungen darüber einig, dass eine schriftliche niederlegung noch erfolgen sollte. dies war von dem vater der klägerin auch so gewünscht worden.64aus dem schriftstück vom 30.07.2008 im zusammenhang mit der anlage 1 ergibt sich, dass kein pauschalbetrag gezahlt wurde, sondern ein „depositum“. das wort „depositum“ meint im herkömmlichen sprachgebrauch einen hinterlegungsbetrag. in dieser form ist er auch in der vorbemerkung zum vertragsentwurf unter ziffer 4 definiert. ähnlich wie der begriff der kaution geht damit einher, dass der betrag, soweit er im rahmen eines vertragsverhältnisses nicht verbraucht wurde, an die person zurückgezahlt wird, die den betrag zunächst geleistet hat.65in dem schriftstück vom 30.07.2008 werden hinsichtlich der von dem auftraggeber zu zahlenden kosten zwei fälle unterschieden. im ersten fall setzt die beklagte nach information durch den auftraggeber über die erkrankung und beratung durch ärzte zunächst ein schriftliches angebot für die behandlung auf und kalkuliert deren kosten (ziff. 1.2). das angebot wird dem auftraggeber vorgelegt (ziff. 2.2), der sein einverständnis damit erklärt. die in diesem angebot kalkulierten kosten werden dann vertragsbestandteil. so ist die beklagte aber im vorliegenden fall offensichtlich nicht vorgegangen. zwar liegt eine anlage 1 vor, diese beinhaltet aber keine kostenkalkulation, denn weder die konkrete geplante behandlung der klägerin noch die im einzelnen hierfür entstehenden kosten sind dort angegeben. es ist nur allgemein von einem „komplex der diagnostischen und therapiemaßnahmen“ die rede, ohne konkret zu sagen, welche maßnahmen dies im einzelnen sein sollen und welche kosten jeweils anfallen. unter diesen umständen kann es sich nur um den fall 3.2 handeln, wo die kosten nur nach untersuchungen festgestellt werden können und zuvor ein hinterlegungsbetrag gezahlt wird. dann hatte die beklagte den betrag aber treuhänderisch zu verwalten und hierüber nach abschluss der behandlungen auch abzurechnen.66dies wird auch durch die verwendung der begriffe „für den beginn des medizinischen programms“ in der kalkulation vom 23.08.2008 deutlich. die zahlung des betrages von 100.000,00 € sollte zunächst nur dafür sorgen, dass eine behandlung begonnen wird, eine nachzahlung wurde damit aber vorbehalten. damit wird aber auch deutlich, dass eine pauschale, die eine nachzahlung nach „beginn des medizinischen programms“ dem grunde nach ausschließt, nicht gemeint gewesen sein kann.67für den willen der beklagten zum abschluss des vertragswerkes vom 30.07.2008 spricht auch der bezug der beklagten in den von ihr verfassten schreiben vom 18.09. und 27.11.2008 jeweils auf einen abgeschlossenen vertrag mit dem vater der klägerin. die vereinbarungen zur übersendung der abschlusskalkulation 30 tage nach beendigung der behandlung, die in diesen schreiben gegenstand sind, finden sich in dieser form genauso in dem schriftlichen vertrag vom 30.07.2008 in § 3.11 wider. dass eine solche vereinbarung auch mündlich getroffen wurde, erscheint unglaubhaft, insbesondere da die zeugin t3 selbst ausgesagt hat, dass bei dem telefonat am 30.07.2008 keine weiteren vertragsmodalitäten besprochen wurden.68der heranziehung dieses schriftstückes vom 30.07.2008 als indiz für den willen der parteien im zeitpunkt des vertragsschlusses steht auch nicht entgegen, dass der vertragsentwurf letztlich nicht von dem vater der klägerin unterzeichnet wurde. die unterschrift der beklagten unter dem von ihr aufgesetzten dokument, welches als vertragspartner den vater der klägerin ausweist, ist als indiz dahingehend zu werten, dass dieser vertragsentwurf ihrem willen im zeitpunkt des mündlichen vertragsschlusses entsprach.69gegen die annahme der pauschale spricht auch, dass für den fall, dass höhere kosten entstünden, eine nachzahlungspflicht des vaters der klägerin bestehen würde. nur soweit der gezahlte betrag zur deckung der kosten ausreicht, stünde der überschuss der beklagten zu. dies entspricht nicht einer ausgewogenen vertraglichen risikoverteilung.70grundsätzlich ist der beklagten zuzugestehen, dass die vereinbarung einer pauschalen vergütung nicht unüblich ist. dabei ist vorliegend aber auch das missverhältnis zwischen tatsächlicher leistungserbringung und gezahlter pauschale zu berücksichtigen. nach den vorgelegten rechnungen durch die beklagte hat diese ein honorar von 54.039,68 € berechnet. ausgehend von der alternativen berechnung eines honorars von 10–15 % der behandlungskosten entspricht dies im konkreten fall dem zehnfachen betrag der alternativen abrechnung. ob diese abweichung schon die voraussetzungen des § 138 abs. 1 bgb erreicht, kann zwar letztlich dahinstehen. sie lässt aber den rückschluss zu, dass es abwegig erscheint, dass sich der vater der klägerin auf ein derart unwirtschaftliches rechtsgeschäft eingelassen hätte.71zudem dient die zahlung eines pauschalbetrages grundsätzlich auch der einsparung weiterer kosten auf seiten des bestellers bzw. auftraggebers. dieser kann mit einer pauschale höhere kosten vermeiden. diese erwägung trifft vorliegend aber gerade nicht zu, da eine nachzahlung durch den vater der klägerin erforderlich geworden wäre, falls die leistungen der beklagten /einschließlich der leistungen der ärzte/krankenhäuser etc.) den pauschalbetrag von 100.000,00 € überstiegen hätte. eine solche preisliche erhöhung konnte die beklagte aufgrund der ihr vorliegenden angebote über preise von 183.000,00 € auch nicht ausschließen. der zeugin t3, die das telefonat mit dem vater der klägerin führte, lagen zum zeitpunkt des telefonats die unterlagen des universitätsklinikums düsseldorf noch nicht vor, eine erhöhung war nicht auszuschließen.72der umstand, dass andere kliniken höhere beträge für die behandlung eines kindes mit einem der klägerin ähnlichen krankheitsbild verlangen, lässt zwar die aushandlung guter vertragsbedingungen erkennen. dies lässt aber nicht den zwingenden schluss zu, dass ein besonderes risiko bei der beklagten lag. vielmehr ist dabei zu berücksichtigen, dass die beklagte für ihre leistungen, und darunter fällt auch die verhandlung mit kliniken und die einholung von angeboten, ein honorar im verhältnis zur behandlungssumme erhält. dies lässt nicht den rückschluss zu, dass der aushandlung günstiger vertragsbedingungen mit den kliniken auch die zahlung eines pauschalpreises durch den patienten einhergeht.73aufgrund dieses schriftstückes mit der unterschrift des geschäftsführers der beklagten obliegt es der beklagten darzulegen, dass sie die vereinbarungen dieses schriftstückes nicht gegen sich gelten lassen wolle. die dahingehenden ausführungen der beklagten sind nicht plausibel.74die beklagte hat selbst eingeräumt, dass es sich um einen existenten vertragsvordruck der beklagten handelte. daraus folgt, dass auch die vereinbarung eines hinterlegungsbetrages nach dem leistungsprogramm der beklagten möglich ist. dass es sich bei der verwendung des vertragsentwurfes im konkreten fall um einen fehler des geschäftsführers der beklagten handelt, erscheint dem gericht zweifelhaft, da dieser immer mit vertragsabwicklung beschäftigt ist. die zeugin t3 hat selbst bekundet, dass sie nur ausnahmsweise die vertragsverhandlungen mit dem vater der klägerin durchgeführt hat. es ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass der geschäftsführer der beklagten einen fehlerhaften vertragsentwurf aus gründen des zeitdrucks verwendete, da der vertragsentwurf erst mehrere tage später dem vater der klägerin übergeben wurde.75zweifel erweckt vorliegend auch die vereinbarung einer besonderen pauschale. in abweichung zu dem – nach angaben der beklagten – üblichen vorgehen, wurde das komplette behandlungsprogramm pauschaliert und nicht – wie üblich –nur die medizinische behandlung. gründe für diese abweichende pauschalisierung wurden nicht plausibel vorgetragen.76dem steht auch nicht entgegen, dass die beklagte gegenüber dem universitätsklinikum düsseldorf, gegenüber dem ausländeramt düsseldorf und dem deutschen konsulat eine kostenübernahmeerklärung abgegeben hat. aufgrund des durch den vater der klägerin hinterlegten betrages war das risiko der beklagten abschätzbar. die übernahme dieser garantien unter berücksichtigung eines hinterlegten betrages von 100.000,00 € kann nicht als außerordentliche und risikoreiche leistung der beklagten, die die annahme einer pauschale rechtfertigen würde, gewertet werden.77diese einschätzung des gerichts ändert sich auch nicht durch die vernehmung der zeugin t3. die aussage der zeugin t3 war nicht glaubhaft. die zeugin t3 konnte nicht plausibel erklären, warum dem vater der kläger das schreiben vom 30.07.2008 übermittelt wurde, obwohl angeblich ein pauschalpreis vereinbart worden sei. die herkunft des als „vertrag“ bezeichneten schriftstückes vom 30.07.2008, welches zudem von der beklagten, namentlich dem geschäftsführer der beklagten, unterzeichnet wurde, konnte die zeugin nicht plausibel erklären, obwohl sie es war, die an diesem tag mit dem vater der klägerin telefonierte, weil ihr ehemann, der geschäftsführer der beklagten, nicht im büro anwesend war. die zeugin t3 hat dabei selbst eingeräumt, dass dieses schriftstück gerade für die behandlung der klägerin angefertigt wurde. das weitere vorbringen der zeugin t3, dass normalerweise das wort „zahlung“ in den kalkulationen verwendet werden würde, lässt nicht den rückschluss zu, dass damit die zahlung eines pauschalbetrages gemeint sein soll. auch im hinblick auf den nachfolgenden schriftverkehr zwischen den parteien, insbesondere die e-mails der beklagten, die auch von der zeugin t3 verfasst wurden, konnte die zeugin t3 nicht plausibel erläutern, warum dort auf bestehende verträge abgestellt und die übersendung einer abschlusskalkulation in aussicht gestellt wurde.78es bestehen auch zweifel an der glaubwürdigkeit der zeugin t3. diese ist die ehefrau des geschäftsführers der beklagten, ein eigenes persönliches oder finanzielles interesse am ausgang des rechtsstreits kann nicht ausgeschlossen werden.79der wertung des gerichts steht auch nicht die aussage der zeugin j entgegen. die aussage der zeugin j kann ebenfalls nicht gefolgt werden, die aussage der zeugin war nicht glaubhaft. die zeugin j hat bekundet, dass sie mitbekommen habe, wie die zeugin t3 mit dem vater der klägerin über die zahlung eines pauschalbetrages gesprochen habe. an weitere umstände und inhalte des telefonates konnte sich die zeugin j nicht erinnern. die zeugin konnte auch nicht plausibel erklären, warum sie sich genau an dieses wort in einem telefonat, nicht aber an die weiteren inhalte erinnern konnte. weitere besonderheiten dieses telefonates, welches im zeitpunkt der mündlichen verhandlung mehr als fünf jahre zurücklag, waren der zeugin j ebenfalls nicht erinnerlich. der vortrag der zeugin stellt sich als äußerst lückenhaft dar. es erscheint so, dass die vermeintlichen erinnerungen der zeugin j allein aus dem telefonat mit der zeugin t3 kurz vor dem termin zur mündlichen verhandlung herrühren.80es bestehen auch zweifel an der glaubwürdigkeit der zeugin j. nach ihrer eigenen aussage wurde sie kurz vor dem termin von der zeugin t3 kontaktiert und auf den anstehenden gerichtstermin hingewiesen. dahingehend kann nicht ausgeschlossen werden, dass der zeugin j bei diesem kontakt mitgeteilt wurde, dass die vereinbarung einer pauschale bestätigt werden solle. so ist auch zu erklären, dass die zeugin j, abgesehen von der verwendung des wortes pauschale keinerlei erinnerung an den weiteren inhalt des telefonats der zeugin t3 mit dem vater der klägerin hatte.81c) die klägerin kann einen betrag in höhe von 51.444,09 € zurückverlangen. dies entspricht dem gezahlten betrag von 100.000 € abzüglich eines betrages von 48.555,91 €, den die beklagte mit rechtsgrund behalten darf.82(1) die beklagte hat die behandlungskosten in höhe eines betrages von 39.751,18 € mit rechtsgrund erhalten. die behandlungen wurden von den ärzten unstreitig durchgeführt. der betrag ergibt sich aus den von der beklagten vorgelegten rechnungen.83die klägerin kann keine abzüge von den behandlungskosten vornehmen. voraussetzung wäre eine verpflichtung der beklagten zur rechnungsprüfung, die dazu führen würde, dass sie unberechtigt bezahlte rechnungen nicht einbehalten dürfte. eine verpflichtung zur prüfung der rechnungen bestand auf seiten der beklagten nicht. eine solche verpflichtung ergibt sich nicht aus den vereinbarungen der parteien, insbesondere auch nicht aus dem von der beklagten vorgelegten vertragsentwurf. eine solche pflicht zur rechnungsprüfung ist auch nicht bestandteil eines herkömmlichen vertrages, der als auftrag oder als dienstvertrag zu qualifizieren ist. diese vertragstypen sehen eine verpflichtung des leistungserbringers zur rechnungsprüfung, unabhängig von einer konkreten vereinbarung zwischen den vertragspartnern, nicht vor. die mündlichen vereinbarungen zwischen den parteien sind insoweit ebenfalls nicht ergiebig.84eine solche verpflichtung folgt auch nicht als annex aus der verpflichtung der beklagten zur rückzahlung des nicht verbrauchten betrages. eine prüfungspflicht stellt sich als eigenständige vertragliche hauptpflicht dar, die einer eigenen vertraglichen vereinbarung zwischen den parteien bedarf. eine solche liegt nicht vor.85(2) die beklagte hat zudem ihr honorar hinsichtlich der tätigkeit für die klägerin in höhe eines betrages von 7.095,59 € brutto (5.962,68 € netto) mit rechtsgrund erhalten. die beklagte kann aus dem mit dem vater der klägerin abgeschlossenen vertrag ein honorar in höhe von 15 % der behandlungskosten zuzüglich umsatzsteuer einbehalten. der ansatz des honorars in höhe von 15 % der behandlungskosten ergibt sich schon aus dem vortrag der klägerin selbst, die diesen prozentsatz im rahmen der begründung ihres leistungsantrags angeführt hat.86(3) hinsichtlich eines betrages von 4.500 €, den die beklagte für leistungen der zeugin t3 einbehalten hat, ist ein rechtsgrund nicht ersichtlich. die beklagte muss diesen betrag ebenfalls herausgeben. die zeugin t3 ist nach eigenen angaben als mitarbeiterin der beklagten tätig. die von ihr erbrachten leistungen sind bereits durch das honorar für die beklagte abgegolten. der vater der klägerin konnte davon ausgehen, dass die leistungen einer mitarbeiterin der beklagten von dem zu zahlenden honorar gedeckt sein würden, §§ 133, 157 bgb. eine gesonderte abrechnung würde eine ausdrückliche vereinbarung zwischen den parteien voraussetzen. eine solche abrechnung wurde zwischen den parteien nicht vereinbart.87(4) hinsichtlich der weiteren kosten ist ein betrag von 946,35 € zwischen den parteien für den vip-service am flughafen, die rechnung der frau q in höhe eines betrages von 290,04 € sowie der leistungen der frau b2 hinsichtlich der rechnung in höhe von 408,30 € unstreitig.88mangels bestehen einer rechnungsprüfungspflicht kann die beklagte auch den überschüssigen betrag in höhe von 10 € hinsichtlich der rechnung der frau q einbehalten. hinsichtlich der weiteren rechnung der frau b2 über 752,79 € hat die klägerin deren tätigwerden nicht bestritten. allein das fehlen von angaben über ort und zeit lassen die rechnung nicht unwirksam werden. nur wenn es an einem tätigwerden der frau b2 gemangelt hätte, hätte es auch an einem rechtsgrund der beklagten gefehlt, diesen betrag einzubehalten.89d) der zinsanspruch folgt aus §§ 280 abs. 1, 2, 286 abs. 1, 288 abs. 1 bgb. die beklagte befand sich seit dem 28.06.2009 in verzug. die prozessbevollmächtigten der klägerin haben die beklagte mit dem schreiben vom 04.12.2008 erstmalig zur zahlung der verbliebenen geldbeträge bis zum 16.12.2008 aufgefordert. die beklagte hat jeweils auf die fehlende abrechnung durch das universitätsklinikum verwiesen. die letzte rechnung, die teil der abschlusskalkulation der beklagten ist, datiert vom 28.05.2009. eine rückzahlung 30 tage nach erstellung der letzten rechnung, die von der beklagten nicht geprüft wurde, ist ausreichend und entspricht der wertung des § 286 abs. 2 nr. 2, abs. 3 bgb.90e) der anspruch der klägerin ist nicht durch die hilfsweise erklärte aufrechnung durch die beklagte (teilweise) erloschen gemäß §§ 389, 406 bgb. eine forderung auf seiten der beklagten, die diese zur aufrechnung stellen könnte, besteht nicht. eine forderung des prof. dr. c ist mangels erfolgter abrechnung gegenüber der beklagten und demnach auch gegenüber dem vater der klägerin zumindest noch nicht fällig. künftige ansprüche können nicht zur aufrechnung gestellt werden (bgh, urteil vom 20.11.2008, az.: ix zr 139/07).91f) ein zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 abs. 1 bgb steht der beklagten hinsichtlich der forderung des prof. dr. c ebenfalls nicht zu. dies setzt ebenfalls die fälligkeit der forderung voraus.923. der klägerin steht darüber hinaus kein weitergehender schadensersatzanspruch aus § 280 abs. 1 bgb zu. die geltend gemachten beträge sind teilweise im rahmen des anspruchs aus § 812 abs. 1 s. 2 alt. 1 bgb zu erstatten. ein anspruch wegen verletzung einer rechnungsprüfungspflicht besteht nach den obigen erwägungen nicht.93ii.94die kostenentscheidung beruht auf § 92 abs. 1 s. 1 zpo.95die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt für die klägerin aus § 709 s. 1 zpo und für die beklagte aus §§ 708 nr. 11, 711 zpo.96iii.97der streitwert wird auf 60.265,39 € festgesetzt.98 | Klaeger*in | 1 |
179,491 | 11 K 222/13 | 2014-04-30T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Am 15. Mai 2012 beantragte der Kläger beim Beklagten die Auszahlung von Betriebsprämie für das Jahr 2012. 3Am 12. November 2012 führten Bedienstete des Fachbereichs Veterinär- und Lebensmittelüberwachung des Kreises I. – die Amtstierärztin Dr. U. I1. sowie die Futtermittelkontrolleurin N. N1. zu F. – eine Vor-Ort-Kontrolle im Betrieb des Klägers durch. Dabei stellten sie in der Kategorie Tierschutz Haltung Schweine (RL 2008/120/EG) Verstöße fest, die als fahrlässig eingestuft und mit 3 % bewertet wurden (Blatt 55, BA III). Desweiteren wurden in der Kategorie Tierschutz Haltung Nutztiere (RL 98/58/EG) Verstöße festgestellt, die insgesamt mit 5 % bewertet wurden (Blatt 57 f., BA III). In der Kategorie Futtermittelsicherheit wurde festgestellt, dass keine entsprechende Lagerung/Handhabung der Abfälle/gefährlichen Stoffe gegeben sei, weshalb eine Kontamination möglich sei. Dem Kontrollbericht (Blatt 59, BA III) lässt sich hierzu weiter entnehmen: 4„Futterkammer für Schweine „Rattengift“ (Pulverform) einfach auf den Boden gestreut in unmittelbarer Nähe zum Futtersilo bzw. Auslauf des FM-Silos. Ferner stand eine Ölkanne in unmittelbarer Nähe zum o.a. Silo. Außerdem lagerte hier ein Behälter mit Amoxicillin. …“. 5Dieser Verstoß wurde als fahrlässig eingestuft und mit 3 % bewertet. Schließlich wurden auch in der Kategorie Lebensmittel pflanzl./tier. Herkunft Verstöße festgestellt, die als fahrlässig erachtet und mit 3 % bewertet wurden (Blatt 61, BA III). 6Hinsichtlich der im Rahmen der Futtermittelhygiene festgestellten Verstöße lässt sich dem Vermerk des Kreises I. vom 20. November 2012 u.a. entnehmen: 7„Bei einem Silo war die Außenwand abgebrochen und hing im Getreideschrot, welcher bereits oberflächlich verunreinigt war. Ungehinderter Zugang von Schadnager. 8Bei dem ersten Silo unter dem Auslauf (neben der Außentür) lagerte auf dem Boden Rattenköderstreu (einfach hingestreut) und ein leerer Behälter mit der Aufschrift „Hustenpulver“. Auf der gegenüberliegenden Seite lagerte in einem 10 ltr. Kunststoffeimer (weiß) ein leerer Behälter mit der Aufschrift „Amoxicillin-Pulver“. Oberhalb des Eimers lagerte auf einem Wandvorsprung eine rote, stark verschmutzte Kunststoff-Ölkanne. … 9Die Ausläufe des Futtersilos waren mit einer alten verkrusteten, zum Teil verschimmelten Futtermittelanbackung behaftet. …“. 10Zu den Verstößen in der Kategorie Tierschutz heißt es im Vermerk des Kreises I. vom 25. November 2012: 11„Krankenstall für Schweine fehlt, ein seit längerer Zeit (mindestens Wochen) erkranktes/verletztes Schwein wurde nicht in einem geeigneten Krankenstall untergebracht, nicht zeitnah (tierärztlich) behandelt oder (erforderlichenfalls) tierschutzgerecht getötet; … In beiden Schweineställen erhebliche Verletzungsgefahr durch scharfkantige Metallgegenstände, ausgebrochene Trogkanten und defekten bzw. lückenhaft verlegten Betonspaltenboden im Aufenthaltsbereich der Tiere… Wände und Decken waren alt verschmutzt; im oberen Bereich stark mit Spinnweben und Staub verunreinigt; im unteren Bereich durch Verkrustungen und Anbackungen von Kot und Futterresten; Buchtenbegrenzungen, Futter- und Wasserleitungen sowie Futtertröge wiesen ebenfalls Schmutzverkrustungen und Anbackungen auf; in den Trögen wurde Kot vorgefunden… Spaltenböden waren bei der Kontrolle großflächig mit Harn und Kot verunreinigt; an den Buchtenrändern wurde eine bis zu 3 cm dicke „Schlammauflage“ festgestellt; mehrere Tiere waren am Unterbauch und Gliedmaßen mit Kot/Urin behaftet.“ 12Zur Mastbullenhaltung lässt sich dem Vermerk entnehmen: 13„Im Vormaststall und einigen Buchten im Endmaststall war die Besatzdichte zu hoch. … Verletzungsgefahr durch rostige Nägel im Bereich der Buchtenbegrenzungen… Wände und Decken in beiden Bullenställen alt verschmutzt, teilweise großflächiger Schimmelbesatz an Decken und Wänden (Schwarz- und Rotschimmel); Kotansammlungen (teilweise mit Schimmel überzogen) im Aufenthaltsbereich der Tiere bzw. in den Treibgängen – im Vormaststall mehrere Tiere stark verschmutzt (Kotrollenbildung an den Hintergliedmaßen und am Unterbauch)… .“ 14Mit Bescheid vom 22. Januar 2013 setzte der Beklagte die Höhe der auszuzahlenden Betriebsprämie 2012 auf 23.969,78 € fest. Von dem eigentlichen Zuwendungsbetrag von 27.479,28 € nahm er dabei wegen Verstößen gegen Cross Compliance-Vorschriften eine Kürzung in Höhe von 5 % (1.261,57 €) vor. Zusätzlich erfolgte eine Modulationskürzung in Höhe von 10 % (2.247,93 €). 15Am 28. Januar 2013 hat der Kläger Klage erhoben. 16Soweit er sich ursprünglich mit dieser auch gegen den Modulationsabzug gewandt hat, ist das Verfahren abgetrennt worden – 11 K 3029/13 –. Der Kläger hat die Klage insoweit am 13. September 2013 zurückgenommen. 17Zur Begründung seiner noch anhängigen Klage macht der Kläger geltend, der im Bescheid vom 22. Januar 2013 vorgenommene CC-Abzug von 5 % sei rechtswidrig. Zunächst sei im Bescheid nicht erläutert worden, gegen welche Rechtsnormen er tatsächlich verstoßen habe. Zu beachten sei, dass nicht jeder Verstoß gegen nationale Rechtsnormen des Tierschutzgesetzes zugleich cc-relevante Verstöße seien. Nur wenn gegen eine im Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 aufgeführte Regelung verstoßen worden sei, könne ein CC-Abzug vorgenommen werden. Im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle seien zu Unrecht Verschmutzungen bemängelt worden. Die Verschmutzung eines Stallgebäudes stelle jedoch gerade keinen CC-Verstoß dar. Dies habe bereits das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19. September 2013 – 3 C 25.12 – dargetan. In seinem Betrieb erfolge die gründliche Endreinigung am Ende der Mastperiode. Vorliegend sei die Kontrolle zu einem Zeitpunkt durchgeführt worden, als die meisten Schweine seines Betriebes bereits vermarktet gewesen seien. Eine Endreinigung wäre daher ohnehin in Kürze erfolgt. Der Betonspaltenboden sei nicht lückenhaft verlegt gewesen, vielmehr sei er nach jeder Mastperiode gereinigt und neu verfüllt worden. Die während der Kontrolle bemängelten Tröge und Stallungen hätten sich in Bereichen gefunden, zu denen Tiere zu diesem Zeitpunkt keinen Zugang mehr gehabt hätten. Im Übrigen habe sich in seinen Ställen bislang nie ein Tier verletzt. Desweiteren habe er nach der Vor-Ort-Kontrolle die Schweinemast eingestellt. Soweit im Rahmen der Kontrolle ein verletztes Tier bemängelt worden sei, sei dies am Vortag durch eine Veterinärin begutachtet worden. Diese habe ihm zur Tötung des Tieres geraten. Sie habe allerdings auch gesagt, er könne nochmal probieren, ob es genese. Er habe das Tier daher zu diesem Zweck in einen anderen Stallbereich gebracht, um es nicht dem Stress durch andere Tiere auszusetzen. Das Tier habe er letztlich aber doch, nachdem sein Bolzenschussgerät wieder funktioniert habe, einige Tage später getötet. Nach Ziffer 4 des Anhangs der Richtlinie 98/58/EG sei lediglich das Hinzuziehen eines Tierarztes, nicht jedoch auch eine Behandlung durch diesen erforderlich. Im Rahmen der Bullenmast könne Kot aus kleinen Gängen und Boxen während der Mastperiode nicht entfernt werden, da dies zu gefährlich sei. Den Vorwurf der Überbelegung habe der Beklagte nicht substantiieren können. 18Der Kläger beantragt, 19den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Januar 2013– soweit dieser entgegensteht – zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 15. Mai 2012 Betriebsprämie für das Jahr 2012 ohne CC-Abzug zu gewähren. 20Der Beklagte beantragt, 21die Klage abzuweisen. 22Er macht geltend, aufgrund der Vielzahl der seitens der Kontrollbehörde festgestellten fahrlässigen Verstöße sowie der Höchstbewertung von 5 % aufgrund schwerer Fahrlässigkeit bei den Verstößen gegen die Richtlinie 98/58/EG sei die Höhe des Abzuges mit 5 % verhältnismäßig. Bereits jeder einzelne Verstoß berechtige nach Artikel 71 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 schon für sich genommen zu einer Kürzung in Höhe von mindestens 3 %. Das Vorliegen mehrerer Verstöße rechtfertige es nach Artikel 71 Abs. 4 der vorgenannten Verordnung, die Prozentsätze zu addieren, wobei die Obergrenze von 5 % zu berücksichtigen sei. Da es sich im vorliegenden Fall sowohl um Verstöße gegen den Tierschutz, die Futtermittelsicherheit sowie gegen Hygienevorschriften handele, sei auch aus diesem Grund die Addition bis zur Obergrenze angebracht. Der Einwand des Klägers, eine Verschmutzung des Stalles stelle keinen CC-Verstoß dar, schlage fehl. Das Bundesverwaltungsgericht habe in der Entscheidung vom 19. September 2013 – 3 C 25.12 – offen gelassen, ob eine Verunreinigung einen CC-Verstoß darstelle. Allerdings sei in dem vom Bundesverwaltungsgericht behandelten Fall eine Verunreinigung des Stalles nicht dokumentiert worden. Im vorliegenden Fall sei die Verunreinigung und Verschmutzung des Stalles demgegenüber ausführlich dokumentiert. 23Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung die Veterinärin Dr. U. I2. und die Futtermittelkontrolleurin N. N1. zu F. (allesamt Bedienstete des Kreises I. ) als Zeugen vernommen. Wegen des Beweisthemas und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift, wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (3 Hefte) Bezug genommen. 24Entscheidungsgründe: 25Die statthafte Verpflichtungsklage ist zulässig, jedoch nicht begründet. 26Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Gewährung einer weiteren Betriebsprämie für das Jahr 2012 in Höhe von 1.261,57 €. Die im Bescheid vom 22. Januar 2013 erfolgte Kürzung der Betriebsprämie wegen Verstößen gegen Cross-Compliance-Verpflichtungen in Höhe von 5 % ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 Satz 1 VwGO). 27Gemäß Artikel 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 muss ein Betriebsinhaber, der Direktzahlungen bezieht, Grundanforderungen an die Betriebsführung gemäß Artikel 5 in Verbindung mit Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 und die Vorschriften zum guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand gemäß Artikel 6 der vorgenannten Verordnung erfüllen. Artikel 23 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 bestimmt weiter, dass der Gesamtbetrag der Direktzahlungen, der dem Betriebsinhaber gewährt wurde oder zu gewähren ist, nach den Durchführungsbestimmungen gemäß Artikel 24 gekürzt oder gestrichen wird, wenn die Grundanforderungen an die Betriebsführung oder das Kriterium des guten landwirtschaftlichen ökologischen Zustandes in einem bestimmten Kalenderjahr zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt werden und dieser Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung ist, die unmittelbar dem Betriebsinhaber, der den Beihilfeantrag in dem betreffenden Jahr gestellt hat, anzulasten ist. 28Zu den einzuhaltenden Grundanforderungen an die Betriebsführung gehört ausweislich der Ziffer 18 des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 auch die Richtlinie 98/58/EG des Rates vom 20. Juli 1998 über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere. Ausweislich der Ziffer 4 des Anhangs der Richtlinie 98/58/EG des Rates vom 20. Juli 1998 muss ein Tier, sofern es Anzeichen einer Krankheit oder Verletzung aufweist, ordnungsgemäß versorgt werden; spricht ein Tier auf diese Maßnahme nicht an, so ist so rasch wie möglich ein Tierarzt hinzuzuziehen. Erforderlichenfalls sind die kranken oder verletzten Tiere gesondert in angemessenen Unterkünften unterzubringen und ggf. mit trockener und angenehmer Einstreu zu versehen. Diese Vorgaben hat der Kläger nicht erfüllt. Die Zeugin Dr. I2. hat in der mündlichen Verhandlung insoweit plausibel und nachvollziehbar dargetan, dass sich das im Zeitpunkt der Vor-Ort-Kontrolle aufgefundene verletzte Tier in einem sehr schlechten Zustand befunden habe. Das Tier sei zwar von anderen Tieren gesondert gehalten worden, jedoch sei der Untergrund für dieses Tier lediglich der Spaltenboden gewesen; es wäre angebracht gewesen, diesen Stallbereich für das Tier einzustreuen. Sofern der Kläger darauf verweist, er habe das Tier am Vortag seitens einer Veterinärin begutachten lassen, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Die Zeugin Dr. I2. hat diesbezüglich überzeugend ausgeführt, dass das Tier schwerst krank gewesen sei, weshalb nicht nur eine Begutachtung, sondern auch eine Behandlung durch die Veterinärin angezeigt gewesen wäre. Es sei offensichtlich gewesen, dass dieses Tier nicht mehr zu retten gewesen sei. Es habe daher nur zwei Möglichkeiten für das Tier gegeben, entweder eine rechtzeitige und umfassende Behandlung oder aber eine artgerechte, tierschutzgerechte Tötung. Sofern der Kläger weiter ausführt, Ziffer 4 des Anhangs zur Richtlinie 98/58/EG verlange nur das Hinzuziehen eines Tierarztes, jedoch keine Behandlung durch diesen, verfängt dies nicht. Ziffer 4 des Anhangs der vorgenannten Richtlinie verlangt nicht nur das Hinzuziehen eines Tierarztes, sondern vorab auch eine unverzügliche ordnungsgemäße Versorgung. Hierzu zählt auch, dass ein erkranktes bzw. verletztes Tier entsprechend medizinisch versorgt wird. 29Ziffer 8 des Anhangs der Richtlinie 98/58/EG bestimmt, dass das für den Bau von Unterkünften, insbesondere von Buchten und Einrichtungen verwendete Material, mit dem die Tiere in Berührung kommen können, für die Tiere ungefährlich sein muss und sich gründlich reinigen und desinfizieren lassen muss. Auch hiergegen hat der Kläger in gewissem Umfang verstoßen. Ausweislich der während der Vor-Ort-Kontrolle gefertigten Lichtbilder, den Ausführungen im Vermerk des Kreises I. vom 25. November 2012 sowie den Angaben der Zeugin Dr. I2. in der mündlichen Verhandlung wiesen zum Zeitpunkt der Vor-Ort-Kontrolle sowohl der Schweinestall als auch der Bullenstall erhebliche Verunreinigungen auf. Die Zeugin Dr. I2. hat u.a. plastisch geschildert, dass der Spaltenboden zum Zeitpunkt der Vor-Ort-Kontrolle nicht richtig funktioniert habe, da ein Kot- und Uringemisch auf den Spalten vorhanden gewesen sei. Den Einwand des Klägers, dass zum Ende der Mastperiode nur wenige Tiere im Stall vorhanden gewesen seien, so dass das vollständige Herunterdrücken des Kotes nicht mehr möglich gewesen sei, hat die Zeugin dadurch entkräftet, indem sie ausgeführt hat, dass zumindest der Urin ungehindert hätte ablaufen müssen. 30Den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, 31zum Beweis der Tatsache, dass der Schweinestall im Betrieb des Klägers regelmäßig nach jeder Mastperiode nach rund 120 Tagen vollständig gereinigt und Dreck und Verkrustungen entfernt wurden, die Zeugen K. T. , M. T1. , M1. , sowie Herrn C1. H. , L.----, M1. , und Herrn C2. I3. , B. T2. , C3. P. , zu vernehmen, 32musste das Gericht nicht entsprechen. Es kann die vom Kläger unter Beweis gestellte Tatsache der vollständigen Reinigung und Entfernung von Dreck und Verkrustungen im Schweinestall nach jeder Mastperiode als wahr unterstellen, ohne dass sich für ihn hieraus ein günstigeres Ergebnis ergibt. Wenn nach einer, wie vom Kläger behauptet, rund alle 120 Tage stattfindenden vollständigen Reinigung und Entfernung von Dreck und Verkrustungen der Schweinemaststall zum Zeitpunkt der Vor-Ort-Kontrolle einen derart verschmutzen und verdreckten Eindruck abgibt, dann können die beim Bau des Stalles verwendeten Materialien nicht für eine gründliche Reinigung und Desinfektion im Sinne der Ziffer 8 des Anhangs der Richtlinie 98/58/EG geeignet gewesen sein. Anderenfalls hätte sich nach der vom Kläger vorgebrachten vollständigen Reinigung und Entfernung des Drecks und der Verkrustungen zum Zeitpunkt der Vor-Ort-Kontrolle der Zustand des Stalles nicht derart präsentiert. Hinzu kommt, dass der Kläger eine vollständige Reinigung und die Entfernung von Dreck und Verkrustungen nur für den Schweinestall angeführt hat. Das im Bullenstall gegebene und dokumentierte Ausmaß der Verunreinigungen lässt darauf schließen, dass die dort verwendeten Materialien sich ebenfalls nicht gründlich reinigen und desinfizieren lassen im Sinne der vorgenannten Vorgaben. 33Der Frage, ob darüber hinaus bereits die Verschmutzung als solche einen relevanten Verstoß gegen Cross Compliance-Vorschriften darstellt, 34 offen gelassen durch BVerwG, Urteil vom 19. September 2013 – 3 C 25.12 –, juris Rn. 36, 35braucht das Gericht mit Blick darauf, dass aus den vorgenannten Gründen ein Verstoß gegen Ziffer 8 des Anhangs der Richtlinie 98/58/EG vorliegt, nicht weiter nachgehen. 36Desweiteren waren die insbesondere im Bullenmaststall verwendeten Materialien, mit dem die Tiere in Berührung kommen können, auch nicht ungefährlich. Aus den gefertigten Fotos (u.a. S. 96, 101, BA III) sowie den Angaben der Zeugin Dr. I2. in der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass insbesondere in den Fütterungsbereich der Bullen sowie die Buchtenbegrenzungen hineinragende Nägel ein hohes Verletzungsrisiko für die Köpfe der Tiere darstellten. Dass sich, so die Angaben des Klägers, bislang in seinem Stall an scharfkantigen Gegenständen kein Tier verletzt haben soll, ist unerheblich. Es reicht bereits aus, dass von den verwendeten Materialien die Möglichkeit einer Verletzung ausgeht. 37Aus den vorgenannten Gründen liegt auch ein Verstoß gegen Ziffer 9 des Anhangs der Richtlinie (98/58/EG) vor, die besagt, dass die Unterkünfte sowie die Vorrichtungen, mit denen die Tiere angebunden werden, so zu konstruieren und zu warten sind, dass die Tiere keine Verletzungen durch scharfe Kanten oder Unebenheiten erleiden. Sofern der Kläger mit Blick auf in die Nähe der Schweinetröge vorhandene scharfkantige Gegenstände angeführt hat, zum Zeitpunkt der Aufnahmen seien dort keine Tiere mehr aufhältig gewesen, hat die Zeugin Dr. I2. zu Recht darauf hin gewiesen, dass sich in nicht allzu fernliegender Zeit dort Tiere aufgehalten haben, die durch die Gegenstände hätten verletzt werden können. 38Ferner liegt ein Verstoß gegen Ziffer 17 des Anhangs der Richtlinie 98/58/EG vor. Danach müssen Fütterungs- und Tränkanlagen so konstruiert, gebaut und angebracht werden, dass eine Verunreinigung des Tierfutters und des Wassers sowie etwaige nachteilige Auswirkungen aufgrund von Rivalitäten zwischen den Tieren auf ein Mindestmaß begrenzt werden. Ausweislich der im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle gefertigten Lichtbilder (u.a. S. 72, BA III) sowie der Angaben der Zeugin Dr. I2. in der mündlichen Verhandlung wiesen die Tröge im Schweinestall, die sich auf der Erde befunden haben, ein Gemisch aus Wasser, Futterbrei und Kot auf. Die Zeugin hat nachvollziehbar ausgeführt, dass es sich hierbei um eine längerfristige Verschmutzung gehandelt habe. Der im Wasser und Futterbrei schwimmende Kot kann auch nicht zu Gunsten des Klägers als ein Mindestmaß der Verschmutzung angesehen werden, vielmehr lassen das Ausmaß der Verunreinigung darauf schließen, dass eine solche auch durch eine andere Anbringung und/oder Konstruktion der Tröge bzw. der Fütterungsanlage hätte vermieden werden können. 39Zu den nach Ziffer 11 des Angangs II der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 einzuhaltenden Vorschriften zählt auch Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und Abs. 5 i.V. m. Anhang I und Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 183/2005, die aufbauend auf die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 erlassen wurde. Nach Anhang I, Teil A, I Hygienevorschriften, Nr. 4 e) sind ggf. angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um Abfall und gefährliche Stoffe zwecks Verhütung einer gefährlichen Kontamination getrennt und sicher zu lagern und zu handhaben. Nach Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 183/2005 – Vorschriften für Stall- und Fütterungseinrichtungen – sind Tierproduktionseinheit und die Fütterungseinrichtungen gründlich und regelmäßig zu reinigen, um die Entstehung von Gefährdungen zu verhindern. Chemikalien für Reinigungs- und sanitäre Zwecke müssen gemäß den Anweisungen verwendet und getrennt von Futtermitteln und außerhalb von Fütterungsbereichen gelagert werden. Es muss ein Schädlingsbekämpfungssystem eingerichtet werden, um das Eindringen von Schädlingen in die Tierproduktionseinheit zu kontrollieren, um die Möglichkeit einer Kontamination von Futtermittel-Ausgangserzeugnissen und Einstreumaterial oder Aufenthaltsbereichen von Tieren möglichst gering zu halten. Gebäude und Fütterungseinrichtungen müssen sauber gehalten werden. Es müssen Systeme für eine regelmäßige Beseitigung von Gülle, Abfällen und anderen möglichen Quellen einer Kontamination von Futtermitteln eingerichtet werden. Futtermaterial und Einstreumaterial in der Tierproduktionseinheit müssen häufig gewechselt werden und dürfen nicht verschimmeln. 40Nach den Vorschriften unter „Fütterung, 1. Lagerung“ müssen Futtermittel getrennt von Chemikalien und anderen in der Tierernährung verbotenen Erzeugnissen gelagert werden. Lagerbereiche und Behälter müssen sauber und trocken gehalten werden. Soweit notwendig, ist eine angemessene Schädlingsbekämpfung durchzuführen. Lagerbereiche und Behälter müssen regelmäßig gereinigt werden, um unnötige Kreuzkontaminationen zu vermeiden. Fütterungsarzneimittel und Futtermittel ohne Arzneimittel, die für unterschiedliche Tierkategorien oder -arten bestimmt sind, müssen so gelagert werden, dass das Risiko der Fütterung an Tiere, für die sie nicht bestimmt sind, verringert wird. 41Auch gegen diese Vorgaben hat der Kläger in gewissem Umfang verstoßen. Zunächst wies das Einstreumaterial bzw. der Randbereich im Bullenmaststall verschimmelte Kotreste auf. Desweiteren lässt sich den gefertigten Lichtbildern sowie den Angaben der Zeugin N. N1. zu F. während der mündlichen Verhandlung entnehmen, dass die Fütterungsanlage des Mastschweinestalls nicht im erforderlichen Umfang sauber gehalten war. Hinzu kommt, dass der Kläger Verpackungsmaterial eines Antibiotikums (Amoxicillin) sowie eine Ölkanne im Bereich der Futtermittel gelagert hat, so dass dies zu einer Kontamination des Futters hätte führen können. Ferner lag im Fütterungsbereich offen Rattengift auf dem Boden herum. Sofern der Kläger diesbezüglich einwendet, er habe dies erst relativ frisch ausgestreut gehabt, da er anders den Ratten nicht habe Herr werden können, auch habe er das Gift nur deshalb überhaupt verstreut, weil er am Abend die letzten Tiere sowieso aus dem Stall entfernt hätte, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Zeugin N. N1. zu F. hat glaubhaft dargetan, dass davon auszugehen sei, dass das Rattengift schon länger dort gelegen habe und sie eine Verfärbung aufgrund offener Lagerung an anderer Stelle für unwahrscheinlich halte. Überdies ist nicht auszuschließen gewesen, dass es bei den im Stall noch vorhandenen Schweinen zu einer Kontamination des Futters hätte kommen können. 42Die verhängte Sanktion – die Kürzung der Betriebsprämie um 5 % – ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Nach Artikel 71 Abs. 4 Sätze 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 werden, wenn mehrere Verstöße in Bezug auf verschiedene Bereiche der anderweitigen Verpflichtungen festgestellt wurden, das in Abs. 1 geregelte Verfahren zur Festsetzung der Kürzung auf jeden Verstoß getrennt angewandt. Dabei werden die sich ergebenden Kürzungsprozentsätze addiert. Die höchstmögliche Kürzung darf jedoch 5 % des in Artikel 70 Abs. 8 genannten Gesamtbetrages nicht übersteigen. So ist auch im vorliegenden Fall vorgegangen worden. Die seitens der Kontrollbehörde festgestellten Verstöße in den unterschiedlichen Bereichen sind von 3 % bis 5 % bewertet worden. Ein vorsätzliches Handeln des Klägers diesbezüglich ist nicht angenommen worden. Die Zahlstelle hat sodann die Kürzungsprozentsätze addiert, der Kürzungsprozentsatz von 5 % ist dabei nicht überschritten worden. Der Beklagte hat im Klageverfahren schriftsätzlich in nicht zu beanstandender Weise dargetan, warum er im vorliegenden Fall den für die Kürzung höchst möglichen Betrag von 5 % nach Addition der Verstöße angenommen hat. Zwar ist die Begründung zur Kürzung der Betriebsprämie einschließlich der Ermessensausübung maßgeblich erst im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens offenbart worden, hieraus kann der Kläger indes nichts für sich herleiten. Denn der Beklagte hat das ihm eingeräumte Ermessen zulässigerweise im Rahmen des Klageverfahrens sowie in der mündlichen Verhandlung weiter vertieft, so dass insgesamt eine ausreichende Ermessensbetätigung anzunehmen ist. 43Vgl. VG Münster, Urteil vom 27. Oktober 2010 – 9 K 773/10 –, juris. 44Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. dem kläger wird nachgelassen, die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des beizutreibenden betrages abzuwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leistet. 1 | 2am 15. mai 2012 beantragte der kläger beim beklagten die auszahlung von betriebsprämie für das jahr 2012. 3am 12. november 2012 führten bedienstete des fachbereichs veterinär- und lebensmittelüberwachung des kreises i. – die amtstierärztin dr. u. i1. sowie die futtermittelkontrolleurin n. n1. zu f. – eine vor-ort-kontrolle im betrieb des klägers durch. dabei stellten sie in der kategorie tierschutz haltung schweine (rl 2008/120/eg) verstöße fest, die als fahrlässig eingestuft und mit 3 % bewertet wurden (blatt 55, ba iii). desweiteren wurden in der kategorie tierschutz haltung nutztiere (rl 98/58/eg) verstöße festgestellt, die insgesamt mit 5 % bewertet wurden (blatt 57 f., ba iii). in der kategorie futtermittelsicherheit wurde festgestellt, dass keine entsprechende lagerung/handhabung der abfälle/gefährlichen stoffe gegeben sei, weshalb eine kontamination möglich sei. dem kontrollbericht (blatt 59, ba iii) lässt sich hierzu weiter entnehmen: 4„futterkammer für schweine „rattengift“ (pulverform) einfach auf den boden gestreut in unmittelbarer nähe zum futtersilo bzw. auslauf des fm-silos. ferner stand eine ölkanne in unmittelbarer nähe zum o.a. silo. außerdem lagerte hier ein behälter mit amoxicillin. …“. 5dieser verstoß wurde als fahrlässig eingestuft und mit 3 % bewertet. schließlich wurden auch in der kategorie lebensmittel pflanzl./tier. herkunft verstöße festgestellt, die als fahrlässig erachtet und mit 3 % bewertet wurden (blatt 61, ba iii). 6hinsichtlich der im rahmen der futtermittelhygiene festgestellten verstöße lässt sich dem vermerk des kreises i. vom 20. november 2012 u.a. entnehmen: 7„bei einem silo war die außenwand abgebrochen und hing im getreideschrot, welcher bereits oberflächlich verunreinigt war. ungehinderter zugang von schadnager. 8bei dem ersten silo unter dem auslauf (neben der außentür) lagerte auf dem boden rattenköderstreu (einfach hingestreut) und ein leerer behälter mit der aufschrift „hustenpulver“. auf der gegenüberliegenden seite lagerte in einem 10 ltr. kunststoffeimer (weiß) ein leerer behälter mit der aufschrift „amoxicillin-pulver“. oberhalb des eimers lagerte auf einem wandvorsprung eine rote, stark verschmutzte kunststoff-ölkanne. … 9die ausläufe des futtersilos waren mit einer alten verkrusteten, zum teil verschimmelten futtermittelanbackung behaftet. …“. 10zu den verstößen in der kategorie tierschutz heißt es im vermerk des kreises i. vom 25. november 2012: 11„krankenstall für schweine fehlt, ein seit längerer zeit (mindestens wochen) erkranktes/verletztes schwein wurde nicht in einem geeigneten krankenstall untergebracht, nicht zeitnah (tierärztlich) behandelt oder (erforderlichenfalls) tierschutzgerecht getötet; … in beiden schweineställen erhebliche verletzungsgefahr durch scharfkantige metallgegenstände, ausgebrochene trogkanten und defekten bzw. lückenhaft verlegten betonspaltenboden im aufenthaltsbereich der tiere… wände und decken waren alt verschmutzt; im oberen bereich stark mit spinnweben und staub verunreinigt; im unteren bereich durch verkrustungen und anbackungen von kot und futterresten; buchtenbegrenzungen, futter- und wasserleitungen sowie futtertröge wiesen ebenfalls schmutzverkrustungen und anbackungen auf; in den trögen wurde kot vorgefunden… spaltenböden waren bei der kontrolle großflächig mit harn und kot verunreinigt; an den buchtenrändern wurde eine bis zu 3 cm dicke „schlammauflage“ festgestellt; mehrere tiere waren am unterbauch und gliedmaßen mit kot/urin behaftet.“ 12zur mastbullenhaltung lässt sich dem vermerk entnehmen: 13„im vormaststall und einigen buchten im endmaststall war die besatzdichte zu hoch. … verletzungsgefahr durch rostige nägel im bereich der buchtenbegrenzungen… wände und decken in beiden bullenställen alt verschmutzt, teilweise großflächiger schimmelbesatz an decken und wänden (schwarz- und rotschimmel); kotansammlungen (teilweise mit schimmel überzogen) im aufenthaltsbereich der tiere bzw. in den treibgängen – im vormaststall mehrere tiere stark verschmutzt (kotrollenbildung an den hintergliedmaßen und am unterbauch)… .“ 14mit bescheid vom 22. januar 2013 setzte der beklagte die höhe der auszuzahlenden betriebsprämie 2012 auf 23.969,78 € fest. von dem eigentlichen zuwendungsbetrag von 27.479,28 € nahm er dabei wegen verstößen gegen cross compliance-vorschriften eine kürzung in höhe von 5 % (1.261,57 €) vor. zusätzlich erfolgte eine modulationskürzung in höhe von 10 % (2.247,93 €). 15am 28. januar 2013 hat der kläger klage erhoben. 16soweit er sich ursprünglich mit dieser auch gegen den modulationsabzug gewandt hat, ist das verfahren abgetrennt worden – 11 k 3029/13 –. der kläger hat die klage insoweit am 13. september 2013 zurückgenommen. 17zur begründung seiner noch anhängigen klage macht der kläger geltend, der im bescheid vom 22. januar 2013 vorgenommene cc-abzug von 5 % sei rechtswidrig. zunächst sei im bescheid nicht erläutert worden, gegen welche rechtsnormen er tatsächlich verstoßen habe. zu beachten sei, dass nicht jeder verstoß gegen nationale rechtsnormen des tierschutzgesetzes zugleich cc-relevante verstöße seien. nur wenn gegen eine im anhang ii der verordnung (eg) nr. 73/2009 aufgeführte regelung verstoßen worden sei, könne ein cc-abzug vorgenommen werden. im rahmen der vor-ort-kontrolle seien zu unrecht verschmutzungen bemängelt worden. die verschmutzung eines stallgebäudes stelle jedoch gerade keinen cc-verstoß dar. dies habe bereits das bundesverwaltungsgericht in seinem urteil vom 19. september 2013 – 3 c 25.12 – dargetan. in seinem betrieb erfolge die gründliche endreinigung am ende der mastperiode. vorliegend sei die kontrolle zu einem zeitpunkt durchgeführt worden, als die meisten schweine seines betriebes bereits vermarktet gewesen seien. eine endreinigung wäre daher ohnehin in kürze erfolgt. der betonspaltenboden sei nicht lückenhaft verlegt gewesen, vielmehr sei er nach jeder mastperiode gereinigt und neu verfüllt worden. die während der kontrolle bemängelten tröge und stallungen hätten sich in bereichen gefunden, zu denen tiere zu diesem zeitpunkt keinen zugang mehr gehabt hätten. im übrigen habe sich in seinen ställen bislang nie ein tier verletzt. desweiteren habe er nach der vor-ort-kontrolle die schweinemast eingestellt. soweit im rahmen der kontrolle ein verletztes tier bemängelt worden sei, sei dies am vortag durch eine veterinärin begutachtet worden. diese habe ihm zur tötung des tieres geraten. sie habe allerdings auch gesagt, er könne nochmal probieren, ob es genese. er habe das tier daher zu diesem zweck in einen anderen stallbereich gebracht, um es nicht dem stress durch andere tiere auszusetzen. das tier habe er letztlich aber doch, nachdem sein bolzenschussgerät wieder funktioniert habe, einige tage später getötet. nach ziffer 4 des anhangs der richtlinie 98/58/eg sei lediglich das hinzuziehen eines tierarztes, nicht jedoch auch eine behandlung durch diesen erforderlich. im rahmen der bullenmast könne kot aus kleinen gängen und boxen während der mastperiode nicht entfernt werden, da dies zu gefährlich sei. den vorwurf der überbelegung habe der beklagte nicht substantiieren können. 18der kläger beantragt, 19den beklagten unter aufhebung des bescheides vom 22. januar 2013– soweit dieser entgegensteht – zu verpflichten, ihm auf seinen antrag vom 15. mai 2012 betriebsprämie für das jahr 2012 ohne cc-abzug zu gewähren. 20der beklagte beantragt, 21die klage abzuweisen. 22er macht geltend, aufgrund der vielzahl der seitens der kontrollbehörde festgestellten fahrlässigen verstöße sowie der höchstbewertung von 5 % aufgrund schwerer fahrlässigkeit bei den verstößen gegen die richtlinie 98/58/eg sei die höhe des abzuges mit 5 % verhältnismäßig. bereits jeder einzelne verstoß berechtige nach artikel 71 abs. 1 der verordnung (eg) nr. 1122/2009 schon für sich genommen zu einer kürzung in höhe von mindestens 3 %. das vorliegen mehrerer verstöße rechtfertige es nach artikel 71 abs. 4 der vorgenannten verordnung, die prozentsätze zu addieren, wobei die obergrenze von 5 % zu berücksichtigen sei. da es sich im vorliegenden fall sowohl um verstöße gegen den tierschutz, die futtermittelsicherheit sowie gegen hygienevorschriften handele, sei auch aus diesem grund die addition bis zur obergrenze angebracht. der einwand des klägers, eine verschmutzung des stalles stelle keinen cc-verstoß dar, schlage fehl. das bundesverwaltungsgericht habe in der entscheidung vom 19. september 2013 – 3 c 25.12 – offen gelassen, ob eine verunreinigung einen cc-verstoß darstelle. allerdings sei in dem vom bundesverwaltungsgericht behandelten fall eine verunreinigung des stalles nicht dokumentiert worden. im vorliegenden fall sei die verunreinigung und verschmutzung des stalles demgegenüber ausführlich dokumentiert. 23das gericht hat in der mündlichen verhandlung die veterinärin dr. u. i2. und die futtermittelkontrolleurin n. n1. zu f. (allesamt bedienstete des kreises i. ) als zeugen vernommen. wegen des beweisthemas und des ergebnisses der beweisaufnahme wird auf die sitzungsniederschrift, wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes auf die gerichtsakte und die verwaltungsvorgänge des beklagten (3 hefte) bezug genommen. 24 | 25die statthafte verpflichtungsklage ist zulässig, jedoch nicht begründet. 26der kläger hat keinen anspruch gegen den beklagten auf gewährung einer weiteren betriebsprämie für das jahr 2012 in höhe von 1.261,57 €. die im bescheid vom 22. januar 2013 erfolgte kürzung der betriebsprämie wegen verstößen gegen cross-compliance-verpflichtungen in höhe von 5 % ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten (§ 113 abs. 5, abs. 1 satz 1 vwgo). 27gemäß artikel 4 abs. 1 der verordnung (eg) nr. 73/2009 muss ein betriebsinhaber, der direktzahlungen bezieht, grundanforderungen an die betriebsführung gemäß artikel 5 in verbindung mit anhang ii der verordnung (eg) nr. 73/2009 und die vorschriften zum guten landwirtschaftlichen und ökologischen zustand gemäß artikel 6 der vorgenannten verordnung erfüllen. artikel 23 abs. 1 der verordnung (eg) nr. 73/2009 bestimmt weiter, dass der gesamtbetrag der direktzahlungen, der dem betriebsinhaber gewährt wurde oder zu gewähren ist, nach den durchführungsbestimmungen gemäß artikel 24 gekürzt oder gestrichen wird, wenn die grundanforderungen an die betriebsführung oder das kriterium des guten landwirtschaftlichen ökologischen zustandes in einem bestimmten kalenderjahr zu irgendeinem zeitpunkt nicht erfüllt werden und dieser verstoß das ergebnis einer handlung oder unterlassung ist, die unmittelbar dem betriebsinhaber, der den beihilfeantrag in dem betreffenden jahr gestellt hat, anzulasten ist. 28zu den einzuhaltenden grundanforderungen an die betriebsführung gehört ausweislich der ziffer 18 des anhangs ii der verordnung (eg) nr. 73/2009 auch die richtlinie 98/58/eg des rates vom 20. juli 1998 über den schutz landwirtschaftlicher nutztiere. ausweislich der ziffer 4 des anhangs der richtlinie 98/58/eg des rates vom 20. juli 1998 muss ein tier, sofern es anzeichen einer krankheit oder verletzung aufweist, ordnungsgemäß versorgt werden; spricht ein tier auf diese maßnahme nicht an, so ist so rasch wie möglich ein tierarzt hinzuzuziehen. erforderlichenfalls sind die kranken oder verletzten tiere gesondert in angemessenen unterkünften unterzubringen und ggf. mit trockener und angenehmer einstreu zu versehen. diese vorgaben hat der kläger nicht erfüllt. die zeugin dr. i2. hat in der mündlichen verhandlung insoweit plausibel und nachvollziehbar dargetan, dass sich das im zeitpunkt der vor-ort-kontrolle aufgefundene verletzte tier in einem sehr schlechten zustand befunden habe. das tier sei zwar von anderen tieren gesondert gehalten worden, jedoch sei der untergrund für dieses tier lediglich der spaltenboden gewesen; es wäre angebracht gewesen, diesen stallbereich für das tier einzustreuen. sofern der kläger darauf verweist, er habe das tier am vortag seitens einer veterinärin begutachten lassen, führt dies zu keiner anderen beurteilung. die zeugin dr. i2. hat diesbezüglich überzeugend ausgeführt, dass das tier schwerst krank gewesen sei, weshalb nicht nur eine begutachtung, sondern auch eine behandlung durch die veterinärin angezeigt gewesen wäre. es sei offensichtlich gewesen, dass dieses tier nicht mehr zu retten gewesen sei. es habe daher nur zwei möglichkeiten für das tier gegeben, entweder eine rechtzeitige und umfassende behandlung oder aber eine artgerechte, tierschutzgerechte tötung. sofern der kläger weiter ausführt, ziffer 4 des anhangs zur richtlinie 98/58/eg verlange nur das hinzuziehen eines tierarztes, jedoch keine behandlung durch diesen, verfängt dies nicht. ziffer 4 des anhangs der vorgenannten richtlinie verlangt nicht nur das hinzuziehen eines tierarztes, sondern vorab auch eine unverzügliche ordnungsgemäße versorgung. hierzu zählt auch, dass ein erkranktes bzw. verletztes tier entsprechend medizinisch versorgt wird. 29ziffer 8 des anhangs der richtlinie 98/58/eg bestimmt, dass das für den bau von unterkünften, insbesondere von buchten und einrichtungen verwendete material, mit dem die tiere in berührung kommen können, für die tiere ungefährlich sein muss und sich gründlich reinigen und desinfizieren lassen muss. auch hiergegen hat der kläger in gewissem umfang verstoßen. ausweislich der während der vor-ort-kontrolle gefertigten lichtbilder, den ausführungen im vermerk des kreises i. vom 25. november 2012 sowie den angaben der zeugin dr. i2. in der mündlichen verhandlung wiesen zum zeitpunkt der vor-ort-kontrolle sowohl der schweinestall als auch der bullenstall erhebliche verunreinigungen auf. die zeugin dr. i2. hat u.a. plastisch geschildert, dass der spaltenboden zum zeitpunkt der vor-ort-kontrolle nicht richtig funktioniert habe, da ein kot- und uringemisch auf den spalten vorhanden gewesen sei. den einwand des klägers, dass zum ende der mastperiode nur wenige tiere im stall vorhanden gewesen seien, so dass das vollständige herunterdrücken des kotes nicht mehr möglich gewesen sei, hat die zeugin dadurch entkräftet, indem sie ausgeführt hat, dass zumindest der urin ungehindert hätte ablaufen müssen. 30den vom kläger in der mündlichen verhandlung gestellten beweisantrag, 31zum beweis der tatsache, dass der schweinestall im betrieb des klägers regelmäßig nach jeder mastperiode nach rund 120 tagen vollständig gereinigt und dreck und verkrustungen entfernt wurden, die zeugen k. t. , m. t1. , m1. , sowie herrn c1. h. , l.----, m1. , und herrn c2. i3. , b. t2. , c3. p. , zu vernehmen, 32musste das gericht nicht entsprechen. es kann die vom kläger unter beweis gestellte tatsache der vollständigen reinigung und entfernung von dreck und verkrustungen im schweinestall nach jeder mastperiode als wahr unterstellen, ohne dass sich für ihn hieraus ein günstigeres ergebnis ergibt. wenn nach einer, wie vom kläger behauptet, rund alle 120 tage stattfindenden vollständigen reinigung und entfernung von dreck und verkrustungen der schweinemaststall zum zeitpunkt der vor-ort-kontrolle einen derart verschmutzen und verdreckten eindruck abgibt, dann können die beim bau des stalles verwendeten materialien nicht für eine gründliche reinigung und desinfektion im sinne der ziffer 8 des anhangs der richtlinie 98/58/eg geeignet gewesen sein. anderenfalls hätte sich nach der vom kläger vorgebrachten vollständigen reinigung und entfernung des drecks und der verkrustungen zum zeitpunkt der vor-ort-kontrolle der zustand des stalles nicht derart präsentiert. hinzu kommt, dass der kläger eine vollständige reinigung und die entfernung von dreck und verkrustungen nur für den schweinestall angeführt hat. das im bullenstall gegebene und dokumentierte ausmaß der verunreinigungen lässt darauf schließen, dass die dort verwendeten materialien sich ebenfalls nicht gründlich reinigen und desinfizieren lassen im sinne der vorgenannten vorgaben. 33der frage, ob darüber hinaus bereits die verschmutzung als solche einen relevanten verstoß gegen cross compliance-vorschriften darstellt, 34 offen gelassen durch bverwg, urteil vom 19. september 2013 – 3 c 25.12 –, juris rn. 36, 35braucht das gericht mit blick darauf, dass aus den vorgenannten gründen ein verstoß gegen ziffer 8 des anhangs der richtlinie 98/58/eg vorliegt, nicht weiter nachgehen. 36desweiteren waren die insbesondere im bullenmaststall verwendeten materialien, mit dem die tiere in berührung kommen können, auch nicht ungefährlich. aus den gefertigten fotos (u.a. s. 96, 101, ba iii) sowie den angaben der zeugin dr. i2. in der mündlichen verhandlung ergibt sich, dass insbesondere in den fütterungsbereich der bullen sowie die buchtenbegrenzungen hineinragende nägel ein hohes verletzungsrisiko für die köpfe der tiere darstellten. dass sich, so die angaben des klägers, bislang in seinem stall an scharfkantigen gegenständen kein tier verletzt haben soll, ist unerheblich. es reicht bereits aus, dass von den verwendeten materialien die möglichkeit einer verletzung ausgeht. 37aus den vorgenannten gründen liegt auch ein verstoß gegen ziffer 9 des anhangs der richtlinie (98/58/eg) vor, die besagt, dass die unterkünfte sowie die vorrichtungen, mit denen die tiere angebunden werden, so zu konstruieren und zu warten sind, dass die tiere keine verletzungen durch scharfe kanten oder unebenheiten erleiden. sofern der kläger mit blick auf in die nähe der schweinetröge vorhandene scharfkantige gegenstände angeführt hat, zum zeitpunkt der aufnahmen seien dort keine tiere mehr aufhältig gewesen, hat die zeugin dr. i2. zu recht darauf hin gewiesen, dass sich in nicht allzu fernliegender zeit dort tiere aufgehalten haben, die durch die gegenstände hätten verletzt werden können. 38ferner liegt ein verstoß gegen ziffer 17 des anhangs der richtlinie 98/58/eg vor. danach müssen fütterungs- und tränkanlagen so konstruiert, gebaut und angebracht werden, dass eine verunreinigung des tierfutters und des wassers sowie etwaige nachteilige auswirkungen aufgrund von rivalitäten zwischen den tieren auf ein mindestmaß begrenzt werden. ausweislich der im rahmen der vor-ort-kontrolle gefertigten lichtbilder (u.a. s. 72, ba iii) sowie der angaben der zeugin dr. i2. in der mündlichen verhandlung wiesen die tröge im schweinestall, die sich auf der erde befunden haben, ein gemisch aus wasser, futterbrei und kot auf. die zeugin hat nachvollziehbar ausgeführt, dass es sich hierbei um eine längerfristige verschmutzung gehandelt habe. der im wasser und futterbrei schwimmende kot kann auch nicht zu gunsten des klägers als ein mindestmaß der verschmutzung angesehen werden, vielmehr lassen das ausmaß der verunreinigung darauf schließen, dass eine solche auch durch eine andere anbringung und/oder konstruktion der tröge bzw. der fütterungsanlage hätte vermieden werden können. 39zu den nach ziffer 11 des angangs ii der verordnung (eg) nr. 73/2009 einzuhaltenden vorschriften zählt auch art. 17 abs. 1 der verordnung (eg) nr. 178/2002 in verbindung mit art. 5 abs. 1 und abs. 5 i.v. m. anhang i und anhang iii der verordnung (eg) nr. 183/2005, die aufbauend auf die verordnung (eg) nr. 178/2002 erlassen wurde. nach anhang i, teil a, i hygienevorschriften, nr. 4 e) sind ggf. angemessene maßnahmen zu ergreifen, um abfall und gefährliche stoffe zwecks verhütung einer gefährlichen kontamination getrennt und sicher zu lagern und zu handhaben. nach anhang iii der verordnung (eg) nr. 183/2005 – vorschriften für stall- und fütterungseinrichtungen – sind tierproduktionseinheit und die fütterungseinrichtungen gründlich und regelmäßig zu reinigen, um die entstehung von gefährdungen zu verhindern. chemikalien für reinigungs- und sanitäre zwecke müssen gemäß den anweisungen verwendet und getrennt von futtermitteln und außerhalb von fütterungsbereichen gelagert werden. es muss ein schädlingsbekämpfungssystem eingerichtet werden, um das eindringen von schädlingen in die tierproduktionseinheit zu kontrollieren, um die möglichkeit einer kontamination von futtermittel-ausgangserzeugnissen und einstreumaterial oder aufenthaltsbereichen von tieren möglichst gering zu halten. gebäude und fütterungseinrichtungen müssen sauber gehalten werden. es müssen systeme für eine regelmäßige beseitigung von gülle, abfällen und anderen möglichen quellen einer kontamination von futtermitteln eingerichtet werden. futtermaterial und einstreumaterial in der tierproduktionseinheit müssen häufig gewechselt werden und dürfen nicht verschimmeln. 40nach den vorschriften unter „fütterung, 1. lagerung“ müssen futtermittel getrennt von chemikalien und anderen in der tierernährung verbotenen erzeugnissen gelagert werden. lagerbereiche und behälter müssen sauber und trocken gehalten werden. soweit notwendig, ist eine angemessene schädlingsbekämpfung durchzuführen. lagerbereiche und behälter müssen regelmäßig gereinigt werden, um unnötige kreuzkontaminationen zu vermeiden. fütterungsarzneimittel und futtermittel ohne arzneimittel, die für unterschiedliche tierkategorien oder -arten bestimmt sind, müssen so gelagert werden, dass das risiko der fütterung an tiere, für die sie nicht bestimmt sind, verringert wird. 41auch gegen diese vorgaben hat der kläger in gewissem umfang verstoßen. zunächst wies das einstreumaterial bzw. der randbereich im bullenmaststall verschimmelte kotreste auf. desweiteren lässt sich den gefertigten lichtbildern sowie den angaben der zeugin n. n1. zu f. während der mündlichen verhandlung entnehmen, dass die fütterungsanlage des mastschweinestalls nicht im erforderlichen umfang sauber gehalten war. hinzu kommt, dass der kläger verpackungsmaterial eines antibiotikums (amoxicillin) sowie eine ölkanne im bereich der futtermittel gelagert hat, so dass dies zu einer kontamination des futters hätte führen können. ferner lag im fütterungsbereich offen rattengift auf dem boden herum. sofern der kläger diesbezüglich einwendet, er habe dies erst relativ frisch ausgestreut gehabt, da er anders den ratten nicht habe herr werden können, auch habe er das gift nur deshalb überhaupt verstreut, weil er am abend die letzten tiere sowieso aus dem stall entfernt hätte, führt dies zu keinem anderen ergebnis. die zeugin n. n1. zu f. hat glaubhaft dargetan, dass davon auszugehen sei, dass das rattengift schon länger dort gelegen habe und sie eine verfärbung aufgrund offener lagerung an anderer stelle für unwahrscheinlich halte. überdies ist nicht auszuschließen gewesen, dass es bei den im stall noch vorhandenen schweinen zu einer kontamination des futters hätte kommen können. 42die verhängte sanktion – die kürzung der betriebsprämie um 5 % – ist auch der höhe nach nicht zu beanstanden. nach artikel 71 abs. 4 sätze 1 und 2 der verordnung (eg) nr. 1122/2009 werden, wenn mehrere verstöße in bezug auf verschiedene bereiche der anderweitigen verpflichtungen festgestellt wurden, das in abs. 1 geregelte verfahren zur festsetzung der kürzung auf jeden verstoß getrennt angewandt. dabei werden die sich ergebenden kürzungsprozentsätze addiert. die höchstmögliche kürzung darf jedoch 5 % des in artikel 70 abs. 8 genannten gesamtbetrages nicht übersteigen. so ist auch im vorliegenden fall vorgegangen worden. die seitens der kontrollbehörde festgestellten verstöße in den unterschiedlichen bereichen sind von 3 % bis 5 % bewertet worden. ein vorsätzliches handeln des klägers diesbezüglich ist nicht angenommen worden. die zahlstelle hat sodann die kürzungsprozentsätze addiert, der kürzungsprozentsatz von 5 % ist dabei nicht überschritten worden. der beklagte hat im klageverfahren schriftsätzlich in nicht zu beanstandender weise dargetan, warum er im vorliegenden fall den für die kürzung höchst möglichen betrag von 5 % nach addition der verstöße angenommen hat. zwar ist die begründung zur kürzung der betriebsprämie einschließlich der ermessensausübung maßgeblich erst im verlauf des gerichtlichen verfahrens offenbart worden, hieraus kann der kläger indes nichts für sich herleiten. denn der beklagte hat das ihm eingeräumte ermessen zulässigerweise im rahmen des klageverfahrens sowie in der mündlichen verhandlung weiter vertieft, so dass insgesamt eine ausreichende ermessensbetätigung anzunehmen ist. 43vgl. vg münster, urteil vom 27. oktober 2010 – 9 k 773/10 –, juris. 44die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 vwgo i.v.m. den §§ 708 nr. 11, 711 zpo. | Verklagte*r | 0 |
143,712 | 1 K 3816/13 | 2015-11-04T00:00:00 | Urteil | Tenor Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Bezirksregierung B. vom rechtswidrig gewesen ist. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet. 1 Tatbestand: 2Der am geborene Kläger steht als verbeamtete Lehrkraft (Studienrat, Besoldungsgruppe A 13 ÜBesO NRW) im Dienst des beklagten Landes. Nachdem er am 25. August 2010 in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen worden war, wurde er zunächst beim Stadtgymnasium E. eingesetzt. Nach seiner zwischenzeitlichen Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit am 25. August 2014 war er zuletzt am Weiterbildungskolleg der Stadt V. , Abendrealschule und ‑gymnasium, tätig. Der Kläger besitzt die Lehrbefähigung für die Sekundarstufe I und II in den Fächern Deutsch, Pädagogik und Politik. 3In der ersten dienstlichen Beurteilung des früheren Schulleiters, Herrn Oberstudiendirektor V1. N. , während der Probezeit vom 20. Juli 2011 wurde im Gesamturteil die bisherige Bewährung festgestellt. 4Am 9. Juni 2012 nahm der Kläger an einer Kundgebung der Partei „Pro NRW“ in L. teil und äußerte sich in diesem Rahmen in einer öffentlichen Rede, die gefilmt und ins Internet eingestellt wurde, zu dem Thema Islamismus. Dabei brachte er zum Ausdruck, dass er Lehrer sei und sich als bekennender Homosexueller durch den Islamismus bedroht fühle. 5Daraufhin untersagte die Bezirksregierung B. dem Kläger mit Verfügung vom mit sofortiger Wirkung – und unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung – die Führung der Dienstgeschäfte und das Betreten des Stadtgymnasiums in E. einschließlich der Kontaktaufnahme zu Schülerinnen und Schülern. 6Außerdem wurde der Kläger mit Verfügung der Bezirksregierung B. vom darüber in Kenntnis gesetzt, dass aufgrund der Rede und des darin liegenden Verdachts eines Dienstvergehens ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei. Mit Blick auf die zwischenzeitliche Klageerhebung gegen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte wurde das Disziplinarverfahren jedoch ausgesetzt und dies dem Kläger am mitgeteilt. 7Dem gegen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gerichteten Antrag des Klägers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (1 L 574/13) gab das erkennende Gericht mit Beschluss vom 26. Juni 2013 statt. Hausverbot und Anordnung der Vornahme von Korrekturen seien bereits formell rechtswidrig, das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte (unheilbar) materiell rechtswidrig, da der Beklagte das ebenfalls eingeleitete Disziplinarverfahren wegen der Klage des Klägers gegen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte durch Verfügung vom ausgesetzt hätte, statt – obwohl hierfür originär zuständig – das Disziplinarverfahren unter Beachtung des Beschleunigungsgebotes zu betreiben. Die gegen diese Entscheidung zunächst gerichtete Beschwerde zum OVG NRW (6 B 809/13) nahm der Beklagte später zurück. Auf die ebenfalls vom Kläger erhobene Klage zum erkennenden Gericht (1 K 3328/12) hin wurde der Bescheid der Bezirksregierung B. vom mit Urteil vom 26. Juni 2013 aufgehoben. Den insoweit gestellten Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) mit Beschluss vom 12. September 2013 (6 A 1789/13) zurück. 8Mit Schreiben vom 10. Juni 2013 teilte die Bezirksregierung B. dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, seine regulär mit Ablauf des 24. August 2013 endende Probezeit aus dienstrechtlichen Gründen um ein Jahr bis zum 24. August 2014 zu verlängern, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Bewährung bis zum Ablauf der regulären Probezeit nicht festgestellt werden könne, da Besorgnisse im Hinblick auf seine charakterliche Eignung bestünden und er seit Juni 2012 keinen Dienst mehr verrichtet habe. 9Der Kläger nahm mit Schreiben vom 18. Juni 2013 dahingehend Stellung, dass die beabsichtigte Maßnahme schon deswegen rechtswidrig sei, weil es zu der beabsichtigten Verlängerung der Probezeit nur wegen seiner rechtswidrigen Suspendierung käme. 10Mit Verfügung der Bezirksregierung B. vom wurde die Probezeit des Klägers – nach Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten am 28. Mai 2013 und Zustimmung des Personalrates am 6. Juni 2013 – um ein Jahr bis zum 24. August 2014 verlängert. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass einerseits eine dienstliche Beurteilung zur etwaigen Feststellung der Bewährung vor Ablauf der regulären Probezeit nicht habe erstellt werden können. Andererseits bestünden in Anbetracht des Auftritts des Klägers bei der Veranstaltung von "Pro NRW" am , was seinerzeit zu einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte geführt habe, Zweifel an der charakterlichen Eignung für ein Amt im öffentlichen Schuldienst. Diese Bedenken ließen sich auch unter Berücksichtigung der mittlerweile vorgetragenen Reue nicht bis zum Ablauf der Regelprobezeit ausräumen. Im Übrigen sei wegen des dienstlichen wie auch außerdienstlichen Verhaltens aktuell noch ein Disziplinarverfahren anhängig, dessen Ergebnis noch ausstünde. 11Auf Bitte des Klägers nahm der ehemalige Schulleiter des Stadtgymnasiums E. , Oberstudiendirektor V1. N. , mit Schreiben vom 9. September 2013 eine allgemeine Einschätzung zu dessen Bewährung in der Probezeit vor. Auch in dem Zeitraum nach dem ersten Schulleitergutachten vom 20. Juli 2011 habe es bis zur rechtswidrigen Suspendierung des Klägers für ihn als Schulleiter weiterhin keinen Anlass gegeben, seine uneingeschränkte Bewährung für den Schuldienst in Zweifel zu ziehen und von der damals getroffenen Einschätzung „hat sich bewährt“ abzuweichen. Im Gegenteil hätten alle Aussagen des Zwischengutachtens aus seiner Sicht auch bis zum Sommer 2012 fortgeschrieben werden können. 12Mit Wirkung ab dem 7. Oktober 2013 wurde der Kläger – mit seinem Einverständnis – durch Verfügung der Bezirksregierung B. vom an das Weiterbildungskolleg V. versetzt. 13In dem gegen den Kläger geführten Disziplinarverfahren stellte die Bezirksregierung B. mit Verfügung vom fest, dass der Kläger mit seinem Verhalten gegen die Wohlverhaltenspflicht, gegen die Pflicht zur Uneigennützigkeit und gegen die Pflicht zur politischen Mäßigung schuldhaft verstoßen und damit ein Dienstvergehen begangen habe. Gegen ihn wurde deshalb eine Geldbuße in Höhe von 1.000,- Euro festgesetzt. Im Einzelnen wurden dem Kläger drei Sachverhalte vorgeworfen: 1. Durch seine Äußerung im Dezember 2011 gegenüber einer Kollegin „Frau C., Herr L. und ich gehen heute Abend ins Bordell. Gehen Sie doch mit, ich lade Sie ein. Wollen Sie nicht mitgehen?" habe er Verstöße gegen die Pflicht zur Kollegialität und gegen die Wohlverhaltenspflicht begangen. 2. Nachdem der Kläger in einer Doppelstunde Politik im Mai 2012 in der 5. Klasse das Thema „Homosexualität und Heterosexualität" behandelt und ein Schüler Homosexuelle mehrfach als Perverse bezeichnet habe, habe sich der Kläger unter Verwendung des Briefkopfes der Schule schriftlich an die Mutter des Schülers gewandt, um sie darauf hinzuweisen, dass es bei fortdauerndem Fehlverhalten zu Ordnungsmaßnahmen kommen könne; andernfalls werde er straf- und zivilrechtliche Maßnahmen in Erwägung ziehen, zumal Erziehungsberechtigte, welche schulische Bestrebungen gegen Homophobie torpedierten, mit ähnlicher Konsequenz zu sanktionieren wären wie Erziehungsberechtigte, die schulische Bestrebungen gegen Rassismus und Antisemitismus torpedierten. Auch darin liege ein Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht und zudem gegen die Pflicht zur Uneigennützigkeit. 3. Der dritte Vorwurf betrifft die Rede, die der Kläger am auf einer Kundgebung von „Pro NRW“ gehalten hat und mit welcher er gegen das politische Mäßigungsgebot aus § 33 Abs. 2 BeamtStG verstoßen habe. 14Gegen diese Disziplinarverfügung richtete der Kläger eine Klage zum Verwaltungsgericht Münster (13 K 3135/13.O), welches die Disziplinarverfügung mit Urteil vom 13. Mai 2014 aufhob. Im Rahmen des dortigen Klageverfahrens führte der Kläger zu dem Vorwurf in Bezug auf seine Kollegin unter anderem aus, dass die von unberechtigten Angriffen gegen seine Person gekennzeichnete Vorgeschichte des Konflikts nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Auch habe er die ihm vorgeworfene Äußerung so nicht getätigt. Bezüglich der Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Schüler und seiner Mutter wies der Kläger darauf hin, dass letztere ihm beim Elternsprechtag vor dem zweiten Schreiben aggressiv mit unberechtigten Vorwürfen der Verleumdung und sexuellen Belästigung entgegengetreten sei. Schließlich räumte der Kläger seine Rede anlässlich der Veranstaltung von „Pro NRW" ein und bezeichnete sie als großen Fehler. Doch habe er sich hinreichend von der Gruppierung distanziert; der Inhalt seiner Rede sei von der Meinungsfreiheit gedeckt. Ungeachtet dessen sei eine Disziplinarmaßnahme schon allein deswegen nicht mehr angezeigt, da er rechtswidrig suspendiert und in den Medien teilweise drastisch als Person und Beamter in Frage gestellt worden sei; dieser starke öffentliche Druck sei eine erhebliche Belastung gewesen. 15In der dienstlichen Beurteilung aus Anlass des Ablaufs der Probezeit vom 1. Juli 2014, die durch den stellvertretenden Schulleiter des Weiterbildungskollegs V. , Herrn Dr. W. , verfasst wurde, wurde dem Kläger im Gesamturteil bescheinigt, dass er sich „in der Probezeit in vollem Umfang bewährt“ habe. Daraufhin wurde der Kläger am 25. August 2014 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen. 16Mit Verfügung der Bezirksregierung B. vom wurde der Kläger auf seinen Antrag hin aus persönlichen Gründen mit Wirkung vom 1. August 2015 an das L. -Kolleg, Weiterbildungskolleg der Stadt L. versetzt. Gleichzeitig wurde der Kläger für die Zeit vom 1. Februar 2015 bis zum 31. Juli 2015 in vollem Stundenumfang dorthin abgeordnet. 17Anlässlich der Äußerungen des Klägers in einer Radiosendung bei WDR 5 am in Bezug auf den Holocaust wurde ihm mit Bescheid der Bezirksregierung B. vom mit sofortiger Wirkung sowie unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus zwingenden dienstlichen Gründen bis auf weiteres die Führung seiner Dienstgeschäfte verboten und ihm zugleich bis auf weiteres untersagt, das L. -Kolleg zu betreten oder mit den Schülerinnen und Schülern Kontakt aufzunehmen. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 5. Februar 2015 Klage zum erkennenden Gericht (1 K 515/15) und stellte zugleich einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (1 L 217/15). Letzteren nahm der Kläger mit Schriftsatz an das erkennende Gericht vom 10. März 2015 zurück, woraufhin das Verfahren eingestellt wurde. 18Mit Bescheid vom widerrief die Bezirksregierung B. gegenüber dem Kläger ihre Abordnungs- und Versetzungsverfügung an das L. -Kolleg vom 21. November 2014. Auch hiergegen erhob der Kläger am 15. Juni 2015 Klage zum erkennenden Gericht (1 K 2645/15). 19Der Kläger hat bereits am 14. August 2013 gegen die Verlängerung seiner Probezeit Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass Ursache für die ausgebliebene Unterrichtserteilung seit Mitte Juni 2012 ausschließlich ein rechtswidriges Verhalten des Beklagten sei. Ungeachtet dessen habe er nach seiner ersten dienstlichen Beurteilung von Juli 2011 noch nahezu ein weiteres Jahr bis Mitte Juli 2012 im Rahmen der Probezeit unterrichtet; dieser Zeitraum hätte ohne weiteres von dem Schulleiter im Rahmen einer Beurteilung bewertet und für den restlichen Zeitraum fortgeschrieben werden können. Dass er sich bewährt habe, folge nicht zuletzt aus dem von ihm eingeholten Schreiben des Schulleiters vom 9. September 2013. Hingegen dürfe ihm aus dem rechtswidrigen Verhalten des Beklagten im Rahmen des Disziplinarverfahrens kein Nachteil entstehen. Die weitere Argumentation mit seinem einmaligen und spontanen Auftritt bei einer Veranstaltung von "Pro NRW" sei für eine Verlängerung der Probezeit völlig ungeeignet, da diesbezügliche Zweifel an seiner charakterlichen Eignung nicht ansatzweise dargelegt würden. Im Gegenteil wäre selbst ein Engagement für die Partei „Pro NRW“ durchaus mit den Pflichten eines Beamten vereinbar. Vor diesem Hintergrund habe die insoweit ergangene Disziplinarverfügung keinen Bestand gehabt, da sich auch die anderen in dieser Verfügung erhobenen Vorwürfe als haltlos erwiesen hätten. Denn aus politischen Äußerungen eines Lehrers in der Freizeit dürften keineswegs Rückschlüsse auf seine mangelnde Fachkompetenz gezogen werden, da sich Lehrer – anders als im Unterricht – durchaus polarisierend und grob vereinfachend zu politischen Sachverhalten äußern dürften. Die fehlende disziplinarrechtliche Relevanz ginge deutlich aus der Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts Münster betreffend die Disziplinarverfügung hervor. Auf Grundlage der dortigen Feststellungen fehle es dem stellvertretenden Schulleiter offensichtlich an der nötigen Beurteilungskompetenz, da die von diesem erhobenen Vorwürfe sich nicht ansatzweise feststellen ließen. Damit liege der dringende Verdacht einer Befangenheit nahe, was jedoch angesichts der Zuständigkeit des früheren Schulleiters, Herrn N. , ohnehin ohne Bedeutung sei. Zusammengefasst hätten sich seit dem ersten Schulleitergutachten von Juli 2011 keine Ereignisse ergeben, die Zweifel an seiner Eignung begründen könnten, so dass nichts gegen eine fiktive Nachzeichnung der Probezeit gemäß den Grundsätzen über die Beurteilung freigestellter Personalratsmitglieder spräche. 20Der Kläger hat ursprünglich beantragt, den Bescheid der Bezirksregierung B. vom 15. Juli 2013 aufzuheben. 21Nach seiner zwischenzeitlichen Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit macht der Kläger geltend, dass er das Verfahren unbedingt fortsetzen wolle, da er großen Wert auf eine verwaltungsgerichtliche Feststellung lege, dass die Verlängerung seiner Probezeit rechtswidrig gewesen sei. Auf Nachfrage des erkennenden Gerichts hat der Kläger sein Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens dahingehend begründet, dass die dienstliche Beurteilung von Juli 2014, aufgrund welcher er auf Lebenszeit verbeamtet worden sei, nicht in gleichem Maße positiv ausfiele wie die Einschätzungen des damaligen Schulleiters im Schreiben von September 2013. Dies könne jedoch für die Chancen seiner künftigen Bewerbungen von entscheidender Bedeutung sein. Darüber hinaus sei es auch für die Allgemeinheit von Bedeutung, dass gerichtlich festgestellt werde, „dass ein Beamter nicht dadurch Nachteile in Form einer Probezeitverlängerung erleiden darf, dass der Dienstherr durch ein rechtswidrig erfolgtes Dienstverbot die rechtzeitige Feststellung der Bewährung torpediert hat.“ Insoweit mache er ausdrücklich ein Rehabilitationsinteresse geltend: Wie im Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 13. Mai 2014 festgestellt, habe er unter einer unsachlichen und undifferenzierten Medienberichterstattung leiden müssen, da er als Person wie auch als Beamter in der Öffentlichkeit erheblich in Frage gestellt worden sei. Schließlich legt der Kläger dar, dass er beabsichtigte, wegen der rechtswidrigen Verlängerung seiner Probezeit Schadensersatz von seinem Dienstherrn zu verlangen. 22Vor diesem Hintergrund beantragt der Kläger nunmehr, 23festzustellen, dass der Bescheid der Bezirksregierung B. vom rechtswidrig gewesen ist. 24Der Beklagte beantragt, 25 die Klage abzuweisen. 26Zur Begründung führt er aus, dass die Bewährung während der Probezeit nur abschließend festgestellt werden könne, wenn Eignung, Befähigung und fachliche Leistung auch im Zeitraum nach der ersten Beurteilung weiterhin erfüllt worden seien. Dies sei vorliegend jedoch nicht möglich gewesen, da der Kläger aufgrund des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte seit dem 20. Juni 2012 keinen Dienst mehr verrichtet habe. Doch könne nur der Dienstherr ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, inwieweit der Beamte den fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes und der Laufbahn entspreche. Die von dem Kläger vorgelegte Stellungnahme des ehemaligen Schulleiters sei aber weder durch die Dienststelle angefordert worden noch sei dieser im Übrigen zu einer solchen Beurteilung befugt gewesen, da dieser seit August 2012 dienstunfähig erkrankt sei. Ungeachtet dessen sei der Bericht im Sinne der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Lehrkräfte bedenklich, da die Formulierungen jede gebotene Objektivität und Neutralität vermissen ließen. Die darin aufgestellte Behauptung, dass bis Sommer 2012 die uneingeschränkte Bewährung nicht in Zweifel zu ziehen gewesen sei, werde durch verschiedene Geschehnisse widerlegt, die Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers durchaus rechtfertigten. Diese Zweifel habe der stellvertretende Schulleiter des Stadtgymnasiums in seiner Stellungnahme dargelegt. Im Übrigen werde auf die Darstellung in der Disziplinarverfügung vom verwiesen. Insbesondere hätten wegen des Auftritts bei der Veranstaltung von "Pro NRW" am Zweifel an der charakterlichen Eignung für ein Amt im öffentlichen Schuldienst bestanden, zumal es sich bei dem Kläger um einen Politiklehrer handele, der sich naturgemäß mit politischen Parteien und mit extremen Bewegungen auseinandersetzen müsse. Trotz der Angabe des Klägers, seine Rede zu bereuen, hätten die Bedenken nicht bis zum Ablauf der Regelprobezeit ausgeräumt werden können, weil das Ergebnis des anhängigen Disziplinarverfahrens zum Zeitpunkt der Probezeitverlängerung noch ausgestanden habe. Selbst wenn sich vor Gericht Zweifel an der Angemessenheit der zwischenzeitlich verfügten Geldbuße ergeben hätten, blieben die der Disziplinarverfügung zu Grunde liegenden Umstände als im Rahmen der Probezeitverlängerung zu würdigende Tatsachen bestehen. Die maßgeblichen Sachverhalte würden auch unabhängig von einer disziplinarrechtlichen Würdigung in ihrer Gesamtschau erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung indizieren, welche eine Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit im August 2013 nicht gerechtfertigt hätten. Die daraufhin ausgesprochene Verlängerung der Probezeit um ein Jahr entspräche auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da der Kläger hierdurch die Gelegenheit erhalten habe, seine uneingeschränkte Bewährung und charakterliche Eignung unter Beweis zu stellen. Hingegen sei ein langjährig aufgrund seiner Personalratstätigkeit freigestellter Lebenszeitbeamter nicht mit einem in der Probezeit befindlichen Beamten vergleichbar. Im Hinblick auf die von dem Kläger geltend gemachten Interessen an der Fortsetzung des Verfahrens führt der Beklagte aus, dass die vom ehemaligen Schulleiter verfasste Erklärung vom keinesfalls als Grundlage für die Verbeamtung anerkannt werden könne. Insofern lägen die weiteren Ausführungen, inwieweit die verschiedenen Bewertungen nicht in gleichem Maße positiv ausgefallen seien, neben der Sache. Ferner seien die Erfolgsaussichten in künftigen Stellenbesetzungsverfahren nicht von der Aufhebung des Bescheides vom abhängig, weil eine Probezeitbeurteilung nicht für eine spätere Bewerbung herangezogen werden könne. 27Der Kläger erwidert auf das Vorbringen des Beklagten, dass das Recht zur dienstlichen Beurteilung dem lediglich dienstunfähig erkrankten Herrn N. nicht abgesprochen werden könne, da ein Schulleiter selbst nach Eintritt in den Ruhestand noch Auskunft über die Leistungen eines Beamten in der Vergangenheit abgeben und eine persönliche Leistungseinschätzung vornehmen könne. 28Hierauf erwidert der Beklagte wiederum, dass der stellvertretende Schulleiter die Rechte und Pflichten des Schulleiters bei dessen Verhinderung – wie vorliegend in dem Zeitraum seit dem 23. August 2012 – wahrnehme. Insofern sei der ehemalige Schulleiter Herr N. verpflichtet gewesen, seinen ständigen Vertreter intensiv über die Angelegenheiten der Schule und den Kläger zu informieren. Demgegenüber stelle das Schreiben des ehemaligen Schulleiters vom keine dienstliche Beurteilung im Sinne der Beurteilungsrichtlinien dar. 29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren und in den Verfahren 1 K 3328/12, 1 L 574/13, 1 K 515/15, 1 K 1482/15, 1 K 2645/15 sowie auf den Inhalt des von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs und die Personalakte des Klägers Bezug genommen. 30Entscheidungsgründe: 31Die Klage ist zulässig und begründet. 32Im Hinblick auf seinen zunächst angekündigten Antrag war der Kläger gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 3 ZPO berechtigt, die zunächst erhobene Anfechtungsklage zulässigerweise auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog umzustellen. Denn die von dem Kläger angegriffene Verlängerung seiner Probezeit hat sich zwischenzeitlich durch seine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit am 25. August 2014 erledigt. Anders als im Falle der Entlassung aufgrund der Nichtbewährung in der verlängerten Probezeit, bei der es für die Entscheidung einer fortdauernden Probezeit als Beurteilungszeitraum bedürfte, 33vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 3. April 1990 – 4 S 1940/88 –, juris, 34ist die Ableistung der Probezeit bzw. ihre Dauer nach der Einstellung als Beamter auf Lebenszeit nicht mehr von Bedeutung. 35Allerdings ist dem Kläger unter dem Gesichtspunkt der von ihm geltend gemachten Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs wegen rechtswidrigen Handelns des Dienstherrn ein berechtigtes Feststellungsinteresse zuzuerkennen. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dem klagenden Beamten ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Verlängerung seiner Probezeit auszusprechen, da insoweit nicht auszuschließen ist, dass diese sich im weiteren Berufsleben eines Beamten, insbesondere bei seiner ersten Beförderung, günstig auswirken könnte. 36Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 1989 – 2 A 3/86 –, juris Rn. 12 a.E. 37Dieses Schadensersatzbegehren ist auch unter Berücksichtigung von § 839 Abs. 3 BGB bzw. dessen Rechtsgedanken nicht offensichtlich aussichtslos, da bei dem anwaltlich nicht vertretenen Kläger im Hinblick auf die unterlassene Möglichkeit, im August 2013 – ergänzend zu der hier anhängigen Klage – einen Antrag auf Lebenszeitanstellung zu stellen und auch insoweit gegebenenfalls Klage zu erheben, ein großzügiger Maßstab anzulegen ist. Gleichzeitig hat die Kammer berücksichtigt, dass auch ein derartiger Antrag wegen des andauernden Disziplinarverfahrens und der darauf gründenden Blockadehaltung der Bezirksregierung B. mit großer Wahrscheinlichkeit erfolglos geblieben wäre. Eine solche Verfahrensweise, in dem bereits anhängigen Klageverfahren die Rechtswidrigkeit der Probezeitverlängerung feststellen zu lassen, entspricht in Anbetracht dieser Gesamtumstände schließlich der Prozessökonomie. 38Auf die Untauglichkeit des weiteren klägerischen Vorbringens zur Begründung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses kam es vor diesem Hintergrund nicht an. 39Die nach den vorstehenden Ausführungen zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet. Denn der Bescheid der Bezirksregierung B. vom war (materiell) rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). 40Die von § 14 Abs. 5 des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) normierte Voraussetzung, dass die „Bewährung bis zum Ablauf der Probezeit nicht festgestellt werden kann“, wird durch die im Bescheid genannten Gründe nicht gedeckt, die darauf aufbauende Ermessensentscheidung ist rechtswidrig. 41Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage dieser Prognoseentscheidung ist dabei der Erlasszeitpunkt des Bescheides ausschlaggebend, 42vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 1989 – 2 A 3/86 –, juris Rn. 15 m.w.N. 43Dem Dienstherrn kommt hinsichtlich der Entscheidung, ob er einen Beamten auf Probe wegen mangelnder Bewährung in der Probezeit entlässt oder seine Probezeit verlängert, ein Einschätzungsspielraum zu. Diese Entscheidung ist demnach gerichtlich lediglich daraufhin zu überprüfen, ob der gesetzliche Begriff der Bewährung oder die rechtlichen Grenzen der Beurteilungsermächtigung verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger bzw. unvollständiger Sachverhalt zugrunde liegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind. 44Vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 24. April 2001– 2 BS 66/01 –, juris Rn. 9 m.w.N. 45Für die Feststellung der Bewährung oder Nichtbewährung eines Beamten in der Probezeit bedarf es einer genügend breiten Beurteilungsgrundlage. Der Dienstherr muss den Sachverhalt zureichend ermitteln und alle erheblichen Umstände in seine Entscheidung einbeziehen. Es muss eine umfassende Beurteilungsgrundlage vorhanden sein. Dabei kommt der dienstlichen Beurteilung des Beamten auf Probe eine besondere Bedeutung zu. Sie soll entsprechend der Rechtseinrichtung der dienstlichen Beurteilung in förmlicher Festlegung ein möglichst umfassendes Bild über die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Probebeamten vermitteln. 46Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 3. April 1990– 4 S 1940/88 –, juris Rn. 50. 47Auf Grundlage der Probezeitbeurteilung zur Feststellung der fachlichen Bewährung ist dabei stets auf die gesamte Probezeit abzustellen. Nach dem Sinn und Zweck der laufbahnrechtlichen Probezeit ist dem Beamten auf Probe grundsätzlich während der gesamten Probezeit die Möglichkeit zu geben, seine Eignung nachzuweisen. Ihm soll vor allem die Gelegenheit verschafft werden, die Mängel zu beseitigen, die bisher zu Zweifeln hinsichtlich seiner Bewährung Anlass gegeben haben. 48Vgl. BayVGH, Beschluss vom 29. Juli 2014 – 3 CS 14.917 –, juris Rn. 44; Sächsisches OVG, Beschluss vom 24. April 2001 – 2 BS 66/01 –, juris Rn. 8. 49Gemessen an diesen Maßstäben erfüllen die von dem Beklagten im Bescheid vom angeführten Gründe für die Verlängerung der Probezeit die Voraussetzungen nicht, da sie keinen hinreichenden Anhalt bieten, dass die Bewährung des Klägers bis zum Ablauf seiner regulären Probezeit im August 2013 nicht festgestellt werden konnte. Die diesbezügliche Ermessensentscheidung war auch unter Beachtung der Einschätzungs- und Ermessensspielräume des Dienstherrn rechtswidrig. 50Dies gilt zunächst mit Blick auf das im letzten Jahr der regulären Probezeit andauernde Verbot der Führung der Dienstgeschäfte und die insoweit nach Angaben des Beklagten fehlende Möglichkeit, die in diesem Zeitpunkt vorgesehene dienstliche Beurteilung zur etwaigen Feststellung der Bewährung zu erstellen: 51Zwar war in dem genannten Zeitpunkt wegen der andauernden Suspendierung des Klägers eine Beurteilung tatsächlich ausgeschlossen, weshalb – trotz der zwischenzeitlich festgestellten Rechtswidrigkeit des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte mit Urteil der Kammer vom 26. Juni 2013 (1 K3328/12), später bestätigt durch Beschluss des OVG NRW vom 12. September 2013 (6 A 1789/13) – nicht erbrachte Leistungen faktisch nicht beurteilt werden können. Eine Ausnahme vergleichbar der Nachzeichnung bei der Freistellung von Personalratsmitgliedern - wie der Kläger vorschlägt - kommt nicht in Betracht, weil derartige Ausnahmefälle auf ein Minimum zu beschränken sind und weitere ungeschriebene Konstellationen alleine auf Basis von Treu und Glauben zu weitgehend wären; treuwidriges Verhalten ist regelmäßig vielmehr auf Sekundärebene einzubeziehen. 52Doch war jedenfalls die Sachverhaltsermittlung der Bezirksregierung B. vor der in ihr Ermessen gestellten Entscheidung über die Verlängerung der Probezeit defizitär. Der Beklagte hat es versäumt, den Sachverhalt umfassend zu ermitteln, weil zumindest die – durch die von dem Kläger für das Klageverfahren eingeholte Stellungnahme des damaligen Schulleiters belegte – Möglichkeit bestanden hätte, das zweite Jahr der Probezeit des Klägers zu beurteilen. Immerhin war dem Kläger in seiner ersten dienstlichen Beurteilung vom 20. Juli 2011 im Gesamturteil die bisherige Bewährung innerhalb der Probezeit bescheinigt worden, weshalb es sich - spätestens nach Aufhebung des die Suspendierung regelnden Bescheides vom durch erstinstanzliches Urteil vom 26. Juni 2013 der erkennenden Kammer - aufgedrängt hätte, den nachfolgenden Zeitraum bis zu seiner Suspendierung, d.h. nahezu ein ganzes Jahr und damit fast ein Drittel seiner Probezeit, zu bewerten und auf diese Weise einen aktualisierten Berichtsstand zu seiner Bewährung innerhalb der Probezeit zu erhalten. 53Soweit der Beklagte hingegen aus dem vorangegangenen Auftritt des Klägers auf der Veranstaltung von „Pro NRW“ Rückschlüsse auf seine charakterliche Eignung zu ziehen beabsichtigte, ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass die dort getätigten Äußerungen keinen durchgreifenden dienstrechtlichen Bedenken unterlagen, sondern vielmehr von der Meinungsäußerungsfreiheit des Klägers gedeckt waren. 54So ausdrücklich festgestellt im Hinblick auf die Disziplinarverfügung gegen den Kläger und mit ausführlicher Begründung: VG Münster, Urteil vom13. Mai 2014 – 13 K 3135/13.O –, juris Rn. 82. 55Wenngleich sich die rechtliche Bewertung disziplinarrechtlich und dienstrechtlich im Allgemeinen unterscheiden kann, bestanden vorliegend vor dem Hintergrund von Art. 5 GG und aufgrund der Umstände keine Anhaltspunkte, die Eignung des Klägers als Lehrer schon wegen seiner Teilnahme an der Kundgebung und seinen in diesem Rahmen getätigten Äußerungen ernsthaft in Frage zu stellen. 56Dass bezüglich dieser Vorwürfe das Disziplinarverfahren im Zeitpunkt des Ablaufs der regulären Probezeit noch anhängig war, rechtfertigte ebenfalls nicht die Verlängerung der Probezeit. Denn auch insoweit ist wiederum zu berücksichtigen, dass – ungeachtet der späteren Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster – die erkennende Kammer die erhebliche Verzögerung erstinstanzlich bereits mit Urteil vom 26. Juni 2013 gerügt hatte. Die hierbei erhobenen Vorwürfe (Teilnahme an Kundgebung am ) lagen im Erlasszeitpunkt des Bescheides zur Verlängerung der Probezeit am bereits um mehr als ein Jahr zurück, weshalb zur Sachverhaltsermittlung ausreichend Gelegenheit auch deutlich vor Beendigung der Probezeit bestanden hätte. 57Soweit der Beklagte im Rahmen des Klageverfahrens weitere Gründe anführt, sind diese nicht Gegenstand der ursprünglichen Verfügung zur Verlängerung der Probezeit des Klägers gewesen. Ein Nachschieben neuer Erwägungen erst im Prozess verbietet sich im Gegensatz zur bloßen Ergänzung jedoch, vgl. § 114 Satz 2 VwGO. 58Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 59Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. | es wird festgestellt, dass der bescheid der bezirksregierung b. vom rechtswidrig gewesen ist. der beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der kläger vor der vollstreckung sicherheit in höhe des zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2der am geborene kläger steht als verbeamtete lehrkraft (studienrat, besoldungsgruppe a 13 übeso nrw) im dienst des beklagten landes. nachdem er am 25. august 2010 in das beamtenverhältnis auf probe berufen worden war, wurde er zunächst beim stadtgymnasium e. eingesetzt. nach seiner zwischenzeitlichen berufung in das beamtenverhältnis auf lebenszeit am 25. august 2014 war er zuletzt am weiterbildungskolleg der stadt v. , abendrealschule und ‑gymnasium, tätig. der kläger besitzt die lehrbefähigung für die sekundarstufe i und ii in den fächern deutsch, pädagogik und politik. 3in der ersten dienstlichen beurteilung des früheren schulleiters, herrn oberstudiendirektor v1. n. , während der probezeit vom 20. juli 2011 wurde im gesamturteil die bisherige bewährung festgestellt. 4am 9. juni 2012 nahm der kläger an einer kundgebung der partei „pro nrw“ in l. teil und äußerte sich in diesem rahmen in einer öffentlichen rede, die gefilmt und ins internet eingestellt wurde, zu dem thema islamismus. dabei brachte er zum ausdruck, dass er lehrer sei und sich als bekennender homosexueller durch den islamismus bedroht fühle. 5daraufhin untersagte die bezirksregierung b. dem kläger mit verfügung vom mit sofortiger wirkung – und unter gleichzeitiger anordnung der sofortigen vollziehung – die führung der dienstgeschäfte und das betreten des stadtgymnasiums in e. einschließlich der kontaktaufnahme zu schülerinnen und schülern. 6außerdem wurde der kläger mit verfügung der bezirksregierung b. vom darüber in kenntnis gesetzt, dass aufgrund der rede und des darin liegenden verdachts eines dienstvergehens ein disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei. mit blick auf die zwischenzeitliche klageerhebung gegen das verbot der führung der dienstgeschäfte wurde das disziplinarverfahren jedoch ausgesetzt und dies dem kläger am mitgeteilt. 7dem gegen das verbot der führung der dienstgeschäfte gerichteten antrag des klägers auf gewährung einstweiligen rechtsschutzes (1 l 574/13) gab das erkennende gericht mit beschluss vom 26. juni 2013 statt. hausverbot und anordnung der vornahme von korrekturen seien bereits formell rechtswidrig, das verbot der führung der dienstgeschäfte (unheilbar) materiell rechtswidrig, da der beklagte das ebenfalls eingeleitete disziplinarverfahren wegen der klage des klägers gegen das verbot der führung der dienstgeschäfte durch verfügung vom ausgesetzt hätte, statt – obwohl hierfür originär zuständig – das disziplinarverfahren unter beachtung des beschleunigungsgebotes zu betreiben. die gegen diese entscheidung zunächst gerichtete beschwerde zum ovg nrw (6 b 809/13) nahm der beklagte später zurück. auf die ebenfalls vom kläger erhobene klage zum erkennenden gericht (1 k 3328/12) hin wurde der bescheid der bezirksregierung b. vom mit urteil vom 26. juni 2013 aufgehoben. den insoweit gestellten antrag des beklagten auf zulassung der berufung wies das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (ovg nrw) mit beschluss vom 12. september 2013 (6 a 1789/13) zurück. 8mit schreiben vom 10. juni 2013 teilte die bezirksregierung b. dem kläger mit, dass beabsichtigt sei, seine regulär mit ablauf des 24. august 2013 endende probezeit aus dienstrechtlichen gründen um ein jahr bis zum 24. august 2014 zu verlängern, und gab ihm gelegenheit zur stellungnahme. zur begründung wurde ausgeführt, dass die bewährung bis zum ablauf der regulären probezeit nicht festgestellt werden könne, da besorgnisse im hinblick auf seine charakterliche eignung bestünden und er seit juni 2012 keinen dienst mehr verrichtet habe. 9der kläger nahm mit schreiben vom 18. juni 2013 dahingehend stellung, dass die beabsichtigte maßnahme schon deswegen rechtswidrig sei, weil es zu der beabsichtigten verlängerung der probezeit nur wegen seiner rechtswidrigen suspendierung käme. 10mit verfügung der bezirksregierung b. vom wurde die probezeit des klägers – nach beteiligung der gleichstellungsbeauftragten am 28. mai 2013 und zustimmung des personalrates am 6. juni 2013 – um ein jahr bis zum 24. august 2014 verlängert. zur begründung wurde ausgeführt, dass einerseits eine dienstliche beurteilung zur etwaigen feststellung der bewährung vor ablauf der regulären probezeit nicht habe erstellt werden können. andererseits bestünden in anbetracht des auftritts des klägers bei der veranstaltung von "pro nrw" am , was seinerzeit zu einem verbot der führung der dienstgeschäfte geführt habe, zweifel an der charakterlichen eignung für ein amt im öffentlichen schuldienst. diese bedenken ließen sich auch unter berücksichtigung der mittlerweile vorgetragenen reue nicht bis zum ablauf der regelprobezeit ausräumen. im übrigen sei wegen des dienstlichen wie auch außerdienstlichen verhaltens aktuell noch ein disziplinarverfahren anhängig, dessen ergebnis noch ausstünde. 11auf bitte des klägers nahm der ehemalige schulleiter des stadtgymnasiums e. , oberstudiendirektor v1. n. , mit schreiben vom 9. september 2013 eine allgemeine einschätzung zu dessen bewährung in der probezeit vor. auch in dem zeitraum nach dem ersten schulleitergutachten vom 20. juli 2011 habe es bis zur rechtswidrigen suspendierung des klägers für ihn als schulleiter weiterhin keinen anlass gegeben, seine uneingeschränkte bewährung für den schuldienst in zweifel zu ziehen und von der damals getroffenen einschätzung „hat sich bewährt“ abzuweichen. im gegenteil hätten alle aussagen des zwischengutachtens aus seiner sicht auch bis zum sommer 2012 fortgeschrieben werden können. 12mit wirkung ab dem 7. oktober 2013 wurde der kläger – mit seinem einverständnis – durch verfügung der bezirksregierung b. vom an das weiterbildungskolleg v. versetzt. 13in dem gegen den kläger geführten disziplinarverfahren stellte die bezirksregierung b. mit verfügung vom fest, dass der kläger mit seinem verhalten gegen die wohlverhaltenspflicht, gegen die pflicht zur uneigennützigkeit und gegen die pflicht zur politischen mäßigung schuldhaft verstoßen und damit ein dienstvergehen begangen habe. gegen ihn wurde deshalb eine geldbuße in höhe von 1.000,- euro festgesetzt. im einzelnen wurden dem kläger drei sachverhalte vorgeworfen: 1. durch seine äußerung im dezember 2011 gegenüber einer kollegin „frau c., herr l. und ich gehen heute abend ins bordell. gehen sie doch mit, ich lade sie ein. wollen sie nicht mitgehen?" habe er verstöße gegen die pflicht zur kollegialität und gegen die wohlverhaltenspflicht begangen. 2. nachdem der kläger in einer doppelstunde politik im mai 2012 in der 5. klasse das thema „homosexualität und heterosexualität" behandelt und ein schüler homosexuelle mehrfach als perverse bezeichnet habe, habe sich der kläger unter verwendung des briefkopfes der schule schriftlich an die mutter des schülers gewandt, um sie darauf hinzuweisen, dass es bei fortdauerndem fehlverhalten zu ordnungsmaßnahmen kommen könne; andernfalls werde er straf- und zivilrechtliche maßnahmen in erwägung ziehen, zumal erziehungsberechtigte, welche schulische bestrebungen gegen homophobie torpedierten, mit ähnlicher konsequenz zu sanktionieren wären wie erziehungsberechtigte, die schulische bestrebungen gegen rassismus und antisemitismus torpedierten. auch darin liege ein verstoß gegen die wohlverhaltenspflicht und zudem gegen die pflicht zur uneigennützigkeit. 3. der dritte vorwurf betrifft die rede, die der kläger am auf einer kundgebung von „pro nrw“ gehalten hat und mit welcher er gegen das politische mäßigungsgebot aus § 33 abs. 2 beamtstg verstoßen habe. 14gegen diese disziplinarverfügung richtete der kläger eine klage zum verwaltungsgericht münster (13 k 3135/13.o), welches die disziplinarverfügung mit urteil vom 13. mai 2014 aufhob. im rahmen des dortigen klageverfahrens führte der kläger zu dem vorwurf in bezug auf seine kollegin unter anderem aus, dass die von unberechtigten angriffen gegen seine person gekennzeichnete vorgeschichte des konflikts nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. auch habe er die ihm vorgeworfene äußerung so nicht getätigt. bezüglich der vorwürfe im zusammenhang mit dem schüler und seiner mutter wies der kläger darauf hin, dass letztere ihm beim elternsprechtag vor dem zweiten schreiben aggressiv mit unberechtigten vorwürfen der verleumdung und sexuellen belästigung entgegengetreten sei. schließlich räumte der kläger seine rede anlässlich der veranstaltung von „pro nrw" ein und bezeichnete sie als großen fehler. doch habe er sich hinreichend von der gruppierung distanziert; der inhalt seiner rede sei von der meinungsfreiheit gedeckt. ungeachtet dessen sei eine disziplinarmaßnahme schon allein deswegen nicht mehr angezeigt, da er rechtswidrig suspendiert und in den medien teilweise drastisch als person und beamter in frage gestellt worden sei; dieser starke öffentliche druck sei eine erhebliche belastung gewesen. 15in der dienstlichen beurteilung aus anlass des ablaufs der probezeit vom 1. juli 2014, die durch den stellvertretenden schulleiter des weiterbildungskollegs v. , herrn dr. w. , verfasst wurde, wurde dem kläger im gesamturteil bescheinigt, dass er sich „in der probezeit in vollem umfang bewährt“ habe. daraufhin wurde der kläger am 25. august 2014 in das beamtenverhältnis auf lebenszeit übernommen. 16mit verfügung der bezirksregierung b. vom wurde der kläger auf seinen antrag hin aus persönlichen gründen mit wirkung vom 1. august 2015 an das l. -kolleg, weiterbildungskolleg der stadt l. versetzt. gleichzeitig wurde der kläger für die zeit vom 1. februar 2015 bis zum 31. juli 2015 in vollem stundenumfang dorthin abgeordnet. 17anlässlich der äußerungen des klägers in einer radiosendung bei wdr 5 am in bezug auf den holocaust wurde ihm mit bescheid der bezirksregierung b. vom mit sofortiger wirkung sowie unter anordnung der sofortigen vollziehung aus zwingenden dienstlichen gründen bis auf weiteres die führung seiner dienstgeschäfte verboten und ihm zugleich bis auf weiteres untersagt, das l. -kolleg zu betreten oder mit den schülerinnen und schülern kontakt aufzunehmen. gegen diesen bescheid erhob der kläger am 5. februar 2015 klage zum erkennenden gericht (1 k 515/15) und stellte zugleich einen antrag auf wiederherstellung der aufschiebenden wirkung (1 l 217/15). letzteren nahm der kläger mit schriftsatz an das erkennende gericht vom 10. märz 2015 zurück, woraufhin das verfahren eingestellt wurde. 18mit bescheid vom widerrief die bezirksregierung b. gegenüber dem kläger ihre abordnungs- und versetzungsverfügung an das l. -kolleg vom 21. november 2014. auch hiergegen erhob der kläger am 15. juni 2015 klage zum erkennenden gericht (1 k 2645/15). 19der kläger hat bereits am 14. august 2013 gegen die verlängerung seiner probezeit klage erhoben. zu deren begründung trägt er im wesentlichen vor, dass ursache für die ausgebliebene unterrichtserteilung seit mitte juni 2012 ausschließlich ein rechtswidriges verhalten des beklagten sei. ungeachtet dessen habe er nach seiner ersten dienstlichen beurteilung von juli 2011 noch nahezu ein weiteres jahr bis mitte juli 2012 im rahmen der probezeit unterrichtet; dieser zeitraum hätte ohne weiteres von dem schulleiter im rahmen einer beurteilung bewertet und für den restlichen zeitraum fortgeschrieben werden können. dass er sich bewährt habe, folge nicht zuletzt aus dem von ihm eingeholten schreiben des schulleiters vom 9. september 2013. hingegen dürfe ihm aus dem rechtswidrigen verhalten des beklagten im rahmen des disziplinarverfahrens kein nachteil entstehen. die weitere argumentation mit seinem einmaligen und spontanen auftritt bei einer veranstaltung von "pro nrw" sei für eine verlängerung der probezeit völlig ungeeignet, da diesbezügliche zweifel an seiner charakterlichen eignung nicht ansatzweise dargelegt würden. im gegenteil wäre selbst ein engagement für die partei „pro nrw“ durchaus mit den pflichten eines beamten vereinbar. vor diesem hintergrund habe die insoweit ergangene disziplinarverfügung keinen bestand gehabt, da sich auch die anderen in dieser verfügung erhobenen vorwürfe als haltlos erwiesen hätten. denn aus politischen äußerungen eines lehrers in der freizeit dürften keineswegs rückschlüsse auf seine mangelnde fachkompetenz gezogen werden, da sich lehrer – anders als im unterricht – durchaus polarisierend und grob vereinfachend zu politischen sachverhalten äußern dürften. die fehlende disziplinarrechtliche relevanz ginge deutlich aus der urteilsbegründung des verwaltungsgerichts münster betreffend die disziplinarverfügung hervor. auf grundlage der dortigen feststellungen fehle es dem stellvertretenden schulleiter offensichtlich an der nötigen beurteilungskompetenz, da die von diesem erhobenen vorwürfe sich nicht ansatzweise feststellen ließen. damit liege der dringende verdacht einer befangenheit nahe, was jedoch angesichts der zuständigkeit des früheren schulleiters, herrn n. , ohnehin ohne bedeutung sei. zusammengefasst hätten sich seit dem ersten schulleitergutachten von juli 2011 keine ereignisse ergeben, die zweifel an seiner eignung begründen könnten, so dass nichts gegen eine fiktive nachzeichnung der probezeit gemäß den grundsätzen über die beurteilung freigestellter personalratsmitglieder spräche. 20der kläger hat ursprünglich beantragt, den bescheid der bezirksregierung b. vom 15. juli 2013 aufzuheben. 21nach seiner zwischenzeitlichen übernahme in das beamtenverhältnis auf lebenszeit macht der kläger geltend, dass er das verfahren unbedingt fortsetzen wolle, da er großen wert auf eine verwaltungsgerichtliche feststellung lege, dass die verlängerung seiner probezeit rechtswidrig gewesen sei. auf nachfrage des erkennenden gerichts hat der kläger sein interesse an der fortsetzung des verfahrens dahingehend begründet, dass die dienstliche beurteilung von juli 2014, aufgrund welcher er auf lebenszeit verbeamtet worden sei, nicht in gleichem maße positiv ausfiele wie die einschätzungen des damaligen schulleiters im schreiben von september 2013. dies könne jedoch für die chancen seiner künftigen bewerbungen von entscheidender bedeutung sein. darüber hinaus sei es auch für die allgemeinheit von bedeutung, dass gerichtlich festgestellt werde, „dass ein beamter nicht dadurch nachteile in form einer probezeitverlängerung erleiden darf, dass der dienstherr durch ein rechtswidrig erfolgtes dienstverbot die rechtzeitige feststellung der bewährung torpediert hat.“ insoweit mache er ausdrücklich ein rehabilitationsinteresse geltend: wie im urteil des verwaltungsgerichts münster vom 13. mai 2014 festgestellt, habe er unter einer unsachlichen und undifferenzierten medienberichterstattung leiden müssen, da er als person wie auch als beamter in der öffentlichkeit erheblich in frage gestellt worden sei. schließlich legt der kläger dar, dass er beabsichtigte, wegen der rechtswidrigen verlängerung seiner probezeit schadensersatz von seinem dienstherrn zu verlangen. 22vor diesem hintergrund beantragt der kläger nunmehr, 23festzustellen, dass der bescheid der bezirksregierung b. vom rechtswidrig gewesen ist. 24der beklagte beantragt, 25 die klage abzuweisen. 26zur begründung führt er aus, dass die bewährung während der probezeit nur abschließend festgestellt werden könne, wenn eignung, befähigung und fachliche leistung auch im zeitraum nach der ersten beurteilung weiterhin erfüllt worden seien. dies sei vorliegend jedoch nicht möglich gewesen, da der kläger aufgrund des verbots der führung der dienstgeschäfte seit dem 20. juni 2012 keinen dienst mehr verrichtet habe. doch könne nur der dienstherr ein persönlichkeitsbedingtes werturteil darüber abgeben, inwieweit der beamte den fachlichen und persönlichen anforderungen des konkreten amtes und der laufbahn entspreche. die von dem kläger vorgelegte stellungnahme des ehemaligen schulleiters sei aber weder durch die dienststelle angefordert worden noch sei dieser im übrigen zu einer solchen beurteilung befugt gewesen, da dieser seit august 2012 dienstunfähig erkrankt sei. ungeachtet dessen sei der bericht im sinne der richtlinien für die dienstliche beurteilung der lehrkräfte bedenklich, da die formulierungen jede gebotene objektivität und neutralität vermissen ließen. die darin aufgestellte behauptung, dass bis sommer 2012 die uneingeschränkte bewährung nicht in zweifel zu ziehen gewesen sei, werde durch verschiedene geschehnisse widerlegt, die zweifel an der charakterlichen eignung des klägers durchaus rechtfertigten. diese zweifel habe der stellvertretende schulleiter des stadtgymnasiums in seiner stellungnahme dargelegt. im übrigen werde auf die darstellung in der disziplinarverfügung vom verwiesen. insbesondere hätten wegen des auftritts bei der veranstaltung von "pro nrw" am zweifel an der charakterlichen eignung für ein amt im öffentlichen schuldienst bestanden, zumal es sich bei dem kläger um einen politiklehrer handele, der sich naturgemäß mit politischen parteien und mit extremen bewegungen auseinandersetzen müsse. trotz der angabe des klägers, seine rede zu bereuen, hätten die bedenken nicht bis zum ablauf der regelprobezeit ausgeräumt werden können, weil das ergebnis des anhängigen disziplinarverfahrens zum zeitpunkt der probezeitverlängerung noch ausgestanden habe. selbst wenn sich vor gericht zweifel an der angemessenheit der zwischenzeitlich verfügten geldbuße ergeben hätten, blieben die der disziplinarverfügung zu grunde liegenden umstände als im rahmen der probezeitverlängerung zu würdigende tatsachen bestehen. die maßgeblichen sachverhalte würden auch unabhängig von einer disziplinarrechtlichen würdigung in ihrer gesamtschau erhebliche zweifel an der charakterlichen eignung indizieren, welche eine ernennung zum beamten auf lebenszeit im august 2013 nicht gerechtfertigt hätten. die daraufhin ausgesprochene verlängerung der probezeit um ein jahr entspräche auch dem grundsatz der verhältnismäßigkeit, da der kläger hierdurch die gelegenheit erhalten habe, seine uneingeschränkte bewährung und charakterliche eignung unter beweis zu stellen. hingegen sei ein langjährig aufgrund seiner personalratstätigkeit freigestellter lebenszeitbeamter nicht mit einem in der probezeit befindlichen beamten vergleichbar. im hinblick auf die von dem kläger geltend gemachten interessen an der fortsetzung des verfahrens führt der beklagte aus, dass die vom ehemaligen schulleiter verfasste erklärung vom keinesfalls als grundlage für die verbeamtung anerkannt werden könne. insofern lägen die weiteren ausführungen, inwieweit die verschiedenen bewertungen nicht in gleichem maße positiv ausgefallen seien, neben der sache. ferner seien die erfolgsaussichten in künftigen stellenbesetzungsverfahren nicht von der aufhebung des bescheides vom abhängig, weil eine probezeitbeurteilung nicht für eine spätere bewerbung herangezogen werden könne. 27der kläger erwidert auf das vorbringen des beklagten, dass das recht zur dienstlichen beurteilung dem lediglich dienstunfähig erkrankten herrn n. nicht abgesprochen werden könne, da ein schulleiter selbst nach eintritt in den ruhestand noch auskunft über die leistungen eines beamten in der vergangenheit abgeben und eine persönliche leistungseinschätzung vornehmen könne. 28hierauf erwidert der beklagte wiederum, dass der stellvertretende schulleiter die rechte und pflichten des schulleiters bei dessen verhinderung – wie vorliegend in dem zeitraum seit dem 23. august 2012 – wahrnehme. insofern sei der ehemalige schulleiter herr n. verpflichtet gewesen, seinen ständigen vertreter intensiv über die angelegenheiten der schule und den kläger zu informieren. demgegenüber stelle das schreiben des ehemaligen schulleiters vom keine dienstliche beurteilung im sinne der beurteilungsrichtlinien dar. 29wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte in diesem verfahren und in den verfahren 1 k 3328/12, 1 l 574/13, 1 k 515/15, 1 k 1482/15, 1 k 2645/15 sowie auf den inhalt des von dem beklagten vorgelegten verwaltungsvorgangs und die personalakte des klägers bezug genommen. 30 | 31die klage ist zulässig und begründet. 32im hinblick auf seinen zunächst angekündigten antrag war der kläger gemäß § 173 satz 1 vwgo i.v.m. § 264 nr. 3 zpo berechtigt, die zunächst erhobene anfechtungsklage zulässigerweise auf eine fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 abs. 1 satz 4 vwgo analog umzustellen. denn die von dem kläger angegriffene verlängerung seiner probezeit hat sich zwischenzeitlich durch seine übernahme in das beamtenverhältnis auf lebenszeit am 25. august 2014 erledigt. anders als im falle der entlassung aufgrund der nichtbewährung in der verlängerten probezeit, bei der es für die entscheidung einer fortdauernden probezeit als beurteilungszeitraum bedürfte, 33vgl. vgh baden-württemberg, urteil vom 3. april 1990 – 4 s 1940/88 –, juris, 34ist die ableistung der probezeit bzw. ihre dauer nach der einstellung als beamter auf lebenszeit nicht mehr von bedeutung. 35allerdings ist dem kläger unter dem gesichtspunkt der von ihm geltend gemachten vorbereitung eines schadensersatzanspruchs wegen rechtswidrigen handelns des dienstherrn ein berechtigtes feststellungsinteresse zuzuerkennen. dies entspricht der höchstrichterlichen rechtsprechung, dem klagenden beamten ein berechtigtes interesse an der feststellung der rechtswidrigkeit einer verlängerung seiner probezeit auszusprechen, da insoweit nicht auszuschließen ist, dass diese sich im weiteren berufsleben eines beamten, insbesondere bei seiner ersten beförderung, günstig auswirken könnte. 36vgl. bverwg, urteil vom 15. juni 1989 – 2 a 3/86 –, juris rn. 12 a.e. 37dieses schadensersatzbegehren ist auch unter berücksichtigung von § 839 abs. 3 bgb bzw. dessen rechtsgedanken nicht offensichtlich aussichtslos, da bei dem anwaltlich nicht vertretenen kläger im hinblick auf die unterlassene möglichkeit, im august 2013 – ergänzend zu der hier anhängigen klage – einen antrag auf lebenszeitanstellung zu stellen und auch insoweit gegebenenfalls klage zu erheben, ein großzügiger maßstab anzulegen ist. gleichzeitig hat die kammer berücksichtigt, dass auch ein derartiger antrag wegen des andauernden disziplinarverfahrens und der darauf gründenden blockadehaltung der bezirksregierung b. mit großer wahrscheinlichkeit erfolglos geblieben wäre. eine solche verfahrensweise, in dem bereits anhängigen klageverfahren die rechtswidrigkeit der probezeitverlängerung feststellen zu lassen, entspricht in anbetracht dieser gesamtumstände schließlich der prozessökonomie. 38auf die untauglichkeit des weiteren klägerischen vorbringens zur begründung eines fortsetzungsfeststellungsinteresses kam es vor diesem hintergrund nicht an. 39die nach den vorstehenden ausführungen zulässige fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet. denn der bescheid der bezirksregierung b. vom war (materiell) rechtswidrig und verletzte den kläger in seinen rechten (vgl. § 113 abs. 1 satz 4 vwgo). 40die von § 14 abs. 5 des landesbeamtengesetzes nordrhein-westfalen (lbg nrw) normierte voraussetzung, dass die „bewährung bis zum ablauf der probezeit nicht festgestellt werden kann“, wird durch die im bescheid genannten gründe nicht gedeckt, die darauf aufbauende ermessensentscheidung ist rechtswidrig. 41für die beurteilung der sach- und rechtslage dieser prognoseentscheidung ist dabei der erlasszeitpunkt des bescheides ausschlaggebend, 42vgl. bverwg, urteil vom 15. juni 1989 – 2 a 3/86 –, juris rn. 15 m.w.n. 43dem dienstherrn kommt hinsichtlich der entscheidung, ob er einen beamten auf probe wegen mangelnder bewährung in der probezeit entlässt oder seine probezeit verlängert, ein einschätzungsspielraum zu. diese entscheidung ist demnach gerichtlich lediglich daraufhin zu überprüfen, ob der gesetzliche begriff der bewährung oder die rechtlichen grenzen der beurteilungsermächtigung verkannt worden sind, ob der beurteilung ein unrichtiger bzw. unvollständiger sachverhalt zugrunde liegt, allgemein gültige wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde erwägungen angestellt oder verfahrensvorschriften verletzt worden sind. 44vgl. sächsisches ovg, beschluss vom 24. april 2001– 2 bs 66/01 –, juris rn. 9 m.w.n. 45für die feststellung der bewährung oder nichtbewährung eines beamten in der probezeit bedarf es einer genügend breiten beurteilungsgrundlage. der dienstherr muss den sachverhalt zureichend ermitteln und alle erheblichen umstände in seine entscheidung einbeziehen. es muss eine umfassende beurteilungsgrundlage vorhanden sein. dabei kommt der dienstlichen beurteilung des beamten auf probe eine besondere bedeutung zu. sie soll entsprechend der rechtseinrichtung der dienstlichen beurteilung in förmlicher festlegung ein möglichst umfassendes bild über die eignung, befähigung und fachliche leistung des probebeamten vermitteln. 46vgl. vgh baden-württemberg, urteil vom 3. april 1990– 4 s 1940/88 –, juris rn. 50. 47auf grundlage der probezeitbeurteilung zur feststellung der fachlichen bewährung ist dabei stets auf die gesamte probezeit abzustellen. nach dem sinn und zweck der laufbahnrechtlichen probezeit ist dem beamten auf probe grundsätzlich während der gesamten probezeit die möglichkeit zu geben, seine eignung nachzuweisen. ihm soll vor allem die gelegenheit verschafft werden, die mängel zu beseitigen, die bisher zu zweifeln hinsichtlich seiner bewährung anlass gegeben haben. 48vgl. bayvgh, beschluss vom 29. juli 2014 – 3 cs 14.917 –, juris rn. 44; sächsisches ovg, beschluss vom 24. april 2001 – 2 bs 66/01 –, juris rn. 8. 49gemessen an diesen maßstäben erfüllen die von dem beklagten im bescheid vom angeführten gründe für die verlängerung der probezeit die voraussetzungen nicht, da sie keinen hinreichenden anhalt bieten, dass die bewährung des klägers bis zum ablauf seiner regulären probezeit im august 2013 nicht festgestellt werden konnte. die diesbezügliche ermessensentscheidung war auch unter beachtung der einschätzungs- und ermessensspielräume des dienstherrn rechtswidrig. 50dies gilt zunächst mit blick auf das im letzten jahr der regulären probezeit andauernde verbot der führung der dienstgeschäfte und die insoweit nach angaben des beklagten fehlende möglichkeit, die in diesem zeitpunkt vorgesehene dienstliche beurteilung zur etwaigen feststellung der bewährung zu erstellen: 51zwar war in dem genannten zeitpunkt wegen der andauernden suspendierung des klägers eine beurteilung tatsächlich ausgeschlossen, weshalb – trotz der zwischenzeitlich festgestellten rechtswidrigkeit des verbots der führung der dienstgeschäfte mit urteil der kammer vom 26. juni 2013 (1 k3328/12), später bestätigt durch beschluss des ovg nrw vom 12. september 2013 (6 a 1789/13) – nicht erbrachte leistungen faktisch nicht beurteilt werden können. eine ausnahme vergleichbar der nachzeichnung bei der freistellung von personalratsmitgliedern - wie der kläger vorschlägt - kommt nicht in betracht, weil derartige ausnahmefälle auf ein minimum zu beschränken sind und weitere ungeschriebene konstellationen alleine auf basis von treu und glauben zu weitgehend wären; treuwidriges verhalten ist regelmäßig vielmehr auf sekundärebene einzubeziehen. 52doch war jedenfalls die sachverhaltsermittlung der bezirksregierung b. vor der in ihr ermessen gestellten entscheidung über die verlängerung der probezeit defizitär. der beklagte hat es versäumt, den sachverhalt umfassend zu ermitteln, weil zumindest die – durch die von dem kläger für das klageverfahren eingeholte stellungnahme des damaligen schulleiters belegte – möglichkeit bestanden hätte, das zweite jahr der probezeit des klägers zu beurteilen. immerhin war dem kläger in seiner ersten dienstlichen beurteilung vom 20. juli 2011 im gesamturteil die bisherige bewährung innerhalb der probezeit bescheinigt worden, weshalb es sich - spätestens nach aufhebung des die suspendierung regelnden bescheides vom durch erstinstanzliches urteil vom 26. juni 2013 der erkennenden kammer - aufgedrängt hätte, den nachfolgenden zeitraum bis zu seiner suspendierung, d.h. nahezu ein ganzes jahr und damit fast ein drittel seiner probezeit, zu bewerten und auf diese weise einen aktualisierten berichtsstand zu seiner bewährung innerhalb der probezeit zu erhalten. 53soweit der beklagte hingegen aus dem vorangegangenen auftritt des klägers auf der veranstaltung von „pro nrw“ rückschlüsse auf seine charakterliche eignung zu ziehen beabsichtigte, ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass die dort getätigten äußerungen keinen durchgreifenden dienstrechtlichen bedenken unterlagen, sondern vielmehr von der meinungsäußerungsfreiheit des klägers gedeckt waren. 54so ausdrücklich festgestellt im hinblick auf die disziplinarverfügung gegen den kläger und mit ausführlicher begründung: vg münster, urteil vom13. mai 2014 – 13 k 3135/13.o –, juris rn. 82. 55wenngleich sich die rechtliche bewertung disziplinarrechtlich und dienstrechtlich im allgemeinen unterscheiden kann, bestanden vorliegend vor dem hintergrund von art. 5 gg und aufgrund der umstände keine anhaltspunkte, die eignung des klägers als lehrer schon wegen seiner teilnahme an der kundgebung und seinen in diesem rahmen getätigten äußerungen ernsthaft in frage zu stellen. 56dass bezüglich dieser vorwürfe das disziplinarverfahren im zeitpunkt des ablaufs der regulären probezeit noch anhängig war, rechtfertigte ebenfalls nicht die verlängerung der probezeit. denn auch insoweit ist wiederum zu berücksichtigen, dass – ungeachtet der späteren entscheidung des verwaltungsgerichts münster – die erkennende kammer die erhebliche verzögerung erstinstanzlich bereits mit urteil vom 26. juni 2013 gerügt hatte. die hierbei erhobenen vorwürfe (teilnahme an kundgebung am ) lagen im erlasszeitpunkt des bescheides zur verlängerung der probezeit am bereits um mehr als ein jahr zurück, weshalb zur sachverhaltsermittlung ausreichend gelegenheit auch deutlich vor beendigung der probezeit bestanden hätte. 57soweit der beklagte im rahmen des klageverfahrens weitere gründe anführt, sind diese nicht gegenstand der ursprünglichen verfügung zur verlängerung der probezeit des klägers gewesen. ein nachschieben neuer erwägungen erst im prozess verbietet sich im gegensatz zur bloßen ergänzung jedoch, vgl. § 114 satz 2 vwgo. 58die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 59die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 711 zpo. | Klaeger*in | 1 |
188,669 | 2 O 278/13 | 2013-10-25T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr ohne Einverständnis per E-Mail Werbung an die Klägerin zu versenden – wie geschehen mit der E-Mail Werbung vom 16.01.2013, insbesondere bezüglich der Newsletterversendung per E-Mail Werbung über Karrierechancen und allgemeine Wirtschaftsinformationen.Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 265,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 08.07.2013 zu zahlen.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.500,- € vorläufig vollstreckbar. 1 Tatbestand:2Die Klägerin betreibt eine Büroausstattungsfirma in Iserlohn und unterhält einen Internetzugang. Die Beklagte betreibt einen Verlag und versendet per Newsletter Werbe-E-Mails über Karrierechancen und allgemeine Wirtschaftsinformationen. Am 16.01.2013 ging bei der Klägerin unter ihrer E-Mail-Adresse ####@##.## eine E-Mail der Beklagten ein, und zwar stammend von „..... (mail to:...., der domain der Beklagten, gerichtet an ..., die Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin, mit Zusatz cc:...... Wegen des Inhalts der Werbe-E-Mail wird auf Blatt 10 ff., 93 der Akte Bezug genommen. Vorher bestanden keinerlei Geschäftsbeziehungen oder Kontakte der Parteien zueinander. Die Klägerin erhält wöchentlich eine Vielzahl von E-Mails, die ausschließlich Werbung von Fremdfirmen beinhalten. Sie hat kein Interesse, ihren PC anderen Firmen als Werbeplattform zur Verfügung zu stellen.3Mit Anwaltsschreiben vom 17.01.2013 forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und zur Begleichung einer Kostenrechnung über 265,70 EUR bis zum 14.02.2013 auf. Mit Schreiben vom 05.02.2013 und erneut vom 15.02.2013 erklärte die Beklagte, sich gegenüber der Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu verpflichten, es zukünftig zu unterlassen, E-Mails an E-Mail-Adressen, die aus der Second- und Topleveldomain „....“ und „......“ gebildet werden, zu senden, es sei denn, der Inhaber der entsprechenden E-Mail-Adresse habe zuvor ausdrücklich sein Einverständnis erklärt oder die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zusendung ohne eine Einwilligung (insbesondere § 7 Abs. 3 UWG) lägen vor.4Desweiteren verpflichtete sie sich für den Fall einer zukünftigen schuldhaften Zuwiderhandlung zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Weiter heißt es, in dem Schreiben vom 05.02.2013 (und sinngemäß ähnlich in dem Schreiben vom 15.02.2013): „Falls ihre Mandantin noch über weitere E-Mail-Adressen verfügen sollte, können diese nach einer Mitteilung durch Sie in die Unterlassungserklärung aufgenommen werden.“ Der Klägerin genügt diese Unterlassungserklärung wegen der darin enthaltenen Beschränkung auf bestimmte E-Mail-Adressen nicht. Sie ist der Auffassung, Anspruch auf Abgabe einer uneingeschränkten Unterlassungserklärung zu haben. Die beschränkte Unterlassungserklärung sei nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.5Die Klägerin beantragt,671 die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, unaufgefordert im geschäftlichen Verkehr ohne Einverständnis der E-Mail Werbung an die Klägerin zu versenden – wie geschehen mit der E-Mail-Werbung vom 16.01.2013 (Anlage K1), insbesondere bezüglich der Newsletter-Versendung per E-Mail-Werbung über die Karrierechancen und allgemeine Wirtschaftsinformationen -, und zwar bei Meidung eines gemäß § 890 Abs. 1 Satz 2 ZPO vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zu einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten;892 die Beklagte zu verurteilen, an sie 265,70 EUR zzgl. 8 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 15.02.2013 zu zahlen.10Die Beklagte beantragt,11 die Klage abzuweisen.12Die Beklagte rügt die sachliche Unzuständigkeit des Landgerichts.13Die Beklagte bestreitet, dass es ich bei dem von der Klägerin vorgelegten Ausdruck um einen Ausdruck der streitgegenständlichen E-Mail handele, wie sie die Klägerin erhalten habe. Sie, die Beklagte, versende ihre Newsletter ausschließlich an Adressaten im Adressfeld „an“, ohne das im cc-Adressfeld weitere E-Mail-Adressen enthalten seien. Die Klägerin habe daher nicht dargelegt, dass die streitgegenständliche E-Mail unmittelbar durch die Beklagte an die von der Klägerin genannte E-Mail-Adresse, und zwar ohne Zwischenschritte im Verantwortungsbereich der Klägerin oder sonstiger Dritter, gelangt sei. Es sei daher nicht auszuschließen, dass die E-Mail innerhalb des Unternehmens intern weitergeleitet worden sei. Die Beklagte hat mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin die verfügungsberechtigte Inhaberin der E-Mail-Adresse ####@##.## sei. Die Beklagte bestreitet auch die von der Klägerin geschilderten Auswirkungen der E-Mail-Werbung. Die Beklagte ist der Auffassung, dass Rechtsschutzbedürfnis für eine Unterlassungsklage sei nicht gegeben, weil die Klägerin ihr geschütztes Interesse voll umfänglich erreicht habe. Durch das von der Beklagten abgegebene Versprechen einer angemessenen Vertragsstrafe habe sie den Anspruch der Klägerin erfüllt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Unterlassung der Versendung von Werbe-E-Mails ohne Beschränkung auf konkrete E-Mail-Adressen oder domains. Da die Beklagte die geschuldete Erklärung abgegeben habe, sei auch die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr nicht gegeben.14Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.15 Entscheidungsgründe:16Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.17Das Landgericht Hagen ist zur Entscheidung des Rechtsstreits gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG; 32 ZPO sachlich und örtlich zuständig.18Der Streitwert ist in Anlehnung an neuere Rechtsprechung auf 6.000,00 EUR festgesetzt worden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.03.2005 – 1 Sbd 13/05; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.09.2004 – 15 U 41/04).19Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich daraus, dass es sich bei der unerwünschten Zusendung von E- Mails um eine unerlaubte Handlung handelt, die am Sitz der Klägerin in Iserlohn als Erfolgsort begangen worden ist.20Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Zusendung von Werbe-E-Mails ohne deren Einverständnis aus §§ 823 Abs.1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Die Zusendung unerwünschter Werbe-E-Mails im Geschäftsverkehr stellt einen unmittelbaren Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Empfängers dar, so dass die ohne vorherige Einwilligung des Empfängers erfolgte Zusendung von Werbe-E-Mails einen Unterlassungsanspruch begründet (BGH NJW 2009, 2958; OLG Düsseldorf – 15 U 41/04; Kammergericht, NJW-RR 2005, 51; Amtsgericht Arnsberg, Urteil vom 11.03.2009 – 3 C 610/08).21Unverlangt zugesandte E-Mail-Werbung beeinträchtigt regelmäßig den Betriebsablauf des Unternehmens des Empfängers. Mit dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails ist ein zusätzlicher Arbeitsaufwand verbunden. Zudem können, soweit kein festes Entgelt vereinbart ist, zusätzliche Kosten für die Herstellung der Onlineverbindung und die Übermittlung der E-Mails durch den Provider anfallen. Wegen dieser durch die Zusendung unerwünschter Werbe-E-Mails verursachten Beeinträchtigungen stellt diese Zusendung einen unmittelbar betriebsbezogenen Eingriff dar (BGH NJW 2009, 2958).22Dass die Beklagte die von der Klägerin vorgetragenen Auswirkungen der E-Mail-Werbung mit Nichtwissen bestreitet, ändert an dieser Beurteilung nichts. Die angeführten zusätzlichen Aufwendungen und Kosten, die in einem Betrieb durch Empfang unerwünschter E-Mails entstehen, beruhen auf allgemeinen Erfahrungen und können daher losgelöst vom Einzelfall als gegeben zugrunde gelegt werden.23Der BGH hat ausdrücklich festgestellt, dass unverlangt zugesandte E-Mail-Werbung den Betriebsablauf des Unternehmens regelmäßig beeinträchtigt (BGH a.a.O.). Zudem kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, die einzige von ihr stammende E-Mail könne doch den Betriebsablauf der Klägerin nicht wesentlich beeinträchtigt haben; für den Empfang weiterer Werbe-E-Mails von anderen Unternehmen sei sie, die Beklagte, doch nicht verantwortlich. Hierbei verkennt die Beklagte, dass die einzelne E-Mail nicht isoliert betrachtet werden kann. Träfe ihre Argumentation zu, dann könnte ein Empfänger sich fast nie gegen die Zusendung unverlangter E-Mails zur Wehr setzen, da dann jeder Absender sich darauf berufen könnte, gerade die von ihm stammende E-Mail könnte allein die Betriebsabläufe des Empfängers nicht wesentlich beeinträchtigen. Der Arbeitsablauf für das Aussortieren einer E-Mail kann sich zwar in Grenzen halten, insbesondere wenn sich bereits aus dem Betreff entnehmen lässt, dass es sich um Werbung handelt. Anders sieht die Beurteilung aber aus, wenn es sich um eine größere Zahl unerbetener E-Mails handelt. Mit der häufigen Übermittlung von Werbe-E-Mails ohne vorherige Einwilligung des Empfängers durch verschiedene Absender wäre aber immer dann zu rechnen, wenn die Übermittlung einzelner E-Mails zulässig wäre. Im Hinblick auf die billige, schnelle und durch Automatisierung arbeitssparende Versendungsmöglichkeit ist ohne Einschränkung der E-Mail-Werbung mit einem immer weiteren Um sich greifen dieser Werbeart zu rechnen. Ohne Einschränkung der E-Mail-Werbung ist aufgrund ihrer Vorteilhaftigkeit für den Werbenden mit einem Nachahmungseffekt bei denjenigen Mitbewerbern zu rechnen, die bislang nicht mittels E-Mail geworben haben, sich aus Wettbewerbsgründen jedoch hierzu gezwungen sehen. Die Werbeart ist daher auch dann als unlauter anzusehen, wenn sie den Keim zu einem immer weiteren Um sich greifen in sich trägt und zu einer daraus folgenden unzumutbaren Belästigung führt. Es ist daher bereits die unverlangte Zusendung einer Werbe-E-Mail ohne vorherige Einwilligung als unzulässig anzusehen (BGH, Urteil vom 11.03.2004 – I ZR 81/01 – GRUR 2004, 517; BGH NJW 2009, 2958; OLG Düsseldorf – 15 U 41/04).24Diese in der Rechtsprechung vorgenommene Bewertung findet ihre Bestätigung jetzt auch in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Diese Vorschrift brandmarkt ausdrücklich Werbung mit elektronischer Post als unzumutbare Belästigung, soweit eine Einwilligung des Adressaten nicht vorliegt. Die genannte Bestimmung des UWG lässt schon die einmalige Werbung dieser Art genügen, um eine unzumutbare Belästigung anzunehmen. Mag auch eine einzelne unerwünschte Werbe-E-Mail den Grad bloßer Belästigung nicht überschreiten, so ist doch zu berücksichtigen, dass der Anteil von Werbe-E-Mails nach einer Studie weltweit bei 62 % des gesamten E-Mail-Verkehrs lag. Die einzelne Werbe-E-Mail darf daher nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist als Teil des nach allgemeiner Auffassung zu bekämpfenden Spamming aufzufassen (OLG Düsseldorf – 15 U 41/04).25Die für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr ist im vorliegenden Fall gegeben. Bereits eine das geschützte Rechtsgut beeinträchtigende Verletzungshandlung begründet die tatsächliche Vermutung künftiger weiterer Verletzungshandlungen und damit die Wiederholungsgefahr (Palandt-Bassenge, 72. Aufl., § 1004 BGB, Rnd.-Nr. 32).26Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin eine ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beeinträchtigende, die Vermutung der Wiederholungsgefahr begründende Verletzungshandlung begangen, indem sie ihr am 16.01.2003 die mit dem Betreff „Zeigen Sie 2013 ihre Kompetenz“ versehene Werbe-E-Mail-zugesandt hat. Die Beklagte hat im Ergebnis nicht hinreichend bestritten, dass sie der Klägerin diese E-Mail zugesandt hat. Zwar hat sie bestritten, dass es sich bei dem von der Klägerin aus Anlage K1 zur Klageschrift vorgelegten Ausdruck um einen Ausdruck der streitgegenständlichen E-Mail handele, die die Klägerin erhalten haben will. Sie hat beanstandet, die Klägerin habe nicht dargelegt, dass die streitgegenständliche E-Mail unmittelbar durch die Beklagte an die von der Klägerin genannte E-Mail-Adresse, und zwar ohne Zwischenschritte im Verantwortungsbereich der Klägerin oder sonstiger Dritter, gelangt sei, so dass die Klägerin nicht ihrer Darlegungs- und Beweislast für den Zugang der streitgegenständlichen E-Mail an die von ihr behauptete E-Mail-Adresse infolge eines direkten Versandes durch die Beklagte genügt habe. Diese unklaren, aus sich heraus nicht recht verständlichen Ausführungen haben zu einer Nachfrage in der mündlichen Verhandlung am 25.10.2013 geführt, ob die Beklagte den Zugang der streitgegenständlichen E-Mail bei der Klägerin nun bestreite oder nicht. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat daraufhin mündlich ausgeführt, aufgrund der vorhandenen Zusätze, insbesondere der Angaben im cc-Adressfeld, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die E-Mail innerhalb des Unternehmens der Klägerin weitergeleitet worden sei. Somit sei es für die Beklagte schwierig nachzuvollziehen, an welche E-Mail-Adresse ihre E-Mail letztlich gelangt sei. Hieraus leitet die Beklagte offenbar aber nur her, dass es ihr im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten kann nachzuvollziehen, ob die von ihr versandten Werbe-E-Mails bei solchen Empfängern ankommen, die nicht vorher ihr Einverständnis mit der Zusendung von E-Mails erklärt haben. Ein konkretes Bestreiten, dass die streitgegenständliche E-Mail von der Beklagten versandt und bei der Klägerin angekommen ist, lässt sich den Ausführungen der Beklagten somit nicht entnehmen.27Dies gilt umso mehr, als der Geschäftsführer der Klägerin auf Nachfrage des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass die im Adressfeld der E-Mail „An“ genannte ..., die Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin, die E-Mail nicht etwa privat empfangen habe, privater E-Mail-Verkehr im Unternehmen der Klägerin nicht stattfinde und auch eine Weiterleitung auf einen privaten Computer vom Betrieb der Klägerin ausgeschlossen sei.28Diesen Ausführungen hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagte nicht widersprochen.29Soweit die Beklagte bestritten hat, dass die Klägerin die verfügungsberechtigte Inhaberin der E-Mail-Adresse ####@##.## sei, an welche nach Angabe der Klägerin die streitgegenständliche E-Mail gesendet worden sein solle, verhilft auch dies der Rechtsverteidigung der Beklagten nicht zum Erfolg.30Die Klägerin hat mit einem mit Schriftsatz vom 15.10.2013 übersandten Ausdruck einer Denic-Auskunft über ein Domain-Abfrageergebnis urkundlich bewiesen, dass Domain-Inhaber der Domain „...“ der Geschäftsführer der Klägerin ... ist, und zwar für die Organisation .... GmbH, also die Klägerin. Die Richtigkeit dieser Auskunft hat die Beklagte nicht bestritten. Hinzu kommt, dass die Beklagte ihr Bestreiten bezüglich der Inhaberschaft der Domain mit Schriftsatz vom 24.10.2013 auch fallen gelassen hat. In diesem Schriftsatz führt sie nämlich selbst aus, dass die Klägerin die Internetseite „....“ betreibe, auf der sie selbst E-Mail-Werbung einsetze.31Die somit durch die Verletzungshandlung der Beklagten begründete Wiederholungsgefahr ist durch ihre mit Schreiben vom 05.02.2013 und 15.02.2013 abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärungen nicht beseitigt worden. Zwar kann die durch eine vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts begründete tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr dadurch ausgeräumt werden, dass der Störer verbindlich verspricht, die störende Handlung künftig nicht zu wiederholen, und dieses Versprechen mit einer für den Fall der Zuwiderhandlung geltenden Vertragsstrafeerklärung verbindet (Palandt a.a.O. § 1004 BGB, Rnd.-Nr. 32).32Eine solche strafbewehrte Unterlassungserklärung muss allerdings vorbehaltlos und uneingeschränkt abgegeben werden und die gesamte verbotene Handlung umfassen. Dies ist bei den von der Beklagten abgegebenen Unterlassungserklärungen vom 05.02. und 15.02.2013 nicht der Fall. Die Beklagte hat ihre Verpflichtungserklärungen auf zwei E-Mail-Adressen der Klägerin beschränkt. Dies ist unzureichend und nicht geeignet, die Widerholungsgefahr auszuräumen. In der Rechtsprechung ist allerdings umstritten, ob eine auf konkrete E-Mail-Adressen bzw. Domains des Empfängers beschränkte Untersagung bzw. Unterlassungserklärung ausreichend ist.33Dies wird teilweise mit der Begründung bejaht, andernfalls könne der Verpflichtete nicht überblicken, was ihm verboten sei (Kammergericht NJW-RR 2005, 51; OLG Frankfurt, Urteil vom 30.09.2013 – 1 U 314/12). Diese Auffassung teilt die Kammer nicht. Für eine Beschränkung des Verbots der Zusendung von E-Mails auf bestimmte E-Mail-Adressen des Empfängers fehlt jegliche Rechtsgrundlage. Die Unzulässigkeit von Eingriffen in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erstreckt sich auf den Betrieb als solchen, ist also betriebsbezogen (BGH NJW 2009, 2958). Die Klägerin hat daher ein berechtigtes Interesse daran, von jeglicher unerwünschter Zusendung von E-Mails durch die Beklagte, gleichgültig unter welcher Domain oder E-Mail-Adresse diese erfolgt, verschont zu bleiben. Der Beklagten ist zuzugestehen, dass die uneingeschränkte Untersagung bzw. Unterlassungserklärung für den Werbenden einen größeren Aufwand mit sich bringt, um sicher zu stellen, dass seine Werbe-E-Mails tatsächlich nur an solche Adressaten gelangen, die sich mit deren Zusendung zuvor einverstanden erklärt haben. Desweiteren ist nicht zu verkennen, dass mit einer uneingeschränkten Unterlassungserklärung für den Werbenden das Risiko verbunden ist, unbeabsichtigt Werbe-E-Mails an Empfänger zu versenden, die mit der Zusendung nicht einverstanden sind, wenn sie zwischenzeitlich neue E-Mail-Adressen eröffnet haben, die dem Versender bis dahin bekannt gewesen sind und deren Inhaber er möglicherweise auch nicht über allgemein zugängliche Verzeichnisse ermitteln konnte. Diese widerstreitenden Interessen von Versendern und Empfängern von Werbe-E-Mails sind im Rahmen einer vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen. Diese Interessenabwägung fällt nach Auffassung der Kammer zugunsten derjenigen Empfänger aus, die eine Zusendung von Werbe-E-Mails nicht wünschen. Dieses Ergebnis folgt aus der Notwendigkeit, gemäß § 823 Abs. 1 BGB absolut geschützte Rechtsgüter umfassend und effizient vor Eingriffen und Beeinträchtigungen zu schützen. Derjenige, der sich moderner Werbemittel wie der E-Mail-Werbung bedient, die das Risiko in sich tragen, geschützte Rechtsgüter Dritter zu beeinträchtigen, muss auch die damit verbundenen Risiken der Inanspruchnahme auf Unterlassung und evtl. Schadensersatz tragen, da er andererseits auch die wirtschaftlichen Vorteile dieser Werbeart genießt. Der Einwand der Gegenauffassung, der Versender habe keinerlei Möglichkeit zu prüfen, wer der tatsächlich materiell berechtigte Inhaber einer E-Mail-Adresse sei, greift nicht durch. Es ist Aufgabe des Versenders, durch geeignete Maßnahmen sicher zu stellen, dass ein E-Mail-Versand nicht an eine unberechtigte E-Mail-Adresse erfolgt. Eine gesetzeskonforme E-Mail-Werbung ist nur möglich, wenn der Werbende seine Adresslisten von vornherein auf die Empfänger beschränkt, deren Einverständnis ihm vorliegt. In einer dementsprechend geführten Adressliste sind E-Mail-Adressen von unbekannten Empfängern und von Empfängern, deren Einverständnis möglicherweise nicht vorliegt, nicht enthalten (BGH GRUR 2004, 517; LG Hagen, Urteil vom 10.05.2013 – 1 S 38/13; AG Arnsberg; Urteil vom 11.03.2009 – 3 C 610/08).34Der Gesetzgeber hat mit der Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG auch zum Ausdruck gebracht, dass es Sache des Werbenden ist, jegliche Maßnahmen zu ergreifen, um unzumutbare Belästigungen durch Werbung unter Verwendung elektronischer Post zu unterbinden. Diese Wertung des Gesetzgebers ist bei der Beurteilung der Generalklauseln des BGB ebenfalls heranzuziehen, um Wertungswidersprüche zu vermeiden (BGH NJW 2009, 2958).35Das von der Beklagten in ihren Unterlassungserklärungen vom 05.02. und 15.02.2013 enthaltene Angebot, sie könne künftig auch weitere E-Mail-Adressen der Klägerin in die Unterlassungserklärung aufnehmen, wenn die Klägerin diese der Beklagten mitteile, führt zu keiner anderen Beurteilung. Eine solchermaßen ausgestattete Unterlassungserklärung führt dazu, dass die Klägerin als Berechtigte zunächst selbst aktiv werden müsste, um durch entsprechende Mitteilung an die Beklagte den ihr zustehenden umfassenden Schutz zu erreichen. Eine solche Verpflichtung des Berechtigten zu aktivem Handeln gegenüber dem Verpflichteten sieht das Gesetz nicht vor. Es ist nicht Sache der Klägerin, das verbleibende Risiko der unerwünschten Zusendung von E-Mail-Werbung selbst zu beseitigen, indem sie die Beklagte immer aktuell über ihre jeweiligen E-Mail-Adressen informiert. Eine solche Verfahrensweise liefe, wie es die erste Zivilkammer des Landgerichts Hagen treffend formuliert hat, praktisch auf eine mit der Rechtslage nicht zu vereinbarende Widerspruchslösung hinaus, bei der der Adressat die Versendung an bestimmte Adressen verbieten müsste (LG Hagen, Urteil vom 10.05.2013 – 1 S 38/13).36Die von der Beklagten abgegebenen, auf bestimmte E-Mail-Adressen beschränkten Unterlassungserklärungen lassen daher die Wiederholungsgefahr nicht entfallen.37Die Beklagte ist nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung der Beeinträchtigung durch E-Mail-Werbung der Klägerin verpflichtet, da sie, was unstreitig ist, in die Zusendung der E-Mail-Werbung nicht eingewilligt hat.38Die Klage ist daher im wesentlichen begründet. Allerdings ist das im Klageantrag enthaltene Wort „unaufgefordert“ zu streichen, weil es eine zusätzliche Anforderung an die Zulässigkeit einer E-Mail-Werbung beinhaltet, die das Gesetz nicht vorsieht. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG, dessen Wertung wie ausgeführt bei der Auslegung des § 1004 BGB heranzuziehen ist, ist eine vorherige Aufforderung des Empfängers, ihm Werbung per E-Mail zukommen zu lassen, nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit dieser Werbung.39Sie ist vielmehr schon dann zulässig, weil durch den Rechtfertigungsgrund der Einwilligung gedeckt, wenn der Empfänger vorher sein Einverständnis mit der Werbung erklärt hat. Einer darüber hinaus gehenden Aufforderung bedarf es hierfür nicht.40Eine weitergehende Einschränkung der Unterlassungsverpflichtung gemäß § 7 Abs. 3 UWG war entgegen der Auffassung der Beklagten nicht vorzunehmen. Die dort geregelten Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen eine unzumutbare Belästigung im Sinne des Wettbewerbsrechts entfällt, sind im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da die Parteien nicht miteinander im Wettbewerbsverhältnis stehen und der Anspruch der Klägerin daher nicht auf den Bestimmungen des UWG beruht, sondern auf denjenigen über unerlaubte Handlungen. Die Androhung der Ordnungsmittel beruht auf § 890 ZPO.41Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten darüber hinaus ein Anspruch auf Erstattung der durch die vorgerichtliche Aufforderung der Beklagten entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 265,70 EUR aus § 823 Abs. 1 BGB zu. Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zur vorgerichtlichen Abmahnung des Störers dient zweckentsprechender Rechtsverfolgung. Gegen die Höhe des geltend gemachten Anspruchs ist nichts einzuwenden. Die Klägerin hat die Anwaltskosten, insoweit zugunsten der Beklagten, sogar nur nach einem geringeren Streitwert von 3.000,00 EUR berechnet. Zinsen aus diesem Betrag waren der Klägerin aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB allerdings nur in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 08.07.2013 zuzusprechen. Da es sich bei einer Schadensersatzforderung nicht um eine Entgeltforderung im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB handelt, ist ein Zinssatz von 8 % über dem Basiszinssatz nicht gerechtfertigt, sondern nur ein Zinssatz von 5 % über dem Basiszinssatz aus § 288 Abs. 1 BGB. Der Zinsanspruch besteht nicht bereits ab dem 15.02.2013, da das an die Beklagte gerichtete Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 17.01.2013, mit dem die Erstattung der Anwaltskosten geltend gemacht wurde, keine verzugsbegründende Mahnung im Sinne von § 286 Abs. 1 BGB beinhaltet, sondern nur die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs. Zinsen waren daher erst ab Rechtshängigkeit zuzusprechen.42Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.43Soweit aus dem Klageantrag lediglich das Merkmal „unaufgefordert“ zu streichen und die Klage bezüglich der Nebenforderungen teilweise abzuweisen war, handelt es sich um eine verhältnismäßig geringfügige Zuviel-Forderung der Klägerin, die eine Kostenteilung nicht rechtfertigt.44Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.45Den Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache stellt die Unterlassungsverpflichtung der Beklagten dar, deren Wert sich nach dem Interesse der Klägerin an ihr richtet. Dieser liegt, wie eingangs ausgeführt, mit 6.000,00 EUR über 1.250,00 EUR, so dass nicht § 708 Nr. 11, sondern § 709 ZPO Anwendung findet.46S | die beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen verkehr ohne einverständnis per e-mail werbung an die klägerin zu versenden – wie geschehen mit der e-mail werbung vom 16.01.2013, insbesondere bezüglich der newsletterversendung per e-mail werbung über karrierechancen und allgemeine wirtschaftsinformationen.der beklagten wird für jeden fall der zuwiderhandlung gegen diese verpflichtung die verhängung eines ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € und für den fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer ordnungshaft bis zu sechs monaten angedroht.die beklagte wird ferner verurteilt, an die klägerin 265,70 € nebst zinsen in höhe von 5 % über dem basiszinssatz seit dem 08.07.2013 zu zahlen.im übrigen wird die klage abgewiesen.die beklagte trägt die kosten des rechtsstreits.das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 7.500,- € vorläufig vollstreckbar. 1 | 2die klägerin betreibt eine büroausstattungsfirma in iserlohn und unterhält einen internetzugang. die beklagte betreibt einen verlag und versendet per newsletter werbe-e-mails über karrierechancen und allgemeine wirtschaftsinformationen. am 16.01.2013 ging bei der klägerin unter ihrer e-mail-adresse ####@##.## eine e-mail der beklagten ein, und zwar stammend von „..... (mail to:...., der domain der beklagten, gerichtet an ..., die ehefrau des geschäftsführers der klägerin, mit zusatz cc:...... wegen des inhalts der werbe-e-mail wird auf blatt 10 ff., 93 der akte bezug genommen. vorher bestanden keinerlei geschäftsbeziehungen oder kontakte der parteien zueinander. die klägerin erhält wöchentlich eine vielzahl von e-mails, die ausschließlich werbung von fremdfirmen beinhalten. sie hat kein interesse, ihren pc anderen firmen als werbeplattform zur verfügung zu stellen.3mit anwaltsschreiben vom 17.01.2013 forderte die klägerin die beklagte zur abgabe einer unterlassungserklärung und zur begleichung einer kostenrechnung über 265,70 eur bis zum 14.02.2013 auf. mit schreiben vom 05.02.2013 und erneut vom 15.02.2013 erklärte die beklagte, sich gegenüber der klägerin ohne anerkennung einer rechtspflicht zu verpflichten, es zukünftig zu unterlassen, e-mails an e-mail-adressen, die aus der second- und topleveldomain „....“ und „......“ gebildet werden, zu senden, es sei denn, der inhaber der entsprechenden e-mail-adresse habe zuvor ausdrücklich sein einverständnis erklärt oder die gesetzlichen voraussetzungen für eine zusendung ohne eine einwilligung (insbesondere § 7 abs. 3 uwg) lägen vor.4desweiteren verpflichtete sie sich für den fall einer zukünftigen schuldhaften zuwiderhandlung zur zahlung einer vertragsstrafe. weiter heißt es, in dem schreiben vom 05.02.2013 (und sinngemäß ähnlich in dem schreiben vom 15.02.2013): „falls ihre mandantin noch über weitere e-mail-adressen verfügen sollte, können diese nach einer mitteilung durch sie in die unterlassungserklärung aufgenommen werden.“ der klägerin genügt diese unterlassungserklärung wegen der darin enthaltenen beschränkung auf bestimmte e-mail-adressen nicht. sie ist der auffassung, anspruch auf abgabe einer uneingeschränkten unterlassungserklärung zu haben. die beschränkte unterlassungserklärung sei nicht geeignet, die wiederholungsgefahr zu beseitigen.5die klägerin beantragt,671 die beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, unaufgefordert im geschäftlichen verkehr ohne einverständnis der e-mail werbung an die klägerin zu versenden – wie geschehen mit der e-mail-werbung vom 16.01.2013 (anlage k1), insbesondere bezüglich der newsletter-versendung per e-mail-werbung über die karrierechancen und allgemeine wirtschaftsinformationen -, und zwar bei meidung eines gemäß § 890 abs. 1 satz 2 zpo vom gericht festzusetzenden ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 eur und für den fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zu einer ordnungshaft bis zu 6 monaten;892 die beklagte zu verurteilen, an sie 265,70 eur zzgl. 8 % zinsen über dem basiszins seit dem 15.02.2013 zu zahlen.10die beklagte beantragt,11 die klage abzuweisen.12die beklagte rügt die sachliche unzuständigkeit des landgerichts.13die beklagte bestreitet, dass es ich bei dem von der klägerin vorgelegten ausdruck um einen ausdruck der streitgegenständlichen e-mail handele, wie sie die klägerin erhalten habe. sie, die beklagte, versende ihre newsletter ausschließlich an adressaten im adressfeld „an“, ohne das im cc-adressfeld weitere e-mail-adressen enthalten seien. die klägerin habe daher nicht dargelegt, dass die streitgegenständliche e-mail unmittelbar durch die beklagte an die von der klägerin genannte e-mail-adresse, und zwar ohne zwischenschritte im verantwortungsbereich der klägerin oder sonstiger dritter, gelangt sei. es sei daher nicht auszuschließen, dass die e-mail innerhalb des unternehmens intern weitergeleitet worden sei. die beklagte hat mit nichtwissen bestritten, dass die klägerin die verfügungsberechtigte inhaberin der e-mail-adresse ####@##.## sei. die beklagte bestreitet auch die von der klägerin geschilderten auswirkungen der e-mail-werbung. die beklagte ist der auffassung, dass rechtsschutzbedürfnis für eine unterlassungsklage sei nicht gegeben, weil die klägerin ihr geschütztes interesse voll umfänglich erreicht habe. durch das von der beklagten abgegebene versprechen einer angemessenen vertragsstrafe habe sie den anspruch der klägerin erfüllt. die klägerin habe keinen anspruch auf die unterlassung der versendung von werbe-e-mails ohne beschränkung auf konkrete e-mail-adressen oder domains. da die beklagte die geschuldete erklärung abgegeben habe, sei auch die für einen unterlassungsanspruch erforderliche wiederholungsgefahr nicht gegeben.14wegen des weiteren vorbringens der parteien wird auf den inhalt der gewechselten schriftsätze nebst anlagen bezug genommen.15 | 16die klage ist zulässig und überwiegend begründet.17das landgericht hagen ist zur entscheidung des rechtsstreits gemäß §§ 23 nr. 1, 71 abs. 1 gvg; 32 zpo sachlich und örtlich zuständig.18der streitwert ist in anlehnung an neuere rechtsprechung auf 6.000,00 eur festgesetzt worden (vgl. olg hamm, beschluss vom 11.03.2005 – 1 sbd 13/05; olg düsseldorf, urteil vom 22.09.2004 – 15 u 41/04).19die örtliche zuständigkeit ergibt sich daraus, dass es sich bei der unerwünschten zusendung von e- mails um eine unerlaubte handlung handelt, die am sitz der klägerin in iserlohn als erfolgsort begangen worden ist.20der klägerin steht gegen die beklagte ein anspruch auf unterlassung der zusendung von werbe-e-mails ohne deren einverständnis aus §§ 823 abs.1, 1004 abs. 1 satz 2 bgb zu. die zusendung unerwünschter werbe-e-mails im geschäftsverkehr stellt einen unmittelbaren eingriff in den eingerichteten und ausgeübten gewerbebetrieb des empfängers dar, so dass die ohne vorherige einwilligung des empfängers erfolgte zusendung von werbe-e-mails einen unterlassungsanspruch begründet (bgh njw 2009, 2958; olg düsseldorf – 15 u 41/04; kammergericht, njw-rr 2005, 51; amtsgericht arnsberg, urteil vom 11.03.2009 – 3 c 610/08).21unverlangt zugesandte e-mail-werbung beeinträchtigt regelmäßig den betriebsablauf des unternehmens des empfängers. mit dem sichten und aussortieren unerbetener e-mails ist ein zusätzlicher arbeitsaufwand verbunden. zudem können, soweit kein festes entgelt vereinbart ist, zusätzliche kosten für die herstellung der onlineverbindung und die übermittlung der e-mails durch den provider anfallen. wegen dieser durch die zusendung unerwünschter werbe-e-mails verursachten beeinträchtigungen stellt diese zusendung einen unmittelbar betriebsbezogenen eingriff dar (bgh njw 2009, 2958).22dass die beklagte die von der klägerin vorgetragenen auswirkungen der e-mail-werbung mit nichtwissen bestreitet, ändert an dieser beurteilung nichts. die angeführten zusätzlichen aufwendungen und kosten, die in einem betrieb durch empfang unerwünschter e-mails entstehen, beruhen auf allgemeinen erfahrungen und können daher losgelöst vom einzelfall als gegeben zugrunde gelegt werden.23der bgh hat ausdrücklich festgestellt, dass unverlangt zugesandte e-mail-werbung den betriebsablauf des unternehmens regelmäßig beeinträchtigt (bgh a.a.o.). zudem kann die beklagte auch nicht mit erfolg entgegenhalten, die einzige von ihr stammende e-mail könne doch den betriebsablauf der klägerin nicht wesentlich beeinträchtigt haben; für den empfang weiterer werbe-e-mails von anderen unternehmen sei sie, die beklagte, doch nicht verantwortlich. hierbei verkennt die beklagte, dass die einzelne e-mail nicht isoliert betrachtet werden kann. träfe ihre argumentation zu, dann könnte ein empfänger sich fast nie gegen die zusendung unverlangter e-mails zur wehr setzen, da dann jeder absender sich darauf berufen könnte, gerade die von ihm stammende e-mail könnte allein die betriebsabläufe des empfängers nicht wesentlich beeinträchtigen. der arbeitsablauf für das aussortieren einer e-mail kann sich zwar in grenzen halten, insbesondere wenn sich bereits aus dem betreff entnehmen lässt, dass es sich um werbung handelt. anders sieht die beurteilung aber aus, wenn es sich um eine größere zahl unerbetener e-mails handelt. mit der häufigen übermittlung von werbe-e-mails ohne vorherige einwilligung des empfängers durch verschiedene absender wäre aber immer dann zu rechnen, wenn die übermittlung einzelner e-mails zulässig wäre. im hinblick auf die billige, schnelle und durch automatisierung arbeitssparende versendungsmöglichkeit ist ohne einschränkung der e-mail-werbung mit einem immer weiteren um sich greifen dieser werbeart zu rechnen. ohne einschränkung der e-mail-werbung ist aufgrund ihrer vorteilhaftigkeit für den werbenden mit einem nachahmungseffekt bei denjenigen mitbewerbern zu rechnen, die bislang nicht mittels e-mail geworben haben, sich aus wettbewerbsgründen jedoch hierzu gezwungen sehen. die werbeart ist daher auch dann als unlauter anzusehen, wenn sie den keim zu einem immer weiteren um sich greifen in sich trägt und zu einer daraus folgenden unzumutbaren belästigung führt. es ist daher bereits die unverlangte zusendung einer werbe-e-mail ohne vorherige einwilligung als unzulässig anzusehen (bgh, urteil vom 11.03.2004 – i zr 81/01 – grur 2004, 517; bgh njw 2009, 2958; olg düsseldorf – 15 u 41/04).24diese in der rechtsprechung vorgenommene bewertung findet ihre bestätigung jetzt auch in § 7 abs. 2 nr. 3 uwg. diese vorschrift brandmarkt ausdrücklich werbung mit elektronischer post als unzumutbare belästigung, soweit eine einwilligung des adressaten nicht vorliegt. die genannte bestimmung des uwg lässt schon die einmalige werbung dieser art genügen, um eine unzumutbare belästigung anzunehmen. mag auch eine einzelne unerwünschte werbe-e-mail den grad bloßer belästigung nicht überschreiten, so ist doch zu berücksichtigen, dass der anteil von werbe-e-mails nach einer studie weltweit bei 62 % des gesamten e-mail-verkehrs lag. die einzelne werbe-e-mail darf daher nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist als teil des nach allgemeiner auffassung zu bekämpfenden spamming aufzufassen (olg düsseldorf – 15 u 41/04).25die für einen unterlassungsanspruch gemäß § 1004 abs. 1 satz 2 bgb erforderliche wiederholungsgefahr ist im vorliegenden fall gegeben. bereits eine das geschützte rechtsgut beeinträchtigende verletzungshandlung begründet die tatsächliche vermutung künftiger weiterer verletzungshandlungen und damit die wiederholungsgefahr (palandt-bassenge, 72. aufl., § 1004 bgb, rnd.-nr. 32).26die beklagte hat gegenüber der klägerin eine ihren eingerichteten und ausgeübten gewerbebetrieb beeinträchtigende, die vermutung der wiederholungsgefahr begründende verletzungshandlung begangen, indem sie ihr am 16.01.2003 die mit dem betreff „zeigen sie 2013 ihre kompetenz“ versehene werbe-e-mail-zugesandt hat. die beklagte hat im ergebnis nicht hinreichend bestritten, dass sie der klägerin diese e-mail zugesandt hat. zwar hat sie bestritten, dass es sich bei dem von der klägerin aus anlage k1 zur klageschrift vorgelegten ausdruck um einen ausdruck der streitgegenständlichen e-mail handele, die die klägerin erhalten haben will. sie hat beanstandet, die klägerin habe nicht dargelegt, dass die streitgegenständliche e-mail unmittelbar durch die beklagte an die von der klägerin genannte e-mail-adresse, und zwar ohne zwischenschritte im verantwortungsbereich der klägerin oder sonstiger dritter, gelangt sei, so dass die klägerin nicht ihrer darlegungs- und beweislast für den zugang der streitgegenständlichen e-mail an die von ihr behauptete e-mail-adresse infolge eines direkten versandes durch die beklagte genügt habe. diese unklaren, aus sich heraus nicht recht verständlichen ausführungen haben zu einer nachfrage in der mündlichen verhandlung am 25.10.2013 geführt, ob die beklagte den zugang der streitgegenständlichen e-mail bei der klägerin nun bestreite oder nicht. der prozessbevollmächtigte der beklagten hat daraufhin mündlich ausgeführt, aufgrund der vorhandenen zusätze, insbesondere der angaben im cc-adressfeld, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die e-mail innerhalb des unternehmens der klägerin weitergeleitet worden sei. somit sei es für die beklagte schwierig nachzuvollziehen, an welche e-mail-adresse ihre e-mail letztlich gelangt sei. hieraus leitet die beklagte offenbar aber nur her, dass es ihr im einzelfall schwierigkeiten bereiten kann nachzuvollziehen, ob die von ihr versandten werbe-e-mails bei solchen empfängern ankommen, die nicht vorher ihr einverständnis mit der zusendung von e-mails erklärt haben. ein konkretes bestreiten, dass die streitgegenständliche e-mail von der beklagten versandt und bei der klägerin angekommen ist, lässt sich den ausführungen der beklagten somit nicht entnehmen.27dies gilt umso mehr, als der geschäftsführer der klägerin auf nachfrage des prozessbevollmächtigten der beklagten in der mündlichen verhandlung erklärt hat, dass die im adressfeld der e-mail „an“ genannte ..., die ehefrau des geschäftsführers der klägerin, die e-mail nicht etwa privat empfangen habe, privater e-mail-verkehr im unternehmen der klägerin nicht stattfinde und auch eine weiterleitung auf einen privaten computer vom betrieb der klägerin ausgeschlossen sei.28diesen ausführungen hat der prozessbevollmächtigte der beklagte nicht widersprochen.29soweit die beklagte bestritten hat, dass die klägerin die verfügungsberechtigte inhaberin der e-mail-adresse ####@##.## sei, an welche nach angabe der klägerin die streitgegenständliche e-mail gesendet worden sein solle, verhilft auch dies der rechtsverteidigung der beklagten nicht zum erfolg.30die klägerin hat mit einem mit schriftsatz vom 15.10.2013 übersandten ausdruck einer denic-auskunft über ein domain-abfrageergebnis urkundlich bewiesen, dass domain-inhaber der domain „...“ der geschäftsführer der klägerin ... ist, und zwar für die organisation .... gmbh, also die klägerin. die richtigkeit dieser auskunft hat die beklagte nicht bestritten. hinzu kommt, dass die beklagte ihr bestreiten bezüglich der inhaberschaft der domain mit schriftsatz vom 24.10.2013 auch fallen gelassen hat. in diesem schriftsatz führt sie nämlich selbst aus, dass die klägerin die internetseite „....“ betreibe, auf der sie selbst e-mail-werbung einsetze.31die somit durch die verletzungshandlung der beklagten begründete wiederholungsgefahr ist durch ihre mit schreiben vom 05.02.2013 und 15.02.2013 abgegebenen strafbewehrten unterlassungserklärungen nicht beseitigt worden. zwar kann die durch eine vorangegangene rechtswidrige beeinträchtigung des geschützten rechtsguts begründete tatsächliche vermutung einer wiederholungsgefahr dadurch ausgeräumt werden, dass der störer verbindlich verspricht, die störende handlung künftig nicht zu wiederholen, und dieses versprechen mit einer für den fall der zuwiderhandlung geltenden vertragsstrafeerklärung verbindet (palandt a.a.o. § 1004 bgb, rnd.-nr. 32).32eine solche strafbewehrte unterlassungserklärung muss allerdings vorbehaltlos und uneingeschränkt abgegeben werden und die gesamte verbotene handlung umfassen. dies ist bei den von der beklagten abgegebenen unterlassungserklärungen vom 05.02. und 15.02.2013 nicht der fall. die beklagte hat ihre verpflichtungserklärungen auf zwei e-mail-adressen der klägerin beschränkt. dies ist unzureichend und nicht geeignet, die widerholungsgefahr auszuräumen. in der rechtsprechung ist allerdings umstritten, ob eine auf konkrete e-mail-adressen bzw. domains des empfängers beschränkte untersagung bzw. unterlassungserklärung ausreichend ist.33dies wird teilweise mit der begründung bejaht, andernfalls könne der verpflichtete nicht überblicken, was ihm verboten sei (kammergericht njw-rr 2005, 51; olg frankfurt, urteil vom 30.09.2013 – 1 u 314/12). diese auffassung teilt die kammer nicht. für eine beschränkung des verbots der zusendung von e-mails auf bestimmte e-mail-adressen des empfängers fehlt jegliche rechtsgrundlage. die unzulässigkeit von eingriffen in den eingerichteten und ausgeübten gewerbebetrieb erstreckt sich auf den betrieb als solchen, ist also betriebsbezogen (bgh njw 2009, 2958). die klägerin hat daher ein berechtigtes interesse daran, von jeglicher unerwünschter zusendung von e-mails durch die beklagte, gleichgültig unter welcher domain oder e-mail-adresse diese erfolgt, verschont zu bleiben. der beklagten ist zuzugestehen, dass die uneingeschränkte untersagung bzw. unterlassungserklärung für den werbenden einen größeren aufwand mit sich bringt, um sicher zu stellen, dass seine werbe-e-mails tatsächlich nur an solche adressaten gelangen, die sich mit deren zusendung zuvor einverstanden erklärt haben. desweiteren ist nicht zu verkennen, dass mit einer uneingeschränkten unterlassungserklärung für den werbenden das risiko verbunden ist, unbeabsichtigt werbe-e-mails an empfänger zu versenden, die mit der zusendung nicht einverstanden sind, wenn sie zwischenzeitlich neue e-mail-adressen eröffnet haben, die dem versender bis dahin bekannt gewesen sind und deren inhaber er möglicherweise auch nicht über allgemein zugängliche verzeichnisse ermitteln konnte. diese widerstreitenden interessen von versendern und empfängern von werbe-e-mails sind im rahmen einer vorzunehmenden interessenabwägung zu berücksichtigen. diese interessenabwägung fällt nach auffassung der kammer zugunsten derjenigen empfänger aus, die eine zusendung von werbe-e-mails nicht wünschen. dieses ergebnis folgt aus der notwendigkeit, gemäß § 823 abs. 1 bgb absolut geschützte rechtsgüter umfassend und effizient vor eingriffen und beeinträchtigungen zu schützen. derjenige, der sich moderner werbemittel wie der e-mail-werbung bedient, die das risiko in sich tragen, geschützte rechtsgüter dritter zu beeinträchtigen, muss auch die damit verbundenen risiken der inanspruchnahme auf unterlassung und evtl. schadensersatz tragen, da er andererseits auch die wirtschaftlichen vorteile dieser werbeart genießt. der einwand der gegenauffassung, der versender habe keinerlei möglichkeit zu prüfen, wer der tatsächlich materiell berechtigte inhaber einer e-mail-adresse sei, greift nicht durch. es ist aufgabe des versenders, durch geeignete maßnahmen sicher zu stellen, dass ein e-mail-versand nicht an eine unberechtigte e-mail-adresse erfolgt. eine gesetzeskonforme e-mail-werbung ist nur möglich, wenn der werbende seine adresslisten von vornherein auf die empfänger beschränkt, deren einverständnis ihm vorliegt. in einer dementsprechend geführten adressliste sind e-mail-adressen von unbekannten empfängern und von empfängern, deren einverständnis möglicherweise nicht vorliegt, nicht enthalten (bgh grur 2004, 517; lg hagen, urteil vom 10.05.2013 – 1 s 38/13; ag arnsberg; urteil vom 11.03.2009 – 3 c 610/08).34der gesetzgeber hat mit der vorschrift des § 7 abs. 2 nr. 3 uwg auch zum ausdruck gebracht, dass es sache des werbenden ist, jegliche maßnahmen zu ergreifen, um unzumutbare belästigungen durch werbung unter verwendung elektronischer post zu unterbinden. diese wertung des gesetzgebers ist bei der beurteilung der generalklauseln des bgb ebenfalls heranzuziehen, um wertungswidersprüche zu vermeiden (bgh njw 2009, 2958).35das von der beklagten in ihren unterlassungserklärungen vom 05.02. und 15.02.2013 enthaltene angebot, sie könne künftig auch weitere e-mail-adressen der klägerin in die unterlassungserklärung aufnehmen, wenn die klägerin diese der beklagten mitteile, führt zu keiner anderen beurteilung. eine solchermaßen ausgestattete unterlassungserklärung führt dazu, dass die klägerin als berechtigte zunächst selbst aktiv werden müsste, um durch entsprechende mitteilung an die beklagte den ihr zustehenden umfassenden schutz zu erreichen. eine solche verpflichtung des berechtigten zu aktivem handeln gegenüber dem verpflichteten sieht das gesetz nicht vor. es ist nicht sache der klägerin, das verbleibende risiko der unerwünschten zusendung von e-mail-werbung selbst zu beseitigen, indem sie die beklagte immer aktuell über ihre jeweiligen e-mail-adressen informiert. eine solche verfahrensweise liefe, wie es die erste zivilkammer des landgerichts hagen treffend formuliert hat, praktisch auf eine mit der rechtslage nicht zu vereinbarende widerspruchslösung hinaus, bei der der adressat die versendung an bestimmte adressen verbieten müsste (lg hagen, urteil vom 10.05.2013 – 1 s 38/13).36die von der beklagten abgegebenen, auf bestimmte e-mail-adressen beschränkten unterlassungserklärungen lassen daher die wiederholungsgefahr nicht entfallen.37die beklagte ist nicht gemäß § 1004 abs. 2 bgb zur duldung der beeinträchtigung durch e-mail-werbung der klägerin verpflichtet, da sie, was unstreitig ist, in die zusendung der e-mail-werbung nicht eingewilligt hat.38die klage ist daher im wesentlichen begründet. allerdings ist das im klageantrag enthaltene wort „unaufgefordert“ zu streichen, weil es eine zusätzliche anforderung an die zulässigkeit einer e-mail-werbung beinhaltet, die das gesetz nicht vorsieht. nach § 7 abs. 2 nr. 3 uwg, dessen wertung wie ausgeführt bei der auslegung des § 1004 bgb heranzuziehen ist, ist eine vorherige aufforderung des empfängers, ihm werbung per e-mail zukommen zu lassen, nicht voraussetzung für die zulässigkeit dieser werbung.39sie ist vielmehr schon dann zulässig, weil durch den rechtfertigungsgrund der einwilligung gedeckt, wenn der empfänger vorher sein einverständnis mit der werbung erklärt hat. einer darüber hinaus gehenden aufforderung bedarf es hierfür nicht.40eine weitergehende einschränkung der unterlassungsverpflichtung gemäß § 7 abs. 3 uwg war entgegen der auffassung der beklagten nicht vorzunehmen. die dort geregelten ausnahmetatbestände, bei deren vorliegen eine unzumutbare belästigung im sinne des wettbewerbsrechts entfällt, sind im vorliegenden fall nicht einschlägig, da die parteien nicht miteinander im wettbewerbsverhältnis stehen und der anspruch der klägerin daher nicht auf den bestimmungen des uwg beruht, sondern auf denjenigen über unerlaubte handlungen. die androhung der ordnungsmittel beruht auf § 890 zpo.41der klägerin steht gegenüber der beklagten darüber hinaus ein anspruch auf erstattung der durch die vorgerichtliche aufforderung der beklagten entstandenen rechtsanwaltskosten in höhe von 265,70 eur aus § 823 abs. 1 bgb zu. die inanspruchnahme eines rechtsanwalts zur vorgerichtlichen abmahnung des störers dient zweckentsprechender rechtsverfolgung. gegen die höhe des geltend gemachten anspruchs ist nichts einzuwenden. die klägerin hat die anwaltskosten, insoweit zugunsten der beklagten, sogar nur nach einem geringeren streitwert von 3.000,00 eur berechnet. zinsen aus diesem betrag waren der klägerin aus §§ 286 abs. 1, 288 abs. 1, 291 bgb allerdings nur in höhe von 5 % über dem basiszinssatz seit dem 08.07.2013 zuzusprechen. da es sich bei einer schadensersatzforderung nicht um eine entgeltforderung im sinne von § 288 abs. 2 bgb handelt, ist ein zinssatz von 8 % über dem basiszinssatz nicht gerechtfertigt, sondern nur ein zinssatz von 5 % über dem basiszinssatz aus § 288 abs. 1 bgb. der zinsanspruch besteht nicht bereits ab dem 15.02.2013, da das an die beklagte gerichtete schreiben des prozessbevollmächtigten der klägerin vom 17.01.2013, mit dem die erstattung der anwaltskosten geltend gemacht wurde, keine verzugsbegründende mahnung im sinne von § 286 abs. 1 bgb beinhaltet, sondern nur die erstmalige geltendmachung des anspruchs. zinsen waren daher erst ab rechtshängigkeit zuzusprechen.42die kostenentscheidung beruht auf §§ 91 abs. 1, 92 abs. 2 zpo.43soweit aus dem klageantrag lediglich das merkmal „unaufgefordert“ zu streichen und die klage bezüglich der nebenforderungen teilweise abzuweisen war, handelt es sich um eine verhältnismäßig geringfügige zuviel-forderung der klägerin, die eine kostenteilung nicht rechtfertigt.44die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit folgt aus § 709 zpo.45den gegenstand der verurteilung in der hauptsache stellt die unterlassungsverpflichtung der beklagten dar, deren wert sich nach dem interesse der klägerin an ihr richtet. dieser liegt, wie eingangs ausgeführt, mit 6.000,00 eur über 1.250,00 eur, so dass nicht § 708 nr. 11, sondern § 709 zpo anwendung findet.46s | Klaeger*in | 1 |
332,452 | 3 A 1059/15 | 2020-09-30T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Verfahrenskosten zweiter und dritter Instanz. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Der Kläger steht als Finanzbeamter in Diensten des Beklagten. Im Streitjahr 2010 wurde er nach der Besoldungsgruppe A 13 gD besoldet. Er ist Vater dreier Kinder, geboren am x1. Juli 1995, am x2. März 1998 und am x3. Januar 2000, für die er im Jahre 2010 kindergeldberechtigt war. 3Mit Schreiben vom 30. November 2010 stellte der Kläger beim Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) den Antrag, ihm für die Jahre ab 2010 einen höheren kinderbezogenen Anteil im Familienzuschlag zu zahlen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe entschieden, dass Beamten mit drei oder mehr Kindern pro Kind monatlich (mindestens) ein Betrag i. H. v. 115 % des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs zur Verfügung stehen müsse. Durch den ihm im Jahre 2010 gewährten Familienzuschlag werde dies nicht erreicht. Ursachen dafür seien die steuerliche Belastung und die existenziell notwendige Basiskranken- und -pflegeversicherung. In seine Berechnungen des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs stellte der Kläger auch einen Zuschuss von 100,00 € jährlich für Schulbedarf ein. Er ermittelte einen nachzuzahlenden Nettobetrag für das Jahr 2010 i. H. v. 279,92 €. 4Mit Bescheid vom 4. März 2013 lehnte das LBV den Antrag ab. Die Familienzuschläge für dritte und weitere Kinder seien unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG ab dem 1. Januar 2007 pauschal um 50,00 € pro Monat angehoben und fortlaufend angepasst worden. Die Pauschalierung sei zulässig. Auch im Vergleich zu einer „Spitzabrechnung“ werde die amtsangemessene Alimentation von Beamten mit mehr als zwei Kindern in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle sichergestellt. Lediglich in den obersten Besoldungsgruppen könne sich dem Sinn und Zweck einer Pauschalierung entsprechend betragsmäßig eine geringfügige Abweichung ergeben. Eine weitergehende Anpassung würde dazu führen, dass der höchstrichterlich festgelegte Richtwert der Alimentation für dritte und weitere Kinder insbesondere in den unteren Besoldungsgruppen in einer nicht mehr vertretbaren Höhe überschritten würde. Der Familienzuschlag sei kindbezogen und werde für Kinder von Bezügeempfängern unterschiedlicher Besoldungsgruppen in gleicher Höhe gezahlt. 5Hiergegen erhob der Kläger unter dem 7. März 2013 Widerspruch. Dem angefochtenen Bescheid lasse sich kein rechnerisches Nachvollziehen der Rechtsprechung des BVerfG entnehmen. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2013 wies das LBV den Widerspruch zurück. 6Der Kläger hat am 23. April 2013 Klage mit der Begründung erhoben, die Größe seines Personalkörpers entbinde den Beklagten nicht von einer individuellen Prüfung der Besoldung des Klägers nach den Vorgaben des BVerfG. Der sozialhilferechtliche Gesamtbedarf sei nach der im Jahr 2010 geltenden Rechtslage zu ermitteln und umfasse insbesondere Leistungen zur Bildung und Teilhabe sowie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. 7Der Kläger hatte ursprünglich schriftsätzlich sinngemäß beantragt, 8den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. März 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2013 zu verurteilen, ihm für das Jahr 2010 einen Betrag i. H. v. netto 279,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. April 2013 zu zahlen. 9Aufgrund mehrerer Neuberechnungen und nachdem der Beklagte die Differenz im Nettoeinkommen des Klägers durch das dritte Kind im Jahr 2010 mit 415,90 € monatlich ermittelt hatte, hat der Kläger davon ausgehend seine Unteralimentation für das Jahr 2010 mit netto 329,64 € angegeben. 10Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, 11die Klage abzuweisen. 12Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Selbst wenn bei der Ermittlung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs sonstige Positionen einbezogen würden, ergebe sich keine Unteralimentation. Kosten der Unterkunft und Heizung seien nicht in den sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf einzustellen. Dies ergebe sich aus § 27a Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). 13Mit der vom Senat durch Beschluss vom 10. August 2016 zugelassenen Berufung hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Das Verwaltungsgericht habe erstinstanzlich fehlerhaft den Klageantrag auf den Betrag von 306,29 € beziffert. Zur Auslegung des Klagebegehrens hätte es vielmehr die für das Kalenderjahr 2010 bezifferte Unteralimentation in Höhe von insgesamt netto 329,64 € zugrunde legen müssen. Der von ihm ausgerechnete sozialhilferechtliche monatliche Gesamtbedarf i. H. v. 439,24 € (Januar bis Juni) bzw. 447,50 € (Juli bis Dezember) ergebe sich wie folgt: Durchschnittlicher Regelsatz 269,00 €, Wohnung (11 m² zu 6,46 €) 71,06 €, Zuschlag für Heizung (20 % der Kaltmiete) 14,21 €, Basiskranken- und ‑pflegeversicherung 27,68 (Januar bis Juni) bzw. 34,86 € (Juli bis Dezember). Maßgeblich seien laut BVerfG hiervon 115 %. Die Kosten der Unterkunft und Heizung könnten für jedes Jahr nur aufgrund derjenigen Berechnungsgrundlagen ermittelt werden, die im Streitjahr aktuell vorlägen. Maßgebend sei immer die im Streitjahr aktuell vorliegende letzte Wohngeldstatistik bzw. Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS).). Zum sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf zähle auch das Schulbedarfspaket gemäß § 28a SGB XII in Höhe von 100 € jährlich, mithin 8,33 € im Monat. 14Nachdem der Kläger im Berufungsverfahren zunächst weiter von einer Unteralimentation i. H. v. 329,64 € ausgegangen war, hat er zuletzt beantragt, 15das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. März 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2013 zu verurteilen, ihm für das Jahr 2010 einen Nettobetrag in Höhe von 358,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. April 2013 zu zahlen. 16Der Beklagte hat beantragt, 17die Berufung zurückzuweisen. 18Die vom BVerfG entwickelten Maßstäbe zur Alimentation kinderreicher Beamter seien zwar grundsätzlich nach wie vor heranzuziehen. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand seien jedoch immer mehr Parameter aus dieser Berechnungsmethode aufgrund von Änderungen besoldungsrelevanter Gesetze und veränderter Tatsachengrundlage nicht mehr unmittelbar anwendbar, sondern müssten fortentwickelt werden. Eine solche Fortentwicklung sei im Hinblick auf die erfolgten Neuregelungen des Sozialhilferechts im SGB XII vorzunehmen. Beträge zur Kranken- oder Pflegeversicherung seien hingegen nicht in Ansatz zu bringen. Der sozialhilferechtliche Gesamtbedarf des dritten Kindes betrage 330,00 € monatlich: 247,00 € durchschnittlicher gewichteter Regelbedarf, 70,00 € Unterkunftskosten sowie 13,00 € durchschnittliche Heizkosten. Der vom BVerfG vorgenommene pauschalierte Zuschlag von 20 % des Regelsatzes für einmalige Leistungen gelte für das Jahr 2010 nicht mehr. Die einmaligen Leistungen zum Lebensunterhalt seien nach den 2005 neugefassten sozialhilferechtlichen Regelungen fast vollständig in die deutlich angehobenen Regelsätze eingearbeitet worden. Bei den monatlichen Unterkunftskosten sei für ein Kind ein Wohnflächenanteil von 12 m² zu je 5,78 € im Monat als angemessen anzusehen. Für die Heizkosten seien 19 % hiervon anzusetzen. Die Mindestalimentation betrage danach 379,50 € (330,00 € × 115 %). Der ermittelte Differenzbetrag zwischen der Alimentation eines Beamten mit zwei Kindern und eines Beamten mit drei Kindern überschreite die Mindestalimentation. Eine Auszehrung der familienneutralen Gehaltsbestandteile des Klägers wegen des Unterhalts für sein drittes Kind finde damit nicht statt. 19Mit Urteil vom 7. Juni 2017 hat der Senat den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. März 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2013 verurteilt, dem Kläger für das Jahr 2010 einen Nettobetrag in Höhe von 358,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. April 2013 zu zahlen. Zur Begründung hat er ausgeführt: 20Es liege keine unzulässige Klageerweiterung oder teilweise Klagerücknahme vor. Der Kläger sei nicht gehalten gewesen, seinen Klageantrag betragsmäßig zu konkretisieren. Kläger dürften es bei unbezifferten Klageanträgen belassen, wenn sie Ansprüche auf höhere Familienzuschläge für dritte und weitere Kinder nach Maßgabe des Beschlusses des BVerfG vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris, geltend machten. Der Kläger habe ungeachtet eigener Angaben von Beträgen stets verdeutlicht, die konkrete Berechnung sei Sache des Beklagten. 21Die Klage sei begründet. Dem Kläger stehe hinsichtlich des Jahres 2010 ein Anspruch auf Zahlung weiterer Familienzuschläge in der ausgeurteilten Höhe zu. Dieser Anspruch ergebe sich unmittelbar aus der Vollstreckungsanordnung des BVerfG nach § 35 BVerfGG im Beschluss vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –. 22Hiernach hätten Besoldungsempfänger für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind Anspruch auf familienbezogene Gehaltsbestandteile in Höhe von 115 % des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes. Die Rechtsfolge sei in den Gründen so präzisiert, dass der konkrete Nachzahlungsbetrag abhängig von den tatbestandsrelevanten Verhältnissen des Einzelfalls berechnet werden könne. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, diese Beträge von sich aus zu gewähren. Auf der Vollstreckungsanordnung beruhe auch die weitere Befugnis der Verwaltungsgerichte, auf der Grundlage dieser Vorgaben zusätzliche Besoldungsanteile über das einfache Gesetz hinaus zu berechnen und in einem Leistungsurteil unmittelbar zuzusprechen. 23I. Die Vollstreckungsanordnung sei weiterhin anwendbar und nicht erledigt. 241. Der Gesetzgeber habe nicht abweichende Maßstäbe gebildet und Parameter festgelegt, nach denen die Besoldung der kinderreichen Beamten bemessen und der Bedarf eines dritten und jedes weiteren Kindes ermittelt wird. Vielmehr ergebe sich aus den Ausführungen des LBV im angefochtenen Bescheid, dass die amtsangemessene Alimentation von Beamten mit mehr als zwei Kindern gerade unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG erfolgen solle. Dies habe auch der pauschalen Erhöhung des Familienzuschlags in Nordrhein-Westfalen um monatlich 50,00 € für dritte und weitere Kinder zum 1. Januar 2007 zugrunde gelegen, 25vgl. LT-Drs. 14/5198, S. 32, 26der anschließend nur noch entsprechend der allgemeinen Besoldungsanpassungen fortgeschrieben worden sei. Der Beschluss des BVerfG vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris, biete keinen Anhaltspunkt für die Annahme, der berechnete Betrag könne für bestimmte Besoldungsgruppen unterschritten werden. Die dem jeweiligen Amt angemessene Mindestalimentation stehe auch Beamten in höheren Besoldungsgruppen ungeschmälert zu. 272. Die für die Berechnungsmethode des Bundesverfassungsgerichts maßgeblichen Berechnungsgrundlagen hätten sich ferner nicht derart geändert, dass sie nicht mehr oder nicht mehr sinnvoll angewendet werden könne. Die Vollstreckungsanordnung sei ab 2005 nicht infolge von Änderungen der maßgeblichen Berechnungsgrundlagen im Zuge der Neuregelung des Sozialhilferechts im SGB XII, das an die Stelle des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) getreten sei, gegenstandslos geworden. Auch für die Jahre ab 2009 sei sie trotz Änderungen im Sozialhilferecht hinsichtlich Leistungen für Bildung und Teilhabe sowie der Übernahme von privaten Kranken- und Pflegeversicherungskosten weiterhin sinn-voll anwendbar. 28II. Bei strikter Anwendung der in ihr in Bezug genommenen Berechnungsmethode, zu deren Modifikation nur der Gesetzgeber oder das BVerfG selbst befugt wären, ergebe sich der ausgeurteilte Nachzahlungsbetrag. 291. Die Differenz zwischen dem Nettoeinkommen, das ein Beamter derselben Besoldungsgruppe wie der Kläger mit zwei Kindern erziele und demjenigen, das er mit drei Kindern habe, belaufe sich nach den vom BVerfG im Beschluss vom 24. November.1998 vorgegebenen Maßstäben für das Jahr 2010 unstrittig auf 415,90 € monatlich. Auch der Senat halte die dazu im erstinstanzlichen Verfahren übersandte Berechnung des LBV für zutreffend. 302. Dieser Betrag liege um monatlich 29,85 € (für das Jahr 2010 insgesamt um 358,20 €) unterhalb des um 15 % erhöhten sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs („15 v. H.-Betrag“), den ein Beamter für sein drittes Kind von seinem Dienstherrn mindestens habe beanspruchen können. Dieser Betrag habe sich auf 115 % von 387,61 €, also 445,75 € belaufen. 313. Der sozialhilferechtliche Gesamtbedarf für dritte (und weitere) Kinder habe für das Jahr 2010 monatlich 387,61 € betragen. 32Grundlage der Berechnung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs sei nach den Vorgaben des BVerfG der Durchschnittsregelsatz nach § 22 des damaligen Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) für das bisherige (alte) Bundesgebiet. Hinzuzurechnen sei ein durchschnittlicher Zuschlag von 20 % zur Abgeltung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt, ferner die Kosten der Unterkunft ausgehend von einem Wohnbedarf von 11 qm pro Kind. Zugrunde zu legen sei insoweit die vom Statistischen Bundesamt in der so genannten 1 %-Gebäude- und Wohnungsstichprobe 1993 ermittelte Durchschnittsmiete in den alten Bundesländern von 9,53 DM je qm, die anhand des Mietenindexes des Statistischen Bundesamtes zurückgerechnet und fortgeschrieben worden sei. Schließlich seien die Energiekosten für ein Kind mit 20 % der Kaltmiete zu berücksichtigen. 33Die Parameter dieser 1998 entwickelten Berechnungsmethode seien zum Teil aufgrund von Änderungen besoldungserheblicher Gesetze und veränderter Tatsachengrundlagen im Lichte der Entscheidung fortzuentwickeln. Dies zugrunde gelegt beliefen sich die einzelnen Summanden des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs für das dritte Kind im Jahr 2010 auf 247,00 € (Durchschnittsregelsatz), 49,40 € (20 %-Zuschlag zum Regelsatz), 76,01 € (Kosten der Unterkunft) und 15,20 € (Heizkostenzuschlag), deren Summe betrage 387,61 €. 34a) Einer Fortentwicklung bedürfe es insbesondere im Hinblick auf die zum 1. Januar 2005 erfolgte Neuregelung des Sozialhilferechts (früher BSHG) im SGB XII. Der Regelsatz sei nunmehr den dortigen Regelungen zu entnehmen. Bei Bildung eines gewichteten Durchschnittswertes über die in der Regelsatzverordnung vorgesehenen Altersgruppen ergebe sich ein Monatsbetrag von 247,00 €. 35b) Ausgehend von diesem durchschnittlichen Regelsatz belaufe sich der vorzunehmende Zuschlag in Höhe von 20 % auf monatlich 49,40 €. Hinsichtlich dieses Berechnungsparameters zur Abgeltung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt sei für das Jahr 2010 keine Fortentwicklung erforderlich. 36Der Zuschlag sei für das streitgegenständliche Jahr nicht aufgrund Konsumtion durch den Regelsatz entfallen. Auch wenn nach den 2005 neu gefassten sozialhilferechtlichen Regelungen für volljährige Hilfebedürftige die früheren „einmaligen Leistungen“ zunächst nahezu vollständig in die deutlich angehobenen Regelsätze eingearbeitet worden sein sollten, treffe dies für Kinder und Jugendliche im Jahr 2010 nicht (mehr) zu. Für diese seien über den Wechsel vom BSHG zum SGB XII hinaus einmalige Leistungen vorgesehen für „Erstausstattung bei Geburt“, „Erstausstattungen für die Wohnung“ und „mehrtägige Klassenfahrten“. Mit Wirkung zum 1. Januar 2009 sei zudem für jedes Schuljahr eine zusätzliche Leistung in Höhe von 100,00 € vorgesehen. 37Der Zuschlag in der vom BVerfG vorgesehenen Höhe führe nicht zu einer wegen Verstoßes gegen den Alimentationsgrundsatz verfassungswidrigen Leistung. Der sich für den Zuschlag ergebende monatliche Betrag in Höhe von 49,40 € sei weder deutlich überhöht noch eklatant unzureichend, um in Zusammenschau mit den übrigen Berechnungsparametern den für das BVerfG maßstabsbildenden sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf ordnungsgemäß abzubilden. 38Zusätzlich zum Betrag in Höhe von 100,00 € für jedes Schuljahr seien auch die übrigen genannten Bedarfe nach ihrer Häufigkeit gewichtet pauschaliert abzudecken. Die Größenordnung des 20 %-igen Zuschlages erscheine auch noch vor dem Hintergrund vertretbar, dass anders als 1998 private Kranken- und Pflegeversicherungskosten seit 1. Januar 2009 zwingend in angemessenem Umfang zum sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf zählten, § 32 Abs. 5 Sätze 1 und 4 SGB XII. Verbesserungen im Beihilfebereich für die ganze Familie, die etwaige Mehrkosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung durch das dritte Kind ausgleichen könnten, gebe es in Nordrhein-Westfalen seit 1993 nicht mehr. Die Begründung eines eigenständigen Berechnungsparameters der Bedarfsberechnung für private Kranken- und Pflegeversicherungskosten oder die diesbezügliche Modifizierung der Nettoeinkommensberechnung sei dem Senat, der lediglich die Vollstreckungsanordnung anwende, verwehrt. 39c) Hinzuzurechnen sei des Weiteren ein Zuschlag für die Kosten der Unterkunft ausgehend von einem Wohnbedarf von 11 qm für das Kind. In Bezug auf die Bruttokaltmiete pro qm sei eine Fortschreibung der Parameter der Vollstreckungsanordnung erforderlich. Die durchschnittliche Bruttokaltmiete pro Monat in den alten Ländern im Jahr 2009 habe sich auf 6,83 € je qm belaufen. Im Jahr 2010 seien die Nettokaltmieten um 1,2 % gestiegen. Diese Werte könnten auch für die Bruttokaltmiete angesetzt werden. Das Elffache der hieraus für 2010 resultierenden monatlichen Bruttokaltmiete je qm von 6,91 € betrage 76,01 € pro Monat. 40d) Der Zuschlag von 20 % der anteiligen Durchschnittsmiete (durchschnittlichen Bruttokaltmiete) zur Abgeltung der auf das Kind entfallenden Heizkosten belaufe sich demzufolge auf 15,20 € pro Monat. Auch hinsichtlich dieses Prozentsatzes sei die Berechnungsvorgabe des BVerfG bindend. 41Auf die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 31. Januar 2019 – 2 C 28.17 –, juris, das Urteil des Senats vom 7. Juni 2017 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: 42Die Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 24. November 1998 sei auch für das Jahr 2009 maßgeblich. Auch in Anbetracht der zum 1. Januar 2005 eingetretenen Änderungen im Recht der sozialen Grundsicherung und der nachfolgenden weiteren gesetzlichen Änderungen seien keine substantiell so wesentlichen Änderungen der maßgeblichen Berechnungsgrundlagen für die Vollstreckungsanordnung eingetreten, dass diese bezogen auf das Jahr 2010 nicht mehr angewandt werden könnte. Auf Grundlage dieser Vollstreckungsanordnung seien die Gerichte befugt, den Dienstherrn zur Gewährung zusätzlicher Besoldungsbestandteile für Beamte mit mehr als zwei Kindern zu verurteilen. 43Der errechnete durchschnittliche Regelsatz sei allerdings nicht – mehr – um einen durchschnittlichen Zuschlag von 20 v.H. zur Abgeltung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt zu ergänzen. Die bis zum 31. Dezember 2004 in § 21 Abs. 1a BSHG normierten einmaligen Leistungen zum Lebensunterhalt seien in die ab dem Jahr 2005 geltenden, deutlich angehobenen und nunmehr bundeseinheitlichen Regelbedarfssätze im Sozialgesetzbuch Zweites Buch und Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch eingearbeitet worden. Diese neuen Regelsätze konsumierten den bisherigen Zuschlag von 20 v.H., der ausschließlich der Abgeltung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz gedient habe. Die Beibehaltung des Zuschlags könne auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass seit dem 1. Januar 2009 die privaten Kranken- und Pflegeversicherungskosten zum sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf zählten. 44Im Übrigen bestünden gegen die vom Senat bei seiner Berechnung für das Jahr 2010 angesetzten Beträge keine Bedenken. 45Bei der Ermittlung, ob die einem Beamten für sein drittes Kind gewährten Zuschläge den Abstand von 15 v.H. zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau einhielten, seien von den Nettobezügen die Kosten einer dem Beihilfesatz angepassten Krankheitskostenversicherung für das dritte Kind abzuziehen. Diese zählten zu den Unterhaltspflichten des Beamten, die der Gesetzgeber bei der Leistung amtsangemessenen Unterhalts gemäß Art. 33 Abs. 5 GG realitätsgerecht zu berücksichtigen habe. Diese Kosten habe der Beamte im Gegensatz zu Empfängern von Leistungen der Grundsicherung selbst zu tragen. Dieser Abzug von den Nettobezügen sei mit der Vollstreckungsanordnung des BVerfG vom 24. November 1998 vereinbar. 46Ob sich das der Klage stattgebende Urteil des Senats aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweise, könne das Bundesverwaltungsgericht nicht entscheiden. Die Sache sei zurückzuverweisen, damit der Senat die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu den durchschnittlichen Kosten einer dem Beihilfesatz angepassten Krankenkostenversicherung für ein drittes Kind eines beihilfeberechtigten Beamten treffen könne. 47Im fortgeführten Berufungsverfahren hat der Kläger geltend gemacht: Der Senat habe seiner Entscheidung im ersten Berufungsverfahren eine unter den Beteiligten unstrittige Netto-Einkommensdifferenz von 415,90 € zugrunde gelegt. Mittlerweile habe das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 6/17 u.a. – Grundsätze für die Ermittlung der Netto-Einkommensdifferenz aufgestellt, die von denen in der Vollstreckungsanordnung abwichen. Hiernach seien die Kirchensteuer nicht mehr zu berücksichtigen und die Netto-Einkommensdifferenz um die Kosten der Krankenversicherung des dritten Kindes zu mindern. Für letztere habe der Verband der privaten Krankenversicherungen e.V. in Köln – PKV – für 2010 dem Senat im Streitfall einen Monatsbetrag von 32,54 € genannt. Unter Berücksichtigung dessen errechne sich eine Netto-Einkommensdifferenz von 377,60 €. 48Das Bundesverfassungsgericht habe in dem Beschluss ferner neue Grundsätze für die Ermittlung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs entwickelt. Wegen der Einzelheiten wird insofern auf den Schriftsatz vom 18. September 2020 – S. 4 f. – verwiesen. Diese Ansätze führten zu einem sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf in Höhe von 407,35 €, 115 v.H. hiervon beliefen sich auf 468,45 €.Unter Berücksichtigung dieser Änderungen in den Berechnungsansätzen errechne sich eine monatliche Unteralimentation in Höhe von 90,85 €, die sich zu einem Jahresbetrag von 1.090,20 € aufsummiere. 49Sofern im Streitfall der Entscheidung die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zugrunde zu legen sein sollte, errechne sich unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht im zurückweisenden Urteil aufgestellten Maßgaben eine Unteralimentation in Höhe von monatlich 11,96 € und damit 143,52 € im Jahr. 50Der Abzug der Kostendämpfungspauschale von den Nettobezügen sei durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 6/17 u.a. – nicht gedeckt. Hiernach seien nur die Kosten der Krankenversicherung in Abzug zu bringen. Beihilfeleistungen habe das Bundesverfassungsgericht nicht unter den Begriff Kosten der Krankenversicherung subsumiert und nicht bei der Ermittlung der Höhe der Unteralimentation eingerechnet. Dem schließe er sich an. Die Kostendämpfungspauschale werde auch nur einbehalten, wenn Beihilfeleistungen erbracht würden. Die vom Beklagten vorgelegten Berechnungen der Jahresnettoalimentation für Beamte seiner Gehaltsgruppe im Jahr 2010 würden mit Ausnahme der Höhe der für Kinder zu berücksichtigenden Krankenversicherungskosten und der Berücksichtigung der Kostendämpfungspauschale unstreitig gestellt. 51Der Kläger beantragt, 52das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. März 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2013 zu verurteilen, dem Kläger für das Jahr 2010 einen Nettobetrag i.H.v. 143,52 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. April 2013 zu zahlen. 53Der Beklagte beantragt, 54die Berufung zurückzuweisen. 55Er macht geltend: Das Bundesverwaltungsgericht habe im zurückverweisenden Urteil ausgesprochen, dass der sozialhilferechtliche Gesamtbedarf im Jahr 2010 nach den im Urteil aufgestellten Maßgaben auf der Grundlage der Vollstreckungsanordnung zu ermitteln sei. Die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 4. Mai 2020 zur Alimentation kinderreicher Familien in NRW entwickelten Anpassungen und Modifikationen der Berechnung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs seien danach im Streitfall nicht zu berücksichtigen. Hieraus ergebe sich ein monatlicher sozialhilferechtlicher Gesamtbedarf von 343,76 €, das 1,15-fache hiervon betrage 395,32 €. 56Weiter habe das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass von dem der Mindestalimentation gegenüber zu stellenden Nettodifferenzbetrag die Krankenversicherungskosten für das dritte Kind abzuziehen seien. Dem stehe die Vollstreckungsanordnung nicht entgegen, weil deren Vorgaben sich lediglich auf die Bestimmung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs bezögen. Die Krankenversicherungskosten beträfen demgegenüber das verfügbare Nettoeinkommen. Da die Weitergeltung der Vollstreckungsanordnung sich demzufolge lediglich auf die Ermittlung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs, nicht hingegen auf die Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens beziehe, seien mit Bezug auf letzteres die Konkretisierungen und Modifizierungen, die das Bundesverfassungsgericht in seinen Beschlüssen vom 4. Mai 2020 zur Amtsangemessenheit der Besoldung kinderreicher Richter in NRW in den Jahren 2013 bis 2015 einerseits (– 2 BvL 6/17 u.a. –) und zur (Richter-)Alimentation von 2-Kind-Familien in Berlin in den Jahren 2009 bis 2015 (– 2 BvL 4/18 –) andererseits aufgestellt habe, auch im Streitfall zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung der vom BVerfG vorgenommenen Modifikationen bei der Berechnung der Einkommensdifferenz errechne sich diese auf monatlich 395,74 €. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 24. September 2020, S. 3 f. nebst Anlage verwiesen. Insbesondere sind hierin berücksichtigt ein Wegfall des Abzugs von Kirchensteuer, ein Abzug von Krankenversicherungskosten sowie ein Abzug der Kostendämpfungspauschale. Dieser Betrag liege um 0,42 € über 1,15-fachen des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs. 57Sofern man die Krankenversicherungskosten für Kinder in die Berechnung einstelle, die sich aus den vom Senat im Streitfall eingeholten Auskünften ergebe, bleibe die Nettoeinkommensdifferenz um 3,73 € hinter dem 1,15-fachen des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs zurück. Er halte jedoch an seiner ursprünglichen Berechnung fest. 58Der Senat hat beim PKV Auskünfte eingeholt über die Höhe der durchschnittlichen Kosten einer dem Beihilfesatz angepassten Krankenkostenversicherung für ein drittes Kind eines beihilfeberechtigten Beamten sowie die Kosten einer derartigen Versicherung im beihilfeadäquaten Basistarif im Jahr 2010. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verfügung des Senats vom 8. Mai 2019 sowie die Schreiben des Verbandes der privaten Krankenversicherungen vom 21. Januar 2020 sowie vom 10. September 2020 verwiesen. 59Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. 60Entscheidungsgründe: 61Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. 62A. Aus den im Urteil des Senats vom 7. Juni 2017 genannten Gründen, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 31. Januar 2019 – 2 C 28.17 – unbeanstandet gelassen hat, an denen der Senat festhält und auf die er verweist, liegt ungeachtet der unterschiedlichen Bezifferungen der für richtig gehaltenen zusätzlichen Alimentation durch den Kläger im Laufe des Verfahrens keine unzulässige Klageerweiterung oder teilweise Klagerücknahme vor. 63B. Dem Kläger steht hinsichtlich des Jahres 2010 kein Anspruch auf Zahlung weiterer Familienzuschläge zu. 64I. Als Rechtsgrundlage für die Gewährung über die gesetzlich geregelten Ansprüche hinausgehender (vgl. § 2 Abs. 1 BBesG) Besoldungsleistungen kommt allein die Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts nach § 35 BVerfGG im Beschluss vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, Entscheidungsformel zu 2., zweiter Teil, juris, (im Folgenden: Vollstreckungsanordnung) in Betracht. 65Danach haben Besoldungsempfänger für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind Anspruch auf familienbezogene Gehaltsbestandteile in Höhe von 115 % des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes, der sich nach Maßgabe der Gründe zu C. III. 3. errechnet. Die Rechtsfolge ist in den Gründen zu C. III. 3. (a. a. O., juris, Rn. 57 ff.) in Form von Berechnungsvorgaben so präzisiert, dass der konkrete Nachzahlungsbetrag abhängig von den tatbestandsrelevanten Verhältnissen des Einzelfalls (im Wesentlichen der Besoldungsgruppe und der Zahl der Kinder) grundsätzlich ohne weiteres – mit Ausnahme gewisser Unschärfen bei den sonstigen Eingangsdaten – berechnet werden kann. Auf der Vollstreckungsanordnung beruht auch die weitere Befugnis der Verwaltungsgerichte, auf der Grundlage dieser Vorgaben zusätzliche Besoldungsanteile über das einfache Gesetz hinaus zu berechnen und in einem Leistungsurteil unmittelbar zuzusprechen. 66Die Vollstreckungsanordnung ist weiterhin anwendbar und nicht erledigt. Das ergibt sich für das vorliegende Verfahren bereits aus der Bindungswirkung, die dem zurückverweisenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2019 – 2 C 28.17 – gemäß § 144 Abs. 6 VwGO zukommt. Hiernach hat der Senat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen. Diese Bindungswirkung umfasst die für die aufhebende Entscheidung kausal ausschlaggebenden Gründe. Dies schließt die den unmittelbaren Zurückverweisungsgründen vorausgehenden Erwägungen jedenfalls insoweit ein, als diese die notwendige (logische) Voraussetzung für die unmittelbaren Aufhebungsgründe waren. 67BVerwG, Beschlüsse vom 14.07.2020 – 2 B 23.20 –, juris Rn. 8, und vom 29.04.2019 – 2 B 25.18 –, juris Rn. 9, 13 = Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 83, m. w. N. 68Die zurückverweisende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beruht unter anderem darauf, dass die Klage nicht von vornherein abzuweisen ist, ohne dass es weiterer tatsächlicher Feststellungen des Senats bedürfte. Dies wäre indes der Fall gewesen, wenn die Vollstreckungsanordnung für das Streitjahr 2010 nicht mehr anwendbar, sondern erledigt wäre. Demzufolge steht für den Streitfall mit Bindungswirkung für den Senat fest, dass dies nicht der Fall ist. Daher kann dahinstehen, ob sich möglicherweise aus der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Besoldung von kinderreichen Richtern und Staatsanwälten in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2013 bis 2015 im Beschluss vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 6/17 u.a. –, juris, Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung ergeben. Derartiges käme aus Sicht des Senats etwa in Betracht hinsichtlich der Notwendigkeit, bei der Bemessung der amtsangemessenen Alimentation von Beamten mit drei (und mehr) Kindern in Anlehnung an den sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf möglicherweise auch einmalige Beihilfen, die Grundsicherungsempfängern zusätzlich zu den Regelsätzen gewährt werden, zu berücksichtigen. 69Vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 6/17 u.a. -, juris Rn. 55 ff., 78 f. 70II. Bei strikter Anwendung der in der Vollstreckungsanordnung festgelegten Berechnungsmethode ergibt sich, dass dem Kläger wegen seines Rechts auf verfassungsgemäße Alimentation im Hinblick auf den Bedarf seines dritten Kindes im Jahr 2010 kein Anspruch auf über die bereits ausgezahlte Besoldung hinausgehende Zahlungen zusteht. 711. Für die Ermittlung, ob die Besoldung eines Beamten mit mehr als zwei Kindern den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt, den zusätzlichen Bedarf, der ihm für sein drittes und weitere Kinder entsteht, zu decken, ohne ihm zuzumuten, für deren Unterhalt auf die familienneutrale Bestandteile seines Gehalts zurückzugreifen – 72vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris Rn. 39, 55 –, 73ist nach den Berechnungsvorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 24. November 1998 (unter C. III. 3, juris, Rn. 57 f.) vom sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf für ein Kind auszugehen. Dieser ist um einen Betrag von 15 v.H. zu erhöhen, um den verfassungsgebotenen Unterschied zwischen der der Sozialhilfe obliegenden Befriedigung eines äußersten Mindestbedarfs und dem dem Beamten (und seiner Familie) geschuldeten Unterhalt hinreichend deutlich werden zu lassen. 74Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris Rn. 57. 75Dieser durch die zusätzliche Alimentation für einen Beamten mit mehr als zwei Kindern zu deckende Betrag in Höhe des 1,15-fachen des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs für ein (drittes) Kind – vom Bundesverfassungsgericht als "15 v.H.-Betrag" bezeichnet – 76vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris Rn. 59 – 77belief sich im Jahre 2010 auf (338,21 € x 1,15 =) 388,94 €. 782. Der sozialhilferechtliche Gesamtbedarf für dritte und weitere Kinder betrug für das Jahr 2010 monatlich 338,21 €. 79Für seine Berechnung hat das Bundesverfassungsgericht im Einzelnen vorgegeben, dass sich dieser zunächst durch Bildung eines Durchschnittsregelsatzes nach § 22 des damaligen Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) für das bisherige (alte) Bundesgebiet ergebe. Hinzuzurechnen sei ein durchschnittlicher Zuschlag von 20 % zur Abgeltung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt, ferner die Kosten der Unterkunft ausgehend von einem Wohnbedarf von 11 qm pro Kind. Zugrunde zu legen sei insoweit die vom Statistischen Bundesamt in der so genannten 1 %-Gebäude- und Wohnungsstichprobe 1993 ermittelte Durchschnittsmiete in den alten Bundesländern von 9,53 DM je qm, die anhand des Mietenindexes des Statistischen Bundesamtes zurückgerechnet und fortgeschrieben worden sei. Schließlich seien die Energiekosten für ein Kind mit 20 % der Kaltmiete zu berücksichtigen. 80Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris Rn. 58. 81Mit zunehmendem zeitlichen Abstand können immer mehr Parameter dieser 1998 entwickelten Berechnungsmethode aufgrund von Änderungen besoldungserheblicher Gesetze und veränderter Tatsachengrundlagen nicht mehr unmittelbar angewandt werden, sondern müssen im Lichte der Entscheidung fortentwickelt werden. 82Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.05.2010 – 2 C 10.10 –, juris Rn. 17 m. w. N. 83Die einzelnen Summanden des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs (338,21 €) für das dritte und weitere Kinder im Jahr 2010 belaufen sich auf 247,00 € (Durchschnittsregelsatz, s. u. a]), 76,01 € (Kosten der Unterkunft, s. u. b]) und 15,20 € (Heizkostenzuschlag, s. u. c]); der in der Vollstreckungsanordnung noch vorgesehene 20-%-Zuschlag zum Regelsatz ist nicht in die Berechnung einzustellen, s. u. d). Auch die Kosten für die Deckung weiterer Bedarfe, insbesondere eines zusätzlichen Bedarfs für schulbezogene Aufwendungen, können in die Berechnung nicht eingestellt werden, s.u. e). 84a) Einer Fortentwicklung bedarf es insbesondere im Hinblick auf die zum 1. Januar 2005 erfolgte Neuregelung des Sozialhilferechts (früher BSHG) im SGB XII. Der Regelsatz ist nunmehr den dortigen Regelungen zu entnehmen. 85Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.02.2008 – 1 A 30/07 –, juris Rn. 61 ff. 86Stattdessen auf das Erwerbsfähige betreffende – mithin grundsätzlich ebenfalls erwerbsfähigen Besoldungsempfängern eventuell näherstehende – gänzlich neugeschaffene Referenzsystem des SGB II abzustellen, überschritte den Rahmen einer bloßen Fortschreibung der Vollstreckungsanordnung und bliebe dem Bundesverfassungsgerichts vorbehalten. Dessen Befassung ist aber wegen des praktischen Gleichlaufs der Leistungshöhen in SGB II und XII nicht geboten. Im Streitfall verbietet sie sich zudem wegen der Bindungswirkung des zurückverweisenden Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2019 – 2 C 28.17 –. 87In Nordrhein-Westfalen war der Regelsatz für die Zeit ab dem 1. Juli 2009, mithin auch für das Jahr 2010, in verschiedenen Bedarfsstufen in der Verordnung über die Regelsätze der Sozialhilfe vom 9. Juni 2009 (GV. NRW. 2009, S. 335) geregelt: 215,00 € monatlich bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, 251,00 € monatlich vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres und 287,00 € monatlich vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Dies entspricht der damaligen Regelsatzhöhe in den übrigen westlichen Bundesländern. 88Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.06.2016 – 4 S 1094/15 –, juris Rn. 105 f. 89Es ist ein Durchschnittswert über alle (zwei bzw. drei) Altersgruppen zu bilden, wobei eine Gewichtung nach der Zahl der von der jeweiligen Altersgruppe umfassten Lebensjahre zu erfolgen hat. 90Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.06.2016 – 4 S 1094/15 –, juris Rn. 103. 91Dies ergibt monatlich gerundet 247,00 € ([6 x 215 + 8 x 251 + 4 x 287] / 18). 92b) Hinzuzurechnen ist ein Zuschlag für die Kosten der Unterkunft ausgehend von einem Wohnbedarf von 11 qm für das Kind. Anders als die Beteiligten meinen, sind insofern nicht 12 qm anzusetzen. Der Wert von 11 qm pro Kind ist in der Vollstreckungsanordnung bindend vorgegeben. 93Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris Rn. 58; BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 19, 20. 94Eine Fortschreibung der Parameter der Vollstreckungsanordnung ist mithin lediglich in Bezug auf die Bruttokaltmiete pro qm erforderlich. Im Jahr 2009 betrug die durchschnittliche monatliche Bruttokaltmiete pro Quadratmeter in den alten Ländern 6,83 €. 95Vgl. Wohngeld- und Mietenbericht 2010, BT-Drs. 17/6280, S. 16; BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 35.17 –, juris Rn. 19. 96Im Jahr 2010 stiegen die Nettokaltmieten um 1,2 %. 97Vgl. Wohngeld- und Mietenbericht 2014, BT-Drs. 18/6540, S. 31. 98Diese Werte können auch für die Bruttokaltmieten angesetzt werden, da die kalten Betriebskosten in diesen Jahren in ähnlicher Größenordnung stiegen. 99Vgl. Wohngeld- und Mietenbericht 2014, BT-Drs. 18/6540, S. 39. 100Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Bruttokaltmiete pro Monat in den alten Ländern je qm für das Jahr 2010 in Höhe von 6,91 €. 101Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 19. 102Das Elffache dieses Werts beläuft sich auf 76,01 € pro Monat. Der Senat sieht – anders als der Kläger – keinen Anlass, spätere Erkenntnisse über die tatsächliche Bruttokaltmiete im streitgegenständlichen Jahr auszublenden, nur weil sie erst nach Ablauf dieses Jahres veröffentlicht wurden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat bei Ausspruch der Vollstreckungsanordnung auf nachträgliche Erkenntnisse aus den Jahren 1993 und 1997 abgestellt, obwohl es über die Besoldung für die Jahre ab 1988 zu entscheiden hatte. 103Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris Rn. 1 und 58. 104c) Der Zuschlag von 20 % der anteiligen Durchschnittsmiete (durchschnittlichen Bruttokaltmiete) zur Abgeltung der auf das Kind entfallenden Heizkosten entspricht mithin 15,20 € pro Monat. Hinsichtlich des Prozentsatzes ist die Berechnungsvorgabe des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls bindend. 105Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 19, 20. 106d) Der nach der Vollstreckungsanordnung noch hinzuzurechnende Zuschlag in Höhe von 20 % des Regelsatzes ist im Streitjahr 2010 nicht mehr zu berücksichtigen. Das ergibt sich für den Streitfall mit bindender Wirkung aus dem zurückverweisenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2019 – 2 C 28.17 –. Der Frage, ob die Vollstreckungsanordnung nach Wegfall dieses Zuschlages ungeachtet der gesetzlich vorgesehenen einmaligen Leistungen, die Grundsicherungsempfängern zusätzlich zu den Regelsätzen gewährt werden, noch geeignet ist, die Leistung einer amtsangemessenen Alimentation zu gewährleisten, hat der Senat, wie ausgeführt, wegen der Bindungswirkung dieses Urteils nicht nachzugehen. 107e) Dem Senat ist es auch verwehrt, im Hinblick auf die Grundsicherungsleistungsempfängern seit dem Jahr 2009 zusätzlich gewährten Leistungen in Höhe von 100 € pro Schuljahr für Schulbedarf einen eigenständigen Berechnungsparameter in die Bedarfsberechnung einzubeziehen, wie dies die Verfahrensbeteiligten hinsichtlich eines Betrags von 5,55 € – übereinstimmend – für richtig halten. Den Verwaltungsgerichten ist es wegen der Gesetzesbindung der Besoldung (§ 2 Abs. 1 BBesG) grundsätzlich verwehrt, Beamten gesetzlich nicht vorgesehene Besoldungsleistungen zuzusprechen. Eine Ausnahme hiervon bilden, wie ausgeführt, Besoldungsleistungen auf Grundlage der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts. Diese Befugnis bindet das Bundesverfassungsgericht jedoch ausdrücklich an seine – oben dargestellte und zugrunde gelegte – Berechnungsmethode gemäß C. III. 3. der Gründe des Beschlusses vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –. 108Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, Nr. 2 des Entscheidungsausspruchs, juris. 109Zu einer Modifikation dieser Berechnungsmethode wären nur der Gesetzgeber oder das Bundesverfassungsgericht selbst befugt. 110Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.06.2004 – 2 C 34.02 –, juris Rn. 30 = BVerwGE 121, 91. 111Eine solche ist, wie ausgeführt, nicht erfolgt. Insbesondere betreffen die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2020 entweder nicht das beklagte Land – 2 BvL 4/18 –, oder aber nicht das Streitjahr – 2 BvL 6/17 u.a. –. Auch den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im zurückverweisenden Urteil zu der im Hinblick auf die gebotene Durchschnittsbetrachtung zutreffenden Berechnung des monatlichen Durchschnittswerts der Grundsicherungsempfängern für ihre Schulkinder für jedes Schuljahr gewährten Leistung für die Schule i.H.v. 100 €, die "zu beachten" seien –, 112vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 16 –, 113vermag der Senat keine Rechtsgrundlage für die Gewährung von über die gesetzlichen Regelungen und die in der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts hinausgehenden Besoldungsleistungen zu entnehmen. 1143. Diesem 1,15-fachen des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs entsprechend den Berechnungsvorgaben in der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts ist gegenüberzustellen der "durchschnittliche Nettomehrbetrag …, den der Beamte für sein drittes und jedes weitere Kind erhält". 115vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris Rn. 59. 116a) Auch für die Berechnung dieses "Nettomehrbetrages" sind in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 – 2 BvL 16/91 u.a. – unter C. III. 2. der Gründe Hinweise enthalten. Auf diese erstreckt sich die Bindung der Verwaltungsgerichte an die Vorgaben der Vollstreckungsanordnung unter Nr. 2 des Entscheidungstenors indes nicht. 117Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 29. 118Demzufolge ist Raum dafür, die diesbezüglichen Modifikationen zu berücksichtigen, die das Bundesverfassungsgericht in seiner jüngeren Rechtsprechung, insbesondere den Beschlüssen vom 4. Mai 2020 zur (Staatsanwalts- und Richter-) Besoldung in Berlin in den Jahren 2009 bis 2015 – 119BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 4/18 –, juris – 120und zur Besoldung kinderreicher Staatsanwälte und Richter in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2013 bis 2015 – 121BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 6/17 u.a. –, juris – 122entwickelt hat. 123b) Unter Berücksichtigung dieser Modifikationen errechnet sich der "Nettomehrbetrag", der einem Beamten in der (damaligen) Besoldungsgruppe des Klägers mit drei Kindern im Vergleich zu einem ebensolchen mit zwei Kindern für den Unterhalt seines dritten Kindes zur Verfügung stand, bei der insoweit gebotenen pauschalisierenden und typisierenden Berechnung im Jahre 2010 auf einen Betrag von 391,59 €. 124Dieser Betrag ergibt sich aus der vom Beklagten auf Bitte des Senats mit Schriftsatz vom 29. September 2020 vorgelegten Alternativberechnung. 125aa) In dieser Berechnung hat der Beklagte abweichend von den Berechnungshinweisen des Bundesverfassungsgerichts unter C. III. 2. der Gründe des Beschlusses vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/21 –, juris Rn. 56, keinen Abzug von Kirchensteuer vorgenommen. Dies trägt der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung, das zugrunde legt, der Gesetzgeber gehe seit dem Jahr 2005 nicht mehr davon aus, dass eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehöre. 126Vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 6/17 u.a. –, juris Rn 70. 127bb) In der Berechnung hat der Beklagte die Nettoeinkünfte der verglichenen Beamten jeweils um die (Mindest-)Kosten einer beihilfekonformen privaten Kranken- (und Pflege-)versicherung für diese und ihre Familie reduziert. Auch dieses Vorgehen entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. 128Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 28 m. w. N. 129Soweit es um das Erfordernis eines Abzugs der Krankenversicherungskosten für ein drittes Kind eines Beamten bei der Ermittlung des ihm verbleibenden "Nettomehrbetrages" geht, steht dieses im Streitfall zudem aufgrund der Bindungswirkung des zurückverweisenden Urteils des Bundesverwaltungsgerichts fest. Die Zurückverweisung erfolgte, weil der Senat Feststellungen über diese Kosten bislang nicht getroffen hatte, und zu dem Zweck, diese Kosten nunmehr konkret zu ermitteln. 130cc) Die vom Beklagten vorgelegte Alternativberechnung hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der vorgenannten Maßgaben unstreitig gestellt. Auch der Senat hat keinen Anlass, hieran insoweit zu zweifeln. Zwischen den Beteiligten umstritten sind lediglich die Fragen, mit welchem Betrag die für die zwei bzw. drei Kinder des Beamten zu berücksichtigenden Krankenversicherungskosten einzustellen sind und ob in die Berechnung des "Nettomehrbetrags" auch die in unterschiedlicher Höhe von Beihilfeleistungen des Dienstherrn an Beamte der (ehemaligen) Besoldungsgruppe des Klägers mit zwei (180 €) und drei Kindern (120 €) jährlich in Abzug gebrachte Kostendämpfungspauschale einzustellen ist. 131dd) Bei die Berechnung für das Jahr 2010 zu berücksichtigen sind – wie in der vom Beklagten vorgelegten Alternativberechnung geschehen – durchschnittliche Kosten für eine mit den Beihilferegelungen in Nordrhein-Westfalen konforme Krankenversicherung eines Kindes und Minderjährigen in Höhe von monatlich 32,54 €. Das ergibt sich aus den vom Senat eingeholten Auskünften des PKV vom 21. Januar 2020 und 10. September 2020. Hierbei handelt es sich nach dessen Angaben um einen aus den dort vorliegenden Angaben extrapolierten Durchschnittswert der in der "Versicherungswirklichkeit" wirklich versicherten Kinder. Dieser sei für die Kinder (geschlechtsübergreifend) von der Geburt bis zum 25 Lebensjahr gleich. 132Die Kosten einer Versicherung nach dem beihilfekonformen Basistarif, den private Krankenversicherungen seit dem 1. Januar 2009 anzubieten verpflichtet sind, beliefen sich unter Zugrundelegung der Angaben des PKV, nach denen die einzelnen Versicherungsunternehmen auf Grundlage einer branchenweiten Kalkulation, die schon im Jahr 2009 zu einem Betrag von monatlich 56,48 € geführt habe, und unter Berücksichtigung ihrer unternehmensindividuellen Kostensätze Beiträge mit einer Streuung von bis zu 3 € erhoben hätten, – u.a. – im dem Streitjahr vorangegangenen Jahr 2009 auf monatlich zwischen 53,48 € und 59,48 €. Der Senat hat keinen Anhalt für die Annahme, die Beträge hätten sich im Folgejahr vermindert. Im Gegenteil geht er aufgrund eigener Erfahrung mit Beiträgen für private Krankenversicherungen davon aus, dass diese Beiträge im Streitjahr gleich geblieben sind oder sich geringfügig erhöht haben. Demgemäß können sie im vorliegenden Zusammenhang außer Acht bleiben. 133Der Senat sieht sich durch die konkreten Maßgaben, die das Bundesverwaltungsgericht in dem zurückverweisenden Urteil hinsichtlich der Ermittlungsweise der von den Nettobezügen abzuziehenden Krankenversicherungskosten gemacht hat, nicht gehindert, die vom PKV genannten durchschnittlichen Krankenversicherungskosten zugrunde zu legen, ohne etwa weitere Ermittlungen nach den "günstigsten am Markt erreichbaren Möglichkeiten zur privaten Krankenversicherung eines Kindes" anzustellen. Das Bundesverwaltungsgericht selbst weist darauf hin, dass nach der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts "bei der Berechnung der Durchschnitt maßgeblich ist",– 134vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 30, mit Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. – BVerfGE 99, 300, 323; vgl. jetzt auch BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 6/17 u.a. –, juris Rn. 66. 135Diesem Ansatz und der Verpflichtung, bei der Bemessung der Alimentation die dem Beamten entstehenden Unterhaltspflichten realitätsgerecht zu berücksichtigen – 136vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 26, mit Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, BVerfGE 99, 300, 314 f., sowie Urteil vom 06.03.2007 – 2 BvR 556/04 –, BVerfGE 117, 330, 351 – 137widerspräche es, einer Berechnung der Mindestalimentation (zwingend) die Annahme zugrunde zu legen, ein Beamter werde für die Krankenversicherung seines neugeborenen Kindes Ausschau nach der günstigsten am Markt befindlichen Versicherungsmöglichkeit halten – anstatt das Kind dort gegen Krankheit zu versichern, wo er selbst und ggf. seine Ehefrau und die beiden älteren Kinder krankenversichert sind. Dem trägt die Berücksichtigung des vom PKV genannten Durchschnittswertes der Kosten der in der "Versicherungswirklichkeit" wirklich versicherten Kinder Rechnung. Eine Bindung des Senats gemäß § 144 Abs. 6 VwGO an die hinsichtlich der weiteren Sachaufklärung vom Bundesverwaltungsgericht erteilten, die Entscheidung nicht tragenden Empfehlungen und Hinweise für die weitere Behandlung der Rechtssache nach Zurückverweisung (sog. "Segelhinweise") besteht nicht. 138Vgl. BVerwG, Urteile vom 27.04.2016 – 6 C 5.15 –, juris Rn. 16 = BVerwGE 155, 58, und vom 25.05.1984 – 8 C 108.82 –, juris Rn. 27 = NJW 1985, 393 m. w. Hinw.; Beschluss vom 29.04.2019 – 2 B 25.18 –, juris Rn. 12 = Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 83; OVG NRW, Beschluss vom 15.05.2000 – 21 A 3523/99.A –, juris Rn. 14; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 05.09.1997 – A 16 S 2354/97 –, juris Rn. 5. 139Da die Versicherungskosten nach den Angaben des PKV in den Altersstufen bis 25 Jahren gleich sind, kann auf sich beruhen, ob in eine ansonsten gebotene Durchschnittsbildung die Jahrgänge bis zum 25. Lebensjahr einzustellen sind – 140so BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 30 – 141oder lediglich bis zum 18. Lebensjahr – 142vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 6/17 u.a. –, juris Rn. 44. 143Der Senat sieht keine Veranlassung, statt der ihm auf seine Auskunft hin vom PKV genannten durchschnittlichen Kosten einer beihilfekonformen Krankenversicherung des Kindes eines nordrhein-westfälischen Beamten in Höhe von 32,54 € den Wert von 27 € zugrunde zu legen, der sich aus einer Tabelle über "Kosten für private Krankenversicherung ohne Wahlleistungen (also BEG-berücksichtigungsfähiger Anteil)" mit dem Stand 12.12.2018 ergibt, die der PKV mit Schreiben vom 18. Januar 2019 dem Bundesverfassungsgericht zum Verfahren 2 BvL 4/18 übersandt hat, wie dies der Beklagte für "sachgerecht" hält. Diese Zahlenangaben stammen von derselben Auskunftsquelle wie die im Streitfall eingeholten. Sie betreffen ein anderes Bundesland (Berlin). Im Übrigen sind sie einer Auskunft entnommen, die älter ist als die dem Senat vorliegende. Schließlich beruhen sie nach dem Anschreiben des PKV vom 18. Januar 2019 an das Bundesverfassungsgericht auf einem von diesem übersandten Schreiben und telefonischen Besprechungen, über die nichts bekannt ist. Der Senat vermag keine überzeugenden Gründe zu erkennen, warum diese Angaben den Vorrang gegenüber den Zahlen verdienten, die er selbst eingeholt hat. Hieran ändert es nichts, dass das Bundesverfassungsgericht selbst in einem zwar das Land Nordrhein-Westfalen, jedoch abweichende Jahre, betreffenden Verfahren auf die ihm für das Land Berlin vorliegenden Zahlenwerte zurückgegriffen hat. 144Abgesehen hiervon wäre der Berufung auch bei Zugrundelegung der dem Bundesverfassungsgericht in dem das Land Berlin betreffenden Verfahren genannten Krankenversicherungskosten eines Kindes bzw. Minderjährigen im Jahr 2010 kein Erfolg beschieden. In diesem Fall erhöhte sich der "Nettomehrbetrag" nach den vom Beklagten vorgelegten Berechnungen (Fassungen vom 23. und 28. September 2020) noch von 391,59 € auf 395,74 €. 145ee) Zutreffend hat der Beklagte in seine Berechnungen des "Nettomehrbetrages" auch die Kostendämpfungspauschale gemäß § 12a Beihilfeverordnung NRW (BVO NRW) eingestellt. Die hiergegen gerichtete Kritik des Klägers greift nicht durch. Wie bereits ausgeführt, hat der Beklagte dem Kläger eine Alimentation zu gewähren, die es ihm ermöglicht, den anzuerkennenden Unterhalt für sein drittes Kind – in Höhe das 1,15-fachen des hierfür gesetzlich vorgesehenen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs – ohne Zugriff auf nicht familienbezogene Bezügebestandteile zu decken. Für die Alimentation ist anerkannt, dass Einschnitte im Bereich der Beihilfe für Beamte im Krankheitsfall in Form des Abzugs eines jährlichen Selbstbehalts wie der nordrhein-westfälischen Kostendämpfungspauschale als Minderung einer anderweitigen Alimentationsleistung in die Beurteilung der Amtsangemessenheit einzubeziehen sind. 146Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 u.a. –, juris Rn. 133, 153; BVerwG, Beschluss vom 22.09.2017 – 2 C 56.16 u.a. –, juris Rn. 102, 105 147Hiervon ausgehend ist es zwingend, die Auswirkung der in § 12a Abs. 1 und Abs. 5 BVO NRW getroffenen Regelung, dass grundsätzlich eine Kostendämpfungspauschale in Höhe von 300 € in Ansatz zu bringen ist, diese sich jedoch um 60 € für jedes zu berücksichtigende Kind vermindert, so dass ein Beamter mit drei Kindern im Vergleich mit einem Beamten mit zwei Kindern den letztgenannten Betrag mehr zur Verfügung hat, in die Berechnung des "Nettomehrbetrages", der gerade dieser Vergleich zugrunde liegt, einzubeziehen. 148Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.2011 – 2 C 51.08 –, juris Rn. 12, das ausdrücklich darauf hinweist, die Verringerung der Kostendämpfungspauschale je Kind stelle für Beamte eine Entlastung dar. 149Insofern ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung, dass eine Kostendämpfungspauschale nur anfällt, wenn der Beamte Beihilfeleistungen tatsächlich in Anspruch nimmt. Bei der im vorliegenden Zusammenhang gebotenen realitätsgerechten Betrachtung ist davon auszugehen, dass ein Vier-Personen-Haushalt mit zwei ebenso wie ein Fünf-Personen-Haushalt mit drei Kindern typischerweise in jedem Kalenderjahr ärztliche Behandlungen in einem solchen Umfang in Anspruch nehmen, dass die zu gewährende Beihilfe 180 € bzw. 120 € (§ 12a Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 BVO NRW) übersteigt. Der Einbeziehung der Kostendämpfungspauschale steht ferner nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht diese in dem Beschluss vom 4. Mai 2020 unterlassen hat. Es ist einer Berücksichtigung nicht entgegengetreten, sondern konnte die Frage offen lassen, weil es für die Entscheidung hierauf nicht ankam. 150Vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 6/17 u.a. –, juris Rn. 84; ebenso im Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 4/18 –, juris Rn. 148. 1514. Der demzufolge einem Beamten der (damaligen) Besoldungsgruppe des Klägers bei pauschalisierender und typisierender Betrachtung für den Unterhalt seines dritten Kindes im Jahr 2010 zur Verfügung stehende "Nettomehrbetrag" in Höhe von 391,59 € reichte aus, um den Bedarf für sein drittes Kind in Höhe des 1,15-fachen des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs, der sich nach obenstehenden Ausführungen auf 388,94 € belief, zu decken. 152C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO. 153Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. | die berufung wird zurückgewiesen. der kläger trägt die verfahrenskosten zweiter und dritter instanz. das urteil ist vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird zugelassen. 1 | 2der kläger steht als finanzbeamter in diensten des beklagten. im streitjahr 2010 wurde er nach der besoldungsgruppe a 13 gd besoldet. er ist vater dreier kinder, geboren am x1. juli 1995, am x2. märz 1998 und am x3. januar 2000, für die er im jahre 2010 kindergeldberechtigt war. 3mit schreiben vom 30. november 2010 stellte der kläger beim landesamt für besoldung und versorgung (lbv) den antrag, ihm für die jahre ab 2010 einen höheren kinderbezogenen anteil im familienzuschlag zu zahlen. das bundesverfassungsgericht (bverfg) habe entschieden, dass beamten mit drei oder mehr kindern pro kind monatlich (mindestens) ein betrag i. h. v. 115 % des sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs zur verfügung stehen müsse. durch den ihm im jahre 2010 gewährten familienzuschlag werde dies nicht erreicht. ursachen dafür seien die steuerliche belastung und die existenziell notwendige basiskranken- und -pflegeversicherung. in seine berechnungen des sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs stellte der kläger auch einen zuschuss von 100,00 € jährlich für schulbedarf ein. er ermittelte einen nachzuzahlenden nettobetrag für das jahr 2010 i. h. v. 279,92 €. 4mit bescheid vom 4. märz 2013 lehnte das lbv den antrag ab. die familienzuschläge für dritte und weitere kinder seien unter berücksichtigung der rechtsprechung des bverfg ab dem 1. januar 2007 pauschal um 50,00 € pro monat angehoben und fortlaufend angepasst worden. die pauschalierung sei zulässig. auch im vergleich zu einer „spitzabrechnung“ werde die amtsangemessene alimentation von beamten mit mehr als zwei kindern in der weit überwiegenden anzahl der fälle sichergestellt. lediglich in den obersten besoldungsgruppen könne sich dem sinn und zweck einer pauschalierung entsprechend betragsmäßig eine geringfügige abweichung ergeben. eine weitergehende anpassung würde dazu führen, dass der höchstrichterlich festgelegte richtwert der alimentation für dritte und weitere kinder insbesondere in den unteren besoldungsgruppen in einer nicht mehr vertretbaren höhe überschritten würde. der familienzuschlag sei kindbezogen und werde für kinder von bezügeempfängern unterschiedlicher besoldungsgruppen in gleicher höhe gezahlt. 5hiergegen erhob der kläger unter dem 7. märz 2013 widerspruch. dem angefochtenen bescheid lasse sich kein rechnerisches nachvollziehen der rechtsprechung des bverfg entnehmen. mit widerspruchsbescheid vom 11. april 2013 wies das lbv den widerspruch zurück. 6der kläger hat am 23. april 2013 klage mit der begründung erhoben, die größe seines personalkörpers entbinde den beklagten nicht von einer individuellen prüfung der besoldung des klägers nach den vorgaben des bverfg. der sozialhilferechtliche gesamtbedarf sei nach der im jahr 2010 geltenden rechtslage zu ermitteln und umfasse insbesondere leistungen zur bildung und teilhabe sowie kranken- und pflegeversicherungsbeiträge. 7der kläger hatte ursprünglich schriftsätzlich sinngemäß beantragt, 8den beklagten unter aufhebung des bescheides vom 4. märz 2013 und des widerspruchsbescheides vom 11. april 2013 zu verurteilen, ihm für das jahr 2010 einen betrag i. h. v. netto 279,93 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 23. april 2013 zu zahlen. 9aufgrund mehrerer neuberechnungen und nachdem der beklagte die differenz im nettoeinkommen des klägers durch das dritte kind im jahr 2010 mit 415,90 € monatlich ermittelt hatte, hat der kläger davon ausgehend seine unteralimentation für das jahr 2010 mit netto 329,64 € angegeben. 10der beklagte hat schriftsätzlich beantragt, 11die klage abzuweisen. 12mit dem angefochtenen urteil hat das verwaltungsgericht die klage abgewiesen. selbst wenn bei der ermittlung des sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs sonstige positionen einbezogen würden, ergebe sich keine unteralimentation. kosten der unterkunft und heizung seien nicht in den sozialhilferechtlichen gesamtbedarf einzustellen. dies ergebe sich aus § 27a abs. 4 satz 3 sozialgesetzbuch zwölftes buch (sgb xii). 13mit der vom senat durch beschluss vom 10. august 2016 zugelassenen berufung hat der kläger sein begehren weiter verfolgt. das verwaltungsgericht habe erstinstanzlich fehlerhaft den klageantrag auf den betrag von 306,29 € beziffert. zur auslegung des klagebegehrens hätte es vielmehr die für das kalenderjahr 2010 bezifferte unteralimentation in höhe von insgesamt netto 329,64 € zugrunde legen müssen. der von ihm ausgerechnete sozialhilferechtliche monatliche gesamtbedarf i. h. v. 439,24 € (januar bis juni) bzw. 447,50 € (juli bis dezember) ergebe sich wie folgt: durchschnittlicher regelsatz 269,00 €, wohnung (11 m² zu 6,46 €) 71,06 €, zuschlag für heizung (20 % der kaltmiete) 14,21 €, basiskranken- und ‑pflegeversicherung 27,68 (januar bis juni) bzw. 34,86 € (juli bis dezember). maßgeblich seien laut bverfg hiervon 115 %. die kosten der unterkunft und heizung könnten für jedes jahr nur aufgrund derjenigen berechnungsgrundlagen ermittelt werden, die im streitjahr aktuell vorlägen. maßgebend sei immer die im streitjahr aktuell vorliegende letzte wohngeldstatistik bzw. einkommens- und verbrauchsstichprobe (evs).). zum sozialhilferechtlichen gesamtbedarf zähle auch das schulbedarfspaket gemäß § 28a sgb xii in höhe von 100 € jährlich, mithin 8,33 € im monat. 14nachdem der kläger im berufungsverfahren zunächst weiter von einer unteralimentation i. h. v. 329,64 € ausgegangen war, hat er zuletzt beantragt, 15das angefochtene urteil zu ändern und den beklagten unter aufhebung des bescheides vom 4. märz 2013 und des widerspruchsbescheides vom 11. april 2013 zu verurteilen, ihm für das jahr 2010 einen nettobetrag in höhe von 358,20 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 23. april 2013 zu zahlen. 16der beklagte hat beantragt, 17die berufung zurückzuweisen. 18die vom bverfg entwickelten maßstäbe zur alimentation kinderreicher beamter seien zwar grundsätzlich nach wie vor heranzuziehen. mit zunehmendem zeitlichen abstand seien jedoch immer mehr parameter aus dieser berechnungsmethode aufgrund von änderungen besoldungsrelevanter gesetze und veränderter tatsachengrundlage nicht mehr unmittelbar anwendbar, sondern müssten fortentwickelt werden. eine solche fortentwicklung sei im hinblick auf die erfolgten neuregelungen des sozialhilferechts im sgb xii vorzunehmen. beträge zur kranken- oder pflegeversicherung seien hingegen nicht in ansatz zu bringen. der sozialhilferechtliche gesamtbedarf des dritten kindes betrage 330,00 € monatlich: 247,00 € durchschnittlicher gewichteter regelbedarf, 70,00 € unterkunftskosten sowie 13,00 € durchschnittliche heizkosten. der vom bverfg vorgenommene pauschalierte zuschlag von 20 % des regelsatzes für einmalige leistungen gelte für das jahr 2010 nicht mehr. die einmaligen leistungen zum lebensunterhalt seien nach den 2005 neugefassten sozialhilferechtlichen regelungen fast vollständig in die deutlich angehobenen regelsätze eingearbeitet worden. bei den monatlichen unterkunftskosten sei für ein kind ein wohnflächenanteil von 12 m² zu je 5,78 € im monat als angemessen anzusehen. für die heizkosten seien 19 % hiervon anzusetzen. die mindestalimentation betrage danach 379,50 € (330,00 € × 115 %). der ermittelte differenzbetrag zwischen der alimentation eines beamten mit zwei kindern und eines beamten mit drei kindern überschreite die mindestalimentation. eine auszehrung der familienneutralen gehaltsbestandteile des klägers wegen des unterhalts für sein drittes kind finde damit nicht statt. 19mit urteil vom 7. juni 2017 hat der senat den beklagten unter aufhebung des bescheides vom 4. märz 2013 und des widerspruchsbescheides vom 11. april 2013 verurteilt, dem kläger für das jahr 2010 einen nettobetrag in höhe von 358,20 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 23. april 2013 zu zahlen. zur begründung hat er ausgeführt: 20es liege keine unzulässige klageerweiterung oder teilweise klagerücknahme vor. der kläger sei nicht gehalten gewesen, seinen klageantrag betragsmäßig zu konkretisieren. kläger dürften es bei unbezifferten klageanträgen belassen, wenn sie ansprüche auf höhere familienzuschläge für dritte und weitere kinder nach maßgabe des beschlusses des bverfg vom 24. november 1998 – 2 bvl 26/91 u.a. –, juris, geltend machten. der kläger habe ungeachtet eigener angaben von beträgen stets verdeutlicht, die konkrete berechnung sei sache des beklagten. 21die klage sei begründet. dem kläger stehe hinsichtlich des jahres 2010 ein anspruch auf zahlung weiterer familienzuschläge in der ausgeurteilten höhe zu. dieser anspruch ergebe sich unmittelbar aus der vollstreckungsanordnung des bverfg nach § 35 bverfgg im beschluss vom 24. november 1998 – 2 bvl 26/91 u.a. –. 22hiernach hätten besoldungsempfänger für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte kind anspruch auf familienbezogene gehaltsbestandteile in höhe von 115 % des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs eines kindes. die rechtsfolge sei in den gründen so präzisiert, dass der konkrete nachzahlungsbetrag abhängig von den tatbestandsrelevanten verhältnissen des einzelfalls berechnet werden könne. der beklagte sei verpflichtet gewesen, diese beträge von sich aus zu gewähren. auf der vollstreckungsanordnung beruhe auch die weitere befugnis der verwaltungsgerichte, auf der grundlage dieser vorgaben zusätzliche besoldungsanteile über das einfache gesetz hinaus zu berechnen und in einem leistungsurteil unmittelbar zuzusprechen. 23i. die vollstreckungsanordnung sei weiterhin anwendbar und nicht erledigt. 241. der gesetzgeber habe nicht abweichende maßstäbe gebildet und parameter festgelegt, nach denen die besoldung der kinderreichen beamten bemessen und der bedarf eines dritten und jedes weiteren kindes ermittelt wird. vielmehr ergebe sich aus den ausführungen des lbv im angefochtenen bescheid, dass die amtsangemessene alimentation von beamten mit mehr als zwei kindern gerade unter berücksichtigung der rechtsprechung des bverfg erfolgen solle. dies habe auch der pauschalen erhöhung des familienzuschlags in nordrhein-westfalen um monatlich 50,00 € für dritte und weitere kinder zum 1. januar 2007 zugrunde gelegen, 25vgl. lt-drs. 14/5198, s. 32, 26der anschließend nur noch entsprechend der allgemeinen besoldungsanpassungen fortgeschrieben worden sei. der beschluss des bverfg vom 24. november 1998 – 2 bvl 26/91 u.a. –, juris, biete keinen anhaltspunkt für die annahme, der berechnete betrag könne für bestimmte besoldungsgruppen unterschritten werden. die dem jeweiligen amt angemessene mindestalimentation stehe auch beamten in höheren besoldungsgruppen ungeschmälert zu. 272. die für die berechnungsmethode des bundesverfassungsgerichts maßgeblichen berechnungsgrundlagen hätten sich ferner nicht derart geändert, dass sie nicht mehr oder nicht mehr sinnvoll angewendet werden könne. die vollstreckungsanordnung sei ab 2005 nicht infolge von änderungen der maßgeblichen berechnungsgrundlagen im zuge der neuregelung des sozialhilferechts im sgb xii, das an die stelle des bundessozialhilfegesetzes (bshg) getreten sei, gegenstandslos geworden. auch für die jahre ab 2009 sei sie trotz änderungen im sozialhilferecht hinsichtlich leistungen für bildung und teilhabe sowie der übernahme von privaten kranken- und pflegeversicherungskosten weiterhin sinn-voll anwendbar. 28ii. bei strikter anwendung der in ihr in bezug genommenen berechnungsmethode, zu deren modifikation nur der gesetzgeber oder das bverfg selbst befugt wären, ergebe sich der ausgeurteilte nachzahlungsbetrag. 291. die differenz zwischen dem nettoeinkommen, das ein beamter derselben besoldungsgruppe wie der kläger mit zwei kindern erziele und demjenigen, das er mit drei kindern habe, belaufe sich nach den vom bverfg im beschluss vom 24. november.1998 vorgegebenen maßstäben für das jahr 2010 unstrittig auf 415,90 € monatlich. auch der senat halte die dazu im erstinstanzlichen verfahren übersandte berechnung des lbv für zutreffend. 302. dieser betrag liege um monatlich 29,85 € (für das jahr 2010 insgesamt um 358,20 €) unterhalb des um 15 % erhöhten sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs („15 v. h.-betrag“), den ein beamter für sein drittes kind von seinem dienstherrn mindestens habe beanspruchen können. dieser betrag habe sich auf 115 % von 387,61 €, also 445,75 € belaufen. 313. der sozialhilferechtliche gesamtbedarf für dritte (und weitere) kinder habe für das jahr 2010 monatlich 387,61 € betragen. 32grundlage der berechnung des sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs sei nach den vorgaben des bverfg der durchschnittsregelsatz nach § 22 des damaligen bundessozialhilfegesetzes (bshg) für das bisherige (alte) bundesgebiet. hinzuzurechnen sei ein durchschnittlicher zuschlag von 20 % zur abgeltung einmaliger leistungen zum lebensunterhalt, ferner die kosten der unterkunft ausgehend von einem wohnbedarf von 11 qm pro kind. zugrunde zu legen sei insoweit die vom statistischen bundesamt in der so genannten 1 %-gebäude- und wohnungsstichprobe 1993 ermittelte durchschnittsmiete in den alten bundesländern von 9,53 dm je qm, die anhand des mietenindexes des statistischen bundesamtes zurückgerechnet und fortgeschrieben worden sei. schließlich seien die energiekosten für ein kind mit 20 % der kaltmiete zu berücksichtigen. 33die parameter dieser 1998 entwickelten berechnungsmethode seien zum teil aufgrund von änderungen besoldungserheblicher gesetze und veränderter tatsachengrundlagen im lichte der entscheidung fortzuentwickeln. dies zugrunde gelegt beliefen sich die einzelnen summanden des sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs für das dritte kind im jahr 2010 auf 247,00 € (durchschnittsregelsatz), 49,40 € (20 %-zuschlag zum regelsatz), 76,01 € (kosten der unterkunft) und 15,20 € (heizkostenzuschlag), deren summe betrage 387,61 €. 34a) einer fortentwicklung bedürfe es insbesondere im hinblick auf die zum 1. januar 2005 erfolgte neuregelung des sozialhilferechts (früher bshg) im sgb xii. der regelsatz sei nunmehr den dortigen regelungen zu entnehmen. bei bildung eines gewichteten durchschnittswertes über die in der regelsatzverordnung vorgesehenen altersgruppen ergebe sich ein monatsbetrag von 247,00 €. 35b) ausgehend von diesem durchschnittlichen regelsatz belaufe sich der vorzunehmende zuschlag in höhe von 20 % auf monatlich 49,40 €. hinsichtlich dieses berechnungsparameters zur abgeltung einmaliger leistungen zum lebensunterhalt sei für das jahr 2010 keine fortentwicklung erforderlich. 36der zuschlag sei für das streitgegenständliche jahr nicht aufgrund konsumtion durch den regelsatz entfallen. auch wenn nach den 2005 neu gefassten sozialhilferechtlichen regelungen für volljährige hilfebedürftige die früheren „einmaligen leistungen“ zunächst nahezu vollständig in die deutlich angehobenen regelsätze eingearbeitet worden sein sollten, treffe dies für kinder und jugendliche im jahr 2010 nicht (mehr) zu. für diese seien über den wechsel vom bshg zum sgb xii hinaus einmalige leistungen vorgesehen für „erstausstattung bei geburt“, „erstausstattungen für die wohnung“ und „mehrtägige klassenfahrten“. mit wirkung zum 1. januar 2009 sei zudem für jedes schuljahr eine zusätzliche leistung in höhe von 100,00 € vorgesehen. 37der zuschlag in der vom bverfg vorgesehenen höhe führe nicht zu einer wegen verstoßes gegen den alimentationsgrundsatz verfassungswidrigen leistung. der sich für den zuschlag ergebende monatliche betrag in höhe von 49,40 € sei weder deutlich überhöht noch eklatant unzureichend, um in zusammenschau mit den übrigen berechnungsparametern den für das bverfg maßstabsbildenden sozialhilferechtlichen gesamtbedarf ordnungsgemäß abzubilden. 38zusätzlich zum betrag in höhe von 100,00 € für jedes schuljahr seien auch die übrigen genannten bedarfe nach ihrer häufigkeit gewichtet pauschaliert abzudecken. die größenordnung des 20 %-igen zuschlages erscheine auch noch vor dem hintergrund vertretbar, dass anders als 1998 private kranken- und pflegeversicherungskosten seit 1. januar 2009 zwingend in angemessenem umfang zum sozialhilferechtlichen gesamtbedarf zählten, § 32 abs. 5 sätze 1 und 4 sgb xii. verbesserungen im beihilfebereich für die ganze familie, die etwaige mehrkosten für die private kranken- und pflegeversicherung durch das dritte kind ausgleichen könnten, gebe es in nordrhein-westfalen seit 1993 nicht mehr. die begründung eines eigenständigen berechnungsparameters der bedarfsberechnung für private kranken- und pflegeversicherungskosten oder die diesbezügliche modifizierung der nettoeinkommensberechnung sei dem senat, der lediglich die vollstreckungsanordnung anwende, verwehrt. 39c) hinzuzurechnen sei des weiteren ein zuschlag für die kosten der unterkunft ausgehend von einem wohnbedarf von 11 qm für das kind. in bezug auf die bruttokaltmiete pro qm sei eine fortschreibung der parameter der vollstreckungsanordnung erforderlich. die durchschnittliche bruttokaltmiete pro monat in den alten ländern im jahr 2009 habe sich auf 6,83 € je qm belaufen. im jahr 2010 seien die nettokaltmieten um 1,2 % gestiegen. diese werte könnten auch für die bruttokaltmiete angesetzt werden. das elffache der hieraus für 2010 resultierenden monatlichen bruttokaltmiete je qm von 6,91 € betrage 76,01 € pro monat. 40d) der zuschlag von 20 % der anteiligen durchschnittsmiete (durchschnittlichen bruttokaltmiete) zur abgeltung der auf das kind entfallenden heizkosten belaufe sich demzufolge auf 15,20 € pro monat. auch hinsichtlich dieses prozentsatzes sei die berechnungsvorgabe des bverfg bindend. 41auf die vom senat wegen grundsätzlicher bedeutung zugelassene revision des beklagten hat das bundesverwaltungsgericht mit urteil vom 31. januar 2019 – 2 c 28.17 –, juris, das urteil des senats vom 7. juni 2017 aufgehoben und die sache zur anderweitigen verhandlung und entscheidung an das oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. zur begründung hat es ausgeführt: 42die vollstreckungsanordnung des bundesverfassungsgerichts in seinem beschluss vom 24. november 1998 sei auch für das jahr 2009 maßgeblich. auch in anbetracht der zum 1. januar 2005 eingetretenen änderungen im recht der sozialen grundsicherung und der nachfolgenden weiteren gesetzlichen änderungen seien keine substantiell so wesentlichen änderungen der maßgeblichen berechnungsgrundlagen für die vollstreckungsanordnung eingetreten, dass diese bezogen auf das jahr 2010 nicht mehr angewandt werden könnte. auf grundlage dieser vollstreckungsanordnung seien die gerichte befugt, den dienstherrn zur gewährung zusätzlicher besoldungsbestandteile für beamte mit mehr als zwei kindern zu verurteilen. 43der errechnete durchschnittliche regelsatz sei allerdings nicht – mehr – um einen durchschnittlichen zuschlag von 20 v.h. zur abgeltung einmaliger leistungen zum lebensunterhalt zu ergänzen. die bis zum 31. dezember 2004 in § 21 abs. 1a bshg normierten einmaligen leistungen zum lebensunterhalt seien in die ab dem jahr 2005 geltenden, deutlich angehobenen und nunmehr bundeseinheitlichen regelbedarfssätze im sozialgesetzbuch zweites buch und sozialgesetzbuch zwölftes buch eingearbeitet worden. diese neuen regelsätze konsumierten den bisherigen zuschlag von 20 v.h., der ausschließlich der abgeltung einmaliger leistungen zum lebensunterhalt nach dem früheren bundessozialhilfegesetz gedient habe. die beibehaltung des zuschlags könne auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass seit dem 1. januar 2009 die privaten kranken- und pflegeversicherungskosten zum sozialhilferechtlichen gesamtbedarf zählten. 44im übrigen bestünden gegen die vom senat bei seiner berechnung für das jahr 2010 angesetzten beträge keine bedenken. 45bei der ermittlung, ob die einem beamten für sein drittes kind gewährten zuschläge den abstand von 15 v.h. zum sozialrechtlichen grundsicherungsniveau einhielten, seien von den nettobezügen die kosten einer dem beihilfesatz angepassten krankheitskostenversicherung für das dritte kind abzuziehen. diese zählten zu den unterhaltspflichten des beamten, die der gesetzgeber bei der leistung amtsangemessenen unterhalts gemäß art. 33 abs. 5 gg realitätsgerecht zu berücksichtigen habe. diese kosten habe der beamte im gegensatz zu empfängern von leistungen der grundsicherung selbst zu tragen. dieser abzug von den nettobezügen sei mit der vollstreckungsanordnung des bverfg vom 24. november 1998 vereinbar. 46ob sich das der klage stattgebende urteil des senats aus anderen gründen im ergebnis als richtig erweise, könne das bundesverwaltungsgericht nicht entscheiden. die sache sei zurückzuverweisen, damit der senat die erforderlichen tatsächlichen feststellungen zu den durchschnittlichen kosten einer dem beihilfesatz angepassten krankenkostenversicherung für ein drittes kind eines beihilfeberechtigten beamten treffen könne. 47im fortgeführten berufungsverfahren hat der kläger geltend gemacht: der senat habe seiner entscheidung im ersten berufungsverfahren eine unter den beteiligten unstrittige netto-einkommensdifferenz von 415,90 € zugrunde gelegt. mittlerweile habe das bundesverfassungsgericht mit beschluss vom 4. mai 2020 – 2 bvl 6/17 u.a. – grundsätze für die ermittlung der netto-einkommensdifferenz aufgestellt, die von denen in der vollstreckungsanordnung abwichen. hiernach seien die kirchensteuer nicht mehr zu berücksichtigen und die netto-einkommensdifferenz um die kosten der krankenversicherung des dritten kindes zu mindern. für letztere habe der verband der privaten krankenversicherungen e.v. in köln – pkv – für 2010 dem senat im streitfall einen monatsbetrag von 32,54 € genannt. unter berücksichtigung dessen errechne sich eine netto-einkommensdifferenz von 377,60 €. 48das bundesverfassungsgericht habe in dem beschluss ferner neue grundsätze für die ermittlung des sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs entwickelt. wegen der einzelheiten wird insofern auf den schriftsatz vom 18. september 2020 – s. 4 f. – verwiesen. diese ansätze führten zu einem sozialhilferechtlichen gesamtbedarf in höhe von 407,35 €, 115 v.h. hiervon beliefen sich auf 468,45 €.unter berücksichtigung dieser änderungen in den berechnungsansätzen errechne sich eine monatliche unteralimentation in höhe von 90,85 €, die sich zu einem jahresbetrag von 1.090,20 € aufsummiere. 49sofern im streitfall der entscheidung die neue rechtsprechung des bundesverfassungsgerichts nicht zugrunde zu legen sein sollte, errechne sich unter zugrundelegung der vom bundesverwaltungsgericht im zurückweisenden urteil aufgestellten maßgaben eine unteralimentation in höhe von monatlich 11,96 € und damit 143,52 € im jahr. 50der abzug der kostendämpfungspauschale von den nettobezügen sei durch den beschluss des bundesverfassungsgerichts vom 4. mai 2020 – 2 bvl 6/17 u.a. – nicht gedeckt. hiernach seien nur die kosten der krankenversicherung in abzug zu bringen. beihilfeleistungen habe das bundesverfassungsgericht nicht unter den begriff kosten der krankenversicherung subsumiert und nicht bei der ermittlung der höhe der unteralimentation eingerechnet. dem schließe er sich an. die kostendämpfungspauschale werde auch nur einbehalten, wenn beihilfeleistungen erbracht würden. die vom beklagten vorgelegten berechnungen der jahresnettoalimentation für beamte seiner gehaltsgruppe im jahr 2010 würden mit ausnahme der höhe der für kinder zu berücksichtigenden krankenversicherungskosten und der berücksichtigung der kostendämpfungspauschale unstreitig gestellt. 51der kläger beantragt, 52das angefochtene urteil zu ändern und den beklagten unter aufhebung des bescheides vom 4. märz 2013 und des widerspruchsbescheides vom 11. april 2013 zu verurteilen, dem kläger für das jahr 2010 einen nettobetrag i.h.v. 143,52 € nebst zinsen i.h.v. 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 23. april 2013 zu zahlen. 53der beklagte beantragt, 54die berufung zurückzuweisen. 55er macht geltend: das bundesverwaltungsgericht habe im zurückverweisenden urteil ausgesprochen, dass der sozialhilferechtliche gesamtbedarf im jahr 2010 nach den im urteil aufgestellten maßgaben auf der grundlage der vollstreckungsanordnung zu ermitteln sei. die vom bundesverfassungsgericht im beschluss vom 4. mai 2020 zur alimentation kinderreicher familien in nrw entwickelten anpassungen und modifikationen der berechnung des sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs seien danach im streitfall nicht zu berücksichtigen. hieraus ergebe sich ein monatlicher sozialhilferechtlicher gesamtbedarf von 343,76 €, das 1,15-fache hiervon betrage 395,32 €. 56weiter habe das bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass von dem der mindestalimentation gegenüber zu stellenden nettodifferenzbetrag die krankenversicherungskosten für das dritte kind abzuziehen seien. dem stehe die vollstreckungsanordnung nicht entgegen, weil deren vorgaben sich lediglich auf die bestimmung des sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs bezögen. die krankenversicherungskosten beträfen demgegenüber das verfügbare nettoeinkommen. da die weitergeltung der vollstreckungsanordnung sich demzufolge lediglich auf die ermittlung des sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs, nicht hingegen auf die ermittlung des verfügbaren nettoeinkommens beziehe, seien mit bezug auf letzteres die konkretisierungen und modifizierungen, die das bundesverfassungsgericht in seinen beschlüssen vom 4. mai 2020 zur amtsangemessenheit der besoldung kinderreicher richter in nrw in den jahren 2013 bis 2015 einerseits (– 2 bvl 6/17 u.a. –) und zur (richter-)alimentation von 2-kind-familien in berlin in den jahren 2009 bis 2015 (– 2 bvl 4/18 –) andererseits aufgestellt habe, auch im streitfall zu berücksichtigen. unter berücksichtigung der vom bverfg vorgenommenen modifikationen bei der berechnung der einkommensdifferenz errechne sich diese auf monatlich 395,74 €. wegen der einzelheiten der berechnung wird auf den schriftsatz des beklagten vom 24. september 2020, s. 3 f. nebst anlage verwiesen. insbesondere sind hierin berücksichtigt ein wegfall des abzugs von kirchensteuer, ein abzug von krankenversicherungskosten sowie ein abzug der kostendämpfungspauschale. dieser betrag liege um 0,42 € über 1,15-fachen des sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs. 57sofern man die krankenversicherungskosten für kinder in die berechnung einstelle, die sich aus den vom senat im streitfall eingeholten auskünften ergebe, bleibe die nettoeinkommensdifferenz um 3,73 € hinter dem 1,15-fachen des sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs zurück. er halte jedoch an seiner ursprünglichen berechnung fest. 58der senat hat beim pkv auskünfte eingeholt über die höhe der durchschnittlichen kosten einer dem beihilfesatz angepassten krankenkostenversicherung für ein drittes kind eines beihilfeberechtigten beamten sowie die kosten einer derartigen versicherung im beihilfeadäquaten basistarif im jahr 2010. wegen der einzelheiten wird auf die verfügung des senats vom 8. mai 2019 sowie die schreiben des verbandes der privaten krankenversicherungen vom 21. januar 2020 sowie vom 10. september 2020 verwiesen. 59wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen verwaltungsvorgänge des beklagten bezug genommen. 60 | 61die berufung des klägers hat keinen erfolg. sie ist zulässig, aber unbegründet. 62a. aus den im urteil des senats vom 7. juni 2017 genannten gründen, die das bundesverwaltungsgericht in seinem urteil vom 31. januar 2019 – 2 c 28.17 – unbeanstandet gelassen hat, an denen der senat festhält und auf die er verweist, liegt ungeachtet der unterschiedlichen bezifferungen der für richtig gehaltenen zusätzlichen alimentation durch den kläger im laufe des verfahrens keine unzulässige klageerweiterung oder teilweise klagerücknahme vor. 63b. dem kläger steht hinsichtlich des jahres 2010 kein anspruch auf zahlung weiterer familienzuschläge zu. 64i. als rechtsgrundlage für die gewährung über die gesetzlich geregelten ansprüche hinausgehender (vgl. § 2 abs. 1 bbesg) besoldungsleistungen kommt allein die vollstreckungsanordnung des bundesverfassungsgerichts nach § 35 bverfgg im beschluss vom 24. november 1998 – 2 bvl 26/91 u.a. –, entscheidungsformel zu 2., zweiter teil, juris, (im folgenden: vollstreckungsanordnung) in betracht. 65danach haben besoldungsempfänger für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte kind anspruch auf familienbezogene gehaltsbestandteile in höhe von 115 % des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs eines kindes, der sich nach maßgabe der gründe zu c. iii. 3. errechnet. die rechtsfolge ist in den gründen zu c. iii. 3. (a. a. o., juris, rn. 57 ff.) in form von berechnungsvorgaben so präzisiert, dass der konkrete nachzahlungsbetrag abhängig von den tatbestandsrelevanten verhältnissen des einzelfalls (im wesentlichen der besoldungsgruppe und der zahl der kinder) grundsätzlich ohne weiteres – mit ausnahme gewisser unschärfen bei den sonstigen eingangsdaten – berechnet werden kann. auf der vollstreckungsanordnung beruht auch die weitere befugnis der verwaltungsgerichte, auf der grundlage dieser vorgaben zusätzliche besoldungsanteile über das einfache gesetz hinaus zu berechnen und in einem leistungsurteil unmittelbar zuzusprechen. 66die vollstreckungsanordnung ist weiterhin anwendbar und nicht erledigt. das ergibt sich für das vorliegende verfahren bereits aus der bindungswirkung, die dem zurückverweisenden urteil des bundesverwaltungsgerichts vom 31. januar 2019 – 2 c 28.17 – gemäß § 144 abs. 6 vwgo zukommt. hiernach hat der senat seiner entscheidung die rechtliche beurteilung des revisionsgerichts zugrunde zu legen. diese bindungswirkung umfasst die für die aufhebende entscheidung kausal ausschlaggebenden gründe. dies schließt die den unmittelbaren zurückverweisungsgründen vorausgehenden erwägungen jedenfalls insoweit ein, als diese die notwendige (logische) voraussetzung für die unmittelbaren aufhebungsgründe waren. 67bverwg, beschlüsse vom 14.07.2020 – 2 b 23.20 –, juris rn. 8, und vom 29.04.2019 – 2 b 25.18 –, juris rn. 9, 13 = buchholz 310 § 144 vwgo nr. 83, m. w. n. 68die zurückverweisende entscheidung des bundesverwaltungsgerichts beruht unter anderem darauf, dass die klage nicht von vornherein abzuweisen ist, ohne dass es weiterer tatsächlicher feststellungen des senats bedürfte. dies wäre indes der fall gewesen, wenn die vollstreckungsanordnung für das streitjahr 2010 nicht mehr anwendbar, sondern erledigt wäre. demzufolge steht für den streitfall mit bindungswirkung für den senat fest, dass dies nicht der fall ist. daher kann dahinstehen, ob sich möglicherweise aus der zwischenzeitlich ergangenen rechtsprechung des bundesverfassungsgerichts zur verfassungswidrigkeit der besoldung von kinderreichen richtern und staatsanwälten in nordrhein-westfalen in den jahren 2013 bis 2015 im beschluss vom 4. mai 2020 – 2 bvl 6/17 u.a. –, juris, anhaltspunkte für eine abweichende beurteilung ergeben. derartiges käme aus sicht des senats etwa in betracht hinsichtlich der notwendigkeit, bei der bemessung der amtsangemessenen alimentation von beamten mit drei (und mehr) kindern in anlehnung an den sozialhilferechtlichen gesamtbedarf möglicherweise auch einmalige beihilfen, die grundsicherungsempfängern zusätzlich zu den regelsätzen gewährt werden, zu berücksichtigen. 69vgl. bverfg, beschluss vom 04.05.2020 – 2 bvl 6/17 u.a. -, juris rn. 55 ff., 78 f. 70ii. bei strikter anwendung der in der vollstreckungsanordnung festgelegten berechnungsmethode ergibt sich, dass dem kläger wegen seines rechts auf verfassungsgemäße alimentation im hinblick auf den bedarf seines dritten kindes im jahr 2010 kein anspruch auf über die bereits ausgezahlte besoldung hinausgehende zahlungen zusteht. 711. für die ermittlung, ob die besoldung eines beamten mit mehr als zwei kindern den verfassungsrechtlichen vorgaben genügt, den zusätzlichen bedarf, der ihm für sein drittes und weitere kinder entsteht, zu decken, ohne ihm zuzumuten, für deren unterhalt auf die familienneutrale bestandteile seines gehalts zurückzugreifen – 72vgl. bverfg, beschluss vom 24.11.1998 – 2 bvl 26/91 u.a. –, juris rn. 39, 55 –, 73ist nach den berechnungsvorgaben des bundesverfassungsgerichts im beschluss vom 24. november 1998 (unter c. iii. 3, juris, rn. 57 f.) vom sozialhilferechtlichen gesamtbedarf für ein kind auszugehen. dieser ist um einen betrag von 15 v.h. zu erhöhen, um den verfassungsgebotenen unterschied zwischen der der sozialhilfe obliegenden befriedigung eines äußersten mindestbedarfs und dem dem beamten (und seiner familie) geschuldeten unterhalt hinreichend deutlich werden zu lassen. 74vgl. bverfg, beschluss vom 24.11.1998 – 2 bvl 26/91 u.a. –, juris rn. 57. 75dieser durch die zusätzliche alimentation für einen beamten mit mehr als zwei kindern zu deckende betrag in höhe des 1,15-fachen des sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs für ein (drittes) kind – vom bundesverfassungsgericht als "15 v.h.-betrag" bezeichnet – 76vgl. bverfg, beschluss vom 24.11.1998 – 2 bvl 26/91 u.a. –, juris rn. 59 – 77belief sich im jahre 2010 auf (338,21 € x 1,15 =) 388,94 €. 782. der sozialhilferechtliche gesamtbedarf für dritte und weitere kinder betrug für das jahr 2010 monatlich 338,21 €. 79für seine berechnung hat das bundesverfassungsgericht im einzelnen vorgegeben, dass sich dieser zunächst durch bildung eines durchschnittsregelsatzes nach § 22 des damaligen bundessozialhilfegesetzes (bshg) für das bisherige (alte) bundesgebiet ergebe. hinzuzurechnen sei ein durchschnittlicher zuschlag von 20 % zur abgeltung einmaliger leistungen zum lebensunterhalt, ferner die kosten der unterkunft ausgehend von einem wohnbedarf von 11 qm pro kind. zugrunde zu legen sei insoweit die vom statistischen bundesamt in der so genannten 1 %-gebäude- und wohnungsstichprobe 1993 ermittelte durchschnittsmiete in den alten bundesländern von 9,53 dm je qm, die anhand des mietenindexes des statistischen bundesamtes zurückgerechnet und fortgeschrieben worden sei. schließlich seien die energiekosten für ein kind mit 20 % der kaltmiete zu berücksichtigen. 80vgl. bverfg, beschluss vom 24.11.1998 – 2 bvl 26/91 u.a. –, juris rn. 58. 81mit zunehmendem zeitlichen abstand können immer mehr parameter dieser 1998 entwickelten berechnungsmethode aufgrund von änderungen besoldungserheblicher gesetze und veränderter tatsachengrundlagen nicht mehr unmittelbar angewandt werden, sondern müssen im lichte der entscheidung fortentwickelt werden. 82vgl. bverwg, urteil vom 27.05.2010 – 2 c 10.10 –, juris rn. 17 m. w. n. 83die einzelnen summanden des sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs (338,21 €) für das dritte und weitere kinder im jahr 2010 belaufen sich auf 247,00 € (durchschnittsregelsatz, s. u. a]), 76,01 € (kosten der unterkunft, s. u. b]) und 15,20 € (heizkostenzuschlag, s. u. c]); der in der vollstreckungsanordnung noch vorgesehene 20-%-zuschlag zum regelsatz ist nicht in die berechnung einzustellen, s. u. d). auch die kosten für die deckung weiterer bedarfe, insbesondere eines zusätzlichen bedarfs für schulbezogene aufwendungen, können in die berechnung nicht eingestellt werden, s.u. e). 84a) einer fortentwicklung bedarf es insbesondere im hinblick auf die zum 1. januar 2005 erfolgte neuregelung des sozialhilferechts (früher bshg) im sgb xii. der regelsatz ist nunmehr den dortigen regelungen zu entnehmen. 85vgl. ovg nrw, urteil vom 27.02.2008 – 1 a 30/07 –, juris rn. 61 ff. 86stattdessen auf das erwerbsfähige betreffende – mithin grundsätzlich ebenfalls erwerbsfähigen besoldungsempfängern eventuell näherstehende – gänzlich neugeschaffene referenzsystem des sgb ii abzustellen, überschritte den rahmen einer bloßen fortschreibung der vollstreckungsanordnung und bliebe dem bundesverfassungsgerichts vorbehalten. dessen befassung ist aber wegen des praktischen gleichlaufs der leistungshöhen in sgb ii und xii nicht geboten. im streitfall verbietet sie sich zudem wegen der bindungswirkung des zurückverweisenden urteils des bundesverwaltungsgerichts vom 31. januar 2019 – 2 c 28.17 –. 87in nordrhein-westfalen war der regelsatz für die zeit ab dem 1. juli 2009, mithin auch für das jahr 2010, in verschiedenen bedarfsstufen in der verordnung über die regelsätze der sozialhilfe vom 9. juni 2009 (gv. nrw. 2009, s. 335) geregelt: 215,00 € monatlich bis zur vollendung des sechsten lebensjahres, 251,00 € monatlich vom beginn des siebten bis zur vollendung des 14. lebensjahres und 287,00 € monatlich vom beginn des 15. bis zur vollendung des 18. lebensjahres. dies entspricht der damaligen regelsatzhöhe in den übrigen westlichen bundesländern. 88vgl. vgh bad.-württ., urteil vom 06.06.2016 – 4 s 1094/15 –, juris rn. 105 f. 89es ist ein durchschnittswert über alle (zwei bzw. drei) altersgruppen zu bilden, wobei eine gewichtung nach der zahl der von der jeweiligen altersgruppe umfassten lebensjahre zu erfolgen hat. 90vgl. vgh bad.-württ., urteil vom 06.06.2016 – 4 s 1094/15 –, juris rn. 103. 91dies ergibt monatlich gerundet 247,00 € ([6 x 215 + 8 x 251 + 4 x 287] / 18). 92b) hinzuzurechnen ist ein zuschlag für die kosten der unterkunft ausgehend von einem wohnbedarf von 11 qm für das kind. anders als die beteiligten meinen, sind insofern nicht 12 qm anzusetzen. der wert von 11 qm pro kind ist in der vollstreckungsanordnung bindend vorgegeben. 93vgl. bverfg, beschluss vom 24.11.1998 – 2 bvl 26/91 u.a. –, juris rn. 58; bverwg, urteil vom 31.01.2019 – 2 c 28.17 –, juris rn. 19, 20. 94eine fortschreibung der parameter der vollstreckungsanordnung ist mithin lediglich in bezug auf die bruttokaltmiete pro qm erforderlich. im jahr 2009 betrug die durchschnittliche monatliche bruttokaltmiete pro quadratmeter in den alten ländern 6,83 €. 95vgl. wohngeld- und mietenbericht 2010, bt-drs. 17/6280, s. 16; bverwg, urteil vom 31.01.2019 – 2 c 35.17 –, juris rn. 19. 96im jahr 2010 stiegen die nettokaltmieten um 1,2 %. 97vgl. wohngeld- und mietenbericht 2014, bt-drs. 18/6540, s. 31. 98diese werte können auch für die bruttokaltmieten angesetzt werden, da die kalten betriebskosten in diesen jahren in ähnlicher größenordnung stiegen. 99vgl. wohngeld- und mietenbericht 2014, bt-drs. 18/6540, s. 39. 100daraus ergibt sich eine durchschnittliche bruttokaltmiete pro monat in den alten ländern je qm für das jahr 2010 in höhe von 6,91 €. 101vgl. auch bverwg, urteil vom 31.01.2019 – 2 c 28.17 –, juris rn. 19. 102das elffache dieses werts beläuft sich auf 76,01 € pro monat. der senat sieht – anders als der kläger – keinen anlass, spätere erkenntnisse über die tatsächliche bruttokaltmiete im streitgegenständlichen jahr auszublenden, nur weil sie erst nach ablauf dieses jahres veröffentlicht wurden. auch das bundesverfassungsgericht hat bei ausspruch der vollstreckungsanordnung auf nachträgliche erkenntnisse aus den jahren 1993 und 1997 abgestellt, obwohl es über die besoldung für die jahre ab 1988 zu entscheiden hatte. 103vgl. bverfg, beschluss vom 24.11.1998 – 2 bvl 26/91 u.a. –, juris rn. 1 und 58. 104c) der zuschlag von 20 % der anteiligen durchschnittsmiete (durchschnittlichen bruttokaltmiete) zur abgeltung der auf das kind entfallenden heizkosten entspricht mithin 15,20 € pro monat. hinsichtlich des prozentsatzes ist die berechnungsvorgabe des bundesverfassungsgerichts ebenfalls bindend. 105vgl. bverwg, urteil vom 31.01.2019 – 2 c 28.17 –, juris rn. 19, 20. 106d) der nach der vollstreckungsanordnung noch hinzuzurechnende zuschlag in höhe von 20 % des regelsatzes ist im streitjahr 2010 nicht mehr zu berücksichtigen. das ergibt sich für den streitfall mit bindender wirkung aus dem zurückverweisenden urteil des bundesverwaltungsgerichts vom 31. januar 2019 – 2 c 28.17 –. der frage, ob die vollstreckungsanordnung nach wegfall dieses zuschlages ungeachtet der gesetzlich vorgesehenen einmaligen leistungen, die grundsicherungsempfängern zusätzlich zu den regelsätzen gewährt werden, noch geeignet ist, die leistung einer amtsangemessenen alimentation zu gewährleisten, hat der senat, wie ausgeführt, wegen der bindungswirkung dieses urteils nicht nachzugehen. 107e) dem senat ist es auch verwehrt, im hinblick auf die grundsicherungsleistungsempfängern seit dem jahr 2009 zusätzlich gewährten leistungen in höhe von 100 € pro schuljahr für schulbedarf einen eigenständigen berechnungsparameter in die bedarfsberechnung einzubeziehen, wie dies die verfahrensbeteiligten hinsichtlich eines betrags von 5,55 € – übereinstimmend – für richtig halten. den verwaltungsgerichten ist es wegen der gesetzesbindung der besoldung (§ 2 abs. 1 bbesg) grundsätzlich verwehrt, beamten gesetzlich nicht vorgesehene besoldungsleistungen zuzusprechen. eine ausnahme hiervon bilden, wie ausgeführt, besoldungsleistungen auf grundlage der vollstreckungsanordnung des bundesverfassungsgerichts. diese befugnis bindet das bundesverfassungsgericht jedoch ausdrücklich an seine – oben dargestellte und zugrunde gelegte – berechnungsmethode gemäß c. iii. 3. der gründe des beschlusses vom 24. november 1998 – 2 bvl 26/91 u.a. –. 108vgl. bverfg, beschluss vom 24.11.1998 – 2 bvl 26/91 u.a. –, nr. 2 des entscheidungsausspruchs, juris. 109zu einer modifikation dieser berechnungsmethode wären nur der gesetzgeber oder das bundesverfassungsgericht selbst befugt. 110vgl. bverwg, urteil vom 17.06.2004 – 2 c 34.02 –, juris rn. 30 = bverwge 121, 91. 111eine solche ist, wie ausgeführt, nicht erfolgt. insbesondere betreffen die beschlüsse des bundesverfassungsgerichts vom 4. mai 2020 entweder nicht das beklagte land – 2 bvl 4/18 –, oder aber nicht das streitjahr – 2 bvl 6/17 u.a. –. auch den ausführungen des bundesverwaltungsgerichts im zurückverweisenden urteil zu der im hinblick auf die gebotene durchschnittsbetrachtung zutreffenden berechnung des monatlichen durchschnittswerts der grundsicherungsempfängern für ihre schulkinder für jedes schuljahr gewährten leistung für die schule i.h.v. 100 €, die "zu beachten" seien –, 112vgl. bverwg, urteil vom 31.01.2019 – 2 c 28.17 –, juris rn. 16 –, 113vermag der senat keine rechtsgrundlage für die gewährung von über die gesetzlichen regelungen und die in der vollstreckungsanordnung des bundesverfassungsgerichts hinausgehenden besoldungsleistungen zu entnehmen. 1143. diesem 1,15-fachen des sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs entsprechend den berechnungsvorgaben in der vollstreckungsanordnung des bundesverfassungsgerichts ist gegenüberzustellen der "durchschnittliche nettomehrbetrag …, den der beamte für sein drittes und jedes weitere kind erhält". 115vgl. bverfg, beschluss vom 24.11.1998 – 2 bvl 26/91 u.a. –, juris rn. 59. 116a) auch für die berechnung dieses "nettomehrbetrages" sind in dem beschluss des bundesverfassungsgerichts vom 24. november 1998 – 2 bvl 16/91 u.a. – unter c. iii. 2. der gründe hinweise enthalten. auf diese erstreckt sich die bindung der verwaltungsgerichte an die vorgaben der vollstreckungsanordnung unter nr. 2 des entscheidungstenors indes nicht. 117vgl. bverwg, urteil vom 31.01.2019 – 2 c 28.17 –, juris rn. 29. 118demzufolge ist raum dafür, die diesbezüglichen modifikationen zu berücksichtigen, die das bundesverfassungsgericht in seiner jüngeren rechtsprechung, insbesondere den beschlüssen vom 4. mai 2020 zur (staatsanwalts- und richter-) besoldung in berlin in den jahren 2009 bis 2015 – 119bverfg, beschluss vom 04.05.2020 – 2 bvl 4/18 –, juris – 120und zur besoldung kinderreicher staatsanwälte und richter in nordrhein-westfalen in den jahren 2013 bis 2015 – 121bverfg, beschluss vom 04.05.2020 – 2 bvl 6/17 u.a. –, juris – 122entwickelt hat. 123b) unter berücksichtigung dieser modifikationen errechnet sich der "nettomehrbetrag", der einem beamten in der (damaligen) besoldungsgruppe des klägers mit drei kindern im vergleich zu einem ebensolchen mit zwei kindern für den unterhalt seines dritten kindes zur verfügung stand, bei der insoweit gebotenen pauschalisierenden und typisierenden berechnung im jahre 2010 auf einen betrag von 391,59 €. 124dieser betrag ergibt sich aus der vom beklagten auf bitte des senats mit schriftsatz vom 29. september 2020 vorgelegten alternativberechnung. 125aa) in dieser berechnung hat der beklagte abweichend von den berechnungshinweisen des bundesverfassungsgerichts unter c. iii. 2. der gründe des beschlusses vom 24. november 1998 – 2 bvl 26/21 –, juris rn. 56, keinen abzug von kirchensteuer vorgenommen. dies trägt der neueren rechtsprechung des bundesverfassungsgerichts rechnung, das zugrunde legt, der gesetzgeber gehe seit dem jahr 2005 nicht mehr davon aus, dass eine deutliche mehrheit von arbeitnehmern einer kirchensteuer erhebenden kirche angehöre. 126vgl. bverfg, beschluss vom 04.05.2020 – 2 bvl 6/17 u.a. –, juris rn 70. 127bb) in der berechnung hat der beklagte die nettoeinkünfte der verglichenen beamten jeweils um die (mindest-)kosten einer beihilfekonformen privaten kranken- (und pflege-)versicherung für diese und ihre familie reduziert. auch dieses vorgehen entspricht der höchstrichterlichen rechtsprechung. 128vgl. bverwg, urteil vom 31.01.2019 – 2 c 28.17 –, juris rn. 28 m. w. n. 129soweit es um das erfordernis eines abzugs der krankenversicherungskosten für ein drittes kind eines beamten bei der ermittlung des ihm verbleibenden "nettomehrbetrages" geht, steht dieses im streitfall zudem aufgrund der bindungswirkung des zurückverweisenden urteils des bundesverwaltungsgerichts fest. die zurückverweisung erfolgte, weil der senat feststellungen über diese kosten bislang nicht getroffen hatte, und zu dem zweck, diese kosten nunmehr konkret zu ermitteln. 130cc) die vom beklagten vorgelegte alternativberechnung hat der kläger in der mündlichen verhandlung hinsichtlich der vorgenannten maßgaben unstreitig gestellt. auch der senat hat keinen anlass, hieran insoweit zu zweifeln. zwischen den beteiligten umstritten sind lediglich die fragen, mit welchem betrag die für die zwei bzw. drei kinder des beamten zu berücksichtigenden krankenversicherungskosten einzustellen sind und ob in die berechnung des "nettomehrbetrags" auch die in unterschiedlicher höhe von beihilfeleistungen des dienstherrn an beamte der (ehemaligen) besoldungsgruppe des klägers mit zwei (180 €) und drei kindern (120 €) jährlich in abzug gebrachte kostendämpfungspauschale einzustellen ist. 131dd) bei die berechnung für das jahr 2010 zu berücksichtigen sind – wie in der vom beklagten vorgelegten alternativberechnung geschehen – durchschnittliche kosten für eine mit den beihilferegelungen in nordrhein-westfalen konforme krankenversicherung eines kindes und minderjährigen in höhe von monatlich 32,54 €. das ergibt sich aus den vom senat eingeholten auskünften des pkv vom 21. januar 2020 und 10. september 2020. hierbei handelt es sich nach dessen angaben um einen aus den dort vorliegenden angaben extrapolierten durchschnittswert der in der "versicherungswirklichkeit" wirklich versicherten kinder. dieser sei für die kinder (geschlechtsübergreifend) von der geburt bis zum 25 lebensjahr gleich. 132die kosten einer versicherung nach dem beihilfekonformen basistarif, den private krankenversicherungen seit dem 1. januar 2009 anzubieten verpflichtet sind, beliefen sich unter zugrundelegung der angaben des pkv, nach denen die einzelnen versicherungsunternehmen auf grundlage einer branchenweiten kalkulation, die schon im jahr 2009 zu einem betrag von monatlich 56,48 € geführt habe, und unter berücksichtigung ihrer unternehmensindividuellen kostensätze beiträge mit einer streuung von bis zu 3 € erhoben hätten, – u.a. – im dem streitjahr vorangegangenen jahr 2009 auf monatlich zwischen 53,48 € und 59,48 €. der senat hat keinen anhalt für die annahme, die beträge hätten sich im folgejahr vermindert. im gegenteil geht er aufgrund eigener erfahrung mit beiträgen für private krankenversicherungen davon aus, dass diese beiträge im streitjahr gleich geblieben sind oder sich geringfügig erhöht haben. demgemäß können sie im vorliegenden zusammenhang außer acht bleiben. 133der senat sieht sich durch die konkreten maßgaben, die das bundesverwaltungsgericht in dem zurückverweisenden urteil hinsichtlich der ermittlungsweise der von den nettobezügen abzuziehenden krankenversicherungskosten gemacht hat, nicht gehindert, die vom pkv genannten durchschnittlichen krankenversicherungskosten zugrunde zu legen, ohne etwa weitere ermittlungen nach den "günstigsten am markt erreichbaren möglichkeiten zur privaten krankenversicherung eines kindes" anzustellen. das bundesverwaltungsgericht selbst weist darauf hin, dass nach der vollstreckungsanordnung des bundesverfassungsgerichts "bei der berechnung der durchschnitt maßgeblich ist",– 134vgl. bverwg, urteil vom 31.01.2019 – 2 c 28.17 –, juris rn. 30, mit hinweis auf bverfg, beschluss vom 24.11.1998 – 2 bvl 26/91 u.a. – bverfge 99, 300, 323; vgl. jetzt auch bverfg, beschluss vom 04.05.2020 – 2 bvl 6/17 u.a. –, juris rn. 66. 135diesem ansatz und der verpflichtung, bei der bemessung der alimentation die dem beamten entstehenden unterhaltspflichten realitätsgerecht zu berücksichtigen – 136vgl. bverwg, urteil vom 31.01.2019 – 2 c 28.17 –, juris rn. 26, mit hinweis auf bverfg, beschluss vom 24.11.1998 – 2 bvl 26/91 u.a. –, bverfge 99, 300, 314 f., sowie urteil vom 06.03.2007 – 2 bvr 556/04 –, bverfge 117, 330, 351 – 137widerspräche es, einer berechnung der mindestalimentation (zwingend) die annahme zugrunde zu legen, ein beamter werde für die krankenversicherung seines neugeborenen kindes ausschau nach der günstigsten am markt befindlichen versicherungsmöglichkeit halten – anstatt das kind dort gegen krankheit zu versichern, wo er selbst und ggf. seine ehefrau und die beiden älteren kinder krankenversichert sind. dem trägt die berücksichtigung des vom pkv genannten durchschnittswertes der kosten der in der "versicherungswirklichkeit" wirklich versicherten kinder rechnung. eine bindung des senats gemäß § 144 abs. 6 vwgo an die hinsichtlich der weiteren sachaufklärung vom bundesverwaltungsgericht erteilten, die entscheidung nicht tragenden empfehlungen und hinweise für die weitere behandlung der rechtssache nach zurückverweisung (sog. "segelhinweise") besteht nicht. 138vgl. bverwg, urteile vom 27.04.2016 – 6 c 5.15 –, juris rn. 16 = bverwge 155, 58, und vom 25.05.1984 – 8 c 108.82 –, juris rn. 27 = njw 1985, 393 m. w. hinw.; beschluss vom 29.04.2019 – 2 b 25.18 –, juris rn. 12 = buchholz 310 § 144 vwgo nr. 83; ovg nrw, beschluss vom 15.05.2000 – 21 a 3523/99.a –, juris rn. 14; vgh bad.-württ., beschluss vom 05.09.1997 – a 16 s 2354/97 –, juris rn. 5. 139da die versicherungskosten nach den angaben des pkv in den altersstufen bis 25 jahren gleich sind, kann auf sich beruhen, ob in eine ansonsten gebotene durchschnittsbildung die jahrgänge bis zum 25. lebensjahr einzustellen sind – 140so bverwg, urteil vom 31.01.2019 – 2 c 28.17 –, juris rn. 30 – 141oder lediglich bis zum 18. lebensjahr – 142vgl. bverfg, beschluss vom 04.05.2020 – 2 bvl 6/17 u.a. –, juris rn. 44. 143der senat sieht keine veranlassung, statt der ihm auf seine auskunft hin vom pkv genannten durchschnittlichen kosten einer beihilfekonformen krankenversicherung des kindes eines nordrhein-westfälischen beamten in höhe von 32,54 € den wert von 27 € zugrunde zu legen, der sich aus einer tabelle über "kosten für private krankenversicherung ohne wahlleistungen (also beg-berücksichtigungsfähiger anteil)" mit dem stand 12.12.2018 ergibt, die der pkv mit schreiben vom 18. januar 2019 dem bundesverfassungsgericht zum verfahren 2 bvl 4/18 übersandt hat, wie dies der beklagte für "sachgerecht" hält. diese zahlenangaben stammen von derselben auskunftsquelle wie die im streitfall eingeholten. sie betreffen ein anderes bundesland (berlin). im übrigen sind sie einer auskunft entnommen, die älter ist als die dem senat vorliegende. schließlich beruhen sie nach dem anschreiben des pkv vom 18. januar 2019 an das bundesverfassungsgericht auf einem von diesem übersandten schreiben und telefonischen besprechungen, über die nichts bekannt ist. der senat vermag keine überzeugenden gründe zu erkennen, warum diese angaben den vorrang gegenüber den zahlen verdienten, die er selbst eingeholt hat. hieran ändert es nichts, dass das bundesverfassungsgericht selbst in einem zwar das land nordrhein-westfalen, jedoch abweichende jahre, betreffenden verfahren auf die ihm für das land berlin vorliegenden zahlenwerte zurückgegriffen hat. 144abgesehen hiervon wäre der berufung auch bei zugrundelegung der dem bundesverfassungsgericht in dem das land berlin betreffenden verfahren genannten krankenversicherungskosten eines kindes bzw. minderjährigen im jahr 2010 kein erfolg beschieden. in diesem fall erhöhte sich der "nettomehrbetrag" nach den vom beklagten vorgelegten berechnungen (fassungen vom 23. und 28. september 2020) noch von 391,59 € auf 395,74 €. 145ee) zutreffend hat der beklagte in seine berechnungen des "nettomehrbetrages" auch die kostendämpfungspauschale gemäß § 12a beihilfeverordnung nrw (bvo nrw) eingestellt. die hiergegen gerichtete kritik des klägers greift nicht durch. wie bereits ausgeführt, hat der beklagte dem kläger eine alimentation zu gewähren, die es ihm ermöglicht, den anzuerkennenden unterhalt für sein drittes kind – in höhe das 1,15-fachen des hierfür gesetzlich vorgesehenen sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs – ohne zugriff auf nicht familienbezogene bezügebestandteile zu decken. für die alimentation ist anerkannt, dass einschnitte im bereich der beihilfe für beamte im krankheitsfall in form des abzugs eines jährlichen selbstbehalts wie der nordrhein-westfälischen kostendämpfungspauschale als minderung einer anderweitigen alimentationsleistung in die beurteilung der amtsangemessenheit einzubeziehen sind. 146vgl. bverfg, beschluss vom 17.11.2015 – 2 bvl 19/09 u.a. –, juris rn. 133, 153; bverwg, beschluss vom 22.09.2017 – 2 c 56.16 u.a. –, juris rn. 102, 105 147hiervon ausgehend ist es zwingend, die auswirkung der in § 12a abs. 1 und abs. 5 bvo nrw getroffenen regelung, dass grundsätzlich eine kostendämpfungspauschale in höhe von 300 € in ansatz zu bringen ist, diese sich jedoch um 60 € für jedes zu berücksichtigende kind vermindert, so dass ein beamter mit drei kindern im vergleich mit einem beamten mit zwei kindern den letztgenannten betrag mehr zur verfügung hat, in die berechnung des "nettomehrbetrages", der gerade dieser vergleich zugrunde liegt, einzubeziehen. 148vgl. bverwg, urteil vom 28.04.2011 – 2 c 51.08 –, juris rn. 12, das ausdrücklich darauf hinweist, die verringerung der kostendämpfungspauschale je kind stelle für beamte eine entlastung dar. 149insofern ist es nicht von ausschlaggebender bedeutung, dass eine kostendämpfungspauschale nur anfällt, wenn der beamte beihilfeleistungen tatsächlich in anspruch nimmt. bei der im vorliegenden zusammenhang gebotenen realitätsgerechten betrachtung ist davon auszugehen, dass ein vier-personen-haushalt mit zwei ebenso wie ein fünf-personen-haushalt mit drei kindern typischerweise in jedem kalenderjahr ärztliche behandlungen in einem solchen umfang in anspruch nehmen, dass die zu gewährende beihilfe 180 € bzw. 120 € (§ 12a abs. 1 satz 2, abs. 5 bvo nrw) übersteigt. der einbeziehung der kostendämpfungspauschale steht ferner nicht entgegen, dass das bundesverfassungsgericht diese in dem beschluss vom 4. mai 2020 unterlassen hat. es ist einer berücksichtigung nicht entgegengetreten, sondern konnte die frage offen lassen, weil es für die entscheidung hierauf nicht ankam. 150vgl. bverfg, beschluss vom 04.05.2020 – 2 bvl 6/17 u.a. –, juris rn. 84; ebenso im beschluss vom 04.05.2020 – 2 bvl 4/18 –, juris rn. 148. 1514. der demzufolge einem beamten der (damaligen) besoldungsgruppe des klägers bei pauschalisierender und typisierender betrachtung für den unterhalt seines dritten kindes im jahr 2010 zur verfügung stehende "nettomehrbetrag" in höhe von 391,59 € reichte aus, um den bedarf für sein drittes kind in höhe des 1,15-fachen des sozialhilferechtlichen gesamtbedarfs, der sich nach obenstehenden ausführungen auf 388,94 € belief, zu decken. 152c. die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 2 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 abs. 1 satz 1 vwgo i. v. m. §§ 708 nr. 10, 709 satz 2, 711 zpo. 153die revision ist zuzulassen, weil die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat. | Verklagte*r | 0 |
164,647 | S 40 KR 867/13 | 2015-06-22T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 17.04.2012 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über die Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro. Der Versicherte E wurde im Krankenhaus der Klägerin vom 01.09.2011 bis 03.09.2011 behandelt. Darüber stellte sie der Beklagten eine Rechnung in Höhe von 2.114,87 Euro. Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Prüfung der Aufenthaltsdauer ein, der in seinem Gutachten vom 06.03.2012 die Überschreitung der unteren Grenzverweildauer bestätigte. Daraufhin stellte die Klägerin am 30.03.2012 eine Rechnung über die Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro. Die Beklagte verweigerte jedoch in der Folgezeit die Zahlung. Mit der am 16.07.2013 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, dass die vermeintlich fehlerhafte Kodierung schon nicht in einem Zusammenhang mit dem Prüfauftrag stehe. Dieser habe sich nicht auf eine vermeintliche Notfallbehandlung bezogen. Der MDK habe zudem die Aufnahmegründe bestätigt. Auch verschiedene Sozialgerichte (SG) hätten einen Anspruch auf die Aufwandspauschale angenommen und teilweise gegen die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entschieden. Bestätigt werde die Sichtweise der Klägerin auch durch die Rechtsprechung des 3. Senats des BSG. Es liege schließlich keine fehlerhafte Kodierung vor. Der Versicherte sei mit einer Überweisung seines Urologen erschienen. Die Software lasse aber die Angabe, dass man mit Einweisung als Notfall komme, nicht zu. Vielmehr sei bei einer Einweisung immer ein Normalfall anzugeben. Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.04.2012 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung führt sie aus, dass es sich um eine Notfallbehandlung gehandelt habe. Die Klägerin habe aber einen Normalfall angegeben, was falsch gewesen sei. Entgegen der Ansicht der Klägerin könne auch ein Notfall übermittelt werden. Zumindest wäre sie nach der Rechtsprechung des BSG in der Lage gewesen, die entsprechende Information auf anderem Wege zu übermitteln. Für einen Normalfall sei aber die Verweildauer nicht nachvollziehbar. Es handele sich zudem um Eingriffe, die nach dem AOP-Katalog ambulant erbracht werden könnten, so dass es genauerer Angaben bedurft hätte, warum diese nunmehr stationär durchgeführt worden seien. Es handele sich daher um eine fehlerhafte Kodierung, die nach dem BSG nicht zu einer Aufwandspauschale führe. Dies sei auch recht und billig, weil sich die Krankenkasse auf die Schlussrechnung verlassen können müsse und das Krankenhaus entsprechende Angaben machen könne. Mit dem BSG sei die Vorschrift über die Fallpauschale einschränkend auszulegen, so dass schon jede fehlerhafte Kodierung der Zahlung entgegenstehe. Mit dem LSG Berlin-Brandenburg komme es auf eine Kausalität nicht an. Ebenso habe das BSG bestätigt, dass die Kasse keinen Prüfgrund angeben müsse. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die das Gericht beigezogen hat und deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen. 3Entscheidungsgründe: 41. Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch in Höhe von 300,00 Euro zu. Anspruchsgrundlage ist § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V, deren Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind. a. Nach § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro zu entrichten, falls die Prüfung nach § 275 Abs. 1 SGB V nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt. Nach der Vorschrift ist eine Aufwandspauschale zu zahlen, wenn eine gezielte Beauftragung des MDK mit der Prüfung vorliegt, dem Krankenhaus ein tatsächlicher Aufwand entstanden ist, eine Minderung des Rechnungsbetrages aufgrund der Prüfung nicht erfolgt ist und das Krankenhaus im Übrigen keine Veranlassung für das Prüfverfahren gegeben hat (BSG, Urteil vom 22.06.2010, Az.: B 1 KR 1/10 R; BSG, Urteil vom 28.11.2013, Az.: B 3 KR 4/13 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.08.2013, Az.: L 1 KR 295/12). Unstreitig hat eine Prüfung durch den MDK stattgefunden, die zu keiner Minderung des Rechnungsbetrages geführt und die einen Aufwand für die Klägerin verursacht hat. Die Prüfung ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht durch ein Fehlverhalten der Klägerin verursacht worden. Denn eine solche Konstellation ist nur dann gegeben, wenn die Prüfung auf einer nachweislich fehlerhaften Rechnung des Krankenhauses beruht (BSG, Urteil vom 22.06.2010, Az.: B 1 KR 1/10 R; BSG, Urteil vom 28.11.2013, Az.: B 3 KR 4/13 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.08.2013, Az.: L 1 KR 295/12). Die damit allenfalls im Ausnahmefall gegebene Möglichkeit der Einschränkung des § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V ist vom Willen des Gesetzgebers getragen, die Abrechnungsstreitigkeiten nicht in die Prüfung der Voraussetzungen der Aufwandspauschale zu verlagern (BSG, Urteil vom 28.11.2013, Az.: B 3 KR 4/13 R; dem folgend SG Dortmund, Urteil vom 16.09.2014, Az.: S 40 KR 672/13). Denn mit der Regelung des § 275 Abs. 1c SGB V sollte die Prüfungstätigkeit der Krankenkassen eingeschränkt werden. Daher sollte für den Fall einer Prüfung ohne Rechnungskürzung eine einfache Regelung zur pauschalen Abgeltung des dem Krankenhaus entstandenen Aufwandes getroffen werden, die zugleich eine abschreckende Wirkung auf die Krankenkasse haben sollte (vgl. BT-Drucks. 16/3100, S. 171; Heberlein, in: Beck scher Online-Kommentar, SGB V, § 275 Rn. 59). Eine Einzelfallgerechtigkeit wurde nicht angestrebt (BT-Drucks. 16/3100, S. 171). Eine danach erforderliche nachweislich fehlerhafte Kodierung ist hier nicht gegeben. Vielmehr ist die Frage, ob eine solche fehlerhafte Kodierung vorliegt, zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits überaus umstritten. Es ist für die Kammer jedenfalls anhand der von der Klägerin überreichten Auszüge aus der "Anlage 1 zur § 301 – Vereinbarung" nicht ohne Weiteres klar, dass hier ein Notfall zu kodieren war. Eine hinreichend klare Regelung, aus der sich ergäbe, dass trotz Einweisung durch einen Arzt in jedem Fall ein Notfall zu kodieren ist, findet sich nicht. Es kommt vielmehr ebenso in Betracht, hier wegen der Einweisung eines Vertragsarztes einen Normalfall zu kodieren, mag auch der gesundheitliche Zustand des Patienten so schlecht gewesen sein, dass dem Grunde nach ein Notfall vorgelegen hat. So sieht die Anlage z.B. bei einem Arbeitsunfall explizit entweder die Angabe eines Arbeitsunfalls (Nr. 02) oder eines Notfalles (Nr. 07) vor (vgl. S. 6). Ebenso unterscheidet die Anlage zwischen einer Einweisung durch einen Vertragsarzt und einer Notfallaufnahme, wo die veranlassende Stelle anzugeben ist (vgl. S. 48 f.). Es entspricht nicht Sinn und Zweck der Aufwandspauschale sowie dem Willen des Gesetzgebers, die umstrittene Frage im Rahmen des hiesigen Rechtsstreits zu klären. Da keine nachweislich fehlerhafte Kodierung vorlag, war der Klage im Übrigen statt zu geben. b. Dem steht die Rechtsprechung des 1. Senats des BSG, wonach die Aufwandspauschale bei Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit nicht anfalle, nicht entgegen. Soweit das BSG seit 2014 (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2014, Az.: B 1 KR 29/13 R; BSG, Urteil vom 14.10.2014, Az.: B 1 KR 25/13 R, zuletzt BSG, Urteil 10.03.2015, Az.: B 1 KR 4/15 R) die Ansicht vertritt, dass es sich bei der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Rechnung um ein eigenständiges Prüfregime neben § 275 SGB V handele und mithin kein Anspruch auf die Aufwandspauschale bestehe, folgt dem die Kammer nicht (wie hier SG Mainz, Urteil vom 04.05.2015, Az.: S 3 KR 428/14; Knispel, GesR 2015, 200 (205 ff.)). Nach dem Wortlaut des § 275 Abs. 1c SGB V ist auch die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit erfasst und stellt kein eigenständiges Prüfregime dar. Die Angabe des § 39 SGB V in S. 1 des § 275 Abs. 1c SGB V dient nur der Abgrenzung zu den sonstigen Prüfanlässen in § 275 Abs. 1 SGB V. Die Vorschrift selbst nimmt sodann ausdrücklich Bezug auf § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ist die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit als Prüfanlass erfasst. Denn danach besteht eine Verpflichtung zur Einschaltung des MDK bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung. Das bedeutet nach Ansicht der Kammer nichts anderes als die Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Dies hat mithin auch für § 275 Abs. 1c SGB V zu gelten (s.a. SG Mainz, Urteil vom 04.05.2015, Az.: S 3 KR 428/14; Knispel, GesR 2015, 200 (206); ebenso noch BSG, Urteil vom 17.12.2013, Az.: B 1 KR 14/13 R). Eine solche Sichtweise wird vom Sinn und Zweck der Regelung des § 275 Abs. 1c getragen. Damit sollte nämlich die Prüfungstätigkeit der Krankenkassen eingeschränkt werden (BT-Drucks. 16/3100, S. 171). Ein erheblicher Teil der Prüfungen der Kassen bezieht sich mittlerweile auf die Prüfung der Abrechnung, insbesondere auf die Überprüfung der Kodierung des Aufenthalts. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diesen erheblichen Teil der Überprüfungstätigkeiten der Kassen aus der Regelung ausnehmen wollte (vgl. BT-Drucks. 16/3100, S. 171, wo ausdrücklich Fehlabrechnungen aufgrund der Komplexität und des Umfangs der Kodierregelungen erwähnt werden). Der Regelung würde ansonsten im erheblichen Maße die Wirksamkeit genommen. Anhaltspunkte in diese Richtung finden sich in der Gesetzesbegründung daher zu Recht nicht. Der danach klar zu Tage tretende Wille des Gesetzgebers ist durch die Kammer zu beachten (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 25.01.2011, Az.: 1 BvR 918/10; BVerfG, Beschluss vom 26.09.2011, Az.: 2 BvR 2216/06 u.a.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.08.2012, Az.: L 23 SF 80/12 B AB; Rüthers, NJW 2011, 1856 ff.; Wedel, NJW 2012, 719 f.). Lässt sich der Wille des Gesetzgebers – wie hier – eindeutig feststellen, gebietet es der Respekt vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber, diesem bei der Anwendung der Norm Ausdruck zu verleihen. Jedenfalls darf das Gericht nicht durch seine Auslegung das gesetzgeberische Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen oder an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers gar eine eigene treten lassen. Einen tragfähigen Grund, warum nunmehr die gesetzliche Vorschrift einschränkend auszulegen sein soll, hat der 1. Senat nicht benannt. Vielmehr wird der Wortlaut der Vorschrift durch das BSG entgegen der gesetzgeberischen Wertung eingeschränkt, was sich kaum mit den anerkannten Auslegungsmethoden in Einklang bringen lässt. Dies lässt sich auch nicht dadurch umgehen, dass man ein neues Prüfregime neben § 275 SGB V konstruiert. Unabhängig von der Frage ist im vorliegenden Fall ein eindeutiger Prüfauftrag zur Überprüfung der Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung erteilt worden, dem der MDK auch nachgekommen ist. In einem solchen Fall kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht wiederum eine Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit quasi hineinkonstruiert werden. Vielmehr muss auch diese sich an den von ihr erteilten Prüfauftrag festhalten lassen. Damit aber steht die Rechtsprechung des BSG zur Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit dem Anspruch der Klägerin im hiesigen Fall nach Ansicht der Kammer nicht entgegen. c. Der Anspruch ist nicht durch die Rechtsprechung des 3. Senats ausgeschlossen, wonach bei Operationen, die grundsätzlich ambulant erbracht werden können, in jedem Falle der Grund für die stationäre Durchführung mitzuteilen ist (BSG, vom 21.03.2013, Az.: B 3 KR 28/12 R). Folgte man allerdings der Rechtsprechung des BSG, hätte die hiesige Klägerin eine Begründung angeben müssen, warum die von ihr durchgeführte Operation nicht im ambulanten Setting erbracht werden konnte. Daran fehlt es vorliegend. Das hätte wiederum zur Folge, dass die Forderung noch nicht fällig geworden wäre, als der MDK durch die Beklagte eingeschaltet wurde. Nach dem Stufenschema des BSG wäre mithin die dritte Stufe, die allein durch § 275 Abs. 1c SGB V erfasst sein soll, gar nicht erreicht, eine Aufwandspauschale mithin nicht zu zahlen. Auch diese Rechtsprechung lässt sich aber schwerlich mit dem geltenden Recht in Einklang bringen. Denn die zu übermittelnden Daten wurden in § 301 SGB V ausdrücklich geregelt. Wie auch das BSG zu Recht betont, ist diese Vorschrift abschließend (s.a. Hess, in: Kasseler Kommentar, SGB V, § 301 Rn. 2; Scholz, in: Beck scher Online-Kommentar, SGB V, § 301 Rn. 1). Eine Grundlage, auf der die Klägerin nunmehr zur Übermittlung weiterer Daten an die Krankenkasse befugt bzw. verpflichtet wäre, findet sich nicht. Der Grund der Aufnahme war vorliegend die Einweisung durch einen Vertragsarzt. Damit ist dieser Tatbestand (§ 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V) erschöpft. Weitere Angaben, warum die Operation stationär durchgeführt wurde, können nicht darunter gefasst werden (a.A. Knispel, GesR 2015, 200 (204)). Denn erfasst wird nur die Angabe des Aufnahmegrundes (Singular), nicht einer Begründung. Ohne eine solche gesetzliche Grundlage fehlt es an einer Verpflichtung zur Übermittlung. Der Übermittlung stehen vielmehr die Vorschriften des § 35 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch (SGB I), des § 67 a Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch (SGB X) entgegen. Die Datenschutzvorschriften des § 35 SGB I, § 67 ff. SGB X sowie der § 284 ff. SGB V dienen dem Schutz des verfassungsrechtlich verbürgten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Versicherten. In dieses Recht darf nur aufgrund oder durch Gesetz eingegriffen werden, woran es nach Ansicht der Kammer fehlt. Eine entsprechende Befugnis kommt nach § 276 SGB V nur dem MDK zu. Zwar führt das im Ergebnis zu vermehrten Prüftätigkeiten des MDK. Folge davon kann jedoch nur sein, dass der Gesetzgeber bei Vorliegen eines entsprechenden Bedürfnisses die Regelung des § 301 SGB V anpasst. Da mithin entgegen der Ansicht des BSG alle relevanten Daten übermittelt wurden, war die Forderung nach Ansicht der Kammer fällig und mit der Einschaltung des MDK lagen die Voraussetzungen des § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V vor. Dem kann man nicht mit dem BSG entgegenhalten, dass es sich bei den zu übermittelnden Daten regelmäßig nicht um medizinische Informationen handeln dürfte, sondern lediglich Angaben für das Abweichen vom Standardvorgehen "ambulant vor stationär" erforderlich seien. Denn einerseits kommt es für die Frage des Datenschutzes nicht auf die Unterscheidung zwischen medizinischen und sonstigen Gründen an (vgl. § 67 Abs. 1 S. 2 SGB X mit seiner Regelung zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen; s.a. die Auflistung von Sozialdaten bei Seewald, in: Kasseler Kommentar, SGB I, § 35 Rn. 6a ff.). Andererseits geht diese Sichtweise auch fehl. Schon ein Blick auf die G-AEP-Kriterien zeigt vielmehr, dass regelmäßig medizinische Fragen relevant werden. 2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 3. Die Berufung war hier gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen, weil die Kammer von der Rechtsprechung des BSG in streitentscheidender Weise abgewichen ist. | die beklagte wird verurteilt, an die klägerin 300,00 euro nebst zinsen in höhe von 2 prozentpunkten über dem jeweils gültigen basiszinssatz seit dem 17.04.2012 zu zahlen. die beklagte trägt die kosten des verfahrens. die berufung wird zugelassen. 1 | 2die beteiligten streiten über die zahlung einer aufwandspauschale in höhe von 300,00 euro. der versicherte e wurde im krankenhaus der klägerin vom 01.09.2011 bis 03.09.2011 behandelt. darüber stellte sie der beklagten eine rechnung in höhe von 2.114,87 euro. die beklagte schaltete den medizinischen dienst der krankenversicherung (mdk) zur prüfung der aufenthaltsdauer ein, der in seinem gutachten vom 06.03.2012 die überschreitung der unteren grenzverweildauer bestätigte. daraufhin stellte die klägerin am 30.03.2012 eine rechnung über die aufwandspauschale in höhe von 300,00 euro. die beklagte verweigerte jedoch in der folgezeit die zahlung. mit der am 16.07.2013 erhobenen klage verfolgt die klägerin ihr begehren weiter. sie ist der ansicht, dass die vermeintlich fehlerhafte kodierung schon nicht in einem zusammenhang mit dem prüfauftrag stehe. dieser habe sich nicht auf eine vermeintliche notfallbehandlung bezogen. der mdk habe zudem die aufnahmegründe bestätigt. auch verschiedene sozialgerichte (sg) hätten einen anspruch auf die aufwandspauschale angenommen und teilweise gegen die rechtsprechung des bundessozialgerichts (bsg) entschieden. bestätigt werde die sichtweise der klägerin auch durch die rechtsprechung des 3. senats des bsg. es liege schließlich keine fehlerhafte kodierung vor. der versicherte sei mit einer überweisung seines urologen erschienen. die software lasse aber die angabe, dass man mit einweisung als notfall komme, nicht zu. vielmehr sei bei einer einweisung immer ein normalfall anzugeben. die klägerin beantragt, die beklagte zu verurteilen, an sie 300,00 euro nebst zinsen in höhe von 2 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 17.04.2012 zu zahlen. die beklagte beantragt, die klage abzuweisen. zur begründung führt sie aus, dass es sich um eine notfallbehandlung gehandelt habe. die klägerin habe aber einen normalfall angegeben, was falsch gewesen sei. entgegen der ansicht der klägerin könne auch ein notfall übermittelt werden. zumindest wäre sie nach der rechtsprechung des bsg in der lage gewesen, die entsprechende information auf anderem wege zu übermitteln. für einen normalfall sei aber die verweildauer nicht nachvollziehbar. es handele sich zudem um eingriffe, die nach dem aop-katalog ambulant erbracht werden könnten, so dass es genauerer angaben bedurft hätte, warum diese nunmehr stationär durchgeführt worden seien. es handele sich daher um eine fehlerhafte kodierung, die nach dem bsg nicht zu einer aufwandspauschale führe. dies sei auch recht und billig, weil sich die krankenkasse auf die schlussrechnung verlassen können müsse und das krankenhaus entsprechende angaben machen könne. mit dem bsg sei die vorschrift über die fallpauschale einschränkend auszulegen, so dass schon jede fehlerhafte kodierung der zahlung entgegenstehe. mit dem lsg berlin-brandenburg komme es auf eine kausalität nicht an. ebenso habe das bsg bestätigt, dass die kasse keinen prüfgrund angeben müsse. wegen des weiteren sach- und streitstandes wird auf die gerichtsakte sowie die verwaltungsakte der beklagten, die das gericht beigezogen hat und deren inhalt gegenstand der mündlichen verhandlung gewesen ist, bezug genommen. 3 | 41. die zulässige klage ist begründet. der klägerin steht der geltend gemachte anspruch in höhe von 300,00 euro zu. anspruchsgrundlage ist § 275 abs. 1c s. 3 sgb v, deren voraussetzungen vorliegend erfüllt sind. a. nach § 275 abs. 1c s. 3 sgb v hat die krankenkasse dem krankenhaus eine aufwandspauschale in höhe von 300 euro zu entrichten, falls die prüfung nach § 275 abs. 1 sgb v nicht zu einer minderung des abrechnungsbetrags führt. nach der vorschrift ist eine aufwandspauschale zu zahlen, wenn eine gezielte beauftragung des mdk mit der prüfung vorliegt, dem krankenhaus ein tatsächlicher aufwand entstanden ist, eine minderung des rechnungsbetrages aufgrund der prüfung nicht erfolgt ist und das krankenhaus im übrigen keine veranlassung für das prüfverfahren gegeben hat (bsg, urteil vom 22.06.2010, az.: b 1 kr 1/10 r; bsg, urteil vom 28.11.2013, az.: b 3 kr 4/13 r; lsg berlin-brandenburg, urteil vom 23.08.2013, az.: l 1 kr 295/12). unstreitig hat eine prüfung durch den mdk stattgefunden, die zu keiner minderung des rechnungsbetrages geführt und die einen aufwand für die klägerin verursacht hat. die prüfung ist entgegen der ansicht der beklagten nicht durch ein fehlverhalten der klägerin verursacht worden. denn eine solche konstellation ist nur dann gegeben, wenn die prüfung auf einer nachweislich fehlerhaften rechnung des krankenhauses beruht (bsg, urteil vom 22.06.2010, az.: b 1 kr 1/10 r; bsg, urteil vom 28.11.2013, az.: b 3 kr 4/13 r; lsg berlin-brandenburg, urteil vom 23.08.2013, az.: l 1 kr 295/12). die damit allenfalls im ausnahmefall gegebene möglichkeit der einschränkung des § 275 abs. 1c s. 3 sgb v ist vom willen des gesetzgebers getragen, die abrechnungsstreitigkeiten nicht in die prüfung der voraussetzungen der aufwandspauschale zu verlagern (bsg, urteil vom 28.11.2013, az.: b 3 kr 4/13 r; dem folgend sg dortmund, urteil vom 16.09.2014, az.: s 40 kr 672/13). denn mit der regelung des § 275 abs. 1c sgb v sollte die prüfungstätigkeit der krankenkassen eingeschränkt werden. daher sollte für den fall einer prüfung ohne rechnungskürzung eine einfache regelung zur pauschalen abgeltung des dem krankenhaus entstandenen aufwandes getroffen werden, die zugleich eine abschreckende wirkung auf die krankenkasse haben sollte (vgl. bt-drucks. 16/3100, s. 171; heberlein, in: beck scher online-kommentar, sgb v, § 275 rn. 59). eine einzelfallgerechtigkeit wurde nicht angestrebt (bt-drucks. 16/3100, s. 171). eine danach erforderliche nachweislich fehlerhafte kodierung ist hier nicht gegeben. vielmehr ist die frage, ob eine solche fehlerhafte kodierung vorliegt, zwischen den beteiligten des rechtsstreits überaus umstritten. es ist für die kammer jedenfalls anhand der von der klägerin überreichten auszüge aus der "anlage 1 zur § 301 – vereinbarung" nicht ohne weiteres klar, dass hier ein notfall zu kodieren war. eine hinreichend klare regelung, aus der sich ergäbe, dass trotz einweisung durch einen arzt in jedem fall ein notfall zu kodieren ist, findet sich nicht. es kommt vielmehr ebenso in betracht, hier wegen der einweisung eines vertragsarztes einen normalfall zu kodieren, mag auch der gesundheitliche zustand des patienten so schlecht gewesen sein, dass dem grunde nach ein notfall vorgelegen hat. so sieht die anlage z.b. bei einem arbeitsunfall explizit entweder die angabe eines arbeitsunfalls (nr. 02) oder eines notfalles (nr. 07) vor (vgl. s. 6). ebenso unterscheidet die anlage zwischen einer einweisung durch einen vertragsarzt und einer notfallaufnahme, wo die veranlassende stelle anzugeben ist (vgl. s. 48 f.). es entspricht nicht sinn und zweck der aufwandspauschale sowie dem willen des gesetzgebers, die umstrittene frage im rahmen des hiesigen rechtsstreits zu klären. da keine nachweislich fehlerhafte kodierung vorlag, war der klage im übrigen statt zu geben. b. dem steht die rechtsprechung des 1. senats des bsg, wonach die aufwandspauschale bei prüfung der sachlich-rechnerischen richtigkeit nicht anfalle, nicht entgegen. soweit das bsg seit 2014 (vgl. bsg, urteil vom 01.07.2014, az.: b 1 kr 29/13 r; bsg, urteil vom 14.10.2014, az.: b 1 kr 25/13 r, zuletzt bsg, urteil 10.03.2015, az.: b 1 kr 4/15 r) die ansicht vertritt, dass es sich bei der prüfung der sachlich-rechnerischen richtigkeit der rechnung um ein eigenständiges prüfregime neben § 275 sgb v handele und mithin kein anspruch auf die aufwandspauschale bestehe, folgt dem die kammer nicht (wie hier sg mainz, urteil vom 04.05.2015, az.: s 3 kr 428/14; knispel, gesr 2015, 200 (205 ff.)). nach dem wortlaut des § 275 abs. 1c sgb v ist auch die prüfung der sachlich-rechnerischen richtigkeit erfasst und stellt kein eigenständiges prüfregime dar. die angabe des § 39 sgb v in s. 1 des § 275 abs. 1c sgb v dient nur der abgrenzung zu den sonstigen prüfanlässen in § 275 abs. 1 sgb v. die vorschrift selbst nimmt sodann ausdrücklich bezug auf § 275 abs. 1 nr. 1 sgb v. nach § 275 abs. 1 nr. 1 sgb v ist die prüfung der sachlich-rechnerischen richtigkeit als prüfanlass erfasst. denn danach besteht eine verpflichtung zur einschaltung des mdk bei auffälligkeiten zur prüfung der ordnungsgemäßen abrechnung. das bedeutet nach ansicht der kammer nichts anderes als die überprüfung der sachlich-rechnerischen richtigkeit. dies hat mithin auch für § 275 abs. 1c sgb v zu gelten (s.a. sg mainz, urteil vom 04.05.2015, az.: s 3 kr 428/14; knispel, gesr 2015, 200 (206); ebenso noch bsg, urteil vom 17.12.2013, az.: b 1 kr 14/13 r). eine solche sichtweise wird vom sinn und zweck der regelung des § 275 abs. 1c getragen. damit sollte nämlich die prüfungstätigkeit der krankenkassen eingeschränkt werden (bt-drucks. 16/3100, s. 171). ein erheblicher teil der prüfungen der kassen bezieht sich mittlerweile auf die prüfung der abrechnung, insbesondere auf die überprüfung der kodierung des aufenthalts. es ist nicht davon auszugehen, dass der gesetzgeber diesen erheblichen teil der überprüfungstätigkeiten der kassen aus der regelung ausnehmen wollte (vgl. bt-drucks. 16/3100, s. 171, wo ausdrücklich fehlabrechnungen aufgrund der komplexität und des umfangs der kodierregelungen erwähnt werden). der regelung würde ansonsten im erheblichen maße die wirksamkeit genommen. anhaltspunkte in diese richtung finden sich in der gesetzesbegründung daher zu recht nicht. der danach klar zu tage tretende wille des gesetzgebers ist durch die kammer zu beachten (bundesverfassungsgericht [bverfg], beschluss vom 25.01.2011, az.: 1 bvr 918/10; bverfg, beschluss vom 26.09.2011, az.: 2 bvr 2216/06 u.a.; lsg berlin-brandenburg, beschluss vom 08.08.2012, az.: l 23 sf 80/12 b ab; rüthers, njw 2011, 1856 ff.; wedel, njw 2012, 719 f.). lässt sich der wille des gesetzgebers – wie hier – eindeutig feststellen, gebietet es der respekt vor dem demokratisch legitimierten gesetzgeber, diesem bei der anwendung der norm ausdruck zu verleihen. jedenfalls darf das gericht nicht durch seine auslegung das gesetzgeberische ziel der norm in einem wesentlichen punkt verfehlen oder verfälschen oder an die stelle der regelungskonzeption des gesetzgebers gar eine eigene treten lassen. einen tragfähigen grund, warum nunmehr die gesetzliche vorschrift einschränkend auszulegen sein soll, hat der 1. senat nicht benannt. vielmehr wird der wortlaut der vorschrift durch das bsg entgegen der gesetzgeberischen wertung eingeschränkt, was sich kaum mit den anerkannten auslegungsmethoden in einklang bringen lässt. dies lässt sich auch nicht dadurch umgehen, dass man ein neues prüfregime neben § 275 sgb v konstruiert. unabhängig von der frage ist im vorliegenden fall ein eindeutiger prüfauftrag zur überprüfung der notwendigkeit der stationären krankenhausbehandlung erteilt worden, dem der mdk auch nachgekommen ist. in einem solchen fall kann entgegen der ansicht der beklagten nicht wiederum eine überprüfung der sachlich-rechnerischen richtigkeit quasi hineinkonstruiert werden. vielmehr muss auch diese sich an den von ihr erteilten prüfauftrag festhalten lassen. damit aber steht die rechtsprechung des bsg zur prüfung der sachlich-rechnerischen richtigkeit dem anspruch der klägerin im hiesigen fall nach ansicht der kammer nicht entgegen. c. der anspruch ist nicht durch die rechtsprechung des 3. senats ausgeschlossen, wonach bei operationen, die grundsätzlich ambulant erbracht werden können, in jedem falle der grund für die stationäre durchführung mitzuteilen ist (bsg, vom 21.03.2013, az.: b 3 kr 28/12 r). folgte man allerdings der rechtsprechung des bsg, hätte die hiesige klägerin eine begründung angeben müssen, warum die von ihr durchgeführte operation nicht im ambulanten setting erbracht werden konnte. daran fehlt es vorliegend. das hätte wiederum zur folge, dass die forderung noch nicht fällig geworden wäre, als der mdk durch die beklagte eingeschaltet wurde. nach dem stufenschema des bsg wäre mithin die dritte stufe, die allein durch § 275 abs. 1c sgb v erfasst sein soll, gar nicht erreicht, eine aufwandspauschale mithin nicht zu zahlen. auch diese rechtsprechung lässt sich aber schwerlich mit dem geltenden recht in einklang bringen. denn die zu übermittelnden daten wurden in § 301 sgb v ausdrücklich geregelt. wie auch das bsg zu recht betont, ist diese vorschrift abschließend (s.a. hess, in: kasseler kommentar, sgb v, § 301 rn. 2; scholz, in: beck scher online-kommentar, sgb v, § 301 rn. 1). eine grundlage, auf der die klägerin nunmehr zur übermittlung weiterer daten an die krankenkasse befugt bzw. verpflichtet wäre, findet sich nicht. der grund der aufnahme war vorliegend die einweisung durch einen vertragsarzt. damit ist dieser tatbestand (§ 301 abs. 1 s. 1 nr. 3 sgb v) erschöpft. weitere angaben, warum die operation stationär durchgeführt wurde, können nicht darunter gefasst werden (a.a. knispel, gesr 2015, 200 (204)). denn erfasst wird nur die angabe des aufnahmegrundes (singular), nicht einer begründung. ohne eine solche gesetzliche grundlage fehlt es an einer verpflichtung zur übermittlung. der übermittlung stehen vielmehr die vorschriften des § 35 des sozialgesetzbuches erstes buch (sgb i), des § 67 a abs. 2 des sozialgesetzbuches zehntes buch (sgb x) entgegen. die datenschutzvorschriften des § 35 sgb i, § 67 ff. sgb x sowie der § 284 ff. sgb v dienen dem schutz des verfassungsrechtlich verbürgten rechts auf informationelle selbstbestimmung des versicherten. in dieses recht darf nur aufgrund oder durch gesetz eingegriffen werden, woran es nach ansicht der kammer fehlt. eine entsprechende befugnis kommt nach § 276 sgb v nur dem mdk zu. zwar führt das im ergebnis zu vermehrten prüftätigkeiten des mdk. folge davon kann jedoch nur sein, dass der gesetzgeber bei vorliegen eines entsprechenden bedürfnisses die regelung des § 301 sgb v anpasst. da mithin entgegen der ansicht des bsg alle relevanten daten übermittelt wurden, war die forderung nach ansicht der kammer fällig und mit der einschaltung des mdk lagen die voraussetzungen des § 275 abs. 1c s. 3 sgb v vor. dem kann man nicht mit dem bsg entgegenhalten, dass es sich bei den zu übermittelnden daten regelmäßig nicht um medizinische informationen handeln dürfte, sondern lediglich angaben für das abweichen vom standardvorgehen "ambulant vor stationär" erforderlich seien. denn einerseits kommt es für die frage des datenschutzes nicht auf die unterscheidung zwischen medizinischen und sonstigen gründen an (vgl. § 67 abs. 1 s. 2 sgb x mit seiner regelung zu betriebs- und geschäftsgeheimnissen; s.a. die auflistung von sozialdaten bei seewald, in: kasseler kommentar, sgb i, § 35 rn. 6a ff.). andererseits geht diese sichtweise auch fehl. schon ein blick auf die g-aep-kriterien zeigt vielmehr, dass regelmäßig medizinische fragen relevant werden. 2. die kostenentscheidung folgt aus §§ 197 a abs. 1 sgg i.v.m. 155 abs. 1 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo). 3. die berufung war hier gemäß § 144 abs. 2 nr. 2 sgg zuzulassen, weil die kammer von der rechtsprechung des bsg in streitentscheidender weise abgewichen ist. | Klaeger*in | 1 |
164,795 | S 41 SO 530/14 | 2015-06-16T00:00:00 | Urteil | Tenor Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 117.823,73 EUR zu zahlen. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 1Tatbestand: 2Die Klägerin begehrt von dem Beklagten gestützt auf § 104 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die Erstattung von Kosten, die sie in der Zeit vom 01.07.2009 bis einschließlich zum 31.12.2010 im Hilfefall des XXX (fortan: Hilfeempfänger) als Hilfe zur Erziehung in einer betreuten Wohnform nach §§ 24, 34 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) aufgewandt hat. 3Der am 25.02.1998 geborene Hilfeempfänger ist hochgradig schwerhörig. Er ist auf der rechten Seite mit einem Cochlea-Implantat versorgt. Infolge der ausgeprägten Schwerhörigkeit besteht eine allgemeine Sprach- und Entwicklungsstörung. Seit November 1999 erhält er Leistungen nach dem Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose (GHBG). Mit Bescheid vom 18.02.2000 wurde beim Hilfeempfänger ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche G, B, H und RF festgestellt. Nach erheblichen Konflikten zwischen den geschiedenen Eltern des Hilfeempfängers untereinander und mit dem Hilfeempfänger gewährte die Klägerin dem Hilfeempfänger auf Antrag der gemeinsam sorgeberechtigten Eltern vom 30.06.2009 seit dem 01.07.2009 Hilfe zur Erziehung in einer betreuten Wohnform nach §§ 27, 34 SGB VIII durch Unterbringung in der Wohngruppe für hörgeschädigte Kinder und Jugendliche des XXX in XXX, wo er seitdem auch die Förderschulde für Hören und Kommunikation besucht. Die Hilfe wird seit dem 01.07.2009 ohne wesentliche inhaltliche Änderungen und ohne Unterbrechung gewährt. 4Mit dem am 15.09.2012 bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben vom 14.09.2012 bat die Klägerin den Beklagten, den Hilfefall in seine Zuständigkeit zu übernehmen und ihren auf § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützten Anspruch auf Kostenerstattung hinsichtlich der bisher gewährten Hilfe anzuerkennen. Die Klägerin habe als gegenüber dem Beklagten nachrangig verpflichteter Leistungsträger Leistungen erbracht. Denn sowohl die Klägerin als zuständiger Jugendhilfeträger nach Maßgabe der §§ 27, 34 SGB VIII als auch der Beklagte als im konkreten Fall für die Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zuständiger Sozialhilfeträger nach Maßgabe der §§ 53, 54 SGB XII seien gegenüber dem Hilfeempfänger leistungspflichtig. Da die nach dem SGB VIII und SGB XII zu erbringenden Leistungen deckungsgleich seien, ergebe sich der Vorrang der Leistungspflichten des Beklagten gegenüber dem i.S.v. § 1 Nr. 5 Eingliederungshilfeverordnung körperlich behinderten Hilfeempfänger aus § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII und begründe den geltend gemachten Anspruch auf Fallübernahme und Kostenerstattung. 5Nachdem die Klägerin dem Beklagten auf seinen Wunsch hin weitere Unterlagen zum Hilfefall übersandt hatte – u.a. die letzten drei Hilfepläne, den Antrag auf Hilfe sowie das Schulzeugnis des Hilfeempfängers vom 06.07.2012 – erklärte der Beklagte sich im Schriftsatz vom 14.11.2013 bereit, den Hilfefall ab dem 01.01.2014 in eigener Zuständigkeit zu übernehmen und erkannte einen Erstattungsanspruch der Klägerin für den Zeitraum ab dem 15.09.2012 an. 6Mit Schriftsatz vom 26.11.2013 machte die Klägerin geltend, auch für den Zeitraum vom 01.07.2009 bis zum 14.09.2012 erstattungsberechtigt zu sein. Insbesondere sei die Ausschlussfrist des § 111 SGB X gewahrt, da eine laufende Jugendhilfeleistung diese Frist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) nicht in Gang setzen könne. Da der Erstattungsanspruch für das Jahr 2009 zum 31.12.2013 zu verjähren drohe, bat die Klägerin bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage hinsichtlich des vor dem 15.09.2012 liegenden Zeitraums um einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung durch den Beklagten. Mit Schriftsatz vom 12.12.2013 teilte der Beklagte mit, dass er auf die Einrede der Verjährung verzichte. 7Die Klägerin bezifferte die Kosten für den Hilfefall im Zeitraum vom 01.07.2009 bis zum 31.12.2013 mit Schriftsatz vom 02.10.2014 auf insgesamt EUR 311.407,67. 8Unter dem 21.10.2014 teilte der Beklagte mit, dass der Lauf der Ausschlussfrist aus § 111 SGB X seiner Auffassung nach entsprechend des zeitabschnittsweisen Entstehens des Erstattungsanspruchs und damit nach Ablauf eines jeden (monatlichen) Leistungsabschnitts und nicht erst nach Ablauf der Gesamtmaßnahme (des Jugendamtes) beginne. Dementsprechend könnten Kostenerstattungsansprüche zwölf Monate rückwirkend ab Eingang des Kostenerstattungsbegehrens anerkannt werden. Dem Erstattungsanspruch der Klägerin werde somit ab dem 01.09.2011 entsprochen und ein Betrag von EUR 156.849,26 zur Zahlung angewiesen. 9Die Klägerin teilte mit Schriftsatz vom 30.10.2014 mit, dass sie die Ansicht einer monatsweisen Entstehung eines Erstattungsanspruchs aufgrund des Urteils des BVerwG vom 19.08.2010 (5 C 14.09) für überholt halte. Nach Auffassung des BVerwG beginne die Frist des § 111 SGB X nicht zu laufen, wenn der Erstattungsanspruch während der laufenden Hilfegewährung angemeldet werde. In Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung lasse das Gericht deshalb jede innerhalb der Frist des § 111 Satz 1 SGB X erfolgende Geltendmachung des Anspruchs nach Beginn der (Gesamt-)Leistung ausreichen und gehe davon aus, dass die Ausschlussfrist im Zweifel erst mit dem Ende der Gesamtleistung zu laufen beginne. Eine andere Bewertung würde der Besonderheit des Jugendhilferechts nicht gerecht, da Jugendhilfe in den seltensten Fällen auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt, also zeitabschnittsweise gewährt werde, sondern sich allein an der andauernden Notwendigkeit der Maßnahme orientiere. Folge man einer anderen Ansicht, stelle sich die Frage, an welchen Zeitabschnitt für den Beginn der Ausschlussfrist bei zeitlich unbegrenzt bewilligten Hilfemaßnahmen anzuknüpfen sei. Insoweit an die Abrechnungen der Anbieter anzuknüpfen, erscheine ungeeignet, da die Abrechnungsintervalle anbieterabhängig seien und teilweise monatlich, teilweise aber auch nur quartalsweise oder sogar nur jährlich abgerechnet würden. Überdies laufe der Jugendhilfeträger dann Gefahr, auf den Kosten etwa im Säuglingsalter beginnender Hilfen sitzenzubleiben, wenn das Vorliegen einer Behinderung sich erst im späteren Verlauf des Hilfefalls herausstelle. Dabei werde dem Zweck des § 111 SGB X auch ausreichend Rechnung getragen, selbst wenn der Erstattungsanspruch erst innerhalb eines Jahres nach Ende der Hilfeleistung gestellt würde. Denn der Erstattungsanspruch werde zusätzlich durch die Verjährungsvorschrift des § 113 SGB X begrenzt. Zur Unterstützung ihrer Argumentation übersandte die Klägerin unter dem 19.11.2014 ein von ihr erstrittenes Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Arnsberg vom 17.11.2014 (11 K 4180/13). Eine Reaktion des Beklagten folgte nicht mehr. 10Am 18.12.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. 11Zur Begründung wiederholt sie die bisher außergerichtlich gegenüber dem Beklagten angebrachten Argumente und weist darauf hin, dass die Klageerhebung im Hinblick auf die drohende Verjährung ihrer mit der Klage geltend gemachten Erstattungsansprüche die Jahre 2009 und 2010 betreffend geboten sei. 12Die Klägerin beantragt, 13den Beklagten zu verurteilten, an sie EUR 117.823,73 zu zahlen. 14Der Beklagte beantragt, 15die Klage abzuweisen. 16Er ist weiterhin der Auffassung, dass Erstattungsansprüche der Klägerin aus der Zeit vor dem 01.09.2011 nach § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen seien. Da die Klägerin mit Schreiben von 14.09.2012 erstmals Erstattungsansprüche angemeldet habe, seien gem. § 111 SGB X alle etwaigen Ansprüche vor dem 01.09.2011 ausgeschlossen. Sofern die Klägerin sich zur Begründung ihrer Klage auf Urteile des BVerwG und des VG Arnsberg stütze, so beträfen diese Urteile Erstattungsverfahren zwischen Trägern der Jugendhilfe und fänden daher in Fällen trägerübergreifender Erstattungsverfahren keine Anwendung. 17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten Bezug genommen. 18Entscheidungsgründe: 19I. Die zulässige Klage ist begründet. 20Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf Erstattung der in dem Hilfefall Marius Krasny in der Zeit vom 01.07.2009 bis zum 31.12.2010 aufgewandten Kosten in Höhe von EUR 117.823,73. 21Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfüllt sind und der Klägerin damit gegen den Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der für den Hilfebedürftigen im Rahmen der Hilfe zur Erziehung in einer betreuten Wohnform (§§ 27, 34 SGB VIII) aufgewandten Kosten dem Grunde nach zustehen kann. Denn es bestehen hier die Leistungspflichten der Klägerin aus §§ 27, 34 SGB VIII (Hilfe zur Erziehung) und der Beklagten aus §§ 53, 54 SGB XII (Eingliederungshilfe für behinderte Menschen) nebeneinander, und die Leistungspflicht des Beklagten gegenüber dem i.S.v. § 1 Nr. 5 Eingliederungshilfeverordnung körperlich behinderten Hilfeempfänger überschneidet sich mit der entsprechenden Leistungspflicht der Klägerin und geht ihr deshalb gem. § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII vor (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2014 – B 8 SO 7/13 R –, juris-Rn 26; BVerwG, Urteil vom 09.02.2012 – 5 C 3/11 –, juris-Rn 31). Streitig und zu entscheiden ist allein über die Frage, ob der geltend gemachte Erstattungsanspruch gem. § 111 SGB X ausgeschlossen ist. 22Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung ist zur Überzeugung der Kammer nicht gem. § 111 SGB X ausgeschlossen ist. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der nach Satz 1 bestehenden zwölfmonatigen Geltendmachungsfrist beginnt nach Satz 2 der Vorschrift frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt. 231. Der Fristbeginn richtet sich im vorliegenden Fall allein nach § 111 Satz 1 SGB X und nicht nach dem – im Verhältnis zu § 111 Satz 1 SGB X als Ausnahmevorschrift zu wertenden (Kater, in KassKomm, 84. Erg.Lfg. Dezember 2014, § 111 Rn 25 m.w.N.) – § 111 Satz 2 SGB X. Eine Kenntnisnahme von der – gegenüber der leistungsberechtigten Person zu treffenden – "Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht" i.S.v. § 111 Satz 2 SGB X scheidet jedoch aus und § 111 Satz 2 SGB X ist deshalb nicht anzuwenden, wenn der erstattungspflichtige Leistungsträger eine Entscheidung über Leistungen, wie sie der erstattungsberechtigte Leistungsträger bereits erbracht hat, überhaupt nicht mehr treffen kann und darf (BSG, Urteil vom 10.05.2005 – B 1 KR 20/04 R –, juris-Rn 16; LSG NRW Urteil vom 04. Juni 2012 – L 20 AY 8/10 –, juris-Rn 66 m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall, weil der Anspruch des Hilfebedürftigen gegenüber dem Beklagten gem. § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt gilt und deshalb auch keine dem Anspruch entsprechende Leistungspflicht des Beklagten mehr besteht, über die eine sachliche Entscheidung des Beklagten im Verhältnis zum Hilfeempfänger ergehen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2007 – B 10 KR 1/05 R –, juris-Rn 16; Kater, aaO., § 111 Rn 15 m.w.N.). 242. Die Klägerin hat den streitgegenständlichen Erstattungsanspruch die Zeit vom 01.07.2009 bis zum 31.12.2010 betreffend auch innerhalb der materiellen Ausschlussfrist (vgl. von Wulffen, in: ders., SGB X-Kommentar, 6. Auflage 2008, § 111 Rn 8 m.w.N.). des § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht. Denn jedenfalls für den hier streitgegenständlichen Fall, dass ein nachrangig leistungspflichtiger Jugendhilfeträger von einem wegen § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII vorrangig leistungspflichtigen Sozialhilfeträger Kostenerstattung nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X verlangt, ist die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X nach dem Leistungsbegriff des Kinder- und Jugendhilferechts zu bestimmen. Danach sind die von der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum gewährten Leistungen der Hilfe zur Erziehung als einheitliche jugendhilferechtliche Leistung zu werten und genügt es für das fristgerechte Geltendmachen dieser (Gesamt-)Leistung, dass die Klägerin ihren Erstattungsanspruch mit Schreiben vom 14.09.2012 und damit während der laufenden Hilfe zur Erziehung geltend gemacht hat. 25a) Es gibt keine eigenständige Definition des Begriffs der Leistung im Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) und im SGB X, auf die im Rahmen des § 111 SGB X zurückgegriffen werden könnte. § 111 Satz 1 SGB X nimmt vielmehr Bezug auf die Leistung und den Leistungsbegriff des jeweiligen Sozialleistungsbereichs, in dem der geltend zu machende Anspruch auf Kostenerstattung im Einzelfall seine Rechtsgrundlage findet (BVerwG, Urteil vom 19.08.2010 – 5 C 14/09 –, juris-Rn 18; Becker, in: Hauck/Noftz, SGB X-Kommentar, Lfg. 3/13 Dezember 2013, § 111 Rn 24). Dabei sind nach Auffassung der Kammer ergänzend der jeweils einschlägige Erstattungsanspruch und die den Erstattungsanspruch begründenden Umstände bzw. Regelungen der besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs in den Blick zu nehmen. Denn nur so kann der Entscheidung des materiellen Sozialrechts über die endgültige Kostentragung im Wege der Kostenerstattung angemessen Geltung verschafft werden. 26Auf dieser Grundlage ist vorliegend der Leistungsbegriff des Jugendhilferechts maßgeblich, wie das BVerwG ihn in seinem Urteil vom 29.01.2004 (5 C 9/03, juris-Rn 18) herausgearbeitet und in seinem Urteil vom 19.08.2010 (5 C 14/09, juris-Rn 18 ff.) in einem Erstattungsstreit zwischen Jugendhilfeträgern im Rahmen des § 111 Satz 1 SGB X angewandt hat. Denn zur Überzeugung der Kammer ist jedenfalls bei Erstattungsansprüchen nach § 104 SGB X auf den Leistungsbegriff i.S.d. Rechts des erstattungsberechtigten Trägers abzustellen. 27Schon ganz allgemein lässt sich der "letzte Tag, für den die Leistung erbracht wurde" (§ 111 Satz 1 SGB X), nur der Entscheidung des erstattungsberechtigten Trägers gegenüber dem Leistungsberechtigten selbst entnehmen, so dass es insoweit auch auf den in diesem Verhältnis maßgeblichen Leistungsbegriff ankommen muss (vgl. Böttiger, LPK-SGB X, 3. Auflage 2010, § 111 Rn 27 und Kater, aaO., § 111 SGB X Rn 34, die zur Bestimmung des Zeitraums, für den die Leistung erbracht wurde, das materielle Recht des erstattungsberechtigten Trägers für maßgeblich halten). Bezogen speziell auf Erstattungsansprüche nach § 104 SGB X folgt dies darüber hinaus auch aus dessen Abs. 3. Wenn dieser bestimmt, dass sich (nur) der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften richtet, muss im Umkehrschluss für die rechtliche Bewertung des Anspruchs im Übrigen – d.h. auch für den in diesem Rahmen zu prüfenden § 111 SGB X – auf das für den erstattungsberechtigten Leistungsträger geltende Recht abgestellt werden. So entspricht es etwa allgemeiner Auffassung, dass die Rechtmäßigkeit der Leistung als Voraussetzung für den Erstattungsanspruch am Recht des erstattungsberechtigten Trägers zu messen ist (vgl. nur Pattar in: jurisPK-SGB X, § 104 Rn 21 m.w.N.). Speziell im Rahmen eines auf § 104 SGB X gestützten Erstattungsanspruchs eines Jugendhilfeträgers gegen einen Sozialhilfeträger verhilft schließlich nur diese Auslegung – d.h. die Anwendung des für den Jugendhilfeträger maßgeblichen Leistungsbegriffs – dem Zweck des die vorrangige Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers begründenden § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII auch auf der Ebene der Kostenerstattung zur Geltung. Diese Norm ordnet gerade auch vor dem Hintergrund der mit der Durchführung der Eingliederungshilfe erforderlichen Spezialisierung und der dazu nötigen und bei den zuständigen Sozialhilfeträgern vermuteten Finanzausstattung zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten umfassend und nur anhand des rein formalen Kriteriums der Gleichartigkeit / Überschneidung der Leistungspflichten die vorrangige Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers für die Erbringung von Eingliederungshilfe an (BVerwG, Urteil vom 19.10.2011 – 5 C 6/11 –, juris-Rn 18 ff.; in diese Richtung auch LSG NRW, Urteil vom 28.01.2013 – L 20 SO 170/11 –, juris-Rn 63). Der von § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII gewollte Vorrang der Eingliederungshilfe mit seiner die Jugendhilfeträger (auch) finanziell entlastenden Wirkung kann aber über die Kostenerstattung rückwirkend nur dann angemessen realisiert werden, wenn auf den (weiten, vgl. unten) Leistungsbegriff abgestellt wird, der für die Jugendhilfeträger maßgeblich ist. 28Die Frage, ob zwischen dem jugendhilferechtlichen und sozialhilfe- bzw. eingliederungshilferechtlichen Leistungsbegriff überhaupt ein Unterschied besteht (verneinenden VG Bayreuth, Urteil vom 16.03.2015 – B 3 K 13.619 –, juris-Rn 67 in einem Rechtsstreit, indem das VG aufgrund von § 17a Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz -GVG- über einen Erstattungsanspruch eines Jugendhilfeträgers gegenüber einem Sozialhilfeträger zu entscheiden hatte), kann wegen der Anwendbarkeit des jugendhilferechtlichen Leistungsbegriffs vorliegend dahinstehen. 29b) Auf Grundlage des jugendhilferechtlichen Leistungsbegriffs ist die dem Hilfeempfänger durch die Beklagte seit dem 01.07.2009 gewährte Hilfe als eine einzige (Gesamt-)Leistung zu werten. Denn eine jugendhilferechtliche Leistung ist anhand einer bedarfsorientierten Gesamtbetrachtung der verschiedenen Maßnahmen und Hilfen zu bestimmen und alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen bilden eine einheitliche Leistung, zumal wenn sie im Einzelfall nahtlos aneinander anschließen, also ohne beachtliche zeitliche Unterbrechung gewährt werden (BVerwG, Urteile vom 29.01.2004 – 5 C 9/03 –, juris-Rn 18 und vom 19.08.2010 – 5 C 14/09 –, juris-Rn 18 ff.). Dem Hilfeempfänger wurde seit dem 01.07.2009 durch die Klägerin ohne Unterbrechung Hilfe zur Erziehung gewährt und die Jugendhilfe durch seine Unterbringung in ein und derselben Jugendhilfeeinrichtung erbracht. Die Hilfe unterlag inhaltlich allenfalls marginalen Veränderungen, hatte jedoch – wie sich vor allem aus den Protokollen über die Hilfeplanfortschreibungen ergibt – kontinuierlich dieselbe Stoßrichtung im Hinblick auf die behinderungsbedingten und erzieherischen Defizite und Bedarfe des Hilfeempfängers. 30c) Die Klägerin hat ihren Erstattungsanspruch mit Schriftsatz vom 14.09.2012 in inhaltlicher wie in zeitlicher Hinsicht im Einklang mit § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht. 31Das Geltendmachen im Sinne der Vorschrift ist die außerhalb eines förmlichen Verfahrens abgegebene empfangsbedürftige Erklärung mit dem erkennbaren Willen der Rechtssicherung für ein ausreichend konkretes Erstattungsbegehren, an die keine überzogenen formalen oder inhaltlichen Anforderungen gestellt werden dürfen (Mutschler, aaO., § 111 Rn 16 m.w.N.). Die inhaltlichen Anforderungen bestimmen sich dabei nach dem Zweck des § 111 SGB X, möglichst rasch klare Verhältnisse darüber zu schaffen, ob eine Erstattungspflicht besteht. Aus diesem Grund erfordert das Geltendmachen ein unbedingtes Einfordern der Leistung, ohne dass stets ein Darlegen des Erstattungsanspruchs in allen Einzelheiten erforderlich wäre. Es genügt vielmehr regelmäßig, dass die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind, und insbesondere der Zeitraum, für den die Leistung erbracht wurde, hinreichend konkret mitgeteilt werden (vgl. ausführlich BSG, Urteil vom 22.08.2000 – B 2 U 24/99 R –, juris-Rn 17 ff. und BVerwG, Urteil vom 19.08.2010 – 5 C 14/09 –, juris-Rn 22 jeweils m.w.N.). Diesen inhaltlichen Anforderungen wird der Schriftsatz der Klägerin vom 14.09.2012 zur Überzeugung der Kammer ohne Weiteres gerecht. Darin ist ausgeführt, für welchen konkreten Hilfefall, für welche Leistungen und ab welchem Zeitpunkt Kostenerstattung gefordert wird und warum die Klägerin von einer Zuständigkeit der Beklagten für Hilfefall und Kostenerstattung ausgeht. 32In zeitlicher Hinsicht muss das Geltendmachen gem. § 111 Satz 1 SGB X "spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde" erfolgen. Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch den am 15.09.2012 bei dem Beklagten eingegangenen Schriftsatz der Klägerin vom 14.09.2012 erfolgte noch während der Erbringung der Gesamtleistung, damit sogar – zulässigerweise (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.02.2013 – OVG 9 B 58.11 –, juris-Rn 18) – vor Beginn des Fristlaufs und im Hinblick auf den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.07.2009 bis zum 31.12.2010 rechtzeitig. Für das fristgerechte Geltendmachen eines Kostenerstattungsanspruchs für eine unter Bedarfsgesichtspunkten als eine Einheit zu wertende Jugendhilfemaßnahme ist nämlich eine bedarfsorientierte Gesamtbetrachtung zugrunde zu legen. Danach kommt es nicht darauf an, ob die Kosten für die Maßnahme von einem Dritten gegebenenfalls zeitabschnittsweise in Rechnung gestellt und beglichen werden. Vielmehr genügt zur Wahrung der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für Maßnahmen und Hilfen, die jugendhilferechtlich als eine Leistung zu werten sind, jede während der laufenden Hilfe oder innerhalb der Frist des § 111 Satz 1 SGB X erfolgende Geltendmachung des Anspruchs nach Beginn der (Gesamt-)Leistung (BVerwG, Urteil vom 19.08.2010 – 5 C 14/09 –, juris-Rn 17 und 22; VG Arnsberg, Urteil vom 17.11.2014 – 11 K 4180/13; VG Bayreuth, Urteil vom 16. März 2015 – B 3 K 13.619 –, juris-Rn 64 ff.; DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2014, 199; Häußler, DVBl 2013, 1001, 1007). 33Zum Teil wird zwar trotz Anwendbarkeit des jugendhilferechtlichen (Gesamt-)Leistungsbegriffs und der diesbezüglichen Ausführungen des BVerwG im Rahmen von § 111 Satz 1 SGB X an einem zeitabschnittsweisen Beginn der Ausschlussfrist nach Ablauf einzelner, in Abhängigkeit von der Ausgestaltung des Abrechungsverhältnisses zwischen Jugendhilfeträger und Leistungserbringer zu bestimmender Teilzeiträume festgehalten (BayVGH, Beschluss vom 07.01.2014 – 12 ZB 13.2512; VG Regensburg, Urteil vom 24.10.2013 – RO 7 K 13.218; VG Augsburg, Urteil vom 27.01.2015 – Au 3 K 14.1617; VG Aachen, Urteil vom 20.11.2014 – 1 K 2893/12; VG Berlin; Urteil vom 18.03.2015 – VG 18 K 553.14; Ziegler, JAmt 2014, 222, 223; allgemein zur Anknüpfung des Fristbeginns an die Entstehung von Kosten beim erstattungsberechtigten Träger vgl. auch BSG, Urteil vom 22.08.2000 – B 2 U 24/99 R –, juris m.w.N.). Diese Auffassung stützt sich inhaltlich maßgeblich darauf, dass die hier im Anschluss an das BVerwG vertretene Auslegung des § 111 Satz 1 SGB X mit dem Zweck der Norm nicht vereinbar sei (BayVGH, Beschluss vom 07.01.2014 – 12 ZB 13.2512 –, juris-Rn 4 f.; VG Regensburg, Urteil vom 24.10.2013 – RO 7 K 13.218 –, juris-Rn 17). § 111 SGB X wolle erreichen, dass Erstattungsansprüche zeitnah geltend gemacht werden müssen, damit der Erstattungspflichtige bereits kurze Zeit nach der Leistungserbringung wisse, welche Ansprüche auf ihn zukommen und welche Rückstellungen er ggf. bilden muss. Der so dargestellte Normzweck greift jedoch zu kurz. Zwar wird insoweit zutreffend die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers bei der Schaffung der Ausschlussfrist in § 111 SGB X wiedergegeben (vgl. BT-Drs. 9/95, S. 26 zu § 117 des Entwurfs). Mit hinreichender Deutlichkeit ist jedoch sowohl dem Wortlaut des § 111 Satz 2 SGB X als auch der Gesetzesbegründung zum 4. Euro-Einführungs-Gesetz zu entnehmen, dass der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 111 Satz 2 SGB X die – gegenüber dem bisherigen Rechtszustand – weitergehende Geltendmachung von Erstattungsansprüchen ermöglichen wollte und damit dem Ziel materieller (Ausgleichs-)Gerechtigkeit mehr Gewicht, wenn nicht gar den grundsätzlichen Vorrang vor der schnellen Klarstellung der Verhältnisse eingeräumt hat (BSG, Urteil vom 10.05.2005 – B 1 KR 20/04 R –, juris-Rn 20 m.w.N.). Insofern greift die allein auf den (ursprünglichen) Zweck des § 111 SGB X gestützte Argumentation für einen zeitabschnittsweisen Fristbeginn nicht durch. Daneben weist die Klägerin zurecht darauf hin, dass Jugendhilfe in den seltensten Fällen zeitabschnittsweise gewährt wird und ein deshalb – hilfsweise notwendiges – Abstellen auf den Zeitpunkt der Abrechnung zwischen Jugendhilfeträger und Leistungserbringer die Kostenerstattung letztlich von Zufälligkeiten abhängig macht (vgl. auch Mutschler, aaO., § 111 Rn 30, der anhand eines Beispiels die praktischen Probleme der Auffassung des BayVGH erläutert). Schließlich trägt auch die Befürchtung, dass sich bei Annahme einer (Gesamt-)Leistung Hilfe zur Erziehung mit anschließender Hilfe für junge Volljährige im Extremfall ein Leistungszeitraum von 27 Jahren ergeben könnte und erst nach Ablauf dieses Zeitraums die Ausschlussfrist von 12 Monaten beginnen würde im Ergebnis nicht. Denn durch die Verjährung gem. § 113 SGB X wird ein unzumutbares Ausufern des Erstattungsanspruchs verhindert (DIJuF-Rechtsgutachten, JAmt 2014, 199). Da § 113 SGB X – anders als § 111 SGB X – nicht an den Leistungsbegriff, sondern – jedenfalls dann, wenn keine Entscheidung über die Leistungspflicht durch den erstattungspflichtigen Leistungsträger ergeht (Böttiger, aaO., § 113 Rn 9) – an die Entstehung des Erstattungsanspruchs anknüpft, bleibt hier eine "zeitabschnittsweise" Verjährung des Erstattungsanspruchs möglich. 343. Die Klageforderung ist auch nicht gem. § 113 SGB X verjährt. Der Beklagte hat jedenfalls hinsichtlich der das Jahr 2009 betreffenden Erstattungsforderung durch Schriftsatz vom 12.12.2013 auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Ob der Verzicht des Beklagten auf die Verjährungseinrede auch die das Jahr 2010 betreffende Erstattungsforderung betrifft, kann vorliegend dahinstehen, weil insoweit jedenfalls durch Klageerhebung am 18.12.2014 Ablaufhemmung eingetreten ist (§ 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1, § 209 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-). 35II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte als unterliegender Beteiligter (§197a Sozialgerichtsgesetz -SGG- in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-). Das Verfahren unterfällt dem Regelungsbereich des § 197a SGG, weil weder die Klägerin noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen gehören. | der beklagte wird verurteilt, an die klägerin 117.823,73 eur zu zahlen. der beklagte trägt die kosten des verfahrens. 1 | 2die klägerin begehrt von dem beklagten gestützt auf § 104 sozialgesetzbuch zehntes buch (sgb x) die erstattung von kosten, die sie in der zeit vom 01.07.2009 bis einschließlich zum 31.12.2010 im hilfefall des xxx (fortan: hilfeempfänger) als hilfe zur erziehung in einer betreuten wohnform nach §§ 24, 34 sozialgesetzbuch achtes buch (sgb viii) aufgewandt hat. 3der am 25.02.1998 geborene hilfeempfänger ist hochgradig schwerhörig. er ist auf der rechten seite mit einem cochlea-implantat versorgt. infolge der ausgeprägten schwerhörigkeit besteht eine allgemeine sprach- und entwicklungsstörung. seit november 1999 erhält er leistungen nach dem gesetz über die hilfen für blinde und gehörlose (ghbg). mit bescheid vom 18.02.2000 wurde beim hilfeempfänger ein grad der behinderung (gdb) von 100 sowie das vorliegen der gesundheitlichen voraussetzungen der nachteilsausgleiche g, b, h und rf festgestellt. nach erheblichen konflikten zwischen den geschiedenen eltern des hilfeempfängers untereinander und mit dem hilfeempfänger gewährte die klägerin dem hilfeempfänger auf antrag der gemeinsam sorgeberechtigten eltern vom 30.06.2009 seit dem 01.07.2009 hilfe zur erziehung in einer betreuten wohnform nach §§ 27, 34 sgb viii durch unterbringung in der wohngruppe für hörgeschädigte kinder und jugendliche des xxx in xxx, wo er seitdem auch die förderschulde für hören und kommunikation besucht. die hilfe wird seit dem 01.07.2009 ohne wesentliche inhaltliche änderungen und ohne unterbrechung gewährt. 4mit dem am 15.09.2012 bei dem beklagten eingegangenen schreiben vom 14.09.2012 bat die klägerin den beklagten, den hilfefall in seine zuständigkeit zu übernehmen und ihren auf § 104 abs. 1 satz 1 sgb x gestützten anspruch auf kostenerstattung hinsichtlich der bisher gewährten hilfe anzuerkennen. die klägerin habe als gegenüber dem beklagten nachrangig verpflichteter leistungsträger leistungen erbracht. denn sowohl die klägerin als zuständiger jugendhilfeträger nach maßgabe der §§ 27, 34 sgb viii als auch der beklagte als im konkreten fall für die eingliederungshilfe nach dem sozialgesetzbuch zwölftes buch (sgb xii) zuständiger sozialhilfeträger nach maßgabe der §§ 53, 54 sgb xii seien gegenüber dem hilfeempfänger leistungspflichtig. da die nach dem sgb viii und sgb xii zu erbringenden leistungen deckungsgleich seien, ergebe sich der vorrang der leistungspflichten des beklagten gegenüber dem i.s.v. § 1 nr. 5 eingliederungshilfeverordnung körperlich behinderten hilfeempfänger aus § 10 abs. 4 satz 2 sgb viii und begründe den geltend gemachten anspruch auf fallübernahme und kostenerstattung. 5nachdem die klägerin dem beklagten auf seinen wunsch hin weitere unterlagen zum hilfefall übersandt hatte – u.a. die letzten drei hilfepläne, den antrag auf hilfe sowie das schulzeugnis des hilfeempfängers vom 06.07.2012 – erklärte der beklagte sich im schriftsatz vom 14.11.2013 bereit, den hilfefall ab dem 01.01.2014 in eigener zuständigkeit zu übernehmen und erkannte einen erstattungsanspruch der klägerin für den zeitraum ab dem 15.09.2012 an. 6mit schriftsatz vom 26.11.2013 machte die klägerin geltend, auch für den zeitraum vom 01.07.2009 bis zum 14.09.2012 erstattungsberechtigt zu sein. insbesondere sei die ausschlussfrist des § 111 sgb x gewahrt, da eine laufende jugendhilfeleistung diese frist nach der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts (bverwg) nicht in gang setzen könne. da der erstattungsanspruch für das jahr 2009 zum 31.12.2013 zu verjähren drohe, bat die klägerin bis zur endgültigen klärung der rechtslage hinsichtlich des vor dem 15.09.2012 liegenden zeitraums um einen verzicht auf die einrede der verjährung durch den beklagten. mit schriftsatz vom 12.12.2013 teilte der beklagte mit, dass er auf die einrede der verjährung verzichte. 7die klägerin bezifferte die kosten für den hilfefall im zeitraum vom 01.07.2009 bis zum 31.12.2013 mit schriftsatz vom 02.10.2014 auf insgesamt eur 311.407,67. 8unter dem 21.10.2014 teilte der beklagte mit, dass der lauf der ausschlussfrist aus § 111 sgb x seiner auffassung nach entsprechend des zeitabschnittsweisen entstehens des erstattungsanspruchs und damit nach ablauf eines jeden (monatlichen) leistungsabschnitts und nicht erst nach ablauf der gesamtmaßnahme (des jugendamtes) beginne. dementsprechend könnten kostenerstattungsansprüche zwölf monate rückwirkend ab eingang des kostenerstattungsbegehrens anerkannt werden. dem erstattungsanspruch der klägerin werde somit ab dem 01.09.2011 entsprochen und ein betrag von eur 156.849,26 zur zahlung angewiesen. 9die klägerin teilte mit schriftsatz vom 30.10.2014 mit, dass sie die ansicht einer monatsweisen entstehung eines erstattungsanspruchs aufgrund des urteils des bverwg vom 19.08.2010 (5 c 14.09) für überholt halte. nach auffassung des bverwg beginne die frist des § 111 sgb x nicht zu laufen, wenn der erstattungsanspruch während der laufenden hilfegewährung angemeldet werde. in abkehr von seiner bisherigen rechtsprechung lasse das gericht deshalb jede innerhalb der frist des § 111 satz 1 sgb x erfolgende geltendmachung des anspruchs nach beginn der (gesamt-)leistung ausreichen und gehe davon aus, dass die ausschlussfrist im zweifel erst mit dem ende der gesamtleistung zu laufen beginne. eine andere bewertung würde der besonderheit des jugendhilferechts nicht gerecht, da jugendhilfe in den seltensten fällen auf einen bestimmten zeitraum begrenzt, also zeitabschnittsweise gewährt werde, sondern sich allein an der andauernden notwendigkeit der maßnahme orientiere. folge man einer anderen ansicht, stelle sich die frage, an welchen zeitabschnitt für den beginn der ausschlussfrist bei zeitlich unbegrenzt bewilligten hilfemaßnahmen anzuknüpfen sei. insoweit an die abrechnungen der anbieter anzuknüpfen, erscheine ungeeignet, da die abrechnungsintervalle anbieterabhängig seien und teilweise monatlich, teilweise aber auch nur quartalsweise oder sogar nur jährlich abgerechnet würden. überdies laufe der jugendhilfeträger dann gefahr, auf den kosten etwa im säuglingsalter beginnender hilfen sitzenzubleiben, wenn das vorliegen einer behinderung sich erst im späteren verlauf des hilfefalls herausstelle. dabei werde dem zweck des § 111 sgb x auch ausreichend rechnung getragen, selbst wenn der erstattungsanspruch erst innerhalb eines jahres nach ende der hilfeleistung gestellt würde. denn der erstattungsanspruch werde zusätzlich durch die verjährungsvorschrift des § 113 sgb x begrenzt. zur unterstützung ihrer argumentation übersandte die klägerin unter dem 19.11.2014 ein von ihr erstrittenes urteil des verwaltungsgerichts (vg) arnsberg vom 17.11.2014 (11 k 4180/13). eine reaktion des beklagten folgte nicht mehr. 10am 18.12.2014 hat die klägerin klage erhoben. 11zur begründung wiederholt sie die bisher außergerichtlich gegenüber dem beklagten angebrachten argumente und weist darauf hin, dass die klageerhebung im hinblick auf die drohende verjährung ihrer mit der klage geltend gemachten erstattungsansprüche die jahre 2009 und 2010 betreffend geboten sei. 12die klägerin beantragt, 13den beklagten zu verurteilten, an sie eur 117.823,73 zu zahlen. 14der beklagte beantragt, 15die klage abzuweisen. 16er ist weiterhin der auffassung, dass erstattungsansprüche der klägerin aus der zeit vor dem 01.09.2011 nach § 111 satz 1 sgb x ausgeschlossen seien. da die klägerin mit schreiben von 14.09.2012 erstmals erstattungsansprüche angemeldet habe, seien gem. § 111 sgb x alle etwaigen ansprüche vor dem 01.09.2011 ausgeschlossen. sofern die klägerin sich zur begründung ihrer klage auf urteile des bverwg und des vg arnsberg stütze, so beträfen diese urteile erstattungsverfahren zwischen trägern der jugendhilfe und fänden daher in fällen trägerübergreifender erstattungsverfahren keine anwendung. 17wegen der weiteren einzelheiten des sachverhalts und des übrigen vorbringens der beteiligten wird auf den inhalt der gerichtsakte sowie der beigezogenen verwaltungsakten der beteiligten bezug genommen. 18 | 19i. die zulässige klage ist begründet. 20die klägerin hat gegen den beklagten einen anspruch aus § 104 abs. 1 satz 1 sgb x auf erstattung der in dem hilfefall marius krasny in der zeit vom 01.07.2009 bis zum 31.12.2010 aufgewandten kosten in höhe von eur 117.823,73. 21zwischen den beteiligten steht zu recht nicht im streit, dass die tatbestandsvoraussetzungen des § 104 abs. 1 satz 1 sgb x erfüllt sind und der klägerin damit gegen den beklagten ein anspruch auf erstattung der für den hilfebedürftigen im rahmen der hilfe zur erziehung in einer betreuten wohnform (§§ 27, 34 sgb viii) aufgewandten kosten dem grunde nach zustehen kann. denn es bestehen hier die leistungspflichten der klägerin aus §§ 27, 34 sgb viii (hilfe zur erziehung) und der beklagten aus §§ 53, 54 sgb xii (eingliederungshilfe für behinderte menschen) nebeneinander, und die leistungspflicht des beklagten gegenüber dem i.s.v. § 1 nr. 5 eingliederungshilfeverordnung körperlich behinderten hilfeempfänger überschneidet sich mit der entsprechenden leistungspflicht der klägerin und geht ihr deshalb gem. § 10 abs. 4 satz 2 sgb viii vor (vgl. bsg, urteil vom 25.09.2014 – b 8 so 7/13 r –, juris-rn 26; bverwg, urteil vom 09.02.2012 – 5 c 3/11 –, juris-rn 31). streitig und zu entscheiden ist allein über die frage, ob der geltend gemachte erstattungsanspruch gem. § 111 sgb x ausgeschlossen ist. 22der von der klägerin geltend gemachte anspruch auf erstattung ist zur überzeugung der kammer nicht gem. § 111 sgb x ausgeschlossen ist. nach satz 1 dieser vorschrift ist der anspruch auf erstattung ausgeschlossen, wenn der erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf monate nach ablauf des letzten tages, für den die leistung erbracht wurde, geltend macht. der lauf der nach satz 1 bestehenden zwölfmonatigen geltendmachungsfrist beginnt nach satz 2 der vorschrift frühestens mit dem zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte leistungsträger von der entscheidung des erstattungspflichtigen leistungsträgers über seine leistungspflicht kenntnis erlangt. 231. der fristbeginn richtet sich im vorliegenden fall allein nach § 111 satz 1 sgb x und nicht nach dem – im verhältnis zu § 111 satz 1 sgb x als ausnahmevorschrift zu wertenden (kater, in kasskomm, 84. erg.lfg. dezember 2014, § 111 rn 25 m.w.n.) – § 111 satz 2 sgb x. eine kenntnisnahme von der – gegenüber der leistungsberechtigten person zu treffenden – "entscheidung des erstattungspflichtigen leistungsträgers über seine leistungspflicht" i.s.v. § 111 satz 2 sgb x scheidet jedoch aus und § 111 satz 2 sgb x ist deshalb nicht anzuwenden, wenn der erstattungspflichtige leistungsträger eine entscheidung über leistungen, wie sie der erstattungsberechtigte leistungsträger bereits erbracht hat, überhaupt nicht mehr treffen kann und darf (bsg, urteil vom 10.05.2005 – b 1 kr 20/04 r –, juris-rn 16; lsg nrw urteil vom 04. juni 2012 – l 20 ay 8/10 –, juris-rn 66 m.w.n.). dies ist vorliegend der fall, weil der anspruch des hilfebedürftigen gegenüber dem beklagten gem. § 107 abs. 1 sgb x als erfüllt gilt und deshalb auch keine dem anspruch entsprechende leistungspflicht des beklagten mehr besteht, über die eine sachliche entscheidung des beklagten im verhältnis zum hilfeempfänger ergehen könnte (vgl. bsg, urteil vom 10. mai 2007 – b 10 kr 1/05 r –, juris-rn 16; kater, aao., § 111 rn 15 m.w.n.). 242. die klägerin hat den streitgegenständlichen erstattungsanspruch die zeit vom 01.07.2009 bis zum 31.12.2010 betreffend auch innerhalb der materiellen ausschlussfrist (vgl. von wulffen, in: ders., sgb x-kommentar, 6. auflage 2008, § 111 rn 8 m.w.n.). des § 111 satz 1 sgb x geltend gemacht. denn jedenfalls für den hier streitgegenständlichen fall, dass ein nachrangig leistungspflichtiger jugendhilfeträger von einem wegen § 10 abs. 4 satz 2 sgb viii vorrangig leistungspflichtigen sozialhilfeträger kostenerstattung nach § 104 abs. 1 satz 1 sgb x verlangt, ist die leistung im sinne von § 111 satz 1 sgb x nach dem leistungsbegriff des kinder- und jugendhilferechts zu bestimmen. danach sind die von der klägerin im streitgegenständlichen zeitraum gewährten leistungen der hilfe zur erziehung als einheitliche jugendhilferechtliche leistung zu werten und genügt es für das fristgerechte geltendmachen dieser (gesamt-)leistung, dass die klägerin ihren erstattungsanspruch mit schreiben vom 14.09.2012 und damit während der laufenden hilfe zur erziehung geltend gemacht hat. 25a) es gibt keine eigenständige definition des begriffs der leistung im sozialgesetzbuch erstes buch (sgb i) und im sgb x, auf die im rahmen des § 111 sgb x zurückgegriffen werden könnte. § 111 satz 1 sgb x nimmt vielmehr bezug auf die leistung und den leistungsbegriff des jeweiligen sozialleistungsbereichs, in dem der geltend zu machende anspruch auf kostenerstattung im einzelfall seine rechtsgrundlage findet (bverwg, urteil vom 19.08.2010 – 5 c 14/09 –, juris-rn 18; becker, in: hauck/noftz, sgb x-kommentar, lfg. 3/13 dezember 2013, § 111 rn 24). dabei sind nach auffassung der kammer ergänzend der jeweils einschlägige erstattungsanspruch und die den erstattungsanspruch begründenden umstände bzw. regelungen der besonderen teile des sozialgesetzbuchs in den blick zu nehmen. denn nur so kann der entscheidung des materiellen sozialrechts über die endgültige kostentragung im wege der kostenerstattung angemessen geltung verschafft werden. 26auf dieser grundlage ist vorliegend der leistungsbegriff des jugendhilferechts maßgeblich, wie das bverwg ihn in seinem urteil vom 29.01.2004 (5 c 9/03, juris-rn 18) herausgearbeitet und in seinem urteil vom 19.08.2010 (5 c 14/09, juris-rn 18 ff.) in einem erstattungsstreit zwischen jugendhilfeträgern im rahmen des § 111 satz 1 sgb x angewandt hat. denn zur überzeugung der kammer ist jedenfalls bei erstattungsansprüchen nach § 104 sgb x auf den leistungsbegriff i.s.d. rechts des erstattungsberechtigten trägers abzustellen. 27schon ganz allgemein lässt sich der "letzte tag, für den die leistung erbracht wurde" (§ 111 satz 1 sgb x), nur der entscheidung des erstattungsberechtigten trägers gegenüber dem leistungsberechtigten selbst entnehmen, so dass es insoweit auch auf den in diesem verhältnis maßgeblichen leistungsbegriff ankommen muss (vgl. böttiger, lpk-sgb x, 3. auflage 2010, § 111 rn 27 und kater, aao., § 111 sgb x rn 34, die zur bestimmung des zeitraums, für den die leistung erbracht wurde, das materielle recht des erstattungsberechtigten trägers für maßgeblich halten). bezogen speziell auf erstattungsansprüche nach § 104 sgb x folgt dies darüber hinaus auch aus dessen abs. 3. wenn dieser bestimmt, dass sich (nur) der umfang des erstattungsanspruchs nach den für den vorrangig verpflichteten leistungsträger geltenden rechtsvorschriften richtet, muss im umkehrschluss für die rechtliche bewertung des anspruchs im übrigen – d.h. auch für den in diesem rahmen zu prüfenden § 111 sgb x – auf das für den erstattungsberechtigten leistungsträger geltende recht abgestellt werden. so entspricht es etwa allgemeiner auffassung, dass die rechtmäßigkeit der leistung als voraussetzung für den erstattungsanspruch am recht des erstattungsberechtigten trägers zu messen ist (vgl. nur pattar in: jurispk-sgb x, § 104 rn 21 m.w.n.). speziell im rahmen eines auf § 104 sgb x gestützten erstattungsanspruchs eines jugendhilfeträgers gegen einen sozialhilfeträger verhilft schließlich nur diese auslegung – d.h. die anwendung des für den jugendhilfeträger maßgeblichen leistungsbegriffs – dem zweck des die vorrangige leistungspflicht des sozialhilfeträgers begründenden § 10 abs. 4 satz 2 sgb viii auch auf der ebene der kostenerstattung zur geltung. diese norm ordnet gerade auch vor dem hintergrund der mit der durchführung der eingliederungshilfe erforderlichen spezialisierung und der dazu nötigen und bei den zuständigen sozialhilfeträgern vermuteten finanzausstattung zur vermeidung von rechtsunsicherheiten umfassend und nur anhand des rein formalen kriteriums der gleichartigkeit / überschneidung der leistungspflichten die vorrangige leistungspflicht des sozialhilfeträgers für die erbringung von eingliederungshilfe an (bverwg, urteil vom 19.10.2011 – 5 c 6/11 –, juris-rn 18 ff.; in diese richtung auch lsg nrw, urteil vom 28.01.2013 – l 20 so 170/11 –, juris-rn 63). der von § 10 abs. 4 satz 2 sgb viii gewollte vorrang der eingliederungshilfe mit seiner die jugendhilfeträger (auch) finanziell entlastenden wirkung kann aber über die kostenerstattung rückwirkend nur dann angemessen realisiert werden, wenn auf den (weiten, vgl. unten) leistungsbegriff abgestellt wird, der für die jugendhilfeträger maßgeblich ist. 28die frage, ob zwischen dem jugendhilferechtlichen und sozialhilfe- bzw. eingliederungshilferechtlichen leistungsbegriff überhaupt ein unterschied besteht (verneinenden vg bayreuth, urteil vom 16.03.2015 – b 3 k 13.619 –, juris-rn 67 in einem rechtsstreit, indem das vg aufgrund von § 17a abs. 2 satz 3 gerichtsverfassungsgesetz -gvg- über einen erstattungsanspruch eines jugendhilfeträgers gegenüber einem sozialhilfeträger zu entscheiden hatte), kann wegen der anwendbarkeit des jugendhilferechtlichen leistungsbegriffs vorliegend dahinstehen. 29b) auf grundlage des jugendhilferechtlichen leistungsbegriffs ist die dem hilfeempfänger durch die beklagte seit dem 01.07.2009 gewährte hilfe als eine einzige (gesamt-)leistung zu werten. denn eine jugendhilferechtliche leistung ist anhand einer bedarfsorientierten gesamtbetrachtung der verschiedenen maßnahmen und hilfen zu bestimmen und alle zur deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen bedarfs erforderlichen maßnahmen und hilfen bilden eine einheitliche leistung, zumal wenn sie im einzelfall nahtlos aneinander anschließen, also ohne beachtliche zeitliche unterbrechung gewährt werden (bverwg, urteile vom 29.01.2004 – 5 c 9/03 –, juris-rn 18 und vom 19.08.2010 – 5 c 14/09 –, juris-rn 18 ff.). dem hilfeempfänger wurde seit dem 01.07.2009 durch die klägerin ohne unterbrechung hilfe zur erziehung gewährt und die jugendhilfe durch seine unterbringung in ein und derselben jugendhilfeeinrichtung erbracht. die hilfe unterlag inhaltlich allenfalls marginalen veränderungen, hatte jedoch – wie sich vor allem aus den protokollen über die hilfeplanfortschreibungen ergibt – kontinuierlich dieselbe stoßrichtung im hinblick auf die behinderungsbedingten und erzieherischen defizite und bedarfe des hilfeempfängers. 30c) die klägerin hat ihren erstattungsanspruch mit schriftsatz vom 14.09.2012 in inhaltlicher wie in zeitlicher hinsicht im einklang mit § 111 satz 1 sgb x geltend gemacht. 31das geltendmachen im sinne der vorschrift ist die außerhalb eines förmlichen verfahrens abgegebene empfangsbedürftige erklärung mit dem erkennbaren willen der rechtssicherung für ein ausreichend konkretes erstattungsbegehren, an die keine überzogenen formalen oder inhaltlichen anforderungen gestellt werden dürfen (mutschler, aao., § 111 rn 16 m.w.n.). die inhaltlichen anforderungen bestimmen sich dabei nach dem zweck des § 111 sgb x, möglichst rasch klare verhältnisse darüber zu schaffen, ob eine erstattungspflicht besteht. aus diesem grund erfordert das geltendmachen ein unbedingtes einfordern der leistung, ohne dass stets ein darlegen des erstattungsanspruchs in allen einzelheiten erforderlich wäre. es genügt vielmehr regelmäßig, dass die umstände, die im einzelfall für die entstehung des erstattungsanspruchs maßgeblich sind, und insbesondere der zeitraum, für den die leistung erbracht wurde, hinreichend konkret mitgeteilt werden (vgl. ausführlich bsg, urteil vom 22.08.2000 – b 2 u 24/99 r –, juris-rn 17 ff. und bverwg, urteil vom 19.08.2010 – 5 c 14/09 –, juris-rn 22 jeweils m.w.n.). diesen inhaltlichen anforderungen wird der schriftsatz der klägerin vom 14.09.2012 zur überzeugung der kammer ohne weiteres gerecht. darin ist ausgeführt, für welchen konkreten hilfefall, für welche leistungen und ab welchem zeitpunkt kostenerstattung gefordert wird und warum die klägerin von einer zuständigkeit der beklagten für hilfefall und kostenerstattung ausgeht. 32in zeitlicher hinsicht muss das geltendmachen gem. § 111 satz 1 sgb x "spätestens zwölf monate nach ablauf des letzten tages, für den die leistung erbracht wurde" erfolgen. die geltendmachung des erstattungsanspruchs durch den am 15.09.2012 bei dem beklagten eingegangenen schriftsatz der klägerin vom 14.09.2012 erfolgte noch während der erbringung der gesamtleistung, damit sogar – zulässigerweise (ovg berlin-brandenburg, urteil vom 27.02.2013 – ovg 9 b 58.11 –, juris-rn 18) – vor beginn des fristlaufs und im hinblick auf den gesamten streitgegenständlichen zeitraum vom 01.07.2009 bis zum 31.12.2010 rechtzeitig. für das fristgerechte geltendmachen eines kostenerstattungsanspruchs für eine unter bedarfsgesichtspunkten als eine einheit zu wertende jugendhilfemaßnahme ist nämlich eine bedarfsorientierte gesamtbetrachtung zugrunde zu legen. danach kommt es nicht darauf an, ob die kosten für die maßnahme von einem dritten gegebenenfalls zeitabschnittsweise in rechnung gestellt und beglichen werden. vielmehr genügt zur wahrung der ausschlussfrist des § 111 satz 1 sgb x für einen anspruch auf erstattung der kosten für maßnahmen und hilfen, die jugendhilferechtlich als eine leistung zu werten sind, jede während der laufenden hilfe oder innerhalb der frist des § 111 satz 1 sgb x erfolgende geltendmachung des anspruchs nach beginn der (gesamt-)leistung (bverwg, urteil vom 19.08.2010 – 5 c 14/09 –, juris-rn 17 und 22; vg arnsberg, urteil vom 17.11.2014 – 11 k 4180/13; vg bayreuth, urteil vom 16. märz 2015 – b 3 k 13.619 –, juris-rn 64 ff.; dijuf-rechtsgutachten, jamt 2014, 199; häußler, dvbl 2013, 1001, 1007). 33zum teil wird zwar trotz anwendbarkeit des jugendhilferechtlichen (gesamt-)leistungsbegriffs und der diesbezüglichen ausführungen des bverwg im rahmen von § 111 satz 1 sgb x an einem zeitabschnittsweisen beginn der ausschlussfrist nach ablauf einzelner, in abhängigkeit von der ausgestaltung des abrechungsverhältnisses zwischen jugendhilfeträger und leistungserbringer zu bestimmender teilzeiträume festgehalten (bayvgh, beschluss vom 07.01.2014 – 12 zb 13.2512; vg regensburg, urteil vom 24.10.2013 – ro 7 k 13.218; vg augsburg, urteil vom 27.01.2015 – au 3 k 14.1617; vg aachen, urteil vom 20.11.2014 – 1 k 2893/12; vg berlin; urteil vom 18.03.2015 – vg 18 k 553.14; ziegler, jamt 2014, 222, 223; allgemein zur anknüpfung des fristbeginns an die entstehung von kosten beim erstattungsberechtigten träger vgl. auch bsg, urteil vom 22.08.2000 – b 2 u 24/99 r –, juris m.w.n.). diese auffassung stützt sich inhaltlich maßgeblich darauf, dass die hier im anschluss an das bverwg vertretene auslegung des § 111 satz 1 sgb x mit dem zweck der norm nicht vereinbar sei (bayvgh, beschluss vom 07.01.2014 – 12 zb 13.2512 –, juris-rn 4 f.; vg regensburg, urteil vom 24.10.2013 – ro 7 k 13.218 –, juris-rn 17). § 111 sgb x wolle erreichen, dass erstattungsansprüche zeitnah geltend gemacht werden müssen, damit der erstattungspflichtige bereits kurze zeit nach der leistungserbringung wisse, welche ansprüche auf ihn zukommen und welche rückstellungen er ggf. bilden muss. der so dargestellte normzweck greift jedoch zu kurz. zwar wird insoweit zutreffend die ursprüngliche intention des gesetzgebers bei der schaffung der ausschlussfrist in § 111 sgb x wiedergegeben (vgl. bt-drs. 9/95, s. 26 zu § 117 des entwurfs). mit hinreichender deutlichkeit ist jedoch sowohl dem wortlaut des § 111 satz 2 sgb x als auch der gesetzesbegründung zum 4. euro-einführungs-gesetz zu entnehmen, dass der gesetzgeber durch die neufassung des § 111 satz 2 sgb x die – gegenüber dem bisherigen rechtszustand – weitergehende geltendmachung von erstattungsansprüchen ermöglichen wollte und damit dem ziel materieller (ausgleichs-)gerechtigkeit mehr gewicht, wenn nicht gar den grundsätzlichen vorrang vor der schnellen klarstellung der verhältnisse eingeräumt hat (bsg, urteil vom 10.05.2005 – b 1 kr 20/04 r –, juris-rn 20 m.w.n.). insofern greift die allein auf den (ursprünglichen) zweck des § 111 sgb x gestützte argumentation für einen zeitabschnittsweisen fristbeginn nicht durch. daneben weist die klägerin zurecht darauf hin, dass jugendhilfe in den seltensten fällen zeitabschnittsweise gewährt wird und ein deshalb – hilfsweise notwendiges – abstellen auf den zeitpunkt der abrechnung zwischen jugendhilfeträger und leistungserbringer die kostenerstattung letztlich von zufälligkeiten abhängig macht (vgl. auch mutschler, aao., § 111 rn 30, der anhand eines beispiels die praktischen probleme der auffassung des bayvgh erläutert). schließlich trägt auch die befürchtung, dass sich bei annahme einer (gesamt-)leistung hilfe zur erziehung mit anschließender hilfe für junge volljährige im extremfall ein leistungszeitraum von 27 jahren ergeben könnte und erst nach ablauf dieses zeitraums die ausschlussfrist von 12 monaten beginnen würde im ergebnis nicht. denn durch die verjährung gem. § 113 sgb x wird ein unzumutbares ausufern des erstattungsanspruchs verhindert (dijuf-rechtsgutachten, jamt 2014, 199). da § 113 sgb x – anders als § 111 sgb x – nicht an den leistungsbegriff, sondern – jedenfalls dann, wenn keine entscheidung über die leistungspflicht durch den erstattungspflichtigen leistungsträger ergeht (böttiger, aao., § 113 rn 9) – an die entstehung des erstattungsanspruchs anknüpft, bleibt hier eine "zeitabschnittsweise" verjährung des erstattungsanspruchs möglich. 343. die klageforderung ist auch nicht gem. § 113 sgb x verjährt. der beklagte hat jedenfalls hinsichtlich der das jahr 2009 betreffenden erstattungsforderung durch schriftsatz vom 12.12.2013 auf die einrede der verjährung verzichtet. ob der verzicht des beklagten auf die verjährungseinrede auch die das jahr 2010 betreffende erstattungsforderung betrifft, kann vorliegend dahinstehen, weil insoweit jedenfalls durch klageerhebung am 18.12.2014 ablaufhemmung eingetreten ist (§ 113 abs. 2 sgb x i.v.m. § 204 abs. 1 nr. 1, § 209 bürgerliches gesetzbuch -bgb-). 35ii. die kosten des verfahrens trägt der beklagte als unterliegender beteiligter (§197a sozialgerichtsgesetz -sgg- in verbindung mit § 154 abs. 1 verwaltungsgerichtsordnung -vwgo-). das verfahren unterfällt dem regelungsbereich des § 197a sgg, weil weder die klägerin noch der beklagte zu den in § 183 genannten personen gehören. | Klaeger*in | 1 |
164,888 | 3 O 454/13 | 2015-06-11T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 89.833,32 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.12.2013 Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots gegenüber der Beklagten auf Übertragung der vom Kläger am 20.01.2005 gezeichneten Beteiligung an der E GmbH & Co. S 22 KG i.L. über nominal € 100.000,00 und Abtretung der Rechte des Klägers aus dieser Beteiligung an die Beklagte sowie Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots gegenüber der Beklagten auf Übertragung der im Depot des Klägers eingestellten 4.639 P-AG Aktien mit der ISIN 000 zu zahlen. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen Schäden und Nachteilen, die mittelbar oder unmittelbar aus der vom Kläger am 20.01.2005 gezeichneten Beteiligung an der E GmbH & Co. S 22 KG im Nennwert von € 100.000,00 resultieren und die ohne Zeichnung dieser Beteiligung nicht eingetreten wären, Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots gegenüber der Beklagten auf Übertragung der vom Kläger am 20.01.2005 gezeichneten Beteiligung an der E GmbH & Co. S 22 KG i.L. über nominal € 100.000,00 und Abtretung der Rechte des Klägers aus dieser Beteiligung an die Beklagte sowie Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots gegenüber der Beklagten auf Übertragung der im Depot des Klägers eingestellten 4.639 P-AG Aktien mit der ISIN 000 freizustellen Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der vom Kläger am 20.01.2005 gezeichneten Beteiligung an der E GmbH & Co. S. 22 KG i.L. über nominal € 100.000,00 und der Annahme der Abtretung der Rechte des Klägers aus dieser Beteiligung sowie der Annahme des Angebots auf Übertragung der im Depot des Klägers eingestellten 4.639 P-AG Aktien mit der ISIN 000 in Verzug befindet. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere € 1186,37 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.12.2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags. 1Tatbestand: 2Die Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen der Beteiligung an der „E GmbH & Co. S 22 KG“ (im Folgenden: ES 22). 3Im Januar 2005 kam der für die Beklagte tätige Kundenberater P.auf den am 27. Augst 1931 geborenen Kläger zu, um ihm eine Beteiligung an dem ES 22 zu empfehlen. 4Am 20. Januar 2005 fand ein Beratungsgespräch statt. Der Kläger wurde nicht mündlich darüber aufgeklärt, dass die E-Bank Provisionen erhält. Der weitere Inhalt des Beratungsgespräches ist zwischen den Parteien streitig. 5Der Kläger beteiligte sich durch Beitrittserklärung vom 20. Januar 2005 mit einem Betrag von € 100.000,00 an dem ES 22 und zahlte € 105.000,00, worin ein Agio von 5% enthalten war, auf das Beteiligungskonto ein. 6Im Emissionsprospekt wird die E. Bank nicht als Empfängerin von Zahlungen oder als Vertriebspartner genannt. Die E. Bank erhielt Zahlungen für die Vermittlung der Anlage. 7Die E. Bank AG wurde auf die Beklagte verschmolzen und am 11. Mai 2009 im Handelsregister gelöscht. Die Verschmelzung der E. Bank AG auf die Beklagte wurde in deren Register am 11. Mai 2009 (HRB 43000 AG G.) eingetragen. Im Folgenden wird aus Vereinfachungsgründen nicht zwischen der E. Bank AG und ihrer Rechtsnachfolgerin, der Beklagten, differenziert. 8Der Kläger behauptet, es habe keine Aufklärung über das mögliche Risiko des Totalverlustes stattgefunden, vielmehr sei die Beteiligung als sicheres Immobilieninvestment empfohlen worden. Er sei nicht über die erhebliche Fremdfinanzierung und die fehlende Kündigungsmöglichkeit vor Laufzeitende aufgeklärt worden. Einen Prospekt habe er weder vorher noch bei Unterzeichnung der Beteiligung erhalten. 9Die Beklagte habe für die Beteiligung des Klägers eine Vergütung in Höhe von 11% der Beteiligungssumme erhalten, wobei unstreitig ist, dass eine über das Agio hinausgehende Vergütung erfolgt ist. Er, der Kläger, hätte die Anlage nicht gezeichnet, wenn er über die Risiken aufgeklärt worden sei und er die Provisionen der Beklagten gekannt hätte. 10Er habe insgesamt Ausschüttungen in Höhe vom € 15.166,68 erhalten: € 2.166,68 am 30. Juni 2005, € 3.250,00 am 29. Dezember 2005, € 3.250,00 am 30. Juni 2006, € 3.250,00 am 28. Dezember 2006 und € 3.250,00 am 29. Juni 2007. 11Die Kläger beantragt, 121. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 89,833,32 zuzüglich Zinsen aus € 105.000,00 vom 31.01.2005 bis zum 30.06.2005, aus € 102,833,32 vom 01.07.2005 bis zum 29.12.2005, aus 99.583,32 vom 30.12.2005 bis zum 30.06.2006, aus € 96.333,32 vom 01.07.2006 bis zum 28.12.2006, aus € 93.083,32 vom 29.12.2006 bis zum 29.06.2007, aus € 89.833,32 vom 30.06.2007 bis zum 07.12.2013 in Höhe von jeweils 2 Prozent p.a. sowie aus 89.833,32 seit dem 08.12.2013 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. zu zahlen, 132. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihn von allen Schäden und Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der vom ihm am 20.01.2005 gezeichneten Beteiligung an der E GmbH & Co. S 22 KG i.L im Nennwert von € 100.000,00 resultieren und die ohne Zeichnung dieser Beteiligung nicht eingetreten wären, 143. die Beklagte gemäß den Anträgen zu 1 und 2 Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots gegenüber der Beklagten auf Übertragung der vom ihm am 20.01.2005 gezeichneten Beteiligung an der E GmbH & Co. S 22 KG i.L über nominal € 100.000 und Abtretung seiner Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte sowie Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots gegenüber der Beklagten auf Übertragung der im Depot des Klägers eingestellten 4.639 P AG-Aktien mit der ISIN 000 zu verurteilen, 154. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der vom ihm am 20.01.2005 gezeichneten Beteiligung an der E GmbH & Co. S 22 KG i.L über nominal € 100.000 und der Annahme der Abtretung der Rechte des Klägers aus dieser Beteiligung sowie der Annahme des Angebots auf Übertragung der im Depot des Klägers eingestellten 4.639 P-AG Aktien mit der ISIN 000 in Verzug befindet, 165. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere € 2.259,51 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 07.12.2013 zu zahlen. 17Die Beklagte beantragt, 18die Klage abzuweisen. 19Die Beklagte behauptet, es habe zwei persönliche Gespräche im Abstand von mindestens 1 bis 2 Wochen gegeben und der Kläger habe den Prospekt bereits beim ersten Gespräch erhalten. 20Der Kläger habe gewusst, dass sie, die Beklagte, Provisionen erhalte. Dies schon deshalb, weil er versucht habe hinsichtlich der Gebühren und des Agio einen Nachlass zu erhalten. 21Der Kläger hätte aus dem Prospekt entnehmen können, dass bei der streitgegenständlichen Fondbeteiligung Provisionen an sie, die vermittelnde Beklagte, flössen, weil – unstreitig – im Prospekt erwähnt wird, dass die E AG sich für die Vermittlung Dritter bedienen darf. Weil sie, die Beklagte, die Beteiligung – unstreitig – vermittelte, habe der Kläger den Umstand, dass sie eine Provision erhalte sowie deren Höhe erkennen können. 22Der Kläger hätte sich auch in Kenntnis der Provision an der Gesellschaft beteiligt, weil es ihm auf die hohe Rendite ankam. 23Der Kläger habe Ausschüttungen in den Jahren 2004 bis 2007 Ausschüttungen in Höhe von 19,25% (3% in 2004, 6,5% in 2005, 6,5% in 2006 und 3,25% in 2007) der Beteiligungssumme, insgesamt € 19.250,00, erhalten. 24Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. 25Entscheidungsgründe: 26Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. 27I. 28Der Kläger hat einen Anspruch aus § 280 Abs. 1 i.V.m. dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Kapitalanlageberatungsvertrages wegen der Verletzung einer sich aus dem Vertrag ergebenen Pflicht zur Aufklärung über den Erhalt von Rückvergütungen auf Rückabwicklung der streitgegenständlichen Kapitalanlage durch Zahlung von € 89.833,23 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. Dezember 2013 Zug um Zug gegen Übertragung der vom Kläger am 20. Januar 2005 gezeichneten Beteiligung an der E GmbH & Co. S 22 KG i.L. sowie Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebotes gegenüber der Beklagten auf Übertragung der im Depot des Klägers eingestellten 4.639 Q P-AG Aktien mit der ISIN 000. 291. Zwischen den Parteien kam ein Beratungsvertrag hinsichtlich des Erwerbs der streitgegenständlichen Beteiligung zustande. Ein Beratungsvertrag kommt regelmäßig konkludent zustande, wenn im Zusammenhang mit der Anlage eines Geldbetrages tatsächlich eine Beratung stattfindet (BGH, Urt. v. 25. September 2007 – XI ZR 320/06, Rn. 12; BGH, Urt. v. 25. Juni 2002 – XI ZR 218/01, Rn. 38; zitiert nach juris). Die Parteien haben übereinstimmend eine Situation geschildert, in der eine Beratung stattfand. Es ist lediglich Inhalt und Umfang der Beratung streitig. 302. Die Beklagte hat eine Pflicht aus dem Beratungsvertrag verletzt, indem sie den Kläger nicht über die Rückvergütungen, die die Beklagte anlässlich der Beteiligung erhielt, aufgeklärt hat. Es kann daher dahinstehen, ob weitere Aufklärungspflichten im Hinblick auf die Möglichkeit des Totalverlustes, die fehlende Kündigungsmöglichkeit vor Laufzeitende oder die Risiken aus einer unternehmerischen Beteiligung verletzt wurden. 31a) Bei den von der Beklagten vereinnahmten Zahlungen handelt es sich um Rückvergütungen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist eine Bank aus dem Anlageberatungsvertrag verpflichtet, über die von ihr vereinnahmten Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen in diesem Sinne sind – regelmäßig umsatzabhängige – Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsgebühren gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen (BGH, Urt. v. 26. Februar 2013 – XI ZR 498/11 (OLG Frankfurt a.M.), NJW 2013, 1801 m.w.N.). Es liegen Rückvergütungen nach dieser Definition vor, weil im Prospekt auf Seite 21 (Bl. 58 GA) und Seite 45 (Bl. 70 GA) offen Eigenkapitalbeschaffungskosten von € 5.800.000,00 ausgewiesen werden und es sich somit um offen ausgewiesene Vertriebsprovisionen handelt. 32b) Hinsichtlich der Rückvergütungen besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Pflicht aus dem Anlageberatungsvertrag ungefragt über den Umstand aufzuklären, dass Rückvergütungen von der vermittelnden Bank vereinnahmt werden. (BGH, a.a.O.) Gegen diese Aufklärungspflicht hat die Beklagte verstoßen, weil die von der Beklagten gegenüber dem Kläger geschuldete Aufklärung weder durch eine mündliche Aufklärung im Beratungsgespräch noch durch eine – umstrittene – Übergabe des Prospektes erfolgt ist. 33aa) Eine Aufklärung über die gezahlten Rückvergütungen an die Beklagte ist unstreitig nicht mündlich erfolgt. 34bb) Auch durch eine etwaige Übergabe des Prospektes ist keine ausreichende Aufklärung erfolgt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob eine Übergabe des Prospektes erfolgt ist. Die Kammer konnte jedoch offen lassen, ob eine Übergabe des Prospektes, wie von der Beklagten behauptet, etwa ein bis zwei Wochen vor dem Termin am 20. Januar 2005 stattgefunden hat und ob dieser Vortrag hinreichend genau substantiiert ist, weil der Prospekt als solcher nicht geeignet ist, die erforderliche Aufklärung des Klägers über die Rückvergütungen herbeizuführen. 35Grundsätzlich kann die Aufklärung über Rückvergütungen auch mittels Übergabe eines Prospektes erfolgen, in dem die beratende Bank als Empfänger der nach Höhe korrekt angegeben Vertriebsprovision ausdrücklich genannt wird (BGH, Urt. v. 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10 (OLG Frankfurt a.M.), NJW 2012, 2427 (2429) m.w.N.) Dabei muss aber insbesondere im Prospekt auch die Höhe der Rückvergütung von der Bank ungefragt offen gelegt werden (BGH, Beschl. v. 19. Juli 2011 – XI ZR 191/10 (OLG Celle), NZG 2011, 1187 (1188); BGH, Urt. v. 19. Dezember 2006 – XI ZR 56/05 (OLG München), NJW 2007, 1876 (1878) Rn. 22). Diesen Anforderungen genügt der als Anlage B 1 vorgelegte Prospekt nicht. Aus dem Prospekt ergibt sich nicht, dass die Beklagte Empfängerin des Agio sowie weiterer Vertriebsprovisionen sein sollte, weil sie nicht ausdrücklich als Empfängerin genannt wird. Soweit die Beklagte einwendet, dass der Kläger habe erkennen können, dass mit von der E AG eingeschalteten Vermittlern (Bl. 70 GA) auch die Beklagte gemeint sei, so ist dies nicht für eine Aufklärung ausreichend, weil hierfür erforderlich ist, dass die Bank als Provisionsempfänger ausdrücklich genannt wird. Es fehlt sonst an der notwendigen klaren Offenlegung eines möglichen Interessenkonfliktes bei der Vermittlung der Anlage und weiterhin ergibt sich aus der bloßen Möglichkeit der Untervermittlung nicht in welcher Höhe die Beklagte Vergütungen erhält. Diese Information ist aber gerade wichtig für den Anleger, um den Grad des Eigeninteresse des Vermittlers zu beurteilen. 363) Die Beklagte hat die Verletzung der Aufklärungspflicht zu vertreten. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Verschulden des Beklagten insoweit vermutet. Die Beklagte ist der Vermutung nicht entgegengetreten. 374) Die Pflichtverletzung ist auch ursächlich für die Zeichnung der Beteiligung, denn die Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen aus denen sich ergibt, dass der Kläger die Beteiligung auch bei gehöriger Aufklärung erworben hätte. 38Die Beklagte hat darzulegen und zu beweisen, dass der Kläger die Beteiligung auch bei gehöriger Aufklärung über die Rückvergütung erworben hätte (BGH, Urt. v. 13. Dezember 2011 – XI ZR 51710 (OLG Düsseldorf), NJW 2012, 1801 (1808) Rn. 62; BGH, Urt. v. 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10 (OLG Frankfurt a.M.), NJW 2012, 2427 (2429). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat , beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte (BGH, a.a.O). Es handelt sich nicht um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung. Die Beweislastumkehr greift bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung stets ein (BGH, Urt. v. 26. Februar 2013 – XI ZR 498/11 (OLG Frankfurt a.M.), NJW 2013, 1801 (1802) Rn. 20; BGH, Urt. v. 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10 (OLG Frankfurt a.M.), NJW 2012, 2427 (2429) Rn. 33). Eine fehlerhafte Aufklärung ist nach der Lebenserfahrung ursächlich für die Anlageentscheidung (st. Rspr., BGH, Urt. v. 22. März 2010 - II ZR 203/08, zitiert nach juris, Rn. 22 m.w.N.). Durch die Beweislastumkehr wird das Recht des Anlegers geschützt in eigener Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider, über eine bestimme Anlage zu befinden. Dem Vortrag der Beklagten können keine Umstände entnommen werden, die darauf schließen lassen, dass der Kläger die streitgegenständliche Anlage auch bei gehöriger Aufklärung erworben hätte. Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe im Jahr 2003 eine Beteiligung am Immobilienfonds N Rendite-Fonds P (N S V) erworben, dabei ist sie aber dem Vortrag des Klägers, diese Beteiligung sei ebenfalls rückabgewickelt worden, nicht entgegengetreten. Es fehlt also schon an dem Indiz, dass nur bestimmte Anlagen rückabgewickelt werden, andere aber, bei denen eine vergleichbare Rückvergütung erfolgte, vom Anleger behalten wurden. Ebenso hat die Beklagte auch nicht vorgetragen, dass bei dem Erwerb der Beteiligung an den N Rendite-Fonds P eine Aufklärung über die Rückvergütung erfolgt ist und der Kläger die Beteiligung in Kenntnis dieser Rückvergütung erworben hat. 395. Ein Anspruch auf Erstattung der entgangenen Anlagezinsen besteht nicht. Der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Beratungsvertrages umfasst nach § 252 Satz 1 BGB auch den entgangenen Gewinn. Hierzu gehören auch entgangene Anlagezinsen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist einem Kapitalanleger, der durch unrichtige Angaben dazu bewogen worden ist, einer Publikumsgesellschaft beizutreten, nicht nur seine Einlage in diese Gesellschaft, sondern auch der Schaden zu ersetzen, der sich typischerweise daraus ergibt, dass das Eigenkapital des Anlegers in dieser Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre (BGH Urt. v. 24. April 2012 – XI ZR 360/11 (OLG Köln), NJW 2012, 2266; BGH, Urt. v. 02. Dezember 1991 - II ZR 141/90 (Düsseldorf), NJW 1992, 1223 = WM1992, 143 [144] m. w. N.). 40Der Kläger ist seiner Darlegungs- und Beweispflicht jedoch nicht im ausreichenden Umfang nachgekommen. Dafür, dass und in welcher Höhe ihm durch das schädigende Ereignis ein solcher Gewinn entgangen ist, ist der Geschädigte darlegungs- und beweispflichtig. § 252 S. 2 BGB enthält für den Geschädigten lediglich eine die Regelung des § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung (BGH, Urt. v. 13. Januar 2004 – XI ZR 355/12, NJW 2004, 1868 = WM2004, 422 [425]. Der Geschädigte kann sich deshalb auf die Behauptung und den Nachweis der Anknüpfungstatsachen beschränken, bei deren Vorliegen die in § 252 S. 2 BGB geregelte Vermutung eingreift (BGH, Urt. v. 28. Februar 1996 – XII ZR 186/94 (OLG Oldenburg, NJW-RR 1996, 1077 = WM1996, 1270 m.w.N.). Die Wahrscheinlichkeit einer Gewinnerzielung i. S. von § 252 BGB auf Grund einer zeitnahen alternativen Investitionsentscheidung des Geschädigten und deren Umfang kann jedoch nur anhand seines Tatsachenvortrags dazu beurteilt werden, für welche konkrete Form der Kapitalanlage er sich ohne das schädigende Ereignis entschieden hätte (OLG Frankfurt, Urt. v. 31. Januar 2014 – 10 U 199/12 –, Rn. 27, juris; BGH, Urt. v. 24. April 2012 – XI ZR 360/11 –, Rn. 13, juris). Es fehlt an dieser konkreten Schätzgrundlage. Aus dem Vortrag des Klägers ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte, welche konkrete Art von Anlage der Kläger gegebenenfalls gewählt hätte und welche Gewinne oder Verluste er dabei erzielt hätte. 41Weiter kann auch nicht der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit zu erwartende Gewinn verlangt werden. Es entspricht schon nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, das eine Geldanlage überhaupt Gewinn abwirft (vgl. BGH Urt. v. 24. April 2012 – XI ZR 360/11 (OLG Köln), NJW 2012, 2266). 426. Der Kläger verlangt die Rückzahlung der gezahlten Einlage abzüglich der erfolgten Ausschüttungen. Der Kläger hat vorgetragen er habe Ausschüttungen in Höhe von € 15.166,68 erhalten. Die Beklagte hat dagegen eingewandt es habe Ausschüttungen in Höhe von € 19.250,00 gegeben. Der Vortrag der Beklagten zu der Höhe der Ausschüttungen kann aber unbeachtet bleiben, weil sie ihrer Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen ist. Die Beklagte hat insbesondere nur das Jahr vorgetragen, in welchem eine Ausschüttung erfolgt sein soll, dabei aber – im Gegensatz zum Kläger – nicht das Datum angegeben, an dem eine Zahlung erfolgt sein soll. Dabei war es ihr als – unwidersprochen – kontoführender Bank ohne weiteres möglich die Zahlungen auf das Konto des Klägers nachzuvollziehen und ihren Vortrag entsprechend zu substantiieren. Auch ist die Beklagte dem Einwand des Klägers, dass die Beteiligung erst im Januar 2005 erfolgt sei und der Kläger deshalb an der Ausschüttung für 2004 nicht und an der Ausschüttung für 2005 nur teilweise beteiligt wurde, nicht hinreichend entgegengetreten. 437. Die Beklagte kann nicht erfolgreich die Einrede der Verjährung nach § 214 BGB berufen. Die dreijährige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB ist noch nicht abgelaufen. 44Die regelmäßige Verjährung beginnt nach §§ 195, 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Soweit es sich um den Vorwurf verschiedener Aufklärungs- und Beratungsfehler geht, sind die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Satz 2 BGB für jede einzelne Pflichtverletzung getrennt zu prüfen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010, III ZR 203/09, zitiert nach juris 13). 45a) Der Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht ist bereits mit der Unterzeichnung des Beteiligungsangebotes am 20. Januar 2005 im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Anleger, der aufgrund einer Verletzung der Aufklärungspflicht oder einer fehlerhaften Beratung eine für ihn nachteilige Kapitalanlage erworben hat, bei der gebotenen wertenden Betrachtung bereits durch den Erwerb der Kapitalanlage geschädigt, weil der ohne die erforderliche Aufklärung gefasste Anlageentschluss von dem Mängel der fehlerhaften Aufklärung beeinflusst ist BGH, Urt. v. 8. April 2014 – XI ZR 341/12, VuR 2014, 266; BGH, Urt. v. 26. Februar 2013, XI ZR 498/11, BGHZ 196, 233 Rn. 25 m.w.N.). Es kommt nicht darauf an, ob und wann die Kapitalanlage gegebenenfalls später im Wert gefallen ist (BGH, Urt. v. 8. April 2014 – XI ZR 341/12, VuR 2014, 266; BGH, Urt. v. 26. Februar 2013, XI ZR 498/11, BGHZ 196, 233 Rn. 25 m.w.N.). 46b) Für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 199 Abs. Nr. 2 BGB trägt der Schuldner – hier die Beklagte – die Darlegungs- und Beweislast (BGH, Urt. v. 16. Juni 2011 II ZW 200/09, ziert nach juris Rn. 21 m.w.N.). Die Kenntnis von Schaden und der Person des Ersatzpflichten liegt vor, wenn dem Geschädigten in erfolgsversprechender Weise die Erhebung einer Schadenersatzklage und sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage möglich ist, wobei es auf die Kenntnis der den Einzelanspruch begründenden tatsächlichen Umstände ankommt (BGH, Urt. v. 07. Juli 2011 – III ZR 90/10, Ziert nach juris Rdnr. 16). In Fällen des Schadensersatz wegen unzureichender Aufklärung muss der Geschädigte insbesondere nicht die Rechtspflicht des Schädigers zur Aufklärung kennen, es genügt auch insofern die Kenntnis derjenigen tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Aufklärungspflicht ergibt (BGH, Urt. v. 26. Februar 2013 – XI ZR 498/11 –, BGHZ 196, 233-243, Rn. 28). Dabei erfordert der Beginn der Verjährung nicht die Kenntnis des Anlegers von der konkreten Höhe der Vergütung, die die Bank erhalten hat. Die beratende Bank muss den Anleger zwar über Grund und Höhe einer Rückvergütung ungefragt aufklären, so dass die unterlassene Mitteilung über die Höhe der Rückvergütung ein anspruchsbegründender Umstand ist. Von diesem Umstand hat ein Anleger aber denknotwendig bereits dann positive Kenntnis, wenn er weiß, dass die ihn beratende Bank Provisionen für das von ihm getätigte Anlagegeschäft erhält, deren Höhe ihm die Bank nicht mitteilt (BGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – XI ZR 498/11 –, BGHZ 196, 233-243, Rn. 29 m.w.N.). 47Die Beklagte hat vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der kostenbewusste Kläger von den Provisionen an die Bank wusste und versuchte Sonderkonditionen auszuhandeln, ihm allerdings kein Nachlass auf Gebühren und Agio gewährt wurde. Aus diesem Vortrag geht aber nicht hervor, dass der Kläger wusste, dass die Beklagte über das Agio und Gebühren hinausgehende Rückvergütungen erhält und dass er über diese nicht aufgeklärt wurde. Die Kenntnis, dass das Agio an die Beklagte geflossen ist, reicht nicht aus um anzunehmen, dass der Kläger auch wusste, dass die Beklagte über das Agio hinaus Vergütungen erhielt. Gerade die Kenntnis über die fehlende Aufklärung über diese aufklärungspflichtige Tatsachen würde dazu führen, dass der Kläger auch Kenntnis über die anspruchsbegründenden Tatsachen gehabt hätte. 48bb) Auch von einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners ist nicht auszugehen. 49Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt demnach nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegeben Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung („Verschulden gegen sich selbst“) vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat. Hierbei trifft den Gläubiger aber generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; Vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falles als geradezu unverständlich erschienen, um eine grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (BGH, Urt. v. 16. Juni 2011 III ZR 200/09, zitiert nach juris Rdnr. 22 m.w.N.). 50Die Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass der Kläger bei Einhaltung des erforderlichen Sorgfaltsmaßstabs, die anspruchsbegründenden Tatsachen habe erkennen müssen. Aus dem Prospekt oder den zur Akte gegebenen Gesellschafterbeschlüssen ergibt sich gerade nicht, dass gerade die Beklagte Vergütungen erhalten hat, über die keine Aufklärung erfolgt ist. 518. Der Zinsanspruch ab dem 8. Dezember 2013 ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. 529. Die Verurteilung zur Zahlung erfolgt, wie im Antrag zu 3) beantragt Zug um Zug. 53II. 54Der Antrag zu 2) ist begründet, die Schadensentwicklung ist hinsichtlich der Rückforderung der Ausschüttungen noch nicht abgeschlossen und daher kann ein Leistungsanspruch nicht genau beziffert werden. Soweit die Beklagte vorgetragen hat, dass die EDN Renditefonds in eine Aktiengesellschaft überführt wurde und die Kommanditgesellschaft, an der der Kläger beteiligt war, aufgelöst wurde, kann dennoch nicht ausgeschlossen werden, dass Ansprüche wegen Rückzahlung der Einlage bestehen. 55III. 56Der Antrag zu 4) ist begründet, weil die Beklagte im Verzug der Annahme ist. 57IV. 58Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1186,37. Dies ergibt sich aus einer Geschäftsgebühr i.H.v. 0,65 zuzüglich Mehrwertsteuer und Pauschale. Der Kläger hat sich entschlossen die volle Verfahrensgebühr geltend zu machen und die 1,3-fache Geschäftsgebühr entsprechend zu reduzieren. Die vom Kläger angesetzte 2,0-fache Gebühr ist dagegen nicht angemessen, weil die anwaltliche Tätigkeit nicht umfangreich und schwierig war. 59Dass streitig ist, ob der Kläger die Rechtsanwaltsgebühren gezahlt hat, steht der Zahlungsforderung nicht entgehen. Nach § 250 Satz 2 BGB geht ein Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch über, wenn der Gläubiger unter Setzung einer Frist mit Ablehnungsandrohung den Ersatzpflichtigen erfolglos zur Erfüllung aufgefordert hat. Nach fruchtlosem Ablauf kann der Gläubiger dann Ersatz in Geld verlangen; der Anspruch auf Befreiung ist ausgeschlossen. Das Erfordernis einer entsprechenden Fristsetzung entfällt, wenn der Schuldner ernsthaft und endgültig die Befreiung oder überhaupt jede Schadensersatzleistung verweigert. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten die Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren verlangt und die Beklagte hat dies ernsthaft und endgültig verweigert. 60V. 61Die Kostenentscheidung ergeht nach § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1, 3 ZPO. 62V. 63Der Streitwert wird auf € 105.000,00 festgesetzt. | die beklagte wird verurteilt, an den kläger € 89.833,32 nebst zinsen hieraus in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 08.12.2013 zug um zug gegen abgabe eines angebots gegenüber der beklagten auf übertragung der vom kläger am 20.01.2005 gezeichneten beteiligung an der e gmbh & co. s 22 kg i.l. über nominal € 100.000,00 und abtretung der rechte des klägers aus dieser beteiligung an die beklagte sowie zug um zug gegen abgabe eines angebots gegenüber der beklagten auf übertragung der im depot des klägers eingestellten 4.639 p-ag aktien mit der isin 000 zu zahlen. es wird festgestellt, dass die beklagte verpflichtet ist, den kläger von allen schäden und nachteilen, die mittelbar oder unmittelbar aus der vom kläger am 20.01.2005 gezeichneten beteiligung an der e gmbh & co. s 22 kg im nennwert von € 100.000,00 resultieren und die ohne zeichnung dieser beteiligung nicht eingetreten wären, zug um zug gegen abgabe eines angebots gegenüber der beklagten auf übertragung der vom kläger am 20.01.2005 gezeichneten beteiligung an der e gmbh & co. s 22 kg i.l. über nominal € 100.000,00 und abtretung der rechte des klägers aus dieser beteiligung an die beklagte sowie zug um zug gegen abgabe eines angebots gegenüber der beklagten auf übertragung der im depot des klägers eingestellten 4.639 p-ag aktien mit der isin 000 freizustellen es wird festgestellt, dass sich die beklagte mit der annahme des angebots auf übertragung der vom kläger am 20.01.2005 gezeichneten beteiligung an der e gmbh & co. s. 22 kg i.l. über nominal € 100.000,00 und der annahme der abtretung der rechte des klägers aus dieser beteiligung sowie der annahme des angebots auf übertragung der im depot des klägers eingestellten 4.639 p-ag aktien mit der isin 000 in verzug befindet. die beklagte wird verurteilt, an den kläger weitere € 1186,37 nebst zinsen hieraus in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 07.12.2013 zu zahlen. im übrigen wird die klage abgewiesen. die beklagte trägt die kosten des rechtsstreits. das urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 prozent des jeweils zu vollstreckenden betrags. 1 | 2die kläger verlangt von der beklagten schadensersatz wegen der beteiligung an der „e gmbh & co. s 22 kg“ (im folgenden: es 22). 3im januar 2005 kam der für die beklagte tätige kundenberater p.auf den am 27. augst 1931 geborenen kläger zu, um ihm eine beteiligung an dem es 22 zu empfehlen. 4am 20. januar 2005 fand ein beratungsgespräch statt. der kläger wurde nicht mündlich darüber aufgeklärt, dass die e-bank provisionen erhält. der weitere inhalt des beratungsgespräches ist zwischen den parteien streitig. 5der kläger beteiligte sich durch beitrittserklärung vom 20. januar 2005 mit einem betrag von € 100.000,00 an dem es 22 und zahlte € 105.000,00, worin ein agio von 5% enthalten war, auf das beteiligungskonto ein. 6im emissionsprospekt wird die e. bank nicht als empfängerin von zahlungen oder als vertriebspartner genannt. die e. bank erhielt zahlungen für die vermittlung der anlage. 7die e. bank ag wurde auf die beklagte verschmolzen und am 11. mai 2009 im handelsregister gelöscht. die verschmelzung der e. bank ag auf die beklagte wurde in deren register am 11. mai 2009 (hrb 43000 ag g.) eingetragen. im folgenden wird aus vereinfachungsgründen nicht zwischen der e. bank ag und ihrer rechtsnachfolgerin, der beklagten, differenziert. 8der kläger behauptet, es habe keine aufklärung über das mögliche risiko des totalverlustes stattgefunden, vielmehr sei die beteiligung als sicheres immobilieninvestment empfohlen worden. er sei nicht über die erhebliche fremdfinanzierung und die fehlende kündigungsmöglichkeit vor laufzeitende aufgeklärt worden. einen prospekt habe er weder vorher noch bei unterzeichnung der beteiligung erhalten. 9die beklagte habe für die beteiligung des klägers eine vergütung in höhe von 11% der beteiligungssumme erhalten, wobei unstreitig ist, dass eine über das agio hinausgehende vergütung erfolgt ist. er, der kläger, hätte die anlage nicht gezeichnet, wenn er über die risiken aufgeklärt worden sei und er die provisionen der beklagten gekannt hätte. 10er habe insgesamt ausschüttungen in höhe vom € 15.166,68 erhalten: € 2.166,68 am 30. juni 2005, € 3.250,00 am 29. dezember 2005, € 3.250,00 am 30. juni 2006, € 3.250,00 am 28. dezember 2006 und € 3.250,00 am 29. juni 2007. 11die kläger beantragt, 121. die beklagte zu verurteilen, an ihn € 89,833,32 zuzüglich zinsen aus € 105.000,00 vom 31.01.2005 bis zum 30.06.2005, aus € 102,833,32 vom 01.07.2005 bis zum 29.12.2005, aus 99.583,32 vom 30.12.2005 bis zum 30.06.2006, aus € 96.333,32 vom 01.07.2006 bis zum 28.12.2006, aus € 93.083,32 vom 29.12.2006 bis zum 29.06.2007, aus € 89.833,32 vom 30.06.2007 bis zum 07.12.2013 in höhe von jeweils 2 prozent p.a. sowie aus 89.833,32 seit dem 08.12.2013 in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz p.a. zu zahlen, 132. festzustellen, dass die beklagte verpflichtet sei, ihn von allen schäden und nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der vom ihm am 20.01.2005 gezeichneten beteiligung an der e gmbh & co. s 22 kg i.l im nennwert von € 100.000,00 resultieren und die ohne zeichnung dieser beteiligung nicht eingetreten wären, 143. die beklagte gemäß den anträgen zu 1 und 2 zug um zug gegen abgabe eines angebots gegenüber der beklagten auf übertragung der vom ihm am 20.01.2005 gezeichneten beteiligung an der e gmbh & co. s 22 kg i.l über nominal € 100.000 und abtretung seiner rechte aus dieser beteiligung an die beklagte sowie zug um zug gegen abgabe eines angebots gegenüber der beklagten auf übertragung der im depot des klägers eingestellten 4.639 p ag-aktien mit der isin 000 zu verurteilen, 154. festzustellen, dass sich die beklagte mit der annahme des angebots auf übertragung der vom ihm am 20.01.2005 gezeichneten beteiligung an der e gmbh & co. s 22 kg i.l über nominal € 100.000 und der annahme der abtretung der rechte des klägers aus dieser beteiligung sowie der annahme des angebots auf übertragung der im depot des klägers eingestellten 4.639 p-ag aktien mit der isin 000 in verzug befindet, 165. die beklagte zu verurteilen, an ihn weitere € 2.259,51 nebst zinsen hieraus in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz p.a. seit dem 07.12.2013 zu zahlen. 17die beklagte beantragt, 18die klage abzuweisen. 19die beklagte behauptet, es habe zwei persönliche gespräche im abstand von mindestens 1 bis 2 wochen gegeben und der kläger habe den prospekt bereits beim ersten gespräch erhalten. 20der kläger habe gewusst, dass sie, die beklagte, provisionen erhalte. dies schon deshalb, weil er versucht habe hinsichtlich der gebühren und des agio einen nachlass zu erhalten. 21der kläger hätte aus dem prospekt entnehmen können, dass bei der streitgegenständlichen fondbeteiligung provisionen an sie, die vermittelnde beklagte, flössen, weil – unstreitig – im prospekt erwähnt wird, dass die e ag sich für die vermittlung dritter bedienen darf. weil sie, die beklagte, die beteiligung – unstreitig – vermittelte, habe der kläger den umstand, dass sie eine provision erhalte sowie deren höhe erkennen können. 22der kläger hätte sich auch in kenntnis der provision an der gesellschaft beteiligt, weil es ihm auf die hohe rendite ankam. 23der kläger habe ausschüttungen in den jahren 2004 bis 2007 ausschüttungen in höhe von 19,25% (3% in 2004, 6,5% in 2005, 6,5% in 2006 und 3,25% in 2007) der beteiligungssumme, insgesamt € 19.250,00, erhalten. 24hinsichtlich der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die gewechselten schriftsätze nebst anlagen verwiesen. 25 | 26die klage ist zulässig und in dem aus dem tenor ersichtlichen umfang begründet. 27i. 28der kläger hat einen anspruch aus § 280 abs. 1 i.v.m. dem zwischen den parteien zustande gekommenen kapitalanlageberatungsvertrages wegen der verletzung einer sich aus dem vertrag ergebenen pflicht zur aufklärung über den erhalt von rückvergütungen auf rückabwicklung der streitgegenständlichen kapitalanlage durch zahlung von € 89.833,23 nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 8. dezember 2013 zug um zug gegen übertragung der vom kläger am 20. januar 2005 gezeichneten beteiligung an der e gmbh & co. s 22 kg i.l. sowie zug um zug gegen abgabe eines angebotes gegenüber der beklagten auf übertragung der im depot des klägers eingestellten 4.639 q p-ag aktien mit der isin 000. 291. zwischen den parteien kam ein beratungsvertrag hinsichtlich des erwerbs der streitgegenständlichen beteiligung zustande. ein beratungsvertrag kommt regelmäßig konkludent zustande, wenn im zusammenhang mit der anlage eines geldbetrages tatsächlich eine beratung stattfindet (bgh, urt. v. 25. september 2007 – xi zr 320/06, rn. 12; bgh, urt. v. 25. juni 2002 – xi zr 218/01, rn. 38; zitiert nach juris). die parteien haben übereinstimmend eine situation geschildert, in der eine beratung stattfand. es ist lediglich inhalt und umfang der beratung streitig. 302. die beklagte hat eine pflicht aus dem beratungsvertrag verletzt, indem sie den kläger nicht über die rückvergütungen, die die beklagte anlässlich der beteiligung erhielt, aufgeklärt hat. es kann daher dahinstehen, ob weitere aufklärungspflichten im hinblick auf die möglichkeit des totalverlustes, die fehlende kündigungsmöglichkeit vor laufzeitende oder die risiken aus einer unternehmerischen beteiligung verletzt wurden. 31a) bei den von der beklagten vereinnahmten zahlungen handelt es sich um rückvergütungen. nach der ständigen rechtsprechung des bundesgerichtshofes ist eine bank aus dem anlageberatungsvertrag verpflichtet, über die von ihr vereinnahmten rückvergütungen aus offen ausgewiesenen vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären. aufklärungspflichtige rückvergütungen in diesem sinne sind – regelmäßig umsatzabhängige – provisionen, die im gegensatz zu versteckten innenprovisionen nicht aus dem anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen provisionen wie zum beispiel ausgabeaufschlägen und verwaltungsgebühren gezahlt werden, deren rückfluss an die beratende bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem rücken des anlegers erfolgt. hierdurch kann beim anleger zwar keine fehlvorstellung über die werthaltigkeit der anlage entstehen, er kann jedoch das besondere interesse der beratenden bank an der empfehlung gerade dieser anlage nicht erkennen (bgh, urt. v. 26. februar 2013 – xi zr 498/11 (olg frankfurt a.m.), njw 2013, 1801 m.w.n.). es liegen rückvergütungen nach dieser definition vor, weil im prospekt auf seite 21 (bl. 58 ga) und seite 45 (bl. 70 ga) offen eigenkapitalbeschaffungskosten von € 5.800.000,00 ausgewiesen werden und es sich somit um offen ausgewiesene vertriebsprovisionen handelt. 32b) hinsichtlich der rückvergütungen besteht nach der ständigen rechtsprechung des bundesgerichtshofes eine pflicht aus dem anlageberatungsvertrag ungefragt über den umstand aufzuklären, dass rückvergütungen von der vermittelnden bank vereinnahmt werden. (bgh, a.a.o.) gegen diese aufklärungspflicht hat die beklagte verstoßen, weil die von der beklagten gegenüber dem kläger geschuldete aufklärung weder durch eine mündliche aufklärung im beratungsgespräch noch durch eine – umstrittene – übergabe des prospektes erfolgt ist. 33aa) eine aufklärung über die gezahlten rückvergütungen an die beklagte ist unstreitig nicht mündlich erfolgt. 34bb) auch durch eine etwaige übergabe des prospektes ist keine ausreichende aufklärung erfolgt. zwischen den parteien ist streitig, ob eine übergabe des prospektes erfolgt ist. die kammer konnte jedoch offen lassen, ob eine übergabe des prospektes, wie von der beklagten behauptet, etwa ein bis zwei wochen vor dem termin am 20. januar 2005 stattgefunden hat und ob dieser vortrag hinreichend genau substantiiert ist, weil der prospekt als solcher nicht geeignet ist, die erforderliche aufklärung des klägers über die rückvergütungen herbeizuführen. 35grundsätzlich kann die aufklärung über rückvergütungen auch mittels übergabe eines prospektes erfolgen, in dem die beratende bank als empfänger der nach höhe korrekt angegeben vertriebsprovision ausdrücklich genannt wird (bgh, urt. v. 8. mai 2012 – xi zr 262/10 (olg frankfurt a.m.), njw 2012, 2427 (2429) m.w.n.) dabei muss aber insbesondere im prospekt auch die höhe der rückvergütung von der bank ungefragt offen gelegt werden (bgh, beschl. v. 19. juli 2011 – xi zr 191/10 (olg celle), nzg 2011, 1187 (1188); bgh, urt. v. 19. dezember 2006 – xi zr 56/05 (olg münchen), njw 2007, 1876 (1878) rn. 22). diesen anforderungen genügt der als anlage b 1 vorgelegte prospekt nicht. aus dem prospekt ergibt sich nicht, dass die beklagte empfängerin des agio sowie weiterer vertriebsprovisionen sein sollte, weil sie nicht ausdrücklich als empfängerin genannt wird. soweit die beklagte einwendet, dass der kläger habe erkennen können, dass mit von der e ag eingeschalteten vermittlern (bl. 70 ga) auch die beklagte gemeint sei, so ist dies nicht für eine aufklärung ausreichend, weil hierfür erforderlich ist, dass die bank als provisionsempfänger ausdrücklich genannt wird. es fehlt sonst an der notwendigen klaren offenlegung eines möglichen interessenkonfliktes bei der vermittlung der anlage und weiterhin ergibt sich aus der bloßen möglichkeit der untervermittlung nicht in welcher höhe die beklagte vergütungen erhält. diese information ist aber gerade wichtig für den anleger, um den grad des eigeninteresse des vermittlers zu beurteilen. 363) die beklagte hat die verletzung der aufklärungspflicht zu vertreten. gemäß § 280 abs. 1 satz 2 bgb wird das verschulden des beklagten insoweit vermutet. die beklagte ist der vermutung nicht entgegengetreten. 374) die pflichtverletzung ist auch ursächlich für die zeichnung der beteiligung, denn die beklagte hat keine tatsachen vorgetragen aus denen sich ergibt, dass der kläger die beteiligung auch bei gehöriger aufklärung erworben hätte. 38die beklagte hat darzulegen und zu beweisen, dass der kläger die beteiligung auch bei gehöriger aufklärung über die rückvergütung erworben hätte (bgh, urt. v. 13. dezember 2011 – xi zr 51710 (olg düsseldorf), njw 2012, 1801 (1808) rn. 62; bgh, urt. v. 8. mai 2012 – xi zr 262/10 (olg frankfurt a.m.), njw 2012, 2427 (2429). denn nach ständiger rechtsprechung des bundesgerichtshofes ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche aufklärungspflichten verletzt hat , beweispflichtig dafür, dass der schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der geschädigte rat oder hinweis also unbeachtet gelassen hätte (bgh, a.a.o). es handelt sich nicht um eine beweiserleichterung im sinne eines anscheinsbeweises, sondern um eine zur beweislastumkehr führende widerlegliche vermutung. die beweislastumkehr greift bei feststehender aufklärungspflichtverletzung stets ein (bgh, urt. v. 26. februar 2013 – xi zr 498/11 (olg frankfurt a.m.), njw 2013, 1801 (1802) rn. 20; bgh, urt. v. 8. mai 2012 – xi zr 262/10 (olg frankfurt a.m.), njw 2012, 2427 (2429) rn. 33). eine fehlerhafte aufklärung ist nach der lebenserfahrung ursächlich für die anlageentscheidung (st. rspr., bgh, urt. v. 22. märz 2010 - ii zr 203/08, zitiert nach juris, rn. 22 m.w.n.). durch die beweislastumkehr wird das recht des anlegers geschützt in eigener entscheidung nach abwägung des für und wider, über eine bestimme anlage zu befinden. dem vortrag der beklagten können keine umstände entnommen werden, die darauf schließen lassen, dass der kläger die streitgegenständliche anlage auch bei gehöriger aufklärung erworben hätte. die beklagte hat vorgetragen, der kläger habe im jahr 2003 eine beteiligung am immobilienfonds n rendite-fonds p (n s v) erworben, dabei ist sie aber dem vortrag des klägers, diese beteiligung sei ebenfalls rückabgewickelt worden, nicht entgegengetreten. es fehlt also schon an dem indiz, dass nur bestimmte anlagen rückabgewickelt werden, andere aber, bei denen eine vergleichbare rückvergütung erfolgte, vom anleger behalten wurden. ebenso hat die beklagte auch nicht vorgetragen, dass bei dem erwerb der beteiligung an den n rendite-fonds p eine aufklärung über die rückvergütung erfolgt ist und der kläger die beteiligung in kenntnis dieser rückvergütung erworben hat. 395. ein anspruch auf erstattung der entgangenen anlagezinsen besteht nicht. der schadensersatzanspruch wegen schuldhafter verletzung des beratungsvertrages umfasst nach § 252 satz 1 bgb auch den entgangenen gewinn. hierzu gehören auch entgangene anlagezinsen. nach der rechtsprechung des bgh ist einem kapitalanleger, der durch unrichtige angaben dazu bewogen worden ist, einer publikumsgesellschaft beizutreten, nicht nur seine einlage in diese gesellschaft, sondern auch der schaden zu ersetzen, der sich typischerweise daraus ergibt, dass das eigenkapital des anlegers in dieser höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern zu einem allgemein üblichen zinssatz angelegt worden wäre (bgh urt. v. 24. april 2012 – xi zr 360/11 (olg köln), njw 2012, 2266; bgh, urt. v. 02. dezember 1991 - ii zr 141/90 (düsseldorf), njw 1992, 1223 = wm1992, 143 [144] m. w. n.). 40der kläger ist seiner darlegungs- und beweispflicht jedoch nicht im ausreichenden umfang nachgekommen. dafür, dass und in welcher höhe ihm durch das schädigende ereignis ein solcher gewinn entgangen ist, ist der geschädigte darlegungs- und beweispflichtig. § 252 s. 2 bgb enthält für den geschädigten lediglich eine die regelung des § 287 zpo ergänzende beweiserleichterung (bgh, urt. v. 13. januar 2004 – xi zr 355/12, njw 2004, 1868 = wm2004, 422 [425]. der geschädigte kann sich deshalb auf die behauptung und den nachweis der anknüpfungstatsachen beschränken, bei deren vorliegen die in § 252 s. 2 bgb geregelte vermutung eingreift (bgh, urt. v. 28. februar 1996 – xii zr 186/94 (olg oldenburg, njw-rr 1996, 1077 = wm1996, 1270 m.w.n.). die wahrscheinlichkeit einer gewinnerzielung i. s. von § 252 bgb auf grund einer zeitnahen alternativen investitionsentscheidung des geschädigten und deren umfang kann jedoch nur anhand seines tatsachenvortrags dazu beurteilt werden, für welche konkrete form der kapitalanlage er sich ohne das schädigende ereignis entschieden hätte (olg frankfurt, urt. v. 31. januar 2014 – 10 u 199/12 –, rn. 27, juris; bgh, urt. v. 24. april 2012 – xi zr 360/11 –, rn. 13, juris). es fehlt an dieser konkreten schätzgrundlage. aus dem vortrag des klägers ergeben sich keine ausreichenden anhaltspunkte, welche konkrete art von anlage der kläger gegebenenfalls gewählt hätte und welche gewinne oder verluste er dabei erzielt hätte. 41weiter kann auch nicht der nach dem gewöhnlichen lauf der dinge mit wahrscheinlichkeit zu erwartende gewinn verlangt werden. es entspricht schon nicht dem gewöhnlichen lauf der dinge, das eine geldanlage überhaupt gewinn abwirft (vgl. bgh urt. v. 24. april 2012 – xi zr 360/11 (olg köln), njw 2012, 2266). 426. der kläger verlangt die rückzahlung der gezahlten einlage abzüglich der erfolgten ausschüttungen. der kläger hat vorgetragen er habe ausschüttungen in höhe von € 15.166,68 erhalten. die beklagte hat dagegen eingewandt es habe ausschüttungen in höhe von € 19.250,00 gegeben. der vortrag der beklagten zu der höhe der ausschüttungen kann aber unbeachtet bleiben, weil sie ihrer darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen ist. die beklagte hat insbesondere nur das jahr vorgetragen, in welchem eine ausschüttung erfolgt sein soll, dabei aber – im gegensatz zum kläger – nicht das datum angegeben, an dem eine zahlung erfolgt sein soll. dabei war es ihr als – unwidersprochen – kontoführender bank ohne weiteres möglich die zahlungen auf das konto des klägers nachzuvollziehen und ihren vortrag entsprechend zu substantiieren. auch ist die beklagte dem einwand des klägers, dass die beteiligung erst im januar 2005 erfolgt sei und der kläger deshalb an der ausschüttung für 2004 nicht und an der ausschüttung für 2005 nur teilweise beteiligt wurde, nicht hinreichend entgegengetreten. 437. die beklagte kann nicht erfolgreich die einrede der verjährung nach § 214 bgb berufen. die dreijährige verjährungsfrist nach §§ 195, 199 bgb ist noch nicht abgelaufen. 44die regelmäßige verjährung beginnt nach §§ 195, 199 bgb mit dem schluss des jahres, in dem der anspruch entstanden ist und in dem der gläubiger von den anspruch begründenden umständen und der person des schuldners kenntnis erlangt hat oder ohne grobe fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. soweit es sich um den vorwurf verschiedener aufklärungs- und beratungsfehler geht, sind die voraussetzungen des § 199 abs. 1 satz 2 bgb für jede einzelne pflichtverletzung getrennt zu prüfen (bgh, urteil vom 22. juli 2010, iii zr 203/09, zitiert nach juris 13). 45a) der schadensersatzanspruch aus positiver vertragsverletzung wegen verletzung einer aufklärungspflicht ist bereits mit der unterzeichnung des beteiligungsangebotes am 20. januar 2005 im sinne von § 199 abs. 1 nr. 1 bgb entstanden. denn nach ständiger rechtsprechung des bundesgerichtshofs ist der anleger, der aufgrund einer verletzung der aufklärungspflicht oder einer fehlerhaften beratung eine für ihn nachteilige kapitalanlage erworben hat, bei der gebotenen wertenden betrachtung bereits durch den erwerb der kapitalanlage geschädigt, weil der ohne die erforderliche aufklärung gefasste anlageentschluss von dem mängel der fehlerhaften aufklärung beeinflusst ist bgh, urt. v. 8. april 2014 – xi zr 341/12, vur 2014, 266; bgh, urt. v. 26. februar 2013, xi zr 498/11, bghz 196, 233 rn. 25 m.w.n.). es kommt nicht darauf an, ob und wann die kapitalanlage gegebenenfalls später im wert gefallen ist (bgh, urt. v. 8. april 2014 – xi zr 341/12, vur 2014, 266; bgh, urt. v. 26. februar 2013, xi zr 498/11, bghz 196, 233 rn. 25 m.w.n.). 46b) für die tatsächlichen voraussetzungen des § 199 abs. nr. 2 bgb trägt der schuldner – hier die beklagte – die darlegungs- und beweislast (bgh, urt. v. 16. juni 2011 ii zw 200/09, ziert nach juris rn. 21 m.w.n.). die kenntnis von schaden und der person des ersatzpflichten liegt vor, wenn dem geschädigten in erfolgsversprechender weise die erhebung einer schadenersatzklage und sei es auch nur in form einer feststellungsklage möglich ist, wobei es auf die kenntnis der den einzelanspruch begründenden tatsächlichen umstände ankommt (bgh, urt. v. 07. juli 2011 – iii zr 90/10, ziert nach juris rdnr. 16). in fällen des schadensersatz wegen unzureichender aufklärung muss der geschädigte insbesondere nicht die rechtspflicht des schädigers zur aufklärung kennen, es genügt auch insofern die kenntnis derjenigen tatsächlichen umstände, aus denen sich die aufklärungspflicht ergibt (bgh, urt. v. 26. februar 2013 – xi zr 498/11 –, bghz 196, 233-243, rn. 28). dabei erfordert der beginn der verjährung nicht die kenntnis des anlegers von der konkreten höhe der vergütung, die die bank erhalten hat. die beratende bank muss den anleger zwar über grund und höhe einer rückvergütung ungefragt aufklären, so dass die unterlassene mitteilung über die höhe der rückvergütung ein anspruchsbegründender umstand ist. von diesem umstand hat ein anleger aber denknotwendig bereits dann positive kenntnis, wenn er weiß, dass die ihn beratende bank provisionen für das von ihm getätigte anlagegeschäft erhält, deren höhe ihm die bank nicht mitteilt (bgh, urteil vom 26. februar 2013 – xi zr 498/11 –, bghz 196, 233-243, rn. 29 m.w.n.). 47die beklagte hat vorgetragen und unter beweis gestellt, dass der kostenbewusste kläger von den provisionen an die bank wusste und versuchte sonderkonditionen auszuhandeln, ihm allerdings kein nachlass auf gebühren und agio gewährt wurde. aus diesem vortrag geht aber nicht hervor, dass der kläger wusste, dass die beklagte über das agio und gebühren hinausgehende rückvergütungen erhält und dass er über diese nicht aufgeklärt wurde. die kenntnis, dass das agio an die beklagte geflossen ist, reicht nicht aus um anzunehmen, dass der kläger auch wusste, dass die beklagte über das agio hinaus vergütungen erhielt. gerade die kenntnis über die fehlende aufklärung über diese aufklärungspflichtige tatsachen würde dazu führen, dass der kläger auch kenntnis über die anspruchsbegründenden tatsachen gehabt hätte. 48bb) auch von einer grob fahrlässigen unkenntnis des klägers von den den anspruch begründenden umständen und der person des schuldners ist nicht auszugehen. 49grobe fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren verstoß gegen die anforderungen der im verkehr erforderlichen sorgfalt voraus. grob fahrlässige unkenntnis im sinne von § 199 abs. 1 nr. 2 bgb liegt demnach nur vor, wenn dem gläubiger die kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz nahe liegende überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegeben fall jedem hätte einleuchten müssen. ihm muss persönlich ein schwerer obliegenheitsverstoß in seiner eigenen angelegenheit der anspruchsverfolgung („verschulden gegen sich selbst“) vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den anspruch begründenden umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die augen verschlossen hat. hierbei trifft den gläubiger aber generell keine obliegenheit, im interesse des schuldners an einem möglichst frühzeitigen beginn der verjährungsfrist nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das unterlassen von ermittlungen nach lage des falles als geradezu unverständlich erschienen, um eine grob fahrlässiges verschulden des gläubigers bejahen zu können (bgh, urt. v. 16. juni 2011 iii zr 200/09, zitiert nach juris rdnr. 22 m.w.n.). 50die beklagte hat keine umstände vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass der kläger bei einhaltung des erforderlichen sorgfaltsmaßstabs, die anspruchsbegründenden tatsachen habe erkennen müssen. aus dem prospekt oder den zur akte gegebenen gesellschafterbeschlüssen ergibt sich gerade nicht, dass gerade die beklagte vergütungen erhalten hat, über die keine aufklärung erfolgt ist. 518. der zinsanspruch ab dem 8. dezember 2013 ergibt sich aus §§ 286, 288 bgb. 529. die verurteilung zur zahlung erfolgt, wie im antrag zu 3) beantragt zug um zug. 53ii. 54der antrag zu 2) ist begründet, die schadensentwicklung ist hinsichtlich der rückforderung der ausschüttungen noch nicht abgeschlossen und daher kann ein leistungsanspruch nicht genau beziffert werden. soweit die beklagte vorgetragen hat, dass die edn renditefonds in eine aktiengesellschaft überführt wurde und die kommanditgesellschaft, an der der kläger beteiligt war, aufgelöst wurde, kann dennoch nicht ausgeschlossen werden, dass ansprüche wegen rückzahlung der einlage bestehen. 55iii. 56der antrag zu 4) ist begründet, weil die beklagte im verzug der annahme ist. 57iv. 58der kläger hat einen anspruch auf ersatz der vorgerichtlichen rechtsanwaltskosten in höhe von € 1186,37. dies ergibt sich aus einer geschäftsgebühr i.h.v. 0,65 zuzüglich mehrwertsteuer und pauschale. der kläger hat sich entschlossen die volle verfahrensgebühr geltend zu machen und die 1,3-fache geschäftsgebühr entsprechend zu reduzieren. die vom kläger angesetzte 2,0-fache gebühr ist dagegen nicht angemessen, weil die anwaltliche tätigkeit nicht umfangreich und schwierig war. 59dass streitig ist, ob der kläger die rechtsanwaltsgebühren gezahlt hat, steht der zahlungsforderung nicht entgehen. nach § 250 satz 2 bgb geht ein befreiungsanspruch in einen zahlungsanspruch über, wenn der gläubiger unter setzung einer frist mit ablehnungsandrohung den ersatzpflichtigen erfolglos zur erfüllung aufgefordert hat. nach fruchtlosem ablauf kann der gläubiger dann ersatz in geld verlangen; der anspruch auf befreiung ist ausgeschlossen. das erfordernis einer entsprechenden fristsetzung entfällt, wenn der schuldner ernsthaft und endgültig die befreiung oder überhaupt jede schadensersatzleistung verweigert. der kläger hat gegenüber der beklagten die zahlung der außergerichtlichen rechtsanwaltsgebühren verlangt und die beklagte hat dies ernsthaft und endgültig verweigert. 60v. 61die kostenentscheidung ergeht nach § 92 abs. 1 zpo. die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 709 satz 1, 3 zpo. 62v. 63der streitwert wird auf € 105.000,00 festgesetzt. | Klaeger*in | 1 |
127,216 | 7 O 340/14 | 2016-01-07T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 91 % und der Beklagte 9 % Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin und dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung eines an den Beklagten gezahlten Karenzentschädigungsbetrages für die Einhaltung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes. 3Der Beklagte war bei der Klägerin als Geschäftsführer tätig. Gesellschafter der Klägerin und anderer auf dem Gebiet der Arbeitnehmerüberlassung tätiger Gesellschaften war der Bruder des Klägers Herr L, der die Klägerin und weitere Gesellschaften im Juli 2007 für insgesamt 27 Mio. € veräußerte. Noch vor der nach der Veräußerung erfolgten Umfirmierung der Klägerin wurde mit dem Beklagten unter dem 8.10./14.10.2008 einen Dienstvertrag geschlossen. In diesem Vertrag ist unter Z. 9 ein Wettbewerbsverbot geregelt. Unter Z. 10 ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot geregelt in dem es heißt: 4„Dem Geschäftsführer ist es untersagt, für die Dauer von einem Jahr nach Beendigung dieses Vertrages, gleich aus welchem Grund in selbstständiger, unselbstständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Gesellschaft im direkten oder indirekten Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist. In gleicher Weise ist dem Geschäftsführer untersagt, für die Dauer von einem Jahr nach Beendigung dieses Vertrages, gleich aus welchem Grund, ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar zu beteiligen oder vergleichbare Aktivitäten zu entfalten. „ 5In 10.5 ist eine Entschädigung geregelt. 6Der Beklagte war dann noch bis Mitte 2011 als Geschäftsführer der Klägerin tätig, die am 15. Juni 2010 auf die U GmbH mit Sitz in E verschmolzen wurde. Diese wiederum wurde am 20. September 2013 auf die Klägerin verschmolzen. 7Zuvor war mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 27.6.2011 der Beklagte mit sofortiger Wirkung als deren Geschäftsführer abberufen worden. Die Kündigung des Dienstvertrages wurde zum 31.12.2011 erklärt. 8Nach Abberufung des Beklagten korrespondierten die Parteien unter anderem über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot. Die entsprechende Vereinbarung wurde durch den Beklagten für unwirksam gehalten. Die Klägerin bestand auf der Einhaltung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes und nachdem letztlich bis zum 06.01. 2012 eine rechtsverbindliche Bestätigung gefordert worden war, dass sich der Beklagte an die vorgenannten Kundenschutzklausel halten werde, wurde auch die zuvor angeforderte Karenzentschädigung für die Dauer des Wettbewerbsverbotes für den Monat Januar 2012 ausgezahlt. Wegen der weiteren monatlich auszuzahlenden Entschädigungsbeträge für Februar 2012 und die Folgemonate führten die Parteien zwei Rechtsstreitigkeiten vor dem Landgericht E . Durch Urteil des Oberlandesgerichts in I vom 14. Juli 2014 wurde das Urteil des Landgerichts E vom ##.#.####, mit dem die Klägerin zur Zahlung monatlicher Entschädigungsbeträge von 7649,52 € für die Zeit bis einschließlich September 2012 verurteilt worden war, aufgehoben und die Klage abgewiesen. In diesem Urteil ist das Oberlandesgericht als zwischen den Parteien unstreitig davon ausgegangen, dass der Beklagte nach seiner Abberufung Ende Juni veranlasste, dass zwei auf die Klägerin lautende Mobilfunkverträge betreffend ihn und den weiteren ausgeschiedenen Mitarbeiter U, bezüglich von der Klägerin zur Nutzung überlassener Mobiltelefone auf ihn selbst überschrieben wurden. 9Ein insoweit durch die Klägerin zur Herausgabe eingeleitetes einstweiliges Verfügungsverfahren wurde für erledigt erklärt, nachdem eine Einigung über die Herausgabe der SIM – Karten getroffen war. 10In den Gründen des Urteils des OLG heißt es weiter, dass der Beklagte (dieses Verfahrens) am 13.10.2011 sein Sparguthaben als Sicherheit für ein durch die E1 zu Gunsten eines der L1 GmbH ausgereichten Darlehens über 286.400 € sowie für ein Mietaval über 13.518,70 € verpfändet habe. Gesellschafter dieser Firma waren der Bruder des Klägers und seine Nichte. Im Zeitpunkt der Verpfändung beabsichtigte der Beklagte nach Ablauf der Karenzzeit zum 31.12. 2012 einen Geschäftsanteil i.H.v. 37 % an der Firma L1 GmbH P zu erwerben. Dementsprechend wurde er dann auch am 8.1.2013 zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt und ist seit Anfang 2013 als Gesellschafter mit Anteilen im Nennwert von insgesamt 37.000 € (37 %) an der L1 GmbH P beteiligt. Bereits in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht war streitig, ob der Beklagte gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen hatte. 11Das Oberlandesgericht war schließlich der Auffassung, dass das Wettbewerbsverbot gegen § 138 BGB verstoße, da es gegenständlich zu weitgehend sei, da kein schutzwürdiges Interesse der Klägerin (dises Verfahrens) daran bestehe, dass der Beklagte nicht für ein Wettbewerbsunternehmen einer Weise tätig werde, welche keinen Bezug zu dem Tätigkeitsbereich der Klägerin und der dort relevanten Fachkompetenz des Beklagten oder zu den Kunden der Klägerin aufweise. 12Trotz der Unwirksamkeit des vereinbarten Wettbewerbsverbotes hat der Senat des Oberlandesgerichtes einen Anspruch auf Zahlung der Karenzentschädigung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB deswegen geprüft, weil eine vertraglich auferlegte Unterlassung, bei der es sich ebenfalls um eine Leistung im Sinne von § 241 Abs.1 S. 2 BGB handele im Falle der Unwirksamkeit der zu Grunde liegenden Vertragsklausel als Kondiktionsgegenstand anzusehen sei, wozu insbesondere ein vertraglich vereinbartes, aber nichtiges Wettbewerbsverbot gehöre. Einen Anspruch auf eine Karenzentschädigung aus dem Rechtsgrund der ungerechtfertigten Bereicherung hat der Senat letztlich abgelehnt, weil er sich nicht die Überzeugung hat bilden können, dass sich der Beklagte in dem entsprechenden Zeitraum vom 1.1.2012 bis zum 31.12.2012 im Verhältnis zur Klägerin jedes wettbewerbswidrigen Handelns enthalten hätte. Die soweit verbliebenen Zweifel gingen zu seinen Lasten. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des §§ 812 BGB , und damit auch die für die Unterlassung von Wettbewerb als das erlangte Etwas, der Beklagte als damaliger Kläger und Bereicherungsgläubiger trage. 13Wegen des vorstehenden Sachverhalts wird neben dem schriftsätzlichen Vortrag insbesondere auf die Gründe des Urteils des Oberlandesgerichts I vom ##. # #### sowie die Tatbestände der landgerichtlichen Urteile des Landgerichts E vom ##.#.####, ##.##.####(Anlagen K5,K6 und K7) verwiesen. 14Nach Rechtskraft des Urteils des OLG I vom ##. ##.#### nahm der Beklagte die Klage wegen der weiteren Karenzentschädigungsbeträge bis Ende 2012 zurück. Die Klägerin beansprucht nunmehr die Rückzahlung der für den Monat Januar 2012 gezahlten Karenzentschädigung aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Da das Wettbewerbsverbot nichtig sei, sei die Zahlung ohne Rechtsgrund erfolgt und unterliege insofern der Leistungskondiktion. Nachdem die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 23. Juli 2014 unter Fristsetzung zum 4. August 2014 vergeblich aufgefordert hatte, den streitgegenständlichen Betrag i.H.v. 7649,52 € zurückzuzahlen, macht sie diesen Betrag mit der vorliegenden Klage geltend. 15Nach einem Hinweis des Gerichts, dass hier nunmehr entsprechend der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts in I darzulegen und zu beweisen sei, dass der Beklagte im fraglichen Zeitraum gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen habe, weil nur dann kein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Karenzentschädigung für Januar 2012 gegeben sei, hat die Klägerin unter Aufrechterhaltung ihrer Rechtsansicht ergänzend vorgetragen. 16Dabei hat die Klägerin über die bereits im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht diskutierten Vorwürfe hinaus die Ergebnisse eines Ermittlungsverfahrens gegen die Beteiligten auf Seiten der Firma L1 vorgelegt. Dazu wird verwiesen auf den Schriftsatz vom 4. Mai 2015 nebst Anlagen. 17Die Klägerin ist der Auffassung, dass anhand der nunmehr vorliegenden Ermittlungsergebnisse das wettbewerbswidrige Tätigwerden bereits zu einem Zeitpunkt entfaltet worden sei, zu dem der Beklagte noch Mitarbeiter der Klägerin gewesen sei. Die Klägern behauptet, der Beklagte sei noch wenige Zeit vor dem 16.11.2011 bei der Firma G GmbH in X erschienen, obwohl er sich bereits persönlich im Juni 2011 dort verabschiedet habe. Bei dem Gespräch wenige Zeit vor dem 16.11.2011 habe er sich nochmals mit dem Zeugen M der Firma G in Verbindung gesetzt und dort angefragt, ob die Firma G nicht zu der Firma L1 Personaldienstleistungen, für die der Beklagte nunmehr tätig sei, wechseln wolle. 18 Die Klägerin beantragt, 19den Beklagten zu verurteilen, an sie 7649,52 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5. 08.2014 zahlen. 20 Der Beklagte beantragt, 21 die Klage abzuweisen. 22 Widerklagend beantragt der Beklagte, 23die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 729,23 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Januar 2015 zu zahlen. 24 Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen. 25Der Beklagte ist der Auffassung, dass der Klägerin ein Rückzahlungsanspruch schon deswegen nicht zustehe, da sie die Zahlung dazu in Kenntnis der fehlenden Verpflichtung geleistet habe, da ihr die angeblichen Wettbewerbsverstöße schon vorher bekannt gewesen seien. So sei sie bereits in dem Vorverfahren # # ###/## von wettbewerbs- widrigen Handlungen des Beklagten ausgegangen, so dass Sie weitere Zahlungen verweigert habe. Der Beklagte bestreitet die behaupteten Wettbewerbsverstöße. Die Umschreibung der Telefonnummern sei erfolgt, weil er diese Nummer auch für private Zwecke hätte nutzen dürfen und er die weitere Nutzung der privaten Kontakte unter dieser Nummer auch nach Kündigung des Dienstvertrages hätte sicherstellen wollen. Von all diesen Umständen habe die Klägerin Kenntnis vor der Zahlung des streitgegenständlichen Betrages erlangt, so dass sie gemäß § 814 mit ihrer Rückforderung ausgeschlossen sei. 26Im übrigen bestreitet der Beklagte überhaupt irgendwelche Wettbewerbsverstöße begangen zu haben. 27Der Beklagte behauptet, die Verpfändung seines Sparguthabens sei deswegen erfolgt, weil sein Bruder L2 diese Verpfändung verlangt habe, zur Bekräftigung der Absicht, sich nach Ablauf der Karenzzeit an der Firma L1 GmbH zu beteiligen. Die Umschreibung der Telefon -verträge sei lediglich zu privaten Zwecken erfolgt. Das Telefon U sei umgestellt worden, um dem Zeugen U die private Nutzung zu ermöglichen. 28Zu dem Gespräch mit den Zeugen der Firma G bestreitet der Beklagte einen Besuch im Juni 2011 zur Verabschiedung. Der Besuch sei in seiner Funktion als damaliger Geschäftsführer erfolgt. Er bestreitet, im Jahre 2011 die Firma G noch ein zweites Mal besucht zu haben. 29Zu Begründung der Widerklage bezieht sich der Beklagte auf die Rechtsprechung des BGH, wonach ein Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten deswegen gegeben sei, weil die Einschaltung des Beklagtenvertreters zur Abwehr unberechtigter Ansprüche erforderlich gewesen sei. 30Zur Widerklage vertritt die Klägerin die Auffassung, dass diese unschlüssig sei. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten sei bereits Ende 2011 mit dem Gegenstand“ Karenzentschädigung“ befasst gewesen. Mit Nichtwissen bestreitet die Klägerin, dass die Widerklageforderung an den Prozessbevollmächtigten des Widerklägers bezahlt worden sei. 31Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. 32Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen M , E2 und U. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 28.9.2015 und 2.11.2015 verwiesen. 33Entscheidungsgründe: 34Die Klage und die Widerklage sind nicht begründet. 35Nach dem rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts I steht zwischen den Parteien fest, dass die vereinbarte Wettbewerbsregelung unwirksam ist und allerdings für den Fall der Einhaltung dieser Wettbewerbsregeln dem Beklagten nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung die hier streitige Entschädigungszahlung zustand. Das Gericht folgt insoweit dem Oberlandesgericht in I. 36Danach stand für den Fall der Einhaltung des Wettbewerbsverbotes und im Falle der Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens dem Beklagten die hier streitige Karenzentschädigung zu. Daraus folgt für den Fall der Rückforderung der bereits gezahlten Entschädigung, dass die Klägerin für den Umstand des wettbewerbswidrigen Verhaltens des Beklagten beweisbelastet, denn die Klägerin muss nach den allgemeinen Beweislastregeln beweisen, dass sie ohne Rechtsgrund geleistet hat. 37Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und auch dem weiteren Klägervortrag konnte nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Beklagte in dem hier entscheidenden Zeitraum, für den die Karenzentschädigung gezahlt wurde, sich wettbewerbswidrig verhalten hat, so dass hier ein Anspruch auf Rückzahlung nicht besteht, da die Klägerin nicht bewiesen, dass ein rechtlicher Grund für das Behaltendürfen der Karenzentschädigung durch den Beklagten nicht gegeben war. 38Dass eine wettbewerbswidrige Handlung durch den Beklagten, und zwar auch in dem hier streitigen Zeitraum Januar 2012 nicht festgestellt werden konnte, ergibt sich aus den nachfolgenden Erwägungen. 39Unstreitig hat der Beklagte schon im Jahre 2011 eine Sicherheit für die Firma L1 GmbH durch Verpfändung eines Bankkontos gestellt. 40Unabhängig von der Motivation wurde durch diese Sicherheitsleistung der Geschäftsbetrieb der L1 GmbH gestützt. 41Allein diese Unterstützung, die auch unstreitig in dem hier streitigen Zeitraum fortwirkte, reicht nach Auffassung des Gerichts nicht aus, um hier ein wettbewerbswidriges Handeln mit ausreichendem Gewicht anzunehmen, das wegen des begangenen Wettbewerbsverstoßes eine Rückforderung des für Januar 2012 bezahlten Karenzentschädigungsbetrages rechtfertigt. 42Ein Wettbewerbsverstoß von ausreichendem Gewicht , stellt nach den Vertragsklauseln nämlich nur eine unternehmerische Tätigkeit, oder die Beteiligung oder eine vergleichbare Tätigkeit dar. Die Gewährung einer Sicherheit hingegen stellt eine bloße mittelbare Unterstützung eines Wettbewerbers dar und bleibt deutlich hinter einer eigenen unternehmerischen Tätigkeit zurück, so dass dadurch auch eine vergleichbare Tätigkeit nicht entfaltet wird. 43Auch der Senat des Oberlandesgerichts ist davon ausgegangen, denn wenn die unstreitig vor dem hier entscheidenden Zeitraum durchgeführte Verpfändung und deren Dauerwirkung ausreichend gewesen wäre, hätte es der weiteren Ausführungen und Erwägungen des Senats nicht bedurft. 44Auch aus dem weiteren Ergebnis der Beweisaufnahme rechtfertigt sich die Feststellung wettbewerbswidrigen Handelns des Beklagten im fraglichen Zeitraum nicht. 45Im Ergebnis vermochte das Gericht den Zeugen E2 und M nicht dahin zu folgen, dass der Beklagte noch am 14.10.2011 bei der Firma G GmbH vorstellig geworden ist, um Akquisitionsgespräche für die Firma L1 zu führen. 46Zwar hat der Zeuge M , gestützt auf die Eintragungen in seinem Kalender den Besuch für den 14. Oktober 2011 bestätigt. Wesentliche Stütze seiner Aussage war indes seine Kalendereintragung. Eine wesentliche Stütze dieser Aussage durch die Aussage des Zeugen E2 kann nicht angenommen werden, denn dieser bestätigt die Anforderung einer Bonuserstattung an die Klägerin mit Schreiben vom 9.11.2011, was ein Treffen mit der Zeugin L1 am 16.11.2011 erklärt und im Widerspruch zu der vorherigen Aussage steht, dass der Zeuge im Anschluss an den 14.10.2011 gleich Kontakt mit der Firma U1 gesucht habe und es dann zum Gespräch mit der Zeugin L1 von der Klägerin gekommen sei. 47Demgegenüber bestreitet der Zeuge U einen weiteren Besuch im Oktober 2011 zusammen mit dem Beklagten. Als Erinnerungsstütze führt er aus, dass er nur mit dem Beklagten in dessen Firmenwagen zur Firma G gefahren sei und dieser ab Juli 2011 dem Beklagten schon nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. 48Die Aussage des Zeugen U, der selbst keine überschießenden Entlastungstendenzen zu Gunsten des Beklagten gezeigt hat und der auch im Gegensatz zu dem Zeugen S (s.u.) nach den vorgelegten Ermittlungsunterlagen nicht an Mitarbeiter der Klägerin herangetreten ist, um diese zu einem Wechsel zum zur Firma L1 zu bewegen, erscheint ebenfalls nachvollziehbar und glaubhaft. 49Im Hinblick auf die Erinnerungsschwächen der Zeugen M und E2 und die sichere Aussage des Zeugen U, konnte das Gericht nicht feststellen, dass hier einer bestimmten Zeugenaussage der Vorzug zu geben war. 50Damit konnte von einem Akquisitionsversuch des Beklagten im Oktober 2011 zu Gunsten der Firma L1 Dienstleistungen GmbH nicht ausgegangen werden, so dass im Ergebnis offen bleiben konnte, ob ein solcher Versuch überhaupt als wettbewerbswidrige Handlung für den hier streitigen Zeitraum Januar 2012 entscheidend war 51Weitere wettbewerbswidrige Handlungen des Beklagten für den fraglichen Zeitraum und unmittelbar davor, oder danach sind von der Klägerin nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt worden. 52Nach Auswertung der vorgelegten Ermittlungsunterlagen hat der Zeuge S unmittelbar Mitarbeiter der Klägerin angesprochen auf einen Wechsel zu Firma L1. 53Aus keiner der vorgelegten Zeugenvernehmungen oder Vermerke ergibt sich, dass etwa der Beklagte, oder auch der Zeuge U hier an Mitarbeiter der Klägerin herangetreten wären, um diese zu einem Wechsel zur der Fa. L1 GmbH zu bewegen. 54Insgesamt hat hier die Klägerin entsprechend der obigen Ausführungen den ihr obliegenden Beweis nicht geführt, so dass die Klage abzuweisen war. 55Die Widerklage ist ebenfalls unbegründet. 56Schon dem Grunde nach kann der Beklagte einen Schadensersatzanspruch auf Erstattung vorgerichtliche Anwaltskosten gegen die Klägerin nicht geltend machen, da aufgrund einer erforderlichen Plausibilitätsprüfung der Klägerin nicht vorgeworfen werden kann, dass ihr Rechtsstandpunkt nicht plausibel ist (vergleiche dazu BGH, Entscheidung vom 10.6.2011, Az. V ZR 233/10, veröffentlicht in Juris) und sich ers im Rechtsstreit herausgestellt hat, dass die Forderung nicht begründet ist. 57Dazu bedarf es aber keiner weiteren Ausführungen, da der Beklagte nicht dargelegt hat, dass durch die Rückzahlungsforderung bedingte vorgerichtliche Anwaltskosten von ihm bezahlt worden sind. 58Unabhängig von der Rückzahlungsforderung war der Beklagtenvertreter schon vor der Forderung der Rückzahlung mit der Geltendmachung der Karenzentschädigung mandatiert, was sich aus dem vorgelegten Schriftverkehr ergibt, so dass daraus resultierende Anwaltstätigkeiten des Beklagtenvertreters nicht durch die Rückzahlungsforderung bedingt sind. 59Darüber hinaus hat der Beklagte auch nicht dargelegt, dass etwa vorgerichtliche Anwaltstätigkeiten von ihm bezahlt worden sind. Die von ihm vorgelegte Rechnung bezieht sich nicht auf eine vorgerichtliche Tätigkeit sondern bezieht sich auf den Leistungszeitraum vom 24.11.2014 bis zum 8.1.2015 und datiert damit nach Zustellung der Klage am 20.11.2014. 60Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO. 61Der Streitwert wird auf 7.649,52 EUR festgesetzt. | die klage und die widerklage werden abgewiesen. von den kosten des rechtsstreits trägt die klägerin 91 % und der beklagte 9 % das urteil ist vorläufig vollstreckbar. der klägerin und dem beklagten bleibt nachgelassen, die zwangsvollstreckung der jeweils anderen partei gegen sicherheitsleistung in höhe 110 % des zu vollstreckenden betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere partei vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leistet. 1 | 2mit der vorliegenden klage verlangt die klägerin die rückzahlung eines an den beklagten gezahlten karenzentschädigungsbetrages für die einhaltung eines nachvertraglichen wettbewerbsverbotes. 3der beklagte war bei der klägerin als geschäftsführer tätig. gesellschafter der klägerin und anderer auf dem gebiet der arbeitnehmerüberlassung tätiger gesellschaften war der bruder des klägers herr l, der die klägerin und weitere gesellschaften im juli 2007 für insgesamt 27 mio. € veräußerte. noch vor der nach der veräußerung erfolgten umfirmierung der klägerin wurde mit dem beklagten unter dem 8.10./14.10.2008 einen dienstvertrag geschlossen. in diesem vertrag ist unter z. 9 ein wettbewerbsverbot geregelt. unter z. 10 ist ein nachvertragliches wettbewerbsverbot geregelt in dem es heißt: 4„dem geschäftsführer ist es untersagt, für die dauer von einem jahr nach beendigung dieses vertrages, gleich aus welchem grund in selbstständiger, unselbstständiger oder sonstiger weise für ein unternehmen tätig zu werden, welches mit der gesellschaft im direkten oder indirekten wettbewerb steht oder mit einem wettbewerbsunternehmen verbunden ist. in gleicher weise ist dem geschäftsführer untersagt, für die dauer von einem jahr nach beendigung dieses vertrages, gleich aus welchem grund, ein solches unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar zu beteiligen oder vergleichbare aktivitäten zu entfalten. „ 5in 10.5 ist eine entschädigung geregelt. 6der beklagte war dann noch bis mitte 2011 als geschäftsführer der klägerin tätig, die am 15. juni 2010 auf die u gmbh mit sitz in e verschmolzen wurde. diese wiederum wurde am 20. september 2013 auf die klägerin verschmolzen. 7zuvor war mit beschluss der gesellschafterversammlung der klägerin vom 27.6.2011 der beklagte mit sofortiger wirkung als deren geschäftsführer abberufen worden. die kündigung des dienstvertrages wurde zum 31.12.2011 erklärt. 8nach abberufung des beklagten korrespondierten die parteien unter anderem über das nachvertragliche wettbewerbsverbot. die entsprechende vereinbarung wurde durch den beklagten für unwirksam gehalten. die klägerin bestand auf der einhaltung des nachvertraglichen wettbewerbsverbotes und nachdem letztlich bis zum 06.01. 2012 eine rechtsverbindliche bestätigung gefordert worden war, dass sich der beklagte an die vorgenannten kundenschutzklausel halten werde, wurde auch die zuvor angeforderte karenzentschädigung für die dauer des wettbewerbsverbotes für den monat januar 2012 ausgezahlt. wegen der weiteren monatlich auszuzahlenden entschädigungsbeträge für februar 2012 und die folgemonate führten die parteien zwei rechtsstreitigkeiten vor dem landgericht e . durch urteil des oberlandesgerichts in i vom 14. juli 2014 wurde das urteil des landgerichts e vom ##.#.####, mit dem die klägerin zur zahlung monatlicher entschädigungsbeträge von 7649,52 € für die zeit bis einschließlich september 2012 verurteilt worden war, aufgehoben und die klage abgewiesen. in diesem urteil ist das oberlandesgericht als zwischen den parteien unstreitig davon ausgegangen, dass der beklagte nach seiner abberufung ende juni veranlasste, dass zwei auf die klägerin lautende mobilfunkverträge betreffend ihn und den weiteren ausgeschiedenen mitarbeiter u, bezüglich von der klägerin zur nutzung überlassener mobiltelefone auf ihn selbst überschrieben wurden. 9ein insoweit durch die klägerin zur herausgabe eingeleitetes einstweiliges verfügungsverfahren wurde für erledigt erklärt, nachdem eine einigung über die herausgabe der sim – karten getroffen war. 10in den gründen des urteils des olg heißt es weiter, dass der beklagte (dieses verfahrens) am 13.10.2011 sein sparguthaben als sicherheit für ein durch die e1 zu gunsten eines der l1 gmbh ausgereichten darlehens über 286.400 € sowie für ein mietaval über 13.518,70 € verpfändet habe. gesellschafter dieser firma waren der bruder des klägers und seine nichte. im zeitpunkt der verpfändung beabsichtigte der beklagte nach ablauf der karenzzeit zum 31.12. 2012 einen geschäftsanteil i.h.v. 37 % an der firma l1 gmbh p zu erwerben. dementsprechend wurde er dann auch am 8.1.2013 zum einzelvertretungsberechtigten geschäftsführer bestellt und ist seit anfang 2013 als gesellschafter mit anteilen im nennwert von insgesamt 37.000 € (37 %) an der l1 gmbh p beteiligt. bereits in dem verfahren vor dem oberlandesgericht war streitig, ob der beklagte gegen das nachvertragliche wettbewerbsverbot verstoßen hatte. 11das oberlandesgericht war schließlich der auffassung, dass das wettbewerbsverbot gegen § 138 bgb verstoße, da es gegenständlich zu weitgehend sei, da kein schutzwürdiges interesse der klägerin (dises verfahrens) daran bestehe, dass der beklagte nicht für ein wettbewerbsunternehmen einer weise tätig werde, welche keinen bezug zu dem tätigkeitsbereich der klägerin und der dort relevanten fachkompetenz des beklagten oder zu den kunden der klägerin aufweise. 12trotz der unwirksamkeit des vereinbarten wettbewerbsverbotes hat der senat des oberlandesgerichtes einen anspruch auf zahlung der karenzentschädigung gemäß § 812 abs. 1 s. 1 2. alt. bgb deswegen geprüft, weil eine vertraglich auferlegte unterlassung, bei der es sich ebenfalls um eine leistung im sinne von § 241 abs.1 s. 2 bgb handele im falle der unwirksamkeit der zu grunde liegenden vertragsklausel als kondiktionsgegenstand anzusehen sei, wozu insbesondere ein vertraglich vereinbartes, aber nichtiges wettbewerbsverbot gehöre. einen anspruch auf eine karenzentschädigung aus dem rechtsgrund der ungerechtfertigten bereicherung hat der senat letztlich abgelehnt, weil er sich nicht die überzeugung hat bilden können, dass sich der beklagte in dem entsprechenden zeitraum vom 1.1.2012 bis zum 31.12.2012 im verhältnis zur klägerin jedes wettbewerbswidrigen handelns enthalten hätte. die soweit verbliebenen zweifel gingen zu seinen lasten. dabei ist der senat davon ausgegangen, dass die darlegungs- und beweislast für die voraussetzungen des §§ 812 bgb , und damit auch die für die unterlassung von wettbewerb als das erlangte etwas, der beklagte als damaliger kläger und bereicherungsgläubiger trage. 13wegen des vorstehenden sachverhalts wird neben dem schriftsätzlichen vortrag insbesondere auf die gründe des urteils des oberlandesgerichts i vom ##. # #### sowie die tatbestände der landgerichtlichen urteile des landgerichts e vom ##.#.####, ##.##.####(anlagen k5,k6 und k7) verwiesen. 14nach rechtskraft des urteils des olg i vom ##. ##.#### nahm der beklagte die klage wegen der weiteren karenzentschädigungsbeträge bis ende 2012 zurück. die klägerin beansprucht nunmehr die rückzahlung der für den monat januar 2012 gezahlten karenzentschädigung aus dem gesichtspunkt der ungerechtfertigten bereicherung. da das wettbewerbsverbot nichtig sei, sei die zahlung ohne rechtsgrund erfolgt und unterliege insofern der leistungskondiktion. nachdem die klägerin den beklagten mit schreiben vom 23. juli 2014 unter fristsetzung zum 4. august 2014 vergeblich aufgefordert hatte, den streitgegenständlichen betrag i.h.v. 7649,52 € zurückzuzahlen, macht sie diesen betrag mit der vorliegenden klage geltend. 15nach einem hinweis des gerichts, dass hier nunmehr entsprechend der rechtsauffassung des oberlandesgerichts in i darzulegen und zu beweisen sei, dass der beklagte im fraglichen zeitraum gegen das wettbewerbsverbot verstoßen habe, weil nur dann kein rechtsgrund für das behaltendürfen der karenzentschädigung für januar 2012 gegeben sei, hat die klägerin unter aufrechterhaltung ihrer rechtsansicht ergänzend vorgetragen. 16dabei hat die klägerin über die bereits im berufungsverfahren vor dem oberlandesgericht diskutierten vorwürfe hinaus die ergebnisse eines ermittlungsverfahrens gegen die beteiligten auf seiten der firma l1 vorgelegt. dazu wird verwiesen auf den schriftsatz vom 4. mai 2015 nebst anlagen. 17die klägerin ist der auffassung, dass anhand der nunmehr vorliegenden ermittlungsergebnisse das wettbewerbswidrige tätigwerden bereits zu einem zeitpunkt entfaltet worden sei, zu dem der beklagte noch mitarbeiter der klägerin gewesen sei. die klägern behauptet, der beklagte sei noch wenige zeit vor dem 16.11.2011 bei der firma g gmbh in x erschienen, obwohl er sich bereits persönlich im juni 2011 dort verabschiedet habe. bei dem gespräch wenige zeit vor dem 16.11.2011 habe er sich nochmals mit dem zeugen m der firma g in verbindung gesetzt und dort angefragt, ob die firma g nicht zu der firma l1 personaldienstleistungen, für die der beklagte nunmehr tätig sei, wechseln wolle. 18 die klägerin beantragt, 19den beklagten zu verurteilen, an sie 7649,52 € nebst zinsen i.h.v. 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 5. 08.2014 zahlen. 20 der beklagte beantragt, 21 die klage abzuweisen. 22 widerklagend beantragt der beklagte, 23die klägerin und widerbeklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche rechtsanwaltskosten i.h.v. 729,23 € nebst zinsen i.h.v. 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 16. januar 2015 zu zahlen. 24 die klägerin beantragt, die widerklage abzuweisen. 25der beklagte ist der auffassung, dass der klägerin ein rückzahlungsanspruch schon deswegen nicht zustehe, da sie die zahlung dazu in kenntnis der fehlenden verpflichtung geleistet habe, da ihr die angeblichen wettbewerbsverstöße schon vorher bekannt gewesen seien. so sei sie bereits in dem vorverfahren # # ###/## von wettbewerbs- widrigen handlungen des beklagten ausgegangen, so dass sie weitere zahlungen verweigert habe. der beklagte bestreitet die behaupteten wettbewerbsverstöße. die umschreibung der telefonnummern sei erfolgt, weil er diese nummer auch für private zwecke hätte nutzen dürfen und er die weitere nutzung der privaten kontakte unter dieser nummer auch nach kündigung des dienstvertrages hätte sicherstellen wollen. von all diesen umständen habe die klägerin kenntnis vor der zahlung des streitgegenständlichen betrages erlangt, so dass sie gemäß § 814 mit ihrer rückforderung ausgeschlossen sei. 26im übrigen bestreitet der beklagte überhaupt irgendwelche wettbewerbsverstöße begangen zu haben. 27der beklagte behauptet, die verpfändung seines sparguthabens sei deswegen erfolgt, weil sein bruder l2 diese verpfändung verlangt habe, zur bekräftigung der absicht, sich nach ablauf der karenzzeit an der firma l1 gmbh zu beteiligen. die umschreibung der telefon -verträge sei lediglich zu privaten zwecken erfolgt. das telefon u sei umgestellt worden, um dem zeugen u die private nutzung zu ermöglichen. 28zu dem gespräch mit den zeugen der firma g bestreitet der beklagte einen besuch im juni 2011 zur verabschiedung. der besuch sei in seiner funktion als damaliger geschäftsführer erfolgt. er bestreitet, im jahre 2011 die firma g noch ein zweites mal besucht zu haben. 29zu begründung der widerklage bezieht sich der beklagte auf die rechtsprechung des bgh, wonach ein anspruch auf erstattung der rechtsanwaltskosten deswegen gegeben sei, weil die einschaltung des beklagtenvertreters zur abwehr unberechtigter ansprüche erforderlich gewesen sei. 30zur widerklage vertritt die klägerin die auffassung, dass diese unschlüssig sei. der prozessbevollmächtigte des beklagten sei bereits ende 2011 mit dem gegenstand“ karenzentschädigung“ befasst gewesen. mit nichtwissen bestreitet die klägerin, dass die widerklageforderung an den prozessbevollmächtigten des widerklägers bezahlt worden sei. 31wegen des weiteren sachvortrags wird auf die gewechselten schriftsätze nebst anlagen verwiesen. 32das gericht hat beweis erhoben durch uneidliche vernehmung der zeugen m , e2 und u. wegen des ergebnisses der beweisaufnahme wird auf die sitzungsniederschriften vom 28.9.2015 und 2.11.2015 verwiesen. 33 | 34die klage und die widerklage sind nicht begründet. 35nach dem rechtskräftigen urteil des oberlandesgerichts i steht zwischen den parteien fest, dass die vereinbarte wettbewerbsregelung unwirksam ist und allerdings für den fall der einhaltung dieser wettbewerbsregeln dem beklagten nach den grundsätzen der ungerechtfertigten bereicherung die hier streitige entschädigungszahlung zustand. das gericht folgt insoweit dem oberlandesgericht in i. 36danach stand für den fall der einhaltung des wettbewerbsverbotes und im falle der unterlassung wettbewerbswidrigen verhaltens dem beklagten die hier streitige karenzentschädigung zu. daraus folgt für den fall der rückforderung der bereits gezahlten entschädigung, dass die klägerin für den umstand des wettbewerbswidrigen verhaltens des beklagten beweisbelastet, denn die klägerin muss nach den allgemeinen beweislastregeln beweisen, dass sie ohne rechtsgrund geleistet hat. 37nach dem ergebnis der beweisaufnahme und auch dem weiteren klägervortrag konnte nicht mit der erforderlichen sicherheit festgestellt werden, dass der beklagte in dem hier entscheidenden zeitraum, für den die karenzentschädigung gezahlt wurde, sich wettbewerbswidrig verhalten hat, so dass hier ein anspruch auf rückzahlung nicht besteht, da die klägerin nicht bewiesen, dass ein rechtlicher grund für das behaltendürfen der karenzentschädigung durch den beklagten nicht gegeben war. 38dass eine wettbewerbswidrige handlung durch den beklagten, und zwar auch in dem hier streitigen zeitraum januar 2012 nicht festgestellt werden konnte, ergibt sich aus den nachfolgenden erwägungen. 39unstreitig hat der beklagte schon im jahre 2011 eine sicherheit für die firma l1 gmbh durch verpfändung eines bankkontos gestellt. 40unabhängig von der motivation wurde durch diese sicherheitsleistung der geschäftsbetrieb der l1 gmbh gestützt. 41allein diese unterstützung, die auch unstreitig in dem hier streitigen zeitraum fortwirkte, reicht nach auffassung des gerichts nicht aus, um hier ein wettbewerbswidriges handeln mit ausreichendem gewicht anzunehmen, das wegen des begangenen wettbewerbsverstoßes eine rückforderung des für januar 2012 bezahlten karenzentschädigungsbetrages rechtfertigt. 42ein wettbewerbsverstoß von ausreichendem gewicht , stellt nach den vertragsklauseln nämlich nur eine unternehmerische tätigkeit, oder die beteiligung oder eine vergleichbare tätigkeit dar. die gewährung einer sicherheit hingegen stellt eine bloße mittelbare unterstützung eines wettbewerbers dar und bleibt deutlich hinter einer eigenen unternehmerischen tätigkeit zurück, so dass dadurch auch eine vergleichbare tätigkeit nicht entfaltet wird. 43auch der senat des oberlandesgerichts ist davon ausgegangen, denn wenn die unstreitig vor dem hier entscheidenden zeitraum durchgeführte verpfändung und deren dauerwirkung ausreichend gewesen wäre, hätte es der weiteren ausführungen und erwägungen des senats nicht bedurft. 44auch aus dem weiteren ergebnis der beweisaufnahme rechtfertigt sich die feststellung wettbewerbswidrigen handelns des beklagten im fraglichen zeitraum nicht. 45im ergebnis vermochte das gericht den zeugen e2 und m nicht dahin zu folgen, dass der beklagte noch am 14.10.2011 bei der firma g gmbh vorstellig geworden ist, um akquisitionsgespräche für die firma l1 zu führen. 46zwar hat der zeuge m , gestützt auf die eintragungen in seinem kalender den besuch für den 14. oktober 2011 bestätigt. wesentliche stütze seiner aussage war indes seine kalendereintragung. eine wesentliche stütze dieser aussage durch die aussage des zeugen e2 kann nicht angenommen werden, denn dieser bestätigt die anforderung einer bonuserstattung an die klägerin mit schreiben vom 9.11.2011, was ein treffen mit der zeugin l1 am 16.11.2011 erklärt und im widerspruch zu der vorherigen aussage steht, dass der zeuge im anschluss an den 14.10.2011 gleich kontakt mit der firma u1 gesucht habe und es dann zum gespräch mit der zeugin l1 von der klägerin gekommen sei. 47demgegenüber bestreitet der zeuge u einen weiteren besuch im oktober 2011 zusammen mit dem beklagten. als erinnerungsstütze führt er aus, dass er nur mit dem beklagten in dessen firmenwagen zur firma g gefahren sei und dieser ab juli 2011 dem beklagten schon nicht mehr zur verfügung gestanden habe. 48die aussage des zeugen u, der selbst keine überschießenden entlastungstendenzen zu gunsten des beklagten gezeigt hat und der auch im gegensatz zu dem zeugen s (s.u.) nach den vorgelegten ermittlungsunterlagen nicht an mitarbeiter der klägerin herangetreten ist, um diese zu einem wechsel zum zur firma l1 zu bewegen, erscheint ebenfalls nachvollziehbar und glaubhaft. 49im hinblick auf die erinnerungsschwächen der zeugen m und e2 und die sichere aussage des zeugen u, konnte das gericht nicht feststellen, dass hier einer bestimmten zeugenaussage der vorzug zu geben war. 50damit konnte von einem akquisitionsversuch des beklagten im oktober 2011 zu gunsten der firma l1 dienstleistungen gmbh nicht ausgegangen werden, so dass im ergebnis offen bleiben konnte, ob ein solcher versuch überhaupt als wettbewerbswidrige handlung für den hier streitigen zeitraum januar 2012 entscheidend war 51weitere wettbewerbswidrige handlungen des beklagten für den fraglichen zeitraum und unmittelbar davor, oder danach sind von der klägerin nicht substantiiert dargelegt und unter beweis gestellt worden. 52nach auswertung der vorgelegten ermittlungsunterlagen hat der zeuge s unmittelbar mitarbeiter der klägerin angesprochen auf einen wechsel zu firma l1. 53aus keiner der vorgelegten zeugenvernehmungen oder vermerke ergibt sich, dass etwa der beklagte, oder auch der zeuge u hier an mitarbeiter der klägerin herangetreten wären, um diese zu einem wechsel zur der fa. l1 gmbh zu bewegen. 54insgesamt hat hier die klägerin entsprechend der obigen ausführungen den ihr obliegenden beweis nicht geführt, so dass die klage abzuweisen war. 55die widerklage ist ebenfalls unbegründet. 56schon dem grunde nach kann der beklagte einen schadensersatzanspruch auf erstattung vorgerichtliche anwaltskosten gegen die klägerin nicht geltend machen, da aufgrund einer erforderlichen plausibilitätsprüfung der klägerin nicht vorgeworfen werden kann, dass ihr rechtsstandpunkt nicht plausibel ist (vergleiche dazu bgh, entscheidung vom 10.6.2011, az. v zr 233/10, veröffentlicht in juris) und sich ers im rechtsstreit herausgestellt hat, dass die forderung nicht begründet ist. 57dazu bedarf es aber keiner weiteren ausführungen, da der beklagte nicht dargelegt hat, dass durch die rückzahlungsforderung bedingte vorgerichtliche anwaltskosten von ihm bezahlt worden sind. 58unabhängig von der rückzahlungsforderung war der beklagtenvertreter schon vor der forderung der rückzahlung mit der geltendmachung der karenzentschädigung mandatiert, was sich aus dem vorgelegten schriftverkehr ergibt, so dass daraus resultierende anwaltstätigkeiten des beklagtenvertreters nicht durch die rückzahlungsforderung bedingt sind. 59darüber hinaus hat der beklagte auch nicht dargelegt, dass etwa vorgerichtliche anwaltstätigkeiten von ihm bezahlt worden sind. die von ihm vorgelegte rechnung bezieht sich nicht auf eine vorgerichtliche tätigkeit sondern bezieht sich auf den leistungszeitraum vom 24.11.2014 bis zum 8.1.2015 und datiert damit nach zustellung der klage am 20.11.2014. 60die nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 nr. 11, 711 zpo. 61der streitwert wird auf 7.649,52 eur festgesetzt. | Verklagte*r | 0 |
168,150 | 3 K 2651/13 | 2015-02-04T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Bescheide der Beklagten vom 10.09.2012 und vom 04.07.2013 über die Erhebung von Benutzungsgebühren für ein Übergangsheim werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der Kläger stellte am 10.10.2011 einen Asylantrag, der bis November 2014 nicht beschieden wurde. Am 14.11.2011 gab Herr H1. N1. gegenüber der Gemeinde I. eine Verpflichtungserklärung ab. Er verpflichtete sich darin, die Kosten des Klägers gemäß §§ 66 - 68 des Aufenthaltsgesetzes zu tragen. 3Mit Zuweisungsbescheid vom 21.11.2011 wies die Bezirksregierung B. ihn ab dem 29.11.2011 der Beklagten zu. Der Kläger wurde ab dem 29.11.2011 im Übergangswohnheim „B1.----weg 25, 32569 I. “ untergebracht. Dieses Heim dient (seit 2006 zumindest auch, inzwischen ausschließlich) der Unterbringung von ausländischen Flüchtlingen. Die Beklagte stellte dem Kläger am Aufnahmetag Gegenstände für den persönlichen Bedarf (Bett, Bettwäsche, Schrank, Geschirr, Besteck und einen Kochtopf) zur Verfügung. 4Mit Bescheid vom 25.11.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er habe für die Nutzung des Übergangsheims eine Benutzungsgebühr i.H.v. monatlich 134,40 € zu zahlen. Für den Zeitraum 29.11. bis 31.12.2011 betrage diese Gebühr 143,36 €. 5Unter dem 02.12.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Nachzahlung auf Asylbewerberleistungen für Dezember 2011 i.H.v. 101,61 €. Zudem wurde ihm mitgeteilt, dass eine Grundleistung i.H.v. 143,36 € an Dritte, nämlich die Gemeinde I. , überwiesen werde. 6Die Beklagte änderte diesen Bescheid am 27.12.2011 dahingehend ab, dass dem Kläger für die Monate November 2011, Dezember 2011 und Januar 2012 keine Leistungen bewilligt wurden. Sie ging von anzurechnenden Einkünften aus, die über den anzuerkennenden Bedarf des Klägers, insbesondere an Unterkunft i.H.v. 134,40 € monatlich, hinausgingen. Mit weiterem Bescheid vom 30.08.2012 lehnte die Beklagte eine Bewilligung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auch für die Monate August und September 2012 ab, da der Kläger anzurechnendes Einkommen i.H.v. 400 € habe. Die Bescheide sind bestandskräftig. 7Mit Bescheid vom 10.09.2012 zog die Beklagte den Kläger zu Gebühren für die Nutzung des Übergangsheims vom 01.01. - 31.12.2012 i.H.v. 1.612,80 € (monatlich 134,40 €) heran. 8Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 10.09.2012 am 11.10.2012 Klage erhoben (3 K 3001/12). 9Die Beklagte erließ am 27.09.2012 einen weiteren bestandskräftigen Bescheid über Asylbewerberleistungen für Oktober 2012. Erfasst war der Zeitraum von Januar bis einschließlich Oktober 2012. Als Unterkunftskosten wurden wie in den bisherigen Bescheiden 134,40 € anerkannt. Asylbewerberleistungen wurden jedoch weiterhin nicht gewährt, da der Kläger über anzurechnende Einkünfte in Höhe von monatlich 600 € verfüge. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20.12.2012 die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für den Monat Januar 2013 und mit weiterem Bescheid vom 30.01.2013 für den Monat Februar 2013 ab, auch diese Bescheide sind bestandskräftig. 10Mit Bescheid vom 04.07.2013 zog die Beklagte den Kläger zu Gebühren für die Nutzung des Übergangsheims vom 01.01. - 31.12.2013 i.H.v. 1.366,56 € (monatlich 113,88 €) heran. 11Der Kläger hat dagegen am 02.08.2013 Klage erhoben (3 K 2651/13). 12Am 25.09.2013 nahm Herr N1. die von ihm zugunsten des Klägers abgegebene Verpflichtungserklärung gegenüber der Beklagten zurück. 13Der Kläger begründet seine Klagen damit, für Leistungsberechtigte werde nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes der notwendige Bedarf u.a. an Unterkunft durch Sachleistungen gedeckt. Dies sei durch Unterbringung - wie hier - in einem Übergangswohnheim sicherzustellen. Es erschließe sich daher nicht, weshalb er eine Benutzungsgebühr zahlen solle, zumal er verpflichtet sei, sich dort aufzuhalten. Es könne ihm auch nicht finanziell zur Last gelegt werden, dass über seinen Asylantrag bislang nicht entscheiden worden sei. 14Das Gericht hat die Klageverfahren des Klägers in der mündlichen Verhandlung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden. 15Der Kläger beantragt, 16die Bescheide vom 10.09.2012 und vom 04.07.2013 über die Erhebung von Benutzungsgebühren für ein Übergangsheim aufzuheben. 17Die Beklagte ist der Auffassung, die Gebührenbescheide seien rechtmäßig. Sie sei verpflichtet, den Kläger für die Dauer seines Asylverfahrens in dem Übergangswohnheim unterzubringen. Als Benutzer dieses Wohnheims sei der Kläger nach der einschlägigen Satzung gebührenpflichtig. Die Gemeinde habe keinen Einfluss auf die Dauer eines Asylverfahrens. 18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. 19Entscheidungsgründe: 20Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Die Benutzungsgebührenbescheide der Beklagten vom 10.09.2012 und vom 04.07.2013 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 21Die rechtlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Klägers zu Benutzungsgebühren wegen Benutzung eines Übergangswohnheimes in den Jahren 2012 und 2013 liegen nicht vor. 22Die angefochtenen Bescheide sind auf §§ 1, 2, 4 und 6 des Kommunalabgabengesetzes NRW (KAG NRW) i.V.m. den Satzungen über die Herrichtung, Unterhaltung und Benutzung von Übergangsheimen der Gemeinde I. in den jeweils gültigen Fassungen gestützt. Nach dem jeweiligen § 4 Abs. 1 der Satzungen erhebt die Beklagte für die Benutzung des Übergangswohnheimes Benutzungsgebühren. Gemäß § 4 Abs. 2 der Satzungen sind die Benutzer des Heimes gebührenpflichtig. Der Kläger war auch in den Jahren 2012 und 2013 in dem Übergangswohnheim untergebracht und nahm dieses so in Anspruch. 23Allerdings ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW die Gemeinde zur Erhebung von Gebühren nur insoweit berechtigt, als Bundes- oder Landesgesetze nichts anderes bestimmen. Eine solche anderweitige Bestimmung liegt hier mit § 7 Abs. 1 Satz 3 sowie § 7b des Asylbewerberleistungsgesetzes - AsylbLG - vor. Danach haben Leistungsberechtigte, soweit Einkommen und Vermögen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG vorhanden sind, bei der Unterbringung in einer Einrichtung, in der Sachleistungen gewährt werden, für erhaltene Leistungen dem Kostenträger für sich und ihre Familienangehörigen u.a. die Kosten der Unterkunft und Heizung zu erstatten; für die Kosten der Unterkunft und Heizung können die Länder Pauschalbeträge festsetzen oder die zuständige Behörde dazu ermächtigen. Gemäß § 7b AsylbLG sind abweichend von § 50 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (- SGB X -) 56 vom Hundert der bei der Leistung nach den §§ 2 und 3 AsylbLG berücksichtigten Kosten für Unterkunft nicht zu erstatten. Eine vollständige Erstattung dieser Kosten ist nach § 7b Satz 2 AsylbLG nur ausnahmsweise möglich, insbesondere in den Fällen, in denen der Begünstigte die Leistungsgewährung vorsätzlich oder grob fahrlässig durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X). 24Diese Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes finden im Falle des Klägers Anwendung. 25Er besaß wegen der Durchführung seines Asylverfahrens im streitgegenständlichen Zeitraum eine Aufenthaltsgestattung nach § 55 des Asylverfahrensgesetzes- AsylVfG - und war damit leistungsberechtigt i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG. 26Dieser Leistungsberechtigung des Klägers steht hier auch nicht § 8 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG entgegen. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen nach diesem Gesetz nicht gewährt, soweit der erforderliche Lebensunterhalt anderweitig, insbesondere auf Grund einer Verpflichtung nach § 68 Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gedeckt wird. Für den Kläger lag zwar eine Verpflichtungserklärung des Herrn N1. nach § 68 AufenthG vor. Dass der notwendige Bedarf des Klägers an Unterkunft als Sachleistung durch diesen gedeckt worden ist, ist hier aber nicht ersichtlich. Nach § 68 AufenthG ergibt sich in diesen Fällen außerdem lediglich ein Erstattungsanspruch für gewährte Leistungen durch die Beklagte. 27Vgl. Münch, Die Verpflichtungserklärung - ein zweischneidiges Schwert, Asylmagazin 7-8/14, S. 226 ff., 229. 28Dem Bestehen der Leistungsberechtigung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte mit mehreren Bescheiden Ansprüche des Klägers auf Asylbewerberleistungen bestandskräftig abgelehnt hat. Es bedarf hier keiner Klärung, für welche Zeiträume diese Nichtbewilligung gilt. So ist anerkannt, dass bei gleich bleibenden Verhältnissen und entsprechendem Hinweis im Bescheid - wie hier - durch entsprechende Überweisungen in den Folgemonaten die Leistungen konkludent weiterhin bewilligt werden. 29Vgl. Wahrendorf, in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Sozialhilfe mit Asylbewerberleistungsgesetz, 4. Auflage, Einleitung zum AsylbLG, Rdnr. 12. 30Ob dies auch im vorliegenden Falle der Nichtbewilligung von Asylbewerberleistungen entsprechend gilt, kann offen bleiben. Die Leistungsberechtigung des Klägers i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG hängt nämlich nicht von der Bewilligung oder Nichtbewilligung von Asylbewerberleistungen durch die Behörde ab. Die Leistungsberechtigung in diesem Sinne entfällt lediglich in den Fällen des § 1 Abs. 2 und 3 AsylbLG (und wird ferner nach § 1a AsylbLG eingeschränkt). Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen jedoch nicht vor. 31Der Kläger bewohnt auch eine Einrichtung i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG, in der Sachleistungen gewährt werden. Dazu gehören unter Berücksichtigung des § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylbLG sowohl Aufnahmeeinrichtungen nach § 44 AsylVfG als auch alle anderen Einrichtungen, in denen Sachleistungen nach § 3 Abs. 1 AsylbLG erbracht werden. Nicht erfasst wären insofern einzelne von der zuständigen Sozialbehörde angemietete Wohnungen. 32Vgl. Hohm (Hrsg.), Kommentar zum Asylbewerberleistungsgesetz, Loseblatt, Stand: Juli 2014, III - § 7 Rdnr. 97. 33Laut § 1 Abs. 1 der einschlägigen Satzungen der Beklagten dient das betreffende Übergangswohnheim - nach den Angaben der Beklagten inzwischen sogar ausschließlich - der Unterbringung von ausländischen Flüchtlingen und damit zumindest der Gewährung der notwendigen Unterkunft (und Heizung) als Sachleistung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylbLG. Die Beklagte hat dazu anschaulich ausgeführt, dass sie dem Kläger am Tag der Aufnahme ein Bett und einen Schrank zur Verfügung gestellt sowie Bettwäsche, Geschirr, Besteck und ein Kochtopf ausgehändigt habe. Eine Abweichung von dem nach § 3 Abs. 2 AsylbLG vorrangigen Sachleistungsprinzip ist hier also aufgrund der tatsächlichen Umstände nicht ersichtlich. 34Es kann angesichts dessen auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte hier rechtsfehlerfrei vom Sachleistungsprinzip abgewichen sein könnte, indem sie etwa die Kosten der Unterkunft nach kommunalen Vorschriften berechnet und im Regelfall als Sozialleistungsträger wohl im Wege der Verrechnung (größtenteils) übernimmt. 35Vgl. VG Köln, Urteil vom 15.11.2006 - 25 K 7652/04 -, juris, Rdnr. 16 f.; siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 07.03.2003 - 9 A 1103/03 -, juris. Rdnr. 4. 36Diesbezüglich sieht § 3 Abs. 2 AsylbLG zwar vor, dass bei der Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen i.S.d. § 44 AsylVfG - wie hier - anstelle der vorrangig zu gewährenden Sachleistungen Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen erbracht werden können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist. Erforderliche Umstände in diesem Sinne können solche sein, die in der Person des Betreffenden liegen oder in objektiven Umständen, die mit der Bedarfsdeckung in den Aufnahmeeinrichtungen selbst zusammenhängen. Solche erforderlichen Umstände sind anzunehmen, wenn auf Grund ihres Vorliegens die Deckung des notwendigen Bedarfs in Form der Sachleistungsgewährung nicht im gesetzlich gebotenen Umfang sichergestellt werden kann oder wenn das Festhalten am Sachleistungsprinzip zu rechtlich nicht mehr vertretbaren Ergebnissen führt. 37Vgl. Wahrendorf, in Grube/Wahrendorf, a.a.O., § 3 AsylbLG Rdnr. 18 f.; Hohm (Hrsg.), a.a.O., III - § 3 Rdnr. 107 ff., 114, m.w.O. . 38Es ist nach dem bereits Ausgeführten aber nicht ersichtlich, dass die Beklagte hier eine solche Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen hat und in Bezug auf die Unterbringung des Klägers vom Sachleistungsprinzip abgewichen ist. 39Nach alledem ist der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG hier eröffnet. Daher setzt die Erstattungspflicht des Klägers für Kosten, die der Beklagten in Bezug auf seine Unterkunft entstehen, nach § 7 AsylbLG eine Feststellung seines Einkommens und Vermögens („soweit“) und den Erlass eines rückfordernden Verwaltungsaktes entsprechend § 50 SGB X voraus. Bei der Festsetzung der konkreten Höhe sind ferner die oben genannten Voraussetzungen des § 7b AsylbLG zu berücksichtigen. Insofern ist für die hier mit der Benutzungsgebühr auf landesgesetzlicher Grundlage geltend gemachte Erstattung der (gesamten) Unterkunftskosten kein Raum, da der Bundesgesetzgeber diese Frage durch die genannten Vorschriften im Rahmen der ihm zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 72 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG selbst umfassend geregelt hat. 40Vgl. Hohm (Hrsg.), a.a.O., III - § 7 Rdnr. 114. 41Angesichts dessen kann die Gebührenforderung schließlich auch nicht durch Auswechslung der Rechtsgrundlage (hier: gestützt auf die Regelungen des AsylbLG) mit einer fehlerfreien Begründung aufrecht erhalten werden. Eine (vollständige) Rückforderung zu Unrecht aufgewandter Unterhaltskosten nach §§ 7 Abs. 1 S. 3, 7b AsylbLG i.V.m. §§ 50 Abs. 2, 45 SGB X erfordert die Prüfung einer fehlenden Bedürftigkeit des Asylbewerbers und dient damit rechtlich einem völlig anderen Zweck als die Erhebung einer Benutzungsgebühr, die hier allein an die tatsächliche Nutzung des Übergangsheims durch den Kläger anknüpft. Die angefochtenen Verwaltungsakte würden also durch eine solche Auswechslung der Ermächtigungsgrundlage unzulässigerweise in ihrem Wesen geändert. 42Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113 Rdnr. 63 ff., 65, 67; Wolff, in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rdnr. 84 ff., 86. 43Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. | die bescheide der beklagten vom 10.09.2012 und vom 04.07.2013 über die erhebung von benutzungsgebühren für ein übergangsheim werden aufgehoben. die beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der kläger vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2der kläger stellte am 10.10.2011 einen asylantrag, der bis november 2014 nicht beschieden wurde. am 14.11.2011 gab herr h1. n1. gegenüber der gemeinde i. eine verpflichtungserklärung ab. er verpflichtete sich darin, die kosten des klägers gemäß §§ 66 - 68 des aufenthaltsgesetzes zu tragen. 3mit zuweisungsbescheid vom 21.11.2011 wies die bezirksregierung b. ihn ab dem 29.11.2011 der beklagten zu. der kläger wurde ab dem 29.11.2011 im übergangswohnheim „b1.----weg 25, 32569 i. “ untergebracht. dieses heim dient (seit 2006 zumindest auch, inzwischen ausschließlich) der unterbringung von ausländischen flüchtlingen. die beklagte stellte dem kläger am aufnahmetag gegenstände für den persönlichen bedarf (bett, bettwäsche, schrank, geschirr, besteck und einen kochtopf) zur verfügung. 4mit bescheid vom 25.11.2011 teilte die beklagte dem kläger mit, er habe für die nutzung des übergangsheims eine benutzungsgebühr i.h.v. monatlich 134,40 € zu zahlen. für den zeitraum 29.11. bis 31.12.2011 betrage diese gebühr 143,36 €. 5unter dem 02.12.2011 bewilligte die beklagte dem kläger eine nachzahlung auf asylbewerberleistungen für dezember 2011 i.h.v. 101,61 €. zudem wurde ihm mitgeteilt, dass eine grundleistung i.h.v. 143,36 € an dritte, nämlich die gemeinde i. , überwiesen werde. 6die beklagte änderte diesen bescheid am 27.12.2011 dahingehend ab, dass dem kläger für die monate november 2011, dezember 2011 und januar 2012 keine leistungen bewilligt wurden. sie ging von anzurechnenden einkünften aus, die über den anzuerkennenden bedarf des klägers, insbesondere an unterkunft i.h.v. 134,40 € monatlich, hinausgingen. mit weiterem bescheid vom 30.08.2012 lehnte die beklagte eine bewilligung von leistungen nach dem asylbewerberleistungsgesetz auch für die monate august und september 2012 ab, da der kläger anzurechnendes einkommen i.h.v. 400 € habe. die bescheide sind bestandskräftig. 7mit bescheid vom 10.09.2012 zog die beklagte den kläger zu gebühren für die nutzung des übergangsheims vom 01.01. - 31.12.2012 i.h.v. 1.612,80 € (monatlich 134,40 €) heran. 8der kläger hat gegen den bescheid vom 10.09.2012 am 11.10.2012 klage erhoben (3 k 3001/12). 9die beklagte erließ am 27.09.2012 einen weiteren bestandskräftigen bescheid über asylbewerberleistungen für oktober 2012. erfasst war der zeitraum von januar bis einschließlich oktober 2012. als unterkunftskosten wurden wie in den bisherigen bescheiden 134,40 € anerkannt. asylbewerberleistungen wurden jedoch weiterhin nicht gewährt, da der kläger über anzurechnende einkünfte in höhe von monatlich 600 € verfüge. die beklagte lehnte mit bescheid vom 20.12.2012 die gewährung von leistungen nach dem asylbewerberleistungsgesetz für den monat januar 2013 und mit weiterem bescheid vom 30.01.2013 für den monat februar 2013 ab, auch diese bescheide sind bestandskräftig. 10mit bescheid vom 04.07.2013 zog die beklagte den kläger zu gebühren für die nutzung des übergangsheims vom 01.01. - 31.12.2013 i.h.v. 1.366,56 € (monatlich 113,88 €) heran. 11der kläger hat dagegen am 02.08.2013 klage erhoben (3 k 2651/13). 12am 25.09.2013 nahm herr n1. die von ihm zugunsten des klägers abgegebene verpflichtungserklärung gegenüber der beklagten zurück. 13der kläger begründet seine klagen damit, für leistungsberechtigte werde nach § 3 abs. 1 satz 1 des asylbewerberleistungsgesetzes der notwendige bedarf u.a. an unterkunft durch sachleistungen gedeckt. dies sei durch unterbringung - wie hier - in einem übergangswohnheim sicherzustellen. es erschließe sich daher nicht, weshalb er eine benutzungsgebühr zahlen solle, zumal er verpflichtet sei, sich dort aufzuhalten. es könne ihm auch nicht finanziell zur last gelegt werden, dass über seinen asylantrag bislang nicht entscheiden worden sei. 14das gericht hat die klageverfahren des klägers in der mündlichen verhandlung zur gemeinsamen verhandlung und entscheidung miteinander verbunden. 15der kläger beantragt, 16die bescheide vom 10.09.2012 und vom 04.07.2013 über die erhebung von benutzungsgebühren für ein übergangsheim aufzuheben. 17die beklagte ist der auffassung, die gebührenbescheide seien rechtmäßig. sie sei verpflichtet, den kläger für die dauer seines asylverfahrens in dem übergangswohnheim unterzubringen. als benutzer dieses wohnheims sei der kläger nach der einschlägigen satzung gebührenpflichtig. die gemeinde habe keinen einfluss auf die dauer eines asylverfahrens. 18wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakten sowie der beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten bezug genommen. 19 | 20die zulässige anfechtungsklage ist begründet. die benutzungsgebührenbescheide der beklagten vom 10.09.2012 und vom 04.07.2013 sind rechtswidrig und verletzen den kläger in seinen rechten (vgl. § 113 abs. 1 satz 1 vwgo). 21die rechtlichen voraussetzungen für die heranziehung des klägers zu benutzungsgebühren wegen benutzung eines übergangswohnheimes in den jahren 2012 und 2013 liegen nicht vor. 22die angefochtenen bescheide sind auf §§ 1, 2, 4 und 6 des kommunalabgabengesetzes nrw (kag nrw) i.v.m. den satzungen über die herrichtung, unterhaltung und benutzung von übergangsheimen der gemeinde i. in den jeweils gültigen fassungen gestützt. nach dem jeweiligen § 4 abs. 1 der satzungen erhebt die beklagte für die benutzung des übergangswohnheimes benutzungsgebühren. gemäß § 4 abs. 2 der satzungen sind die benutzer des heimes gebührenpflichtig. der kläger war auch in den jahren 2012 und 2013 in dem übergangswohnheim untergebracht und nahm dieses so in anspruch. 23allerdings ist nach § 1 abs. 1 satz 1 kag nrw die gemeinde zur erhebung von gebühren nur insoweit berechtigt, als bundes- oder landesgesetze nichts anderes bestimmen. eine solche anderweitige bestimmung liegt hier mit § 7 abs. 1 satz 3 sowie § 7b des asylbewerberleistungsgesetzes - asylblg - vor. danach haben leistungsberechtigte, soweit einkommen und vermögen nach § 7 abs. 1 satz 1 asylblg vorhanden sind, bei der unterbringung in einer einrichtung, in der sachleistungen gewährt werden, für erhaltene leistungen dem kostenträger für sich und ihre familienangehörigen u.a. die kosten der unterkunft und heizung zu erstatten; für die kosten der unterkunft und heizung können die länder pauschalbeträge festsetzen oder die zuständige behörde dazu ermächtigen. gemäß § 7b asylblg sind abweichend von § 50 des zehnten buches sozialgesetzbuch (- sgb x -) 56 vom hundert der bei der leistung nach den §§ 2 und 3 asylblg berücksichtigten kosten für unterkunft nicht zu erstatten. eine vollständige erstattung dieser kosten ist nach § 7b satz 2 asylblg nur ausnahmsweise möglich, insbesondere in den fällen, in denen der begünstigte die leistungsgewährung vorsätzlich oder grob fahrlässig durch unrichtige oder unvollständige angaben erwirkt hat (§ 45 abs. 2 satz 3 sgb x). 24diese regelungen des asylbewerberleistungsgesetzes finden im falle des klägers anwendung. 25er besaß wegen der durchführung seines asylverfahrens im streitgegenständlichen zeitraum eine aufenthaltsgestattung nach § 55 des asylverfahrensgesetzes- asylvfg - und war damit leistungsberechtigt i.s.d. § 7 abs. 1 satz 3 i.v.m. § 1 abs. 1 nr. 1 asylblg. 26dieser leistungsberechtigung des klägers steht hier auch nicht § 8 abs. 1 satz 1 asylblg entgegen. nach dieser vorschrift werden leistungen nach diesem gesetz nicht gewährt, soweit der erforderliche lebensunterhalt anderweitig, insbesondere auf grund einer verpflichtung nach § 68 abs. 1 satz 1 des aufenthaltsgesetzes (aufenthg) gedeckt wird. für den kläger lag zwar eine verpflichtungserklärung des herrn n1. nach § 68 aufenthg vor. dass der notwendige bedarf des klägers an unterkunft als sachleistung durch diesen gedeckt worden ist, ist hier aber nicht ersichtlich. nach § 68 aufenthg ergibt sich in diesen fällen außerdem lediglich ein erstattungsanspruch für gewährte leistungen durch die beklagte. 27vgl. münch, die verpflichtungserklärung - ein zweischneidiges schwert, asylmagazin 7-8/14, s. 226 ff., 229. 28dem bestehen der leistungsberechtigung steht auch nicht entgegen, dass die beklagte mit mehreren bescheiden ansprüche des klägers auf asylbewerberleistungen bestandskräftig abgelehnt hat. es bedarf hier keiner klärung, für welche zeiträume diese nichtbewilligung gilt. so ist anerkannt, dass bei gleich bleibenden verhältnissen und entsprechendem hinweis im bescheid - wie hier - durch entsprechende überweisungen in den folgemonaten die leistungen konkludent weiterhin bewilligt werden. 29vgl. wahrendorf, in grube/wahrendorf, sgb xii, sozialhilfe mit asylbewerberleistungsgesetz, 4. auflage, einleitung zum asylblg, rdnr. 12. 30ob dies auch im vorliegenden falle der nichtbewilligung von asylbewerberleistungen entsprechend gilt, kann offen bleiben. die leistungsberechtigung des klägers i.s.d. § 7 abs. 1 satz 3 i.v.m. § 1 abs. 1 nr. 1 asylblg hängt nämlich nicht von der bewilligung oder nichtbewilligung von asylbewerberleistungen durch die behörde ab. die leistungsberechtigung in diesem sinne entfällt lediglich in den fällen des § 1 abs. 2 und 3 asylblg (und wird ferner nach § 1a asylblg eingeschränkt). die voraussetzungen dieser vorschriften liegen jedoch nicht vor. 31der kläger bewohnt auch eine einrichtung i.s.d. § 7 abs. 1 satz 3 asylblg, in der sachleistungen gewährt werden. dazu gehören unter berücksichtigung des § 3 abs. 2 satz 1 asylblg sowohl aufnahmeeinrichtungen nach § 44 asylvfg als auch alle anderen einrichtungen, in denen sachleistungen nach § 3 abs. 1 asylblg erbracht werden. nicht erfasst wären insofern einzelne von der zuständigen sozialbehörde angemietete wohnungen. 32vgl. hohm (hrsg.), kommentar zum asylbewerberleistungsgesetz, loseblatt, stand: juli 2014, iii - § 7 rdnr. 97. 33laut § 1 abs. 1 der einschlägigen satzungen der beklagten dient das betreffende übergangswohnheim - nach den angaben der beklagten inzwischen sogar ausschließlich - der unterbringung von ausländischen flüchtlingen und damit zumindest der gewährung der notwendigen unterkunft (und heizung) als sachleistung i.s.d. § 3 abs. 1 asylblg. die beklagte hat dazu anschaulich ausgeführt, dass sie dem kläger am tag der aufnahme ein bett und einen schrank zur verfügung gestellt sowie bettwäsche, geschirr, besteck und ein kochtopf ausgehändigt habe. eine abweichung von dem nach § 3 abs. 2 asylblg vorrangigen sachleistungsprinzip ist hier also aufgrund der tatsächlichen umstände nicht ersichtlich. 34es kann angesichts dessen auch nicht davon ausgegangen werden, dass die beklagte hier rechtsfehlerfrei vom sachleistungsprinzip abgewichen sein könnte, indem sie etwa die kosten der unterkunft nach kommunalen vorschriften berechnet und im regelfall als sozialleistungsträger wohl im wege der verrechnung (größtenteils) übernimmt. 35vgl. vg köln, urteil vom 15.11.2006 - 25 k 7652/04 -, juris, rdnr. 16 f.; siehe auch ovg nrw, beschluss vom 07.03.2003 - 9 a 1103/03 -, juris. rdnr. 4. 36diesbezüglich sieht § 3 abs. 2 asylblg zwar vor, dass bei der unterbringung außerhalb von aufnahmeeinrichtungen i.s.d. § 44 asylvfg - wie hier - anstelle der vorrangig zu gewährenden sachleistungen leistungen in form von wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren abrechnungen oder von geldleistungen erbracht werden können, soweit es nach den umständen erforderlich ist. erforderliche umstände in diesem sinne können solche sein, die in der person des betreffenden liegen oder in objektiven umständen, die mit der bedarfsdeckung in den aufnahmeeinrichtungen selbst zusammenhängen. solche erforderlichen umstände sind anzunehmen, wenn auf grund ihres vorliegens die deckung des notwendigen bedarfs in form der sachleistungsgewährung nicht im gesetzlich gebotenen umfang sichergestellt werden kann oder wenn das festhalten am sachleistungsprinzip zu rechtlich nicht mehr vertretbaren ergebnissen führt. 37vgl. wahrendorf, in grube/wahrendorf, a.a.o., § 3 asylblg rdnr. 18 f.; hohm (hrsg.), a.a.o., iii - § 3 rdnr. 107 ff., 114, m.w.o. . 38es ist nach dem bereits ausgeführten aber nicht ersichtlich, dass die beklagte hier eine solche entscheidung nach pflichtgemäßem ermessen getroffen hat und in bezug auf die unterbringung des klägers vom sachleistungsprinzip abgewichen ist. 39nach alledem ist der anwendungsbereich des § 7 abs. 1 satz 3 asylblg hier eröffnet. daher setzt die erstattungspflicht des klägers für kosten, die der beklagten in bezug auf seine unterkunft entstehen, nach § 7 asylblg eine feststellung seines einkommens und vermögens („soweit“) und den erlass eines rückfordernden verwaltungsaktes entsprechend § 50 sgb x voraus. bei der festsetzung der konkreten höhe sind ferner die oben genannten voraussetzungen des § 7b asylblg zu berücksichtigen. insofern ist für die hier mit der benutzungsgebühr auf landesgesetzlicher grundlage geltend gemachte erstattung der (gesamten) unterkunftskosten kein raum, da der bundesgesetzgeber diese frage durch die genannten vorschriften im rahmen der ihm zustehenden konkurrierenden gesetzgebungskompetenz nach art. 72 i.v.m. art. 74 abs. 1 nr. 7 gg selbst umfassend geregelt hat. 40vgl. hohm (hrsg.), a.a.o., iii - § 7 rdnr. 114. 41angesichts dessen kann die gebührenforderung schließlich auch nicht durch auswechslung der rechtsgrundlage (hier: gestützt auf die regelungen des asylblg) mit einer fehlerfreien begründung aufrecht erhalten werden. eine (vollständige) rückforderung zu unrecht aufgewandter unterhaltskosten nach §§ 7 abs. 1 s. 3, 7b asylblg i.v.m. §§ 50 abs. 2, 45 sgb x erfordert die prüfung einer fehlenden bedürftigkeit des asylbewerbers und dient damit rechtlich einem völlig anderen zweck als die erhebung einer benutzungsgebühr, die hier allein an die tatsächliche nutzung des übergangsheims durch den kläger anknüpft. die angefochtenen verwaltungsakte würden also durch eine solche auswechslung der ermächtigungsgrundlage unzulässigerweise in ihrem wesen geändert. 42vgl. kopp/schenke, vwgo, 19. aufl. 2013, § 113 rdnr. 63 ff., 65, 67; wolff, in sodan/ziekow, vwgo, 4. aufl. 2014, § 113 rdnr. 84 ff., 86. 43die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo, die regelung der vorläufigen vollstreckbarkeit folgt aus § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo. | Klaeger*in | 1 |
343,166 | 6 K 1983/20 | 2022-01-24T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Vorbescheids für die Errichtung eines Lebensmittelmarktes mit einer Verkaufsfläche von 1.267 m² auf dem Grundstück C.---------straße … in H. (Gem. C2. , G. …, G1. … und G. …, G1. …). Auf dem Vorhabengrünstück steht derzeit bereits ein Lebensmittelmarkt mit einer Verkaufsfläche von 699,67 m² auf. 3In der näheren Umgebung befinden sich zahlreiche weitere Gewerbebetriebe unterschiedlicher Branchen. Auf dem Grundstück C.---------straße ... wird ein „Gartenbaucenter“ auf Grundlage einer 1969 erteilten Baugenehmigung für eine Ausstellungshalle nebst Werkstatt und Büro mit einer Nutzfläche von ca. 2.300 m² bzw. 500 m² sowie für eine Düngemittelhalle mit einem Freilager betrieben. 4Weitere Einzelheiten der näheren Umgebungsbebauung sind dem nachfolgenden Kartenausschnitt zu entnehmen: 5An dieser Stelle befindet sich in der Originalentscheidung eine Skizze 6Am 19. Februar 2019 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung eines Lebensmittelmarktes auf dem oben beschriebenen Grundstück. Die genaue Fragestellung lautete: 7„Ist ein Lebensmittelmarkt mit einer Verkaufsfläche von 1.267 m2 nach der Art der baulichen Nutzung unter Ausklammerung des Gebotes der Rücksichtnahme bauplanungsrechtlich zulässig?“ 8Am 25. Februar 2019 reichte die Klägerin eine Flurkarte nach. 9Am 28. März 2019 beschloss der Rat der Beklagten die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 438 „Gewerbegebiet südlich C.---------straße “ für einen Bereich zwischen der C.---------straße , L.---straße , I.------straße und der Bahnlinie E. - I1. . Dieser Bereich umfasst neben dem Vorhabengrundstück im Wesentlichen weitere gewerblich genutzte Grundstücke und vereinzelt Betriebsleiterwohnungen. 10In der zugrunde liegenden Beschlussvorlage vom 13. März 2019 wird ausgeführt, der im Plangebiet bereits vorhandene Lebensmitteldiscounter sei zu einem Zeitpunkt genehmigt worden, zu dem es das gesamtstädtische Einzelhandelskonzept noch nicht gegeben habe. Ziel des Bebauungsplanes sei es, auf der Grundlage des gesamtstädtischen Einzelhandelskonzeptes den Einzelhandel in die zentralen Versorgungsbereiche zu lenken, um diese zu erhalten und zu entwickeln. Dies könne nur erreicht werden, wenn Einzelhandelsbetriebe mit nahversorgungs- und zentrenrelevanten Kernsortimenten an nicht integrierten Standorten außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche unterbunden würden. Hierzu sollten im Geltungsbereich des Aufstellungsbeschlusses Regelungen zur Zulässigkeit bzw. Nichtzulässigkeit bestimmter Arten von Nutzungen gem. § 9 Abs. 2a Baugesetzbuch (BauGB) getroffen werden. Das vom Rat der Stadt beschlossene Einzelhandelskonzept verfolge als zentrales Ziel die Sicherung einer möglichst flächendeckenden wohnortnahen Grundversorgung im Stadtgebiet durch funktionsfähige Nahversorgungsstandorte. Die aktuelle Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes sehe vor, dass die Ansiedlung von Handel mit nahversorgungs- und zentrenrelevanten Kernsortimenten in Gewerbegebieten und städtebaulich nicht integrierten Bereichen auszuschließen sei. Bei dem Standort südlich der C.---------straße handle es sich um eine Gewerbefläche, die sich in einer westlichen Randlage des Stadtteils C3. befinde und als städtebaulich nicht integriert einzustufen sei. Das Einzelhandelskonzept weise für den Stadtteil C3. keinen zentralen Versorgungsbereich mehr aus. Die nächst gelegenen zentralen Versorgungsbereiche, die auch im rechtlichen Sinne als städtebauliches Schutzgut zu werten und daher mit den Mitteln der Bauleitplanung zu sichern seien, befänden sich in I2. (Nebenzentrum F. Straße) sowie das Hauptgeschäftszentrum in C2. . Der Stadtteil C3. werde im Wesentlichen durch einen strukturprägenden Lebensmitteldiscounter an der I3. Straße nahversorgt. Diesen Standort definiere das Einzelhandelskonzept als integriert, da er eine wichtige Versorgungsfunktion für die umliegenden Wohngebiete in Ergänzung zu den zentralen Versorgungsbereichen erfülle. Der Lebensmitteldiscounter an der C.---------straße sei nicht als Nahversorgungsstandort zu bewerten, da eine Nahversorgungsfunktion aufgrund der nicht integrierten Lage im Gewerbegebiet und der Entfernung zur nächst gelegenen Wohnbevölkerung nicht gegeben sei. Das Einzelhandelskonzept definiere den Standort daher als „sonstigen Grundversorgungsstandort“ in nicht integrierter Lage. Da solche Standorte keinen Beitrag zur fußläufigen Nahversorgung leisteten, stellten sie kein bauleitplanerisches Schutzgut dar. Eine wesentliche Attraktivitätssteigerung und Erweiterung dieser Standorte führe zu einer Schwächung der Nahversorgungs- und Zentrenstruktur in H. und sei daher mit den Zielen der Einzelhandelsentwicklung nicht vereinbar. Umstrukturierungen dieser Standorte seien auf die Möglichkeit im Rahmen des Bestandsschutzes beschränkt. 11Der Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplanes Nr. 438 wurde im Amtsblatt der Beklagten vom 12. April 2019 öffentlich bekannt gemacht. 12Am selben Tag stellte das Stadtplanungsamt beim Bauordnungsamt der Beklagten einen Antrag auf Zurückstellung der Bauvoranfrage für den Zeitraum eines Jahres. 13Mit Schreiben vom 24. April 2019 hörte die Beklagte die Klägerin zu dem beabsichtigten Erlass eines Zurückstellungsbescheides an. Nachdem eine Stellungnahme seitens der Klägerin nicht erfolgt war, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Mai 2019, zugestellt am 31. Mai 2019, die Entscheidung über den Bauvorbescheidsantrag der Klägerin gemäß § 15 BauGB bis zum 12. April 2020 zurück und ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides an. Zur Begründung führte sie aus, es sei zu befürchten, dass durch die Verwirklichung des beabsichtigten Vorhabens die Durchführung der künftigen Planung unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werde. 14Am 28. Februar 2020 stellte das Stadtplanungsamt beim Bauordnungsamt der Beklagten einen Antrag auf Verlängerung der Zurückstellung bis zum 19. Mai 2020, da durch eine solche Verlängerung die zulässige Höchstfrist einer Zurückstellung nach § 15 BauGB ausgeschöpft werde. 15Mit Bescheid vom 10. März 2020 verlängerte die Beklagte aus den vom Stadtplanungsamt genannten Gründen die Frist der Zurückstellung bis zum 19. Mai 2020. 16In seiner Sitzung am 2. April 2020 beschloss der Rat der Beklagten die Satzung über eine Veränderungssperre für das Gebiet des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. 438. Der (damalige) Oberbürgermeister der Beklagten unterzeichnete die Prüf- und Übereinstimmungserklärung am 16. April 2020. Die Beklagte machte die Veränderungssperre in ihrem Amtsblatt vom 24. April 2020 öffentlich bekannt. 17Mit Bescheid vom 5. Mai 2020 lehnte die Beklagte - nach vorheriger Anhörung - die Erteilung des beantragten Bauvorbescheides ab. Zur Begründung berief sie sich auf die Veränderungssperre und erklärte, die Verwirklichung des Vorhabens stehe im Widerspruch zu der angestrebten Planung. 18Am 3. Juni 2020 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. 19Zur Begründung führt sie aus: Die Veränderungssperre sei unwirksam. Sie sei nicht erforderlich, weil es an einem hinreichenden Plankonzept fehle. Es handele sich um eine reine Negativplanung, die sich darin erschöpfe, das streitgegenständliche Vorhaben auszuschließen. Zudem diene die Veränderungssperre der Sicherung einer rechtswidrigen Planung. Eine „Wegplanung“ nahversorgungsrelevanten Einzelhandels sei abwägungsfehlerhaft. Es sei nicht erforderlich, weitere Grundstücke in den Geltungsbereich einzubeziehen. Aufgrund vorhandener Bebauung sei eine Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe dort nicht möglich. Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich zulässig, da es sich im unbeplanten Innenbereich befinde und in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Auf etwaige schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche komme es nicht an. Für den Fall, dass ein Anspruch auf Erteilung des beantragten positiven Bauvorbescheides aufgrund der Veränderungssperre abgelehnt werde, sei festzustellen, dass ein dahingehender Anspruch jedenfalls nach Ablauf von drei Monaten ab dem Eingang der Bauvoranfrage bei der Beklagten bis zur Zustellung des Zurückstellungsbescheides bestanden habe. Eine längere Prüfungsdauer als drei Monate sei nicht angemessen, weil die Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens keinerlei Schwierigkeiten bereitet habe. Die Beklagte habe die Bauvoranfrage nicht bereits mit dem Antrag auf Zurückstellung des Stadtplanungsamtes abschließend bearbeitet. Sie habe ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der verspäteten Bescheidung der Beklagten, da diese dadurch ihre Amtspflichten verletzt und sich ihr gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht habe. 20Die Klägerin beantragt, 21die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 5. Mai 2020 (Az. 00737-19-07) zu verpflichten, ihr den mit Formularantrag beantragten Vorbescheid für die Errichtung eines Lebensmittelmarktes mit einer Verkaufsfläche von 1.267 m² auf dem Grundstück C.---------straße … in H. (Gemarkung C2. , G. 104, G1. …) zu erteilen, 22hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte im Zeitraum vom 25. Mai 2019 bis einschließlich 30. Mai 2019 verpflichtet gewesen ist, ihr auf die am 19. Februar 2019 eingegangene Bauvoranfrage den beantragten Vorbescheid für die Errichtung eines Lebensmittelmarktes mit 1.267 m² Verkaufsfläche auf dem Grundstück C.---------straße … in H. (H1. C2. , G. …, G1. …) zu erteilen. 23Die Beklagte beantragt, 24die Klage abzuweisen. 25Sie macht zur Begründung geltend: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung eines positiven Bauvorbescheides. Der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 438 sowie die Veränderungssperre seien planungsrechtlich erforderlich. Die positive Planungskonzeption bestehe in der Umsetzung des Einzelhandelskonzeptes zum Schutz zentraler Versorgungsbereiche. Die Veränderungssperre sei für den gesamten Geltungsbereich des Bebauungsplanes erforderlich, weil das Einzelhandelskonzept für diesen Bereich die Ansiedlung zentrenrelevanten Einzelhandels ausschließe. 26Die Klägerin habe kein rechtlich geschütztes Interesse an der hilfsantraglich begehrten Feststellung. Ein Amtshaftungsprozess sei offensichtlich aussichtslos. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass ihr ein Schaden durch eine verzögerte Bescheidung ihrer Bauvoranfrage entstanden sei. Ferner sei nicht ersichtlich, dass eine verzögerte Bescheidung einen Schaden kausal verursacht haben könnte, da die Bauvoranfrage auf die Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens nach der Art der baulichen Nutzung beschränkt gewesen sei. Jedenfalls habe seit dem Antrag des Stadtplanungsamtes auf Zurückstellung der Entscheidung über die Bauvoranfrage ein Anspruch nicht mehr bestanden. 27Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. 28Entscheidungsgründe: 29Die Klage hat weder mit dem Hauptantrag noch mit dem Hilfsantrag Erfolg. 30I. 31Der Hauptantrag ist zulässig, aber unbegründet. 32Der Ablehnungsbescheid vom 5. Mai 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung des beantragten Bauvorbescheides. 33Der Anspruch auf Erteilung eines positiven Bauvorbescheides besteht gemäß § 77 Abs. 1 in Verbindung mit § 74 Abs. 1 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW 2018), wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Die eingereichte Bauvoranfrage der Klägerin ist unter Ausklammerung des Gebotes der Rücksichtnahme ausschließlich auf die Klärung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der Art des Vorhabens nach gerichtet. Der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens steht die Veränderungssperre der Beklagten entgegen. 34Gemäß § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde, wenn ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt erlassen, dass Vorhaben im Sinne von § 29 BauGB nicht durchgeführt und erhebliche oder wesentlich wertsteigernde Veränderungen von Grundstücken und baulichen Anlagen, deren Veränderungen nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind, nicht vorgenommen werden dürfen. Die Veränderungssperre ist gemäß § 16 BauGB als Satzung zu beschließen und ortsüblich bekannt zu machen. 35Die vorliegend maßgebliche Veränderungssperre für das „Gewerbegebiet südlich C.---------straße “ für einen Bereich zwischen der C.---------straße , L.---straße , I.------straße und der Bahnlinie E. – I1. ist in formeller Hinsicht rechtmäßig. Sie wurde am 2. April 2020 vom Rat der Beklagten als Satzung beschlossen und nach Ausfertigung und Übereinstimmungsprüfung auf Anordnung des (damaligen) Oberbürgermeisters gemäß § 7 Abs. 4 und 5 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) sowie den Bestimmungen der Verordnung über die öffentliche Bekanntmachung von kommunalem Ortsrecht (BekanntmVO) im Amtsblatt der Beklagten vom 24. April 2020 ordnungsgemäß bekannt gemacht. 36Auch in materieller Hinsicht ist die Veränderungssperre nicht zu beanstanden. Ihr liegt ein wirksamer Aufstellungsbeschluss zugrunde und die übrigen Voraussetzungen einer Veränderungssperre sind gegeben. 37Der Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. 438 der Beklagten wurde am 28. März 2019 durch den Rat der Beklagten beschlossen und auch die gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 BauGB für das Wirksamwerden des Beschlusses erforderliche ortsübliche Bekanntmachung ist in ordnungsgemäßer Weise im Amtsblatt am 12. April 2019 erfolgt. 38Die Veränderungssperre wurde des Weiteren ausdrücklich zum Zweck der Sicherung der Planung erlassen, die festgelegte Geltungsdauer von zunächst zwei Jahren entspricht der in § 17 Abs. 1 S. 1 BauGB enthaltenen Maximalfrist und das von ihr erfasste Gebiet stimmt mit dem im Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans vom 28. März 2019 bezeichneten Gebiet überein. 39Die Veränderungssperre ist auch zur Sicherung der Planung erforderlich. Eine Veränderungssperre darf nur verhängt werden, wenn die Planung einen Stand erreicht hat, der ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll. Nur dann kann die Veränderungssperre ihren Sinn erfüllen, vorhandene planerische Ziele zu sichern und deren weitere Entwicklung zu ermöglichen. Unzulässig ist eine Veränderungssperre hingegen, wenn zur Zeit ihres Erlasses der Inhalt der beabsichtigten Planung noch in keiner Weise abzusehen ist. Demgemäß muss im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre über den bloßen Aufstellungsbeschluss hinaus eine hinreichende Konkretisierung der Planungsabsichten vorliegen. Wesentlich ist dabei, dass die Gemeinde bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht grundsätzlich nicht aus. Denn wenn Vorstellungen über die angestrebte Art der baulichen Nutzung der betroffenen Grundflächen fehlen, ist der Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans noch offen. Die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären - auch vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG - nicht erträglich, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollte, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt. Ein Mindestmaß an konkreter planerischer Vorstellung gehört auch zur Konzeption des § 14 BauGB. Nach seinem Absatz 2 Satz 1 kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob der praktisch wichtigste öffentliche Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht noch völlig offen sind. 40BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2004 – 4 CN 16/03 –, juris Rn. 28. 41Grundsätzlich erforderlich, aber auch ausreichend ist nach alledem, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung besitzt, sei es, dass sie einen bestimmten Baugebietstyp, sei es, dass sie nach den Vorschriften des § 9 Abs. 1 bis 2a BauGB festsetzbare Nutzungen ins Auge gefasst hat. 42BVerwG, Urteil vom 9. August 2016 – 4 C 5.15 –, juris Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 22. November 2021 – 10 D 56/20.NE –, juris Rn. 23, und Beschluss vom 17. Januar 2022 – 7 B 1125/21.NE –, juris Rn. 12. 43Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an eine Konkretisierung der Planung danach variieren, welche Art von Festsetzungen durch den Plan beabsichtigt wird. 44Die hier dem Planaufstellungsbeschluss zu Grunde liegenden Vorstellungen der Beklagten genügen den an eine positive Plankonzeption zu stellenden Anforderungen. Der Plangeber beabsichtigt die Aufstellung eines Bebauungsplans auf der Grundlage des § 9 Abs. 2a BauGB. § 9 Abs. 2a BauGB gestattet es, zum Schutz außerhalb des Plangebiets liegender Versorgungsbereiche durch Aufstellung eines Bebauungsplans in dessen Plangebiet lediglich bestimmte Nutzungsarten zuzulassen oder auszuschließen, ohne im Übrigen eine Bestimmung über die sonst möglichen Nutzungsarten zu treffen. Deren Zulässigkeit richtet sich auch weiterhin nach § 34 Abs. 1, 2 BauGB. Damit müssen auch an das Mindestmaß der Planung, das im Rahmen einer Veränderungssperre gesichert werden soll, andere Maßstäbe angelegt werden. Die Beantwortung der Frage nach dem erforderlichen Mindestmaß muss sich an den inhaltlichen Anforderungen des § 9 Abs. 2a BauGB orientieren. Demgemäß weisen die Vorstellungen, die eine Gemeinde sich hinsichtlich eines Plans nach § 9 Abs. 2a BauGB macht, der lediglich negative Festsetzungen enthält, naturgemäß eine geringere Dichte auf als bei anderen Bebauungsplänen. 45Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. März 2012 - 2 B 202/12 – und vom 28. August 2007 – 10 B 1614/07,jeweils juris. 46Jedoch ist auch in diesem Fall eine positive Plankonzeption zu verlangen, um eine Veränderungssperre vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu rechtfertigen. 47Vgl. zu den Anforderungen an positive Planungsziele bei einem Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2a BauGB OVG NRW, Urteil vom 16. April 2021 – 2 D 106/20.NE –; Beschlüsse vom 19. März 2020 – 10 A 2105/19 –, vom 29. August 2013 – 2 B 875/13 –, vom 31. März 2008 – 10 B 286/08 –, vom 11. Februar 2008 – 10 B 1614/07 –; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom vom 27. Januar 2010 – 1 A 10779/09 –; VG H. , Beschlüsse vom 1. März 2011 – 9 L 1229/10 – und vom 28. August 2007 – 6 L 272/07 –, jeweils juris. 48Diesen Anforderungen werden die planerischen Vorstellungen zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 438 gerecht. Ziel der mit dem Aufstellungsbeschluss angestoßenen Planung ist es, auf Grundlage des vom Rat beschlossenen fortgeschriebenen Einzelhandelskonzepts der Beklagten von September 2015 den Einzelhandel in die zentralen Versorgungsbereiche zu lenken, um diese zu erhalten und zu entwickeln. Dies könne – so die Beschlussvorlage zur Veränderungssperre – nur erreicht werden, wenn Einzelhandelsbetriebe mit nahversorgungs- und zentrenrelevanten Kernsortimenten an nicht integrierten Standorten außerhalb der Zentralen Versorgungsbereiche unterbunden würden. Dem Einzelhandelskonzept ist zu entnehmen, dass die wohnungsnahe Versorgung in dem fraglichen Gebiet von einem solitären Nahversorgungsstandort erbracht wird, der sich in einer städtebaulich integrierten Lage befindet. Zum Schutz der vorhandenen Versorgungsstrukturen sieht das Einzelhandelskonzept im Übrigen insgesamt vor, gerade den großflächigen zentren- und nahversorgungsrelevanten Einzelhandel auf bestimmte Standorte zu beschränken. Die Zulassung eines großflächigen Lebensmittelmarktes im Planbereich, der in dem fortgeschriebenen Einzelhandelskonzept als nicht integrierter Standort identifiziert wird, könnte diesen Entwicklungen entgegen wirken. Damit ist ein positives Planungsziel genannt, das grundsätzlich den Anforderungen des § 9 Abs. 2a BauGB genügt und sich nicht in der Verhinderung gerade des klägerischen Vorhabens erschöpft. 49Ob der geplante Ausschluss bestimmter Nutzungen im Bebauungsplanverfahren zur Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche an anderen Stellen des Gemeindegebiets zulässig sein wird, muss sich im Verlauf des Planaufstellungsverfahrens erst noch erweisen. Für die Einschätzung der Rechtmäßigkeit der Veränderungssperre muss dies noch nicht geklärt sein. Eine quasi vorweggenommene Normenkontrolle des künftigen Bebauungsplans ist nicht gefordert. 50Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2012 - 2 B 202/12 -, juris. 51Die Auffassung der Klägerin, es sei zur Sicherung der Planung unverhältnismäßig gewesen, den Geltungsbereich der Veränderungssperre auf den gesamten Geltungsbereich des künftigen Bebauungsplans zu erstecken, vermag nicht zu überzeugen. Die Beklagte hat insofern zutreffend dargelegt, dass es im gesamten künftigen Planbereich Grundstücke gebe, die einen Einzelhandelsbetrieb durch Nutzungsänderung ermöglichten oder die es ermöglichten, so wie die Klägerin es beabsichtige, ein Bestandgebäude zu Gunsten eines neuen Einzelhandelsbetriebes zu beseitigen. 52Die Veränderungssperre besteht zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung grundsätzlich noch fort. Sie tritt nach ihrem § 6 nach Ablauf von zwei Jahren, also im April 2022, außer Kraft, wenn bis dahin die Bauleitplanung noch nicht rechtsverbindlich abgeschlossen ist. Auf die Zweijahresfrist ist allerdings nach § 17 Abs. 1 S. 2 BauGB der seit der Zustellung der ersten Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 Abs. 1 BauGB abgelaufene Zeitraum anzurechnen. Diese Vorschrift ist nach allgemeiner Ansicht auch auf die Zurückstellung von Bauvoranfragen anwendbar. Da der Klägerin bereits am 31. Mai 2019 ein Zurückstellungsbescheid zugestellt worden ist, könnte die Geltungsdauer der Veränderungssperre ihrem Grundstück gegenüber bereits abgelaufen sein. Ziel der Anrechnungsbestimmung ist indes, dem einzelnen Grundstückseigentümer in der Summe kein länger anhaltendes Bauverbot zuzumuten, als nach Art. 14 des Grundgesetzes vertretbar. Der aus der Zurückstellung und der Veränderungssperre insgesamt resultierende Stillstand soll nicht über das vom Gesetzgeber für zumutbar gehaltene Maß hinaus ausgedehnt werden. Daraus folgt, dass eine Veränderungssperre nur gegenüber demjenigen keine Wirkung entfaltet, den sie bei Berücksichtigung der nach § 17 Abs. 1 S. 2 BauGB anzurechnenden Zeit mit einer zeitlich zu lang ausgedehnten Sperre belegen würde, während ihre Geltung für andere davon unberührt bleibt. Bei der Beantwortung der Frage, ob das im Einzelfall zutrifft, müssen die Regelungen in § 17 Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 BauGB – ebenfalls individuell – zugunsten der Gemeinde in Rechnung gestellt werden. Ist eine für zwei Jahre verhängte Veränderungssperre gegenüber einem bestimmten Betroffenen infolge der von § 17 Abs. 1 S. 2 BauGB vorgeschriebenen Anrechnung nicht wirksam, so kann sich dieser dennoch nicht darauf berufen, wenn im Hinblick auf sein Grundstück die Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Sperre nach § 17 Abs. 1 S. 3 BauGB verlängert werden dürfte. 53So (ohne zwischen „echter“ und „faktischer“ Zurückstellung zu differenzieren) BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 – 4 C 39.74 –, NJW 1977, 400; VGH B.-W., Urteil vom 6. Juli 1989 – 10 S 2687/88 –, NVwZ-RR 1990; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Lfg. 133 Mai 2019; § 17 Rn. 14; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 17 Rn. 3, und Schiller, in: Gelzer/ Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 8. Aufl. 2014, Rn. 2542; für die faktische Zurückstellung auch BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 1990 – 4 B 156/89 –, NVwZ 1991, 62; OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 1997 – 7 A 3458/93 –, juris; VGH B.-W., Urteil vom 10. Dezember 1993 – 8 S 994/92 –, UPR 1994, 455, und vom 28. Oktober 1999 – 5 S 439/98 –, juris; anderer Ansicht Sennekamp, in: Brügelmann, Baugesetzbuch, Lfg. 82 Mai 2012, § 17 Rn. 34 ff., und Schenke, WiVerw 1994, 253 (287, 303 ff.). 54Da an dem Vorliegen der Voraussetzungen für eine Verlängerung um ein weiteres Jahr nach § 17 Abs. 1 S. 3 BauGB nicht zu zweifeln ist – insbesondere sind die Planungsabsicht und das Sicherungsbedürfnis nach wie vor gegeben –, kann die Klägerin sich trotz der anrechenbaren Zurückstellungszeit noch nicht auf einen Ablauf der Veränderungssperre berufen. 55Die somit wirksame und auch in Bezug auf das Grundstück der Klägerin geltende Veränderungssperre steht dem in der Bauvoranfrage beschriebenen Vorhaben entgegen. Denn ein SB-Lebensmittelmarkt mit 1.267 qm Verkaufsfläche wäre nach der bisherigen Planung der Beklagten, die Nichtzulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben mit nahversorgungs- und zentrenrelevanten Kernsortimenten im Plangebiet festzusetzen, unzulässig. 56Das Bauvorhaben kann auch nicht im Wege der Ausnahme gemäß § 14 Abs. 2 BauGB zugelassen werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahme liegen nicht vor. Ein Vorhaben, das mit dem Sicherungszweck der Veränderungssperre nicht vereinbar ist, insbesondere der beabsichtigten Planung widerspricht oder diese erschwert, darf nämlich auch im Wege der Ausnahme nicht zugelassen werden; andernfalls könnte die Veränderungssperre ihre Aufgabe nicht erfüllen. 57BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 1989 - 4 B 236/88 -, BauR 1989, 432 f. 58II. 59Auch mit dem Hilfsantrag hat die Klage keinen Erfolg. 60Die Kammer unterstellt zugunsten der Klägerin, dass auch dieser Antrag zulässig ist. 61Seine Zulässigkeit ergibt sich allerdings nicht (unmittelbar) aus § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO. Denn die hier geregelte Fortsetzungsfeststellungklage ist zwar auch auf Verpflichtungsklagen, bei denen sich der geltend gemachte Anspruch erledigt hat, (analog) anwendbar. Mit der Fortsetzungsfeststellungsklage kann aber stets nur die Rechtslage im Zeitpunkt unmittelbar vor dem erledigenden Ereignis festgestellt werden. Soll – über den Streitgegenstand der bisherigen, erledigten Klage hinausgehend – die Rechtslage in einem früheren Zeitpunkt oder Zeitraum zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden, so kann dies nur im Wege der (allgemeinen) Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO geschehen. 62Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Januar 1992 – 7 C 24.91 –, BVerwGE 89, 354 (355 ff.), vom 28. April 1999 – 4 C 4.98 –, BVerwGE 109, 74 (78 ff.), vom 19. September 2002 – 4 C 13.01 –, BVerwGE 117, 50 (51) und vom 4. Dezember 2014 – 4 C 33.13 –, BVerwGE 151, 36 (38 f.); OVG NRW, Urteile vom 3. Mai 2010 – 7 A 2115/08 –, juris (Rn. 40 ff.), und vom 22. Februar 2017 – 7 A 1397/15 –, juris (Rn. 123). 63Steht der entsprechende (allgemeine) Feststellungsantrag in einem sachlichen Zusammenhang mit einem erledigten Verpflichtungsbegehren, kann dem Kläger allerdings zugutekommen, dass § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO kraft gesetzgeberischer Wertung im Vergleich zur isolierten Anwendung des § 43 Abs. 1 VwGO geringere Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis stellt. Auch die allgemeine Feststellungklage kann in einer solchen Konstellation aus prozessökonomischen Gründen an den Rechtsgedanken des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO anknüpfen. 64So BVerwG, Urteil vom 28. April 1999 – 4 C 4.98 –, BVerwGE 109, 74 (80); VGH B.-W., Urteil vom 27. Oktober 2010 – 5 S 875/09 –, juris (Rn. 110 ff.). 65Dem entsprechend werden nach Inkrafttreten einer Veränderungssperre oder eines Bebauungsplans gestellte Anträge auf Feststellung, dass in einem früheren Zeitraum Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheides bestand, in der Rechtsprechung grundsätzlich für zulässig gehalten. 66Vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 2004 – 4 B 76.04 –, juris, Urteil vom 20. Mai 2010 – 4 C 7.09 –, BVerwGE 137, 74 (78 f.); BayVGH, Urteil vom 10. März 2004 – 26 BV 02.1127 –, juris (Rn. 36 ff.). 67Im vorliegenden Fall kommt allerdings hinzu, dass nicht nur der Zeitraum, für den eine entsprechende Feststellung begehrt wird, deutlich vor dem Zeitpunkt der durch die Bekanntmachung der Veränderungssperre eingetretenen Erledigung des geltend gemachten (Haupt-) Begehrens liegt, sondern dass dieser Zeitpunkt der Erledigung auch vor dem des Klageeingangs liegt. Es stellt sich die Frage, ob das hinter der Fortsetzungsfeststellungsklage stehende Anliegen, dem Kläger die Früchte des von ihm geführten Verwaltungsrechtsstreits zu erhalten, auch in einer solchen Konstellation trägt und einer (allgemeinen) Feststellungsklage zur Zulässigkeit verhilft. Für den originären Anwendungsbereich des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO entspricht es nämlich allgemeiner Meinung, dass die Absicht, einen Amtshaftungsprozess zu führen, kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu begründen vermag, wenn die Erledigung bereits vor Klageerhebung eingetreten ist, weil in einem solchen Fall keine „Früchte“ des Verwaltungsrechtsstreits zu erhalten sind und die Klage ohne weiteres unmittelbar beim Zivilgericht anhängig gemacht werden kann. 68Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1989 – 8 C 30.87 –, BVerwGE 81, 226 (227 f.). 69Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die vorstehende, zur Anfechtungsklage ergangene Rechtsprechung auf die Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Bauvorbescheides nicht übertragbar sei, 70vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2004 – 4 B 76.04 –, juris (Rn. 2), 71und es finden sich in der Tat Gründe, eine solche Konstellation anders zu beurteilen. Steht nämlich bei Erhebung der Klage als Hauptbegehren die Verpflichtung der Behörde zur Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheides – also der „Primärrechtsschutz“ – im Raum, so stellt sich das gewählte Vorgehen, den Amtshaftungsanspruch zunächst nicht beim Zivilgericht anhängig zu machen, aus Sicht des Klägers als prozessökonomisch sinnvoll dar. Für den Fall, dass er mit dem Hauptbegehren unterliegt, möchte er sich zwar die Möglichkeit eines Schadensersatzprozesses offenhalten; er hat aber (häufig) kein Interesse, beide Prozesse von vornherein parallel zu führen. Hinzu kommt, dass es dem Kläger bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens noch nicht möglich ist, den in Rede stehenden Schaden abschließend zu beziffern. Denn vom Ausgang des Verwaltungsrechtsstreits hängt ab, ob er lediglich Ersatz des Verzögerungsschadens beanspruchen kann (und in welcher Höhe) oder Ersatz für den durch eine endgültige Ablehnung seines Bauwunsches entstehenden Schaden. Würde er von vornherein (auch) das Zivilgericht anrufen, hätte der Kläger nicht nur damit zu rechnen, dass er von diesem Gericht möglicherweise auf den Vorrang des Primärrechtsschutzes verwiesen wird, 72vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 11. März 1993 – 3 C 90.90 –, BVerwGE 92, 172 (174 f.), 73sondern er müsste davon ausgehen, vor dem Zivilgericht zunächst nur eine Schadensersatzforderung dem Grunde nach einklagen zu können und über die konkrete Höhe nach Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erneut prozessieren zu müssen. Unter diesen Umständen spricht einiges dafür, den Rechtsgedanken des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zugunsten des Klägers heranzuziehen und einen an die hauptantraglich erhobene Verpflichtungsklage hilfsweise anknüpfenden Feststellungsantrag für zulässig zu halten. Auch der in § 43 Abs. 2 VwGO statuierte Grundsatz der Subsidiarität der allgemeinen Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage steht der Zulässigkeit der Klage dann nicht im Wege. 74Vgl. zur diesbezüglichen Einordnung des Problems nur Sodan, in: NK-VwGO, 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 96, m.w.N. 75Der Zulässigkeit der Klage lässt sich vorliegend auch nicht entgegenhalten, dass die Klägerin ihre Absicht, einen Schadensersatzprozess zu führen, nicht hinreichend substantiiert hätte. Soll die begehrte Feststellung der Vorbereitung einer zivilrechtlichen Klage auf Schadensersatz oder Entschädigung dienen, so ist das Feststellungsinteresse nur zu bejahen, wenn ein solcher Prozess bereits anhängig, mit Sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte Feststellung in diesem Verfahren erheblich und die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Insoweit bedarf es hinreichender Darlegungen seitens des die Feststellung begehrenden Klägers. Hierzu gehört insbesondere, dass er die Behauptung eines eingetretenen Schadens durch Angaben zur Art des Schadens und zur annähernden Schadenshöhe substantiiert. 76Vgl. etwa OVG NRW, Urteile vom 29. November 2016 – 10 A 55/15 –, juris (Rn. 29) und vom 25. Februar 2019 – 10 A 2557/16 –, juris (Rn. 162) m.w.N. 77Diesen Anforderungen ist die Klägerin durch ihren Schriftsatz vom 13. Januar 2022 und die ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung gerecht geworden. Dass die Schadenshöhe bislang nicht konkret beziffert worden ist, hält die Kammer für unschädlich; für die entsprechenden (aufwendigen) Berechnungen besteht derzeit noch kein Anlass. 78Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich das Feststellungsinteresse auch nicht deshalb negieren, weil die Bauvoranfrage vorliegend einen begrenzten Umfang hatte. Es trifft zu, dass der Klägerin nur dann ein Schaden entstanden sein kann, wenn sie bei Erteilung eines positiven Bauvorbescheides ihr Vorhaben hätte umsetzen können. Richtig ist ferner, dass die Erteilung der Baugenehmigung von weiteren Voraussetzungen – namentlich von der in § 34 Abs. 3 BauGB statuierten – abhängig gewesen wäre. Dass in einem sich anschließenden Zivilrechtsstreit diese weiteren Voraussetzungen von der Klägerin belegt werden müssten, ändert aber nichts daran, dass mit der Feststellung, dass die Beklagte in dem fraglichen Zeitraum einen positiven Bauvorbescheid hätte erteilen müssen, ein wesentlicher Baustein der Schadensersatz- bzw. Entschädigungsforderung rechtskräftig festgestellt würde. 79Der Hilfsantrag ist indes unbegründet. 80Die Klägerin hatte in dem fraglichen Zeitraum (25. bis 30. Mai 2019) keinen Anspruch auf Erteilung des beantragten Bauvorbescheides. Dessen Erteilung stand nämlich schon das an den Aufstellungsbeschluss des Rates vom 28. März 2019 anknüpfende Schreiben des Referats Stadtplanung der Beklagten an das Referat Bauordnung vom 12. April 2019 entgegen, mit dem die Zurückstellung der Bauvoranfrage der Klägerin beantragt worden war. 81Wird eine Veränderungssperre nicht beschlossen, obwohl die Voraussetzungen gegeben sind oder ist eine beschlossene Veränderungssperre noch nicht in Kraft getreten, hat die Baugenehmigungsbehörde gemäß § 15 Abs. 1 BauGB auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben im Einzelfall für einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten auszusetzten, wenn zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Die Regelung dient der Sicherung des den Gemeinden zustehenden Rechts auf eine ihren Vorstellungen entsprechende Bauleitplanung und schützt damit die – im Kern verfassungskräftige – gemeindliche Planungshoheit. 82Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. März 2015 – 4 C 1.14 –, juris (Rn. 11). 83Die Bauaufsichtsbehörde ist, wenn die Voraussetzungen des § 15 BauGB vorliegen, an den Antrag der Gemeinde gebunden. Erteilt sie entgegen einem entsprechenden Antrag die gewünschte Baugenehmigung oder den gewünschten Bauvorbescheid, ist diese Entscheidung rechtswidrig und die Gemeinde kann kraft ihrer Planungshoheit ihre Aufhebung verlangen. 84Vgl. nur HessVGH, Beschluss vom 10. Juli 2009 – 4 B 426/09 –, juris; Hornmann, in: BeckOK BauGB, Stand: August 2021, § 15 Rn. 24; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Kommentar, Stand: August 2021, § 15 Rn. 104. 85Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass es des in § 15 Abs. 1 BauGB als formelle Voraussetzung der Zurückstellung benannten Antrags der Gemeinde nicht bedarf, wenn diese – wie hier – selbst Baugenehmigungsbehörde ist. 86Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 17. März 2006 – 8 B 1920/05 –, NVwZ-RR 2006, 597 (598); NdsOVG, Beschluss vom 28. März 2017 – 1 ME 7/17 –, juris; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 15 Rn. 9; Széchényi, in: Jäde/Dirnberger, BauGB, 9. Aufl. 2018, § 15 Rn. 12. 87Auch in diesem Falle besteht allerdings ein Bedürfnis nach der mit dem Antragsrecht der Gemeinde erstrebten Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit. In der Literatur wird daher die Auffassung vertreten, die Planungshoheit müsse bei Identität von Gemeinde und Baugenehmigungsbehörde durch sinnfällige gemeindeinterne Regelungen gewahrt werden, etwa in Form eines „Quasi-Antragsrechts“, welches das Planungsamt der Gemeinde wahrnehme und an dessen Ausübung die Bauaufsichtsbehörde ebenso gebunden sei, als sei sie keine Behörde der betreffenden Gemeinde. 88So Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Kommentar, Stand: August 2021, § 15 Rn. 36, und offenbar auch Sennekamp, in: Brügelmann, BauGB, Kommentar, Stand: Juli 2021, § 15 Rn. 33. 89Dem schließt die Kammer sich an. Denn eine solche Verfahrensweise entspricht Sinn und Zweck des § 15 BauGB und ist geeignet, den verfassungskräftigen Rechten der Gemeinde zur Durchsetzung zu verhelfen. Zu bedenken ist nämlich, dass die Gemeinde als Bauaufsichtsbehörde untere staatliche Verwaltungsbehörde ist (§ 57 Abs. 1 BauO NRW 2018). Als solche erfüllt sie eine „Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung“ (§ 58 Abs. 1 BauO NRW 2018 i.V.m. § 12 Ordnungsbehördengesetz NRW) und ist der Sonderaufsicht der übergeordneten Behörden unterworfen, die durch allgemeine und besondere Weisungen Einfluss auf die Verwaltungstätigkeit nehmen können (§ 9 Ordnungsbehördengesetz NRW). 90Vgl. z.B. OVG NRW, Urteil vom 14. Januar 1992 – 10 A 111/88 –, juris (Rn. 33); VG Köln, Urteil vom 8. September 2021 – 23 K 7046/18 –, juris (Rn. 57 ff.). 91Gegenüber dieser Funktion als unterer staatlicher Verwaltungsbehörde ist die Stellung der Gemeinde als Trägerin der Planungshoheit, die gemäß § 2 Abs. 1 BauGB in eigener Verantwortung über die Bauleitplanung zu entscheiden hat, notwendigerweise verselbständigt. Die Annahme eines „Quasi-Antragsrechts“ in dem dargelegten Sinne und einer entsprechenden Bindungswirkung zugunsten der planenden Gemeinde trägt dieser Unterscheidung Rechnung und schafft die Möglichkeit, die Verantwortungssphären sauber gegeneinander abzugrenzen. Begehrt die Gemeinde als Trägerin der Bauleitplanung die Zurückstellung eines Bauantrages oder einer Bauvoranfrage, darf die (mit ihr formal identische) untere Bauaufsichtsbehörde dieses Begehren nicht ignorieren und auch eine Weisung, die Baugenehmigung oder den Vorbescheid trotz des entgegenstehenden Willens der Gemeinde zu erteilen, darf nicht ergehen. Allenfalls können die übergeordneten Behörden kommunalaufsichtliche Maßnahmen ergreifen, um die Bindung der Bauaufsichtsbehörde an den „Quasi-Antrag“ der Gemeinde entfallen zu lassen, wenn sie diesen für rechtswidrig halten. 92So ausdrücklich Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, Kommentar, Stand: August 2021, § 15 Rn. 41d. 93Der Annahme einer Bindungswirkung „innerhalb der Gemeinde“ lässt sich auch nicht entgegen halten, dass der Bürger nach einem entsprechenden „Quasi-Antrag“ einer schlichten Untätigkeit der Bauaufsichtsbehörde schutzlos ausgeliefert ist. Denn wenn diese Behörde nicht zeitnah einen Zurückstellungsbescheid erlässt, ist – abgesehen von der Möglichkeit der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO – die Zeit, die nach Ablauf einer angemessenen Frist ab Entscheidungsreife vergeht, als „faktische Zurückstellung“ auf die maximale Dauer einer Zurückstellung (und einer sich anschließenden Veränderungssperre) anzurechnen. 94Vgl. nur NdsOVG, Beschluss vom 28. März 2017 – 1 ME 7/17 –, juris (Rn. 42). 95Vorliegend hat der Rat der Beklagten – wie oben bereits aufgezeigt – bereits am 28. März 2019 die Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans beschlossen; der Aufstellungsbeschluss ist am 12. April 2019 ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Mit der Beschlussfassung hat der Rat der Beklagten sich erkennbar auch den Vorschlag der Verwaltung zu eigen gemacht, die streitgegenständliche Bauvoranfrage zurückzustellen. Denn in der einschlägigen Ratsvorlage heißt es (auf Seite 4), um auf die eingegangene Bauvoranfrage das Instrument der Zurückstellung anwenden zu können, sei ein Aufstellungsbeschluss dringend erforderlich. Das Schreiben des Fachbereichs Stadtplanung an das Bauaufsichtsamt vom 12. April 2019, mit dem die Zurückstellung für den Zeitraum eines Jahres beantragt wird, setzt somit einen entsprechenden Willen des Rates um. Darin ist ein „Quasi-Antrag“ in dem oben genannten Sinne zu sehen, an den die Bauaufsichtsbehörde gebunden war. Ein positiver Bauvorbescheid durfte daher im fraglichen Zeitraum nicht erteilt werden. 96Nach alledem braucht die Kammer nicht zu entscheiden, ob die Behörde sich in dem betreffenden Zeitraum bereits eine unangemessene Verzögerung der Bearbeitung der Voranfrage vorwerfen lassen muss und ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung des begehrten Vorbescheides vorlagen. 97III. 98Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 99Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 100Rechtsmittelbelehrung: 101Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1021. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 1032. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 1043. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 1054. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 1065. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 107Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 108Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 109Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO. | die klage wird abgewiesen. die kosten des verfahrens trägt die klägerin. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. der klägerin wird nachgelassen, die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abzuwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2mit der vorliegenden klage begehrt die klägerin die erteilung eines bauplanungsrechtlichen vorbescheids für die errichtung eines lebensmittelmarktes mit einer verkaufsfläche von 1.267 m² auf dem grundstück c.---------straße … in h. (gem. c2. , g. …, g1. … und g. …, g1. …). auf dem vorhabengrünstück steht derzeit bereits ein lebensmittelmarkt mit einer verkaufsfläche von 699,67 m² auf. 3in der näheren umgebung befinden sich zahlreiche weitere gewerbebetriebe unterschiedlicher branchen. auf dem grundstück c.---------straße ... wird ein „gartenbaucenter“ auf grundlage einer 1969 erteilten baugenehmigung für eine ausstellungshalle nebst werkstatt und büro mit einer nutzfläche von ca. 2.300 m² bzw. 500 m² sowie für eine düngemittelhalle mit einem freilager betrieben. 4weitere einzelheiten der näheren umgebungsbebauung sind dem nachfolgenden kartenausschnitt zu entnehmen: 5an dieser stelle befindet sich in der originalentscheidung eine skizze 6am 19. februar 2019 beantragte die klägerin die erteilung eines bauvorbescheides für die errichtung eines lebensmittelmarktes auf dem oben beschriebenen grundstück. die genaue fragestellung lautete: 7„ist ein lebensmittelmarkt mit einer verkaufsfläche von 1.267 m2 nach der art der baulichen nutzung unter ausklammerung des gebotes der rücksichtnahme bauplanungsrechtlich zulässig?“ 8am 25. februar 2019 reichte die klägerin eine flurkarte nach. 9am 28. märz 2019 beschloss der rat der beklagten die aufstellung des bebauungsplans nr. 438 „gewerbegebiet südlich c.---------straße “ für einen bereich zwischen der c.---------straße , l.---straße , i.------straße und der bahnlinie e. - i1. . dieser bereich umfasst neben dem vorhabengrundstück im wesentlichen weitere gewerblich genutzte grundstücke und vereinzelt betriebsleiterwohnungen. 10in der zugrunde liegenden beschlussvorlage vom 13. märz 2019 wird ausgeführt, der im plangebiet bereits vorhandene lebensmitteldiscounter sei zu einem zeitpunkt genehmigt worden, zu dem es das gesamtstädtische einzelhandelskonzept noch nicht gegeben habe. ziel des bebauungsplanes sei es, auf der grundlage des gesamtstädtischen einzelhandelskonzeptes den einzelhandel in die zentralen versorgungsbereiche zu lenken, um diese zu erhalten und zu entwickeln. dies könne nur erreicht werden, wenn einzelhandelsbetriebe mit nahversorgungs- und zentrenrelevanten kernsortimenten an nicht integrierten standorten außerhalb der zentralen versorgungsbereiche unterbunden würden. hierzu sollten im geltungsbereich des aufstellungsbeschlusses regelungen zur zulässigkeit bzw. nichtzulässigkeit bestimmter arten von nutzungen gem. § 9 abs. 2a baugesetzbuch (baugb) getroffen werden. das vom rat der stadt beschlossene einzelhandelskonzept verfolge als zentrales ziel die sicherung einer möglichst flächendeckenden wohnortnahen grundversorgung im stadtgebiet durch funktionsfähige nahversorgungsstandorte. die aktuelle fortschreibung des einzelhandelskonzeptes sehe vor, dass die ansiedlung von handel mit nahversorgungs- und zentrenrelevanten kernsortimenten in gewerbegebieten und städtebaulich nicht integrierten bereichen auszuschließen sei. bei dem standort südlich der c.---------straße handle es sich um eine gewerbefläche, die sich in einer westlichen randlage des stadtteils c3. befinde und als städtebaulich nicht integriert einzustufen sei. das einzelhandelskonzept weise für den stadtteil c3. keinen zentralen versorgungsbereich mehr aus. die nächst gelegenen zentralen versorgungsbereiche, die auch im rechtlichen sinne als städtebauliches schutzgut zu werten und daher mit den mitteln der bauleitplanung zu sichern seien, befänden sich in i2. (nebenzentrum f. straße) sowie das hauptgeschäftszentrum in c2. . der stadtteil c3. werde im wesentlichen durch einen strukturprägenden lebensmitteldiscounter an der i3. straße nahversorgt. diesen standort definiere das einzelhandelskonzept als integriert, da er eine wichtige versorgungsfunktion für die umliegenden wohngebiete in ergänzung zu den zentralen versorgungsbereichen erfülle. der lebensmitteldiscounter an der c.---------straße sei nicht als nahversorgungsstandort zu bewerten, da eine nahversorgungsfunktion aufgrund der nicht integrierten lage im gewerbegebiet und der entfernung zur nächst gelegenen wohnbevölkerung nicht gegeben sei. das einzelhandelskonzept definiere den standort daher als „sonstigen grundversorgungsstandort“ in nicht integrierter lage. da solche standorte keinen beitrag zur fußläufigen nahversorgung leisteten, stellten sie kein bauleitplanerisches schutzgut dar. eine wesentliche attraktivitätssteigerung und erweiterung dieser standorte führe zu einer schwächung der nahversorgungs- und zentrenstruktur in h. und sei daher mit den zielen der einzelhandelsentwicklung nicht vereinbar. umstrukturierungen dieser standorte seien auf die möglichkeit im rahmen des bestandsschutzes beschränkt. 11der aufstellungsbeschluss des bebauungsplanes nr. 438 wurde im amtsblatt der beklagten vom 12. april 2019 öffentlich bekannt gemacht. 12am selben tag stellte das stadtplanungsamt beim bauordnungsamt der beklagten einen antrag auf zurückstellung der bauvoranfrage für den zeitraum eines jahres. 13mit schreiben vom 24. april 2019 hörte die beklagte die klägerin zu dem beabsichtigten erlass eines zurückstellungsbescheides an. nachdem eine stellungnahme seitens der klägerin nicht erfolgt war, stellte die beklagte mit bescheid vom 29. mai 2019, zugestellt am 31. mai 2019, die entscheidung über den bauvorbescheidsantrag der klägerin gemäß § 15 baugb bis zum 12. april 2020 zurück und ordnete die sofortige vollziehung des bescheides an. zur begründung führte sie aus, es sei zu befürchten, dass durch die verwirklichung des beabsichtigten vorhabens die durchführung der künftigen planung unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werde. 14am 28. februar 2020 stellte das stadtplanungsamt beim bauordnungsamt der beklagten einen antrag auf verlängerung der zurückstellung bis zum 19. mai 2020, da durch eine solche verlängerung die zulässige höchstfrist einer zurückstellung nach § 15 baugb ausgeschöpft werde. 15mit bescheid vom 10. märz 2020 verlängerte die beklagte aus den vom stadtplanungsamt genannten gründen die frist der zurückstellung bis zum 19. mai 2020. 16in seiner sitzung am 2. april 2020 beschloss der rat der beklagten die satzung über eine veränderungssperre für das gebiet des in aufstellung befindlichen bebauungsplans nr. 438. der (damalige) oberbürgermeister der beklagten unterzeichnete die prüf- und übereinstimmungserklärung am 16. april 2020. die beklagte machte die veränderungssperre in ihrem amtsblatt vom 24. april 2020 öffentlich bekannt. 17mit bescheid vom 5. mai 2020 lehnte die beklagte - nach vorheriger anhörung - die erteilung des beantragten bauvorbescheides ab. zur begründung berief sie sich auf die veränderungssperre und erklärte, die verwirklichung des vorhabens stehe im widerspruch zu der angestrebten planung. 18am 3. juni 2020 hat die klägerin die vorliegende klage erhoben. 19zur begründung führt sie aus: die veränderungssperre sei unwirksam. sie sei nicht erforderlich, weil es an einem hinreichenden plankonzept fehle. es handele sich um eine reine negativplanung, die sich darin erschöpfe, das streitgegenständliche vorhaben auszuschließen. zudem diene die veränderungssperre der sicherung einer rechtswidrigen planung. eine „wegplanung“ nahversorgungsrelevanten einzelhandels sei abwägungsfehlerhaft. es sei nicht erforderlich, weitere grundstücke in den geltungsbereich einzubeziehen. aufgrund vorhandener bebauung sei eine ansiedlung großflächiger einzelhandelsbetriebe dort nicht möglich. das vorhaben sei bauplanungsrechtlich zulässig, da es sich im unbeplanten innenbereich befinde und in die eigenart der näheren umgebung einfüge. auf etwaige schädliche auswirkungen auf zentrale versorgungsbereiche komme es nicht an. für den fall, dass ein anspruch auf erteilung des beantragten positiven bauvorbescheides aufgrund der veränderungssperre abgelehnt werde, sei festzustellen, dass ein dahingehender anspruch jedenfalls nach ablauf von drei monaten ab dem eingang der bauvoranfrage bei der beklagten bis zur zustellung des zurückstellungsbescheides bestanden habe. eine längere prüfungsdauer als drei monate sei nicht angemessen, weil die prüfung der bauplanungsrechtlichen zulässigkeit des vorhabens keinerlei schwierigkeiten bereitet habe. die beklagte habe die bauvoranfrage nicht bereits mit dem antrag auf zurückstellung des stadtplanungsamtes abschließend bearbeitet. sie habe ein schutzwürdiges interesse an der feststellung der verspäteten bescheidung der beklagten, da diese dadurch ihre amtspflichten verletzt und sich ihr gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht habe. 20die klägerin beantragt, 21die beklagte unter aufhebung des ablehnungsbescheides vom 5. mai 2020 (az. 00737-19-07) zu verpflichten, ihr den mit formularantrag beantragten vorbescheid für die errichtung eines lebensmittelmarktes mit einer verkaufsfläche von 1.267 m² auf dem grundstück c.---------straße … in h. (gemarkung c2. , g. 104, g1. …) zu erteilen, 22hilfsweise, festzustellen, dass die beklagte im zeitraum vom 25. mai 2019 bis einschließlich 30. mai 2019 verpflichtet gewesen ist, ihr auf die am 19. februar 2019 eingegangene bauvoranfrage den beantragten vorbescheid für die errichtung eines lebensmittelmarktes mit 1.267 m² verkaufsfläche auf dem grundstück c.---------straße … in h. (h1. c2. , g. …, g1. …) zu erteilen. 23die beklagte beantragt, 24die klage abzuweisen. 25sie macht zur begründung geltend: die klägerin habe keinen anspruch auf erteilung eines positiven bauvorbescheides. der aufstellungsbeschluss für den bebauungsplan nr. 438 sowie die veränderungssperre seien planungsrechtlich erforderlich. die positive planungskonzeption bestehe in der umsetzung des einzelhandelskonzeptes zum schutz zentraler versorgungsbereiche. die veränderungssperre sei für den gesamten geltungsbereich des bebauungsplanes erforderlich, weil das einzelhandelskonzept für diesen bereich die ansiedlung zentrenrelevanten einzelhandels ausschließe. 26die klägerin habe kein rechtlich geschütztes interesse an der hilfsantraglich begehrten feststellung. ein amtshaftungsprozess sei offensichtlich aussichtslos. die klägerin habe nicht dargelegt, dass ihr ein schaden durch eine verzögerte bescheidung ihrer bauvoranfrage entstanden sei. ferner sei nicht ersichtlich, dass eine verzögerte bescheidung einen schaden kausal verursacht haben könnte, da die bauvoranfrage auf die beurteilung der planungsrechtlichen zulässigkeit des vorhabens nach der art der baulichen nutzung beschränkt gewesen sei. jedenfalls habe seit dem antrag des stadtplanungsamtes auf zurückstellung der entscheidung über die bauvoranfrage ein anspruch nicht mehr bestanden. 27wegen der sonstigen einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen verwaltungsvorgänge ergänzend bezug genommen. 28 | 29die klage hat weder mit dem hauptantrag noch mit dem hilfsantrag erfolg. 30i. 31der hauptantrag ist zulässig, aber unbegründet. 32der ablehnungsbescheid vom 5. mai 2020 ist rechtmäßig und verletzt die klägerin nicht in ihren rechten, § 113 abs. 5 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo). die klägerin hat keinen anspruch auf erteilung des beantragten bauvorbescheides. 33der anspruch auf erteilung eines positiven bauvorbescheides besteht gemäß § 77 abs. 1 in verbindung mit § 74 abs. 1 bauordnung für das land nordrhein-westfalen (bauo nrw 2018), wenn dem vorhaben öffentlich-rechtliche vorschriften nicht entgegenstehen. die eingereichte bauvoranfrage der klägerin ist unter ausklammerung des gebotes der rücksichtnahme ausschließlich auf die klärung der bauplanungsrechtlichen zulässigkeit der art des vorhabens nach gerichtet. der bauplanungsrechtlichen zulässigkeit des bauvorhabens steht die veränderungssperre der beklagten entgegen. 34gemäß § 14 abs. 1 baugb kann die gemeinde, wenn ein beschluss über die aufstellung eines bebauungsplans gefasst ist, zur sicherung der planung für den künftigen planbereich eine veränderungssperre mit dem inhalt erlassen, dass vorhaben im sinne von § 29 baugb nicht durchgeführt und erhebliche oder wesentlich wertsteigernde veränderungen von grundstücken und baulichen anlagen, deren veränderungen nicht genehmigungs-, zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind, nicht vorgenommen werden dürfen. die veränderungssperre ist gemäß § 16 baugb als satzung zu beschließen und ortsüblich bekannt zu machen. 35die vorliegend maßgebliche veränderungssperre für das „gewerbegebiet südlich c.---------straße “ für einen bereich zwischen der c.---------straße , l.---straße , i.------straße und der bahnlinie e. – i1. ist in formeller hinsicht rechtmäßig. sie wurde am 2. april 2020 vom rat der beklagten als satzung beschlossen und nach ausfertigung und übereinstimmungsprüfung auf anordnung des (damaligen) oberbürgermeisters gemäß § 7 abs. 4 und 5 gemeindeordnung für das land nordrhein-westfalen (go nrw) sowie den bestimmungen der verordnung über die öffentliche bekanntmachung von kommunalem ortsrecht (bekanntmvo) im amtsblatt der beklagten vom 24. april 2020 ordnungsgemäß bekannt gemacht. 36auch in materieller hinsicht ist die veränderungssperre nicht zu beanstanden. ihr liegt ein wirksamer aufstellungsbeschluss zugrunde und die übrigen voraussetzungen einer veränderungssperre sind gegeben. 37der aufstellungsbeschluss zum bebauungsplan nr. 438 der beklagten wurde am 28. märz 2019 durch den rat der beklagten beschlossen und auch die gemäß § 2 abs. 1 s. 2 baugb für das wirksamwerden des beschlusses erforderliche ortsübliche bekanntmachung ist in ordnungsgemäßer weise im amtsblatt am 12. april 2019 erfolgt. 38die veränderungssperre wurde des weiteren ausdrücklich zum zweck der sicherung der planung erlassen, die festgelegte geltungsdauer von zunächst zwei jahren entspricht der in § 17 abs. 1 s. 1 baugb enthaltenen maximalfrist und das von ihr erfasste gebiet stimmt mit dem im aufstellungsbeschluss des bebauungsplans vom 28. märz 2019 bezeichneten gebiet überein. 39die veränderungssperre ist auch zur sicherung der planung erforderlich. eine veränderungssperre darf nur verhängt werden, wenn die planung einen stand erreicht hat, der ein mindestmaß dessen erkennen lässt, was inhalt des zu erwartenden bebauungsplans sein soll. nur dann kann die veränderungssperre ihren sinn erfüllen, vorhandene planerische ziele zu sichern und deren weitere entwicklung zu ermöglichen. unzulässig ist eine veränderungssperre hingegen, wenn zur zeit ihres erlasses der inhalt der beabsichtigten planung noch in keiner weise abzusehen ist. demgemäß muss im zeitpunkt des erlasses der veränderungssperre über den bloßen aufstellungsbeschluss hinaus eine hinreichende konkretisierung der planungsabsichten vorliegen. wesentlich ist dabei, dass die gemeinde bereits positive vorstellungen über den inhalt des bebauungsplans hat. eine negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne vorhaben auszuschließen, reicht grundsätzlich nicht aus. denn wenn vorstellungen über die angestrebte art der baulichen nutzung der betroffenen grundflächen fehlen, ist der inhalt des zu erwartenden bebauungsplans noch offen. die nachteiligen wirkungen der veränderungssperre wären - auch vor dem hintergrund des art. 14 abs. 1 satz 2 gg - nicht erträglich, wenn sie zur sicherung einer planung dienen sollte, die sich in ihrem inhalt noch in keiner weise absehen lässt. ein mindestmaß an konkreter planerischer vorstellung gehört auch zur konzeption des § 14 baugb. nach seinem absatz 2 satz 1 kann eine ausnahme von der veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche belange nicht entgegenstehen. ob der praktisch wichtigste öffentliche belang, nämlich die vereinbarkeit des vorhabens mit der beabsichtigten planung, beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen vorstellungen der gemeinde nicht noch völlig offen sind. 40bverwg, urteil vom 19. februar 2004 – 4 cn 16/03 –, juris rn. 28. 41grundsätzlich erforderlich, aber auch ausreichend ist nach alledem, dass die gemeinde im zeitpunkt des erlasses einer veränderungssperre zumindest vorstellungen über die art der baulichen nutzung besitzt, sei es, dass sie einen bestimmten baugebietstyp, sei es, dass sie nach den vorschriften des § 9 abs. 1 bis 2a baugb festsetzbare nutzungen ins auge gefasst hat. 42bverwg, urteil vom 9. august 2016 – 4 c 5.15 –, juris rn. 19; ovg nrw, urteil vom 22. november 2021 – 10 d 56/20.ne –, juris rn. 23, und beschluss vom 17. januar 2022 – 7 b 1125/21.ne –, juris rn. 12. 43dabei ist zu berücksichtigen, dass die anforderungen an eine konkretisierung der planung danach variieren, welche art von festsetzungen durch den plan beabsichtigt wird. 44die hier dem planaufstellungsbeschluss zu grunde liegenden vorstellungen der beklagten genügen den an eine positive plankonzeption zu stellenden anforderungen. der plangeber beabsichtigt die aufstellung eines bebauungsplans auf der grundlage des § 9 abs. 2a baugb. § 9 abs. 2a baugb gestattet es, zum schutz außerhalb des plangebiets liegender versorgungsbereiche durch aufstellung eines bebauungsplans in dessen plangebiet lediglich bestimmte nutzungsarten zuzulassen oder auszuschließen, ohne im übrigen eine bestimmung über die sonst möglichen nutzungsarten zu treffen. deren zulässigkeit richtet sich auch weiterhin nach § 34 abs. 1, 2 baugb. damit müssen auch an das mindestmaß der planung, das im rahmen einer veränderungssperre gesichert werden soll, andere maßstäbe angelegt werden. die beantwortung der frage nach dem erforderlichen mindestmaß muss sich an den inhaltlichen anforderungen des § 9 abs. 2a baugb orientieren. demgemäß weisen die vorstellungen, die eine gemeinde sich hinsichtlich eines plans nach § 9 abs. 2a baugb macht, der lediglich negative festsetzungen enthält, naturgemäß eine geringere dichte auf als bei anderen bebauungsplänen. 45vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 16. märz 2012 - 2 b 202/12 – und vom 28. august 2007 – 10 b 1614/07,jeweils juris. 46jedoch ist auch in diesem fall eine positive plankonzeption zu verlangen, um eine veränderungssperre vor dem hintergrund des art. 14 abs. 1 satz 2 gg zu rechtfertigen. 47vgl. zu den anforderungen an positive planungsziele bei einem bebauungsplan nach § 9 abs. 2a baugb ovg nrw, urteil vom 16. april 2021 – 2 d 106/20.ne –; beschlüsse vom 19. märz 2020 – 10 a 2105/19 –, vom 29. august 2013 – 2 b 875/13 –, vom 31. märz 2008 – 10 b 286/08 –, vom 11. februar 2008 – 10 b 1614/07 –; ovg rheinland-pfalz, urteil vom vom 27. januar 2010 – 1 a 10779/09 –; vg h. , beschlüsse vom 1. märz 2011 – 9 l 1229/10 – und vom 28. august 2007 – 6 l 272/07 –, jeweils juris. 48diesen anforderungen werden die planerischen vorstellungen zur aufstellung des bebauungsplans nr. 438 gerecht. ziel der mit dem aufstellungsbeschluss angestoßenen planung ist es, auf grundlage des vom rat beschlossenen fortgeschriebenen einzelhandelskonzepts der beklagten von september 2015 den einzelhandel in die zentralen versorgungsbereiche zu lenken, um diese zu erhalten und zu entwickeln. dies könne – so die beschlussvorlage zur veränderungssperre – nur erreicht werden, wenn einzelhandelsbetriebe mit nahversorgungs- und zentrenrelevanten kernsortimenten an nicht integrierten standorten außerhalb der zentralen versorgungsbereiche unterbunden würden. dem einzelhandelskonzept ist zu entnehmen, dass die wohnungsnahe versorgung in dem fraglichen gebiet von einem solitären nahversorgungsstandort erbracht wird, der sich in einer städtebaulich integrierten lage befindet. zum schutz der vorhandenen versorgungsstrukturen sieht das einzelhandelskonzept im übrigen insgesamt vor, gerade den großflächigen zentren- und nahversorgungsrelevanten einzelhandel auf bestimmte standorte zu beschränken. die zulassung eines großflächigen lebensmittelmarktes im planbereich, der in dem fortgeschriebenen einzelhandelskonzept als nicht integrierter standort identifiziert wird, könnte diesen entwicklungen entgegen wirken. damit ist ein positives planungsziel genannt, das grundsätzlich den anforderungen des § 9 abs. 2a baugb genügt und sich nicht in der verhinderung gerade des klägerischen vorhabens erschöpft. 49ob der geplante ausschluss bestimmter nutzungen im bebauungsplanverfahren zur erhaltung und entwicklung zentraler versorgungsbereiche an anderen stellen des gemeindegebiets zulässig sein wird, muss sich im verlauf des planaufstellungsverfahrens erst noch erweisen. für die einschätzung der rechtmäßigkeit der veränderungssperre muss dies noch nicht geklärt sein. eine quasi vorweggenommene normenkontrolle des künftigen bebauungsplans ist nicht gefordert. 50vgl. ovg nrw, beschluss vom 16. märz 2012 - 2 b 202/12 -, juris. 51die auffassung der klägerin, es sei zur sicherung der planung unverhältnismäßig gewesen, den geltungsbereich der veränderungssperre auf den gesamten geltungsbereich des künftigen bebauungsplans zu erstecken, vermag nicht zu überzeugen. die beklagte hat insofern zutreffend dargelegt, dass es im gesamten künftigen planbereich grundstücke gebe, die einen einzelhandelsbetrieb durch nutzungsänderung ermöglichten oder die es ermöglichten, so wie die klägerin es beabsichtige, ein bestandgebäude zu gunsten eines neuen einzelhandelsbetriebes zu beseitigen. 52die veränderungssperre besteht zum entscheidungserheblichen zeitpunkt der mündlichen verhandlung grundsätzlich noch fort. sie tritt nach ihrem § 6 nach ablauf von zwei jahren, also im april 2022, außer kraft, wenn bis dahin die bauleitplanung noch nicht rechtsverbindlich abgeschlossen ist. auf die zweijahresfrist ist allerdings nach § 17 abs. 1 s. 2 baugb der seit der zustellung der ersten zurückstellung eines baugesuchs nach § 15 abs. 1 baugb abgelaufene zeitraum anzurechnen. diese vorschrift ist nach allgemeiner ansicht auch auf die zurückstellung von bauvoranfragen anwendbar. da der klägerin bereits am 31. mai 2019 ein zurückstellungsbescheid zugestellt worden ist, könnte die geltungsdauer der veränderungssperre ihrem grundstück gegenüber bereits abgelaufen sein. ziel der anrechnungsbestimmung ist indes, dem einzelnen grundstückseigentümer in der summe kein länger anhaltendes bauverbot zuzumuten, als nach art. 14 des grundgesetzes vertretbar. der aus der zurückstellung und der veränderungssperre insgesamt resultierende stillstand soll nicht über das vom gesetzgeber für zumutbar gehaltene maß hinaus ausgedehnt werden. daraus folgt, dass eine veränderungssperre nur gegenüber demjenigen keine wirkung entfaltet, den sie bei berücksichtigung der nach § 17 abs. 1 s. 2 baugb anzurechnenden zeit mit einer zeitlich zu lang ausgedehnten sperre belegen würde, während ihre geltung für andere davon unberührt bleibt. bei der beantwortung der frage, ob das im einzelfall zutrifft, müssen die regelungen in § 17 abs. 1 s. 3 und abs. 2 baugb – ebenfalls individuell – zugunsten der gemeinde in rechnung gestellt werden. ist eine für zwei jahre verhängte veränderungssperre gegenüber einem bestimmten betroffenen infolge der von § 17 abs. 1 s. 2 baugb vorgeschriebenen anrechnung nicht wirksam, so kann sich dieser dennoch nicht darauf berufen, wenn im hinblick auf sein grundstück die voraussetzungen vorliegen, unter denen die sperre nach § 17 abs. 1 s. 3 baugb verlängert werden dürfte. 53so (ohne zwischen „echter“ und „faktischer“ zurückstellung zu differenzieren) bverwg, urteil vom 10. september 1976 – 4 c 39.74 –, njw 1977, 400; vgh b.-w., urteil vom 6. juli 1989 – 10 s 2687/88 –, nvwz-rr 1990; stock, in: ernst/zinkahn/bielenberg/krautzberger, baugesetzbuch, lfg. 133 mai 2019; § 17 rn. 14; rieger, in: schrödter, baugb, 9. aufl. 2019, § 17 rn. 3, und schiller, in: gelzer/ bracher/reidt, bauplanungsrecht, 8. aufl. 2014, rn. 2542; für die faktische zurückstellung auch bverwg, beschluss vom 27. juli 1990 – 4 b 156/89 –, nvwz 1991, 62; ovg nrw, urteil vom 4. juli 1997 – 7 a 3458/93 –, juris; vgh b.-w., urteil vom 10. dezember 1993 – 8 s 994/92 –, upr 1994, 455, und vom 28. oktober 1999 – 5 s 439/98 –, juris; anderer ansicht sennekamp, in: brügelmann, baugesetzbuch, lfg. 82 mai 2012, § 17 rn. 34 ff., und schenke, wiverw 1994, 253 (287, 303 ff.). 54da an dem vorliegen der voraussetzungen für eine verlängerung um ein weiteres jahr nach § 17 abs. 1 s. 3 baugb nicht zu zweifeln ist – insbesondere sind die planungsabsicht und das sicherungsbedürfnis nach wie vor gegeben –, kann die klägerin sich trotz der anrechenbaren zurückstellungszeit noch nicht auf einen ablauf der veränderungssperre berufen. 55die somit wirksame und auch in bezug auf das grundstück der klägerin geltende veränderungssperre steht dem in der bauvoranfrage beschriebenen vorhaben entgegen. denn ein sb-lebensmittelmarkt mit 1.267 qm verkaufsfläche wäre nach der bisherigen planung der beklagten, die nichtzulässigkeit von einzelhandelsbetrieben mit nahversorgungs- und zentrenrelevanten kernsortimenten im plangebiet festzusetzen, unzulässig. 56das bauvorhaben kann auch nicht im wege der ausnahme gemäß § 14 abs. 2 baugb zugelassen werden. die tatbestandlichen voraussetzungen der ausnahme liegen nicht vor. ein vorhaben, das mit dem sicherungszweck der veränderungssperre nicht vereinbar ist, insbesondere der beabsichtigten planung widerspricht oder diese erschwert, darf nämlich auch im wege der ausnahme nicht zugelassen werden; andernfalls könnte die veränderungssperre ihre aufgabe nicht erfüllen. 57bverwg, beschluss vom 9. februar 1989 - 4 b 236/88 -, baur 1989, 432 f. 58ii. 59auch mit dem hilfsantrag hat die klage keinen erfolg. 60die kammer unterstellt zugunsten der klägerin, dass auch dieser antrag zulässig ist. 61seine zulässigkeit ergibt sich allerdings nicht (unmittelbar) aus § 113 abs. 1 s. 4 vwgo. denn die hier geregelte fortsetzungsfeststellungklage ist zwar auch auf verpflichtungsklagen, bei denen sich der geltend gemachte anspruch erledigt hat, (analog) anwendbar. mit der fortsetzungsfeststellungsklage kann aber stets nur die rechtslage im zeitpunkt unmittelbar vor dem erledigenden ereignis festgestellt werden. soll – über den streitgegenstand der bisherigen, erledigten klage hinausgehend – die rechtslage in einem früheren zeitpunkt oder zeitraum zum gegenstand eines feststellungsantrags gemacht werden, so kann dies nur im wege der (allgemeinen) feststellungsklage nach § 43 abs. 1 vwgo geschehen. 62vgl. bverwg, urteile vom 24. januar 1992 – 7 c 24.91 –, bverwge 89, 354 (355 ff.), vom 28. april 1999 – 4 c 4.98 –, bverwge 109, 74 (78 ff.), vom 19. september 2002 – 4 c 13.01 –, bverwge 117, 50 (51) und vom 4. dezember 2014 – 4 c 33.13 –, bverwge 151, 36 (38 f.); ovg nrw, urteile vom 3. mai 2010 – 7 a 2115/08 –, juris (rn. 40 ff.), und vom 22. februar 2017 – 7 a 1397/15 –, juris (rn. 123). 63steht der entsprechende (allgemeine) feststellungsantrag in einem sachlichen zusammenhang mit einem erledigten verpflichtungsbegehren, kann dem kläger allerdings zugutekommen, dass § 113 abs. 1 s. 4 vwgo kraft gesetzgeberischer wertung im vergleich zur isolierten anwendung des § 43 abs. 1 vwgo geringere anforderungen an das rechtsschutzbedürfnis stellt. auch die allgemeine feststellungklage kann in einer solchen konstellation aus prozessökonomischen gründen an den rechtsgedanken des § 113 abs. 1 s. 4 vwgo anknüpfen. 64so bverwg, urteil vom 28. april 1999 – 4 c 4.98 –, bverwge 109, 74 (80); vgh b.-w., urteil vom 27. oktober 2010 – 5 s 875/09 –, juris (rn. 110 ff.). 65dem entsprechend werden nach inkrafttreten einer veränderungssperre oder eines bebauungsplans gestellte anträge auf feststellung, dass in einem früheren zeitraum anspruch auf erteilung einer baugenehmigung oder eines bauvorbescheides bestand, in der rechtsprechung grundsätzlich für zulässig gehalten. 66vgl. nur bverwg, beschluss vom 21. oktober 2004 – 4 b 76.04 –, juris, urteil vom 20. mai 2010 – 4 c 7.09 –, bverwge 137, 74 (78 f.); bayvgh, urteil vom 10. märz 2004 – 26 bv 02.1127 –, juris (rn. 36 ff.). 67im vorliegenden fall kommt allerdings hinzu, dass nicht nur der zeitraum, für den eine entsprechende feststellung begehrt wird, deutlich vor dem zeitpunkt der durch die bekanntmachung der veränderungssperre eingetretenen erledigung des geltend gemachten (haupt-) begehrens liegt, sondern dass dieser zeitpunkt der erledigung auch vor dem des klageeingangs liegt. es stellt sich die frage, ob das hinter der fortsetzungsfeststellungsklage stehende anliegen, dem kläger die früchte des von ihm geführten verwaltungsrechtsstreits zu erhalten, auch in einer solchen konstellation trägt und einer (allgemeinen) feststellungsklage zur zulässigkeit verhilft. für den originären anwendungsbereich des § 113 abs. 1 s. 4 vwgo entspricht es nämlich allgemeiner meinung, dass die absicht, einen amtshaftungsprozess zu führen, kein fortsetzungsfeststellungsinteresse zu begründen vermag, wenn die erledigung bereits vor klageerhebung eingetreten ist, weil in einem solchen fall keine „früchte“ des verwaltungsrechtsstreits zu erhalten sind und die klage ohne weiteres unmittelbar beim zivilgericht anhängig gemacht werden kann. 68vgl. bverwg, urteil vom 20. januar 1989 – 8 c 30.87 –, bverwge 81, 226 (227 f.). 69allerdings hat das bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die vorstehende, zur anfechtungsklage ergangene rechtsprechung auf die verpflichtungsklage auf erteilung eines bauvorbescheides nicht übertragbar sei, 70vgl. bverwg, urteil vom 21. oktober 2004 – 4 b 76.04 –, juris (rn. 2), 71und es finden sich in der tat gründe, eine solche konstellation anders zu beurteilen. steht nämlich bei erhebung der klage als hauptbegehren die verpflichtung der behörde zur erteilung einer baugenehmigung oder eines bauvorbescheides – also der „primärrechtsschutz“ – im raum, so stellt sich das gewählte vorgehen, den amtshaftungsanspruch zunächst nicht beim zivilgericht anhängig zu machen, aus sicht des klägers als prozessökonomisch sinnvoll dar. für den fall, dass er mit dem hauptbegehren unterliegt, möchte er sich zwar die möglichkeit eines schadensersatzprozesses offenhalten; er hat aber (häufig) kein interesse, beide prozesse von vornherein parallel zu führen. hinzu kommt, dass es dem kläger bis zum abschluss des verwaltungsgerichtlichen verfahrens noch nicht möglich ist, den in rede stehenden schaden abschließend zu beziffern. denn vom ausgang des verwaltungsrechtsstreits hängt ab, ob er lediglich ersatz des verzögerungsschadens beanspruchen kann (und in welcher höhe) oder ersatz für den durch eine endgültige ablehnung seines bauwunsches entstehenden schaden. würde er von vornherein (auch) das zivilgericht anrufen, hätte der kläger nicht nur damit zu rechnen, dass er von diesem gericht möglicherweise auf den vorrang des primärrechtsschutzes verwiesen wird, 72vgl. dazu etwa bverwg, urteil vom 11. märz 1993 – 3 c 90.90 –, bverwge 92, 172 (174 f.), 73sondern er müsste davon ausgehen, vor dem zivilgericht zunächst nur eine schadensersatzforderung dem grunde nach einklagen zu können und über die konkrete höhe nach abschluss des verwaltungsgerichtlichen verfahrens erneut prozessieren zu müssen. unter diesen umständen spricht einiges dafür, den rechtsgedanken des § 113 abs. 1 s. 4 vwgo zugunsten des klägers heranzuziehen und einen an die hauptantraglich erhobene verpflichtungsklage hilfsweise anknüpfenden feststellungsantrag für zulässig zu halten. auch der in § 43 abs. 2 vwgo statuierte grundsatz der subsidiarität der allgemeinen feststellungsklage gegenüber der leistungsklage steht der zulässigkeit der klage dann nicht im wege. 74vgl. zur diesbezüglichen einordnung des problems nur sodan, in: nk-vwgo, 5. aufl. 2018, § 43 rn. 96, m.w.n. 75der zulässigkeit der klage lässt sich vorliegend auch nicht entgegenhalten, dass die klägerin ihre absicht, einen schadensersatzprozess zu führen, nicht hinreichend substantiiert hätte. soll die begehrte feststellung der vorbereitung einer zivilrechtlichen klage auf schadensersatz oder entschädigung dienen, so ist das feststellungsinteresse nur zu bejahen, wenn ein solcher prozess bereits anhängig, mit sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte feststellung in diesem verfahren erheblich und die rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist. insoweit bedarf es hinreichender darlegungen seitens des die feststellung begehrenden klägers. hierzu gehört insbesondere, dass er die behauptung eines eingetretenen schadens durch angaben zur art des schadens und zur annähernden schadenshöhe substantiiert. 76vgl. etwa ovg nrw, urteile vom 29. november 2016 – 10 a 55/15 –, juris (rn. 29) und vom 25. februar 2019 – 10 a 2557/16 –, juris (rn. 162) m.w.n. 77diesen anforderungen ist die klägerin durch ihren schriftsatz vom 13. januar 2022 und die ergänzenden ausführungen in der mündlichen verhandlung gerecht geworden. dass die schadenshöhe bislang nicht konkret beziffert worden ist, hält die kammer für unschädlich; für die entsprechenden (aufwendigen) berechnungen besteht derzeit noch kein anlass. 78entgegen der auffassung der beklagten lässt sich das feststellungsinteresse auch nicht deshalb negieren, weil die bauvoranfrage vorliegend einen begrenzten umfang hatte. es trifft zu, dass der klägerin nur dann ein schaden entstanden sein kann, wenn sie bei erteilung eines positiven bauvorbescheides ihr vorhaben hätte umsetzen können. richtig ist ferner, dass die erteilung der baugenehmigung von weiteren voraussetzungen – namentlich von der in § 34 abs. 3 baugb statuierten – abhängig gewesen wäre. dass in einem sich anschließenden zivilrechtsstreit diese weiteren voraussetzungen von der klägerin belegt werden müssten, ändert aber nichts daran, dass mit der feststellung, dass die beklagte in dem fraglichen zeitraum einen positiven bauvorbescheid hätte erteilen müssen, ein wesentlicher baustein der schadensersatz- bzw. entschädigungsforderung rechtskräftig festgestellt würde. 79der hilfsantrag ist indes unbegründet. 80die klägerin hatte in dem fraglichen zeitraum (25. bis 30. mai 2019) keinen anspruch auf erteilung des beantragten bauvorbescheides. dessen erteilung stand nämlich schon das an den aufstellungsbeschluss des rates vom 28. märz 2019 anknüpfende schreiben des referats stadtplanung der beklagten an das referat bauordnung vom 12. april 2019 entgegen, mit dem die zurückstellung der bauvoranfrage der klägerin beantragt worden war. 81wird eine veränderungssperre nicht beschlossen, obwohl die voraussetzungen gegeben sind oder ist eine beschlossene veränderungssperre noch nicht in kraft getreten, hat die baugenehmigungsbehörde gemäß § 15 abs. 1 baugb auf antrag der gemeinde die entscheidung über die zulässigkeit von vorhaben im einzelfall für einen zeitraum von bis zu zwölf monaten auszusetzten, wenn zu befürchten ist, dass die durchführung der planung durch das vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. die regelung dient der sicherung des den gemeinden zustehenden rechts auf eine ihren vorstellungen entsprechende bauleitplanung und schützt damit die – im kern verfassungskräftige – gemeindliche planungshoheit. 82vgl. nur bverwg, urteil vom 26. märz 2015 – 4 c 1.14 –, juris (rn. 11). 83die bauaufsichtsbehörde ist, wenn die voraussetzungen des § 15 baugb vorliegen, an den antrag der gemeinde gebunden. erteilt sie entgegen einem entsprechenden antrag die gewünschte baugenehmigung oder den gewünschten bauvorbescheid, ist diese entscheidung rechtswidrig und die gemeinde kann kraft ihrer planungshoheit ihre aufhebung verlangen. 84vgl. nur hessvgh, beschluss vom 10. juli 2009 – 4 b 426/09 –, juris; hornmann, in: beckok baugb, stand: august 2021, § 15 rn. 24; stock, in: ernst/zinkahn/bielenberg/krautzberger, baugb, kommentar, stand: august 2021, § 15 rn. 104. 85es entspricht allgemeiner ansicht, dass es des in § 15 abs. 1 baugb als formelle voraussetzung der zurückstellung benannten antrags der gemeinde nicht bedarf, wenn diese – wie hier – selbst baugenehmigungsbehörde ist. 86vgl. nur ovg nrw, beschluss vom 17. märz 2006 – 8 b 1920/05 –, nvwz-rr 2006, 597 (598); ndsovg, beschluss vom 28. märz 2017 – 1 me 7/17 –, juris; rieger, in: schrödter, baugb, 9. aufl. 2019, § 15 rn. 9; széchényi, in: jäde/dirnberger, baugb, 9. aufl. 2018, § 15 rn. 12. 87auch in diesem falle besteht allerdings ein bedürfnis nach der mit dem antragsrecht der gemeinde erstrebten sicherung der gemeindlichen planungshoheit. in der literatur wird daher die auffassung vertreten, die planungshoheit müsse bei identität von gemeinde und baugenehmigungsbehörde durch sinnfällige gemeindeinterne regelungen gewahrt werden, etwa in form eines „quasi-antragsrechts“, welches das planungsamt der gemeinde wahrnehme und an dessen ausübung die bauaufsichtsbehörde ebenso gebunden sei, als sei sie keine behörde der betreffenden gemeinde. 88so stock, in: ernst/zinkahn/bielenberg/krautzberger, baugb, kommentar, stand: august 2021, § 15 rn. 36, und offenbar auch sennekamp, in: brügelmann, baugb, kommentar, stand: juli 2021, § 15 rn. 33. 89dem schließt die kammer sich an. denn eine solche verfahrensweise entspricht sinn und zweck des § 15 baugb und ist geeignet, den verfassungskräftigen rechten der gemeinde zur durchsetzung zu verhelfen. zu bedenken ist nämlich, dass die gemeinde als bauaufsichtsbehörde untere staatliche verwaltungsbehörde ist (§ 57 abs. 1 bauo nrw 2018). als solche erfüllt sie eine „pflichtaufgabe zur erfüllung nach weisung“ (§ 58 abs. 1 bauo nrw 2018 i.v.m. § 12 ordnungsbehördengesetz nrw) und ist der sonderaufsicht der übergeordneten behörden unterworfen, die durch allgemeine und besondere weisungen einfluss auf die verwaltungstätigkeit nehmen können (§ 9 ordnungsbehördengesetz nrw). 90vgl. z.b. ovg nrw, urteil vom 14. januar 1992 – 10 a 111/88 –, juris (rn. 33); vg köln, urteil vom 8. september 2021 – 23 k 7046/18 –, juris (rn. 57 ff.). 91gegenüber dieser funktion als unterer staatlicher verwaltungsbehörde ist die stellung der gemeinde als trägerin der planungshoheit, die gemäß § 2 abs. 1 baugb in eigener verantwortung über die bauleitplanung zu entscheiden hat, notwendigerweise verselbständigt. die annahme eines „quasi-antragsrechts“ in dem dargelegten sinne und einer entsprechenden bindungswirkung zugunsten der planenden gemeinde trägt dieser unterscheidung rechnung und schafft die möglichkeit, die verantwortungssphären sauber gegeneinander abzugrenzen. begehrt die gemeinde als trägerin der bauleitplanung die zurückstellung eines bauantrages oder einer bauvoranfrage, darf die (mit ihr formal identische) untere bauaufsichtsbehörde dieses begehren nicht ignorieren und auch eine weisung, die baugenehmigung oder den vorbescheid trotz des entgegenstehenden willens der gemeinde zu erteilen, darf nicht ergehen. allenfalls können die übergeordneten behörden kommunalaufsichtliche maßnahmen ergreifen, um die bindung der bauaufsichtsbehörde an den „quasi-antrag“ der gemeinde entfallen zu lassen, wenn sie diesen für rechtswidrig halten. 92so ausdrücklich stock, in: ernst/zinkahn/bielenberg/ krautzberger, baugb, kommentar, stand: august 2021, § 15 rn. 41d. 93der annahme einer bindungswirkung „innerhalb der gemeinde“ lässt sich auch nicht entgegen halten, dass der bürger nach einem entsprechenden „quasi-antrag“ einer schlichten untätigkeit der bauaufsichtsbehörde schutzlos ausgeliefert ist. denn wenn diese behörde nicht zeitnah einen zurückstellungsbescheid erlässt, ist – abgesehen von der möglichkeit der untätigkeitsklage nach § 75 vwgo – die zeit, die nach ablauf einer angemessenen frist ab entscheidungsreife vergeht, als „faktische zurückstellung“ auf die maximale dauer einer zurückstellung (und einer sich anschließenden veränderungssperre) anzurechnen. 94vgl. nur ndsovg, beschluss vom 28. märz 2017 – 1 me 7/17 –, juris (rn. 42). 95vorliegend hat der rat der beklagten – wie oben bereits aufgezeigt – bereits am 28. märz 2019 die aufstellung eines entsprechenden bebauungsplans beschlossen; der aufstellungsbeschluss ist am 12. april 2019 ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. mit der beschlussfassung hat der rat der beklagten sich erkennbar auch den vorschlag der verwaltung zu eigen gemacht, die streitgegenständliche bauvoranfrage zurückzustellen. denn in der einschlägigen ratsvorlage heißt es (auf seite 4), um auf die eingegangene bauvoranfrage das instrument der zurückstellung anwenden zu können, sei ein aufstellungsbeschluss dringend erforderlich. das schreiben des fachbereichs stadtplanung an das bauaufsichtsamt vom 12. april 2019, mit dem die zurückstellung für den zeitraum eines jahres beantragt wird, setzt somit einen entsprechenden willen des rates um. darin ist ein „quasi-antrag“ in dem oben genannten sinne zu sehen, an den die bauaufsichtsbehörde gebunden war. ein positiver bauvorbescheid durfte daher im fraglichen zeitraum nicht erteilt werden. 96nach alledem braucht die kammer nicht zu entscheiden, ob die behörde sich in dem betreffenden zeitraum bereits eine unangemessene verzögerung der bearbeitung der voranfrage vorwerfen lassen muss und ob die materiell-rechtlichen voraussetzungen für die erteilung des begehrten vorbescheides vorlagen. 97iii. 98die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 99die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 711 zpo. 100rechtsmittelbelehrung: 101gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 1021. ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 1032. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 1043. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 1054. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 1065. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 107die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 108auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 109im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo. | Verklagte*r | 0 |
335,096 | 18 K 1297/19 | 2021-01-28T00:00:00 | Urteil | Tenor Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Es wird festgestellt, dass die beschränkende Verfügung unter Ziffer B.1 des Bescheides des beklagten Landes vom 7. Februar 2019 rechtswidrig war. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu ¾ und das beklagte Land zu ¼. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin meldete am 2. Februar 2019 beim Polizeipräsidium X. per Mail für den 9. Februar 2019 eine Versammlung unter freiem Himmel mit ca. 100 bis 150 Teilnehmern in der Stadt X. an. Der Aufzug sollte um 11.00 Uhr mit einer 45 - 60 Minuten dauernden Auftaktkundgebung an der F.----straße beginnen; nach einer Zwischenkundgebung um 14.00 Uhr beim E. H. sollte die Veranstaltung um 16.00 Uhr mit einer Abschlusskundgebung am Alten S. enden. Als Leiter der Versammlung wurden die Klägerin sowie Herr T. benannt. Das Thema lautete: „Gegen die Totalisolationshaft und Folterung Abdullah Öcalans“. Ein aus E1. kommender Demonstrationszug sollte sich der Versammlung anschließen. Durch das „Kurdisch Demokratische Gesellschaftszentrum E1. “ war ein dreitägiger Marsch (7. bis 9. Februar 2019) zum Thema „Solidaritätsaktion mit der politischen Gefangenen und HDP-Politikern, die in der Türkei gegen die Isolationshaft von Kurdenpolitiker Abdullah Öcalan in Hungerstreik angetreten haben“ mit 100 bis 150 Teilnehmern angemeldet worden. 3Am 6. Februar 2019 fand ein Kooperationsgespräch zwischen der Klägerin und dem Polizeipräsidium X. statt, bei dem die Klägerin unter anderem auf geplante Auflagen und Beschränkungen hingewiesen wurde. 4Mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom 7. Februar 2019 bestätigte das Polizeipräsidium X. die Versammlungsanmeldung und gab unter A. - soweit im vorliegenden Verfahren zunächst streitgegenständlich - folgende „Hinweise“: 5A.4: „Hinsichtlich der Verwendung akustischer Hilfsmittel während der Aufzüge ist zu gewährleisten, dass notwendige Durchsagen und Anweisungen des Versammlungsleiters jederzeit alle Versammlungsteilnehmer erreichen können. Weiterhin ist die Lärmbelästigung Dritter auf ein Minimum zu reduzieren. Hierbei darf nach der sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BImSchG ein Wert von 90 dB(A) nicht überschritten werden. Zudem ist drauf zu achten, dass keine Dauerbeschallung erfolgt.“ 6A.7: „Die Versammlungsteilnehmer/-innen dürfen keine Flaggen, Abzeichen, Transparente, Handzettel, Bilder oder sonstige optische Gegenstände mit sich führen oder verteilen, die im Zusammenhang mit der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK, deren Nebenorganisationen und deren Nachfolgeorganisationen stehen oder in Verbindung zu bringen sind. Außerdem dürfen sie keine Verlautbarungen machen, wie z.B. „Ich bin PKK“, „Es lebe PKK“ und „PKK ist das Volk und das Volk ist hier“.“ 7Unter Punkt B. erließ das Polizeipräsidium X. eine „Beschränkende Verfügung“ in Bezug auf die Versammlung Es wurde unter anderem - soweit vorliegend streitgegenständlich - Folgendes angeordnet: 8B.1: „Transparent- oder Fahnenstangen dürfen eine Länge von 2,5 Meter und einen Durchmesser von 3 Zentimetern nicht überschreiten. Zudem dürfen Sie nicht aus Metall, Hartholz oder sonstigen bruchfesten Materialien gefertigt sein.“ 9B.2: „Die Versammlungsteilnehmer/-innen dürfen keine Flaggen, Abzeichen, Transparente, Handzettel oder sonstigen Gegenstände öffentlich zeigen oder verteilen, die mit dem Abbild Abdullah Öcalans versehen sind.“ 10Zur Begründung in Bezug auf die Verfügung zu Ziffer B.1 führte das Polizeipräsidium im Wesentlichen aus: Zusammenstöße mit nationalistisch gesinnten Personen türkischer Abstammung könnten nicht ausgeschlossen werden. Das Zeigen der türkischen Fahne, des sogenannten „Wolfsgrußes“ oder „Türkye“-Rufe am Rande der Versammlung könnten ausreichen, um die Versammlungsteilnehmer derart zu emotionalisieren, dass sie gegen „Störer von außen“ gewalttätig vorgingen. Es sei zu befürchten, dass bei den genannten Konfrontationen die Transparent- und Fahnenstangen als Schlag- und Stoßwerkzeuge eigesetzt würden. Hinsichtlich der Verfügung zu Ziffer B.2 machte das Polizeipräsidium geltend: Jedwede Verwendung des Abbildes des PKK-Anführers Abdullah Öcalan erfülle den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes scheide nur in Ausnahmefällen aus, nämlich wenn die Verwendung offenkundig nicht dem Schutzzweck des Gesetzes zuwiderlaufe oder die Verwendung sozialadäquaten Zwecken diene. Diese Ausnahmen griffen aufgrund der Vorkommnisse bei den Versammlungen vom 9. November 2018, 5. Januar 2019, 26. Januar 2019 und 6. Februar 2019 nicht ein. 11Die Klägerin hat am 14. Februar 2019 Klage gegen die o.g. Ziffern des Bescheides erhoben. 12Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: 13Hintergrund der Versammlung sei die Tatsache, dass Abdullah Öcalan sich seit nunmehr 18 Jahren auf der Insel Imrali in Haft befinde, davon 10 Jahre in totaler Isolationshaft. Die Folgen von Isolationshaft auf die Gesundheit seien drastisch. Daher sei die Sorge um den Gesundheitszustand und vor allem das Leben Abdullah Öcalans groß. Ab dem 7. November 2018 habe daher M. H1. einen Hungerstreik begonnen, dem sich zahlreiche Personen angeschlossen hätten. Die durch den Beklagten vorgenommenen Beschränkungen seien rechts- und verfassungswidrig. Die Auflagen widersprächen der grundlegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Versammlungsfreiheit. 14Entgegen des Wortlautes des angegriffenen Bescheids stellten die „Hinweise“ aus den Ziffern A.1-17 teilweise rechtswidrige beschränkende Verfügungen nach § 15 Abs. 1 VersG dar. In der Ziffer A.7 werde nicht bloß auf die allgemeine Gesetzeslage verwiesen, sondern es würden konkret-individuelle Regelungen getroffen, die das Recht aus Art. 8 GG unbegründet einschränkten. So werde der „Hinweis“ gegeben, dass eine Verwendung der in der Anlage 1 zum Bescheid bezeichneten Flaggen einen Verstoß gegen das Kennzeichenverbot aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 VereinsG darstelle. Auf Seite 5 dieser Anlage fänden sich sog. „PKK-Ablegerparteien“, darunter die PYD, YPG und YPJ. Es werde also behauptet, dass die genannten Parteien Teilorganisationen nach § 4 Abs. 3 VereinsG bzw. Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG seien. Das sei sachlich falsch. Die PYD, die YPG und die YPJ unterlägen in Deutschland und anderen europäischen Ländern keinem Betätigungsverbot und seien unabhängig von der PKK. 15Durch die Verfügung unter Ziffer B.1 werde das Recht der Teilnehmer beschnitten, selbst zu entscheiden, welche Art von Versammlungsmaterial sie für geeignet hielten, um ihren Protest kundzutun. Die Behörde mache türkische Nationalisten als potenzielle Störer aus. Grundsätzlich hätten sich polizeiliche Maßnahmen gegen diese zu richten und nicht gegen die Inhaber des Versammlungsrechts aus Art. 8 GG. Zudem würden bloße Vermutungen vorgebracht, die den Bereich des Hypothetischen nicht verließen. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sei deshalb nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen. 16Die beschränkende Verfügung unter Ziffer B.2 sei ebenfalls rechtswidrig. Das Zeigen eines Öcalan-Bildes sei grundsätzlich erlaubt, wenn kein Bezug zur PKK hergestellt werde. Das sei bei der Veranstaltung zum Thema „Totalisolationshaft und Folterung Abdullah Öcalans“ der Fall. Aus dem Thematisieren des Mordens Erdogans, der Demokratie in Deutschland, des Verhaltens der Polizei, der Untätigkeit der BRD sowie der USA ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine PKK-nahe Ausgestaltung einer Demonstration. Die Rechtsansicht des Beklagten, die Verwendung von Öcalan-Bildern könne nur dann legal sein, wenn sich die Meinungsäußerung streng an das Versammlungsthema halte und keine Themenerweiterung stattfinde, sei falsch und aus demokratischer Sicht höchst bedenklich. Denn damit würde es dem Staat ermöglicht zu entscheiden, was unter ein Versammlungsthema falle und was nicht; es könne in die Freiheit der Versammlung in einer Weise hineinregiert werden, die mit Gefahrenabwehr nichts mehr zu tun habe. Bei der Kundgebung am 9. November 2018 sei die kurdische Frage thematisiert worden, da die Isolationshaft natürlich mit der kurdischen Herkunft Öcalans zu tun habe. Werbung für die PKK könne höchstens in einzelnen Rufen festgestellt worden sein. Die Versammlung am 5. Januar 2019 habe ebenso keinen Bezug zur PKK gehabt. Es sei verfassungswidrig, dass dort Transparente untersagt worden seien, die die türkische Invasion in kurdische Gebiete thematisiere. Mit einem Werben für die PKK habe das jedenfalls nichts zu tun. Auch die Thematisierung des kurdischen Freiheitskampfes und dessen Opfer könne nicht Grundlage eines Verbots für das Zeigen von Bildern Öcalans sein. Soweit der Bescheid behaupte, es seien der Hungerstreik der HDP-Abgeordneten H1. , die Folter der Kurden, das Verbot der kurdischen Sprache und die Situation in Nordsyrien thematisiert worden, könne dies dem Verlaufsbericht der Polizei nicht entnommen werden. Im Übrigen ergäben sich aus diesen Themen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Zeigen von Bildnissen Öcalans als Propaganda für eine verbotene Vereinigung angesehen werden könne. Soweit auf die Kundgebung vom 26. Januar 2019 Bezug genommen werde, sei anzumerken, dass die YPJ/YPG eigenständige Organisationen seien, die in Deutschland weder verboten seien, noch international auf Terrorlisten geführt würden. Sie seien formal und inhaltlich unabhängig von der PKK und keine Nebenorganisationen nach § 8 Abs. 2 VereinsG. Ein Bezug zur PKK lasse sich durch das Zeigen ihrer Flaggen somit nicht herstellen. Ebenfalls mit Bezug auf die Kundgebung am 26. Januar 2019 bringe der Beklagte vor, dass dort „Apo Öcalan“ skandiert worden sei und dass diese Sprechchöre Öcalan als Führer der PKK bezeichnet hätten. Dies sei falsch, denn „Apo“ sei lediglich die Kurzform von Abdullah. Ein Bezug zur PKK sei nicht festzustellen. Schließlich werde vorgebracht, dass bei der Demonstration am 6. Februar 2019 entgegen der Auflage ein Transparent von Öcalan gezeigt worden sei. Aus dem Bescheid gehe nicht hervor, dass der Verstoß gegen die Auflage im Verschulden der Klägerin gelegen habe. Insgesamt sei nicht zu erkennen, inwieweit das Zeigen eines Bildnisses von Öcalan einen Verstoß gegen § 15 Abs. 1 VersG darstelle. Es sei weder von der Versammlungsleiterin in den vergangenen Versammlungen ein Bezug zur PKK hergestellt worden, noch habe die Behörde dargetan, warum ein solcher Bezug am 9. Februar 2019 zu erwarten gewesen sei. Es sei zudem nicht begründet worden, inwieweit PKK-Bekundungen Einzelner dazu geeignet seien, die Kundgebung als Ganzes in PKK-Bezug zu rücken. 17Nachdem die Klägerin zunächst beantragt hatte, 18festzustellen, dass die beschränkenden Verfügungen Ziffer A.4 sowie A.7 sowie die Ziffern B.1 sowie B.2 rechtswidrig waren, 19beantragt sie nunmehr unter Rücknahme der Klage im Übrigen, 20festzustellen, dass die beschränkenden Verfügungen Ziffer A.7 sowie die Ziffern B.1 sowie B.2 rechtswidrig waren. 21Das beklagte Land beantragt, 22die Klage abzuweisen. 23Zur Begründung macht es im Wesentlichen geltend: 24Bei den Hinweisen in den Ziffern A.1-17 handele es sich lediglich um Hinweise und keine beschränkenden Verfügungen. Bei den in der Anlage 1 zur Anmeldebestätigung gezeigten Symbolen handele es sich um generell verbotene Kennzeichen sowie um erlaubte Kennzeichen, die erst verboten seien, wenn ein Bezug zur PKK hergestellt werde. Des Öfteren sei im Verlauf vergangener Kundgebungen durch Skandieren und Huldigung der Person Öcalans, Zeigen verbotener Symboliken sowie durch Ausrufen zur PKK selbstständig der Bezug zur PKK durch die Versammlungsteilnehmer hergestellt worden. Auf das Verbot dieses Handelns weise Ziffer A.7 hin. 25Unter der beschränkenden Verfügung zu B.1 werde lediglich präventiv die Beschaffenheit und Größe der Hilfsmittel reglementiert. Das Selbstbestimmungsrecht der Klägerin werde dadurch nicht über Gebühr eingeschränkt, da kein Verbot von Hilfsmitteln geregelt werde. Durch die Bestimmung der Materialbeschaffenheit könne im Falle einer möglichen Störung bzw. Eskalation von außen eine Verletzungsgefahr sowohl für die Versammlungsteilnehmer wie auch für die Einsatzkräfte verringert werden. 26Betreffend Ziffer B.2 erfülle jedwede Verwendung eines Abbildes des PKK-Führers Abdullah Öcalan den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG. Eine Verwirklichung des Tatbestandes scheide nur in Ausnahmefällen aus, wenn die Verwendung offenkundig nicht dem Schutzzweck des Gesetzes zuwiderlaufe oder die Verwendung sozialadäquaten Zwecken diene; dies sei insbesondere der Fall, wenn eine Veranstaltung ausschließlich das persönliche Schicksal des Betroffenen zum Gegenstand habe und von der Öffentlichkeit nicht als allgemeine Werbung für die PKK verstanden werden könne. Dazu sei erforderlich, dass sich die Meinungsäußerung streng an das Versammlungsthema halte und keine Themenerweiterung stattfinde. Dies sei in vergangenen Versammlungen, die durch die Klägerin durchgeführt worden seien, mehrmals nicht eingehalten worden. Der Vortrag der Klägerin, dass sich bei Verstößen gegen Auflagen Maßnahmen ausschließlich gegen mögliche Störer zu richten hätten, entbinde sie gem. §§ 7 Abs. 1 u. 2, 8 und 11 VersG nicht von ihrer Verantwortung als Versammlungsleiterin. 27Mit Prozesskostenhilfebeschluss vom 21. Oktober 2020 hat das Gericht der Klägerin Prozesskostenhilfe insoweit gewährt, als es sich um die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Hinweises unter Ziffer A.7 und der beschränkenden Verfügung unter Ziffer B.1 handelt. 28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Polizeipräsidiums X. Bezug genommen. 29Entscheidungsgründe: 30Das Gericht konnte im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO). 31Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, war das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. 32Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (I.); im Übrigen war sie abzuweisen (II.a und b). 33I. 34Die als Fortsetzungsfeststellungsklage im Hinblick auf die beschränkende Verfügung unter Ziffer B.1 statthafte Klage ist auch im Übrigen zulässig und begründet. 35In versammlungsrechtlichen Verfahren sind die für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage geltenden Anforderungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG anzuwenden. Allerdings begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Dieses besteht dann, wenn eine Wiederholungsgefahr oder ein Rehabilitierungsinteresse besteht oder wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, 36vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, juris, Rn. 36; OVG NRW, Beschluss vom 21. September 2016 - 15 A 1955/15 -, Seite 3 des Entscheidungsabdrucks (nicht veröffentlicht). 37Unter dem letzteren Gesichtspunkt ist aufgrund der Bedeutung der Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG in einer Demokratie die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes stets geboten, wenn die Grundrechtsausübung durch ein Versammlungsverbot tatsächlich unterbunden oder die Versammlung aufgelöst worden ist. Derartige Eingriffe sind die schwerste mögliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit, weshalb es keiner Klärung bedarf, ob eine fortwirkende Beeinträchtigung im grundrechtlich geschützten Bereich gegeben ist. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens ist jedoch ebenso zu bejahen, wenn die Versammlung zwar durchgeführt werden konnte, dies aber infolge von behördlichen Auflagen gemäß § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz (VersG) nur in einer Weise, die ihren spezifischen Charakter verändert, insbesondere die Verwirklichung ihres kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert hat. Abzulehnen ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse demgegenüber dann, wenn die Abweichungen bloße Modalitäten der Versammlungsdurchführung betroffen haben, 38vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, juris, Rn. 37 f.; OVG NRW, Beschluss vom 21. September 2016 - 15 A 1955/15 -, Seite 5 des Entscheidungsabdrucks (nicht veröffentlicht). 39Nach diesen Grundsätzen kann hier ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin aufgrund der Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG angenommen werden. Zwar stand die versammlungsbehördliche Auflage unter Ziffer B.1 der Verfügung vom 7. Februar 2019 der Durchführung der angemeldeten Versammlung nicht entgegen. Sie beeinträchtigte jedoch die Verwirklichung des kommunikativen Anliegens der Versammlung, indem nur Transparent- und Fahnenstangen in der vorgegebenen Größe zugelassen waren. 40Die Klage betreffend Ziffer B.1 ist auch begründet. 41Die dort verfügte Auflage ist rechtswidrig gewesen. Sie ließ sich nicht auf § 15 Abs. 1 VersG stützen. Gemäß § 15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht, 42vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 -, juris, Rn. 77. 43Das Erfordernis einer unmittelbaren Gefährdung setzt eine Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Interessen führt, 44std. Rspr., vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 2019 - 15 B 1406/19 -, juris, Rn. 11. 45Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde, 46vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris, Rn. 17 u. vom 12. Mai 2010 - 1 BvR 2636/04 -, juris, Rn. 17, OVG NRW, Beschluss vom 9. Oktober 2020 -15 B 1528/20 - (nicht veröffentlicht). 47Unter Berücksichtigung der Bedeutung des Grundrechtsschutzes des Art. 8 GG darf die Behörde bei dem Erlass von vorbeugenden Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Ist die versammlungsbehördliche Auflage auf eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit gestützt, erfordert die von der Behörde und den befassten Gerichten angestellte Gefahrenprognose daher tatsächliche Anhaltspunkte, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen nicht aus. Gibt es neben Anhaltspunkten für die Gefahrenprognose auch Gegenindizien, haben sich die Behörde und die Gerichte auch mit diesen auseinanderzusetzen und dabei den Schutz der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG hinreichend zu berücksichtigen, 48vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Juni 2019 - 15 B 771/19 -, juris, Rn. 7 ff.; Beschluss vom 3. November 2017 - 15 B 1371/17 -, juris, Rn. 7 ff., jew. m.w.N. 49Soweit versammlungsrechtliche Beschränkungen mit dem Inhalt der während der Versammlung erwarteten Meinungsäußerungen begründet werden, ist auch die insofern maßgebliche besondere Gewährleistung der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 GG zu berücksichtigen, 50vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 2019 - 15 B 1406/19 -, juris, Rn. 12; Beschluss vom 3. November 2017 - 15 B 1371/17 -, juris, Rn. 26, m.w.N. 51Nach diesen Maßstäben lagen die Voraussetzungen für den Erlass der beschränkenden Verfügung unter Ziffer B.1 der Verfügung vom 7. Februar 2019 nicht vor. Es fehlt an einer den genannten Anforderungen des § 15 VersG genügenden Darlegung des Vorliegens einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Das Mitführen der in Ziffer B.1 bezeichneten Transparent- oder Fahnenstangen kann nicht allein wegen der allgemeinen Möglichkeit des Missbrauchs untersagt oder reglementiert werden. Es bedarf vielmehr konkreter und nachvollziehbarer tatsächlicher Anhaltspunkte dafür, dass das Mitführen gerade dieser Stangen die öffentliche Sicherheit und Ordnung während der konkret beabsichtigten Versammlung unmittelbar gefährdet. Die hierfür genannten Tatsachen gehen über die allgemeine Vermutung, die in Rede stehenden Stangen könnten geeignet sein, bei Konfrontationen als Schlag- oder Stoßwerkzeuge eingesetzt zu werden, nicht hinaus. Der Beklagte benennt auch keine konkreten Vorfälle, die sich in der Vergangenheit in vergleichbaren (Versammlungs-) Situationen ereignet haben. Allein die vom Beklagten erwarteten Zusammenstöße mit nationalistisch gesinnten Personen türkischer Abstammung und einer daraus resultierenden Emotionalisierung der Versammlungsteilnehmer lassen entsprechende Rückschlüsse nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu. 52Die weitergehende Klage hat keinen Erfolg. 53II.a 54Hinsichtlich des Hinweises unter Ziffer A.7 ist die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 7. Februar 2019 bereits unzulässig. Dabei bedarf keiner Vertiefung, ob es sich um eine Fortsetzungsfeststellungsklage oder eine Feststellungsklage handelt, d.h. ob der „Hinweis“ eine Regelung enthält. Denn die Voraussetzungen für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bzw. ein Feststellungsinteresse sind im Wesentlichen gleich, 55vgl. BayVGH, Beschluss vom 10. Januar 2020 - 10 B 19.2363 - , juris, Rn. 17. 56In versammlungsrechtlichen Verfahren sind die für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses bei einer (Fortsetzungs-)Feststellungsklage geltenden Anforderungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG anzuwenden. Nach den oben dargelegten Grundsätzen kann bezüglich des Hinweises unter Ziffer A.7 ein (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse der Klägerin aufgrund der Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG nicht angenommen werden. Aus der gewählten Formulierung ergibt sich, dass es sich um eine keinen Grundrechtseingriff darstellende Maßnahme handelt, sondern um einen bloßen Hinweis auf die allgemeine Rechtslage. Die allgemeine Verhaltensanweisung zielt nicht auf eine auf erkennbaren Umständen beruhende konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Das ergibt sich ohne weiteres hinsichtlich Satz 1 des Hinweises, der lediglich einen Sachverhalt wiedergibt. Bei dem 2. bis 5. Absatz unter Ziffer A.7 handelt es sich um einen bloßen Hinweis auf den Straftatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG und das darin geregelte Kennzeichenverbot und zwar ohne eine konkretisierende Subsumtion, etwa im Hinblick auf Bilder Abdullah Öcalans. Soweit im 6. Absatz die Symbole in Bezug genommen werden, die in der mit der Verfügung übersandten Anlage 1 aufgelistet sind, handelt es sich um einen Hinweis darauf, dass das Bundesministerium des Innern diese Symbole nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse dem Kennzeichenverbot in Nr. 9 der Verbotsverfügung der PKK zugeordnet hat. Das Bundesministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 2. März 2017 die Liste von Symbolen aktualisiert, ohne damit ein Verbot von Vereinigungen auszusprechen, 57vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 11 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, Bundestagsdrucksache 18/12025. 58Bei dem letzten Satz in Ziffer A.7, wonach die Klägerin „die Versammlungsbeteiligten bereits vor dem Beginn der Versammlung aufzufordern“ hat, „diese Symbolik nicht zu zeigen“, handelt es sich lediglich um eine Erläuterung des zuvor Gesagten bzw. um einen Hinweis auf ihre Pflichten als Versammlungsleiterin aus § 19 VersG. 59II.b 60Hinsichtlich der beschränkenden Verfügung in Ziffer B.2 ist die zulässige Klage unbegründet. 61Aus den unter I. dargestellten Grundsätzen kann auch hier ein Fortsetzungs- feststellungsinteresse der Klägerin aufgrund der Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG angenommen werden. 62Rechtsgrundlage der verfügten Regelung ist § 15 Abs. 1 VersG. Nach den oben dargelegten Maßstäben lagen die Voraussetzungen für den Erlass der Auflage unter Ziffer B.2 der Verfügung vom 7. Februar 2019 vor. Das Polizeipräsidium X. hat zu Recht angenommen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten stand, dass im Rahmen der streitgegenständlichen Versammlung am 9. Februar 2019 Bildnisse des Abdullah Öcalan gezeigt würden und die Verwendung dieser Abbilder den Straftatbestand des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG erfüllt hätte. Insbesondere ist die damit verbundene Einschätzung, dass das Bildnis Abdullah Öcalans bei der betreffenden Versammlung als Kennzeichen der verbotenen Vereinigung „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) anzusehen gewesen wäre, gerechtfertigt. Insoweit wurde die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) durch Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22. November 1993 gemäß § 18 Satz 2 VereinsG unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung verboten. Das Betätigungsverbot ist seit dem 26. März 1994 bestandskräftig. 63Kennzeichen im Sinne des Vereinsgesetzes sind Organisationsmittel, die durch ihren Symbolwert auf den Vereinszweck hinweisen, den Zusammenhalt der Mitglieder stärken und die Vereinigung von anderen Organisationen unterscheiden. Zu ihnen zählen insbesondere Symbole oder Erkennungszeichen, deren sich die betreffenden Vereinigungen bedienen oder bedient haben, um propagandistisch auf ihre politischen Ziele hinzuweisen. Dabei erfüllt ein Symbol oder Erkennungszeichen den Begriff des Kennzeichens im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG, wenn es von der Organisation in der beschriebenen Weise eingesetzt wird und eine Identifikationswirkung entfaltet. Diese Wirkung wird in der Regel aufgrund einer häufigeren Verwendung und durch einen eindeutigen sachlichen oder personellen Bezug zur Organisation erzielt. Im Ergebnis ist ein Kennzeichen dadurch geprägt, dass es allgemein und losgelöst von einem einzelnen konkreten Kommunikationszusammenhang als allgemeines Symbol für eine Organisation erkannt und wiedererkannt wird und aufgrund dieser allgemeinen Kenntlichkeit der betreffenden Vereinigung zugeordnet wird, 64vgl. OVG Bremen, Urteil vom 25. Oktober 2005 - 1 A 144/05 -, juris, Rn. 22 (z.T. m.w.N.); VG München, Beschluss vom 16. Februar 2018 - M 13 S 18.743 -, juris, Rn. 24. 65Auch Bildnisse politischer Persönlichkeiten sind grundsätzlich geeignet, als Kennzeichen für Vereinigungen im Sinne des Vereinsgesetzes zu fungieren. Dies gilt (weiterhin) für Bildnisse Abdullah Öcalans, 66vgl. OVG Bremen, Urteil vom 25. Oktober 2005 - 1 A 144/05 -, juris, Rn. 24; OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2017 - 15 B 1371/17 -, juris, Rn. 28; VG München, Beschluss vom 16. Februar 2018 - M 13 S 18.743 -, juris, Rn. 26, VG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Mai 2019 - 18 L 1374/19 -, juris, Rn. 21; Urteil vom 19. Februar 2020 - 18 K 17619/17 -, juris, Rn. 47 ff.; 67Die Verwendung der in Ziffer B.2 der beschränkenden Verfügung genannten Gegenstände mit dem Abbild Abdullah Öcalans war betreffend die Versammlung am 9. Februar 2019 auch nicht ausnahmsweise nach § 20 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG erlaubt. Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG lässt die Verwendung von Kennzeichen im Rahmen der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen und ähnlicher Zwecke zu. Sie gestattet damit das Verwenden im Grundsatz verbotener Kennzeichen zu „sozialadäquaten“ Zwecken. Die Vorschrift lässt die Verwendung des Kennzeichens auch für Zwecke zu, die den ersten beiden – hier nicht in Betracht kommenden – Tatbestandsmerkmalen „ähnlich“ sind. Das Kennzeichen darf danach über die enge Zweckrichtung hinaus auch für Zwecke der Kunst, der Wissenschaft, der Forschung und Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens und der Geschichte verwendet werden. Die Vorschrift ist insoweit mit Blick auf die grundrechtlichen Freiheiten weit auszulegen, 68vgl. OVG Bremen, Urteil vom 25. Oktober 2005 - 1 A 144/05 -, juris, Rn. 28 ff. 69Bei Meinungsäußerungen, die erkennbar keinen Zusammenhang zum Organisationsbereich der betroffenen Vereinigung oder deren Wirken aufweisen, kann die Verwendung von Öcalan-Bildern deshalb im Einzelfall „sozialadäquat“ sein. Bei Veranstaltungen und Versammlungen, die ohne Zusammenhang zu PKK-nahen Aktivitäten allein die persönliche Situation des Gefangenen Öcalan zum Gegenstand der öffentlichen Meinungsbildung machen und von der Öffentlichkeit nicht als allgemeine Werbung für die PKK verstanden werden, ist es daher nicht in jedem Fall verboten, Bilder seiner Person zu zeigen, 70vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2017 - 15 B 1371/17 -, juris, Rn. 31, Beschluss vom 9. Oktober 2020 - 15 B 1528/20 -, juris Rn. 18; VG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Mai 2019 - 18 L 1374/19 - juris, Rn. 21; 71Insoweit spielt auch das Versammlungsthema eine zentrale Rolle. Gemessen daran ist vorliegend davon auszugehen, dass es sich bei der Verwendung der in der Auflage Ziffer B.2 in Bezug genommenen konkreten Gegenstände trotz des auf die Haftbedingungen des Menschen Öcalan ausgerichteten Versammlungsthemas „Gegen die Totalisolationshaft und Folterung Abudallah Öcalans“ nicht um einen sozialadäquaten Gebrauch im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG handelt. Der Beklagte hat konkrete Anhaltspunkte für die Gefahr vorgebracht, dass die Veranstaltung entgegen dem angemeldeten Motto ein Gepräge aufweisen werde, in deren Kontext sich die Verwendung eines Öcalan-Abbildes nicht mehr als ausnahmsweise erlaubt darstellen würde. So hat er im Bescheid im Einzelnen aufgelistet, welche Vorkommnisse bei den Versammlungen am 9. November 2018 (Thema: „Gesundheitszustand von Herrn Abdullah Öcalan“), 5. Januar 2019 (Thema: „Gesundheitszustand Abdullah Öcalans“), 26. Januar 2019 (Thema: „Gesundheitszustand Abdullah Öcalan“) und 6. Februar 2019 (Thema: „Die Gesundheit Abdullah Öcalans, M. H1. und alle Gefangenen, die sich im Hungerstreik befinden“) Grund zu dieser Annahme gaben. Bei all diesen Veranstaltungen wurden trotz des eingeschränkten Versammlungsthemas Betätigungen vorgenommen und Äußerungen gemacht, die im Zusammenhang mit dem Organisationsbereich der PKK oder deren Wirken standen und damit einen unzulässigen Bezug zur PKK herstellten. Zwar trifft das Vorbringen der Klägerin zu, dass die Thematisierung des kurdischen Freiheitskampfes, der türkischen Invasion in kurdische Gebiete, der Folter der Kurden und des Verbotes der kurdischen Sprache usw. nicht grundsätzlich Anhaltspunkte für einen PKK-Bezug bieten. Etwas anderes gilt aber vorliegend, da die genannten Versammlungen in der Vergangenheit durch die bei den Reden gewählten Themen bzw. durch die Verwendung von Symbolen zu Themen außerhalb des Versammlungsthemas eindeutig ein Gepräge erhalten hatten, in dessen Kontext sich die Verwendung eines Öcalan-Bildes nicht mehr ausnahmsweise als erlaubt dargestellt hat. So hatte auf der Versammlung vom 9. November 2018 keiner der Redebeiträge den Gesundheitszustand Öcalans zum Thema, sondern alle Redner/-innen befassten sich mit Themen völlig außerhalb des Versammlungsthemas (z. B. Demokratie in Deutschland, Verhalten der Polizei, Unterstützung der Türkei durch die USA), thematisierten den untrennbar mit der PKK verbundenen kurdischen Freiheitskampf („keiner schafft es, die Kurden zu vernichten, alle werden kämpfen, solange es möglich ist“) oder sprachen direkt PKK-Themen an (z. B. Antiterroreinheit der USA gegen drei Funktionäre der PKK, Errungenschaften der PKK gegen den IS). Weiterhin wurde ein Plakat mit dem Abbild kurdischer Freiheitskämpfer gezeigt und es erfolgten mehrfach PKK-Rufe durch die Teilnehmer. Bei der Versammlung am 5. Januar 2019 sollte ein Flyer verteilt werden, der Bezüge von Öcalan zum kurdischen Freiheitskampf und der PKK enthielt. Es sollten zudem Flaggen mit Bildnissen dreier in Paris getöteter kurdischer Aktivistinnen gezeigt werden, von denen eine ein Gründungsmitglied der PKK war, sodass damit ein direkter Bezug zur PKK hergestellt wurde. Die Redebeiträge erfolgten ebenfalls nicht zu dem angemeldeten Versammlungsthema, sondern thematisierten erneut den kurdischen Freiheitskampf und dessen Opfer. Zwar trifft es – wie die Klägerin vorträgt – zu, dass die Biographie Öcalans untrennbar mit letzterem Thema verbunden ist. Ist dieses Thema aber wie hier Gegenstand einer Versammlung zum Thema Gesundheitszustand Abdullah Öcalans, ändert sich deren Gepräge dergestalt, dass sich in ihrem Kontext die Verwendung eines Abbildes Öcalans nicht mehr als ausnahmsweise erlaubt darstellt. Gleiches gilt für die Versammlung am 26. Januar 2019, bei der Flaggen zum kurdischen Freiheitskampf und Flaggen mit Bildnissen der genannten drei getöteten kurdischen Aktivistinnen gezeigt werden sollten. Bei keiner der genannten Versammlungen ließ die Gesamtausrichtung eine strikte Trennung des angemeldeten Themas von den allgemeinen Zielen der PKK erkennen. Es gab weder Redebeiträge noch wurden Symbole benutzt, die sich direkt auf die persönliche Situation und den Gesundheitszustand Öcalans bezogen. Vielmehr verfolgten die Versammlungen ein allgemeinpolitisches Anliegen, das auch implizite Kritik am Verbot der PKK umfasste. Alle genannten Versammlungen waren auch geeignet, eine entsprechende Prognose für die streitgegenständliche Versammlung am 9. Februar 2019 zu begründen. Denn neben dem Thema war auch der Teilnehmerkreis ähnlich und die Klägerin hat auch an den anderen Versammlungen als Verantwortliche (teils als Anmelderin, teils als Vertreterin des Anmelders) fungiert. Insoweit wird auf die ausführlichen Darlegungen im Bescheid des Beklagten Bezug genommen. 72Das in der Auflage Ziffer B.2 enthaltene Verbot, mit dem Abbild von Abdullah Öcalan versehene Flaggen, Abzeichen, Transparente, Handzettel oder sonstige Gegenstände zu zeigen oder zu verteilen, war schließlich auch nicht unverhältnismäßig. Denn mildere, zur Vermeidung der prognostizierten Verstöße gegen die Rechtsordnung ebenso geeignete Mittel standen dem Beklagten nicht zur Verfügung. 73Die Kostenentscheidung folgt für den zurückgenommenen Teil der Klage aus § 155 Abs. 2 VwGO und im Übrigen – entsprechend dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten – aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 74Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 75Rechtsmittelbelehrung: 76Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 77Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden. 78Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. 79Die Berufung ist nur zuzulassen, 801. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 812. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 823. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 834. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 845. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 85Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. 86Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. 87Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 88Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 89Beschluss: 90Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt. 91Gründe: 92Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 2 GKG. 93Rechtsmittelbelehrung: 94Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. 95Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 96Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 97Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 98Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 99War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. | soweit die klage zurückgenommen worden ist, wird das verfahren eingestellt. es wird festgestellt, dass die beschränkende verfügung unter ziffer b.1 des bescheides des beklagten landes vom 7. februar 2019 rechtswidrig war. im übrigen wird die klage abgewiesen. die kosten des verfahrens tragen die klägerin zu ¾ und das beklagte land zu ¼. die kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. der jeweilige vollstreckungsschuldner kann die vollstreckung gegen sicherheitsleistung in höhe des jeweils beizutreibenden betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige vollstreckungsgläubiger vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leistet. 1 | 2die klägerin meldete am 2. februar 2019 beim polizeipräsidium x. per mail für den 9. februar 2019 eine versammlung unter freiem himmel mit ca. 100 bis 150 teilnehmern in der stadt x. an. der aufzug sollte um 11.00 uhr mit einer 45 - 60 minuten dauernden auftaktkundgebung an der f.----straße beginnen; nach einer zwischenkundgebung um 14.00 uhr beim e. h. sollte die veranstaltung um 16.00 uhr mit einer abschlusskundgebung am alten s. enden. als leiter der versammlung wurden die klägerin sowie herr t. benannt. das thema lautete: „gegen die totalisolationshaft und folterung abdullah öcalans“. ein aus e1. kommender demonstrationszug sollte sich der versammlung anschließen. durch das „kurdisch demokratische gesellschaftszentrum e1. “ war ein dreitägiger marsch (7. bis 9. februar 2019) zum thema „solidaritätsaktion mit der politischen gefangenen und hdp-politikern, die in der türkei gegen die isolationshaft von kurdenpolitiker abdullah öcalan in hungerstreik angetreten haben“ mit 100 bis 150 teilnehmern angemeldet worden. 3am 6. februar 2019 fand ein kooperationsgespräch zwischen der klägerin und dem polizeipräsidium x. statt, bei dem die klägerin unter anderem auf geplante auflagen und beschränkungen hingewiesen wurde. 4mit an die klägerin gerichtetem schreiben vom 7. februar 2019 bestätigte das polizeipräsidium x. die versammlungsanmeldung und gab unter a. - soweit im vorliegenden verfahren zunächst streitgegenständlich - folgende „hinweise“: 5a.4: „hinsichtlich der verwendung akustischer hilfsmittel während der aufzüge ist zu gewährleisten, dass notwendige durchsagen und anweisungen des versammlungsleiters jederzeit alle versammlungsteilnehmer erreichen können. weiterhin ist die lärmbelästigung dritter auf ein minimum zu reduzieren. hierbei darf nach der sechsten allgemeinen verwaltungsvorschrift zum bimschg ein wert von 90 db(a) nicht überschritten werden. zudem ist drauf zu achten, dass keine dauerbeschallung erfolgt.“ 6a.7: „die versammlungsteilnehmer/-innen dürfen keine flaggen, abzeichen, transparente, handzettel, bilder oder sonstige optische gegenstände mit sich führen oder verteilen, die im zusammenhang mit der verbotenen kurdischen arbeiterpartei pkk, deren nebenorganisationen und deren nachfolgeorganisationen stehen oder in verbindung zu bringen sind. außerdem dürfen sie keine verlautbarungen machen, wie z.b. „ich bin pkk“, „es lebe pkk“ und „pkk ist das volk und das volk ist hier“.“ 7unter punkt b. erließ das polizeipräsidium x. eine „beschränkende verfügung“ in bezug auf die versammlung es wurde unter anderem - soweit vorliegend streitgegenständlich - folgendes angeordnet: 8b.1: „transparent- oder fahnenstangen dürfen eine länge von 2,5 meter und einen durchmesser von 3 zentimetern nicht überschreiten. zudem dürfen sie nicht aus metall, hartholz oder sonstigen bruchfesten materialien gefertigt sein.“ 9b.2: „die versammlungsteilnehmer/-innen dürfen keine flaggen, abzeichen, transparente, handzettel oder sonstigen gegenstände öffentlich zeigen oder verteilen, die mit dem abbild abdullah öcalans versehen sind.“ 10zur begründung in bezug auf die verfügung zu ziffer b.1 führte das polizeipräsidium im wesentlichen aus: zusammenstöße mit nationalistisch gesinnten personen türkischer abstammung könnten nicht ausgeschlossen werden. das zeigen der türkischen fahne, des sogenannten „wolfsgrußes“ oder „türkye“-rufe am rande der versammlung könnten ausreichen, um die versammlungsteilnehmer derart zu emotionalisieren, dass sie gegen „störer von außen“ gewalttätig vorgingen. es sei zu befürchten, dass bei den genannten konfrontationen die transparent- und fahnenstangen als schlag- und stoßwerkzeuge eigesetzt würden. hinsichtlich der verfügung zu ziffer b.2 machte das polizeipräsidium geltend: jedwede verwendung des abbildes des pkk-anführers abdullah öcalan erfülle den tatbestand des § 20 abs. 1 nr. 5 vereinsg. die verwirklichung dieses tatbestandes scheide nur in ausnahmefällen aus, nämlich wenn die verwendung offenkundig nicht dem schutzzweck des gesetzes zuwiderlaufe oder die verwendung sozialadäquaten zwecken diene. diese ausnahmen griffen aufgrund der vorkommnisse bei den versammlungen vom 9. november 2018, 5. januar 2019, 26. januar 2019 und 6. februar 2019 nicht ein. 11die klägerin hat am 14. februar 2019 klage gegen die o.g. ziffern des bescheides erhoben. 12zur begründung trägt sie im wesentlichen vor: 13hintergrund der versammlung sei die tatsache, dass abdullah öcalan sich seit nunmehr 18 jahren auf der insel imrali in haft befinde, davon 10 jahre in totaler isolationshaft. die folgen von isolationshaft auf die gesundheit seien drastisch. daher sei die sorge um den gesundheitszustand und vor allem das leben abdullah öcalans groß. ab dem 7. november 2018 habe daher m. h1. einen hungerstreik begonnen, dem sich zahlreiche personen angeschlossen hätten. die durch den beklagten vorgenommenen beschränkungen seien rechts- und verfassungswidrig. die auflagen widersprächen der grundlegenden rechtsprechung des bundesverfassungsgerichts zur versammlungsfreiheit. 14entgegen des wortlautes des angegriffenen bescheids stellten die „hinweise“ aus den ziffern a.1-17 teilweise rechtswidrige beschränkende verfügungen nach § 15 abs. 1 versg dar. in der ziffer a.7 werde nicht bloß auf die allgemeine gesetzeslage verwiesen, sondern es würden konkret-individuelle regelungen getroffen, die das recht aus art. 8 gg unbegründet einschränkten. so werde der „hinweis“ gegeben, dass eine verwendung der in der anlage 1 zum bescheid bezeichneten flaggen einen verstoß gegen das kennzeichenverbot aus § 9 abs. 1 nr. 1 vereinsg darstelle. auf seite 5 dieser anlage fänden sich sog. „pkk-ablegerparteien“, darunter die pyd, ypg und ypj. es werde also behauptet, dass die genannten parteien teilorganisationen nach § 4 abs. 3 vereinsg bzw. ersatzorganisationen nach § 8 vereinsg seien. das sei sachlich falsch. die pyd, die ypg und die ypj unterlägen in deutschland und anderen europäischen ländern keinem betätigungsverbot und seien unabhängig von der pkk. 15durch die verfügung unter ziffer b.1 werde das recht der teilnehmer beschnitten, selbst zu entscheiden, welche art von versammlungsmaterial sie für geeignet hielten, um ihren protest kundzutun. die behörde mache türkische nationalisten als potenzielle störer aus. grundsätzlich hätten sich polizeiliche maßnahmen gegen diese zu richten und nicht gegen die inhaber des versammlungsrechts aus art. 8 gg. zudem würden bloße vermutungen vorgebracht, die den bereich des hypothetischen nicht verließen. eine gefährdung der öffentlichen sicherheit sei deshalb nicht mit hoher wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen. 16die beschränkende verfügung unter ziffer b.2 sei ebenfalls rechtswidrig. das zeigen eines öcalan-bildes sei grundsätzlich erlaubt, wenn kein bezug zur pkk hergestellt werde. das sei bei der veranstaltung zum thema „totalisolationshaft und folterung abdullah öcalans“ der fall. aus dem thematisieren des mordens erdogans, der demokratie in deutschland, des verhaltens der polizei, der untätigkeit der brd sowie der usa ergäben sich keine anhaltspunkte für eine pkk-nahe ausgestaltung einer demonstration. die rechtsansicht des beklagten, die verwendung von öcalan-bildern könne nur dann legal sein, wenn sich die meinungsäußerung streng an das versammlungsthema halte und keine themenerweiterung stattfinde, sei falsch und aus demokratischer sicht höchst bedenklich. denn damit würde es dem staat ermöglicht zu entscheiden, was unter ein versammlungsthema falle und was nicht; es könne in die freiheit der versammlung in einer weise hineinregiert werden, die mit gefahrenabwehr nichts mehr zu tun habe. bei der kundgebung am 9. november 2018 sei die kurdische frage thematisiert worden, da die isolationshaft natürlich mit der kurdischen herkunft öcalans zu tun habe. werbung für die pkk könne höchstens in einzelnen rufen festgestellt worden sein. die versammlung am 5. januar 2019 habe ebenso keinen bezug zur pkk gehabt. es sei verfassungswidrig, dass dort transparente untersagt worden seien, die die türkische invasion in kurdische gebiete thematisiere. mit einem werben für die pkk habe das jedenfalls nichts zu tun. auch die thematisierung des kurdischen freiheitskampfes und dessen opfer könne nicht grundlage eines verbots für das zeigen von bildern öcalans sein. soweit der bescheid behaupte, es seien der hungerstreik der hdp-abgeordneten h1. , die folter der kurden, das verbot der kurdischen sprache und die situation in nordsyrien thematisiert worden, könne dies dem verlaufsbericht der polizei nicht entnommen werden. im übrigen ergäben sich aus diesen themen keine anhaltspunkte dafür, dass das zeigen von bildnissen öcalans als propaganda für eine verbotene vereinigung angesehen werden könne. soweit auf die kundgebung vom 26. januar 2019 bezug genommen werde, sei anzumerken, dass die ypj/ypg eigenständige organisationen seien, die in deutschland weder verboten seien, noch international auf terrorlisten geführt würden. sie seien formal und inhaltlich unabhängig von der pkk und keine nebenorganisationen nach § 8 abs. 2 vereinsg. ein bezug zur pkk lasse sich durch das zeigen ihrer flaggen somit nicht herstellen. ebenfalls mit bezug auf die kundgebung am 26. januar 2019 bringe der beklagte vor, dass dort „apo öcalan“ skandiert worden sei und dass diese sprechchöre öcalan als führer der pkk bezeichnet hätten. dies sei falsch, denn „apo“ sei lediglich die kurzform von abdullah. ein bezug zur pkk sei nicht festzustellen. schließlich werde vorgebracht, dass bei der demonstration am 6. februar 2019 entgegen der auflage ein transparent von öcalan gezeigt worden sei. aus dem bescheid gehe nicht hervor, dass der verstoß gegen die auflage im verschulden der klägerin gelegen habe. insgesamt sei nicht zu erkennen, inwieweit das zeigen eines bildnisses von öcalan einen verstoß gegen § 15 abs. 1 versg darstelle. es sei weder von der versammlungsleiterin in den vergangenen versammlungen ein bezug zur pkk hergestellt worden, noch habe die behörde dargetan, warum ein solcher bezug am 9. februar 2019 zu erwarten gewesen sei. es sei zudem nicht begründet worden, inwieweit pkk-bekundungen einzelner dazu geeignet seien, die kundgebung als ganzes in pkk-bezug zu rücken. 17nachdem die klägerin zunächst beantragt hatte, 18festzustellen, dass die beschränkenden verfügungen ziffer a.4 sowie a.7 sowie die ziffern b.1 sowie b.2 rechtswidrig waren, 19beantragt sie nunmehr unter rücknahme der klage im übrigen, 20festzustellen, dass die beschränkenden verfügungen ziffer a.7 sowie die ziffern b.1 sowie b.2 rechtswidrig waren. 21das beklagte land beantragt, 22die klage abzuweisen. 23zur begründung macht es im wesentlichen geltend: 24bei den hinweisen in den ziffern a.1-17 handele es sich lediglich um hinweise und keine beschränkenden verfügungen. bei den in der anlage 1 zur anmeldebestätigung gezeigten symbolen handele es sich um generell verbotene kennzeichen sowie um erlaubte kennzeichen, die erst verboten seien, wenn ein bezug zur pkk hergestellt werde. des öfteren sei im verlauf vergangener kundgebungen durch skandieren und huldigung der person öcalans, zeigen verbotener symboliken sowie durch ausrufen zur pkk selbstständig der bezug zur pkk durch die versammlungsteilnehmer hergestellt worden. auf das verbot dieses handelns weise ziffer a.7 hin. 25unter der beschränkenden verfügung zu b.1 werde lediglich präventiv die beschaffenheit und größe der hilfsmittel reglementiert. das selbstbestimmungsrecht der klägerin werde dadurch nicht über gebühr eingeschränkt, da kein verbot von hilfsmitteln geregelt werde. durch die bestimmung der materialbeschaffenheit könne im falle einer möglichen störung bzw. eskalation von außen eine verletzungsgefahr sowohl für die versammlungsteilnehmer wie auch für die einsatzkräfte verringert werden. 26betreffend ziffer b.2 erfülle jedwede verwendung eines abbildes des pkk-führers abdullah öcalan den tatbestand des § 20 abs. 1 nr. 5 vereinsg. eine verwirklichung des tatbestandes scheide nur in ausnahmefällen aus, wenn die verwendung offenkundig nicht dem schutzzweck des gesetzes zuwiderlaufe oder die verwendung sozialadäquaten zwecken diene; dies sei insbesondere der fall, wenn eine veranstaltung ausschließlich das persönliche schicksal des betroffenen zum gegenstand habe und von der öffentlichkeit nicht als allgemeine werbung für die pkk verstanden werden könne. dazu sei erforderlich, dass sich die meinungsäußerung streng an das versammlungsthema halte und keine themenerweiterung stattfinde. dies sei in vergangenen versammlungen, die durch die klägerin durchgeführt worden seien, mehrmals nicht eingehalten worden. der vortrag der klägerin, dass sich bei verstößen gegen auflagen maßnahmen ausschließlich gegen mögliche störer zu richten hätten, entbinde sie gem. §§ 7 abs. 1 u. 2, 8 und 11 versg nicht von ihrer verantwortung als versammlungsleiterin. 27mit prozesskostenhilfebeschluss vom 21. oktober 2020 hat das gericht der klägerin prozesskostenhilfe insoweit gewährt, als es sich um die feststellung der rechtswidrigkeit des hinweises unter ziffer a.7 und der beschränkenden verfügung unter ziffer b.1 handelt. 28wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird ergänzend auf den inhalt der gerichtsakte sowie der verwaltungsvorgänge des polizeipräsidiums x. bezug genommen. 29 | 30das gericht konnte im einverständnis mit den beteiligten ohne mündliche verhandlung entscheiden (§ 101 abs. 2 vwgo). 31soweit die klägerin die klage zurückgenommen hat, war das verfahren gem. § 92 abs. 3 vwgo einzustellen. 32die klage hat in dem aus dem tenor ersichtlichen umfang erfolg (i.); im übrigen war sie abzuweisen (ii.a und b). 33i. 34die als fortsetzungsfeststellungsklage im hinblick auf die beschränkende verfügung unter ziffer b.1 statthafte klage ist auch im übrigen zulässig und begründet. 35in versammlungsrechtlichen verfahren sind die für die beurteilung des rechtsschutzinteresses bei einer fortsetzungsfeststellungsklage geltenden anforderungen unter berücksichtigung der besonderheiten der versammlungsfreiheit aus art. 8 abs. 1 gg anzuwenden. allerdings begründet nicht jeder eingriff in die versammlungsfreiheit ein fortsetzungsfeststellungsinteresse. dieses besteht dann, wenn eine wiederholungsgefahr oder ein rehabilitierungsinteresse besteht oder wenn die angegriffene maßnahme die versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, 36vgl. bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 - 1 bvr 461/03 -, juris, rn. 36; ovg nrw, beschluss vom 21. september 2016 - 15 a 1955/15 -, seite 3 des entscheidungsabdrucks (nicht veröffentlicht). 37unter dem letzteren gesichtspunkt ist aufgrund der bedeutung der versammlungsfreiheit des art. 8 abs. 1 gg in einer demokratie die möglichkeit nachträglichen rechtsschutzes stets geboten, wenn die grundrechtsausübung durch ein versammlungsverbot tatsächlich unterbunden oder die versammlung aufgelöst worden ist. derartige eingriffe sind die schwerste mögliche beeinträchtigung der versammlungsfreiheit, weshalb es keiner klärung bedarf, ob eine fortwirkende beeinträchtigung im grundrechtlich geschützten bereich gegeben ist. ein fortsetzungsfeststellungsinteresse hinsichtlich des hauptsacheverfahrens ist jedoch ebenso zu bejahen, wenn die versammlung zwar durchgeführt werden konnte, dies aber infolge von behördlichen auflagen gemäß § 15 abs. 1 versammlungsgesetz (versg) nur in einer weise, die ihren spezifischen charakter verändert, insbesondere die verwirklichung ihres kommunikativen anliegens wesentlich erschwert hat. abzulehnen ist ein fortsetzungsfeststellungsinteresse demgegenüber dann, wenn die abweichungen bloße modalitäten der versammlungsdurchführung betroffen haben, 38vgl. bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 - 1 bvr 461/03 -, juris, rn. 37 f.; ovg nrw, beschluss vom 21. september 2016 - 15 a 1955/15 -, seite 5 des entscheidungsabdrucks (nicht veröffentlicht). 39nach diesen grundsätzen kann hier ein fortsetzungsfeststellungsinteresse der klägerin aufgrund der beeinträchtigung der versammlungsfreiheit aus art. 8 abs. 1 gg angenommen werden. zwar stand die versammlungsbehördliche auflage unter ziffer b.1 der verfügung vom 7. februar 2019 der durchführung der angemeldeten versammlung nicht entgegen. sie beeinträchtigte jedoch die verwirklichung des kommunikativen anliegens der versammlung, indem nur transparent- und fahnenstangen in der vorgegebenen größe zugelassen waren. 40die klage betreffend ziffer b.1 ist auch begründet. 41die dort verfügte auflage ist rechtswidrig gewesen. sie ließ sich nicht auf § 15 abs. 1 versg stützen. gemäß § 15 abs. 1 versg kann die zuständige behörde die versammlung oder den aufzug verbieten oder von bestimmten auflagen abhängig machen, wenn nach den zur zeit des erlasses der verfügung erkennbaren umständen die öffentliche sicherheit oder ordnung bei durchführung der versammlung oder des aufzuges unmittelbar gefährdet ist. der begriff der öffentlichen sicherheit umfasst den schutz zentraler rechtsgüter wie leben, gesundheit, freiheit, ehre, eigentum und vermögen des einzelnen sowie die unversehrtheit der rechtsordnung und der staatlichen einrichtungen, wobei in der regel eine gefährdung der öffentlichen sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare verletzung dieser schutzgüter droht, 42vgl. bverfg, beschluss vom 14. mai 1985 - 1 bvr 233/81 -, juris, rn. 77. 43das erfordernis einer unmittelbaren gefährdung setzt eine sachlage voraus, die bei ungehindertem geschehensablauf mit hoher wahrscheinlichkeit zu einem schaden für die der versammlungsfreiheit entgegenstehenden interessen führt, 44std. rspr., vgl. etwa ovg nrw, beschluss vom 21. oktober 2019 - 15 b 1406/19 -, juris, rn. 11. 45die darlegungs- und beweislast für das vorliegen von gründen für eine auflage liegt grundsätzlich bei der behörde, 46vgl. bverfg, beschlüsse vom 20. dezember 2012 - 1 bvr 2794/10 -, juris, rn. 17 u. vom 12. mai 2010 - 1 bvr 2636/04 -, juris, rn. 17, ovg nrw, beschluss vom 9. oktober 2020 -15 b 1528/20 - (nicht veröffentlicht). 47unter berücksichtigung der bedeutung des grundrechtsschutzes des art. 8 gg darf die behörde bei dem erlass von vorbeugenden verfügungen keine zu geringen anforderungen an die gefahrenprognose stellen. ist die versammlungsbehördliche auflage auf eine unmittelbare gefahr für die öffentliche sicherheit gestützt, erfordert die von der behörde und den befassten gerichten angestellte gefahrenprognose daher tatsächliche anhaltspunkte, die bei verständiger würdigung eine hinreichende wahrscheinlichkeit des gefahreneintritts ergeben. bloße verdachtsmomente oder vermutungen reichen nicht aus. gibt es neben anhaltspunkten für die gefahrenprognose auch gegenindizien, haben sich die behörde und die gerichte auch mit diesen auseinanderzusetzen und dabei den schutz der versammlungsfreiheit aus art. 8 gg hinreichend zu berücksichtigen, 48vgl. ovg nrw, beschluss vom 17. juni 2019 - 15 b 771/19 -, juris, rn. 7 ff.; beschluss vom 3. november 2017 - 15 b 1371/17 -, juris, rn. 7 ff., jew. m.w.n. 49soweit versammlungsrechtliche beschränkungen mit dem inhalt der während der versammlung erwarteten meinungsäußerungen begründet werden, ist auch die insofern maßgebliche besondere gewährleistung der meinungsfreiheit aus art. 5 abs. 1 satz 1 hs. 1 gg zu berücksichtigen, 50vgl. ovg nrw, beschluss vom 21. oktober 2019 - 15 b 1406/19 -, juris, rn. 12; beschluss vom 3. november 2017 - 15 b 1371/17 -, juris, rn. 26, m.w.n. 51nach diesen maßstäben lagen die voraussetzungen für den erlass der beschränkenden verfügung unter ziffer b.1 der verfügung vom 7. februar 2019 nicht vor. es fehlt an einer den genannten anforderungen des § 15 versg genügenden darlegung des vorliegens einer konkreten gefahr für die öffentliche sicherheit oder ordnung. das mitführen der in ziffer b.1 bezeichneten transparent- oder fahnenstangen kann nicht allein wegen der allgemeinen möglichkeit des missbrauchs untersagt oder reglementiert werden. es bedarf vielmehr konkreter und nachvollziehbarer tatsächlicher anhaltspunkte dafür, dass das mitführen gerade dieser stangen die öffentliche sicherheit und ordnung während der konkret beabsichtigten versammlung unmittelbar gefährdet. die hierfür genannten tatsachen gehen über die allgemeine vermutung, die in rede stehenden stangen könnten geeignet sein, bei konfrontationen als schlag- oder stoßwerkzeuge eingesetzt zu werden, nicht hinaus. der beklagte benennt auch keine konkreten vorfälle, die sich in der vergangenheit in vergleichbaren (versammlungs-) situationen ereignet haben. allein die vom beklagten erwarteten zusammenstöße mit nationalistisch gesinnten personen türkischer abstammung und einer daraus resultierenden emotionalisierung der versammlungsteilnehmer lassen entsprechende rückschlüsse nicht mit hoher wahrscheinlichkeit zu. 52die weitergehende klage hat keinen erfolg. 53ii.a 54hinsichtlich des hinweises unter ziffer a.7 ist die klage gegen den bescheid des beklagten vom 7. februar 2019 bereits unzulässig. dabei bedarf keiner vertiefung, ob es sich um eine fortsetzungsfeststellungsklage oder eine feststellungsklage handelt, d.h. ob der „hinweis“ eine regelung enthält. denn die voraussetzungen für ein fortsetzungsfeststellungsinteresse bzw. ein feststellungsinteresse sind im wesentlichen gleich, 55vgl. bayvgh, beschluss vom 10. januar 2020 - 10 b 19.2363 - , juris, rn. 17. 56in versammlungsrechtlichen verfahren sind die für die beurteilung des rechtsschutzinteresses bei einer (fortsetzungs-)feststellungsklage geltenden anforderungen unter berücksichtigung der besonderheiten der versammlungsfreiheit aus art. 8 abs. 1 gg anzuwenden. nach den oben dargelegten grundsätzen kann bezüglich des hinweises unter ziffer a.7 ein (fortsetzungs-)feststellungsinteresse der klägerin aufgrund der beeinträchtigung der versammlungsfreiheit aus art. 8 abs. 1 gg nicht angenommen werden. aus der gewählten formulierung ergibt sich, dass es sich um eine keinen grundrechtseingriff darstellende maßnahme handelt, sondern um einen bloßen hinweis auf die allgemeine rechtslage. die allgemeine verhaltensanweisung zielt nicht auf eine auf erkennbaren umständen beruhende konkrete gefahr für die öffentliche sicherheit und ordnung. das ergibt sich ohne weiteres hinsichtlich satz 1 des hinweises, der lediglich einen sachverhalt wiedergibt. bei dem 2. bis 5. absatz unter ziffer a.7 handelt es sich um einen bloßen hinweis auf den straftatbestand des § 20 abs. 1 nr. 5 vereinsg und das darin geregelte kennzeichenverbot und zwar ohne eine konkretisierende subsumtion, etwa im hinblick auf bilder abdullah öcalans. soweit im 6. absatz die symbole in bezug genommen werden, die in der mit der verfügung übersandten anlage 1 aufgelistet sind, handelt es sich um einen hinweis darauf, dass das bundesministerium des innern diese symbole nach dem gesamtbild der tatsächlichen verhältnisse dem kennzeichenverbot in nr. 9 der verbotsverfügung der pkk zugeordnet hat. das bundesministerium des innern hat mit rundschreiben vom 2. märz 2017 die liste von symbolen aktualisiert, ohne damit ein verbot von vereinigungen auszusprechen, 57vgl. antwort der bundesregierung zu frage 11 auf die kleine anfrage der fraktion die linke, bundestagsdrucksache 18/12025. 58bei dem letzten satz in ziffer a.7, wonach die klägerin „die versammlungsbeteiligten bereits vor dem beginn der versammlung aufzufordern“ hat, „diese symbolik nicht zu zeigen“, handelt es sich lediglich um eine erläuterung des zuvor gesagten bzw. um einen hinweis auf ihre pflichten als versammlungsleiterin aus § 19 versg. 59ii.b 60hinsichtlich der beschränkenden verfügung in ziffer b.2 ist die zulässige klage unbegründet. 61aus den unter i. dargestellten grundsätzen kann auch hier ein fortsetzungs- feststellungsinteresse der klägerin aufgrund der beeinträchtigung der versammlungsfreiheit aus art. 8 abs. 1 gg angenommen werden. 62rechtsgrundlage der verfügten regelung ist § 15 abs. 1 versg. nach den oben dargelegten maßstäben lagen die voraussetzungen für den erlass der auflage unter ziffer b.2 der verfügung vom 7. februar 2019 vor. das polizeipräsidium x. hat zu recht angenommen, dass mit hoher wahrscheinlichkeit zu erwarten stand, dass im rahmen der streitgegenständlichen versammlung am 9. februar 2019 bildnisse des abdullah öcalan gezeigt würden und die verwendung dieser abbilder den straftatbestand des § 20 abs. 1 satz 1 nr. 5 vereinsg erfüllt hätte. insbesondere ist die damit verbundene einschätzung, dass das bildnis abdullah öcalans bei der betreffenden versammlung als kennzeichen der verbotenen vereinigung „arbeiterpartei kurdistans“ (pkk) anzusehen gewesen wäre, gerechtfertigt. insoweit wurde die „arbeiterpartei kurdistans“ (pkk) durch verfügung des bundesministers des innern vom 22. november 1993 gemäß § 18 satz 2 vereinsg unter gleichzeitiger anordnung der sofortigen vollziehung verboten. das betätigungsverbot ist seit dem 26. märz 1994 bestandskräftig. 63kennzeichen im sinne des vereinsgesetzes sind organisationsmittel, die durch ihren symbolwert auf den vereinszweck hinweisen, den zusammenhalt der mitglieder stärken und die vereinigung von anderen organisationen unterscheiden. zu ihnen zählen insbesondere symbole oder erkennungszeichen, deren sich die betreffenden vereinigungen bedienen oder bedient haben, um propagandistisch auf ihre politischen ziele hinzuweisen. dabei erfüllt ein symbol oder erkennungszeichen den begriff des kennzeichens im sinne von § 20 abs. 1 satz 1 nr. 5 vereinsg, wenn es von der organisation in der beschriebenen weise eingesetzt wird und eine identifikationswirkung entfaltet. diese wirkung wird in der regel aufgrund einer häufigeren verwendung und durch einen eindeutigen sachlichen oder personellen bezug zur organisation erzielt. im ergebnis ist ein kennzeichen dadurch geprägt, dass es allgemein und losgelöst von einem einzelnen konkreten kommunikationszusammenhang als allgemeines symbol für eine organisation erkannt und wiedererkannt wird und aufgrund dieser allgemeinen kenntlichkeit der betreffenden vereinigung zugeordnet wird, 64vgl. ovg bremen, urteil vom 25. oktober 2005 - 1 a 144/05 -, juris, rn. 22 (z.t. m.w.n.); vg münchen, beschluss vom 16. februar 2018 - m 13 s 18.743 -, juris, rn. 24. 65auch bildnisse politischer persönlichkeiten sind grundsätzlich geeignet, als kennzeichen für vereinigungen im sinne des vereinsgesetzes zu fungieren. dies gilt (weiterhin) für bildnisse abdullah öcalans, 66vgl. ovg bremen, urteil vom 25. oktober 2005 - 1 a 144/05 -, juris, rn. 24; ovg nrw, beschluss vom 3. november 2017 - 15 b 1371/17 -, juris, rn. 28; vg münchen, beschluss vom 16. februar 2018 - m 13 s 18.743 -, juris, rn. 26, vg düsseldorf, beschluss vom 10. mai 2019 - 18 l 1374/19 -, juris, rn. 21; urteil vom 19. februar 2020 - 18 k 17619/17 -, juris, rn. 47 ff.; 67die verwendung der in ziffer b.2 der beschränkenden verfügung genannten gegenstände mit dem abbild abdullah öcalans war betreffend die versammlung am 9. februar 2019 auch nicht ausnahmsweise nach § 20 abs. 1 satz 2 i. v. m. § 9 abs. 1 satz 2 vereinsg erlaubt. die vorschrift des § 9 abs. 1 satz 2 vereinsg lässt die verwendung von kennzeichen im rahmen der staatsbürgerlichen aufklärung, der abwehr verfassungswidriger bestrebungen und ähnlicher zwecke zu. sie gestattet damit das verwenden im grundsatz verbotener kennzeichen zu „sozialadäquaten“ zwecken. die vorschrift lässt die verwendung des kennzeichens auch für zwecke zu, die den ersten beiden – hier nicht in betracht kommenden – tatbestandsmerkmalen „ähnlich“ sind. das kennzeichen darf danach über die enge zweckrichtung hinaus auch für zwecke der kunst, der wissenschaft, der forschung und lehre, der berichterstattung über vorgänge des zeitgeschehens und der geschichte verwendet werden. die vorschrift ist insoweit mit blick auf die grundrechtlichen freiheiten weit auszulegen, 68vgl. ovg bremen, urteil vom 25. oktober 2005 - 1 a 144/05 -, juris, rn. 28 ff. 69bei meinungsäußerungen, die erkennbar keinen zusammenhang zum organisationsbereich der betroffenen vereinigung oder deren wirken aufweisen, kann die verwendung von öcalan-bildern deshalb im einzelfall „sozialadäquat“ sein. bei veranstaltungen und versammlungen, die ohne zusammenhang zu pkk-nahen aktivitäten allein die persönliche situation des gefangenen öcalan zum gegenstand der öffentlichen meinungsbildung machen und von der öffentlichkeit nicht als allgemeine werbung für die pkk verstanden werden, ist es daher nicht in jedem fall verboten, bilder seiner person zu zeigen, 70vgl. ovg nrw, beschluss vom 3. november 2017 - 15 b 1371/17 -, juris, rn. 31, beschluss vom 9. oktober 2020 - 15 b 1528/20 -, juris rn. 18; vg düsseldorf, beschluss vom 10. mai 2019 - 18 l 1374/19 - juris, rn. 21; 71insoweit spielt auch das versammlungsthema eine zentrale rolle. gemessen daran ist vorliegend davon auszugehen, dass es sich bei der verwendung der in der auflage ziffer b.2 in bezug genommenen konkreten gegenstände trotz des auf die haftbedingungen des menschen öcalan ausgerichteten versammlungsthemas „gegen die totalisolationshaft und folterung abudallah öcalans“ nicht um einen sozialadäquaten gebrauch im sinne des § 9 abs. 1 satz 2 vereinsg handelt. der beklagte hat konkrete anhaltspunkte für die gefahr vorgebracht, dass die veranstaltung entgegen dem angemeldeten motto ein gepräge aufweisen werde, in deren kontext sich die verwendung eines öcalan-abbildes nicht mehr als ausnahmsweise erlaubt darstellen würde. so hat er im bescheid im einzelnen aufgelistet, welche vorkommnisse bei den versammlungen am 9. november 2018 (thema: „gesundheitszustand von herrn abdullah öcalan“), 5. januar 2019 (thema: „gesundheitszustand abdullah öcalans“), 26. januar 2019 (thema: „gesundheitszustand abdullah öcalan“) und 6. februar 2019 (thema: „die gesundheit abdullah öcalans, m. h1. und alle gefangenen, die sich im hungerstreik befinden“) grund zu dieser annahme gaben. bei all diesen veranstaltungen wurden trotz des eingeschränkten versammlungsthemas betätigungen vorgenommen und äußerungen gemacht, die im zusammenhang mit dem organisationsbereich der pkk oder deren wirken standen und damit einen unzulässigen bezug zur pkk herstellten. zwar trifft das vorbringen der klägerin zu, dass die thematisierung des kurdischen freiheitskampfes, der türkischen invasion in kurdische gebiete, der folter der kurden und des verbotes der kurdischen sprache usw. nicht grundsätzlich anhaltspunkte für einen pkk-bezug bieten. etwas anderes gilt aber vorliegend, da die genannten versammlungen in der vergangenheit durch die bei den reden gewählten themen bzw. durch die verwendung von symbolen zu themen außerhalb des versammlungsthemas eindeutig ein gepräge erhalten hatten, in dessen kontext sich die verwendung eines öcalan-bildes nicht mehr ausnahmsweise als erlaubt dargestellt hat. so hatte auf der versammlung vom 9. november 2018 keiner der redebeiträge den gesundheitszustand öcalans zum thema, sondern alle redner/-innen befassten sich mit themen völlig außerhalb des versammlungsthemas (z. b. demokratie in deutschland, verhalten der polizei, unterstützung der türkei durch die usa), thematisierten den untrennbar mit der pkk verbundenen kurdischen freiheitskampf („keiner schafft es, die kurden zu vernichten, alle werden kämpfen, solange es möglich ist“) oder sprachen direkt pkk-themen an (z. b. antiterroreinheit der usa gegen drei funktionäre der pkk, errungenschaften der pkk gegen den is). weiterhin wurde ein plakat mit dem abbild kurdischer freiheitskämpfer gezeigt und es erfolgten mehrfach pkk-rufe durch die teilnehmer. bei der versammlung am 5. januar 2019 sollte ein flyer verteilt werden, der bezüge von öcalan zum kurdischen freiheitskampf und der pkk enthielt. es sollten zudem flaggen mit bildnissen dreier in paris getöteter kurdischer aktivistinnen gezeigt werden, von denen eine ein gründungsmitglied der pkk war, sodass damit ein direkter bezug zur pkk hergestellt wurde. die redebeiträge erfolgten ebenfalls nicht zu dem angemeldeten versammlungsthema, sondern thematisierten erneut den kurdischen freiheitskampf und dessen opfer. zwar trifft es – wie die klägerin vorträgt – zu, dass die biographie öcalans untrennbar mit letzterem thema verbunden ist. ist dieses thema aber wie hier gegenstand einer versammlung zum thema gesundheitszustand abdullah öcalans, ändert sich deren gepräge dergestalt, dass sich in ihrem kontext die verwendung eines abbildes öcalans nicht mehr als ausnahmsweise erlaubt darstellt. gleiches gilt für die versammlung am 26. januar 2019, bei der flaggen zum kurdischen freiheitskampf und flaggen mit bildnissen der genannten drei getöteten kurdischen aktivistinnen gezeigt werden sollten. bei keiner der genannten versammlungen ließ die gesamtausrichtung eine strikte trennung des angemeldeten themas von den allgemeinen zielen der pkk erkennen. es gab weder redebeiträge noch wurden symbole benutzt, die sich direkt auf die persönliche situation und den gesundheitszustand öcalans bezogen. vielmehr verfolgten die versammlungen ein allgemeinpolitisches anliegen, das auch implizite kritik am verbot der pkk umfasste. alle genannten versammlungen waren auch geeignet, eine entsprechende prognose für die streitgegenständliche versammlung am 9. februar 2019 zu begründen. denn neben dem thema war auch der teilnehmerkreis ähnlich und die klägerin hat auch an den anderen versammlungen als verantwortliche (teils als anmelderin, teils als vertreterin des anmelders) fungiert. insoweit wird auf die ausführlichen darlegungen im bescheid des beklagten bezug genommen. 72das in der auflage ziffer b.2 enthaltene verbot, mit dem abbild von abdullah öcalan versehene flaggen, abzeichen, transparente, handzettel oder sonstige gegenstände zu zeigen oder zu verteilen, war schließlich auch nicht unverhältnismäßig. denn mildere, zur vermeidung der prognostizierten verstöße gegen die rechtsordnung ebenso geeignete mittel standen dem beklagten nicht zur verfügung. 73die kostenentscheidung folgt für den zurückgenommenen teil der klage aus § 155 abs. 2 vwgo und im übrigen – entsprechend dem jeweiligen obsiegen und unterliegen der beteiligten – aus § 155 abs. 1 satz 1 vwgo. 74die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo, §§ 708 nr. 11, 711 zpo. 75rechtsmittelbelehrung: 76gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich die zulassung der berufung beantragt werden. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. 77der antrag kann auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer rechtsverkehr-verordnung – ervv) eingereicht werden. 78innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. 79die berufung ist nur zuzulassen, 801. wenn ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 812. wenn die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 823. wenn die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 834. wenn das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 845. wenn ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 85die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich oder als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der ervv einzureichen. 86über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. 87im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 88die antragsschrift und die zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 89beschluss: 90der streitwert wird auf 5.000,00 euro festgesetzt. 91gründe: 92die festsetzung des streitwertes folgt aus § 52 abs. 2 gkg. 93rechtsmittelbelehrung: 94gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. 95die beschwerde kann auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer rechtsverkehr-verordnung – ervv) oder zu protokoll der geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 96die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 97die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 98die beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 99war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. | Klaeger*in | 1 |
143,213 | 1 K 3080/14 | 2015-11-24T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin beabsichtigt, auf dem Grundstück Gemarkung H. , Flur 1, Flur-stücke 974, 1203, ein Mehrfamilienhaus mit acht Wohnungen zu errichten. 3Das Grundstück liegt auf der Ostseite des in Nord-Süd-Richtung verlaufenden West-rings (B 61) in H. zwischen der nördlich einmündenden X. -C. -Straße und der südlich einmündenden I. Straße. Das Flurstück 1203 ist mit zwei Einfamilienhäusern bebaut, von denen eines abgerissen werden soll, um den Neubau zu errichten. Die bestehende Erschließung erfolgt über das Flur-stück 974 der Stadt H. mit eingetragener Baulast Blatt-Nr. 877 vom 02.02.1989. 4Die Bundesstraße ist nördlich und südlich des Grundstücks der Klägerin 4-spurig mit Mittelstreifen ausgebaut. Mehrere Grundstücke im Umfeld des Grundstücks der Klägerin sowohl auf der Ost- als auch auf der Westseite der B 61 verfügen über direkte Zufahrten zur Bundesstraße. Bebaute Grundstücke, die vor dem Ausbau der Bundesstraße aufgrund des Planfeststellungsbeschlusses vom 13.10.1975 nicht über Zufahrten zur B 61 verfügten, werden durch abzweigende, kreuzende oder rückwärtige Straßen erschlossen. 5Unter dem 25.09.2014 leitete die Stadt H. einen Bauantrag der Klägerin über den Bau des 8-Familienhauses an das beklagte Land mit der Bitte um Stellung-nahme gemäß § 9 FStrG. 6Nach vorheriger Anhörung lehnte das beklagte Land die seiner Ansicht nach erfor-derliche straßenrechtliche Ausnahmegenehmigung gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 8 FStrG ab. Zur Begründung führte es aus, an Bundesfernstraßen dürften bau-liche Anlagen, die außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten über Zufahrten oder Zugänge an Bundes-straßen unmittelbar oder mittelbar angeschlossen werden sollten, nicht errichtet werden. Das Grundstück der Klägerin liege nicht innerhalb, sondern außerhalb der zur Erschließung anliegender Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrt der B 61. Dies ergebe sich aus dem Ausbauzustand der Bundesstraße, die entspre-chend dem Planfeststellungsbeschluss vom 13.10.1975 als Schnellstraße auf zwei mit einem Mittelstreifen getrennten Richtungsfahrbahnen mit insgesamt vier Fahr-spuren ausgebaut worden sei. Im Zuge dessen seien einmündende Straßen – wie etwa die „X. -C. -Straße“ – abgebunden oder durch Sammeleinmün-dungen ersetzt worden. Bebaute Grundstücke, die über eine anderweitige Er-schließung verfügten, seien ebenfalls von der B 61 abgebunden worden. Die derzeit noch vorhandenen Zufahrten genießen Bestandsschutz im straßenrechtlichen Sinne und seien für den ansonsten angestrebten anbaufreien Charakter des Streckenab-schnitts nicht prägend. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 8 FStrG lägen nicht vor. Danach könne eine Ausnahme vom Verbot des Abs. 1 nur zugelassen werden, wenn die Durchführung der Vorschrift im Einzelfalle zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Anwendung mit den öffentlichen Belangen vereinbar sei oder wenn Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Abweichung erforderten. Die Voraussetzungen hierzu seien nicht gegeben. 7Am 24.12.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht geltend, die Tatbestands-voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 FStrG seien nicht gegeben. Das Vorhaben betreffe eine bauliche Anlage, die an die Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße ange-schlossen werden solle und überdies eine vorhandene Zufahrt nutzen solle. Eigent-lich bedürfe sie hierzu keiner Ausnahme nach § 9 Abs. 8 FStrG. Sie könne Be-standsschutz in Anspruch nehmen, der von der vorhandenen Zufahrt ausgehe. Im streitbefangenen Streckenabschnitt der B 61 habe diese aufgrund der vorhandenen Zufahrten Erschließungsfunktion. Mindestens bestehe jedoch ein Anspruch auf aus-nahmsweise Zulassung nach § 9 Abs. 8 FStrG. Die Durchführung führe im vor-liegenden Fall zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte. Die Abweichung wäre auch mit öffentlichen Belangen vereinbar, weil eine bestehende Zufahrt genutzt werden solle. Eine neue Zufahrt werde nicht angelegt. 8Die Klägerin beantragt, 9das beklagte Land zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 26.11.2014 die straßenrechtliche Ausnahmegeneh-migung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 8 FStrG zur Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses mit acht Wohneinheiten auf dem Grundstück Gemarkung H. , Flur 1, Flurstück 1203, zu erteilen, 10hilfsweise unter Aufhebung des Bescheides vom 26.11.2014 festzustellen, dass für die Verwirklichung des von der Klägerin beabsichtigten Bauvor-habens „Mehrfamilienhaus mit acht Wohneinheiten“ auf dem Grundstück Gemarkung H. , Flur 1, Flurstück 1203, eine straßenrechtliche Aus-nahmegenehmigung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 8 FStrG nicht notwendig ist. 11Das beklagte Land beantragt, 12die Klage abzuweisen. 13Das Land hält daran fest, dass die B 61 im fraglichen Bereich nicht zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmt sei. Die von der Klägerin im Einzelnen be-nannten Vergleichsobjekte führten zu keinem anderen Ergebnis. Die genannten Zufahrten seien entweder schon vor dem Ausbau aufgrund des Planfeststellungs-beschlusses vorhanden gewesen und würden Bestandsschutz genießen oder das Land habe eine Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 2 FStrG erteilt, weil eine anderweitige Nutzung nicht zu einem Mehrverkehr geführt habe. Das sei im Falle des Vorhabens der Klägerin jedoch anders, da statt eines abzureißenden Einfamilien-wohnhauses ein 8-Familienwohnhaus entstehen solle. Auch eine Reduzierung auf fünf statt acht neuen Wohneinheiten komme nicht in Betracht. 14Das Gericht hat die Örtlichkeit anlässlich eines Erörterungstermins in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll vom 06.07.2015 ver-wiesen. 15Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ver-zichtet. 16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Landes Bezug genommen. 17Entscheidungsgründe: 18Das Gericht hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ent-schieden, § 101 Abs. 2 VwGO. 19Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der ablehnende Bescheid des beklagten Landes vom 26.11.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach §§ 9 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 8 FStrG. 20Nach § 9 Abs. 8 Satz 1 FStrG kann die oberste Landesstraßenbaubehörde im Einzelfall Ausnahmen von dem Verbot des § 9 Abs. 1 FStrG zulassen, wenn die Durchführung der Vorschrift im Einzelfall zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist oder wenn Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Abweichung erfordern. Die Voraus-setzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt. 21Die Klägerin bedarf einer solchen Ausnahmegenehmigung, denn sie plant, an der B 61 außerhalb des zur Erschließung der Anliegergrundstücke bestimmten Teils der Ortsdurchfahrt ein 8-Familien-Wohnhaus mit einer Zufahrt zur B 61 zu errichten. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 FStrG dürfen längs der Bundesfernstraßen bauliche Anlagen, die außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten über Zufahrten oder Zugänge an Bundesstraßen unmittelbar oder mittelbar angeschlossen werden sollen, nicht errichtet werden. Da die Zufahrt für das Vorhaben der Klägerin außerhalb der Ortsdurchfahrt von der B 61 aus genommen werden soll, unterliegt das Vorhaben dem Anbauverbot. 22Das streitbefangene Grundstück liegt nicht innerhalb, sondern außerhalb der zur Er-schließung bestimmten Ortsdurchfahrt der B 61 (X1.---ring ) und unterliegt damit grundsätzlich dem Anbauverbot. Die B 61 in H. stellt einen Teil der Orts-durchfahrt dar. Sie dient auch i.S.d. § 5 Abs. 1 FStrG der Erschließung, wie die zahlreichen privaten Grundstückszufahrten zeigen. Sie ist aber seit dem Ausbau in Vollzug des Planfeststellungsbeschlusses vom 13.10.1975 nicht mehr zur Er-schließung der anliegenden Grundstücke bestimmt. 23Ob Teile der Ortsdurchfahrt an der Bundesfernstraße zur Erschließung der hier an-liegenden Grundstücke bestimmt sind, ist vorrangig nach straßenrechtlichen Ge-sichtspunkten zu entscheiden. Das erfordert die Zielsetzung des § 9 FStrG. Schutz-gut des § 9 Abs. 1 FStrG ist die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs. In dessen Interesse liegt es, die Bundesfernstraßen von Beeinträchtigungen freizu-halten, Ablenkungen des fließenden Verkehrs durch bauliche Anlagen zu vermeiden und die Straßen außerhalb der zur Erschließung bestimmten Teile der Ortsdurchfahrt vor störenden Zufahrten oder Zugängen freizuhalten. Die Verkehrsfunktion der Bun-desfernstraße wird nachhaltig beeinträchtigt, wenn die Straße neben ihrer straßen-rechtlichen Aufgabe auch der Erschließung der ihr anliegenden Grundstücke zu dienen bestimmt ist. Der Gesetzgeber hat diesen Konflikt unterschiedlicher Belange für die Teile der Ortsdurchfahrten, die nicht (mehr) zur Erschließung bestimmt sind, in § 9 Abs. 1 FStrG außerhalb möglicher Planfeststellungsverfahren oder Bebau-ungspläne zugunsten der Verkehrsfunktion entschieden. Das gilt auch dann, wenn sich die anliegenden Grundstücke – wie im vorliegenden Fall – in einem Bebau-ungszusammenhang nach § 34 BauGB befinden. Einer straßenrechtlich nicht zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Bundesfernstraße kann eine Erschließungsfunktion nicht durch die vorhandene oder entstehende Randbebauung „aufgedrängt“ werden, wenn nicht die Erschließungsfunktion in einem Verfahren bauplanerischer Festsetzung gemäß § 9 Abs. 7 FStrG bewirkt wird, was im Falle der B 61 aber nicht der Fall ist. 24Diese Betrachtungsweise schließt nicht aus, dass eine vorhandene Bebauung für die Annahme der Erschließungsfunktion erheblich ist. Denn im Einzelfall ist aus den tat-sächlichen Gegebenheiten auf eine bestimmte Funktion der Bundesfernstraße zu schließen. Ist die Verkehrsfunktion der Bundesfernstraße bereits erkennbar zu-gunsten der Erschließung der anliegenden Grundstücke faktisch eingeschränkt, so entfällt der innere Grund, nach wie vor mit Hilfe des Anbauverbots die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs gewährleisten zu wollen. Die Verkehrsteilnehmer haben sich bereits auf die gegebenen Verhältnisse eingestellt. Tritt die zuständige Behörde einer derartigen Entwicklung, welche sich gegenüber der Verkehrsfunktion der Bundesfernstraße nachteilig auswirken kann, nicht entgegen, so erwächst der Straße auch eine Erschließungsfunktion. 25Tatsächliche Umstände von indizierendem Gewicht sind neben der vorhandenen Be-bauung auch der Ausbauzustand der Bundesfernstraße und die Zugänglichkeit von den anliegenden Grundstücken. Hierzu zählen etwa Zugänge oder Zufahrten (vgl. § 8a Abs. 1 FStrG). Der Ausbau von Geh- und Fahrradwegen dürfte bedeutsam sein. Andererseits können Leitplanken die Zugänglichkeit ausschließen. Ähnliches gilt für Grundstücke, Zäune und Büsche. Derartige tatsächliche Gegebenheiten können den Eindruck vermitteln, dass auch innerhalb der geschlossenen Ortslage und trotz eines Bebauungszusammenhanges i.S.v. § 34 BauGB eine „freie Strecke“ besteht. Ein Indiz kann auch sein, dass die anliegenden Grundstücke bereits rückwärtig erschlos-sen sind, obwohl § 9 Abs. 1 FStrG nicht ausschließt, dass ein Grundstück sowohl durch die Bundesfernstraße als auch durch ein örtliches Straßen- oder Wegenetz erschlossen wird. 26Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.11.1984 – 4 C 2.82 ‑, Buchholz 407.4, 21. 27Dass der hier interessierende Streckenabschnitt der B 61 (X1.---ring ) nicht zum An-bau bestimmt ist, ergibt sich aus dem Ausbauzustand der B 61 im Vollzug des Plan-feststellungsbeschlusses vom 13.10.1975 und der Anbindung der Grundstücke beiderseits der B 61 an das vorhandene Straßennetz. Die B 61 ist als Schnellstraße mit vier Fahrspuren auf zwei mit einem Mittelstreifen getrennten Richtungsfahr-bahnen ausgebaut. Im Zuge des Ausbaus der B 61 wurden einmündende Straßen abgebunden oder durch Sammeleinmündungen ersetzt. Bebaute Grundstücke, die über eine anderweitige Erschließung verfügen, sind von der B 61 abgebunden. Bei den derzeit vorhandenen Zufahrten handelt es sich daher um Zufahrten, die schon vor dem Ausbau der B 61 vorhanden waren, die Bestandsschutz genießen und für den ansonsten nunmehr anbaufreien Charakter des Streckenabschnitts nicht prä-gend sind. Daran ändert auch nicht, dass das Grundstück der Klägerin selbst über eine Zufahrt zur B 61 verfügt und mehrere bebaute Grundstücke mit unmittelbaren Zufahrten zur B 61 in der Nachbarschaft des Grundstücks der Klägerin vorhanden sind. Dies ist jedenfalls untypisch für den Ausbauzustand der B 61. Die südlich der Einmündung I. Straße auf der Ostseite der B 61 liegenden Grundstücke sind denn auch nur noch über rückwärtige Erschließungsstraße er-schlossen. Das gleiche gilt für die bebauten Grundstücke auf der Westseite der B 61 auf der dem Grundstück der Klägerin gegenüberliegenden Seite. 28Auf den Bestandsschutz ihrer vorhandenen Zufahrt kann sich die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht erfolgreich berufen. Der Bestandsschutz gilt nur für die jetzt vorhandene Bebauung. Die Klägerin beabsichtigt jedoch, ein vorhandenes Ein-familienhaus durch ein 8-Familienhaus zu ersetzen. Die damit einhergehende stärkere Nutzung der vorhandenen Zufahrt ist vom Bestandsschutz nicht mehr gedeckt und führte zu einer erhöhten Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtig-keit des Verkehrs. Die Beklagte ist im Übrigen in den von der Klägerin zitierten Fällen nicht anders verfahren. Sie hat nur in den Fällen, in denen im Falle einer Nutzungs-änderung oder einem Ersatzbau kein nennenswerter Mehrverkehr zu erwarten war, ihre straßenrechtliche Zustimmung nach § 9 Abs. 2 FStrG erteilt. Diese Fälle sind mit dem der Klägerin nicht vergleichbar, denn mit dem von ihr geplanten Vorhaben wäre ein erheblicher Mehrverkehr verbunden. 29Die Klägerin bedarf daher, um ihr Grundstück mit einem 8-Familien-Wohnhaus be-bauen zu können, einer Ausnahmegenehmigung des beklagten Landes vom Anbau-verbot gemäß § 9 Abs. 8 FStrG. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen jedoch nicht vor. 30Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern die von der Klägerin begehrte Aus-nahme erkennbar nicht. 31Auch führt das Verbot des § 9 Abs. 1 FStrG im Falle der Klägerin nicht zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte. Eine Härte ist i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 8 FStrG nicht beabsichtigt, und eine im Rahmen dieser Vorschriften beachtliche Ausnahme ist nur dann gegeben, wenn die Verbotsnorm des § 9 Abs. 1 FStrG einen Einzelfall erfasst, auf den das Gesetz zwar in seinem Tatbestand, nicht aber in seinem normativen Gehalt passt. Die Frage, ob in diesem Sinne ein die Befreiung zulassender Ausnahmefall gegeben ist, muss im Hinblick auf das hinter der gesetz-lichen Regelung stehende Schutzgut beantwortet werden, wie es sich aus dem Zusammenhang der Regelung und ihrem Zweck ergibt. Schutzgut des § 9 Abs. 1 FStrG ist die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, deren Erfordernisse sich als eine immanente Beschränkung des Eigentums der Grundstücke auswirken, die entlang der Bundesfernstraßen in deren Verbotsbereich liegen. 32Vgl. BVerwG, Urteile vom 04.04.1975 – 4 C 55.74 ‑, BVerwGE 48, 123 und bei juris, sowie vom 23.05.1986 – 4 C 59/84 ‑, BRS 46, Nr. 107 und bei juris; OVG NRW, Urteile vom 02.02.1995 – 23 A 2676/93 – und vom 27.10.1994 – 23 A 1461/93 ‑, beide bei juris. 33Im Interesse von Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs liegt es, wie bereits oben dargelegt, die Bundesstraßen von Sichtbeeinträchtigungen freizuhalten, Ablenkun-gen des fließenden Verkehrs durch Werbeanlagen oder andere bauliche Anlagen zu vermeiden und die Straßen außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grund-stücke bestimmten Teilen der Ortsdurchfahrten von Zufahrten oder Zugängen frei-zuhalten. Es sollen danach alle den Verkehrsablauf nachteilig beeinflussenden Um-stände, die auf den Verkehr einwirken und die unmittelbar mit ihm verbundenen Ge-fahren erhöhen können, auf ein Mindestmaß herabgesetzt und der weiteren Ent-wicklung des Straßenverkehrs vorsorglich Rechnung getragen, zugleich aber auch eine mit den modernen Verkehrsverhältnissen zu vereinbarende Bodennutzung in den Verbotsbereichen längs der Bundesstraßen sichergestellt werden. Danach ist eine Härte nur dann „nicht beabsichtigt“, wenn die Einhaltung des Anbauverbots unter den jeweils besonderen Umständen des Einzelfalls im Hinblick auf die vom Gesetzgeber erstrebten Verhältnisse an den Bundesstraßen ‑ insoweit aber nicht im Hinblick auf die konkreten Verkehrsverhältnisse – nicht erforderlich ist. Nicht beab-sichtigt ist eine Belastung i.S.d. § 9 Abs. 8 FStrG mithin nur dann, wenn das Ein-halten des Zufahrtsverbots nicht mehr dem typischen Schutzgut der Vorschriften entspricht. 34Vgl. OVG NRW, Urteil vom 02.02.1995, a.a.O. 35Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs auf der Bundesfernstraße werden typischerweise dann gefährdet, wenn die Errichtung zusätzlicher Gebäude und deren Nutzung zu einer Erhöhung der Zahl zu- und abfahrender Verkehrsteilnehmer führt. Das ist bei dem von der Klägerin geplanten 8-Familienhaus der Fall. Es ist davon auszugehen, dass dieses Wohnhaus zu einem erhöhten Zu- und Abgangsverkehr der vorhandenen Zufahrt führt, denn diese Zufahrt wird bislang nur von Bewohnern und Gästen von zwei Einfamilienhäusern genutzt. Für den Fall, dass eines der Einfamilienhäuser durch das 8-Familienhaus ersetzt wird, kommt es zwangsläufig zu vermehrtem Ein- und Abbiegeverkehr von und zum Grundstück der Klägerin. 36Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Ausnahmegeneh-migung. 37Aus den obigen Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die Klägerin zur Verwirk-lichung ihres Vorhabens einer straßenrechtlichen Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 8 FStrG bedarf. Die von ihr hilfsweise begehrte Feststellung, dass für die Verwirklichung des von ihr beabsichtigten Bauvorhabens eine straßen-rechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 8 FStrG nicht notwendig ist, war daher ebenfalls abzulehnen. 38Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vor-läufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. | die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe von 110 % des vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht das beklagte land vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leistet. 1 | 2die klägerin beabsichtigt, auf dem grundstück gemarkung h. , flur 1, flur-stücke 974, 1203, ein mehrfamilienhaus mit acht wohnungen zu errichten. 3das grundstück liegt auf der ostseite des in nord-süd-richtung verlaufenden west-rings (b 61) in h. zwischen der nördlich einmündenden x. -c. -straße und der südlich einmündenden i. straße. das flurstück 1203 ist mit zwei einfamilienhäusern bebaut, von denen eines abgerissen werden soll, um den neubau zu errichten. die bestehende erschließung erfolgt über das flur-stück 974 der stadt h. mit eingetragener baulast blatt-nr. 877 vom 02.02.1989. 4die bundesstraße ist nördlich und südlich des grundstücks der klägerin 4-spurig mit mittelstreifen ausgebaut. mehrere grundstücke im umfeld des grundstücks der klägerin sowohl auf der ost- als auch auf der westseite der b 61 verfügen über direkte zufahrten zur bundesstraße. bebaute grundstücke, die vor dem ausbau der bundesstraße aufgrund des planfeststellungsbeschlusses vom 13.10.1975 nicht über zufahrten zur b 61 verfügten, werden durch abzweigende, kreuzende oder rückwärtige straßen erschlossen. 5unter dem 25.09.2014 leitete die stadt h. einen bauantrag der klägerin über den bau des 8-familienhauses an das beklagte land mit der bitte um stellung-nahme gemäß § 9 fstrg. 6nach vorheriger anhörung lehnte das beklagte land die seiner ansicht nach erfor-derliche straßenrechtliche ausnahmegenehmigung gemäß §§ 9 abs. 1 nr. 2 i.v.m. abs. 8 fstrg ab. zur begründung führte es aus, an bundesfernstraßen dürften bau-liche anlagen, die außerhalb der zur erschließung der anliegenden grundstücke bestimmten teile der ortsdurchfahrten über zufahrten oder zugänge an bundes-straßen unmittelbar oder mittelbar angeschlossen werden sollten, nicht errichtet werden. das grundstück der klägerin liege nicht innerhalb, sondern außerhalb der zur erschließung anliegender grundstücke bestimmten teile der ortsdurchfahrt der b 61. dies ergebe sich aus dem ausbauzustand der bundesstraße, die entspre-chend dem planfeststellungsbeschluss vom 13.10.1975 als schnellstraße auf zwei mit einem mittelstreifen getrennten richtungsfahrbahnen mit insgesamt vier fahr-spuren ausgebaut worden sei. im zuge dessen seien einmündende straßen – wie etwa die „x. -c. -straße“ – abgebunden oder durch sammeleinmün-dungen ersetzt worden. bebaute grundstücke, die über eine anderweitige er-schließung verfügten, seien ebenfalls von der b 61 abgebunden worden. die derzeit noch vorhandenen zufahrten genießen bestandsschutz im straßenrechtlichen sinne und seien für den ansonsten angestrebten anbaufreien charakter des streckenab-schnitts nicht prägend. die voraussetzungen des § 9 abs. 8 fstrg lägen nicht vor. danach könne eine ausnahme vom verbot des abs. 1 nur zugelassen werden, wenn die durchführung der vorschrift im einzelfalle zu einer offenbar nicht beabsichtigten härte führen würde und die anwendung mit den öffentlichen belangen vereinbar sei oder wenn gründe des wohls der allgemeinheit die abweichung erforderten. die voraussetzungen hierzu seien nicht gegeben. 7am 24.12.2014 hat die klägerin klage erhoben. sie macht geltend, die tatbestands-voraussetzungen nach § 9 abs. 1 nr. 2 fstrg seien nicht gegeben. das vorhaben betreffe eine bauliche anlage, die an die ortsdurchfahrt einer bundesstraße ange-schlossen werden solle und überdies eine vorhandene zufahrt nutzen solle. eigent-lich bedürfe sie hierzu keiner ausnahme nach § 9 abs. 8 fstrg. sie könne be-standsschutz in anspruch nehmen, der von der vorhandenen zufahrt ausgehe. im streitbefangenen streckenabschnitt der b 61 habe diese aufgrund der vorhandenen zufahrten erschließungsfunktion. mindestens bestehe jedoch ein anspruch auf aus-nahmsweise zulassung nach § 9 abs. 8 fstrg. die durchführung führe im vor-liegenden fall zu einer offenbar nicht beabsichtigten härte. die abweichung wäre auch mit öffentlichen belangen vereinbar, weil eine bestehende zufahrt genutzt werden solle. eine neue zufahrt werde nicht angelegt. 8die klägerin beantragt, 9das beklagte land zu verpflichten, der klägerin unter aufhebung des bescheides vom 26.11.2014 die straßenrechtliche ausnahmegeneh-migung nach § 9 abs. 1 nr. 2 i.v.m. abs. 8 fstrg zur errichtung eines mehrfamilienwohnhauses mit acht wohneinheiten auf dem grundstück gemarkung h. , flur 1, flurstück 1203, zu erteilen, 10hilfsweise unter aufhebung des bescheides vom 26.11.2014 festzustellen, dass für die verwirklichung des von der klägerin beabsichtigten bauvor-habens „mehrfamilienhaus mit acht wohneinheiten“ auf dem grundstück gemarkung h. , flur 1, flurstück 1203, eine straßenrechtliche aus-nahmegenehmigung gemäß § 9 abs. 1 nr. 2 i.v.m. abs. 8 fstrg nicht notwendig ist. 11das beklagte land beantragt, 12die klage abzuweisen. 13das land hält daran fest, dass die b 61 im fraglichen bereich nicht zur erschließung der anliegenden grundstücke bestimmt sei. die von der klägerin im einzelnen be-nannten vergleichsobjekte führten zu keinem anderen ergebnis. die genannten zufahrten seien entweder schon vor dem ausbau aufgrund des planfeststellungs-beschlusses vorhanden gewesen und würden bestandsschutz genießen oder das land habe eine ausnahmegenehmigung nach § 9 abs. 2 fstrg erteilt, weil eine anderweitige nutzung nicht zu einem mehrverkehr geführt habe. das sei im falle des vorhabens der klägerin jedoch anders, da statt eines abzureißenden einfamilien-wohnhauses ein 8-familienwohnhaus entstehen solle. auch eine reduzierung auf fünf statt acht neuen wohneinheiten komme nicht in betracht. 14das gericht hat die örtlichkeit anlässlich eines erörterungstermins in augenschein genommen. wegen des ergebnisses wird auf das protokoll vom 06.07.2015 ver-wiesen. 15die beteiligten haben auf die durchführung einer mündlichen verhandlung ver-zichtet. 16wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen verwaltungsvorgänge des beklagten landes bezug genommen. 17 | 18das gericht hat im einverständnis der beteiligten ohne mündliche verhandlung ent-schieden, § 101 abs. 2 vwgo. 19die zulässige klage ist nicht begründet. der ablehnende bescheid des beklagten landes vom 26.11.2014 ist rechtmäßig und verletzt die klägerin nicht in ihren rechten, § 113 abs. 5 satz 1 vwgo. die klägerin hat keinen anspruch auf erteilung einer ausnahmegenehmigung nach §§ 9 abs. 1 nr. 2 i.v.m. abs. 8 fstrg. 20nach § 9 abs. 8 satz 1 fstrg kann die oberste landesstraßenbaubehörde im einzelfall ausnahmen von dem verbot des § 9 abs. 1 fstrg zulassen, wenn die durchführung der vorschrift im einzelfall zu einer offenbar nicht beabsichtigten härte führen würde und die abweichung mit den öffentlichen belangen vereinbar ist oder wenn gründe des wohls der allgemeinheit die abweichung erfordern. die voraus-setzungen dieser vorschrift sind nicht erfüllt. 21die klägerin bedarf einer solchen ausnahmegenehmigung, denn sie plant, an der b 61 außerhalb des zur erschließung der anliegergrundstücke bestimmten teils der ortsdurchfahrt ein 8-familien-wohnhaus mit einer zufahrt zur b 61 zu errichten. nach § 9 abs. 1 nr. 2 fstrg dürfen längs der bundesfernstraßen bauliche anlagen, die außerhalb der zur erschließung der anliegenden grundstücke bestimmten teile der ortsdurchfahrten über zufahrten oder zugänge an bundesstraßen unmittelbar oder mittelbar angeschlossen werden sollen, nicht errichtet werden. da die zufahrt für das vorhaben der klägerin außerhalb der ortsdurchfahrt von der b 61 aus genommen werden soll, unterliegt das vorhaben dem anbauverbot. 22das streitbefangene grundstück liegt nicht innerhalb, sondern außerhalb der zur er-schließung bestimmten ortsdurchfahrt der b 61 (x1.---ring ) und unterliegt damit grundsätzlich dem anbauverbot. die b 61 in h. stellt einen teil der orts-durchfahrt dar. sie dient auch i.s.d. § 5 abs. 1 fstrg der erschließung, wie die zahlreichen privaten grundstückszufahrten zeigen. sie ist aber seit dem ausbau in vollzug des planfeststellungsbeschlusses vom 13.10.1975 nicht mehr zur er-schließung der anliegenden grundstücke bestimmt. 23ob teile der ortsdurchfahrt an der bundesfernstraße zur erschließung der hier an-liegenden grundstücke bestimmt sind, ist vorrangig nach straßenrechtlichen ge-sichtspunkten zu entscheiden. das erfordert die zielsetzung des § 9 fstrg. schutz-gut des § 9 abs. 1 fstrg ist die sicherheit und leichtigkeit des straßenverkehrs. in dessen interesse liegt es, die bundesfernstraßen von beeinträchtigungen freizu-halten, ablenkungen des fließenden verkehrs durch bauliche anlagen zu vermeiden und die straßen außerhalb der zur erschließung bestimmten teile der ortsdurchfahrt vor störenden zufahrten oder zugängen freizuhalten. die verkehrsfunktion der bun-desfernstraße wird nachhaltig beeinträchtigt, wenn die straße neben ihrer straßen-rechtlichen aufgabe auch der erschließung der ihr anliegenden grundstücke zu dienen bestimmt ist. der gesetzgeber hat diesen konflikt unterschiedlicher belange für die teile der ortsdurchfahrten, die nicht (mehr) zur erschließung bestimmt sind, in § 9 abs. 1 fstrg außerhalb möglicher planfeststellungsverfahren oder bebau-ungspläne zugunsten der verkehrsfunktion entschieden. das gilt auch dann, wenn sich die anliegenden grundstücke – wie im vorliegenden fall – in einem bebau-ungszusammenhang nach § 34 baugb befinden. einer straßenrechtlich nicht zur erschließung der anliegenden grundstücke bestimmten bundesfernstraße kann eine erschließungsfunktion nicht durch die vorhandene oder entstehende randbebauung „aufgedrängt“ werden, wenn nicht die erschließungsfunktion in einem verfahren bauplanerischer festsetzung gemäß § 9 abs. 7 fstrg bewirkt wird, was im falle der b 61 aber nicht der fall ist. 24diese betrachtungsweise schließt nicht aus, dass eine vorhandene bebauung für die annahme der erschließungsfunktion erheblich ist. denn im einzelfall ist aus den tat-sächlichen gegebenheiten auf eine bestimmte funktion der bundesfernstraße zu schließen. ist die verkehrsfunktion der bundesfernstraße bereits erkennbar zu-gunsten der erschließung der anliegenden grundstücke faktisch eingeschränkt, so entfällt der innere grund, nach wie vor mit hilfe des anbauverbots die sicherheit und leichtigkeit des straßenverkehrs gewährleisten zu wollen. die verkehrsteilnehmer haben sich bereits auf die gegebenen verhältnisse eingestellt. tritt die zuständige behörde einer derartigen entwicklung, welche sich gegenüber der verkehrsfunktion der bundesfernstraße nachteilig auswirken kann, nicht entgegen, so erwächst der straße auch eine erschließungsfunktion. 25tatsächliche umstände von indizierendem gewicht sind neben der vorhandenen be-bauung auch der ausbauzustand der bundesfernstraße und die zugänglichkeit von den anliegenden grundstücken. hierzu zählen etwa zugänge oder zufahrten (vgl. § 8a abs. 1 fstrg). der ausbau von geh- und fahrradwegen dürfte bedeutsam sein. andererseits können leitplanken die zugänglichkeit ausschließen. ähnliches gilt für grundstücke, zäune und büsche. derartige tatsächliche gegebenheiten können den eindruck vermitteln, dass auch innerhalb der geschlossenen ortslage und trotz eines bebauungszusammenhanges i.s.v. § 34 baugb eine „freie strecke“ besteht. ein indiz kann auch sein, dass die anliegenden grundstücke bereits rückwärtig erschlos-sen sind, obwohl § 9 abs. 1 fstrg nicht ausschließt, dass ein grundstück sowohl durch die bundesfernstraße als auch durch ein örtliches straßen- oder wegenetz erschlossen wird. 26vgl. ovg nrw, urteil vom 30.11.1984 – 4 c 2.82 ‑, buchholz 407.4, 21. 27dass der hier interessierende streckenabschnitt der b 61 (x1.---ring ) nicht zum an-bau bestimmt ist, ergibt sich aus dem ausbauzustand der b 61 im vollzug des plan-feststellungsbeschlusses vom 13.10.1975 und der anbindung der grundstücke beiderseits der b 61 an das vorhandene straßennetz. die b 61 ist als schnellstraße mit vier fahrspuren auf zwei mit einem mittelstreifen getrennten richtungsfahr-bahnen ausgebaut. im zuge des ausbaus der b 61 wurden einmündende straßen abgebunden oder durch sammeleinmündungen ersetzt. bebaute grundstücke, die über eine anderweitige erschließung verfügen, sind von der b 61 abgebunden. bei den derzeit vorhandenen zufahrten handelt es sich daher um zufahrten, die schon vor dem ausbau der b 61 vorhanden waren, die bestandsschutz genießen und für den ansonsten nunmehr anbaufreien charakter des streckenabschnitts nicht prä-gend sind. daran ändert auch nicht, dass das grundstück der klägerin selbst über eine zufahrt zur b 61 verfügt und mehrere bebaute grundstücke mit unmittelbaren zufahrten zur b 61 in der nachbarschaft des grundstücks der klägerin vorhanden sind. dies ist jedenfalls untypisch für den ausbauzustand der b 61. die südlich der einmündung i. straße auf der ostseite der b 61 liegenden grundstücke sind denn auch nur noch über rückwärtige erschließungsstraße er-schlossen. das gleiche gilt für die bebauten grundstücke auf der westseite der b 61 auf der dem grundstück der klägerin gegenüberliegenden seite. 28auf den bestandsschutz ihrer vorhandenen zufahrt kann sich die klägerin in diesem zusammenhang nicht erfolgreich berufen. der bestandsschutz gilt nur für die jetzt vorhandene bebauung. die klägerin beabsichtigt jedoch, ein vorhandenes ein-familienhaus durch ein 8-familienhaus zu ersetzen. die damit einhergehende stärkere nutzung der vorhandenen zufahrt ist vom bestandsschutz nicht mehr gedeckt und führte zu einer erhöhten beeinträchtigung der sicherheit und leichtig-keit des verkehrs. die beklagte ist im übrigen in den von der klägerin zitierten fällen nicht anders verfahren. sie hat nur in den fällen, in denen im falle einer nutzungs-änderung oder einem ersatzbau kein nennenswerter mehrverkehr zu erwarten war, ihre straßenrechtliche zustimmung nach § 9 abs. 2 fstrg erteilt. diese fälle sind mit dem der klägerin nicht vergleichbar, denn mit dem von ihr geplanten vorhaben wäre ein erheblicher mehrverkehr verbunden. 29die klägerin bedarf daher, um ihr grundstück mit einem 8-familien-wohnhaus be-bauen zu können, einer ausnahmegenehmigung des beklagten landes vom anbau-verbot gemäß § 9 abs. 8 fstrg. die voraussetzungen dieser vorschrift liegen jedoch nicht vor. 30gründe des wohls der allgemeinheit erfordern die von der klägerin begehrte aus-nahme erkennbar nicht. 31auch führt das verbot des § 9 abs. 1 fstrg im falle der klägerin nicht zu einer offenbar nicht beabsichtigten härte. eine härte ist i.s.v. § 9 abs. 1 satz 1, abs. 8 fstrg nicht beabsichtigt, und eine im rahmen dieser vorschriften beachtliche ausnahme ist nur dann gegeben, wenn die verbotsnorm des § 9 abs. 1 fstrg einen einzelfall erfasst, auf den das gesetz zwar in seinem tatbestand, nicht aber in seinem normativen gehalt passt. die frage, ob in diesem sinne ein die befreiung zulassender ausnahmefall gegeben ist, muss im hinblick auf das hinter der gesetz-lichen regelung stehende schutzgut beantwortet werden, wie es sich aus dem zusammenhang der regelung und ihrem zweck ergibt. schutzgut des § 9 abs. 1 fstrg ist die sicherheit und leichtigkeit des straßenverkehrs, deren erfordernisse sich als eine immanente beschränkung des eigentums der grundstücke auswirken, die entlang der bundesfernstraßen in deren verbotsbereich liegen. 32vgl. bverwg, urteile vom 04.04.1975 – 4 c 55.74 ‑, bverwge 48, 123 und bei juris, sowie vom 23.05.1986 – 4 c 59/84 ‑, brs 46, nr. 107 und bei juris; ovg nrw, urteile vom 02.02.1995 – 23 a 2676/93 – und vom 27.10.1994 – 23 a 1461/93 ‑, beide bei juris. 33im interesse von sicherheit und leichtigkeit des verkehrs liegt es, wie bereits oben dargelegt, die bundesstraßen von sichtbeeinträchtigungen freizuhalten, ablenkun-gen des fließenden verkehrs durch werbeanlagen oder andere bauliche anlagen zu vermeiden und die straßen außerhalb der zur erschließung der anliegenden grund-stücke bestimmten teilen der ortsdurchfahrten von zufahrten oder zugängen frei-zuhalten. es sollen danach alle den verkehrsablauf nachteilig beeinflussenden um-stände, die auf den verkehr einwirken und die unmittelbar mit ihm verbundenen ge-fahren erhöhen können, auf ein mindestmaß herabgesetzt und der weiteren ent-wicklung des straßenverkehrs vorsorglich rechnung getragen, zugleich aber auch eine mit den modernen verkehrsverhältnissen zu vereinbarende bodennutzung in den verbotsbereichen längs der bundesstraßen sichergestellt werden. danach ist eine härte nur dann „nicht beabsichtigt“, wenn die einhaltung des anbauverbots unter den jeweils besonderen umständen des einzelfalls im hinblick auf die vom gesetzgeber erstrebten verhältnisse an den bundesstraßen ‑ insoweit aber nicht im hinblick auf die konkreten verkehrsverhältnisse – nicht erforderlich ist. nicht beab-sichtigt ist eine belastung i.s.d. § 9 abs. 8 fstrg mithin nur dann, wenn das ein-halten des zufahrtsverbots nicht mehr dem typischen schutzgut der vorschriften entspricht. 34vgl. ovg nrw, urteil vom 02.02.1995, a.a.o. 35sicherheit und leichtigkeit des straßenverkehrs auf der bundesfernstraße werden typischerweise dann gefährdet, wenn die errichtung zusätzlicher gebäude und deren nutzung zu einer erhöhung der zahl zu- und abfahrender verkehrsteilnehmer führt. das ist bei dem von der klägerin geplanten 8-familienhaus der fall. es ist davon auszugehen, dass dieses wohnhaus zu einem erhöhten zu- und abgangsverkehr der vorhandenen zufahrt führt, denn diese zufahrt wird bislang nur von bewohnern und gästen von zwei einfamilienhäusern genutzt. für den fall, dass eines der einfamilienhäuser durch das 8-familienhaus ersetzt wird, kommt es zwangsläufig zu vermehrtem ein- und abbiegeverkehr von und zum grundstück der klägerin. 36nach alledem hat die klägerin keinen anspruch auf die begehrte ausnahmegeneh-migung. 37aus den obigen ausführungen ergibt sich zugleich, dass die klägerin zur verwirk-lichung ihres vorhabens einer straßenrechtlichen ausnahmegenehmigung nach § 9 abs. 1 nr. 2 i.v.m. abs. 8 fstrg bedarf. die von ihr hilfsweise begehrte feststellung, dass für die verwirklichung des von ihr beabsichtigten bauvorhabens eine straßen-rechtliche ausnahmegenehmigung nach § 9 abs. 1 nr. 2 i.v.m. abs. 8 fstrg nicht notwendig ist, war daher ebenfalls abzulehnen. 38die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. der ausspruch über die vor-läufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i.v.m. § 708 nr. 11 zpo. | Verklagte*r | 0 |
186,570 | 9 K 5382/11 | 2013-12-10T00:00:00 | Urteil | Tenor Die der Beigeladenen durch die Beklagte erteilte Baugenehmigung vom 28. November 2011 – Az. 01426-11-28 – wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar. 1Tatbestand: 2Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung C. , Flur 124, Flurstück Nr. 183 mit der postalischen Adresse Q. 4 in C. , welches mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. 3Die von der F. Straße abzweigende Straße Q. verläuft zunächst in westlicher und nach einem leichten Linksknick in westsüdwestlicher Richtung, bevor sie nach Südosten abbiegt. Nach einer weiteren Kurve verläuft die Straße zunächst in nordöstlicher, dann in östlicher Richtung, wo sie in einem Wendekreis nahe der F. Straße endet, ohne dass hier eine Durchfahrt für Kraftfahrzeuge möglich ist. Entlang des südlichen Teils der Straße Q. befinden sich auf beiden Seiten Wohnhäuser, wovon eines als über die Straße führendes Torhaus ausgeführt ist. Errichtet worden sind die Wohnhäuser sämtlich als Teil einer einheitlichen Zechensiedlung in den frühen 1920er Jahren. Die auf der nördlichen Seite dieses Teils der Straße befindlichen Grundstücke reichen jeweils bis an den nördlichen Teil der Straße heran, wobei sich im nördlichen Teil der Grundstücke die jeweiligen Garagenanlagen befinden. 4Die Klägerin betreibt in ihrem Haus (neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit als pharmazeutisch-technische Assistentin) ein Studio für Fußpflege und tibetische Druckpunktmassage. Hierzu hat sie eine zwölfwöchige Ausbildung absolviert. In dem Haus Q. 6 sind bei der Beklagten zwei Gewerbebetriebe (der Estrichlegebetrieb R. S. und der Stuckateurbetrieb M. S. ) gemeldet. Eine am 27. September 2013 durch die Beklagte durchgeführte Besichtigung der auf dem Grundstück Q. 6 vorhandenen Garagen hat keine gewerbliche Nutzung eben dieser, etwa zu Lagerzwecken, ergeben. 5Nördlich der Straße Q. verläuft in westnordwestlicher Richtung eine eingleisige Bahntrasse auf einem angeschütteten, ca. 5 m hohen Bahndamm, dessen südlicher Fuß unmittelbar an die Straße angrenzt und mit Sträuchern und kleinen Bäumen bewachsen ist. An der nördlichen Seite der Straße Q. – im Bereich der Einmündung derselben in die F. Straße – ist das Vorhabengrundstück zwischen der Straße Q. und dem Bahndamm gelegen. Das Gelände auf dem Vorhabengrundstück verläuft in nördlicher Richtung zunächst eben, bevor es dann am Fuße des Bahndamms ansteigt. 6Die F. Straße ist als Landesstraße (L 631) gewidmet. Ausweislich des schalltechnischen Gutachtens vom 18. Juli 2011 des Ingenieurbüros C1. E. (Blatt 59 der Beiakte 1), welches Teil der Bauvorlagen ist, beträgt das Verkehrsaufkommen auf der F. Straße im Durchschnitt je 24 Stunden 34.000 Kfz. Sie weist zwei Fahrstreifen je Richtungsfahrbahn sowie – im hier maßgeblichen Bereich – von Süden kommend eine Linksabbiegerspur für den abbiegenden Verkehr zur Straße Q. und von Norden kommend eine Linksabbiegerspur für den auf die Bundesautobahn 42 abbiegenden Verkehr auf. Zwischen den beiden Richtungsfahrbahnen verläuft ein diese trennender Grünstreifen. Die zuvor genannte Bahnlinie überquert die F. Straße mittels einer Brücke, wobei sich auf der östlichen Seite der F. Straße der Bahndamm in entsprechender Höhe und Ausführung fortsetzt. Die Eisenbahnbrücke weist (gemessen entlang der F. Straße) eine Tiefe von ca. 12 m auf und überspannt die F. Straße in einer Länge von ca. 35 m. Nördlich des Eisenbahndamms und westlich der F. Straße befinden sich mehrere Mehrfamilienhäuser sowie bis zur nächsten weiter nördlich gelegenen Eisenbahnbrücke insgesamt fünf Fremdwerbetafeln im Euroformat. Jeweils zwei weitere Fremdwerbetafeln im Euroformat stehen an der östlichen Seite der F. Straße nördlich und südlich des Bahndamms. 7Unterhalb der Eisenbahnbrücke befinden sich auf beiden Seiten der F. Straße jeweils zwei Fremdwerbetafeln im Euroformat, die jeweils zur Straße gewandt an dem Brückenwiderlager angebracht sind. Unmittelbar südlich-westlich des westlichen Brückenwiderlagers befinden sich auf dem Vorhabengrundstück zwei aufgeständerte Fremdwerbetafeln im Euroformat. Mittig auf dem Vorhabengrundstück liegt eine weitere, deutlich kleinere Werbeanlage („McDonald’s-M“ mit Pfeil nach rechts), die auf die gegenüberliegende Abfahrt von der Bundesautobahn 42 ausgerichtet ist. 8Südlich der Straße Q. und der an dieser entlang laufenden Bebauung verläuft die Bundesautobahn 42 („Emscherschnellweg“) mit jeweils zwei Fahrstreifen je Richtungsfahrbahn sowie hinzukommenden Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen. Die Fahrbahn der Bundesautobahn befindet sich ca. 5 m über dem Niveau der nördlich anschließenden Gärten. Am nördlichen Rand der Bundesautobahn schirmt eine mehrere Meter hohe Lärmschutzwand die vorhandene Bebauung von dem Verkehrslärm der Bundesautobahn ab. Das nach dem schalltechnischen Gutachten auf der Bundesautobahn 42 zu erwartende Verkehrsaufkommen beträgt je 24 Stunden 78.000 Kfz. Über die F. Straße wird die Bundesautobahn 42 mittels einer Brücke geführt, die eine Tiefe (gemessen entlang der F. Straße) von ca. 31 m aufweist. 9Westlich der Straße Q. befindet sich eine Grünfläche, die bis zum Schnittpunkt der vorstehend beschriebenen Bahnlinie mit einer weiteren nach Süden abknickenden Bahnlinie reicht. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird im Übrigen auf den nachfolgenden Kartenausschnitt Bezug genommen. 10Die Beigeladene beantragte am 16. Mai 2011 bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines „Starbucks Drive-Thru-Kaffeehauses“ für das Grundstück Gemarkung C. , Flur 124, Flurstücke 173, 174, 175 und 331, welches – wie dargestellt – nach Süden durch die Straße Q. , nach Westen durch den Berührungspunkt der Straße Q. mit dem Eisenbahndamm, im Norden durch den Eisenbahndamm und im Osten durch die F. Straße begrenzt wird. Das Vorhabengrundstück ist unbebaut. Den Bauantrag änderte die Beigeladene mit am 21. November 2011 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben hinsichtlich einiger (vorliegend nicht erheblicher) Teilaspekte ab. Ausweislich der beigefügten Betriebsbeschreibung ähneln der Funktionsablauf und der Gebäudetypus des geplanten Kaffeehauses mit Autoschalter denen eines Fastfood-Restaurants, wobei allerdings in dem Kaffeehaus keine Speisen zubereitet werden. Ausweislich der Bauzeichnungen soll das geplante Kaffeehaus im östlichen Bereich des Vorhabengrundstücks errichtet werden. Die Stellplätze für Besucher des Kaffeehauses sind an der westlichen Grenze (drei Stück) sowie im Norden in der Nähe der Böschungsunterkante des Bahndamms (14 Stück) vorgesehen. Die geplante Autospur soll so um das Kaffeehaus herumführen, dass Kraftfahrzeuge, die das Grundstück von der Straße Q. als einzig möglicher Zufahrt anfahren, zunächst nahezu parallel zur Straße nach Osten geleitet werden und dort an einer sogenannten „Order Station“ ihre Bestellungen aufgeben. Im weiteren Verlauf knickt die Autospur nach Norden ab und wird entlang der F. Straße geführt. In diesem Bereich erfolgt die Bezahlung und Ausgabe der bestellten Getränke und Snacks, bevor die Autospur zunächst – entlang der Parkplätze – nach Westen und dann zur Ausfahrt geführt wird. 11Ausweislich des mit dem Bauantrag vorgelegten schalltechnischen Gutachtens des Ingenieurbüros C1. E. vom 18. Juli 2011 ist während des Betriebs des Vorhabens je Tag innerhalb der Öffnungszeiten von 6 bis 22 Uhr mit insgesamt 600 Bestellvorgängen (so genannte „Tickets“) zu rechnen, wovon 20 auf Kunden ohne Kraftfahrzeug entfallen sollen. Bei den verbleibenden 580 Bestellvorgängen hingegen wird unterstellt, dass der Kunde mit dem Auto das Kaffeehaus anfährt – gleich ob er dann sein Fahrzeug parkt und den Verkaufsraum aufsucht oder den Autoschalter nutzt, wobei Letzterem ein Anteil von 30% zukommen soll. Bei dieser Anzahl an Bestellvorgängen und einer prognostizierten Besetzung von 1,4 Gästen pro Fahrzeug legt das schalltechnische Gutachten 414 Kraftfahrzeuge und somit 828 Fahrzeugbewegungen in der Zeit zwischen 6 und 22 Uhr zu Grunde. Berücksichtigt wurde ferner eine Anlieferung durch einen LKW ≤ 7,5 t je Werktag in der Zeit zwischen 6 und 22 Uhr. 12Mit Bescheid vom 28. November 2011 erteilte die Beklagte der Beigeladenen die begehrte Baugenehmigung. 13Die Klägerin hat am 22. Dezember 2011 die vorliegende Klage erhoben. Zu ihrer Begründung macht sie geltend: Gegenüber dem verfahrensgegenständlichen Vorhaben stehe ihr ein Gebietserhaltungsanspruch zu. Die nähere Umgebung stelle ein faktisches reines Wohngebiet nach § 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO) dar. Als nähere Umgebung sei insoweit das von dem Bahndamm im Norden, der F. Straße im Osten und der Bundesautobahn 42 im Süden umschlossene Gebiet zu betrachten. Die nördlich des Bahndamms gelegene Bebauung an der F. Straße sei nicht mit einzubeziehen. An der Einstufung als faktisches reines Wohngebiet ändere auch ihre Tätigkeit als Fußpflegerin und Druckpunktmasseurin nichts, denn sie erweise sich nach § 13 BauNVO in einem reinen Wohngebiet als zulässig. Die von der Beklagten beschriebenen Gewerbebetriebe (Estrichlege- und Stuckateurbetrieb) seien unter der Adresse Q. 6 nur gewerberechtlich gemeldet. Dort würden aber keine gewerblichen Tätigkeiten ausgeübt, insbesondere finde keine Be- und Entladung statt. Eine bloße Gewerbeanmeldung aber habe auf den Gebietscharakter keinen Einfluss. Auch die Fremdwerbetafeln auf dem Vorhabengrundstück änderten an dem Gebietscharakter nichts. Sie stellten für die Beurteilung des Gebietscharakters einen unbedeutenden Fremdkörper dar. Des Weiteren seien sie am Rand des Gebiets direkt am Bahndamm gelegen und sprächen allenfalls den Straßenverkehr auf der F. Straße an.In einem reinen Wohngebiet erweise sich das als Schank- und Speisewirtschaft anzusehende Vorhaben als planungsrechtlich unzulässig. Selbst bei der Annahme eines faktischen allgemeinen Wohngebiets sei das Vorhaben unzulässig, weil es wegen seines Konzeptes mit Autospur und seiner spezifischen Lage erkennbar nicht der Versorgung des Gebiets diene.Weiterhin erweise sich die Baugenehmigung als in nachbarrechtlicher Hinsicht unbestimmt. Dies gelte sowohl im Hinblick auf die zu erwartende zusätzliche Verkehrsbelastung wie auch auf zu erwartende Lärmimmissionen. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO könne vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen werden. 14Die Klägerin beantragt, 15die der Beigeladenen durch die Beklagte erteilte Baugenehmigung vom 28. November 2011 – Aktenzeichen 01426-11-28 – aufzuheben. 16Die Beklagte beantragt, 17die Klage abzuweisen. 18Hierzu führt sie aus: Die nähere Umgebung sei nicht als faktisches Baugebiet im Sinne der Baunutzungsverordnung, sondern als Gemengelage einzustufen. Die auf dem Vorhabengrundstück, unter der nördlich angrenzenden Brücke, im weiteren Verlauf der F. Straße Richtung Norden und auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Fremdwerbeanlagen seien in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet regelmäßig unzulässig. Hinzu kämen weitere gewerbliche Nutzungen, so das Fußpflegestudio der Klägerin, die im Haus Q. 6 gemeldeten Stuckateur- und Estrichlegebetriebe und die nördlich der Eisenbahnbrücke entlang der F. Straße gemeldeten Gewerbebetriebe. So sei im Haus Nr. 179 eine Gebäudereinigungsfirma, im Haus Nr. 179 A ein Unternehmen für Bautenschutz, im Haus Nr. 183 ein Trockenbau-und Abbruchunternehmen und im Haus Nr. 187 ein Unternehmen zur Montage von Sicherheitsnetzen gewerberechtlich gemeldet. Diese gewerblichen Nutzungen seien auch einzubeziehen, da bei der Art der baulichen Nutzung die nähere Umgebung weiter zu verstehen sei. Die F. Straße weise nördlich der Bundesautobahn 42 zumindest auf ihrer Westseite ein einheitliches Bild auf, das von Wohnnutzung, einer sehr großen Anzahl von Fremdwerbeanlagen und gewerblichen Betrieben geprägt sei. Die Bahntrasse nördlich des Vorhabengrundstücks habe keine trennende Funktion, da sie keine Zäsur bilde. Eine Zäsurwirkung könne nur angenommen werden, wenn der Verkehrsweg selbst eine gewisse Ausdehnung habe und es einen deutlichen Wechsel der städtebaulichen Struktur gebe, was beides nicht vorliege.Selbst wenn der Bahnstrecke einschließlich der Brücke trennende Wirkung zuzusprechen sei, liege im Hinblick auf die vorhandenen gewerblichen Nutzungen kein Wohngebiet vor. Auch in diesem Fall seien die unter der Brücke am westlichen Brückenwiderlager angebrachten Werbeanlagen als zu dem Baugebiet zugehörig anzusehen. Diese befänden sich in einer Entfernung von nur etwa 10 m zum Vorhabengrundstück und wirkten auf dieses wie selbstverständlich ein. Eine andere Betrachtungsweise würde zu einer Atomisierung faktischer Baugebiete führen, die rechtlich nicht hinzunehmen sei.Im Übrigen könne in einem allgemeinen Wohngebiet eine nicht der Gebietsversorgung dienende Gaststätte als nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden. Das Vorhaben stelle aufgrund der fehlenden nächtlichen Betriebszeiten, der Gestaltung als Kaffeehaus und der konkreten Anordnung der baulichen Anlagen einen solchen nicht störenden Gewerbebetrieb dar. Dabei sei die Frage, ob die typischerweise zu erwartenden Auswirkungen eines Gewerbebetriebs störend seien, konkret im jeweiligen Einzelfall zu beantworten. Dies sei vorliegend – wie sich aus dem vorgelegten Schallschutzgutachten ergebe – nicht der Fall, da die zulässigen Lärmgrenzwerte gegenüber den Nachbarn eingehalten würden. 19Die Beigeladene stellt keinen Antrag. 20Der Berichterstatter hat am 17. September 2013 die Örtlichkeit in Augenschein genommen und anhand der dabei gefertigten Lichtbilder die gewonnenen Eindrücke der erkennenden Kammer vermittelt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Ortsterminprotokoll nebst gefertigten Lichtbildern Bezug genommen. 21Entscheidungsgründe: 22Die zulässige Klage ist begründet. 23Die Anfechtungsklage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) (nur) begründet, wenn der Klägerin ein Abwehrrecht gegen dieses Vorhaben zusteht. Dies setzt voraus, dass das Vorhaben in einer nicht durch einen rechtmäßigen Dispens ausräumbaren Weise gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die auch dem Schutz der Klägerin zu dienen bestimmt sind, und – sofern sich dies aus der nachbarschützenden Vorschrift ergibt – die Klägerin durch das Vorhaben tatsächlich spürbar beeinträchtigt wird. Ob das Vorhaben objektiv, d.h. hinsichtlich der Vorschriften, die nicht nachbarschützend sind, rechtmäßig ist, wird im Klageverfahren hingegen nicht geprüft. 24Das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben verstößt gegen die Klägerin schützende Normen des Baurechts. Der Klägerin steht gegenüber dem durch die Beklagte genehmigten verfahrensgegenständlichen Vorhaben der Beigeladenen ein Gebietsgewährleistungsanspruch zu. 25Dieser ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil das Vorhabengrundstück im Außenbereich liegt. Zwar handelt es sich bei den nordwestlich von dem Vorhabengrundstück gelegenen Grundstücken ebenso wie bei denen westlich der Straße Q. um Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB. Das Vorhabengrundstück, welches von dem Bahndamm, der F. Straße und der Straßen Q. umschlossen ist, weist aber keine (unmittelbare) Verbindung zum Außenbereich auf, sondern ist vollständig von Verkehrsinfrastruktur umgeben. Es erscheint angesichts seiner eher geringen Größe, der geringen Breite der Straße Q. und der Mächtigkeit des Bahndamms auch nicht als eigenständiger Außenbereich, sondern muss im Zusammenhang mit der übrigen (bebauten) Fläche einheitlich betrachtet werden. 26Zur Annahme von „Außenbereichsinseln“ im Innenbereich vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 5. Januar 2005 – 10 A 2219/02 –, juris Rn 5. 27Der Gebietsgewährleistungsanspruch ist darauf gerichtet, dass sich ein Nachbar in einem (faktischen) Baugebiet im Sinne von § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 BauNVO auch dann gegen die Zulassung einer in dem Baugebiet gebietswidrigen Nutzung wenden können soll, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat grundsätzlich nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet. Hauptanwendungsfall für diesen Grundsatz, der auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses im Sinne eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses beruht, sind die Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Nutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. So kann jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern. Entsprechendes gilt innerhalb faktischer Baugebiete nach § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB. Der Gebietsgewährleistungsanspruch greift demnach gegenüber Vorhaben ein, die in dem betreffenden Baugebiet weder planungsrechtlich regelhaft zulässig sind noch nach § 31 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB im Wege einer Ausnahme oder Befreiung zugelassen werden können bzw. worden sind. 28Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. April 1967 – IV C 10.65 –, BVerwGE 27, 29 = juris Rn 14, vom 16. September 1993 – 4 C 28.91 –, BVerwGE 94, 151 = juris Rn 12, und vom 23. August 1996 – 4 C 13.94 –, BVerwGE 101, 364 = juris Rn 48 ff.; Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 4 B 55.07 –, BRS 71 Nr. 68 = juris Rn 5; OVG NRW, Beschluss vom 28. November 2002 – 10 B 1618/02 –, BRS 66 Nr. 168 = juris Rn 3; Urteil vom 17. Dezember 2008 – 10 A 3001/07 –, juris Rn 35; Beschluss vom 22. Juni 2010 – 7 B 479/10 –, juris Rn 7; Urteile vom 21. Dezember 2010 – 2 A 1419/09 –, DVBl. 2011, 570 = juris Rn 83 ff., und vom 9. März 2012 – 2 A 1626/10 –, BauR 2012, 1223 = juris Rn 45. 29Die Klägerin ist Eigentümerin des zwischen dem südlichen und dem nördlichen Teil der Straße Q. gelegenen Hausgrundstücks Q1. 4 (Gemarkung C. , Flur 124, Flurstück Nr. 183). Dieses Grundstück liegt, ebenso wie das Vorhabengrundstück, nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Beide Grundstücke sind aber Teil eines einheitlichen faktischen Baugebiets i.S.d. § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB i.V.m. den §§ 2 ff. BauNVO. 30Für die Beurteilung der Frage, ob die nähere Umgebung im Sinne des Bauplanungsrechts einem der in den §§ 2 ff. BauNVO festgelegten Gebietstypen entspricht, muss der Gebietscharakter wie auch die Reichweite der maßgeblichen näheren Umgebung im Einzelfall bestimmt werden. Letztere ist unter Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen Vorhaben und der sie umgebenden baulichen Nutzungen zu ermitteln. Hierzu bedarf es der Berücksichtigung beider Perspektiven, so dass vom Vorhaben auf die Umgebung und von der Umgebung auf das Vorhaben zu prüfen ist, wie weit die jeweiligen bauplanungsrechtlich relevanten Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung zum einen insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zum anderen insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder jedenfalls doch beeinflusst. Bei dieser Ermittlung der näheren Umgebung ist die Betrachtung auf das Wesentliche zurückzuführen und sind Fremdkörper und Ausnahmen außer Acht zu lassen, solange beispielsweise die erkennbaren Grundzüge der Planung durch sie nicht berührt werden. Bei der für die Prüfung erforderlichen Bestandsaufnahme ist grundsätzlich alles tatsächlich Vorhandene in den Blick zu nehmen. Bedingt durch diese Wechselwirkung von Vorhaben und jeweiliger Umgebungsbebauung folgt, dass die Grenzen der näheren Umgebung nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation im konkreten Einzelfall zu bestimmen sind. So darf nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt. Vielmehr muss die Bebauung auch jenseits der unmittelbaren Nachbarschaft berücksichtigt werden, soweit auch sie noch "prägend" auf dasselbe einwirkt oder derartigen Einwirkungen ausgesetzt ist, also die örtlichen bodenrechtlichen Gegebenheiten des Vorhabens mitbestimmt oder seinerseits durch sie bestimmt wird. 31Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Oktober 1974 – IV C 77.73 –, BRS 28 Nr. 27 = juris Rn 15, und vom 26. Mai 1978 – IV C 9.77 –, BVerwGE 55, 369 = juris Rn 33; Beschlüsse vom 11. November 1980 – 4 B 207.80 –, BRS 36 Nr. 54 = juris Rn 2, vom 20. August 1998 – 4 B 79.98 –, BRS 60 Nr. 176 = juris Rn 7 f., und vom 11. Februar 2000 – 4 B 1/00 –, BRS 63 Nr. 102 = juris Rn 34 und 44; OVG NRW, Urteile vom 19. April 2010 – 7 A 2362/07 –, juris Rn 56, vom 9. September 2010 – 2 A 508/09 –, juris Rn 35, und vom 9. März 2012 – 2 A 1626/10 –, BauR 2012, 1223 = juris Rn 48. 32Bei der Bestimmung der näheren Umgebung im Sinne der Wechselbezüglichkeit von Vorhaben und der benachbarten Bebauung können die topographischen Gegebenheiten wie Geländehindernisse und -zäsuren, Erhebungen oder Einschnitte eine Rolle spielen. Bedeutung kann aber nicht allein natürlichen Besonderheiten der Topographie zukommen. Auch künstlich errichtete Geländemerkmale wie etwa Eisenbahntrassen oder Dämme sowie Straßen oder Wege können in dieser Hinsicht von Bedeutung sein. 33Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1990 – 4 C 40.87 –, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 138 = juris Rn 22; Beschlüsse vom 16. Februar 1988 – 4 B 19.88 –, Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 123 = juris Rn 2, und vom 10. März 1994 – 4 B 50/94 –, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 165 = juris Rn 4. 34Die Rechtsprechung zur Abgrenzung von Innen- und Außenbereich kann auf die Frage der Abgrenzung der näheren Umgebung im Sinne von § 34 BauGB sinngemäß übertragen werden. Bei Berücksichtigung der vorgenannten topographischen Gegebenheiten kann sich ergeben, dass etwa unmittelbar aneinandergrenzende bebaute Grundstücke gleichwohl zwei unterschiedlichen Baugebieten angehören und damit eines von beiden aus der zu berücksichtigenden näheren Umgebung herausfällt. Ob dies im Einzelfall so ist, kann – auch im Hinblick auf § 34 BauGB – stets nur das Ergebnis einer Wertung des konkreten Sachverhalts sein. Dies gilt insbesondere für die Bewertung, ob einer Straße eine trennende oder verbindende Wirkung zukommt ober ob sie diesbezüglich keinerlei Wirkungen zu entfalten vermag. 35Vgl. zur Übertragung auf § 34 BauGB BVerwG, Beschluss vom 20. August 1998 – 4 B 79/98 –, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 191 = juris Rn 8; zur Wirkung von Straßen BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 – 4 C 28.83 –, Buchholz 406.11 § 12 BBauG Nr. 11 = juris Rn 9; Beschlüsse vom 10. März 1994 – 4 B 50.94 –, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 16 = juris Rn 3, und vom 11. Februar 2000 – 4 B 1/00 –, BRS 63 Nr. 102 = juris Rn 18. 36Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe wird die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks im Süden von der nördlichen Seite der Bundesautobahn 42,, im Osten von dem westlichen Straßenrand der F. Straße L 631, im Norden von dem südlichen Rand der Böschung des Eisenbahndamms und im Westen durch das Ende der Bebauung begrenzt. 37Die Bundesautobahn 42 trennt die nördlich und südlich von ihr gelegenen Bereiche in dem vorgenannten Sinne. In der hier maßgeblichen räumlichen Umgebung verläuft sie nicht ebenerdig, sondern auf einem gegenüber der unmittelbaren Umgebung mehrere Meter erhöhten, jedenfalls an der Nordseite mit Betonteilen eingefassten Fundament, so dass sie sich schon aus diesem Grund gegenüber der umliegenden Bebauung deutlich hervorhebt. Hinzu kommt, dass jedenfalls auf ihrer nördlichen Seite die Autobahn und der durch sie erzeugte Verkehrslärm gegenüber der anschließenden Wohnbebauung durch eine für sich genommen bereits mehrere Meter hohe Lärmschutzwand abgeschirmt wird. Beides, Fundament und Lärmschutzwand, wirken im Sinne einer durch das Gebiet laufenden unüberwindbaren Barriere. Die Tiefe der Autobahntrasse, gemessen entlang der F. Straße, beträgt ca. 31 Meter. Der Bundesautobahn 42 kommt eine erhebliche Verkehrsbedeutung – sowohl für den Fern- wie auch für den Regionalverkehr – zu. So gehen die von der Beigeladenen vorgelegten Bauvorlagen selbst von einem Verkehrsaufkommen von 78.000 Fahrzeugen in 24 Stunden aus. Die auf der Autobahn fahrenden Kraftfahrzeuge bewegen sich (autobahntypisch) mit einer erheblichen Reisegeschwindigkeit, was den wahrnehmbaren Eindruck einer durch das Gelände führenden Schneise weiter verstärkt. Hiermit geht einher, dass von der Bundesautobahn erhebliche Lärmimmissionen ausgehen, die – wie im gerichtlichen Ortstermin wahrnehmbar – auch nördlich der Lärmschutzwand als faktische Dauerlärmquelle deutlich wahrzunehmen sind. 38Der F. Straße (L 631) kommt hinsichtlich der westlich und östlich von ihr gelegenen Bereiche trennende Wirkung in Hinsicht auf die Art der baulichen Nutzung zu. Wenngleich im geringeren Maße als die Bundesautobahn 42 kommt der F. Straße als einer der wesentlichen, aus der Innenstadt herausführenden Ausfall- bzw. in dieselbe hineinführenden Einfallstraßen von C. eine besondere verkehrliche Bedeutung zu. Dies manifestiert sich in der Anzahl der Kfz-Bewegungen, die ausweislich der von der Beigeladenen vorgelegten Bauvorlagen 34.000 Fahrzeuge in 24 Stunden beträgt. Entsprechend dieser Verkehrsbedeutung ist die F. Straße je Fahrtrichtung jeweils mit mindestens zwei Fahrstreifen versehen. Hinzu kommen in dem maßgeblichen Bereich Linksabbiegerspuren für jede Fahrtrichtung. Die Richtungsfahrbahnen werden dabei von einem in der Mitte liegenden Grünstreifen baulich getrennt. Auf beiden Seiten der F. Straße verlaufen in dem maßgeblichen Bereich Gehwege, die den optischen Eindruck der Breite der Straße noch verstärken. Auf der Höhe des Wendehammers der Straße Q. beträgt so die Breite der F. Straße einschließlich der Fußwege auf beiden Seiten ca. 32 Meter. Hinzu kommt, dass sich die bauliche Nutzung auf beiden Straßenseiten deutlich unterscheidet. In dem Bereich zwischen der Bundesautobahn 42 und der nördlich verlaufenden Eisenbahntrasse wird lediglich die westliche Seite von baulichen Anlagen bestimmt, während sich auf der östlichen Seite unmittelbar südlich der Eisenbahntrasse neben dem zur Bundesautobahn 42 führenden Zubringer (Anschlussstelle C. -Süd) lediglich zwei Fremdwerbetafeln im Euroformat befinden. 39Der auf einem angeschütteten Damm verlaufenden eingleisigen Eisenbahntrasse im Norden der Straße Q. und des Vorhabengrundstücks kommt ebenfalls eine trennende Wirkung im vorgenannten Sinne zu. Die Oberkante des Damms erhebt sich geschätzte 5 m über das Niveau der südlich gelegenen Straße und Grundstücke, wobei es – gemessen unterhalb der Brücke – von Fuß zu Fuß des Bahndamms ungefähr 28 m sind. Der Bahndamm ist mit zahlreichen Büschen und kleineren Bäumen bewachsen. Er ist geeignet, den Blick eines in diesem Bereich befindlichen Betrachters – gleich, ob dieser am Fuß des Bahndamms, auf dem nördlichen oder gar südlichen Teilstück der Straße Q. steht oder sich im ersten Obergeschosses eines der vorhandenen Gebäude befindet – auf die dahinterliegenden Bereiche (nahezu) vollständig zu verstellen. Somit entsteht gegenüber dem nördlich des Bahndamms liegenden Bereich ein Gefühl der Abschottung und Abgeschlossenheit. Soweit die Beklagte anführt, die Brücke über die F. Straße habe aufgrund ihrer „Schaufensterfunktion“ eine verbindende Wirkung, so dass trotz des vorhandenen Bahndamms die südlich und nördlich gelegenen Gebiete als ein Baugebiet zu betrachten seien, führt dies nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Zwar ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass ein Bebauungszusammenhang nicht notwendigerweise durch ein Geländehindernis und die damit fehlende optische Verbindung zwischen zwei Baukomplexen beendet wird. Vielmehr kann unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse im Einzelfall ein solcher Bebauungszusammenhang auch über ein Hindernis hinweg noch zu bejahen sein, wenn aufgrund anderer Umstände das Hindernis in den Hintergrund tritt und gleichzeitig eine dieses Hindernis überwindende Verkehrsverbindung besteht. 40Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 1988 – 4 B 71/88 –, BRS 48 Nr. 45 = juris Rn 5, unter Verweis auf die Enge eines Flusstals und das Vorhandensein weiterer, die Bebauung ausschließender naher Grenzen wie etwa eine Bundesstraße und ein Bergrücken; für eine Unterführung unter einem Bahndamm offen gelassen bei VG Gera, Urteil vom 8. Oktober 1998 – 4 K 212/98.GE –, ThürVBl 1999, 69 = juris Rn 19. 41Unter der insoweit maßgeblichen Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände im Einzelfall führt die Berücksichtigung der den Bahndamm unterbrechenden Eisenbahnbrücke über die F. Straße nicht dazu, dass die auf der westlichen Seite der F. Straße nördlich und südlich der Eisenbahnlinie liegenden Bebauungskomplexe als eine Einheit und folglich als ein Baugebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB zu verstehen sind. 42Der F. Straße kommt – wie dargelegt – trennende Wirkung zu. Sowohl ihre Fahrbahn als auch der westlich gelegene Fußweg sind daher nicht mehr Teil der näheren Umgebung des bauplanungsrechtlich maßgeblich zu betrachtenden Gebiets. Als eine nicht innerhalb der zu betrachtenden näheren Umgebung gelegene Verkehrsfläche, die einer Bebauung vollständig entzogen ist, kann sie für sich genommen keine die Art der Bebauung prägende Bedeutung haben. Gerade hierauf kommt es aber für die Bestimmung der näheren Umgebung im Sinne des § 34 BauGB entscheidend an. Als die Umgebung nicht mehr prägende Verkehrsanlage kann sie auch derselben nicht als verbindendes Element in der Weise dienen, dass die westlich von ihr gelegenen durch den Bahndamm durchtrennten Flächen eine einheitlich zu betrachtende maßgebliche Umgebung bilden. 43Zwar ermöglicht die Unterbrechung des Bahndamms durch das Brückenbauwerk über die F. Straße anders als der Bahndamm selbst einen Blick auf die jeweils andere Seite. Dies ist aber weder vom Bereich westlich der F. Straße und nördlich der Eisenbahnlinie auf das Vorhabengrundstück sowie die dahinter liegende Bebauung noch in umgekehrter Richtung möglich. Außerdem vermag die Unterführung der F. Straße einschließlich der beiden Fußwege unter der Bahntrasse die trennende Wirkung des Bahndamms in seiner Massivität und Höhe nicht aufzuwiegen. Allein die Sichtbarkeit beider Bebauungskomplexe von einem Standort – nämlich unter dem Brückenbauwerk stehend und zugleich in süd- und nördliche Richtung blickend – lässt die beiden in den Blick kommenden, nach Westen sich erstreckenden Bereiche nicht als einheitliche Umgebung erscheinen. 44Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Gebäude beiderseits des Bahndamms im Hinblick auf ihr Maß gerade keine Einheit bilden, die geeignet wäre, die vorhandene räumliche Barriere zu überwinden und beide Bebauungskomplexe im Sinne einer einheitlichen Betrachtung zusammenzufassen. Die Bebauung im Bereich der Straße Q. unterscheidet sich von der auf der westlichen Seite der F. Straße nördlich der Bahntrasse hinreichend deutlich. Nördlich des Bahndamms stehen entlang der F. Straße Mehrfamilienhäuser. Im Bereich der Straße Q2.------ wurde hingegen in den frühen 1920er Jahren eine Zechensiedlung errichtet, die noch heute – abgesehen von Änderungen etwa in den Außenfassaden – als gleichförmig wirkende Bebauung erscheint. Diese Bebauung wirkt durch ihre Lage und Ausrichtung ferner in gewisser Hinsicht von der F. Straße abgeschirmt. 45Im vorliegenden Fall besteht trotz der optischen Durchlässigkeit der Eisenbahnunterführung auch kein Schaufenstereffekt. Dieser würde – einem Schaufenster vergleichbar – nicht nur eine Sichtverbindung, sondern zugleich eine besondere Betonung im Sinne einer Hinlenkung des Blickes voraussetzen. Dies ist vorliegend nicht erkennbar. 46Zur näheren Umgebung gehören entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht die beiden Fremdwerbetafeln im Euroformat, die an der der F. Straße zugewandten Seite des westlichen Brückenwiderlagers angebracht sind. 47Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass der Eisenbahndamm in seiner Gesamtheit, also einschließlich des Brückenbauwerks über die F. Straße eine Eisenbahnbetriebsanlage und damit dem Baurecht (vgl. § 38 BauGB) entzogen ist. Bei den an der der F. Straße zugewandten Seite des Brückenwiderlagers angebrachten beiden Fremdwerbeanlagen handelt es sich um eine mit der Nutzung als Verkehrsinfrastruktur nur räumlich, nicht aber funktional – also dem Bahnbetrieb dienende – zusammenhängende bauliche Nutzung, die einer baurechtlichen Bewertung demnach nicht entzogen ist. 48Vgl. zu der vergleichbaren Frage hinsichtlich der Reichweite des Fachplanungsvorbehalts BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1988 – 4 C 48/86 –, BVerwGE 81, 111 = juris Rn 20; BayVGH, Urteil vom 17. November 2008 – 14 B 06.3096 –, juris 14. 49Bestandteil der näheren Umgebung wären diese Fremdwerbeanlagen nur, wenn eine schmale, an der Wand des westlichen Brückenwiderlagers entlanglaufende, die Werbeanlagen erfassende Fläche quasi als Zipfel der näheren Umgebung des Baugebiets zuzurechnen wäre. Ein diese Annahme begründender Zusammenhang zwischen dem Vorhabengrundstück, der dahinter liegenden Bebauung und des vor der Wandfläche des westlichen Brückenpfeilers gelegenen Zipfels ist allerdings nicht gegeben. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass die beiden Fremdwerbeanlagen in der Nähe des Vorhabengrundstücks befindlich sind, auf welchem selbst mehrere Fremdwerbeanlagen stehen. Es ist aber keine geordnete, sondern eine eher lockere Aufeinanderfolge von Werbeanlagen erkennbar. Im Gegensatz zu den unter der Eisenbahnbrücke befindlichen Werbeanlagen sind die auf dem Vorhabengrundstück nicht parallel zur F. Straße hin ausgerichtet, sondern stehen fast parallel zum Bahndamm. Es besteht auch kein innerer Zusammenhang zwischen den Fremdwerbeanlagen auf dem Vorhabengrundstück und den unter der Eisenbahnbrücke befindlichen. Vielmehr handelt es sich ausschließlich um gleichförmige, für sich zu betrachtende bauliche Nutzungen. Dass es insofern zu einer gewissen Häufung von Fremdwerbeanlagen in diesem Bereich kommt, findet seine Begründung allein in der räumlichen Situation. Alle Fremdwerbeanlagen sind zur F. Straße ausgerichtet, die auf dem Vorhabengrundstück befindlichen zusätzlich auch noch zur Abfahrt C. -Süd der Bundesautobahn 42. 50Hinzu kommt der hinter den Werbeanlagen auf dem Vorhabengrundstück gelegene Bahndamm einschließlich Brückenbauwerk. Mit seiner Höhe und Massivität erweist sich der jenseits der F. Straße fortsetzende Bahndamm trotz seiner Durchlässigkeit im Bereich des Brückenbauwerks als dominant und steht damit der Annahme eines Zusammenhangs zwischen den Werbeanlagen entgegen. Dass die Brücke für sich genommen – anders als der Bahndamm – im Bereich der F. Straße einen wechselseitigen Blick auf die jeweils andere Seite des Bahndamms ermöglicht, ändert an dieser optischen Riegelwirkung der gesamten Anlage nichts. 51Dass die beiden Fremdwerbeanlagen unterhalb des Brückenbauwerks u.U. keiner anderen baurechtlich relevanten näheren Umgebung zuzurechnen sind, ändert an dem fehlenden Zusammenhang nichts. Sie sind von einer bauliche Nutzung ausschließenden Verkehrsinfrastruktur umgeben und bilden somit baurechtliche „Insellagen“. Soweit die Beklagte hierbei die Gefahr einer Atomisierung von Baugebieten im Sinne des § 34 BauGB sieht, führt dies nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks. Zwar ist der Beklagten insoweit zuzugeben, dass sich die nähere Umgebung dieser baulichen Anlagen auf den Bereich unter der Brücke beschränkt. Hieraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass aus diesem Grund die Werbetafeln zwingend einer oder beiden Seiten des Bahndamms „zuzuschlagen“ sein müssen. Vielmehr kann sich unter Anwendung der vorstehend dargelegten Grundsätze sehr wohl ergeben, dass der Bereich unter der Brücke einer eigenständigen isolierten bauplanungsrechtlichen Betrachtung zu unterwerfen ist, die durch die äußeren Kanten des Bahndamms bzw. der Brücke begrenzt wird. 52Die so bestimmte nähere Umgebung ist hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO als allgemeines Wohngebiet zu beurteilen. 53§ 34 Abs. 2 BauGB ist (nur) anwendbar, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete entspricht. Die weitere bauliche Entwicklung soll hinsichtlich der Art der Nutzung in einem unbeplanten Gebiet nur dann an die Vorgaben der Baunutzungsverordnung für die jeweiligen Baugebietstypen gebunden sein, wenn die maßgebliche nähere Umgebung nach der dort vorhandenen Nutzungsstruktur auch einem dieser Baugebietstypen entspricht und sich dem entsprechend fortentwickeln soll. Der danach zu bestimmende Gebietscharakter wird durch Ausnahmen noch nicht in Frage gestellt, solange die erkennbaren Grundzüge der Planung nicht berührt werden (vgl. § 31 Abs. 1 BauGB). Dass in einem nach der BauNVO zu kategorisierenden Gebiet bestimmte vorhandene Vorhaben nur ausnahmsweise zulässig sind, steht der Annahme eines derartigen faktischen Baugebiets nicht entgegen. Dies ist erst dann anders, wenn diese Vorhaben sich nicht auf wirkliche Ausnahmefälle beschränken, sondern über den Ausnahmetatbestand hinaustreten und eine eigene prägende Wirkung auf die Umgebung ausüben. 54Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Juli 1991 – 4 B 1.91 –, Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 6 = juris Rn 8, und vom 11. Februar 2000 – 4 B 1/00 –, BRS 63 Nr. 102 = juris Rn 34. 55Die nähere Umgebung des Vorhabens entspricht dem Baugebietstypus eines allgemeinen Wohngebiets nach § 4 BauNVO. Diese dienen gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Neben den nach § 4 Abs. 2 BauNVO regelmäßig zulässigen Arten der Bebauung können die in § 4 Abs. 3 BauNVO genannten Nutzungsarten ausnahmsweise zugelassen werden. Innerhalb des durch die Straße Q. gebildeten Vierecks werden die dort vorhandenen Gebäude fast ausschließlich zum Wohnen genutzt. 56Soweit die Klägerin nach ihren eigenen Angaben im Untergeschoss ihres Hauses ein Studio für Fußpflege und tibetische Massagen betreibt, handelt es sich um einen nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässigen nicht störenden Gewerbebetrieb, nicht aber um eine Berufsausübung Gewerbetreibender, die ihren Beruf in ähnlicher Weise wie Freiberufler ausüben, § 13 Alternative 2 BauNVO. Eine solche Privilegierung setzt voraus, dass das Gewerbe in persönlicher Unabhängigkeit und auf persönliche Fertigkeiten beruhend erbracht wird, wobei letztere nicht zwingend geistiger Natur sein müssen. 57Vgl. grundlegend BVerwG, Urteile vom 30. Januar 1970– IV C 143.65 –, BRS 23 Nr. 36, und vom 20. Januar 1984– 4 C 56/80 –, BVerwGE 68, 324 = juris Rn 10. 58Diese Voraussetzungen kann auch das Anbieten von Fußpflege im Einzelfall erfüllen. So dürfte ein Angebot medizinischer Fußpflege unter § 13 BauNVO fallen, wenn diese von einem ausgebildeten Podologen im Sinne des Gesetzes über den Beruf der Podologin und des Podologen (Podologengesetz - PodG) vom 4. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3320) durchgeführt wird. Die hiernach vorgesehene Ausbildung dauert in Vollzeitform zwei Jahre und in Teilzeitform höchstens vier Jahre und wird mit einer staatlichen Prüfung abgeschlossen (§ 4 Satz 1 und 2 PodG). In diesem Fall liegt die Annahme nahe, dass es sich um einen dem Krankengymnasten bzw. Physiotherapeuten "ähnlichen" Heil- bzw. Heilhilfsberuf handelt. 59So ausdrücklich OVG NRW, Urteil vom 25. August 2011– 2 A 38/10 –, BRS 78 Nr. 95 = juris Rn 83. 60Dies ist aber vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin hat nach ihren eigenen Angaben eine zwölfwöchige Ausbildung absolviert und verfügt somit nicht über eine vergleichbare persönliche Befähigung wie etwa ein staatlich geprüfter Podologe oder Physiotherapeut. Gleiches gilt für die tibetischen Druckpunktmassagen. Eine etwa dem Masseur vergleichbare, zwei Jahre dauernde Ausbildung i.S.d. § 4 Masseur- und Physiotherapeutengesetz (MPhG) hat die Klägerin ebenfalls nicht durchlaufen. 61Ob im für die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung bei der Nachbarklage grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung an die Beigeladene in dem Haus Q. 10 die Geschäftsstelle eines Vertreters der Versicherung B. betrieben worden ist – während des durch den Berichterstatter durchgeführten Ortstermins waren die vormals an einem Fenster des Hauses angebrachten, von der Klägerin selbst dokumentierten Hinweise entfernt –, kann offen bleiben. Jedenfalls erweist sich diese Nutzung in einem allgemeinen Wohngebiet als nach § 13 Alternative 2 BauNVO zulässig. Die Tätigkeit als Versicherungsvertreter stellt eine der freiberuflichen ähnliche Berufsausübung dar. 62Vgl. hierzu die amtl. Begründung zur BauNVO, Bundesrats-Drs. 53/62, Anlage Seite 8. 63Dafür, dass diese Nutzung die in § 13 BauNVO hinsichtlich der Baugebiete nach den §§ 2-4 BauNVO vorgesehene Beschränkung auf einzelne Räume nicht eingehalten hätte, deutet nichts hin und ist von der Beklagten oder der Beigeladenen auch nichts geltend gemacht worden. Hierfür wäre jedenfalls erforderlich, dass deutlich mehr als ein Raum genutzt worden und so der vorherrschende Eindruck des Wohnens für das Gebäude verloren gegangen wäre. 64Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Januar 1984 – 4 C 56/80 –, BVerwGE 68, 324 = juris Rn 13, vom 25. Januar 1985 – 4 C 34/81 –, Buchholz 406.12 § 13 BauNVO Nr. 4 = juris Rn 11, und vom 18. Mai 2001 – 4 C 8/00 –, BauR 2001, 1556 = juris Rn 15. 65Soweit die Beklagte im Rahmen des Verfahrens von einer gewerblichen Nutzung des Hausgrundstücks Q. 6 durch den Stuckateurbetrieb N. S. und den Estrichlegebetrieb S1. W. S. ausgegangen ist, ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Auf die bloße Gewerbeanmeldung unter dieser Adresse kommt es für die bauplanungsrechtliche Bewertung nicht an. Maßgeblich sind vielmehr allein solche Umstände, die sich in der Örtlichkeit tatsächlich im Sinne einer Wahrnehmbarkeit manifestieren und insoweit das Einfügen einer Nutzung in die Umgebung überhaupt beeinflussen können. Gleichwohl kommt der Gewerbeanmeldung regelmäßig eine indizielle Wirkung in dem Sinne zu, als von ihrer Richtigkeit ausgegangen werden kann, wenn tatsächliche Beobachtungen dem nicht entgegenstehen. Letzteres ist vorliegend aber der Fall. Die Beklagte hat am 27. September 2013 die auf dem fraglichen Grundstück vorhandenen Garagen in Augenschein genommen und konnte dabei eine Nutzung der Garagen mit betrieblichem Hintergrund, etwa zu Lager- und/oder Verarbeitungszwecken, nicht feststellen. Darüber hinausgehende Anhaltspunkte für eine gewerbliche Nutzung der Grundstücke bestehen nicht. Eine allein im Rahmen der privaten Lebensführung erfolgende und damit deutlich untergeordnete Benutzung eines Raumes auch zur Erledigung beruflicher oder geschäftlicher Angelegenheiten („privates Arbeitszimmer“) stellt keine gewerbliche Nutzung im Sinne des Bauplanungsrechts dar. 66Die beiden zusammenstehenden Fremdwerbetafeln im Euroformat und das Hinweisschild auf das McDonald’s-Schnellrestaurant stellen in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet als Ausnahme zulässige nicht störende Gewerbebetriebe i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO dar. Sie sind – in Abgrenzung etwa zu Werbung an der Stätte der Leistung – selbstständige (gewerbliche) Hauptnutzungen und insoweit einer eigenen bauplanungsrechtlichen Beurteilung zugängig. 67Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992 – 4 C 27/91 –, BVerwGE 91, 234 = juris Rn 25. 68Für die Frage, ob es sich bei einer Fremdwerbeanlage um einen "nicht störenden" Gewerbebetrieb handelt, sind alle mit der Zulassung des Betriebs nach seinem Gegenstand, seiner Struktur und Arbeitsweise typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung zu berücksichtigen. Dabei ist nicht nur auf Immissionen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes abzustellen, sondern auch auf optische Auswirkungen des Vorhabens. Diese können den Gebietscharakter eines Wohngebiets, nämlich die dort zu gewährleistende Wohnruhe, ebenso gut stören. Ein Vorhaben kann durch seine optische Erscheinung gebietswidrig „laut wie die Erzeugung von Geräuschen“ sein. 69So ausdrücklich OVG NRW, Urteil vom 14. März 2006 – 10 A 4924/05 –, BRS 70 Nr. 139 = juris Rn 74ff m.w.N., bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 2006 – 4 B 45/06 –, BRS 70 Nr. 140 = juris Rn 3. 70Die beiden Fremdwerbetafeln im Euroformat überschreiten diese Grenze der Störung nicht. Sie sind aufgrund ihrer Größe und Höhe sowie ihrer lediglich statischen Anzeige nicht geeignet, eine Unruhe in das Wohngebiet zu tragen, die dessen Charakter grundlegend wiedersprechen würde und die somit als nicht mehr wohngebietsgeeignet zu beschreiben wäre. Gleiches gilt für das in der Größe deutlich dahinter zurückbleibende Hinweisschild auf das nahegelegene McDonald’s-Schnellrestaurant. 71Die festgestellten nicht störenden gewerblichen Nutzungen in der näheren Umgebung erfüllen in ihrer Gesamtheit noch den Tatbestand einer Ausnahme i.S.d. § 4 Abs. 3 BauNVO. Sie haben noch nicht das Gewicht, das der nicht störenden gewerblichen Nutzung eine eigene bauplanungsrechtlich prägende Wirkung zukommt. Zwar erweist sich die Anzahl der gewerblichen Nutzungen im Vergleich zu der Größe des faktischen Baugebiets und der Anzahl der darin errichteten baulichen Anlagen als nicht gänzlich vernachlässigbar. Im Vergleich mit der im Übrigen einheitlichen Wohnnutzung der Gebäude fallen die vorgenannten gewerblichen Nutzungen aber nicht deutlich i.S. einer eigenständigen Bedeutung ins Gewicht. Schon innerhalb der Nutzung des klägerischen Grundstücks nimmt das Fußpflege- und Massagestudio der Klägerin nur einen untergeordneten Teil ein und dient nur dem Nebenerwerb. Das Hinweisschild auf das McDonald’s-Schnellrestaurant ist von kleinem Ausmaß. Es richtet sich wie auch die beiden Fremdwerbetafeln erkennbar nicht an die in dem Gebiet wohnenden Personen, sondern nahezu ausschließlich an Verkehrsteilnehmer, die die F. Straße befahren oder die Bundesautobahn 42 (Fahrtrichtung Westen) an der Anschlussstelle C. -Süd verlassen. Hinzu kommt, dass die Werbeanlagen, die ausschließlich auf dem Vorhabengrundstück stehen, von der Wohnbebauung getrennt wahrgenommen werden. Zwischen Ihnen und der Wohn(haupt)nutzung liegen sowohl die Straße Q. als auch die rückwärtigen Gärten mit den entlang der Straße ausgerichteten Garagen. 72In diesem faktischen allgemeinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB, § 4 BauNVO ist das Vorhaben der Beigeladenen unzulässig. Gemäß § 4 Abs. 2 BauNVO sind in allgemeinen Wohngebieten neben Wohngebäuden und Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe generell zulässig. Bei der durch die Beklagte der Beigeladenen genehmigten baulichen Anlage handelt es sich nicht um eine der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaft. Durch die Ausrichtung einer Schank- und Speisewirtschaft auf die Gebietsversorgung soll sichergestellt werden, dass diese jedenfalls in einem bedeutsamen Umfang von einem Personenkreis aufgesucht wird, der die mit einem Gaststättenbetrieb ohnehin verknüpften nachteiligen Folgen für die Anwohner in der Umgebung der Betriebsstätte nicht noch dadurch erhöht, dass er durch An- und Abfahrtverkehr Unruhe erzeugt, die von einem Wohngebiet ferngehalten werden soll. Dieses Merkmal ist nicht erfüllt, wenn die Gebietsversorgung erkennbar nicht der eigentliche Betriebszweck ist, sondern allenfalls als Nebenzweck eine Rolle spielt und somit die Gaststätte nicht durch einen funktionalen Bezug zu dem nach diesem Kriterium abgrenzbaren Gebiet geprägt ist. Ist eine Gaststätte gebietsübergreifend auf einen Besucherkreis ausgerichtet, der nahezu zwangsläufig An- und Abfahrtverkehr mit den damit verbundenen gebietsinadäquaten Begleiterscheinungen verursacht, ist sie in einem allgemeinen Wohngebiet gebietsunverträglich und damit unzulässig. 73Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. September 1998 – 4 B 85/98 –, NJW 1998, 3792 = juris Rn 5 und 10; vgl. weiterhin BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 1993 – 4 B 230/92 –, BRS 55 Nr. 54 = juris Rn 5; OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2005 – 10 B 1350/04 –, juris Rn 6. 74Das von der Beigeladenen geplante Kaffeehaus mit Autoschalter ist weit überwiegend auf mit dem Auto an- und abfahrende Kundschaft ausgerichtet. Dies belegen die in dem schalltechnischen Gutachten gemachten Angaben zu der erwarteten Besucherstruktur. Bei den am Tag erwarteten 600 Verkaufsvorgängen sollen 580 Gäste mit dem Auto kommen, nur 20 zu Fuß. Dies entspricht dem gewählten Standort des Vorhabens unmittelbar an der stark befahrenen F. Straße und der Bundesautobahn 42, der dafür spricht, dass gerade Autofahrer als Kunden gewonnen werden sollen. Dies wird unterstrichen durch den 5,28 m hohen Werbepylon mit dem Werbeschild der Beigeladenen und dem Schriftzug „DRIVE THRU“, der für den Fahrzeugverkehr blickgünstig an der Südseite des Vorhabengrundstücks errichtet werden soll. Dieser ist genehmigt durch eine eigene der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 21. November 2011, die Gegenstand der Klage 9 K 3637/12 ist. 75Das Vorhaben der Beigeladenen ist nicht als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb ausnahmsweise in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig. Zwar kann eine nicht nur der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaft sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb i.S.d. Vorschrift sein. Der Begriff des Gewerbebetriebs ist insoweit umfassend zu verstehen. Er umfasst die Schank- und Speisewirtschaften, ohne dass § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO einen Gebietsbezug voraussetzt. Allerdings ist – quasi stattdessen – die Begrenzung „nicht störend“ einzuhalten. 76So etwa OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2005 – 10 B 1350/04 –, BRS 69 Nr. 62 = juris Rn 11; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2010 – OVG 10 S 46.09 –, BRS 76 Nr. 189 = juris Rn 18; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: Juni 2013, § 4 BauNVO Rn 117 f.; a.A. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Auflage 2008, § 4 Abs. 3 Rn 9.2 und § 2 Rn 25.11. 77Für die Beurteilung des Störgrades und damit der Gebiets(un)verträglichkeit sind alle mit der Zulassung des Betriebs nach seinem Gegenstand, seiner Struktur und Arbeitsweise typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung heranzuziehen. Relevant für die Beurteilung sind insbesondere die Art und Weise der typischen Betriebsvorgänge, der Umfang, die Häufigkeit und die Zeitpunkte dieser Vorgänge sowie der damit verbundene An- und Abfahrtsverkehr und der Einzugsbereich des Betriebs. Abweichungen von dieser Typik können sich aufgrund der konkreten tatsächlichen und rechtlichen Ausgestaltung eines Betriebs im Einzelfall ergeben. 78Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1983 – 4 C 21.83 –, BVerwGE 68, 213 = juris Rn 12; Beschlüsse vom 9. Oktober 1990 – 4 B 121.90 –, NVwZ 1991, 267 = juris Rn 2, und vom 25. März 2004 – 4 B 15/04 –, BRS 67 Nr. 70 = juris Rn 9. 79Die Kriterien für Art und Ausmaß des nicht störenden Emissionspotentials einer Anlage nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sind anhand der nach § 4 Abs. 1 BauNVO zu bestimmenden gesetzlichen Zweckbestimmung des Baugebiets – vorwiegend dem Wohnen dienend – zu beurteilen. Ferner ist die gesetzliche Stufenfolge zu den übrigen Baugebieten nach § 5 ff. BauNVO und das dort zulässige Störungspotential zu berücksichtigen. Selbst in Mischgebieten und Kerngebieten sind grundsätzlich nur nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe zulässig (vgl. § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 sowie § 7 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). In Gewerbegebieten dürfen nach § 8 Abs. 1 BauNVO nur nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe untergebracht werden. Hieraus folgt, dass an (im Verhältnis zur Wohnnutzung) nicht störende Gewerbebetriebe in allgemeinen Wohngebieten verhältnismäßig strenge Anforderungen gestellt werden müssen. 80Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Januar 1995 – 3 S 3153/94 –, BRS 57 Nr. 215 = juris Rn 4; vgl. zur Typologie der Baugebiete BVerwG, Beschluss vom 25. März 2004 – 4 B 15/04 –, BRS 67 Nr. 70 = juris Rn 9. 81Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist das Vorhaben der Beigeladenen geeignet, die Wohnruhe eines faktischen allgemeinen Wohngebiets zu stören. Ein Kaffeehaus mit Autoschalter, das fast ausschließlich von Kunden mittels Kraftfahrzeugen frequentiert wird und das nach dem von der Beigeladenen im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten schalltechnischen Gutachten innerhalb der Zeit von 6 bis 22 Uhr 828 Pkw-Fahrbewegungen (An- und Abfahrt, werktags zusätzlich zwei Lkw-Fahrbewegungen) verursachen soll, bedingt schon allein durch diese bloße Anzahl Unruhe verursachender Ereignisse, die über das in einem dem Wohnen dienenden Gebiet zu Erwartende bei weitem hinausgeht, eine Störung der Wohnruhe. Hinzu kommt, dass ein erheblicher Teil der Besucher die Möglichkeit der Bedienung am Autoschalter in Anspruch nehmen wird, wobei die Beigeladene selbst von 30% der Kunden ausgeht. Die Abfertigung an einem Autoschalter bedingt durch die Aufspaltung in Bestell- und Bezahl-/Übergabevorgang ein mindestens zweimaliges Halten und erneutes Anfahren der Kraftfahrzeuge, was zusätzlich wahrnehmbare Emissionen erzeugt. Auf die Frage, ob etwa lärmende Gäste zur Nachtzeit – die vorliegend, wie die Beklagte zu Recht ausführt, nicht zu erwarten sind – zur Annahme einer Störung führen könnten, kommt es somit nicht an. 82Soweit die Beklagte der Auffassung ist, für die Bestimmung der Störung i.S.d. Vorschrift seien zwar die Emissionen des Vorhabens typisiert zu ermitteln, die Auswirkung auf das Baugebiet sei aber jeweils anhand der konkreten Situation vor Ort zu erheben, steht dies nicht in Einklang mit dem Wesen des Gebietsgewährleistungsanspruchs. Anders als von der Beklagten vorgetragen, kommt es auf die Frage, ob ein Vorhaben die maßgeblichen Immissionsgrenzwerte der (nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zu berücksichtigenden) Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) einhält, gerade nicht an. 83Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 – 4 C 1/02 –, BVerwGE 116, 155 = juris Rn 16. 84Vielmehr zielt der Gebietsgewährleistungsanspruch der Gebietsansässigen auf die Erhaltung der festgesetzten oder faktisch vorhandenen Baugebietsart, welche in einem Wohngebiet mit einer durch die Gebietsfestsetzung (oder ihr faktisches Vorhandensein) erstrebten gebietsbezogenen Wohnruhe einhergeht. Das dem Wohngebiet immanente Ruhebedürfnis ist dabei nicht gleichbedeutend mit einer immissionsschutzrechtlich relevanten Lärmsituation. Es handelt sich um die Vermeidung als atypisch angesehener Nutzungen, die den Charakter einer kollektiven Wohngemeinschaft im Sinne des Gebietscharakters stören. 85Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 – 4 C 1/02 –, BVerwGE 116, 155 = juris Rn 17. 86Auf besondere Verhältnisse des jeweils konkreten Baugebiets ist im Rahmen des Gebietsgewährleistungsanspruchs und der hiermit einhergehenden typisierten Betrachtungsweise nicht abzustellen. Etwaige Vorbelastungen können zwar für die Frage der Zumutbarkeit im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO herangezogen werden; die Zulässigkeit gewerblicher Nutzungen in einem (faktischen) Baugebiet erweitern sie nicht. 87Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 1983 – 4 C 64/79 –, BVerwGE 68, 207 = juris Rn 12. 88Soweit sich die Beklagte zur Stützung ihrer Rechtsauffassung auf jeweils eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen beruft, folgt aus diesen nichts anderes. Das Bundesverwaltungsgericht, 89Beschluss vom 9. Oktober 1990 – 4 B 121/90 –, BRS 50 Nr. 58, juris Rn 2, 90führt aus, es sei eine Frage des Einzelfalls, ob die verkehrlichen Auswirkungen eines Betriebs, der durch die dort vorgenommenen Arbeiten für sich genommen nicht die Schwelle zur Störung überschreite, eine gebietsunverträgliche Störung verursache. Dies steht nicht im Gegensatz zu Vorstehendem. Schon durch den in der Entscheidung zuvor verwendeten Begriff der „typischerweise [damit] verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung“ wird deutlich, dass hierbei keine konkret an der Örtlichkeit orientierte Bestimmung der Störung erfolgt. Hierfür spricht auch der Verweis u.a. auf das schon oben zitierte Urteil desselben Senats vom 22. November 1983. 91Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 92Beschluss vom 16. März 2005 – 10 B 1350/04 –, BRS 69 Nr. 62 = juris Rn 10 f., 93nimmt Bezug auf die konkreten Betriebsabläufe und die Lage des Betriebs an zwei bestimmten Straßen. Dies geschieht allerdings nicht im Rahmen der Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sondern ausdrücklich im Rahmen der im gerichtlichen Eilverfahren vorzunehmenden Abwägung des Interesses der Antragstellerin mit dem öffentlichen Vollzugsinteresse. 94Das Vorhaben der Beigeladenen ist nicht im Wege einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zuzulassen. Diese Norm findet auch auf faktische Baugebiete Anwendung. 95Zur Anwendbarkeit bei § 34 Abs. 2 BauGB vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Juli 2005 – 4 B 33/05 –, BRS 69 Nr. 63 = juris Rn 9, und vom 27. August 2013 – 4 B39/13 –, juris Rn 2. 96Ob es insoweit bereits an einer Erteilung einer Befreiung durch die Beklagte im Baugenehmigungsverfahren fehlt, die eine Ausübung des bestehenden Ermessens voraussetzt, kann offen bleiben. Insoweit wird vertreten, das rein tatsächliche Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung genüge insoweit nicht. Eine dieses Erfordernis nicht berücksichtigende Baugenehmigung verletze dann den Gebietserhaltungsanspruch der betroffenen Grundstückseigentümer. 97Vgl. OVG Rhl.-Pfalz, Beschluss vom 5. Februar 2010 – 1 B 11356/09 –, BRS 76 Nr. 178 = juris Rn 4. 98Jedenfalls liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht vor. Voraussetzung hierfür ist u.a., dass durch das Vorhaben die Grundzüge der jeweiligen (faktischen) Planung nicht berührt werden. Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt entscheidend davon ab, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. 99Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1978 – IV C 54.75 –, BVerwGE 56, 71 = juris Rn 28; Beschlüsse vom 5. März 1999 – 4 B 5/99 –, BRS 62 Nr. 99 = juris Rn 6 und vom 19. Mai 2004 – 4 B 35/04 –, BRS 67 Nr. 83 = juris Rn 3; Urteil vom 18. November 2010 – 4 C 10/09 –, BVerwGE 138, 166 = juris Rn 37. 100Die Zulassung des verfahrensgegenständlichen Vorhabens eines Kaffeehauses mit Autoschalter widerspricht der grundlegenden Bestimmung eines faktischen allgemeinen Wohngebiets, welches nach § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen dient. Sie würde zu bodenrechtlichen Spannungen führen, insbesondere durch die erzeugte erhebliche Unruhe in dem Gebiet und die mögliche Vorbildwirkung für andere gewerbliche Nutzungen. 101Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil diese keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat. 102Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Zivilprozessordnung (ZPO). | die der beigeladenen durch die beklagte erteilte baugenehmigung vom 28. november 2011 – az. 01426-11-28 – wird aufgehoben. die beklagte trägt die kosten des verfahrens mit ausnahme der außergerichtlichen kosten der beigeladenen, die diese selbst trägt. das urteil ist wegen der kosten gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aus dem urteil vollstreckbaren betrages vorläufig vollstreckbar. 1 | 2die klägerin ist eigentümerin des grundstücks gemarkung c. , flur 124, flurstück nr. 183 mit der postalischen adresse q. 4 in c. , welches mit einem einfamilienhaus bebaut ist. 3die von der f. straße abzweigende straße q. verläuft zunächst in westlicher und nach einem leichten linksknick in westsüdwestlicher richtung, bevor sie nach südosten abbiegt. nach einer weiteren kurve verläuft die straße zunächst in nordöstlicher, dann in östlicher richtung, wo sie in einem wendekreis nahe der f. straße endet, ohne dass hier eine durchfahrt für kraftfahrzeuge möglich ist. entlang des südlichen teils der straße q. befinden sich auf beiden seiten wohnhäuser, wovon eines als über die straße führendes torhaus ausgeführt ist. errichtet worden sind die wohnhäuser sämtlich als teil einer einheitlichen zechensiedlung in den frühen 1920er jahren. die auf der nördlichen seite dieses teils der straße befindlichen grundstücke reichen jeweils bis an den nördlichen teil der straße heran, wobei sich im nördlichen teil der grundstücke die jeweiligen garagenanlagen befinden. 4die klägerin betreibt in ihrem haus (neben ihrer hauptberuflichen tätigkeit als pharmazeutisch-technische assistentin) ein studio für fußpflege und tibetische druckpunktmassage. hierzu hat sie eine zwölfwöchige ausbildung absolviert. in dem haus q. 6 sind bei der beklagten zwei gewerbebetriebe (der estrichlegebetrieb r. s. und der stuckateurbetrieb m. s. ) gemeldet. eine am 27. september 2013 durch die beklagte durchgeführte besichtigung der auf dem grundstück q. 6 vorhandenen garagen hat keine gewerbliche nutzung eben dieser, etwa zu lagerzwecken, ergeben. 5nördlich der straße q. verläuft in westnordwestlicher richtung eine eingleisige bahntrasse auf einem angeschütteten, ca. 5 m hohen bahndamm, dessen südlicher fuß unmittelbar an die straße angrenzt und mit sträuchern und kleinen bäumen bewachsen ist. an der nördlichen seite der straße q. – im bereich der einmündung derselben in die f. straße – ist das vorhabengrundstück zwischen der straße q. und dem bahndamm gelegen. das gelände auf dem vorhabengrundstück verläuft in nördlicher richtung zunächst eben, bevor es dann am fuße des bahndamms ansteigt. 6die f. straße ist als landesstraße (l 631) gewidmet. ausweislich des schalltechnischen gutachtens vom 18. juli 2011 des ingenieurbüros c1. e. (blatt 59 der beiakte 1), welches teil der bauvorlagen ist, beträgt das verkehrsaufkommen auf der f. straße im durchschnitt je 24 stunden 34.000 kfz. sie weist zwei fahrstreifen je richtungsfahrbahn sowie – im hier maßgeblichen bereich – von süden kommend eine linksabbiegerspur für den abbiegenden verkehr zur straße q. und von norden kommend eine linksabbiegerspur für den auf die bundesautobahn 42 abbiegenden verkehr auf. zwischen den beiden richtungsfahrbahnen verläuft ein diese trennender grünstreifen. die zuvor genannte bahnlinie überquert die f. straße mittels einer brücke, wobei sich auf der östlichen seite der f. straße der bahndamm in entsprechender höhe und ausführung fortsetzt. die eisenbahnbrücke weist (gemessen entlang der f. straße) eine tiefe von ca. 12 m auf und überspannt die f. straße in einer länge von ca. 35 m. nördlich des eisenbahndamms und westlich der f. straße befinden sich mehrere mehrfamilienhäuser sowie bis zur nächsten weiter nördlich gelegenen eisenbahnbrücke insgesamt fünf fremdwerbetafeln im euroformat. jeweils zwei weitere fremdwerbetafeln im euroformat stehen an der östlichen seite der f. straße nördlich und südlich des bahndamms. 7unterhalb der eisenbahnbrücke befinden sich auf beiden seiten der f. straße jeweils zwei fremdwerbetafeln im euroformat, die jeweils zur straße gewandt an dem brückenwiderlager angebracht sind. unmittelbar südlich-westlich des westlichen brückenwiderlagers befinden sich auf dem vorhabengrundstück zwei aufgeständerte fremdwerbetafeln im euroformat. mittig auf dem vorhabengrundstück liegt eine weitere, deutlich kleinere werbeanlage („mcdonald’s-m“ mit pfeil nach rechts), die auf die gegenüberliegende abfahrt von der bundesautobahn 42 ausgerichtet ist. 8südlich der straße q. und der an dieser entlang laufenden bebauung verläuft die bundesautobahn 42 („emscherschnellweg“) mit jeweils zwei fahrstreifen je richtungsfahrbahn sowie hinzukommenden beschleunigungs- und verzögerungsstreifen. die fahrbahn der bundesautobahn befindet sich ca. 5 m über dem niveau der nördlich anschließenden gärten. am nördlichen rand der bundesautobahn schirmt eine mehrere meter hohe lärmschutzwand die vorhandene bebauung von dem verkehrslärm der bundesautobahn ab. das nach dem schalltechnischen gutachten auf der bundesautobahn 42 zu erwartende verkehrsaufkommen beträgt je 24 stunden 78.000 kfz. über die f. straße wird die bundesautobahn 42 mittels einer brücke geführt, die eine tiefe (gemessen entlang der f. straße) von ca. 31 m aufweist. 9westlich der straße q. befindet sich eine grünfläche, die bis zum schnittpunkt der vorstehend beschriebenen bahnlinie mit einer weiteren nach süden abknickenden bahnlinie reicht. hinsichtlich der näheren einzelheiten wird im übrigen auf den nachfolgenden kartenausschnitt bezug genommen. 10die beigeladene beantragte am 16. mai 2011 bei der beklagten die erteilung einer baugenehmigung für die errichtung und den betrieb eines „starbucks drive-thru-kaffeehauses“ für das grundstück gemarkung c. , flur 124, flurstücke 173, 174, 175 und 331, welches – wie dargestellt – nach süden durch die straße q. , nach westen durch den berührungspunkt der straße q. mit dem eisenbahndamm, im norden durch den eisenbahndamm und im osten durch die f. straße begrenzt wird. das vorhabengrundstück ist unbebaut. den bauantrag änderte die beigeladene mit am 21. november 2011 bei der beklagten eingegangenem schreiben hinsichtlich einiger (vorliegend nicht erheblicher) teilaspekte ab. ausweislich der beigefügten betriebsbeschreibung ähneln der funktionsablauf und der gebäudetypus des geplanten kaffeehauses mit autoschalter denen eines fastfood-restaurants, wobei allerdings in dem kaffeehaus keine speisen zubereitet werden. ausweislich der bauzeichnungen soll das geplante kaffeehaus im östlichen bereich des vorhabengrundstücks errichtet werden. die stellplätze für besucher des kaffeehauses sind an der westlichen grenze (drei stück) sowie im norden in der nähe der böschungsunterkante des bahndamms (14 stück) vorgesehen. die geplante autospur soll so um das kaffeehaus herumführen, dass kraftfahrzeuge, die das grundstück von der straße q. als einzig möglicher zufahrt anfahren, zunächst nahezu parallel zur straße nach osten geleitet werden und dort an einer sogenannten „order station“ ihre bestellungen aufgeben. im weiteren verlauf knickt die autospur nach norden ab und wird entlang der f. straße geführt. in diesem bereich erfolgt die bezahlung und ausgabe der bestellten getränke und snacks, bevor die autospur zunächst – entlang der parkplätze – nach westen und dann zur ausfahrt geführt wird. 11ausweislich des mit dem bauantrag vorgelegten schalltechnischen gutachtens des ingenieurbüros c1. e. vom 18. juli 2011 ist während des betriebs des vorhabens je tag innerhalb der öffnungszeiten von 6 bis 22 uhr mit insgesamt 600 bestellvorgängen (so genannte „tickets“) zu rechnen, wovon 20 auf kunden ohne kraftfahrzeug entfallen sollen. bei den verbleibenden 580 bestellvorgängen hingegen wird unterstellt, dass der kunde mit dem auto das kaffeehaus anfährt – gleich ob er dann sein fahrzeug parkt und den verkaufsraum aufsucht oder den autoschalter nutzt, wobei letzterem ein anteil von 30% zukommen soll. bei dieser anzahl an bestellvorgängen und einer prognostizierten besetzung von 1,4 gästen pro fahrzeug legt das schalltechnische gutachten 414 kraftfahrzeuge und somit 828 fahrzeugbewegungen in der zeit zwischen 6 und 22 uhr zu grunde. berücksichtigt wurde ferner eine anlieferung durch einen lkw ≤ 7,5 t je werktag in der zeit zwischen 6 und 22 uhr. 12mit bescheid vom 28. november 2011 erteilte die beklagte der beigeladenen die begehrte baugenehmigung. 13die klägerin hat am 22. dezember 2011 die vorliegende klage erhoben. zu ihrer begründung macht sie geltend: gegenüber dem verfahrensgegenständlichen vorhaben stehe ihr ein gebietserhaltungsanspruch zu. die nähere umgebung stelle ein faktisches reines wohngebiet nach § 3 baunutzungsverordnung (baunvo) dar. als nähere umgebung sei insoweit das von dem bahndamm im norden, der f. straße im osten und der bundesautobahn 42 im süden umschlossene gebiet zu betrachten. die nördlich des bahndamms gelegene bebauung an der f. straße sei nicht mit einzubeziehen. an der einstufung als faktisches reines wohngebiet ändere auch ihre tätigkeit als fußpflegerin und druckpunktmasseurin nichts, denn sie erweise sich nach § 13 baunvo in einem reinen wohngebiet als zulässig. die von der beklagten beschriebenen gewerbebetriebe (estrichlege- und stuckateurbetrieb) seien unter der adresse q. 6 nur gewerberechtlich gemeldet. dort würden aber keine gewerblichen tätigkeiten ausgeübt, insbesondere finde keine be- und entladung statt. eine bloße gewerbeanmeldung aber habe auf den gebietscharakter keinen einfluss. auch die fremdwerbetafeln auf dem vorhabengrundstück änderten an dem gebietscharakter nichts. sie stellten für die beurteilung des gebietscharakters einen unbedeutenden fremdkörper dar. des weiteren seien sie am rand des gebiets direkt am bahndamm gelegen und sprächen allenfalls den straßenverkehr auf der f. straße an.in einem reinen wohngebiet erweise sich das als schank- und speisewirtschaft anzusehende vorhaben als planungsrechtlich unzulässig. selbst bei der annahme eines faktischen allgemeinen wohngebiets sei das vorhaben unzulässig, weil es wegen seines konzeptes mit autospur und seiner spezifischen lage erkennbar nicht der versorgung des gebiets diene.weiterhin erweise sich die baugenehmigung als in nachbarrechtlicher hinsicht unbestimmt. dies gelte sowohl im hinblick auf die zu erwartende zusätzliche verkehrsbelastung wie auch auf zu erwartende lärmimmissionen. eine verletzung des rücksichtnahmegebots des § 15 abs. 1 satz 2 baunvo könne vor diesem hintergrund nicht ausgeschlossen werden. 14die klägerin beantragt, 15die der beigeladenen durch die beklagte erteilte baugenehmigung vom 28. november 2011 – aktenzeichen 01426-11-28 – aufzuheben. 16die beklagte beantragt, 17die klage abzuweisen. 18hierzu führt sie aus: die nähere umgebung sei nicht als faktisches baugebiet im sinne der baunutzungsverordnung, sondern als gemengelage einzustufen. die auf dem vorhabengrundstück, unter der nördlich angrenzenden brücke, im weiteren verlauf der f. straße richtung norden und auf der gegenüberliegenden straßenseite befindlichen fremdwerbeanlagen seien in einem faktischen allgemeinen wohngebiet regelmäßig unzulässig. hinzu kämen weitere gewerbliche nutzungen, so das fußpflegestudio der klägerin, die im haus q. 6 gemeldeten stuckateur- und estrichlegebetriebe und die nördlich der eisenbahnbrücke entlang der f. straße gemeldeten gewerbebetriebe. so sei im haus nr. 179 eine gebäudereinigungsfirma, im haus nr. 179 a ein unternehmen für bautenschutz, im haus nr. 183 ein trockenbau-und abbruchunternehmen und im haus nr. 187 ein unternehmen zur montage von sicherheitsnetzen gewerberechtlich gemeldet. diese gewerblichen nutzungen seien auch einzubeziehen, da bei der art der baulichen nutzung die nähere umgebung weiter zu verstehen sei. die f. straße weise nördlich der bundesautobahn 42 zumindest auf ihrer westseite ein einheitliches bild auf, das von wohnnutzung, einer sehr großen anzahl von fremdwerbeanlagen und gewerblichen betrieben geprägt sei. die bahntrasse nördlich des vorhabengrundstücks habe keine trennende funktion, da sie keine zäsur bilde. eine zäsurwirkung könne nur angenommen werden, wenn der verkehrsweg selbst eine gewisse ausdehnung habe und es einen deutlichen wechsel der städtebaulichen struktur gebe, was beides nicht vorliege.selbst wenn der bahnstrecke einschließlich der brücke trennende wirkung zuzusprechen sei, liege im hinblick auf die vorhandenen gewerblichen nutzungen kein wohngebiet vor. auch in diesem fall seien die unter der brücke am westlichen brückenwiderlager angebrachten werbeanlagen als zu dem baugebiet zugehörig anzusehen. diese befänden sich in einer entfernung von nur etwa 10 m zum vorhabengrundstück und wirkten auf dieses wie selbstverständlich ein. eine andere betrachtungsweise würde zu einer atomisierung faktischer baugebiete führen, die rechtlich nicht hinzunehmen sei.im übrigen könne in einem allgemeinen wohngebiet eine nicht der gebietsversorgung dienende gaststätte als nicht störender gewerbebetrieb nach § 4 abs. 3 nr. 2 baunvo zugelassen werden. das vorhaben stelle aufgrund der fehlenden nächtlichen betriebszeiten, der gestaltung als kaffeehaus und der konkreten anordnung der baulichen anlagen einen solchen nicht störenden gewerbebetrieb dar. dabei sei die frage, ob die typischerweise zu erwartenden auswirkungen eines gewerbebetriebs störend seien, konkret im jeweiligen einzelfall zu beantworten. dies sei vorliegend – wie sich aus dem vorgelegten schallschutzgutachten ergebe – nicht der fall, da die zulässigen lärmgrenzwerte gegenüber den nachbarn eingehalten würden. 19die beigeladene stellt keinen antrag. 20der berichterstatter hat am 17. september 2013 die örtlichkeit in augenschein genommen und anhand der dabei gefertigten lichtbilder die gewonnenen eindrücke der erkennenden kammer vermittelt. hinsichtlich der einzelheiten wird auf das ortsterminprotokoll nebst gefertigten lichtbildern bezug genommen. 21 | 22die zulässige klage ist begründet. 23die anfechtungsklage gegen die der beigeladenen erteilte baugenehmigung ist gemäß § 113 abs. 1 satz 1 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) (nur) begründet, wenn der klägerin ein abwehrrecht gegen dieses vorhaben zusteht. dies setzt voraus, dass das vorhaben in einer nicht durch einen rechtmäßigen dispens ausräumbaren weise gegen öffentlich-rechtliche vorschriften verstößt, die auch dem schutz der klägerin zu dienen bestimmt sind, und – sofern sich dies aus der nachbarschützenden vorschrift ergibt – die klägerin durch das vorhaben tatsächlich spürbar beeinträchtigt wird. ob das vorhaben objektiv, d.h. hinsichtlich der vorschriften, die nicht nachbarschützend sind, rechtmäßig ist, wird im klageverfahren hingegen nicht geprüft. 24das verfahrensgegenständliche bauvorhaben verstößt gegen die klägerin schützende normen des baurechts. der klägerin steht gegenüber dem durch die beklagte genehmigten verfahrensgegenständlichen vorhaben der beigeladenen ein gebietsgewährleistungsanspruch zu. 25dieser ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil das vorhabengrundstück im außenbereich liegt. zwar handelt es sich bei den nordwestlich von dem vorhabengrundstück gelegenen grundstücken ebenso wie bei denen westlich der straße q. um außenbereich i.s.d. § 35 baugb. das vorhabengrundstück, welches von dem bahndamm, der f. straße und der straßen q. umschlossen ist, weist aber keine (unmittelbare) verbindung zum außenbereich auf, sondern ist vollständig von verkehrsinfrastruktur umgeben. es erscheint angesichts seiner eher geringen größe, der geringen breite der straße q. und der mächtigkeit des bahndamms auch nicht als eigenständiger außenbereich, sondern muss im zusammenhang mit der übrigen (bebauten) fläche einheitlich betrachtet werden. 26zur annahme von „außenbereichsinseln“ im innenbereich vgl. etwa ovg nrw, beschluss vom 5. januar 2005 – 10 a 2219/02 –, juris rn 5. 27der gebietsgewährleistungsanspruch ist darauf gerichtet, dass sich ein nachbar in einem (faktischen) baugebiet im sinne von § 1 abs. 3 i.v.m. abs. 2 baunvo auch dann gegen die zulassung einer in dem baugebiet gebietswidrigen nutzung wenden können soll, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. die festsetzung von baugebieten durch einen bebauungsplan hat grundsätzlich nachbarschützende funktion zugunsten der grundstückseigentümer im jeweiligen baugebiet. hauptanwendungsfall für diesen grundsatz, der auf dem gedanken des wechselseitigen austauschverhältnisses im sinne eines nachbarlichen gemeinschaftsverhältnisses beruht, sind die festsetzungen eines bebauungsplans über die art der baulichen nutzung. weil und soweit der eigentümer eines grundstücks in dessen nutzung öffentlich-rechtlichen beschränkungen unterworfen ist, kann er deren beachtung grundsätzlich auch im verhältnis zum nachbarn durchsetzen. so kann jeder planbetroffene im baugebiet das eindringen einer gebietsfremden nutzung und damit die schleichende umwandlung des baugebiets unabhängig von einer konkreten beeinträchtigung verhindern. entsprechendes gilt innerhalb faktischer baugebiete nach § 34 abs. 2 halbsatz 1 baugb. der gebietsgewährleistungsanspruch greift demnach gegenüber vorhaben ein, die in dem betreffenden baugebiet weder planungsrechtlich regelhaft zulässig sind noch nach § 31 abs. 1 oder abs. 2 baugb im wege einer ausnahme oder befreiung zugelassen werden können bzw. worden sind. 28vgl. bverwg, urteile vom 28. april 1967 – iv c 10.65 –, bverwge 27, 29 = juris rn 14, vom 16. september 1993 – 4 c 28.91 –, bverwge 94, 151 = juris rn 12, und vom 23. august 1996 – 4 c 13.94 –, bverwge 101, 364 = juris rn 48 ff.; beschluss vom 18. dezember 2007 – 4 b 55.07 –, brs 71 nr. 68 = juris rn 5; ovg nrw, beschluss vom 28. november 2002 – 10 b 1618/02 –, brs 66 nr. 168 = juris rn 3; urteil vom 17. dezember 2008 – 10 a 3001/07 –, juris rn 35; beschluss vom 22. juni 2010 – 7 b 479/10 –, juris rn 7; urteile vom 21. dezember 2010 – 2 a 1419/09 –, dvbl. 2011, 570 = juris rn 83 ff., und vom 9. märz 2012 – 2 a 1626/10 –, baur 2012, 1223 = juris rn 45. 29die klägerin ist eigentümerin des zwischen dem südlichen und dem nördlichen teil der straße q. gelegenen hausgrundstücks q1. 4 (gemarkung c. , flur 124, flurstück nr. 183). dieses grundstück liegt, ebenso wie das vorhabengrundstück, nicht im geltungsbereich eines bebauungsplans. beide grundstücke sind aber teil eines einheitlichen faktischen baugebiets i.s.d. § 34 abs. 2 halbsatz 1 baugb i.v.m. den §§ 2 ff. baunvo. 30für die beurteilung der frage, ob die nähere umgebung im sinne des bauplanungsrechts einem der in den §§ 2 ff. baunvo festgelegten gebietstypen entspricht, muss der gebietscharakter wie auch die reichweite der maßgeblichen näheren umgebung im einzelfall bestimmt werden. letztere ist unter berücksichtigung der wechselwirkung zwischen vorhaben und der sie umgebenden baulichen nutzungen zu ermitteln. hierzu bedarf es der berücksichtigung beider perspektiven, so dass vom vorhaben auf die umgebung und von der umgebung auf das vorhaben zu prüfen ist, wie weit die jeweiligen bauplanungsrechtlich relevanten auswirkungen reichen. zu berücksichtigen ist die umgebung zum einen insoweit, als sich die ausführung des vorhabens auf sie auswirken kann, und zum anderen insoweit, als die umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen charakter des baugrundstücks prägt oder jedenfalls doch beeinflusst. bei dieser ermittlung der näheren umgebung ist die betrachtung auf das wesentliche zurückzuführen und sind fremdkörper und ausnahmen außer acht zu lassen, solange beispielsweise die erkennbaren grundzüge der planung durch sie nicht berührt werden. bei der für die prüfung erforderlichen bestandsaufnahme ist grundsätzlich alles tatsächlich vorhandene in den blick zu nehmen. bedingt durch diese wechselwirkung von vorhaben und jeweiliger umgebungsbebauung folgt, dass die grenzen der näheren umgebung nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen situation im konkreten einzelfall zu bestimmen sind. so darf nicht nur diejenige bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren nachbarschaft des baugrundstücks überwiegt. vielmehr muss die bebauung auch jenseits der unmittelbaren nachbarschaft berücksichtigt werden, soweit auch sie noch "prägend" auf dasselbe einwirkt oder derartigen einwirkungen ausgesetzt ist, also die örtlichen bodenrechtlichen gegebenheiten des vorhabens mitbestimmt oder seinerseits durch sie bestimmt wird. 31vgl. bverwg, urteile vom 18. oktober 1974 – iv c 77.73 –, brs 28 nr. 27 = juris rn 15, und vom 26. mai 1978 – iv c 9.77 –, bverwge 55, 369 = juris rn 33; beschlüsse vom 11. november 1980 – 4 b 207.80 –, brs 36 nr. 54 = juris rn 2, vom 20. august 1998 – 4 b 79.98 –, brs 60 nr. 176 = juris rn 7 f., und vom 11. februar 2000 – 4 b 1/00 –, brs 63 nr. 102 = juris rn 34 und 44; ovg nrw, urteile vom 19. april 2010 – 7 a 2362/07 –, juris rn 56, vom 9. september 2010 – 2 a 508/09 –, juris rn 35, und vom 9. märz 2012 – 2 a 1626/10 –, baur 2012, 1223 = juris rn 48. 32bei der bestimmung der näheren umgebung im sinne der wechselbezüglichkeit von vorhaben und der benachbarten bebauung können die topographischen gegebenheiten wie geländehindernisse und -zäsuren, erhebungen oder einschnitte eine rolle spielen. bedeutung kann aber nicht allein natürlichen besonderheiten der topographie zukommen. auch künstlich errichtete geländemerkmale wie etwa eisenbahntrassen oder dämme sowie straßen oder wege können in dieser hinsicht von bedeutung sein. 33vgl. bverwg, urteil vom 12. dezember 1990 – 4 c 40.87 –, buchholz 406.11 § 34 baugb nr. 138 = juris rn 22; beschlüsse vom 16. februar 1988 – 4 b 19.88 –, buchholz 406.11 § 34 bbaug nr. 123 = juris rn 2, und vom 10. märz 1994 – 4 b 50/94 –, buchholz 406.11 § 34 baugb nr. 165 = juris rn 4. 34die rechtsprechung zur abgrenzung von innen- und außenbereich kann auf die frage der abgrenzung der näheren umgebung im sinne von § 34 baugb sinngemäß übertragen werden. bei berücksichtigung der vorgenannten topographischen gegebenheiten kann sich ergeben, dass etwa unmittelbar aneinandergrenzende bebaute grundstücke gleichwohl zwei unterschiedlichen baugebieten angehören und damit eines von beiden aus der zu berücksichtigenden näheren umgebung herausfällt. ob dies im einzelfall so ist, kann – auch im hinblick auf § 34 baugb – stets nur das ergebnis einer wertung des konkreten sachverhalts sein. dies gilt insbesondere für die bewertung, ob einer straße eine trennende oder verbindende wirkung zukommt ober ob sie diesbezüglich keinerlei wirkungen zu entfalten vermag. 35vgl. zur übertragung auf § 34 baugb bverwg, beschluss vom 20. august 1998 – 4 b 79/98 –, buchholz 406.11 § 34 baugb nr. 191 = juris rn 8; zur wirkung von straßen bverwg, urteil vom 6. juli 1984 – 4 c 28.83 –, buchholz 406.11 § 12 bbaug nr. 11 = juris rn 9; beschlüsse vom 10. märz 1994 – 4 b 50.94 –, buchholz 406.11 § 34 baugb nr. 16 = juris rn 3, und vom 11. februar 2000 – 4 b 1/00 –, brs 63 nr. 102 = juris rn 18. 36unter berücksichtigung dieser maßstäbe wird die nähere umgebung des vorhabengrundstücks im süden von der nördlichen seite der bundesautobahn 42,, im osten von dem westlichen straßenrand der f. straße l 631, im norden von dem südlichen rand der böschung des eisenbahndamms und im westen durch das ende der bebauung begrenzt. 37die bundesautobahn 42 trennt die nördlich und südlich von ihr gelegenen bereiche in dem vorgenannten sinne. in der hier maßgeblichen räumlichen umgebung verläuft sie nicht ebenerdig, sondern auf einem gegenüber der unmittelbaren umgebung mehrere meter erhöhten, jedenfalls an der nordseite mit betonteilen eingefassten fundament, so dass sie sich schon aus diesem grund gegenüber der umliegenden bebauung deutlich hervorhebt. hinzu kommt, dass jedenfalls auf ihrer nördlichen seite die autobahn und der durch sie erzeugte verkehrslärm gegenüber der anschließenden wohnbebauung durch eine für sich genommen bereits mehrere meter hohe lärmschutzwand abgeschirmt wird. beides, fundament und lärmschutzwand, wirken im sinne einer durch das gebiet laufenden unüberwindbaren barriere. die tiefe der autobahntrasse, gemessen entlang der f. straße, beträgt ca. 31 meter. der bundesautobahn 42 kommt eine erhebliche verkehrsbedeutung – sowohl für den fern- wie auch für den regionalverkehr – zu. so gehen die von der beigeladenen vorgelegten bauvorlagen selbst von einem verkehrsaufkommen von 78.000 fahrzeugen in 24 stunden aus. die auf der autobahn fahrenden kraftfahrzeuge bewegen sich (autobahntypisch) mit einer erheblichen reisegeschwindigkeit, was den wahrnehmbaren eindruck einer durch das gelände führenden schneise weiter verstärkt. hiermit geht einher, dass von der bundesautobahn erhebliche lärmimmissionen ausgehen, die – wie im gerichtlichen ortstermin wahrnehmbar – auch nördlich der lärmschutzwand als faktische dauerlärmquelle deutlich wahrzunehmen sind. 38der f. straße (l 631) kommt hinsichtlich der westlich und östlich von ihr gelegenen bereiche trennende wirkung in hinsicht auf die art der baulichen nutzung zu. wenngleich im geringeren maße als die bundesautobahn 42 kommt der f. straße als einer der wesentlichen, aus der innenstadt herausführenden ausfall- bzw. in dieselbe hineinführenden einfallstraßen von c. eine besondere verkehrliche bedeutung zu. dies manifestiert sich in der anzahl der kfz-bewegungen, die ausweislich der von der beigeladenen vorgelegten bauvorlagen 34.000 fahrzeuge in 24 stunden beträgt. entsprechend dieser verkehrsbedeutung ist die f. straße je fahrtrichtung jeweils mit mindestens zwei fahrstreifen versehen. hinzu kommen in dem maßgeblichen bereich linksabbiegerspuren für jede fahrtrichtung. die richtungsfahrbahnen werden dabei von einem in der mitte liegenden grünstreifen baulich getrennt. auf beiden seiten der f. straße verlaufen in dem maßgeblichen bereich gehwege, die den optischen eindruck der breite der straße noch verstärken. auf der höhe des wendehammers der straße q. beträgt so die breite der f. straße einschließlich der fußwege auf beiden seiten ca. 32 meter. hinzu kommt, dass sich die bauliche nutzung auf beiden straßenseiten deutlich unterscheidet. in dem bereich zwischen der bundesautobahn 42 und der nördlich verlaufenden eisenbahntrasse wird lediglich die westliche seite von baulichen anlagen bestimmt, während sich auf der östlichen seite unmittelbar südlich der eisenbahntrasse neben dem zur bundesautobahn 42 führenden zubringer (anschlussstelle c. -süd) lediglich zwei fremdwerbetafeln im euroformat befinden. 39der auf einem angeschütteten damm verlaufenden eingleisigen eisenbahntrasse im norden der straße q. und des vorhabengrundstücks kommt ebenfalls eine trennende wirkung im vorgenannten sinne zu. die oberkante des damms erhebt sich geschätzte 5 m über das niveau der südlich gelegenen straße und grundstücke, wobei es – gemessen unterhalb der brücke – von fuß zu fuß des bahndamms ungefähr 28 m sind. der bahndamm ist mit zahlreichen büschen und kleineren bäumen bewachsen. er ist geeignet, den blick eines in diesem bereich befindlichen betrachters – gleich, ob dieser am fuß des bahndamms, auf dem nördlichen oder gar südlichen teilstück der straße q. steht oder sich im ersten obergeschosses eines der vorhandenen gebäude befindet – auf die dahinterliegenden bereiche (nahezu) vollständig zu verstellen. somit entsteht gegenüber dem nördlich des bahndamms liegenden bereich ein gefühl der abschottung und abgeschlossenheit. soweit die beklagte anführt, die brücke über die f. straße habe aufgrund ihrer „schaufensterfunktion“ eine verbindende wirkung, so dass trotz des vorhandenen bahndamms die südlich und nördlich gelegenen gebiete als ein baugebiet zu betrachten seien, führt dies nicht zu einer abweichenden beurteilung. zwar ist in der verwaltungsgerichtlichen rechtsprechung anerkannt, dass ein bebauungszusammenhang nicht notwendigerweise durch ein geländehindernis und die damit fehlende optische verbindung zwischen zwei baukomplexen beendet wird. vielmehr kann unter berücksichtigung der besonderen verhältnisse im einzelfall ein solcher bebauungszusammenhang auch über ein hindernis hinweg noch zu bejahen sein, wenn aufgrund anderer umstände das hindernis in den hintergrund tritt und gleichzeitig eine dieses hindernis überwindende verkehrsverbindung besteht. 40vgl. bverwg, beschluss vom 27. mai 1988 – 4 b 71/88 –, brs 48 nr. 45 = juris rn 5, unter verweis auf die enge eines flusstals und das vorhandensein weiterer, die bebauung ausschließender naher grenzen wie etwa eine bundesstraße und ein bergrücken; für eine unterführung unter einem bahndamm offen gelassen bei vg gera, urteil vom 8. oktober 1998 – 4 k 212/98.ge –, thürvbl 1999, 69 = juris rn 19. 41unter der insoweit maßgeblichen berücksichtigung der tatsächlichen umstände im einzelfall führt die berücksichtigung der den bahndamm unterbrechenden eisenbahnbrücke über die f. straße nicht dazu, dass die auf der westlichen seite der f. straße nördlich und südlich der eisenbahnlinie liegenden bebauungskomplexe als eine einheit und folglich als ein baugebiet im sinne des § 34 abs. 2 baugb zu verstehen sind. 42der f. straße kommt – wie dargelegt – trennende wirkung zu. sowohl ihre fahrbahn als auch der westlich gelegene fußweg sind daher nicht mehr teil der näheren umgebung des bauplanungsrechtlich maßgeblich zu betrachtenden gebiets. als eine nicht innerhalb der zu betrachtenden näheren umgebung gelegene verkehrsfläche, die einer bebauung vollständig entzogen ist, kann sie für sich genommen keine die art der bebauung prägende bedeutung haben. gerade hierauf kommt es aber für die bestimmung der näheren umgebung im sinne des § 34 baugb entscheidend an. als die umgebung nicht mehr prägende verkehrsanlage kann sie auch derselben nicht als verbindendes element in der weise dienen, dass die westlich von ihr gelegenen durch den bahndamm durchtrennten flächen eine einheitlich zu betrachtende maßgebliche umgebung bilden. 43zwar ermöglicht die unterbrechung des bahndamms durch das brückenbauwerk über die f. straße anders als der bahndamm selbst einen blick auf die jeweils andere seite. dies ist aber weder vom bereich westlich der f. straße und nördlich der eisenbahnlinie auf das vorhabengrundstück sowie die dahinter liegende bebauung noch in umgekehrter richtung möglich. außerdem vermag die unterführung der f. straße einschließlich der beiden fußwege unter der bahntrasse die trennende wirkung des bahndamms in seiner massivität und höhe nicht aufzuwiegen. allein die sichtbarkeit beider bebauungskomplexe von einem standort – nämlich unter dem brückenbauwerk stehend und zugleich in süd- und nördliche richtung blickend – lässt die beiden in den blick kommenden, nach westen sich erstreckenden bereiche nicht als einheitliche umgebung erscheinen. 44zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die gebäude beiderseits des bahndamms im hinblick auf ihr maß gerade keine einheit bilden, die geeignet wäre, die vorhandene räumliche barriere zu überwinden und beide bebauungskomplexe im sinne einer einheitlichen betrachtung zusammenzufassen. die bebauung im bereich der straße q. unterscheidet sich von der auf der westlichen seite der f. straße nördlich der bahntrasse hinreichend deutlich. nördlich des bahndamms stehen entlang der f. straße mehrfamilienhäuser. im bereich der straße q2.------ wurde hingegen in den frühen 1920er jahren eine zechensiedlung errichtet, die noch heute – abgesehen von änderungen etwa in den außenfassaden – als gleichförmig wirkende bebauung erscheint. diese bebauung wirkt durch ihre lage und ausrichtung ferner in gewisser hinsicht von der f. straße abgeschirmt. 45im vorliegenden fall besteht trotz der optischen durchlässigkeit der eisenbahnunterführung auch kein schaufenstereffekt. dieser würde – einem schaufenster vergleichbar – nicht nur eine sichtverbindung, sondern zugleich eine besondere betonung im sinne einer hinlenkung des blickes voraussetzen. dies ist vorliegend nicht erkennbar. 46zur näheren umgebung gehören entgegen der auffassung der beklagten auch nicht die beiden fremdwerbetafeln im euroformat, die an der der f. straße zugewandten seite des westlichen brückenwiderlagers angebracht sind. 47dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass der eisenbahndamm in seiner gesamtheit, also einschließlich des brückenbauwerks über die f. straße eine eisenbahnbetriebsanlage und damit dem baurecht (vgl. § 38 baugb) entzogen ist. bei den an der der f. straße zugewandten seite des brückenwiderlagers angebrachten beiden fremdwerbeanlagen handelt es sich um eine mit der nutzung als verkehrsinfrastruktur nur räumlich, nicht aber funktional – also dem bahnbetrieb dienende – zusammenhängende bauliche nutzung, die einer baurechtlichen bewertung demnach nicht entzogen ist. 48vgl. zu der vergleichbaren frage hinsichtlich der reichweite des fachplanungsvorbehalts bverwg, urteil vom 16. dezember 1988 – 4 c 48/86 –, bverwge 81, 111 = juris rn 20; bayvgh, urteil vom 17. november 2008 – 14 b 06.3096 –, juris 14. 49bestandteil der näheren umgebung wären diese fremdwerbeanlagen nur, wenn eine schmale, an der wand des westlichen brückenwiderlagers entlanglaufende, die werbeanlagen erfassende fläche quasi als zipfel der näheren umgebung des baugebiets zuzurechnen wäre. ein diese annahme begründender zusammenhang zwischen dem vorhabengrundstück, der dahinter liegenden bebauung und des vor der wandfläche des westlichen brückenpfeilers gelegenen zipfels ist allerdings nicht gegeben. zwar weist die beklagte zu recht darauf hin, dass die beiden fremdwerbeanlagen in der nähe des vorhabengrundstücks befindlich sind, auf welchem selbst mehrere fremdwerbeanlagen stehen. es ist aber keine geordnete, sondern eine eher lockere aufeinanderfolge von werbeanlagen erkennbar. im gegensatz zu den unter der eisenbahnbrücke befindlichen werbeanlagen sind die auf dem vorhabengrundstück nicht parallel zur f. straße hin ausgerichtet, sondern stehen fast parallel zum bahndamm. es besteht auch kein innerer zusammenhang zwischen den fremdwerbeanlagen auf dem vorhabengrundstück und den unter der eisenbahnbrücke befindlichen. vielmehr handelt es sich ausschließlich um gleichförmige, für sich zu betrachtende bauliche nutzungen. dass es insofern zu einer gewissen häufung von fremdwerbeanlagen in diesem bereich kommt, findet seine begründung allein in der räumlichen situation. alle fremdwerbeanlagen sind zur f. straße ausgerichtet, die auf dem vorhabengrundstück befindlichen zusätzlich auch noch zur abfahrt c. -süd der bundesautobahn 42. 50hinzu kommt der hinter den werbeanlagen auf dem vorhabengrundstück gelegene bahndamm einschließlich brückenbauwerk. mit seiner höhe und massivität erweist sich der jenseits der f. straße fortsetzende bahndamm trotz seiner durchlässigkeit im bereich des brückenbauwerks als dominant und steht damit der annahme eines zusammenhangs zwischen den werbeanlagen entgegen. dass die brücke für sich genommen – anders als der bahndamm – im bereich der f. straße einen wechselseitigen blick auf die jeweils andere seite des bahndamms ermöglicht, ändert an dieser optischen riegelwirkung der gesamten anlage nichts. 51dass die beiden fremdwerbeanlagen unterhalb des brückenbauwerks u.u. keiner anderen baurechtlich relevanten näheren umgebung zuzurechnen sind, ändert an dem fehlenden zusammenhang nichts. sie sind von einer bauliche nutzung ausschließenden verkehrsinfrastruktur umgeben und bilden somit baurechtliche „insellagen“. soweit die beklagte hierbei die gefahr einer atomisierung von baugebieten im sinne des § 34 baugb sieht, führt dies nicht zu einer anderen rechtlichen bewertung der näheren umgebung des vorhabengrundstücks. zwar ist der beklagten insoweit zuzugeben, dass sich die nähere umgebung dieser baulichen anlagen auf den bereich unter der brücke beschränkt. hieraus kann aber nicht der schluss gezogen werden, dass aus diesem grund die werbetafeln zwingend einer oder beiden seiten des bahndamms „zuzuschlagen“ sein müssen. vielmehr kann sich unter anwendung der vorstehend dargelegten grundsätze sehr wohl ergeben, dass der bereich unter der brücke einer eigenständigen isolierten bauplanungsrechtlichen betrachtung zu unterwerfen ist, die durch die äußeren kanten des bahndamms bzw. der brücke begrenzt wird. 52die so bestimmte nähere umgebung ist hinsichtlich der art der baulichen nutzung nach § 34 abs. 2 baugb i.v.m. § 4 baunvo als allgemeines wohngebiet zu beurteilen. 53§ 34 abs. 2 baugb ist (nur) anwendbar, wenn die eigenart der näheren umgebung einem der in der baunutzungsverordnung bezeichneten baugebiete entspricht. die weitere bauliche entwicklung soll hinsichtlich der art der nutzung in einem unbeplanten gebiet nur dann an die vorgaben der baunutzungsverordnung für die jeweiligen baugebietstypen gebunden sein, wenn die maßgebliche nähere umgebung nach der dort vorhandenen nutzungsstruktur auch einem dieser baugebietstypen entspricht und sich dem entsprechend fortentwickeln soll. der danach zu bestimmende gebietscharakter wird durch ausnahmen noch nicht in frage gestellt, solange die erkennbaren grundzüge der planung nicht berührt werden (vgl. § 31 abs. 1 baugb). dass in einem nach der baunvo zu kategorisierenden gebiet bestimmte vorhandene vorhaben nur ausnahmsweise zulässig sind, steht der annahme eines derartigen faktischen baugebiets nicht entgegen. dies ist erst dann anders, wenn diese vorhaben sich nicht auf wirkliche ausnahmefälle beschränken, sondern über den ausnahmetatbestand hinaustreten und eine eigene prägende wirkung auf die umgebung ausüben. 54vgl. bverwg, beschlüsse vom 2. juli 1991 – 4 b 1.91 –, buchholz 406.12 § 4 baunvo nr. 6 = juris rn 8, und vom 11. februar 2000 – 4 b 1/00 –, brs 63 nr. 102 = juris rn 34. 55die nähere umgebung des vorhabens entspricht dem baugebietstypus eines allgemeinen wohngebiets nach § 4 baunvo. diese dienen gemäß § 4 abs. 1 baunvo vorwiegend dem wohnen. neben den nach § 4 abs. 2 baunvo regelmäßig zulässigen arten der bebauung können die in § 4 abs. 3 baunvo genannten nutzungsarten ausnahmsweise zugelassen werden. innerhalb des durch die straße q. gebildeten vierecks werden die dort vorhandenen gebäude fast ausschließlich zum wohnen genutzt. 56soweit die klägerin nach ihren eigenen angaben im untergeschoss ihres hauses ein studio für fußpflege und tibetische massagen betreibt, handelt es sich um einen nach § 4 abs. 3 nr. 2 baunvo ausnahmsweise zulässigen nicht störenden gewerbebetrieb, nicht aber um eine berufsausübung gewerbetreibender, die ihren beruf in ähnlicher weise wie freiberufler ausüben, § 13 alternative 2 baunvo. eine solche privilegierung setzt voraus, dass das gewerbe in persönlicher unabhängigkeit und auf persönliche fertigkeiten beruhend erbracht wird, wobei letztere nicht zwingend geistiger natur sein müssen. 57vgl. grundlegend bverwg, urteile vom 30. januar 1970– iv c 143.65 –, brs 23 nr. 36, und vom 20. januar 1984– 4 c 56/80 –, bverwge 68, 324 = juris rn 10. 58diese voraussetzungen kann auch das anbieten von fußpflege im einzelfall erfüllen. so dürfte ein angebot medizinischer fußpflege unter § 13 baunvo fallen, wenn diese von einem ausgebildeten podologen im sinne des gesetzes über den beruf der podologin und des podologen (podologengesetz - podg) vom 4. dezember 2001 (bgbl. i s. 3320) durchgeführt wird. die hiernach vorgesehene ausbildung dauert in vollzeitform zwei jahre und in teilzeitform höchstens vier jahre und wird mit einer staatlichen prüfung abgeschlossen (§ 4 satz 1 und 2 podg). in diesem fall liegt die annahme nahe, dass es sich um einen dem krankengymnasten bzw. physiotherapeuten "ähnlichen" heil- bzw. heilhilfsberuf handelt. 59so ausdrücklich ovg nrw, urteil vom 25. august 2011– 2 a 38/10 –, brs 78 nr. 95 = juris rn 83. 60dies ist aber vorliegend nicht der fall. die klägerin hat nach ihren eigenen angaben eine zwölfwöchige ausbildung absolviert und verfügt somit nicht über eine vergleichbare persönliche befähigung wie etwa ein staatlich geprüfter podologe oder physiotherapeut. gleiches gilt für die tibetischen druckpunktmassagen. eine etwa dem masseur vergleichbare, zwei jahre dauernde ausbildung i.s.d. § 4 masseur- und physiotherapeutengesetz (mphg) hat die klägerin ebenfalls nicht durchlaufen. 61ob im für die rechtmäßigkeit der baugenehmigung bei der nachbarklage grundsätzlich maßgeblichen zeitpunkt der erteilung der baugenehmigung an die beigeladene in dem haus q. 10 die geschäftsstelle eines vertreters der versicherung b. betrieben worden ist – während des durch den berichterstatter durchgeführten ortstermins waren die vormals an einem fenster des hauses angebrachten, von der klägerin selbst dokumentierten hinweise entfernt –, kann offen bleiben. jedenfalls erweist sich diese nutzung in einem allgemeinen wohngebiet als nach § 13 alternative 2 baunvo zulässig. die tätigkeit als versicherungsvertreter stellt eine der freiberuflichen ähnliche berufsausübung dar. 62vgl. hierzu die amtl. begründung zur baunvo, bundesrats-drs. 53/62, anlage seite 8. 63dafür, dass diese nutzung die in § 13 baunvo hinsichtlich der baugebiete nach den §§ 2-4 baunvo vorgesehene beschränkung auf einzelne räume nicht eingehalten hätte, deutet nichts hin und ist von der beklagten oder der beigeladenen auch nichts geltend gemacht worden. hierfür wäre jedenfalls erforderlich, dass deutlich mehr als ein raum genutzt worden und so der vorherrschende eindruck des wohnens für das gebäude verloren gegangen wäre. 64vgl. bverwg, urteile vom 20. januar 1984 – 4 c 56/80 –, bverwge 68, 324 = juris rn 13, vom 25. januar 1985 – 4 c 34/81 –, buchholz 406.12 § 13 baunvo nr. 4 = juris rn 11, und vom 18. mai 2001 – 4 c 8/00 –, baur 2001, 1556 = juris rn 15. 65soweit die beklagte im rahmen des verfahrens von einer gewerblichen nutzung des hausgrundstücks q. 6 durch den stuckateurbetrieb n. s. und den estrichlegebetrieb s1. w. s. ausgegangen ist, ergeben sich hierfür keine anhaltspunkte. auf die bloße gewerbeanmeldung unter dieser adresse kommt es für die bauplanungsrechtliche bewertung nicht an. maßgeblich sind vielmehr allein solche umstände, die sich in der örtlichkeit tatsächlich im sinne einer wahrnehmbarkeit manifestieren und insoweit das einfügen einer nutzung in die umgebung überhaupt beeinflussen können. gleichwohl kommt der gewerbeanmeldung regelmäßig eine indizielle wirkung in dem sinne zu, als von ihrer richtigkeit ausgegangen werden kann, wenn tatsächliche beobachtungen dem nicht entgegenstehen. letzteres ist vorliegend aber der fall. die beklagte hat am 27. september 2013 die auf dem fraglichen grundstück vorhandenen garagen in augenschein genommen und konnte dabei eine nutzung der garagen mit betrieblichem hintergrund, etwa zu lager- und/oder verarbeitungszwecken, nicht feststellen. darüber hinausgehende anhaltspunkte für eine gewerbliche nutzung der grundstücke bestehen nicht. eine allein im rahmen der privaten lebensführung erfolgende und damit deutlich untergeordnete benutzung eines raumes auch zur erledigung beruflicher oder geschäftlicher angelegenheiten („privates arbeitszimmer“) stellt keine gewerbliche nutzung im sinne des bauplanungsrechts dar. 66die beiden zusammenstehenden fremdwerbetafeln im euroformat und das hinweisschild auf das mcdonald’s-schnellrestaurant stellen in einem faktischen allgemeinen wohngebiet als ausnahme zulässige nicht störende gewerbebetriebe i.s.d. § 4 abs. 3 nr. 2 baunvo dar. sie sind – in abgrenzung etwa zu werbung an der stätte der leistung – selbstständige (gewerbliche) hauptnutzungen und insoweit einer eigenen bauplanungsrechtlichen beurteilung zugängig. 67vgl. bverwg, urteil vom 3. dezember 1992 – 4 c 27/91 –, bverwge 91, 234 = juris rn 25. 68für die frage, ob es sich bei einer fremdwerbeanlage um einen "nicht störenden" gewerbebetrieb handelt, sind alle mit der zulassung des betriebs nach seinem gegenstand, seiner struktur und arbeitsweise typischerweise verbundenen auswirkungen auf die nähere umgebung zu berücksichtigen. dabei ist nicht nur auf immissionen im sinne des bundesimmissionsschutzgesetzes abzustellen, sondern auch auf optische auswirkungen des vorhabens. diese können den gebietscharakter eines wohngebiets, nämlich die dort zu gewährleistende wohnruhe, ebenso gut stören. ein vorhaben kann durch seine optische erscheinung gebietswidrig „laut wie die erzeugung von geräuschen“ sein. 69so ausdrücklich ovg nrw, urteil vom 14. märz 2006 – 10 a 4924/05 –, brs 70 nr. 139 = juris rn 74ff m.w.n., bestätigt durch bverwg, beschluss vom 10. juli 2006 – 4 b 45/06 –, brs 70 nr. 140 = juris rn 3. 70die beiden fremdwerbetafeln im euroformat überschreiten diese grenze der störung nicht. sie sind aufgrund ihrer größe und höhe sowie ihrer lediglich statischen anzeige nicht geeignet, eine unruhe in das wohngebiet zu tragen, die dessen charakter grundlegend wiedersprechen würde und die somit als nicht mehr wohngebietsgeeignet zu beschreiben wäre. gleiches gilt für das in der größe deutlich dahinter zurückbleibende hinweisschild auf das nahegelegene mcdonald’s-schnellrestaurant. 71die festgestellten nicht störenden gewerblichen nutzungen in der näheren umgebung erfüllen in ihrer gesamtheit noch den tatbestand einer ausnahme i.s.d. § 4 abs. 3 baunvo. sie haben noch nicht das gewicht, das der nicht störenden gewerblichen nutzung eine eigene bauplanungsrechtlich prägende wirkung zukommt. zwar erweist sich die anzahl der gewerblichen nutzungen im vergleich zu der größe des faktischen baugebiets und der anzahl der darin errichteten baulichen anlagen als nicht gänzlich vernachlässigbar. im vergleich mit der im übrigen einheitlichen wohnnutzung der gebäude fallen die vorgenannten gewerblichen nutzungen aber nicht deutlich i.s. einer eigenständigen bedeutung ins gewicht. schon innerhalb der nutzung des klägerischen grundstücks nimmt das fußpflege- und massagestudio der klägerin nur einen untergeordneten teil ein und dient nur dem nebenerwerb. das hinweisschild auf das mcdonald’s-schnellrestaurant ist von kleinem ausmaß. es richtet sich wie auch die beiden fremdwerbetafeln erkennbar nicht an die in dem gebiet wohnenden personen, sondern nahezu ausschließlich an verkehrsteilnehmer, die die f. straße befahren oder die bundesautobahn 42 (fahrtrichtung westen) an der anschlussstelle c. -süd verlassen. hinzu kommt, dass die werbeanlagen, die ausschließlich auf dem vorhabengrundstück stehen, von der wohnbebauung getrennt wahrgenommen werden. zwischen ihnen und der wohn(haupt)nutzung liegen sowohl die straße q. als auch die rückwärtigen gärten mit den entlang der straße ausgerichteten garagen. 72in diesem faktischen allgemeinen wohngebiet nach § 34 abs. 2 baugb, § 4 baunvo ist das vorhaben der beigeladenen unzulässig. gemäß § 4 abs. 2 baunvo sind in allgemeinen wohngebieten neben wohngebäuden und anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche zwecke die der versorgung des gebiets dienenden läden, schank- und speisewirtschaften sowie nicht störenden handwerksbetriebe generell zulässig. bei der durch die beklagte der beigeladenen genehmigten baulichen anlage handelt es sich nicht um eine der versorgung des gebiets dienende schank- und speisewirtschaft. durch die ausrichtung einer schank- und speisewirtschaft auf die gebietsversorgung soll sichergestellt werden, dass diese jedenfalls in einem bedeutsamen umfang von einem personenkreis aufgesucht wird, der die mit einem gaststättenbetrieb ohnehin verknüpften nachteiligen folgen für die anwohner in der umgebung der betriebsstätte nicht noch dadurch erhöht, dass er durch an- und abfahrtverkehr unruhe erzeugt, die von einem wohngebiet ferngehalten werden soll. dieses merkmal ist nicht erfüllt, wenn die gebietsversorgung erkennbar nicht der eigentliche betriebszweck ist, sondern allenfalls als nebenzweck eine rolle spielt und somit die gaststätte nicht durch einen funktionalen bezug zu dem nach diesem kriterium abgrenzbaren gebiet geprägt ist. ist eine gaststätte gebietsübergreifend auf einen besucherkreis ausgerichtet, der nahezu zwangsläufig an- und abfahrtverkehr mit den damit verbundenen gebietsinadäquaten begleiterscheinungen verursacht, ist sie in einem allgemeinen wohngebiet gebietsunverträglich und damit unzulässig. 73vgl. bverwg, beschluss vom 3. september 1998 – 4 b 85/98 –, njw 1998, 3792 = juris rn 5 und 10; vgl. weiterhin bverwg, beschluss vom 18. januar 1993 – 4 b 230/92 –, brs 55 nr. 54 = juris rn 5; ovg nrw, beschluss vom 16. märz 2005 – 10 b 1350/04 –, juris rn 6. 74das von der beigeladenen geplante kaffeehaus mit autoschalter ist weit überwiegend auf mit dem auto an- und abfahrende kundschaft ausgerichtet. dies belegen die in dem schalltechnischen gutachten gemachten angaben zu der erwarteten besucherstruktur. bei den am tag erwarteten 600 verkaufsvorgängen sollen 580 gäste mit dem auto kommen, nur 20 zu fuß. dies entspricht dem gewählten standort des vorhabens unmittelbar an der stark befahrenen f. straße und der bundesautobahn 42, der dafür spricht, dass gerade autofahrer als kunden gewonnen werden sollen. dies wird unterstrichen durch den 5,28 m hohen werbepylon mit dem werbeschild der beigeladenen und dem schriftzug „drive thru“, der für den fahrzeugverkehr blickgünstig an der südseite des vorhabengrundstücks errichtet werden soll. dieser ist genehmigt durch eine eigene der beigeladenen erteilte baugenehmigung der beklagten vom 21. november 2011, die gegenstand der klage 9 k 3637/12 ist. 75das vorhaben der beigeladenen ist nicht als sonstiger nicht störender gewerbebetrieb ausnahmsweise in einem allgemeinen wohngebiet nach § 4 abs. 3 nr. 2 baunvo zulässig. zwar kann eine nicht nur der versorgung des gebiets dienende schank- und speisewirtschaft sonstiger nicht störender gewerbebetrieb i.s.d. vorschrift sein. der begriff des gewerbebetriebs ist insoweit umfassend zu verstehen. er umfasst die schank- und speisewirtschaften, ohne dass § 4 abs. 3 nr. 2 baunvo einen gebietsbezug voraussetzt. allerdings ist – quasi stattdessen – die begrenzung „nicht störend“ einzuhalten. 76so etwa ovg nrw, beschluss vom 16. märz 2005 – 10 b 1350/04 –, brs 69 nr. 62 = juris rn 11; ovg berlin-brandenburg, beschluss vom 28. juni 2010 – ovg 10 s 46.09 –, brs 76 nr. 189 = juris rn 18; stock, in: ernst/zinkahn/bielenberg, baugb, stand: juni 2013, § 4 baunvo rn 117 f.; a.a. fickert/fieseler, baunvo, 11. auflage 2008, § 4 abs. 3 rn 9.2 und § 2 rn 25.11. 77für die beurteilung des störgrades und damit der gebiets(un)verträglichkeit sind alle mit der zulassung des betriebs nach seinem gegenstand, seiner struktur und arbeitsweise typischerweise verbundenen auswirkungen auf die nähere umgebung heranzuziehen. relevant für die beurteilung sind insbesondere die art und weise der typischen betriebsvorgänge, der umfang, die häufigkeit und die zeitpunkte dieser vorgänge sowie der damit verbundene an- und abfahrtsverkehr und der einzugsbereich des betriebs. abweichungen von dieser typik können sich aufgrund der konkreten tatsächlichen und rechtlichen ausgestaltung eines betriebs im einzelfall ergeben. 78vgl. bverwg, urteil vom 25. november 1983 – 4 c 21.83 –, bverwge 68, 213 = juris rn 12; beschlüsse vom 9. oktober 1990 – 4 b 121.90 –, nvwz 1991, 267 = juris rn 2, und vom 25. märz 2004 – 4 b 15/04 –, brs 67 nr. 70 = juris rn 9. 79die kriterien für art und ausmaß des nicht störenden emissionspotentials einer anlage nach § 4 abs. 3 nr. 2 baunvo sind anhand der nach § 4 abs. 1 baunvo zu bestimmenden gesetzlichen zweckbestimmung des baugebiets – vorwiegend dem wohnen dienend – zu beurteilen. ferner ist die gesetzliche stufenfolge zu den übrigen baugebieten nach § 5 ff. baunvo und das dort zulässige störungspotential zu berücksichtigen. selbst in mischgebieten und kerngebieten sind grundsätzlich nur nicht wesentlich störende gewerbebetriebe zulässig (vgl. § 6 abs. 1, abs. 2 nr. 4 sowie § 7 abs. 2 nr. 3 baunvo). in gewerbegebieten dürfen nach § 8 abs. 1 baunvo nur nicht erheblich belästigende gewerbebetriebe untergebracht werden. hieraus folgt, dass an (im verhältnis zur wohnnutzung) nicht störende gewerbebetriebe in allgemeinen wohngebieten verhältnismäßig strenge anforderungen gestellt werden müssen. 80vgl. vgh baden-württemberg, beschluss vom 18. januar 1995 – 3 s 3153/94 –, brs 57 nr. 215 = juris rn 4; vgl. zur typologie der baugebiete bverwg, beschluss vom 25. märz 2004 – 4 b 15/04 –, brs 67 nr. 70 = juris rn 9. 81unter berücksichtigung dieser maßstäbe ist das vorhaben der beigeladenen geeignet, die wohnruhe eines faktischen allgemeinen wohngebiets zu stören. ein kaffeehaus mit autoschalter, das fast ausschließlich von kunden mittels kraftfahrzeugen frequentiert wird und das nach dem von der beigeladenen im baugenehmigungsverfahren vorgelegten schalltechnischen gutachten innerhalb der zeit von 6 bis 22 uhr 828 pkw-fahrbewegungen (an- und abfahrt, werktags zusätzlich zwei lkw-fahrbewegungen) verursachen soll, bedingt schon allein durch diese bloße anzahl unruhe verursachender ereignisse, die über das in einem dem wohnen dienenden gebiet zu erwartende bei weitem hinausgeht, eine störung der wohnruhe. hinzu kommt, dass ein erheblicher teil der besucher die möglichkeit der bedienung am autoschalter in anspruch nehmen wird, wobei die beigeladene selbst von 30% der kunden ausgeht. die abfertigung an einem autoschalter bedingt durch die aufspaltung in bestell- und bezahl-/übergabevorgang ein mindestens zweimaliges halten und erneutes anfahren der kraftfahrzeuge, was zusätzlich wahrnehmbare emissionen erzeugt. auf die frage, ob etwa lärmende gäste zur nachtzeit – die vorliegend, wie die beklagte zu recht ausführt, nicht zu erwarten sind – zur annahme einer störung führen könnten, kommt es somit nicht an. 82soweit die beklagte der auffassung ist, für die bestimmung der störung i.s.d. vorschrift seien zwar die emissionen des vorhabens typisiert zu ermitteln, die auswirkung auf das baugebiet sei aber jeweils anhand der konkreten situation vor ort zu erheben, steht dies nicht in einklang mit dem wesen des gebietsgewährleistungsanspruchs. anders als von der beklagten vorgetragen, kommt es auf die frage, ob ein vorhaben die maßgeblichen immissionsgrenzwerte der (nach § 15 abs. 1 satz 2 baunvo zu berücksichtigenden) technischen anleitung zum schutz gegen lärm (ta lärm) einhält, gerade nicht an. 83vgl. bverwg, urteil vom 21. märz 2002 – 4 c 1/02 –, bverwge 116, 155 = juris rn 16. 84vielmehr zielt der gebietsgewährleistungsanspruch der gebietsansässigen auf die erhaltung der festgesetzten oder faktisch vorhandenen baugebietsart, welche in einem wohngebiet mit einer durch die gebietsfestsetzung (oder ihr faktisches vorhandensein) erstrebten gebietsbezogenen wohnruhe einhergeht. das dem wohngebiet immanente ruhebedürfnis ist dabei nicht gleichbedeutend mit einer immissionsschutzrechtlich relevanten lärmsituation. es handelt sich um die vermeidung als atypisch angesehener nutzungen, die den charakter einer kollektiven wohngemeinschaft im sinne des gebietscharakters stören. 85vgl. bverwg, urteil vom 21. märz 2002 – 4 c 1/02 –, bverwge 116, 155 = juris rn 17. 86auf besondere verhältnisse des jeweils konkreten baugebiets ist im rahmen des gebietsgewährleistungsanspruchs und der hiermit einhergehenden typisierten betrachtungsweise nicht abzustellen. etwaige vorbelastungen können zwar für die frage der zumutbarkeit im rahmen des § 15 abs. 1 satz 2 baunvo herangezogen werden; die zulässigkeit gewerblicher nutzungen in einem (faktischen) baugebiet erweitern sie nicht. 87vgl. bverwg, urteil vom 22. november 1983 – 4 c 64/79 –, bverwge 68, 207 = juris rn 12. 88soweit sich die beklagte zur stützung ihrer rechtsauffassung auf jeweils eine entscheidung des bundesverwaltungsgerichts und des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen beruft, folgt aus diesen nichts anderes. das bundesverwaltungsgericht, 89beschluss vom 9. oktober 1990 – 4 b 121/90 –, brs 50 nr. 58, juris rn 2, 90führt aus, es sei eine frage des einzelfalls, ob die verkehrlichen auswirkungen eines betriebs, der durch die dort vorgenommenen arbeiten für sich genommen nicht die schwelle zur störung überschreite, eine gebietsunverträgliche störung verursache. dies steht nicht im gegensatz zu vorstehendem. schon durch den in der entscheidung zuvor verwendeten begriff der „typischerweise [damit] verbundenen auswirkungen auf die nähere umgebung“ wird deutlich, dass hierbei keine konkret an der örtlichkeit orientierte bestimmung der störung erfolgt. hierfür spricht auch der verweis u.a. auf das schon oben zitierte urteil desselben senats vom 22. november 1983. 91das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, 92beschluss vom 16. märz 2005 – 10 b 1350/04 –, brs 69 nr. 62 = juris rn 10 f., 93nimmt bezug auf die konkreten betriebsabläufe und die lage des betriebs an zwei bestimmten straßen. dies geschieht allerdings nicht im rahmen der prüfung der materiellen rechtmäßigkeit des verwaltungsakts sondern ausdrücklich im rahmen der im gerichtlichen eilverfahren vorzunehmenden abwägung des interesses der antragstellerin mit dem öffentlichen vollzugsinteresse. 94das vorhaben der beigeladenen ist nicht im wege einer befreiung nach § 31 abs. 2 baugb zuzulassen. diese norm findet auch auf faktische baugebiete anwendung. 95zur anwendbarkeit bei § 34 abs. 2 baugb vgl. bverwg, beschlüsse vom 26. juli 2005 – 4 b 33/05 –, brs 69 nr. 63 = juris rn 9, und vom 27. august 2013 – 4 b39/13 –, juris rn 2. 96ob es insoweit bereits an einer erteilung einer befreiung durch die beklagte im baugenehmigungsverfahren fehlt, die eine ausübung des bestehenden ermessens voraussetzt, kann offen bleiben. insoweit wird vertreten, das rein tatsächliche vorliegen der voraussetzungen für die erteilung einer befreiung genüge insoweit nicht. eine dieses erfordernis nicht berücksichtigende baugenehmigung verletze dann den gebietserhaltungsanspruch der betroffenen grundstückseigentümer. 97vgl. ovg rhl.-pfalz, beschluss vom 5. februar 2010 – 1 b 11356/09 –, brs 76 nr. 178 = juris rn 4. 98jedenfalls liegen die voraussetzungen für die erteilung einer befreiung nach § 31 abs. 2 baugb nicht vor. voraussetzung hierfür ist u.a., dass durch das vorhaben die grundzüge der jeweiligen (faktischen) planung nicht berührt werden. ob die grundzüge der planung berührt werden, hängt entscheidend davon ab, ob die abweichung dem planerischen grundkonzept zuwider läuft. je tiefer die befreiung in das interessengeflecht der planung eingreift, desto eher liegt der schluss auf eine änderung der planungskonzeption nahe, die nur im wege der (um-)planung möglich ist. 99vgl. bverwg, urteil vom 9. juni 1978 – iv c 54.75 –, bverwge 56, 71 = juris rn 28; beschlüsse vom 5. märz 1999 – 4 b 5/99 –, brs 62 nr. 99 = juris rn 6 und vom 19. mai 2004 – 4 b 35/04 –, brs 67 nr. 83 = juris rn 3; urteil vom 18. november 2010 – 4 c 10/09 –, bverwge 138, 166 = juris rn 37. 100die zulassung des verfahrensgegenständlichen vorhabens eines kaffeehauses mit autoschalter widerspricht der grundlegenden bestimmung eines faktischen allgemeinen wohngebiets, welches nach § 4 abs. 1 baunvo vorwiegend dem wohnen dient. sie würde zu bodenrechtlichen spannungen führen, insbesondere durch die erzeugte erhebliche unruhe in dem gebiet und die mögliche vorbildwirkung für andere gewerbliche nutzungen. 101die kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 abs. 1, 162 abs. 3 i.v.m. § 154 abs. 3 vwgo. es entspricht der billigkeit, die außergerichtlichen kosten der beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil diese keinen antrag gestellt und sich damit keinem kostenrisiko ausgesetzt hat. 102die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 abs. 1 satz 1 und abs. 2 vwgo i.v.m. § 709 zivilprozessordnung (zpo). | Klaeger*in | 1 |
346,389 | 14 K 3693/21 | 2022-07-19T00:00:00 | Urteil | Tenor Es wird festgestellt, dass die Auflage Nr. 4 der Versammlungsbestätigung vom 30. April 2021 rechtswidrig war, soweit jede sprachliche Verwendung der Parole „E. -E1. Nazi Kiez“ untersagt wurde. Im Übrigen wird die Klage wird abgewiesen. Der Beklagte und der Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits jeweils zur Hälfte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. 1Tatbestand: 2Am Freitag dem 23. April 2021 meldete der Kläger, für den Landesverband der Partei „Die Rechte“, dessen Vorsitzender er ist, eine Mahnwache auf dem X.-platz in E. E1. am 1. Mai 2021 für die Zeit von 11:00 Uhr bis 12:00 Uhr an. 3Als Versammlungsleiter wurde der Kläger benannt. Das Veranstaltungsthema lautete „Heraus zum Tag der Arbeit“, die erwartete Teilnehmerzahl wurde mit ca. 15-20 angegeben. Als Hilfsmittel wurden unter anderem eine Lautsprecheranlage und ein Lautsprecherfahrzeug angemeldet. 4Unter dem 30. April 2021 bestätigte das der Beklagte dem Kläger die angemeldete Versammlung für den 1. Mai 2021 mit einer insgesamt einundfünfzig Seiten umfassenden Versammlungsbestätigung. 5Die Auflage Nr. 4 zu der Versammlungsbestätigung lautet: 6„Das Mitführen von Transparenten, Plakaten, Fahnen oder anderen Gegenständen mit der Aufschrift E. -E1. Nazi-Kiez" und „National befreite Zone" sowie das Skandieren und jede andere sprachliche Verwendung der Parolen „E. -E1. Nazi-Kiez" und „National befreite Zone" ist untersagt und daher zu unterlassen. Verboten sind ferner alle inhaltlich gleichbedeutenden Umgehungsformulierungen (z.B. E1. ist unser Kiez, „Nazi Kiez statt „E. -E1. Nazi-Kiez, „Nationalen... erkämpfen" statt „National befreit").“ 7Zur Begründung der Auflage in Ziffer 4. führte der Beklagte aus, diese Auflage werde erlassen, um die von den Versammlungen des Klägers ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu verhindern. 8Eine solche könne insbesondere durch die Zurschaustellung von Transparenten, Fahnen, Plakaten oder anderen Gegenständen mit entsprechenden Aufschriften oder dem Skandieren von Parolen bewirkt werden, die nach dem Inhalt der Äußerungen für sich betrachtet noch nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung verwirklichten, jedoch nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung prognostizierbaren Umständen durch die Art und Weise der Durchführung der Versammlung eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung begründen werden. Dazu gehörten auch die benannten Parolen „E. -E1. Nazi Kiez" und „National befreite Zone". Mit „inhaltlich gleichbedeutenden Formulierungen" seien solche Formulierungen gemeint, durch die in gleicher Weise ein territorialer Dominanzanspruch" im Hinblick auf das Stadtgebiet E1. geltend gemacht werde. 9In der Folge werden Verhaltensweisen und Vorfälle im Stadtteil E. E1. , insbesondere im Bereich des X.-platzes geschildert, welche diesen räumlichen Dominanzanspruch der „rechten Szene“ deutlich machten, die E. Bevölkerung mit Besorgnis erfüllten und ein besonderes Präsenzkonzept der E. Polizei in jenem Bereich erforderlich machten. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die den Beteiligten bekannte Begründung des Bescheides Bezug genommen. 10Da Rechtsextremisten Andersdenkenden nicht den allgemein üblichen und notwendigen Respekt bzw. die erforderliche Akzeptanz entgegenbrächten, sei ein gedeihliches Zusammenleben nicht nur in E1. gefährdet. Mit den Begriffen „Nazi-Kiez" und „National befreite Zone“ werde der Anspruch erhoben, Andersdenkende aus dem Stadtteil E1. zu vertreiben und einzuschüchtern. Dabei werde durch die Verwendung des Begriffs „Nazi-Kiez“ für die Partei „Die Rechte“ und deren Mitglieder eine unmittelbare Verbindung zum Nationalsozialismus hergestellt. Darüber hinaus mache die Verbindung der Begriffe „Nazi" und Kiez" deutlich, dass eine Vorherrschaft im Stadtteil E1. angestrebt werde. Zum anderen beinhalte der Ausspruch für Andersdenkende die Aufforderung und Drohung, sich aus dem vermeintlichen „Nazi-Kiez“ besser fernzuhalten. 11Die Parolen dienten der gezielten Schaffung eines Angstraumes im Stadtteil E1. und verfolgten das Ziel, die „nationale Kontrolle“ über diesen Stadtteil zu gewinnen. 12Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese Parolen bzw. Transparente und/oder Plakate auch in der Versammlung in E. am 1. Mai 2021 skandiert bzw. mitgeführt werden. 13Die Auflage sei verhältnismäßig und insbesondere erforderlich, da ein Einschreiten erst während der Versammlung und nach dem Skandieren dieser Parolen hier nicht gleich geeignet sei, die Gefahr für die öffentliche Ordnung abzuwehren. Dabei sei das Interesse unbeteiligter Dritter, insbesondere von Menschen mit Migrationshintergrund sowie anderer Minderheiten zu berücksichtigen und abzuwägen. Ein durch die Parolen zum Ausdruck kommender offener Bezug zum Nationalsozialismus sei nicht mit dem Standort der Versammlung vereinbar. 14Die Versammlungsbestätigung ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, in der es u.a. heißt: 15„Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage erhoben werden“ 16Die Versammlungsbestätigung wurde dem Kläger ausweislich des Zusatzes im Adressfeld per E-Mail bekannt gegeben und dem Gericht am 30. April 2021 per Telefax übermittelt. 17Der Kläger hat am 24. September 2021 Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Auflage Nr. 4 erhoben. 18Zur Begründung bezweifelt der Kläger, dass der durchschnittliche E. -Bürger mit dem aus dem Norddeutschen stammenden Begriff „Kiez“ überhaupt etwas anfangen könne. Bei der Bewertung einer Parole oder Wortfolge oder Meinungsäußerung komme es vornehmlich darauf an, wie der verständige Durchschnittshörer (oder Durchschnittsleser) sie verstehe. Es liege auf der Hand, dass es hier in Deutschland regionale Unterschiede gebe. Dies hätte der Beklagte berücksichtigen müssen. 19Unabhängig davon sei nicht hinreichend dargelegt, warum damit ein "territorialer Dominanzanspruch" hinsichtlich des Stadtteils E1. geltend gemacht werde, der andere "ausschließen und einschüchtern" solle. 20Bloße Behauptungen seien kein Rechtsgrund für eine Einschränkung des Versammlungsrechts oder - verbunden mit einer Versammlung - des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Auch für die Behauptungen, die rechtsextremistische Szene habe gezeigt, dass sie sich "über jegliche Anstandsregeln hinwegsetze" und die "Atmosphäre gegenseitiger Rücksicht und Achtung in der E1. Wohnbevölkerung dadurch gefährdet sei, sowie dass „vielfache Beschwerden“ darüber vorlägen und ein polizeiliches Präsenzkonzept nötig geworden sei, um u.a. strafrechtlich relevantes Verhalten zu unterbinden, habe der Beklagte Beweis zu erbringen. 21Der Kläger beantragt, 22festzustellen, dass die Auflage Nr. 4 aus dem Auflagenbescheid vom 30. April 2021 rechtswidrig war soweit damit die Verwendung des Begriffes "E. –E1. -Nazi-Kiez" auf Transparenten, Fahnen, Plakaten oder anderen Gegenständen sowie das Skandieren und jede andere sprachliche Verwendung dieses Begriffes untersagt wird. 23Der Beklagte beantragt, 24die Klage abzuweisen. 25Die Klage sei unabhängig von der Einhaltung der Klagefrist unzulässig, weil die Zulässigkeit eines solchen ausnahmsweise zulässigen Rechtsschutzbegehrens vom Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses bei der Verfolgung eines subjektiven Rechts abhänge. Daran fehle es jedoch, da durch die Auflage der spezifische Charakter der Versammlung nicht verändert und insbesondere das kommunikative Anliegen nicht wesentlich erschwert worden sei. 26Darüber hinaus seien wegen des Inkrafttretens des nordrhein-westfälischen Versammlungsgesetzes Auflagen mit Bezug auf die öffentliche Ordnung nicht mehr zu erwarten, da dieses Schutzgut im Gesetz nicht mehr vorgesehen sei. Es fehle daher an einer Wiederholungsgefahr. 27Die Klage sei außerdem unbegründet, denn es hätten zum Entscheidungserheblichen Zeitpunkt im Rahmen der ex-ante Betrachtung konkrete Tatsachen dafür vorgelegen, dass das mit der Auflage untersagte Verhalten, sofern es nicht im Vorfeld unterbunden würde, durch die Versammlungsteilnehmer im Rahmen der Versammlung seine Wiederholung finde, obgleich bereits gerichtlich im Verfahren VG Gelsenkirchen - 14 L 1456/19 - durch Beschluss vom 20. September 2019 und mit Beschluss des OVG NRW vom 20. September 2019 - 15 B 1298/19 ‑ festgestellt worden sei, dass eben dieses Verhalten in Verbindung mit der Art und Weise der Durchführung einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung zu begründen vermag. 28Unter Berücksichtigung der Bewertung des Verwaltungsgerichts zum damaligen Entscheidungszeitpunkt der Versammlungsbestätigung sei daher einzig durch die gegenständliche Auflage der Schutz der öffentlichen Ordnung zu sichern gewesen. Die Gefahr der Wiederholung habe sich hinsichtlich des Klägers bzw. aus seiner Funktion als Versammlungsleiter sowie der zu erwartenden Versammlungsteilnehmer und der hiermit verbundenen Überschneidungen der Teilnehmerkreise zu den vorhergehenden Versammlungskonstellationen als hinreichend wahrscheinlich dargestellt. Insoweit sei zu erwarten gewesen, dass nicht nur erneut die inhaltliche Wiedergabe der Parole sondern vielmehr auch angesichts des Versammlungsortes am X.-platz die die Parole begleitenden Umstände auftreten würden. 29Vor dem Hintergrund des näher beschriebenen tatsächlichen Verhaltens der rechten Szene in E. –E1. erscheine es fernliegend, dass der Durchschnittliche E. -Bürger mit der Begrifflichkeit nichts anfangen könne. 30Die Auflage, ein bewusst machtdominierendes Verhalten in Form des Skandierens der Parole sowie der Zurschaustellung auf Bannern und Transparenten zu untersagen, sei auch ermessensfehlerfrei und insbesondere verhältnismäßig. Sie sei geeignet ein Klima der Einschüchterung zu verhindern und unbeteiligte Dritte vor provokativen und aggressiven Wirkungen zu schützen. 31Sie sei auch erforderlich gewesen, da ein Verhindern der oben dargestellten Verhaltensweise nicht mit milderen Mitteln zu erreichen gewesen sei. Insbesondere sei es nicht zumutbar, einen Verstoß abzuwarten. Denn hinsichtlich einer möglichen Auflösung gegenüber dem präventiven Verbot könne darauf verwiesen werden, dass diese nicht gleich geeignet sei, um einer irreparablen Verwirklichung der Gefahrensituation zu begegnen. Anderenfalls liefe die Versammlungsbehörde stets sehenden Auges in eine sich ergebende Gefahr für die öffentliche Ordnung. 32Die Versammlungsteilnehmer seien allein hinsichtlich der in der Auflage benannten Formulierung beschränkt worden. Die darüber hinaus bestehenden, generellen versammlungstypischen Formen gemeinsamer Meinungskundgabe, wie dem lauten gemeinsamen Rufen oder Skandieren sowie der Verwendung von Transparenten oder Flugblättern seien hierdurch nicht berührt. Dies gelte erst recht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Motto der hier gegenständlichen Versammlung „Heraus zum Tag der Arbeit“ keinen Bezug zu der untersagten Form der Parole aufweise. 33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten auch des Verfahrens ‑ 14 L 618/21 ‑ einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakte Heft 1 zu 14 L 618/21). 34Entscheidungsgründe: 35Die Klage ist in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft und im Übrigen auch zulässig. 36Der Kläger ist klagebefugt. 37Zwar wurde die streitgegenständliche Versammlung durch ihn für den Landesverband der Partei „Die Rechte“ als Veranstalter angemeldet und die Versammlungsbestätigung an den Landesverband der Partei „z.Hd. Herrn E2. “ adressiert, während er die Klage offenbar als „Privatperson“, ohne Bezug zu seiner Funktion als Vertreter der Partei und nicht in deren Namen erhoben hat. 38Als förmlicher Nichtadressat kommt es insoweit darauf an, ob subjektive Rechte oder zumindest anderweitig geschützte Interessen des Klägers verletzt sein können. 39Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 21. Januar 1993 -4 B 206.92, m.w.N., juris. 40Eine Klagebefugnis ist nur dann zu verneinen, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können. 41Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1963 ‑ V C 219.62 ‑, juris. 42Gemessen daran ist von einer Klagebefugnis auszugehen. Denn abgesehen davon, dass der Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid den Landesverband der Partei „Die Rechte“ ausdrücklich als Veranstalter benannt hat, hat er diesen Bescheid dem die Anmeldung durchführenden Landesvorsitzenden der Partei ‑ dem Kläger - unter dessen Privatanschrift als Anmelder und in seiner Eigenschaft als Versammlungsleiter, auf den der Veranstalter das Leitungsrecht gem. § 7 des Versammlungsgesetzes des Bundes (VersG), das bis zum Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Versammlungsgesetzes am 18. Dezember 2021 und damit im Erlasszeitpunkt der Maßnahme gültig war, übertragen hatte, übersandt. Im Rahmen dieser Funktion war der Kläger zumindest „Inhaltsadressat“, 43vgl. dazu auch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein - Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 9. Juni 2005 ‑ 9 A 1150/03 ‑. juris, Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Juli 2018 ‑ 2 S 1228/18 ‑, juris, 44der als verantwortlicher Versammlungsleiter im Rahmen der §§ 8, 10, 11 VersG u.a. zur Bekanntgabe der Auflagen in Anspruch genommen und von dem als verantwortlichen Leiter auch eine Kontrolle der Einhaltung der Auflagen mit einem Einschreiten bis hin zur Auflösung der Versammlung abverlangt wurde. Insoweit war der Bescheid mit der in diesem Verfahren allein streitigen Auflage auch an den Kläger gerichtet, 45vgl. zur Rolle des Versammlungsleiters und seiner Klagebefugnis Bayerischer VGH, Urteil vom 10. Juli 2018 ‑ 10 BV 17.2405 ‑ , BayVBl. 2019, 20 f., VG Leipzig, Urteil vom 17. Juni 2016 ‑ 1 K 259/12‑ , juris, VG Karlsruhe, Urteil vom 14. Mai 2020 ‑ 3 K 5923/18 ‑, juris, 46der sich neben Veranstalter und Teilnehmern grundsätzlich auf das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG berufen kann. 47Vgl. Dieter/Ginztel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Aufl., § 8 Rdnr. 6. 48Dass der Kläger insoweit (auch) als Leiter der von ihm angemeldeten Versammlung durch die streitgegenständliche Auflage in seinen Rechtspositionen verletzt sein könnte, erscheint mithin nicht unmöglich und der Kläger hat im Rechtsstaat einen Anspruch darauf, dass er in seinen Rechten nur durch Akte beeinträchtigt wird, die mit dem geltenden Recht in Einklang stehen. 49Vgl. auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. November 2021 ‑ 14 K 1638/15 ‑, juris. 50Es besteht für die Fortsetzungsfeststellungsklage auch unabhängig von der Frage, ob angesichts des Inkrafttretens des Versammlungsgesetzes des Landes NRW eine Wiederholungsgefahr für eine auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gerichtete Auflage noch möglich ist, ein berechtigtes Interesse Klägers. Das erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers ist vorliegend bereits aufgrund der Möglichkeit einer kurzfristig erledigten, aber schwerwiegenden Beeinträchtigung der in Art. 8 des Grundgesetzes - GG - garantierten Versammlungsfreiheit gegeben. 51In versammlungsrechtlichen Verfahren sind die Anforderungen an das Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Versammlungsfreiheit anzuwenden. Zwar begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. 52Die Beurteilung, ob der Kläger sich auf ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines in tatsächlicher Hinsicht bereits überholten Grundrechtseingriffs berufen kann, erfolgt im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG. Diese Norm enthält ein Grundrecht auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. An das für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Rechtsschutzinteresse dürfen deshalb keine aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Anforderungen gestellt werden. 53Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 8. Februar 2011 ‑ 1 BvR 1946/06 ‑, juris; Beschluss vom 3. März 2004 ‑ 1 BvR 461/03 ‑, BVerfGE 110, 77 und juris. 54In versammlungsrechtlichen Verfahren sind bei der Beurteilung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses die Besonderheiten des Grundrechts der Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Auch hier begründet nicht jeder Eingriff ein berechtigtes Interesse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit. Ein solches Interesse besteht aber insbesondere dann, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt. 55Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 ‑1 BvR 461/03 ‑, BVerfGE 110, 77 und juris. 56Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gerade auch in den Fällen gewichtiger Grundrechtseingriffe, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass ein vorheriger Rechtsschutz in der Hauptsache regelmäßig nicht zu erreichen ist, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung gebietet. 57Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 ‑ 1 BvR 461/03 ‑, BVerfGE 110, 77 und juris; Beschluss vom 5. Dezember 2001 ‑ 2 BvR 527/99 ‑, BVerfGE 104, 220 und juris; BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 ‑ 8 C 20/12 ‑, juris. 58Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist ein Forstsetzungsfeststellungsinteresse nicht nur dann anzunehmen, wenn eine Versammlung verboten oder aufgelöst wurde sondern ebenso zu bejahen, wenn die Versammlung zwar durchgeführt werden konnte, aber infolge von versammlungsbehördlichen Auflagen gemäß § 15 Abs. 1 VersG nur in einer Weise, die ihren spezifischen Charakter verändert, insbesondere die Verwirklichung ihres kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert hat. Demgegenüber ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht begründet, wenn die Abweichungen bloße Modalitäten der Versammlungsdurchführung betroffen haben. 59Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 ‑ 1 BvR 461/03 ‑, BVerfGE 110, 77 und juris. 60Für die Frage, ob ein Feststellungsinteresse besteht, kommt es nicht darauf an, ob diese Beschränkung der Versammlung rechtmäßig war, oder nicht, dies ist eine Frage der Begründetheit der Klage. 61Das streitgegenständliche Verbot jeglicher sprachlichen Verwendung der Parole „E. –E1. Nazi-Kiez“ auf Transparenten, Fahnen, Plakaten oder anderen Gegenständen sowie das Skandieren und jede andere sprachliche Verwendung dieses Begriffes, ist grundsätzlich dazu geeignet die Verwirklichung des kommunikativen Anliegens der von dem Kläger geleiteten Versammlung wesentlich zu erschweren. 62Das angemeldete Versammlungsmotto „Heraus zum Tag der Arbeit“ hat zwar keinen unmittelbaren Bezug zu der untersagten Verwendung der streitgegenständlichen Parole. Wie sich aber aus der Begründung der Auflage Nr. 4 ergibt, geht der Beklagte jedoch davon aus, dass die Parole Ausdruck eines wesentlichen Kommunikationsanliegens der Versammlung sei. Sie diene der Raumergreifungsstrategie der Partei „Die Rechte“ und der gezielten Schaffung eines Angstraumes im Stadtteil E1. . Die Teilnehmer der Versammlung verfolgten danach das Ziel, die „nationale Kontrolle“ über diesen Stadtteil zu gewinnen, deshalb sei zu erwarten gewesen, dass diese Parole im Laufe der Versammlung verwendet werden sollte. 63Unabhängig von den Zweifeln hinsichtlich seiner Bestimmtheit begegnet die Reichweite des Verwendungsverbots Bedenken hinsichtlich seiner Verhältnismäßigkeit. Die Reichweite des Verbots war durch den Zusatz „und jede andere sprachliche Verwendung dieses Begriffes“ nicht konkret festgelegt. Es ließ sich für den Kläger jedenfalls nicht ohne weiteres überblicken wie weit dieses „globale“ Verwendungsverbot reichen soll. Dies machte er in der mündlichen Verhandlung plastisch deutlich, indem er darauf hinwies, dass nicht einmal ein inhaltliches Abrücken von dieser Parole in Redebeiträgen möglich sei, wenn das Verbot wörtlich genommen werde. 64Ein nachträglicher Rechtsschutz im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage ist zudem auch deshalb geboten, weil sich die streitgegenständliche Beschränkung, welche dem Kläger mit der Versammlungsbestätigung vom 30. April 2021 bekanntgegeben wurde, bereits mit Ablauf der Versammlung am darauffolgenden Tag erledigte und ein vorheriger Rechtsschutz in der Hauptsache damit nicht zu erreichen war. 65Das Feststellungsinteresse ist nicht dadurch entfallen, dass der Kläger die Klage erst am 24. September 2021, über vier Monate nach dem Erhalt der streitgegenständlichen Verfügung erhoben hat. 66Die Erledigung der streitgegenständlichen Auflage trat mit dem Ende der Versammlung am 1. Mai 2021, also vor der Klageerhebung ein. 67Zwar war der Auflagenbescheid vom 30. April 2021 mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Diese setzte jedoch die Klagefrist des § 74 VwGO nicht in Gang, denn im Text der Belehrung wird für den Beginn der Frist auf die Zustellung des Bescheides abgestellt. Dieser wurde dem Kläger jedoch lediglich per E-Mail bekannt gegeben, so dass die Klagefrist nie zu laufen begann. 68Es kann deshalb vorliegend dahinstehen, ob das Feststellungsinteresse aufgrund des Grundsatzes, dass alleine die Erledigung eine unzulässige Anfechtungsklage nicht in eine zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage verwandeln kann, aufgrund des Ablaufs der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO entfallen könnte. Ebenso kann offen bleiben, ob das Feststellungsinteresse entsprechend dem Grundsatz des § 58 Abs. 2 VwGO nach mehr als einem Jahr entfallen kann, denn die Klage wurde innerhalb von knapp fünf Monaten nach der Bekanntgabe erhoben. 69Die zulässige Klage ist begründet, soweit sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Zusatzes „und jede andere sprachliche Verwendung dieses Begriffes [ist] untersagt“ verfolgt. Soweit die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untersagung der Parole „E. –E1. Nazi-Kiez“ Gegenstand des Feststellungsbegehrens ist, ist die Klage unbegründet. 70Rechtsgrundlage für die angegriffene Auflage war § 15 Abs. 1 VersG. Nach der Vorschrift kann die zuständige Behörde die Durchführung einer Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. 71Der Beklagte stellt hinsichtlich des Verbots der Parole „E. -E4. Nazi-Kiez“ auf die in der Verwendung dieses Begriffs gründende Gefahr für die öffentliche Ordnung ab. 72Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen. Dabei wird in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht. 73Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. April 2001 ‑ 1 BvQ 17/01 ‑, juris. 74Für den Begriff der öffentlichen Ordnung ist demgegenüber kennzeichnend, dass er auf ungeschriebene Regeln verweist, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird. 75Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007 ‑ 1 BvR 2793/04 ‑, NVwZ 2008, 671. 76Soweit Beschränkungen mit dem Inhalt der während der Versammlung zu erwartenden Meinungsäußerungen begründet werden, ist die besondere Gewährleistung der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 GG zu berücksichtigen. Der Inhalt von Meinungsäußerungen, der im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 GG nicht unterbunden werden darf, kann auch nicht zur Rechtfertigung von Maßnahmen herangezogen werden, die das Grundrecht des Art. 8 Abs. 1 GG beschränken. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 VersG dient zwar dem Schutz schlechthin geschützter Rechtsgüter unabhängig davon, ob sie durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise gefährdet werden. Der Inhalt von Meinungsäußerungen als solcher ist versammlungsrechtlich aber nur relevant, wenn es sich um Äußerungen handelt, die einen Straftatbestand erfüllen. Werden die entsprechenden Strafgesetze missachtet, liegt darin eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit, die durch die Ordnungsbehörden abgewehrt werden kann, und zwar auch mit Auswirkungen auf Versammlungen. Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen, erzwingt die Wertloyalität aber nicht. Kritik an der Verfassung und ihren wesentlichen Elementen ist ebenso erlaubt wie die Äußerung der Forderung, tragende Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu ändern. 77Zudem bedarf § 15 Abs. 1 VersG wegen der Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG einer einschränkenden Auslegung dahingehend, dass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung als Grundlage beschränkender Verfügungen ausscheidet, soweit sie im Inhalt von Äußerungen gesehen wird. 78Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007, ‑ 1 BvR 2793/04 ‑, NVwZ 2008, 671 und Beschluss vom 23. Juni 2004 ‑ 1BvQ 19/04 ‑, juris. 79Beschränkende Verfügungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung sind verfassungsrechtlich nur dann unbedenklich, als sich die in § 15 Abs. 1 VersG vorausgesetzte Gefahr nicht aus dem Inhalt der Äußerung, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung ergibt. Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung infolge der Art und Weise der Durchführung einer Versammlung kann beispielsweise bei einer aggressiven und provokativen, die Bürger einschüchternden Verhalten der Versammlungsteilnehmer bestehen, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird. Ein entsprechender Anlass kann ferner gegeben sein, wenn Rechtsextremisten einen Aufzug an einem speziell der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust dienenden Feiertag so durchführen, dass von seiner Art und Weise Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger erheblich beeinträchtigen. Gleiches gilt, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert. 80Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007, ‑ 1 BvR 2793/04 ‑, NVwZ 2008, 671 und Beschluss vom 23. Juni 2004 ‑ 1BvQ 19/04 ‑, juris. 81Die für eine beschränkende Verfügung notwendige unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung setzt dabei eine Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Interessen führt. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde bei dem Erlass von vorbeugenden Verfügungen aber keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Es müssen zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung erkennbare Umstände vorliegen, aus denen sich die unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ergibt. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen nicht aus. 82Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007, ‑ 1 BvR 2793/04 ‑, NVwZ 2008, 671. 83Zwar betrifft das Verbot der Parole „E. –E1. Nazi Kiez“ in seinem Kern eine Meinungsäußerung, die - auch nach der Auffassung des Beklagten - die Grenzen der Strafbarkeit nicht überschreitet. 84Vorliegend treten neben die bloße Meinungsäußerung jedoch äußere Umstände hinzu, welche dazu geeignet sind, bei der Äußerung dieser Parole, sei es durch das skandieren aus der Versammlung heraus oder in schriftlicher Form auf Plakaten, Transparenten, etc., eine Gefahr für die öffentliche Ordnung zu begründen. 85Es ist namentlich zu berücksichtigen, dass die Versammlung auf dem X.-platz stattfand. Der Beklagte hat tatsachengestützt belegt, dass es sich bei diesem Platz um einen Raum handelt, der in besonderer Weise durch Angehörige der rechten Szene und namentlich durch Mitglieder der Partei „Die Rechte“, darunter auch der Kläger, im Zusammenhang mit dem sogenannten „Raumkampf“ exklusiv „für sich“ beansprucht wird. 86Die Gefahrenprognose des Beklagten stützte sich nicht ausschließlich auf die Verwendung versammlungstypischer Ausdrucksformen. Insofern ist zu beachten, dass es mit der Bedeutung der Versammlungsfreiheit unvereinbar wäre, bereits aus den versammlungstypischen Formen gemeinsamer Meinungskundgabe, wie dem lauten gemeinsamen Rufen oder Skandieren sowie der Verwendung von Transparenten oder Flugblättern, jene versammlungsspezifischen Wirkungen ableiten zu wollen, die zu der bloßen Äußerung bestimmter Meinungsinhalte hinzutreten müssen, um Beschränkungen der Versammlungsfreiheit unter Berufung auf die öffentliche Ordnung zu rechtfertigen. 87Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007 ‑ 1 BvR 2793/04 ‑, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. November 2021 ‑ 14 K 6634/18 ‑, juris. 88Der Beklagte hat in der Begründung der hier streitgegenständlichen Auflage maßgeblich weder auf diese versammlungstypischen Verhaltensweisen noch allein auf den - nicht strafbaren - Inhalt der Parole abgestellt, sondern diese in den Zusammenhang mit der Örtlichkeit des X.-platzes in E. E1. und der daraus folgenden Wirkung auf die Bevölkerung dieses Stadtteile und der unmittelbaren Umgebung des X.-platzes gestellt. 89Die Kammer folgt der Einschätzung, dass die hier allein streitgegenständliche Parole überwiegend unmittelbar auf die Ideologie und Herrschaft des Nationalsozialismus Bezug nimmt. Der Gesamtkontext, in dem die ausdrücklich untersagte Parole verwendet worden wäre, hätte der Versammlung ein Gepräge gegeben, welches darauf gerichtet und jedenfalls geeignet wäre, von anderen Bürgern als Herrschaftsanspruch und Geltung dieser Ideologie und seiner Normen auch speziell für den Bereich des X.-platzes in E1. verstanden zu werden mit der Folge, Andersdenkende einzuschüchtern und auszuschließen. In jener Parole kommt der auch territoriale Dominanzanspruch der Klägerin verbunden mit der Negation des staatlichen Gewaltmonopols für das von ihr - jedenfalls auch ‑ als Nazi-Kiez bezeichnete Gebiet in E. E1. zum Ausdruck. 90Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 20. September 2019 ‑ 14 L 1456/19 ‑, juris 91Soweit die Kammer in ihrem Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 14 K 4257/19 an dem oben genannten Beschluss nicht mehr festhält, sei zur Klarstellung angemerkt, dass dies lediglich das in dem oben genannten Klageverfahren allein streitgegenständliche Verbot von Umgehungsformulierungen betrifft. Dieses ist vorliegend nicht Streitgegenstand. 92Der Umstand, dass der Kläger in der Klagebegründung und in der mündlichen Verhandlung die von dem Beklagten beschriebenen Verhaltensweisen auf dem X.-platz gegenüber Personen mit Migrationshintergrund oder einer offen zu erkennenden anderen politischen Auffassung bestritten bzw. relativiert hat, ist nicht geeignet, die Kammer davon zu überzeugen, dass die in der Begründung der Verfügung des Beklagten dargestellten Intentionen der Parole „E. –E1. Nazi Kiez“ unzutreffend wären. Bei diesem Vortrag handelt sich vielmehr offensichtlich um verfahrensangepasste Ausflüchte. 93Die Verwendung der konkret untersagten Parole „E. –E1. Nazi Kiez“ bei einer Kundgebung unmittelbar auf dem X.-platz und in dessen näheren Umgebung stellt daher einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung dar. 94Da die Parole bei vorhergehenden Versammlungen der Anmelderin unabhängig vom Thema der Versammlung bereits Verwendung fand und gelegentlich dieser Versammlungen, namentlich bei einer Versammlung am 12. September 2019, seitens Vertretern der Partei „Die Rechte“ deutlich gemacht wurde, diese Parole auch künftig verwenden zu wollen, durfte der Beklagte insbesondere angesichts des Versammlungsortes davon ausgehen, dass dies auch bei der hier streitgegenständlichen Versammlung der Fall sein würde. 95Die Untersagung der Parole durch den Beklagten stellt sich auch als ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig dar. 96Da im hier allein zu entscheidenden konkreten Fall aufgrund der oben dargestellten Gesamtumstände bereits im Vorfeld der Versammlung die Gefahr für die öffentliche Ordnung hinreichend sicher zu erwarten war, ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte ihr bereits in der Versammlungsbestätigung mit einer Auflage begegnete. 97Ob die Verwendung dieser Parole an einem anderen Ort innerhalb oder außerhalb E. einer Versammlung ein solches, einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung begründendes Gepräge geben könnte, welches ein präventives Verbot der Parole rechtfertigen könnte, kann vorliegend offen gelassen werden. Streitgegenstand dieses Verfahrens ist allein die Untersagung der Parole in der Versammlungsbestätigung vom 30. April 2021 für den Bereich des X.-platzes. 98Ohne dass es vorliegend darauf ankommt, geht die Kammer jedoch davon aus, dass die einschüchternde Wirkung dieser Parole und damit die Gefahr für die öffentliche Ordnung, mit zunehmender Entfernung von E. –E1. , möglicherweise sogar bis hin zur Bedeutungslosigkeit der in ihr zu sehenden Meinungsäußerung, abnimmt. 99Die Klage hat allerdings Erfolg, soweit mit ihr die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untersagung jeder anderen sprachlichen Verwendung dieses Begriffes untersagt wird. 100Die Auflage begegnet insoweit bereits Bedenken hinsichtlich ihrer Bestimmtheit. Vorliegend sind aufgrund der gesellschaftlichen Relevanz der von der Auflage betroffenen Grundrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit erhöhte Anforderungen an deren Bestimmtheit zu stellen. Ein versammlungsrechtliches Verbot von Parolen genügt nur dann dem in § 37 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) normierten Bestimmtheitsgrundsatz, wenn die untersagte Formulierung nicht bloß generalisierend, sondern konkret festgelegt wird. 101Vgl. zum Verbot von „Umgehungsformulierungen“ Urteil der Kammer vom heutigen Tage, 14 K 4257/19, m.w.N. 102Das Verbot „jedweder sprachlichen Verwendung“ geht trotz dessen eindeutig zu erkennenden Zwecks aufgrund der Kontextgebundenheit einer „sprachlichen Verwendung“, auch unter Heranziehung der Begründung der Verfügung im Rahmen einer Auslegung, mit erheblicher Unklarheit einher, welches die zu unterlassenden Äußerungen sind. Es sind vielerlei Grenzfälle denkbar, in denen sich die mit dem generalisierenden Verbot offen gelassene Subsumtion unter den Begriff der „sprachlichen Verwendung“ durchaus in die eine wie auch in die andere Richtung entscheiden ließe. Diese Entscheidung darf in der Verbotsverfügung jedoch nicht offengelassen werden. Denn für die Adressaten des Verbots würde anderenfalls nicht hinreichend klar, welches im Einzelnen die zu unterlassenden Äußerungen sind. Dies birgt jedenfalls abstrakt die Gefahr, dass die Adressaten zur Vermeidung unklarer Zweifelsfälle von dem Gebrauch der Meinungsfreiheit über Gebühr absehen. 103Das Verbot jedweder sprachlicher Verwendung der Parole „E. –E1. Nazi Kiez“ stellt sich unabhängig von den Zweifeln an dessen Reichweite jedenfalls als unverhältnismäßig dar. 104Zwar ist im vorliegenden Fall die Untersagung der Parole „E. –E1. Nazi Kiez“ im Rahmen der versammlungstypischen Verhaltensweisen, etwa durch Rufen oder auf Transparenten, rechtmäßig. Die Untersagung „jeder sprachlichen Verwendung“ geht jedoch weit darüber hinaus. Sie erfasst nämlich auch paraphrasierende Wiedergaben, etwa im Rahmen einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Verbot oder auch mit der Parole selbst, die aufgrund des Kontextes in dem sie stehen, den Zweck des Verbots, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu verhindern, nicht tangieren. 105Dadurch beschränkt sich die Auflage allein auf die - nicht strafbewehrte - inhaltliche Äußerung, ohne die äußeren Umstände in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dies ist - wie oben bereits dargelegt - keine taugliche Grundlage für eine auf die Gefahr für die öffentliche Ordnung gestützte versammlungsrechtliche Auflage. 106Sie verletzt daher die Rechte des Klägers, der als Versammlungsleiter diese Auflage gegebenenfalls durchzusetzen hätte. 107Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. 108Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. | es wird festgestellt, dass die auflage nr. 4 der versammlungsbestätigung vom 30. april 2021 rechtswidrig war, soweit jede sprachliche verwendung der parole „e. -e1. nazi kiez“ untersagt wurde. im übrigen wird die klage wird abgewiesen. der beklagte und der kläger tragen die kosten des rechtsstreits jeweils zur hälfte. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der jeweilige vollstreckungsschuldner darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe des beizutreibenden betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige vollstreckungsgläubiger vor der vollstreckung in gleicher höhe sicherheit leistet. 1 | 2am freitag dem 23. april 2021 meldete der kläger, für den landesverband der partei „die rechte“, dessen vorsitzender er ist, eine mahnwache auf dem x.-platz in e. e1. am 1. mai 2021 für die zeit von 11:00 uhr bis 12:00 uhr an. 3als versammlungsleiter wurde der kläger benannt. das veranstaltungsthema lautete „heraus zum tag der arbeit“, die erwartete teilnehmerzahl wurde mit ca. 15-20 angegeben. als hilfsmittel wurden unter anderem eine lautsprecheranlage und ein lautsprecherfahrzeug angemeldet. 4unter dem 30. april 2021 bestätigte das der beklagte dem kläger die angemeldete versammlung für den 1. mai 2021 mit einer insgesamt einundfünfzig seiten umfassenden versammlungsbestätigung. 5die auflage nr. 4 zu der versammlungsbestätigung lautet: 6„das mitführen von transparenten, plakaten, fahnen oder anderen gegenständen mit der aufschrift e. -e1. nazi-kiez" und „national befreite zone" sowie das skandieren und jede andere sprachliche verwendung der parolen „e. -e1. nazi-kiez" und „national befreite zone" ist untersagt und daher zu unterlassen. verboten sind ferner alle inhaltlich gleichbedeutenden umgehungsformulierungen (z.b. e1. ist unser kiez, „nazi kiez statt „e. -e1. nazi-kiez, „nationalen... erkämpfen" statt „national befreit").“ 7zur begründung der auflage in ziffer 4. führte der beklagte aus, diese auflage werde erlassen, um die von den versammlungen des klägers ausgehende gefährdung der öffentlichen ordnung zu verhindern. 8eine solche könne insbesondere durch die zurschaustellung von transparenten, fahnen, plakaten oder anderen gegenständen mit entsprechenden aufschriften oder dem skandieren von parolen bewirkt werden, die nach dem inhalt der äußerungen für sich betrachtet noch nicht den straftatbestand der volksverhetzung verwirklichten, jedoch nach den zur zeit des erlasses der verfügung prognostizierbaren umständen durch die art und weise der durchführung der versammlung eine unmittelbare gefährdung der öffentlichen ordnung begründen werden. dazu gehörten auch die benannten parolen „e. -e1. nazi kiez" und „national befreite zone". mit „inhaltlich gleichbedeutenden formulierungen" seien solche formulierungen gemeint, durch die in gleicher weise ein territorialer dominanzanspruch" im hinblick auf das stadtgebiet e1. geltend gemacht werde. 9in der folge werden verhaltensweisen und vorfälle im stadtteil e. e1. , insbesondere im bereich des x.-platzes geschildert, welche diesen räumlichen dominanzanspruch der „rechten szene“ deutlich machten, die e. bevölkerung mit besorgnis erfüllten und ein besonderes präsenzkonzept der e. polizei in jenem bereich erforderlich machten. wegen der einzelheiten wird insoweit auf die den beteiligten bekannte begründung des bescheides bezug genommen. 10da rechtsextremisten andersdenkenden nicht den allgemein üblichen und notwendigen respekt bzw. die erforderliche akzeptanz entgegenbrächten, sei ein gedeihliches zusammenleben nicht nur in e1. gefährdet. mit den begriffen „nazi-kiez" und „national befreite zone“ werde der anspruch erhoben, andersdenkende aus dem stadtteil e1. zu vertreiben und einzuschüchtern. dabei werde durch die verwendung des begriffs „nazi-kiez“ für die partei „die rechte“ und deren mitglieder eine unmittelbare verbindung zum nationalsozialismus hergestellt. darüber hinaus mache die verbindung der begriffe „nazi" und kiez" deutlich, dass eine vorherrschaft im stadtteil e1. angestrebt werde. zum anderen beinhalte der ausspruch für andersdenkende die aufforderung und drohung, sich aus dem vermeintlichen „nazi-kiez“ besser fernzuhalten. 11die parolen dienten der gezielten schaffung eines angstraumes im stadtteil e1. und verfolgten das ziel, die „nationale kontrolle“ über diesen stadtteil zu gewinnen. 12es sei mit hoher wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese parolen bzw. transparente und/oder plakate auch in der versammlung in e. am 1. mai 2021 skandiert bzw. mitgeführt werden. 13die auflage sei verhältnismäßig und insbesondere erforderlich, da ein einschreiten erst während der versammlung und nach dem skandieren dieser parolen hier nicht gleich geeignet sei, die gefahr für die öffentliche ordnung abzuwehren. dabei sei das interesse unbeteiligter dritter, insbesondere von menschen mit migrationshintergrund sowie anderer minderheiten zu berücksichtigen und abzuwägen. ein durch die parolen zum ausdruck kommender offener bezug zum nationalsozialismus sei nicht mit dem standort der versammlung vereinbar. 14die versammlungsbestätigung ist mit einer rechtsmittelbelehrung versehen, in der es u.a. heißt: 15„gegen diesen bescheid kann innerhalb eines monats nach zustellung klage erhoben werden“ 16die versammlungsbestätigung wurde dem kläger ausweislich des zusatzes im adressfeld per e-mail bekannt gegeben und dem gericht am 30. april 2021 per telefax übermittelt. 17der kläger hat am 24. september 2021 fortsetzungsfeststellungsklage gegen die auflage nr. 4 erhoben. 18zur begründung bezweifelt der kläger, dass der durchschnittliche e. -bürger mit dem aus dem norddeutschen stammenden begriff „kiez“ überhaupt etwas anfangen könne. bei der bewertung einer parole oder wortfolge oder meinungsäußerung komme es vornehmlich darauf an, wie der verständige durchschnittshörer (oder durchschnittsleser) sie verstehe. es liege auf der hand, dass es hier in deutschland regionale unterschiede gebe. dies hätte der beklagte berücksichtigen müssen. 19unabhängig davon sei nicht hinreichend dargelegt, warum damit ein "territorialer dominanzanspruch" hinsichtlich des stadtteils e1. geltend gemacht werde, der andere "ausschließen und einschüchtern" solle. 20bloße behauptungen seien kein rechtsgrund für eine einschränkung des versammlungsrechts oder - verbunden mit einer versammlung - des rechts auf freie meinungsäußerung. auch für die behauptungen, die rechtsextremistische szene habe gezeigt, dass sie sich "über jegliche anstandsregeln hinwegsetze" und die "atmosphäre gegenseitiger rücksicht und achtung in der e1. wohnbevölkerung dadurch gefährdet sei, sowie dass „vielfache beschwerden“ darüber vorlägen und ein polizeiliches präsenzkonzept nötig geworden sei, um u.a. strafrechtlich relevantes verhalten zu unterbinden, habe der beklagte beweis zu erbringen. 21der kläger beantragt, 22festzustellen, dass die auflage nr. 4 aus dem auflagenbescheid vom 30. april 2021 rechtswidrig war soweit damit die verwendung des begriffes "e. –e1. -nazi-kiez" auf transparenten, fahnen, plakaten oder anderen gegenständen sowie das skandieren und jede andere sprachliche verwendung dieses begriffes untersagt wird. 23der beklagte beantragt, 24die klage abzuweisen. 25die klage sei unabhängig von der einhaltung der klagefrist unzulässig, weil die zulässigkeit eines solchen ausnahmsweise zulässigen rechtsschutzbegehrens vom vorliegen eines schutzwürdigen interesses bei der verfolgung eines subjektiven rechts abhänge. daran fehle es jedoch, da durch die auflage der spezifische charakter der versammlung nicht verändert und insbesondere das kommunikative anliegen nicht wesentlich erschwert worden sei. 26darüber hinaus seien wegen des inkrafttretens des nordrhein-westfälischen versammlungsgesetzes auflagen mit bezug auf die öffentliche ordnung nicht mehr zu erwarten, da dieses schutzgut im gesetz nicht mehr vorgesehen sei. es fehle daher an einer wiederholungsgefahr. 27die klage sei außerdem unbegründet, denn es hätten zum entscheidungserheblichen zeitpunkt im rahmen der ex-ante betrachtung konkrete tatsachen dafür vorgelegen, dass das mit der auflage untersagte verhalten, sofern es nicht im vorfeld unterbunden würde, durch die versammlungsteilnehmer im rahmen der versammlung seine wiederholung finde, obgleich bereits gerichtlich im verfahren vg gelsenkirchen - 14 l 1456/19 - durch beschluss vom 20. september 2019 und mit beschluss des ovg nrw vom 20. september 2019 - 15 b 1298/19 ‑ festgestellt worden sei, dass eben dieses verhalten in verbindung mit der art und weise der durchführung einen verstoß gegen die öffentliche ordnung zu begründen vermag. 28unter berücksichtigung der bewertung des verwaltungsgerichts zum damaligen entscheidungszeitpunkt der versammlungsbestätigung sei daher einzig durch die gegenständliche auflage der schutz der öffentlichen ordnung zu sichern gewesen. die gefahr der wiederholung habe sich hinsichtlich des klägers bzw. aus seiner funktion als versammlungsleiter sowie der zu erwartenden versammlungsteilnehmer und der hiermit verbundenen überschneidungen der teilnehmerkreise zu den vorhergehenden versammlungskonstellationen als hinreichend wahrscheinlich dargestellt. insoweit sei zu erwarten gewesen, dass nicht nur erneut die inhaltliche wiedergabe der parole sondern vielmehr auch angesichts des versammlungsortes am x.-platz die die parole begleitenden umstände auftreten würden. 29vor dem hintergrund des näher beschriebenen tatsächlichen verhaltens der rechten szene in e. –e1. erscheine es fernliegend, dass der durchschnittliche e. -bürger mit der begrifflichkeit nichts anfangen könne. 30die auflage, ein bewusst machtdominierendes verhalten in form des skandierens der parole sowie der zurschaustellung auf bannern und transparenten zu untersagen, sei auch ermessensfehlerfrei und insbesondere verhältnismäßig. sie sei geeignet ein klima der einschüchterung zu verhindern und unbeteiligte dritte vor provokativen und aggressiven wirkungen zu schützen. 31sie sei auch erforderlich gewesen, da ein verhindern der oben dargestellten verhaltensweise nicht mit milderen mitteln zu erreichen gewesen sei. insbesondere sei es nicht zumutbar, einen verstoß abzuwarten. denn hinsichtlich einer möglichen auflösung gegenüber dem präventiven verbot könne darauf verwiesen werden, dass diese nicht gleich geeignet sei, um einer irreparablen verwirklichung der gefahrensituation zu begegnen. anderenfalls liefe die versammlungsbehörde stets sehenden auges in eine sich ergebende gefahr für die öffentliche ordnung. 32die versammlungsteilnehmer seien allein hinsichtlich der in der auflage benannten formulierung beschränkt worden. die darüber hinaus bestehenden, generellen versammlungstypischen formen gemeinsamer meinungskundgabe, wie dem lauten gemeinsamen rufen oder skandieren sowie der verwendung von transparenten oder flugblättern seien hierdurch nicht berührt. dies gelte erst recht vor dem hintergrund der tatsache, dass das motto der hier gegenständlichen versammlung „heraus zum tag der arbeit“ keinen bezug zu der untersagten form der parole aufweise. 33wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird bezug genommen auf die gerichtsakten auch des verfahrens ‑ 14 l 618/21 ‑ einschließlich der beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten (beiakte heft 1 zu 14 l 618/21). 34 | 35die klage ist in entsprechender anwendung des § 113 abs. 1 satz 4 vwgo als fortsetzungsfeststellungsklage statthaft und im übrigen auch zulässig. 36der kläger ist klagebefugt. 37zwar wurde die streitgegenständliche versammlung durch ihn für den landesverband der partei „die rechte“ als veranstalter angemeldet und die versammlungsbestätigung an den landesverband der partei „z.hd. herrn e2. “ adressiert, während er die klage offenbar als „privatperson“, ohne bezug zu seiner funktion als vertreter der partei und nicht in deren namen erhoben hat. 38als förmlicher nichtadressat kommt es insoweit darauf an, ob subjektive rechte oder zumindest anderweitig geschützte interessen des klägers verletzt sein können. 39vgl. bundesverwaltungsgericht (bverwg), beschluss vom 21. januar 1993 -4 b 206.92, m.w.n., juris. 40eine klagebefugnis ist nur dann zu verneinen, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner betrachtungsweise die vom kläger behaupteten rechte bestehen oder ihm zustehen können. 41vgl. bverwg, urteil vom 30. oktober 1963 ‑ v c 219.62 ‑, juris. 42gemessen daran ist von einer klagebefugnis auszugehen. denn abgesehen davon, dass der beklagte in dem streitgegenständlichen bescheid den landesverband der partei „die rechte“ ausdrücklich als veranstalter benannt hat, hat er diesen bescheid dem die anmeldung durchführenden landesvorsitzenden der partei ‑ dem kläger - unter dessen privatanschrift als anmelder und in seiner eigenschaft als versammlungsleiter, auf den der veranstalter das leitungsrecht gem. § 7 des versammlungsgesetzes des bundes (versg), das bis zum inkrafttreten des nordrhein-westfälischen versammlungsgesetzes am 18. dezember 2021 und damit im erlasszeitpunkt der maßnahme gültig war, übertragen hatte, übersandt. im rahmen dieser funktion war der kläger zumindest „inhaltsadressat“, 43vgl. dazu auch oberverwaltungsgericht für das land nordrhein - westfalen (ovg nrw), beschluss vom 9. juni 2005 ‑ 9 a 1150/03 ‑. juris, verwaltungsgerichtshof (vgh) baden-württemberg, beschluss vom 27. juli 2018 ‑ 2 s 1228/18 ‑, juris, 44der als verantwortlicher versammlungsleiter im rahmen der §§ 8, 10, 11 versg u.a. zur bekanntgabe der auflagen in anspruch genommen und von dem als verantwortlichen leiter auch eine kontrolle der einhaltung der auflagen mit einem einschreiten bis hin zur auflösung der versammlung abverlangt wurde. insoweit war der bescheid mit der in diesem verfahren allein streitigen auflage auch an den kläger gerichtet, 45vgl. zur rolle des versammlungsleiters und seiner klagebefugnis bayerischer vgh, urteil vom 10. juli 2018 ‑ 10 bv 17.2405 ‑ , bayvbl. 2019, 20 f., vg leipzig, urteil vom 17. juni 2016 ‑ 1 k 259/12‑ , juris, vg karlsruhe, urteil vom 14. mai 2020 ‑ 3 k 5923/18 ‑, juris, 46der sich neben veranstalter und teilnehmern grundsätzlich auf das grundrecht aus art. 8 abs. 1 gg berufen kann. 47vgl. dieter/ginztel/kniesel, versammlungsgesetze, 17. aufl., § 8 rdnr. 6. 48dass der kläger insoweit (auch) als leiter der von ihm angemeldeten versammlung durch die streitgegenständliche auflage in seinen rechtspositionen verletzt sein könnte, erscheint mithin nicht unmöglich und der kläger hat im rechtsstaat einen anspruch darauf, dass er in seinen rechten nur durch akte beeinträchtigt wird, die mit dem geltenden recht in einklang stehen. 49vgl. auch vg gelsenkirchen, urteil vom 19. november 2021 ‑ 14 k 1638/15 ‑, juris. 50es besteht für die fortsetzungsfeststellungsklage auch unabhängig von der frage, ob angesichts des inkrafttretens des versammlungsgesetzes des landes nrw eine wiederholungsgefahr für eine auf die aufrechterhaltung der öffentlichen ordnung gerichtete auflage noch möglich ist, ein berechtigtes interesse klägers. das erforderliche feststellungsinteresse des klägers ist vorliegend bereits aufgrund der möglichkeit einer kurzfristig erledigten, aber schwerwiegenden beeinträchtigung der in art. 8 des grundgesetzes - gg - garantierten versammlungsfreiheit gegeben. 51in versammlungsrechtlichen verfahren sind die anforderungen an das fortsetzungsfeststellungsinteresse unter berücksichtigung der besonderheiten der versammlungsfreiheit anzuwenden. zwar begründet nicht jeder eingriff in die versammlungsfreiheit ein fortsetzungsfeststellungsinteresse. 52die beurteilung, ob der kläger sich auf ein berechtigtes interesse an der feststellung der rechtswidrigkeit eines in tatsächlicher hinsicht bereits überholten grundrechtseingriffs berufen kann, erfolgt im lichte des art. 19 abs. 4 gg. diese norm enthält ein grundrecht auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen rechtsschutz gegen akte der öffentlichen gewalt. an das für die zulässigkeit einer fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche rechtsschutzinteresse dürfen deshalb keine aus sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden anforderungen gestellt werden. 53vgl. bundesverfassungsgericht (bverfg), beschluss vom 8. februar 2011 ‑ 1 bvr 1946/06 ‑, juris; beschluss vom 3. märz 2004 ‑ 1 bvr 461/03 ‑, bverfge 110, 77 und juris. 54in versammlungsrechtlichen verfahren sind bei der beurteilung des fortsetzungsfeststellungsinteresses die besonderheiten des grundrechts der versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. auch hier begründet nicht jeder eingriff ein berechtigtes interesse an der nachträglichen feststellung der rechtswidrigkeit. ein solches interesse besteht aber insbesondere dann, wenn die angegriffene maßnahme die versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt. 55vgl. bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 ‑1 bvr 461/03 ‑, bverfge 110, 77 und juris. 56dabei ist zu berücksichtigen, dass das grundrecht auf effektiven rechtsschutz gerade auch in den fällen gewichtiger grundrechtseingriffe, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass ein vorheriger rechtsschutz in der hauptsache regelmäßig nicht zu erreichen ist, die möglichkeit einer gerichtlichen klärung gebietet. 57vgl. bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 ‑ 1 bvr 461/03 ‑, bverfge 110, 77 und juris; beschluss vom 5. dezember 2001 ‑ 2 bvr 527/99 ‑, bverfge 104, 220 und juris; bverwg, urteil vom 16. mai 2013 ‑ 8 c 20/12 ‑, juris. 58unter berücksichtigung dieser maßstäbe ist ein forstsetzungsfeststellungsinteresse nicht nur dann anzunehmen, wenn eine versammlung verboten oder aufgelöst wurde sondern ebenso zu bejahen, wenn die versammlung zwar durchgeführt werden konnte, aber infolge von versammlungsbehördlichen auflagen gemäß § 15 abs. 1 versg nur in einer weise, die ihren spezifischen charakter verändert, insbesondere die verwirklichung ihres kommunikativen anliegens wesentlich erschwert hat. demgegenüber ist ein fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht begründet, wenn die abweichungen bloße modalitäten der versammlungsdurchführung betroffen haben. 59vgl. bverfg, beschluss vom 3. märz 2004 ‑ 1 bvr 461/03 ‑, bverfge 110, 77 und juris. 60für die frage, ob ein feststellungsinteresse besteht, kommt es nicht darauf an, ob diese beschränkung der versammlung rechtmäßig war, oder nicht, dies ist eine frage der begründetheit der klage. 61das streitgegenständliche verbot jeglicher sprachlichen verwendung der parole „e. –e1. nazi-kiez“ auf transparenten, fahnen, plakaten oder anderen gegenständen sowie das skandieren und jede andere sprachliche verwendung dieses begriffes, ist grundsätzlich dazu geeignet die verwirklichung des kommunikativen anliegens der von dem kläger geleiteten versammlung wesentlich zu erschweren. 62das angemeldete versammlungsmotto „heraus zum tag der arbeit“ hat zwar keinen unmittelbaren bezug zu der untersagten verwendung der streitgegenständlichen parole. wie sich aber aus der begründung der auflage nr. 4 ergibt, geht der beklagte jedoch davon aus, dass die parole ausdruck eines wesentlichen kommunikationsanliegens der versammlung sei. sie diene der raumergreifungsstrategie der partei „die rechte“ und der gezielten schaffung eines angstraumes im stadtteil e1. . die teilnehmer der versammlung verfolgten danach das ziel, die „nationale kontrolle“ über diesen stadtteil zu gewinnen, deshalb sei zu erwarten gewesen, dass diese parole im laufe der versammlung verwendet werden sollte. 63unabhängig von den zweifeln hinsichtlich seiner bestimmtheit begegnet die reichweite des verwendungsverbots bedenken hinsichtlich seiner verhältnismäßigkeit. die reichweite des verbots war durch den zusatz „und jede andere sprachliche verwendung dieses begriffes“ nicht konkret festgelegt. es ließ sich für den kläger jedenfalls nicht ohne weiteres überblicken wie weit dieses „globale“ verwendungsverbot reichen soll. dies machte er in der mündlichen verhandlung plastisch deutlich, indem er darauf hinwies, dass nicht einmal ein inhaltliches abrücken von dieser parole in redebeiträgen möglich sei, wenn das verbot wörtlich genommen werde. 64ein nachträglicher rechtsschutz im wege der fortsetzungsfeststellungsklage ist zudem auch deshalb geboten, weil sich die streitgegenständliche beschränkung, welche dem kläger mit der versammlungsbestätigung vom 30. april 2021 bekanntgegeben wurde, bereits mit ablauf der versammlung am darauffolgenden tag erledigte und ein vorheriger rechtsschutz in der hauptsache damit nicht zu erreichen war. 65das feststellungsinteresse ist nicht dadurch entfallen, dass der kläger die klage erst am 24. september 2021, über vier monate nach dem erhalt der streitgegenständlichen verfügung erhoben hat. 66die erledigung der streitgegenständlichen auflage trat mit dem ende der versammlung am 1. mai 2021, also vor der klageerhebung ein. 67zwar war der auflagenbescheid vom 30. april 2021 mit einer rechtsbehelfsbelehrung versehen. diese setzte jedoch die klagefrist des § 74 vwgo nicht in gang, denn im text der belehrung wird für den beginn der frist auf die zustellung des bescheides abgestellt. dieser wurde dem kläger jedoch lediglich per e-mail bekannt gegeben, so dass die klagefrist nie zu laufen begann. 68es kann deshalb vorliegend dahinstehen, ob das feststellungsinteresse aufgrund des grundsatzes, dass alleine die erledigung eine unzulässige anfechtungsklage nicht in eine zulässige fortsetzungsfeststellungsklage verwandeln kann, aufgrund des ablaufs der einmonatigen klagefrist des § 74 abs. 1 vwgo entfallen könnte. ebenso kann offen bleiben, ob das feststellungsinteresse entsprechend dem grundsatz des § 58 abs. 2 vwgo nach mehr als einem jahr entfallen kann, denn die klage wurde innerhalb von knapp fünf monaten nach der bekanntgabe erhoben. 69die zulässige klage ist begründet, soweit sie die feststellung der rechtswidrigkeit des zusatzes „und jede andere sprachliche verwendung dieses begriffes [ist] untersagt“ verfolgt. soweit die feststellung der rechtswidrigkeit der untersagung der parole „e. –e1. nazi-kiez“ gegenstand des feststellungsbegehrens ist, ist die klage unbegründet. 70rechtsgrundlage für die angegriffene auflage war § 15 abs. 1 versg. nach der vorschrift kann die zuständige behörde die durchführung einer versammlung von bestimmten auflagen abhängig machen, wenn nach den zur zeit des erlasses der verfügung erkennbaren umständen die öffentliche sicherheit oder ordnung bei durchführung der versammlung unmittelbar gefährdet ist. 71der beklagte stellt hinsichtlich des verbots der parole „e. -e4. nazi-kiez“ auf die in der verwendung dieses begriffs gründende gefahr für die öffentliche ordnung ab. 72der begriff der öffentlichen sicherheit umfasst den schutz zentraler rechtsgüter wie leben, gesundheit, freiheit, ehre, eigentum und vermögen des einzelnen sowie die unversehrtheit der rechtsordnung und der staatlichen einrichtungen. dabei wird in der regel eine gefährdung der öffentlichen sicherheit angenommen, wenn eine strafbare verletzung dieser schutzgüter droht. 73vgl. bverfg, beschluss vom 7. april 2001 ‑ 1 bvq 17/01 ‑, juris. 74für den begriff der öffentlichen ordnung ist demgegenüber kennzeichnend, dass er auf ungeschriebene regeln verweist, deren befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem wertgehalt des grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen anschauungen als unerlässliche voraussetzung eines geordneten menschlichen zusammenlebens innerhalb eines bestimmten gebiets angesehen wird. 75vgl. bverfg, beschluss vom 19. dezember 2007 ‑ 1 bvr 2793/04 ‑, nvwz 2008, 671. 76soweit beschränkungen mit dem inhalt der während der versammlung zu erwartenden meinungsäußerungen begründet werden, ist die besondere gewährleistung der meinungsfreiheit aus art. 5 abs. 1 satz 1 hs. 1 gg zu berücksichtigen. der inhalt von meinungsäußerungen, der im rahmen des art. 5 abs. 1 satz 1 hs. 1 gg nicht unterbunden werden darf, kann auch nicht zur rechtfertigung von maßnahmen herangezogen werden, die das grundrecht des art. 8 abs. 1 gg beschränken. die vorschrift des § 15 abs. 1 versg dient zwar dem schutz schlechthin geschützter rechtsgüter unabhängig davon, ob sie durch meinungsäußerungen oder auf andere weise gefährdet werden. der inhalt von meinungsäußerungen als solcher ist versammlungsrechtlich aber nur relevant, wenn es sich um äußerungen handelt, die einen straftatbestand erfüllen. werden die entsprechenden strafgesetze missachtet, liegt darin eine verletzung der öffentlichen sicherheit, die durch die ordnungsbehörden abgewehrt werden kann, und zwar auch mit auswirkungen auf versammlungen. das grundgesetz baut zwar auf der erwartung auf, dass die bürger die allgemeinen werte der verfassung akzeptieren und verwirklichen, erzwingt die wertloyalität aber nicht. kritik an der verfassung und ihren wesentlichen elementen ist ebenso erlaubt wie die äußerung der forderung, tragende bestandteile der freiheitlichen demokratischen grundordnung zu ändern. 77zudem bedarf § 15 abs. 1 versg wegen der bedeutung von art. 8 abs. 1 gg einer einschränkenden auslegung dahingehend, dass eine gefahr für die öffentliche ordnung als grundlage beschränkender verfügungen ausscheidet, soweit sie im inhalt von äußerungen gesehen wird. 78vgl. bverfg, beschluss vom 19. dezember 2007, ‑ 1 bvr 2793/04 ‑, nvwz 2008, 671 und beschluss vom 23. juni 2004 ‑ 1bvq 19/04 ‑, juris. 79beschränkende verfügungen zum schutz der öffentlichen ordnung sind verfassungsrechtlich nur dann unbedenklich, als sich die in § 15 abs. 1 versg vorausgesetzte gefahr nicht aus dem inhalt der äußerung, sondern aus der art und weise der durchführung der versammlung ergibt. eine gefahr für die öffentliche ordnung infolge der art und weise der durchführung einer versammlung kann beispielsweise bei einer aggressiven und provokativen, die bürger einschüchternden verhalten der versammlungsteilnehmer bestehen, durch das ein klima der gewaltdemonstration und potentieller gewaltbereitschaft erzeugt wird. ein entsprechender anlass kann ferner gegeben sein, wenn rechtsextremisten einen aufzug an einem speziell der erinnerung an das unrecht des nationalsozialismus und den holocaust dienenden feiertag so durchführen, dass von seiner art und weise provokationen ausgehen, die das sittliche empfinden der bürgerinnen und bürger erheblich beeinträchtigen. gleiches gilt, wenn ein aufzug sich durch sein gesamtgepräge mit den riten und symbolen der nationalsozialistischen gewaltherrschaft identifiziert und durch wachrufen der schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen regimes andere bürger einschüchtert. 80vgl. bverfg, beschluss vom 19. dezember 2007, ‑ 1 bvr 2793/04 ‑, nvwz 2008, 671 und beschluss vom 23. juni 2004 ‑ 1bvq 19/04 ‑, juris. 81die für eine beschränkende verfügung notwendige unmittelbare gefährdung der öffentlichen sicherheit oder ordnung setzt dabei eine sachlage voraus, die bei ungehindertem geschehensablauf mit hoher wahrscheinlichkeit zu einem schaden für die der versammlungsfreiheit entgegenstehenden interessen führt. unter berücksichtigung der bedeutung der versammlungsfreiheit darf die behörde bei dem erlass von vorbeugenden verfügungen aber keine zu geringen anforderungen an die gefahrenprognose stellen. es müssen zum zeitpunkt des erlasses der verfügung erkennbare umstände vorliegen, aus denen sich die unmittelbare gefährdung der öffentlichen sicherheit oder ordnung ergibt. als grundlage der gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche anhaltspunkte erforderlich; bloße verdachtsmomente oder vermutungen reichen nicht aus. 82vgl. bverfg, beschluss vom 19. dezember 2007, ‑ 1 bvr 2793/04 ‑, nvwz 2008, 671. 83zwar betrifft das verbot der parole „e. –e1. nazi kiez“ in seinem kern eine meinungsäußerung, die - auch nach der auffassung des beklagten - die grenzen der strafbarkeit nicht überschreitet. 84vorliegend treten neben die bloße meinungsäußerung jedoch äußere umstände hinzu, welche dazu geeignet sind, bei der äußerung dieser parole, sei es durch das skandieren aus der versammlung heraus oder in schriftlicher form auf plakaten, transparenten, etc., eine gefahr für die öffentliche ordnung zu begründen. 85es ist namentlich zu berücksichtigen, dass die versammlung auf dem x.-platz stattfand. der beklagte hat tatsachengestützt belegt, dass es sich bei diesem platz um einen raum handelt, der in besonderer weise durch angehörige der rechten szene und namentlich durch mitglieder der partei „die rechte“, darunter auch der kläger, im zusammenhang mit dem sogenannten „raumkampf“ exklusiv „für sich“ beansprucht wird. 86die gefahrenprognose des beklagten stützte sich nicht ausschließlich auf die verwendung versammlungstypischer ausdrucksformen. insofern ist zu beachten, dass es mit der bedeutung der versammlungsfreiheit unvereinbar wäre, bereits aus den versammlungstypischen formen gemeinsamer meinungskundgabe, wie dem lauten gemeinsamen rufen oder skandieren sowie der verwendung von transparenten oder flugblättern, jene versammlungsspezifischen wirkungen ableiten zu wollen, die zu der bloßen äußerung bestimmter meinungsinhalte hinzutreten müssen, um beschränkungen der versammlungsfreiheit unter berufung auf die öffentliche ordnung zu rechtfertigen. 87vgl. bverfg, beschluss vom 19. dezember 2007 ‑ 1 bvr 2793/04 ‑, juris; vg gelsenkirchen, urteil vom 19. november 2021 ‑ 14 k 6634/18 ‑, juris. 88der beklagte hat in der begründung der hier streitgegenständlichen auflage maßgeblich weder auf diese versammlungstypischen verhaltensweisen noch allein auf den - nicht strafbaren - inhalt der parole abgestellt, sondern diese in den zusammenhang mit der örtlichkeit des x.-platzes in e. e1. und der daraus folgenden wirkung auf die bevölkerung dieses stadtteile und der unmittelbaren umgebung des x.-platzes gestellt. 89die kammer folgt der einschätzung, dass die hier allein streitgegenständliche parole überwiegend unmittelbar auf die ideologie und herrschaft des nationalsozialismus bezug nimmt. der gesamtkontext, in dem die ausdrücklich untersagte parole verwendet worden wäre, hätte der versammlung ein gepräge gegeben, welches darauf gerichtet und jedenfalls geeignet wäre, von anderen bürgern als herrschaftsanspruch und geltung dieser ideologie und seiner normen auch speziell für den bereich des x.-platzes in e1. verstanden zu werden mit der folge, andersdenkende einzuschüchtern und auszuschließen. in jener parole kommt der auch territoriale dominanzanspruch der klägerin verbunden mit der negation des staatlichen gewaltmonopols für das von ihr - jedenfalls auch ‑ als nazi-kiez bezeichnete gebiet in e. e1. zum ausdruck. 90vgl. vg gelsenkirchen, beschluss vom 20. september 2019 ‑ 14 l 1456/19 ‑, juris 91soweit die kammer in ihrem urteil vom heutigen tage im verfahren 14 k 4257/19 an dem oben genannten beschluss nicht mehr festhält, sei zur klarstellung angemerkt, dass dies lediglich das in dem oben genannten klageverfahren allein streitgegenständliche verbot von umgehungsformulierungen betrifft. dieses ist vorliegend nicht streitgegenstand. 92der umstand, dass der kläger in der klagebegründung und in der mündlichen verhandlung die von dem beklagten beschriebenen verhaltensweisen auf dem x.-platz gegenüber personen mit migrationshintergrund oder einer offen zu erkennenden anderen politischen auffassung bestritten bzw. relativiert hat, ist nicht geeignet, die kammer davon zu überzeugen, dass die in der begründung der verfügung des beklagten dargestellten intentionen der parole „e. –e1. nazi kiez“ unzutreffend wären. bei diesem vortrag handelt sich vielmehr offensichtlich um verfahrensangepasste ausflüchte. 93die verwendung der konkret untersagten parole „e. –e1. nazi kiez“ bei einer kundgebung unmittelbar auf dem x.-platz und in dessen näheren umgebung stellt daher einen verstoß gegen die öffentliche ordnung dar. 94da die parole bei vorhergehenden versammlungen der anmelderin unabhängig vom thema der versammlung bereits verwendung fand und gelegentlich dieser versammlungen, namentlich bei einer versammlung am 12. september 2019, seitens vertretern der partei „die rechte“ deutlich gemacht wurde, diese parole auch künftig verwenden zu wollen, durfte der beklagte insbesondere angesichts des versammlungsortes davon ausgehen, dass dies auch bei der hier streitgegenständlichen versammlung der fall sein würde. 95die untersagung der parole durch den beklagten stellt sich auch als ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig dar. 96da im hier allein zu entscheidenden konkreten fall aufgrund der oben dargestellten gesamtumstände bereits im vorfeld der versammlung die gefahr für die öffentliche ordnung hinreichend sicher zu erwarten war, ist es nicht zu beanstanden, dass der beklagte ihr bereits in der versammlungsbestätigung mit einer auflage begegnete. 97ob die verwendung dieser parole an einem anderen ort innerhalb oder außerhalb e. einer versammlung ein solches, einen verstoß gegen die öffentliche ordnung begründendes gepräge geben könnte, welches ein präventives verbot der parole rechtfertigen könnte, kann vorliegend offen gelassen werden. streitgegenstand dieses verfahrens ist allein die untersagung der parole in der versammlungsbestätigung vom 30. april 2021 für den bereich des x.-platzes. 98ohne dass es vorliegend darauf ankommt, geht die kammer jedoch davon aus, dass die einschüchternde wirkung dieser parole und damit die gefahr für die öffentliche ordnung, mit zunehmender entfernung von e. –e1. , möglicherweise sogar bis hin zur bedeutungslosigkeit der in ihr zu sehenden meinungsäußerung, abnimmt. 99die klage hat allerdings erfolg, soweit mit ihr die feststellung der rechtswidrigkeit der untersagung jeder anderen sprachlichen verwendung dieses begriffes untersagt wird. 100die auflage begegnet insoweit bereits bedenken hinsichtlich ihrer bestimmtheit. vorliegend sind aufgrund der gesellschaftlichen relevanz der von der auflage betroffenen grundrechte der versammlungs- und meinungsfreiheit erhöhte anforderungen an deren bestimmtheit zu stellen. ein versammlungsrechtliches verbot von parolen genügt nur dann dem in § 37 verwaltungsverfahrensgesetz (vwvfg) normierten bestimmtheitsgrundsatz, wenn die untersagte formulierung nicht bloß generalisierend, sondern konkret festgelegt wird. 101vgl. zum verbot von „umgehungsformulierungen“ urteil der kammer vom heutigen tage, 14 k 4257/19, m.w.n. 102das verbot „jedweder sprachlichen verwendung“ geht trotz dessen eindeutig zu erkennenden zwecks aufgrund der kontextgebundenheit einer „sprachlichen verwendung“, auch unter heranziehung der begründung der verfügung im rahmen einer auslegung, mit erheblicher unklarheit einher, welches die zu unterlassenden äußerungen sind. es sind vielerlei grenzfälle denkbar, in denen sich die mit dem generalisierenden verbot offen gelassene subsumtion unter den begriff der „sprachlichen verwendung“ durchaus in die eine wie auch in die andere richtung entscheiden ließe. diese entscheidung darf in der verbotsverfügung jedoch nicht offengelassen werden. denn für die adressaten des verbots würde anderenfalls nicht hinreichend klar, welches im einzelnen die zu unterlassenden äußerungen sind. dies birgt jedenfalls abstrakt die gefahr, dass die adressaten zur vermeidung unklarer zweifelsfälle von dem gebrauch der meinungsfreiheit über gebühr absehen. 103das verbot jedweder sprachlicher verwendung der parole „e. –e1. nazi kiez“ stellt sich unabhängig von den zweifeln an dessen reichweite jedenfalls als unverhältnismäßig dar. 104zwar ist im vorliegenden fall die untersagung der parole „e. –e1. nazi kiez“ im rahmen der versammlungstypischen verhaltensweisen, etwa durch rufen oder auf transparenten, rechtmäßig. die untersagung „jeder sprachlichen verwendung“ geht jedoch weit darüber hinaus. sie erfasst nämlich auch paraphrasierende wiedergaben, etwa im rahmen einer inhaltlichen auseinandersetzung mit dem verbot oder auch mit der parole selbst, die aufgrund des kontextes in dem sie stehen, den zweck des verbots, eine gefahr für die öffentliche sicherheit zu verhindern, nicht tangieren. 105dadurch beschränkt sich die auflage allein auf die - nicht strafbewehrte - inhaltliche äußerung, ohne die äußeren umstände in die betrachtung mit einzubeziehen. dies ist - wie oben bereits dargelegt - keine taugliche grundlage für eine auf die gefahr für die öffentliche ordnung gestützte versammlungsrechtliche auflage. 106sie verletzt daher die rechte des klägers, der als versammlungsleiter diese auflage gegebenenfalls durchzusetzen hätte. 107die kostenentscheidung folgt aus § 155 abs. 1 vwgo. 108die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo. | Klaeger*in | 1 |
144,152 | 1 K 1492/14 | 2015-10-19T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet. 1 Tatbestand: 2Der am °. ° 19° geborene Kläger stand bis zu seiner Zurruhesetzung mit Ablauf des Monats °° 2014 als Polizeihauptkommissar bei der Polizeiinspektion °, M. des Polizeipräsidiums E. im Dienst des beklagten Landes. 3Am Sonntag, dem °°. November 20°°, gegen 18:05 Uhr kam es unter Beteiligung des Klägers als Fahrer eines Funkstreifenwagens zu einem Verkehrsunfall an der Kreuzung L. -T. -Straße/L1.-----straße /H. Straße/C.----straße in M. (L2. V. ). Anlass der Fahrt mit dem Dienstkraftfahrzeug war ein Einsatz wegen einer Alarmauslösung am Firmengebäude der Firma S. L3. an der H1. Straße °° in M. . Der Kläger fuhr dabei von der L. -T. -Straße kommend in südlicher Richtung in die für ihn Rotsignal anzeigende Ampelkreuzung ein und kollidierte mit einem aus östlicher Fahrtrichtung von der L1.-----straße kommenden Pkw, der von dem Zeugen K. G. (damals L4. ) gesteuert wurde. Bei der Kollision wurde keiner der Beteiligten verletzt, jedoch waren beide Kraftfahrzeuge nicht mehr fahrbereit. An dem Fahrzeug des anderen Unfallbeteiligten entstand ein Fremdschaden in Höhe von 6.462,81 Euro, den das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) beglich. Durch den Schaden am Streifenwagen entstand dem Land NRW zudem ein Eigenschaden in Höhe von 17.273,81 Euro, der sich aus Reparaturkosten in Höhe von 14.879,10 Euro (14.869,70 Euro zzgl. 9,40 Euro), aus Gutachterkosten in Höhe von 1.147,11 Euro, aus den Abschleppkosten in Höhe von 47,60 Euro sowie aus einer vom Gutachter auf 1.200,- Euro geschätzten Wertminderung zusammensetzte. 4Das daraufhin gegen den Kläger wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung im Amt geführte Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft E. (Az. °° Js °°/1°) wurde am 1. Februar 2013 mangels Verletzung einer anderen Person gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Das wegen der begangenen Ordnungswidrigkeit, d.h. dem Rotlichtverstoß, eingeleitete Verfahren wurde gemäß § 47 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) eingestellt, weil der Kläger sich auf einer Einsatzfahrt befunden habe und daher zur Wahrnehmung von Sonderrechten berechtigt gewesen sei; diese hätte er lediglich akustisch und optisch anzeigen müssen. 5Mit Schreiben vom 30. Oktober 2013 teilte das Polizeipräsidium E. dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, ihn für den dem Land Nordrhein-Westfalen entstandenen Eigenschaden am Dienstkraftfahrzeug in Regress zu nehmen, da der Verdacht bestünde, dass der Unfall auf die Missachtung grundlegender Sorgfaltspflichten und damit sein grob fahrlässiges Verhalten zurückzuführen sei. Zunächst habe der Kläger gegen § 35, 38 StVO verstoßen, indem er in die für seine Fahrtrichtung durch Rotlicht gesperrte Kreuzung – nach seiner strittigen Aussage unter Inanspruchnahme des Sondersignals Blaulicht – eingefahren sei, ohne sich dabei zugleich des Einsatzhorns zu bedienen und sich hinreichend zu vergewissern, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet würden. Blaues Blinklicht dürfe grundsätzlich aber nur zur Warnung verwendet werden, gebiete anderen Verkehrsteilnehmern gleichwohl nicht, freie Fahrt einzuräumen. Demgemäß hätte der Kläger beachten müssen, dass andere Verkehrsteilnehmer das Sondersignal nicht oder nicht rechtzeitig wahrnehmen. Das Gebot eines besonderen Wegerechts in dem Sinne, dem Einsatzfahrzeug freie Fahrt einzuräumen, entstünde hingegen erst mit der gleichzeitigen Betätigung des Einsatzhorns. Doch selbst bei dessen Nutzung müsse die mit dem Verkehrsverstoß verbundene Kollisionsgefahr unter allen Umständen vermieden werden; das Wegerecht berechtige nicht zu einer Gefährdung oder sogar Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer. Subjektiv entlastende Umstände seien nicht zu erkennen. Insbesondere hätten die am Unfallort befindlichen Zeugen übereinstimmend angegeben, dass das Dienstkraftfahrzeug ohne eingeschaltetes Blaulicht in den Kreuzungsbereich eingefahren und das Blaulicht erst danach eingeschaltet worden sei. Demgegenüber gelte hinsichtlich der Haftung für einen Fremdschaden ein anderer Haftungsmaßstab; eine vorsätzliche Pflichtverletzung sei vorliegend nicht zu erkennen und der Kläger deshalb insoweit nicht schadensersatzpflichtig. Das Polizeipräsidium E. gab dem Kläger vor diesem Hintergrund Gelegenheit zur Stellungnahme und wies ihn auf die Möglichkeit hin, die Mitbestimmung des Personalrats zu beantragen. Der Kläger machte hiervon keinen Gebrauch. 6Daraufhin nahm das Polizeipräsidium E. den Kläger mit Leistungsbescheid vom °°. °°° °°°, dem Kläger zugestellt am °°. °°° °°°, für den beim Verkehrsunfall entstandenen Eigenschaden des Landes NRW in Höhe von 17.273,81 Euro in Regress. Zur Begründung wurden die im Anhörungsschreiben gemachten Ausführungen wiederholt. 7Der Kläger hat am 25. März 2014 Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er vor, dass es an der für den geltend gemachten Regressanspruch des Dienstherrn notwendigen vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung von Dienstpflichten durch ihn fehle. Da auf der Einsatzfahrt der Verdacht bestanden habe, dass sich noch Einbrecher auf dem Firmengelände befinden könnten und er diese nicht habe aufmerksam machen wollen, habe er sich für eine so genannte stille Anfahrt mit eingeschaltetem blauen Blinklicht, aber ohne Einsatz des Martinshorns entschieden. Diese Entscheidung sei in der Einsatzsituation polizeitaktisch richtig, jedenfalls aber in jeder Hinsicht vertretbar gewesen. Sodann habe er sich vorsichtig in den Kreuzungsbereich L. -T. -Straße/L1.-----straße hinein getastet, indem er seine Geschwindigkeit wegen des für ihn gezeigten Rotlichts der Lichtzeichenanlage annähernd auf Schrittgeschwindigkeit reduziert habe. Durch ein auf der Linksabbiegerspur der L1.-----straße stehendes Fahrzeug sei das Fahrzeug des Unfallgegners, welches sich auf der mittleren Spur der L1.-----straße befunden habe, für ihn nicht erkennbar gewesen. Weil beide Fahrzeuge im gleichen Augenblick in die Kreuzung eingefahren seien, sei eine Kollision unglücklicherweise nicht mehr vermeidbar gewesen. Beim Bemerken des von rechts kommenden Fahrzeugs habe er keine Möglichkeit mehr gehabt, rechtzeitig auszuweichen oder abzubremsen. Insoweit könne sein Verhalten keinesfalls als leichtsinnig, leichtfertig oder sogar als rücksichtslos bewertet werden. Möge aus der Tatsache der Kollision auch der Rückschluss gezogen werden, dass er nicht vorsichtig genug agiert habe und gegebenenfalls noch langsamer hätte fahren müssen, was wiederum Einfluss auf die Haftungsverteilung im Verhältnis zum Unfallgegner haben könne, ändere dies jedoch nichts daran, dass ihm weder objektiv noch subjektiv grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne. Ungeachtet dessen treffe ihn zivilrechtlich nicht die alleinige Verantwortung, da in der Regel von einer Mithaftungsquote des Unfallgegners in Höhe von 50 %, zumindest jedoch von 20 % aufgrund der Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs, auszugehen sei. Schließlich werde der geltend gemachte Regressanspruch rein vorsorglich auch der Höhe nach bestritten. 8Weiterhin sei darauf hinzuweisen, dass die Lichtzeichenanlage in dem Zeitpunkt, als er in den Kreuzungsbereich eingefahren sei, auch für die – von ihm aus gesehen – von rechts aus der L1.-----straße kommenden Fahrzeuge ebenfalls Rotlicht gezeigt habe. Erst in dem Augenblick, als er sich mitten im Kreuzungsbereich befunden habe, habe die Lichtzeichenanlage für die anderen Fahrzeuge auf Grün umgeschaltet. Immerhin habe das auf der Linksabbiegerspur befindliche Fahrzeug das Polizeifahrzeug offenbar noch bemerkt, weil es keine Anstalten gemacht habe, in die Kreuzung einzufahren. Dass sich hinter diesem noch ein weiteres Fahrzeug befunden habe, sei für ihn nicht erkennbar gewesen. 9Im Termin zur mündlichen Verhandlung ergänzt der Kläger seine Begründung noch dahingehend, dass er das Dienstfahrzeug beim Einfahren in den Kreuzungsbereich zunächst abgebremst und im Zeitpunkt der Kollision bereits wieder beschleunigt habe. Außerdem sei für das Einschalten des blauen Blinklichts während der Fahrt regelmäßig der Beifahrer zuständig. 10Der Kläger beantragt, 11den Leistungsbescheid des Beklagten vom °°. °°°° °° aufzuheben. 12Der Beklagte beantragt, 13 die Klage abzuweisen. 14Zur Begründung führt er aus, dass nach den Verwaltungsvorschriften zu § 35 Abs. 1 StVO bei Fahrten, bei denen nicht alle Vorschriften eingehalten werden könnten, wenn möglich und zulässig, die Inanspruchnahme von Sonderrechten durch blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn angezeigt werden solle. Dabei sei der Ermessensspielraum des Beamten eng begrenzt, das heißt, er dürfe nur in Ausnahmefällen bzw. atypischen Konstellation auf die Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerechten verzichten, um dem Sicherheitsinteresse der anderen Verkehrsteilnehmer hinreichend Rechnung zu tragen. Zwar könne aus einsatztaktischen Gründen eine stille Anfahrt geboten sein, um die Aktionsmöglichkeiten des Gegenübers, etwa bei Einbrüchen, Geiselnahmen oder Alarmauslösungen, zu minimieren. Doch habe ein solcher Grund vorliegend nicht bestanden, da die Einsatzörtlichkeit sich noch 2,5 km von der Unfallörtlichkeit entfernt befunden habe und damit nicht nur wegen der Entfernung, sondern im Übrigen auch wegen der topographischen Umgebung (z.B. ein schalldämmender Erdwall) der Einsatz von Martinshorn und Blaulicht auf dem zu überprüfenden Gelände nicht wahrnehmbar gewesen wäre. Nach pflichtgemäßem Ermessen hätte der Kläger daher einen atypischen Fall verneinen und sowohl Blaulicht als auch Martinshorn einschalten müssen. Demgegenüber gäben sowohl der Geschädigte als auch sämtliche Zeugen mit Ausnahme der Beifahrerin übereinstimmend an, dass bei dem Funkstreifenwagen zur Unfallzeit weder Martinshorn noch Blaulicht eingeschaltet gewesen sei; vielmehr sei das Blaulicht erst nach dem Unfallereignis eingeschaltet worden. Insoweit sei maßgeblich zu berücksichtigen, dass einige der Zeugen nicht einmal am Unfall beteiligt gewesen seien und das Geschehen somit frei von Belastungstendenzen hätten wahrnehmen können. Bereits das Einfahren in den durch das Rotlicht gesperrten Kreuzungsbereich ohne die Verwendung der Sondersignale stelle einen rechtswidrigen Rotlichtverstoß im Sinne des §§ 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 StVO dar, welcher zugleich eine entsprechende Dienstpflichtverletzung impliziere. Von der Beachtung des Vorrechts anderer Verkehrsteilnehmer sei der Fahrer des Streifenwagens nicht aufgrund des ihm nach § 35, 38 StVO zustehenden Sonderrechts befreit gewesen. Darüber hinaus müsse sich der Kläger vorhalten lassen, mit unangemessen hoher Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren zu sein, weshalb ihm ein rechtzeitiges Anhalten zur Vermeidung des Unfalls nicht mehr möglich gewesen sei. Denn selbst bei ordnungsgemäßer Nutzung der Sondersignale müsse eine Kollisionsgefahr unter allen Umständen vermieden und sich vergewissert werden, dass alle Verkehrsteilnehmer das Zeichen wahrgenommen hätten. Eine Befreiung von der allgemeinen Sorgfaltspflicht des § 1 StVO komme nur in Betracht, wenn der übrige Verkehr nur belästigt oder behindert, nicht aber gefährdet oder geschädigt werde. Deshalb sei eine Weiterfahrt bei Rot grundsätzlich nur mit der Gewissheit zulässig, dass sich der Verkehr darauf eingestellt habe. Notfalls müsse sich der Sonderrechtsfahrer mit Schrittgeschwindigkeit in die Kreuzung hinein tasten. Diese Grundsätze habe der Kläger nicht befolgt. Gegen die nun getätigte Behauptung des Klägers, mit Schrittgeschwindigkeit in die Kreuzung gefahren zu sein, sprächen die Feststellung aus dem Gutachten über den Schaden an dem verunfallten Dienstkraftfahrzeug, wonach das Fahrzeug durch einen rammartigen Frontanstoß beschädigt worden sei, sowie die Zeugenaussage des Geschädigten und der unbeteiligten vier Zeugen, die zufällig an der Kreuzung gestanden hätten. Gegenüber seiner eigenen schriftlichen Aussage, dass er mit überhöhter Geschwindigkeit an den Kreuzungsbereich herangefahren und dort abrupt abgebremst habe, lasse sich einwenden, dass er seine Geschwindigkeit bereits bei der Einfahrt in den Kreuzungsbereich auf Schrittgeschwindigkeit hätte drosseln müssen. Immerhin betrage ausweislich der Unfallskizze die Wegstrecke von Beginn des Kreuzungsbereichs bis zum Kollisionspunkt ca. 26 m, so dass im Falle von Schrittgeschwindigkeit (etwa 7 km/h) die Kollision hätte vermieden werden können. Für eine überhöhte Geschwindigkeit spräche überdies auch die Stellung der Fahrzeuge, da der Kläger den anderen PKW mit der Fahrzeugfront an der linken Fahrzeugseite in Höhe der Fahrertür getroffen habe und dass Unfallfahrzeug durch die Wucht des Aufpralls um ca. 90° gedreht worden sei. Soweit der Kläger einwende, dass er aus seinem Blickwinkel die Richtungsfahrbahn, auf welcher der Geschädigte fuhr, nicht komplett habe einsehen können, würden hierdurch die Anforderungen an seine Sorgfalt noch erhöht, weil er in diesem Fall seine Geschwindigkeit weiter hätte drosseln müssen. In Ermangelung von Rechtfertigungsgründen für die Pflichtverstöße sei von grober Fahrlässigkeit, zumal hierfür im Straßenverkehr regelmäßig schon das leichtfertige, nicht situationsgerechte Fahren wegen der erheblichen Gefahren für das Leben und Gesundheit Dritter genüge. Im Übrigen könne sogar die Kollision mit einem anderen Verkehrsteilnehmer im Bereich einer durch Rotlicht gesperrten mehrspurigen Kreuzung bei eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn auf grober Fahrlässigkeit des den Dienstwagen führenden Polizisten beruhen. Schließlich könne angesichts des besonders groben Verkehrsverstoßes des Klägers nicht erkannt werden, aus welchem Grunde den Unfallgegner eine Mithaftungsquote in Höhe von 50 Prozent treffen sollte; gleiches gelte für den Ansatz der Betriebsgefahr mit 20 Prozent. In Bezug auf den Wechsel der Lichtzeichenanlage in der L1.-----straße von Rotlicht zu Grünlicht könne nicht nachvollzogen werden, in welcher Weise die Beifahrerin im Dienstkraftfahrzeug Angaben hierzu machen könne, da dies nicht ihrem Blickwinkel entsprochen hätte. Im Gegenteil würden die diesbezüglichen Angaben des Geschädigten durch diejenigen Zeugen bestätigt, die aus derselben Richtung in die Kreuzung einfuhren. 15Die Ausführungen des Beklagten zur Unfallörtlichkeit (schalldämmender Erdwall) sowie zur Entfernung bis zum Einsatzort bestreitet der Kläger vorsorglich mit Nichtwissen. Auf die diesbezüglichen Angaben erwidert er, dass sich die Entfernung nach seiner Schätzung auf max. 2 km belaufen dürfe und er diese in der konkreten Einsatzsituation nicht zuverlässig habe einschätzen können; vielmehr hätte der Einsatzort nach seiner subjektiven Vorstellung zum damaligen Zeitpunkt auch nur 1000 m von der Unfallörtlichkeit entfernt sein können. Im Übrigen habe er auch die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, dass der oder die Täter das Firmengelände bereits verlassen und sich in Richtung des herannahenden Polizeifahrzeugs vom Tatort weg bewegt hätten. Äußerst vorsorglich werde auch bestritten, dass aufgrund der räumlichen Distanz das Martinshorn am Einsatzort nicht wahrnehmbar gewesen wäre. Hiervon hätte er mangels zuverlässiger Einschätzung jedenfalls ausgehen müssen. Schließlich würden die Ausführungen des Beklagten, dass er mit überhöhter Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren sei, ebenfalls ausdrücklich bestritten. Der Beklagte verkenne, dass nicht die zivilrechtliche Haftungsverteilung zwischen dem Polizeifahrzeug und dem Fahrzeug des Unfallgegners im Streit stehe, sondern der Vorwurf von grober Fahrlässigkeit gegenüber dem Kläger. 16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge sowie der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2015 Bezug genommen. 17Entscheidungsgründe: 18Die Klage hat keinen Erfolg. 19Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Polizeipräsidiums E. vom °°. °°° ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 20Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Bescheides ist § 48 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG). Danach hat ein Beamter, der vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 21Vorliegend hat der Kläger in seiner damaligen Funktion als Polizeivollzugsbeamter seine Dienstpflichten in grob fahrlässiger Weise verletzt, indem er ohne Inanspruchnahme der Sondersignale im Sinne von § 38 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO), d.h. ohne Einsatz des Martinshorns und vor allem ohne „blaues Blinklicht“ bzw. „Blaulicht“, in eine für seine Fahrtrichtung durch Rotsignal gesperrte Kreuzung mit überhöhter und nicht den Umständen angepasster Geschwindigkeit eingefahren ist. 22Dass im Unfallzeitpunkt das Martinshorn am Streifenwagen nicht in Betrieb war, hat der Kläger selbst eingeräumt. Im Übrigen steht dies wie auch die weiteren Umstände zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund des Ergebnisses der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Beweisaufnahme durch die Vernehmung von sechs Zeugen: 23Fünf der sechs zum Termin geladenen Zeugen haben zunächst unabhängig voneinander, aber übereinstimmend bestätigt, dass das blaue Blinklicht am Polizeieinsatzfahrzeug bis zur Kollision ausgeschaltet und erst unmittelbar im Anschluss eingeschaltet worden sei. Besonders aussagekräftig waren dabei die Aussagen der Zeuginnen G1. -C1. und P. , die sich zum Unfallzeitpunkt gemeinsam in einem Fahrzeug auf dem Linksabbieger der L1.-----straße aufhielten, aus welcher der andere Unfallbeteiligte auf der Geradeausspur in die Kreuzung einfuhr, und daher einen besonders guten Blick auf die Kreuzung und zugleich in die L. -T. -Straße hinein hatten. Sie schilderten übereinstimmend, dass trotz der am 25. November 2012 gegen 18:05 Uhr bereits eingetretenen Dunkelheit, von der gleichzeitig auch im Unfallbericht der Polizei die Rede ist, vor dem Unfall kein „blaues Licht“ zu sehen gewesen sei. Da das Polizeifahrzeug auch keine Sirene benutzt habe, hätten sie beide lediglich die reflektierende Folie auf der Seite des Dienstfahrzeugs gesehen, als dieses vorbeifuhr. Die Zeugin P. , der die Bezeichnung dieser Folie nicht geläufig war, verglich ihre damalige Beobachtung treffend mit den Streifen, die sie beim Fahrradfahren trage, um gesehen zu werden, weil darauf das Licht geblendet werde. Erst nach der Kollision sei das Blaulicht am Polizeifahrzeug angegangen und sie hätten bemerkt, dass es sich um ein solches handele. Wiederum war es die Zeugin P. , die dieses kurz und bündig folgendermaßen beschrieb: „Es kam erst zum Knall und dann kam das blaue Licht.“ Dass sie als Fahrerin ihren Pkw noch rechtzeitig habe stoppen können, erläuterte die Zeugin G1. -C1. hingegen alleine damit, dass sie an der besagten Kreuzung immer besonders aufpasse, weil dort „die Bekloppten“ immer über Rot führen; dort müsse man doppelt Acht geben. Nur aus diesem Grund habe sie rechtzeitig das „Silber“ auf der Seite des Polizeiwagens wahrgenommen und abrupt abgebremst. Ungefragt führte sie weiterhin noch aus, dass es eigentlich ihr Unfall hätte sein sollen, weil sie kurz zuvor Grün bekommen hätte und bereits angefahren sei. Dass entsprechend dieser eindrucksvollen Schilderungen das Blaulicht des Polizeifahrzeugs vor dem Unfall nicht eingeschaltet war und erst unmittelbar danach eingeschaltet wurde, wird zudem auch durch die weiteren Zeugen L5. und N. K1. bestätigt. Diese standen im Unfallzeitpunkt mit einem Pkw an der – nach ihren eindeutigen, aber vom Kläger auch nicht bestrittenen Bekundungen – Rotlicht zeigenden Ampel aus Richtung der L. -T. -Straße, also aus derjenigen Richtung, aus welcher der Streifenwagen in den Kreuzungsbereich hineinfuhr. 24Bereits auf der Grundlage der vorstehend geschilderten Aussagen hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass das blaue Blinklicht am Streifenwagen vor der Kollision nicht eingeschaltet war und erst unmittelbar im Anschluss hieran eingeschaltet wurde. Denn sämtlichen vier vorgenannten Zeugen ist gemein, dass sie an dem Unfallereignis nicht selbst beteiligt waren, die beteiligten Personen nicht anderweitig kennen bzw. mit ihnen verwandt oder verschwägert sind und daher ohne Belastungstendenz aussagen konnten. Zudem waren sie im Gegensatz zu den im Einsatz befindlichen Beamten und dem am Unfall beteiligten Geschädigten keiner besonderen Stress- oder Schocksituation ausgesetzt. Angesichts dessen vermag der Vortrag des Klägers, das Blaulicht sei während der gesamten Einsatzfahrt und insbesondere auch vor dem Unfallzeitpunkt bereits eingeschaltet gewesen, nicht zu überzeugen. 25Die diesbezügliche Gewissheit wird auch durch die Aussage der übrigen zwei Zeugen nicht in Frage gestellt, sondern im Gegenteil partiell bestätigt und im Übrigen jedenfalls nicht tangiert. Der Zeuge G. , der als Unfallgegner selbst an dem Unfall beteiligt und geschädigt war, schilderte ebenfalls, dass die Blaulichter erst nach dem Unfall angegangen seien, musste aber einräumen, dass er das Polizeifahrzeug aus diesem Grund vor der Kollision überhaupt nicht wahrgenommen hatte. Nur aus seiner Wahrnehmung im Bruchteil einer Sekunde danach sowie aus der Dunkelheit als solchen zog er den Rückschluss, dass das Blaulicht zunächst nicht eingeschaltet gewesen sei; dies zeigte sich auch in seiner Äußerung, dass man das Blaulicht bei Nacht und in der Dunkelheit hätte bemerken müssen. Demgegenüber sind die in der mündlichen Verhandlung getätigten Angaben der Zeugin C2. betreffend die Frage, ob das Blaulicht bereits vor der Kollision angeschaltet war, vollkommen unergiebig, da sie sich hierzu - anders als noch in ihrer schriftlichen Zeugenaussage - nicht genau zu äußern vermochte. Sie habe lediglich beim Aussteigen festgestellt, dass das Blaulicht zu diesem Zeitpunkt eingeschaltet gewesen sei, könne aber zur Einschaltung vor der Kollision keine Angaben machen. Sie habe das blaue Blinklicht weder zuvor selbst eingeschaltet noch mitbekommen, ob der Kläger als Fahrer des Polizeifahrzeugs dies getan habe. 26Das Gericht gelangt auf Grundlage der Beweisaufnahme desweiteren zu dem Ergebnis, dass der Kläger jedenfalls nicht, wie von ihm vorgetragen, mit annähernder Schrittgeschwindigkeit in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, dies womöglich auch erst nach einem starken Abbremsvorgang, sondern mit einer deutlich höheren Geschwindigkeit. Ungeachtet der konkreten Bezifferung bzw. Schätzung kann von einem „Herantasten“ in den Kreuzungsbereich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls keine Rede sein. Zwar hat die Zeugin C2. , die Kollegin und Beifahrerin des Klägers, im Ansatz die in der mündlichen Verhandlung vom Kläger getätigte Darstellung bestätigt, dass er bei Einfahrt in die Kreuzung abgebremst habe. Doch ist in mehrfacher Hinsicht davon auszugehen, dass beim Durchqueren der Kreuzung gleichwohl nicht eine Geschwindigkeit unterhalb von 10 km/h – auch nicht näherungsweise – erreicht wurde. Zunächst vermochte die genannte Zeugin C2. sich nicht mehr an die Stärke des Bremsvorgangs zu erinnern, obwohl dieser – legt man die vom Kläger im Verwaltungsverfahren beschriebene, „überhöhte Geschwindigkeit“ auf der Einsatzfahrt vor dem Erreichen der Kreuzung zugrunde (bei regulärer Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h) – sehr deutlich am Körper zu spüren hätte sein müssen. Weiterhin ist ein derartiger starker Bremsvorgang auch den Aussagen der anderen Zeugen nicht zu entnehmen: Der Zeuge N. K1. schilderte, dass er den von hinten herannahenden Wagen bereits frühzeitig – wenngleich zunächst nicht als Polizeifahrzeug – im Rückspiegel wahrgenommen und seine Frau auf dessen Geschwindigkeit hingewiesen habe. Dies hat die damit in Bezug genommene Zeugin L5. K1. ebenfalls bestätigt. Beide Zeugen taten sich mit einer Einschätzung der Geschwindigkeit des Polizeifahrzeugs schwer, konnten aber unabhängig voneinander erklären, dass dieser definitiv schneller als 50 km/h gewesen sei. In ähnlicher Weise hat sich auch die Zeugin G1. -C1. geäußert, die die Geschwindigkeit des Polizeifahrzeugs beim Durchqueren der Kreuzung, als sie dieses erstmalig bemerkte und daraufhin selbst abbremste, zunächst auf 40-50 km/h, sodann nach weiterer Überlegung aber eher auf 50-60 km/h taxierte. Die weiteren Zeugenaussagen waren zu dieser Frage unergiebig. Dabei berücksichtigt das Gericht, dass die Einschätzung einer Geschwindigkeit eines anderen Objekts, hier des Polizeifahrzeugs, sehr stark subjektiv geprägt und nicht objektiv einwandfrei möglich ist. Doch lässt sich sämtlichen Zeugenaussagen ungeachtet der einzelnen, in der Tendenz aber stark ähnlichen Schätzungen jedenfalls entnehmen, dass das Polizeifahrzeug sehr schnell an die Kreuzung herangefahren und diese auch noch schnell durchquert habe; bis zur Kollision sei alles so schnell gegangen, dass man dies nicht deutlich hätte mitverfolgen können. Ein erheblicher, einer Vollbremsung gleich kommender Abbremsvorgang aus der überhöhten Grundgeschwindigkeit im Bereich von 60-70 km/h bis hin zu annähernder Schrittgeschwindigkeit im Bereich unterhalb von 10 km/h ist hingegen aus keiner einzigen der Zeugenaussagen abzulesen. 27Dass der Kläger mit nahezu unverändert hoher Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich einfuhr und dabei nicht auf annähernde Schrittgeschwindigkeit abgebremst hat, ergibt sich über die Zeugenvernehmung hinaus auch aus den weiteren Umständen, die der Beklagte seiner Argumentation ebenfalls schon zugrunde gelegt hat: Zunächst war die Wucht des Aufpralls nach dem Verwaltungsvorgang, darin insbesondere den polizeilichen Meldungen zum Verkehrsunfall, so groß, dass der Pkw des Unfallgegners um etwa 90 Grad gedreht wurde und schließlich in Richtung L. -T. -Straße zeigte, aus welcher der Kläger im Polizeifahrzeug herangefahren war. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass der geschädigte Zeuge G. die Drehung mit etwa 180 Grad sogar als noch erheblicher einschätzte. Zudem stellte der von dem Beklagten herangezogene Gutachter bei der Begutachtung des Dienstfahrzeugs einen „rammartigen Frontanstoß“ in Anbetracht der komplett beschädigten Front des Einsatzfahrzeugs fest. Schließlich hätte die Entfernung von der Einmündung aus der L. -T. -Straße in den nördlichen Kreuzungsbereich bis hin zur Unfallstelle im südlichen Kreuzungsbereich, die sich nach den Angaben in der Unfallskizze der aufnehmenden Polizeibeamten auf etwa 24-26 Meter bemisst, bei annähernder Schrittgeschwindigkeit (d.h. jedenfalls weniger als 10 km/h) genügt, um den Unfall erheblich abzumildern bzw. gegebenenfalls sogar gänzlich zu vermeiden. Sowohl Reaktions- als auch Bremsweg wären bei einer derartigen Geschwindigkeit auf der (laut Unfallbericht) trockenen Fahrbahn um ein Vielfaches niedriger ausgefallen. 28Legt man die vorstehenden Feststellungen aus der Beweisaufnahme zugrunde, hat der Kläger seine Dienstpflichten in grob fahrlässiger Weise verletzt. 29In dem Unterlassen, das blaue Blinklicht zur Warnung anderer Verkehrsteilnehmer einzuschalten, liegt zunächst ein Pflichtenverstoß gegen die Bestimmungen des § 35 Abs. 8, § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 und § 38 Abs. 1, 2 StVO. 30Zwar ist die Polizei gemäß § 35 Abs. 1 StVO von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Eine solch dringende Aufgabenerfüllung war vorliegend aufgrund der Alarmierung gegeben. 31In diesem Zusammenhang ist in § 38 Abs. 1 S. 2 StVO allerdings normiert, dass nur die Verwendung von blauem Blinklicht und Einsatzhorn zusammen ein besonderes Wegerecht dergestalt anordnet, dass andere Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn zu schaffen haben und deren Vorfahrtsberechtigung mithin vorübergehend außer Kraft gesetzt wird. Nach seiner Einlassung und dem vorstehenden Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Kläger als Fahrer des Einsatzfahrzeugs sich weder des Martinshorns noch des blauen Blinklichts während der Einsatzfahrt bis zum Zeitpunkt des Unfalls bedient. 32In jedem Fall dürfen die Sonderrechte des § 35 Abs. 1 StVO allerdings nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden, vgl. § 35 Abs. 8 StVO. 33Soll eine Kreuzung unter Inanspruchnahme des Sonderwegerechts bei Rot passiert werden, muss der Fahrer daher in Rechnung stellen, dass andere Verkehrsteilnehmer die Sondersignale nicht oder nicht rechtzeitig wahrnehmen und mit hoher Geschwindigkeit herannahen. Die damit verbundene Kollisionsgefahr mitsamt der darin liegenden Gefährdung oder gar Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer ist unter allen Umständen zu vermeiden. 34Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24. September 1997 – A 3 S 164/96 – und VG Potsdam, Urteil vom 24. Februar 2011 – 2 K 832/07 –, beide juris. 35Diese vorgenannten Grundsätze für die Wahrnehmung des besonderen Wegerechts gelten zwangsläufig erst Recht und in noch größerem Maße, wenn – wie vorliegend – auf die Inanspruchnahme von blauem Blinklicht und Martinshorn gänzlich verzichtet wird, mit der Folge, dass dem Polizeibeamten das besondere Wegerecht nicht zusteht. Durch die im Übrigen mit nicht ausreichend angepasster Geschwindigkeit erfolgten Einfahrt in den durch Rotlicht gesperrten Kreuzungsbereich (vgl. § 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7 StVO) wird die vorstehend dargelegte Pflichtverletzung intensiviert. 36Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger sich trotz der unstreitig vorhandenen Einsatzsituation, die ihn zur Inanspruchnahme des besonderen Wegerechts berechtigt hätte, aus einsatztaktischen Gründen in zulässiger Weise für eine sog. „stille Anfahrt“ entscheiden durfte, um eventuell noch vor Ort aufhältige Täter nicht frühzeitig durch den Einsatz des Martinshorns zu alarmieren. Denn jedenfalls hat er seine Dienstpflicht, die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer um jeden Preis zu vermeiden, verletzt, indem er einerseits nicht einmal das blaue Blinklicht zu deren frühzeitiger Warnung eingesetzt hat, obwohl er in einen durch Rotsignal für ihn gesperrten Kreuzungsbereich einfuhr, und weil er andererseits mit nahezu unveränderter, jedenfalls deutlich oberhalb von 10 km/h liegenden Geschwindigkeit den Kreuzungsbereich passieren wollte, ohne diese – wie von ihm selbst geltend gemacht – nahezu auf Schrittgeschwindigkeit herabzusetzen und damit den Umständen anzupassen. 37Der Kläger hat diese Dienstpflichten auch grob fahrlässig verletzt. 38Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss, oder wer schon die einfachsten, ganz nahe liegenden Überlegungen nicht anstellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die grobe Fahrlässigkeit nicht nur danach bemisst, dass das Verhalten, das zu dem Schaden geführt hat, objektiv grob fehlerhaft ist, sondern auch danach, ob der Schädiger sich subjektiv über Gebote und Einsichten hinweggesetzt hat, die sich ihm in der konkreten Situation hätten aufdrängen müssen. 39Vgl. VG München, Urteil vom 30. März 1999 – M 5 K 97.460 –, juris m.w.N.; siehe auch BGH, Urteile vom 8. Februar 1989 – IV a ZR 57/88 – und vom 29. Januar 2003 – IV ZR 173/01 –, beide juris; ferner OLG Brandenburg, Urteil vom 25. September 2002 – 14 U 40/02 –, juris. 40Gemessen hieran war es in subjektiver Hinsicht schon für sich betrachtet grob fahrlässig, dass der Kläger weder Martinshorn noch Blaulicht einschaltete und gleichwohl in eine durch Rotsignal für ihn gesperrte Kreuzung einfuhr. Seine gegenteiligen Einlassungen vermögen angesichts der Ergebnisse der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Beweisaufnahme nicht zu überzeugen. Für die dort getroffenen Feststellungen wird auf die vorherigen Ausführungen verwiesen, 41Darüber hinaus gilt nach der Rechtsprechung, 42vgl. OLG Hamm, Urteil vom 6. November 1995 – 13 U 94/95 –, juris (Rn. 10) m.w.N.; siehe auch VGH Baden-Würrtemberg, Beschluss vom 16. Juli 2003 – 4 S 1514/02–, juris (Rn. 10 ff.); VG München, Urteil vom 30. März 1999 – M 5 K 97.460 – und zuletzt VG Potsdam, Urteil vom 24. Februar 2011 – 2 K 832/07 –, beide juris, 43dass selbst im Falle der Inanspruchnahme von Sonderrechten ein Sonderrechtsfahrer dies grundsätzlich durch besondere Vorsicht ausgleichen muss, die um so größer zu sein hat, in je weiterem Umfang sich der Fahrer eines Einsatzfahrzeuges über die sonst geltenden Verkehrsvorschriften hinwegsetzt. Der Fahrer eines Einsatzfahrzeuges darf sein Vorrecht erst ausüben und darauf vertrauen, wenn er sich vergewissert hat, dass die anderen Verkehrsteilnehmer sein Vorrecht erkannt und sich auf die Durchfahrt des Einsatzfahrzeuges eingerichtet haben. Bei Annäherung an eine Kreuzung mit Rotlicht muss er so fahren, dass er sich durch Einblick in die bevorrechtigte Querstraße vergewissern kann, ob die anderen Verkehrsteilnehmer sein Vorrecht erkannt und sich auf die Durchfahrt des Einsatzfahrzeuges bei Rot eingerichtet haben. Immerhin bietet das Überfahren einer Kreuzung hohe Gefahren, wenn sie für den Verkehrsteilnehmer durch rotes Ampellicht gesperrt und demgemäß für andere Verkehrsteilnehmer mit Grünlicht freigegeben ist. Bei einer unübersichtlichen Kreuzung kann die Anwendung der größtmöglichen Sorgfalt sogar die Verpflichtung bedeuten, nur mit Schrittgeschwindigkeit zu fahren. Der Einsatzfahrer verhält sich grob fahrlässig, wenn er mit überhöhter Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich hineinfährt, obwohl er wegen Sichtbehinderung nicht feststellen konnte, ob die Signale des Einsatzfahrzeuges von allen Verkehrsteilnehmern wahrgenommen und beachtet wurden. 44Kommt dem Beamten ein Wegerecht bzw. Vorrecht mangels Betätigung der in § 38 Abs. 1 S. 2 StVO normierten Sondersignale aber – wie vorliegend – nicht einmal zu, gelten die vorstehenden Maßstäbe in noch stärkerem Maße, d.h. der Einsatzfahrer muss eine nochmals höhere Vorsicht walten lassen als der Sonderrechtsfahrer. 45Dem ist der Kläger hier trotz dieser offensichtlichen Gefahrgeneigtheit seines beabsichtigten Handelns nicht nachgekommen, da er trotz der Einsatzfahrt ohne Martinshorn und Blaulicht seine Geschwindigkeit nicht erheblich auf zumindest annähernde Schrittgeschwindigkeit reduziert hat. Die gebotene Vorsicht hätte in diesem Moment allerdings nach einer den Umständen angepassten und bei Einfahrt in die Kreuzung erheblich reduzierten Geschwindigkeit verlangt. Dass der Kläger, der als diensterfahrener Beamter seine Geschwindigkeit zumindest grob abzuschätzen in der Lage gewesen sein müsste, erklärt hat, nur mit Schrittgeschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren zu sein, überzeugt angesichts der hierzu getätigten Zeugenaussagen und der weiteren genannten Umstände (Äußerungen des Gutachters, Wegstrecke von Kreuzungsmündung zum Unfallort) nicht. Vielmehr dürfte die Geschwindigkeit nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme deutlich oberhalb von 10 km/h, möglicherweise sogar bei 50 km/h gelegen haben. Eine noch stärkere Reduzierung der Geschwindigkeit wäre angesichts der roten Ampel hier aber offensichtlich angezeigt gewesen. Bei jeder unangepassten Geschwindigkeit beim Einfahren in die Kreuzung trotz Rotsignals, auch bei „nur“ 30 km/h, ist eine Gefahrenlage wesentlich schwerer und erst später erkennbar und nimmt dem Kläger und anderen Verkehrsteilnehmern eine hinreichende Reaktionszeit. 46Angesichts sämtlicher vorgenannter Umstände dürfte es nahezu als ausgeschlossen gelten, dass sich der Kläger bei Einfahrt in die Kreuzung und vor deren Durchquerung hinreichend vergewissert hat, dass die übrigen Verkehrsteilnehmer halten und nicht gefährdet werden. Die anderen Verkehrsteilnehmer mussten nämlich nicht damit rechnen, dass ein Einsatzfahrzeug ohne Einsatzhorn und blaues Blinklicht bei Rotsignal mit deutlich über Schrittgeschwindigkeit liegendem Tempo durchfährt. 47Vgl. zu letzterem Burmann/Heß/K1. /Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl. 2010, § 38 Rn 6, m.w.N.; bereits aufgegriffen von VG Potsdam, Urteil vom 24. Februar 2011 – 2 K 832/07 –, juris. 48Dass der bevorrechtigt fließende Querverkehr aufgrund der Umstände nicht mit Verkehrsteilnehmern aus anderen Richtungen rechnete, ist jedoch evident und hätte jedem einleuchten müssen. Im Übrigen tat die Dunkelheit zum Unfallzeitpunkt ihr Übriges, damit sich die bevorrechtigten und auf die Einfahrt des Polizeifahrzeugs in den Kreuzungsbereich nicht vorbereiteten Verkehrsteilnehmer akustisch, visuell und in ihrer Fahrweise auf die Einsatzfahrt einzustellen vermochten. 49Im Ergebnis kommt es vorliegend auf die genaue Bezifferung der Geschwindigkeit nicht entscheidend an, da jedenfalls die Nichteinschaltung des Blaulichts bei gleichzeitigem Verzicht zumindest annähernd auf Schrittgeschwindigkeit eine grob fahrlässige Verletzung der eingangs genannten Dienstpflichten bedeutet. 50Vgl. VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 18. März 2014– 1 K 602/13.NW –, juris (Rn. 28), wonach ein derartiger Vorwurf einen Beamten sogar bei Inanspruchnahme von Sondersignalen (Martinshorn und Blaulicht) treffen kann. 51Subjektiv den Kläger entlastende Umstände sind nicht vorhanden. Ein vernünftiger Grund, aufgrund dessen der Kläger das Sondersignal Blaulicht nicht eingeschaltet und trotz Rotsignals mit nahezu unverminderter Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, ist nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund kann auch an dieser Stelle dahin stehen, ob die von dem Kläger getroffene einsatztaktische Entscheidung zugunsten einer sog. „stillen Anfahrt“ zum Einsatzort gerechtfertigt war und ihm insoweit nicht vorgeworfen werden kann. Denn jedenfalls hätte er die Verkehrsteilnehmer im Mindesten durch die Einschaltung des blauen Blinklichts auf das Herannahen des Polizeifahrzeugs aufmerksam machen müssen, dies spätestens in dem Moment, als er sich anschickte, in eine durch Rotsignal für ihn gesperrte Kreuzung einzufahren. Der möglicherweise in seiner Einlassung, dass für die Aktivierung des Blaulichts die Beifahrerin zuständig gewesen wäre, liegende Einwand dahingehend, von der Verwendung des blauen Blinklichts ausgegangen zu sein, verfängt hingegen aus mehreren Gründen nicht: Zum einen hat die Zeugin C2. , die Kollegin des Klägers und Beifahrerin, im Rahmen ihrer Befragung glaubhaft darzulegen vermocht, dass weder eine allgemeine Regel noch eine diesbezügliche Absprache zwischen ihr und dem Kläger über die Betätigung des Einschaltknopfes für das Blaulicht am Einsatzfahrzeug bestanden habe. Dem ist der Kläger im Anschluss an ihre Aussage auch nicht durch eigenen, substantiierten Vortrag entgegengetreten. Zum anderen hätte es dem Kläger aufgrund der Dunkelheit der Umgebung jedenfalls auffallen müssen, dass das Blaulicht nicht aktiviert war. Denn in der zum Unfallzeitpunkt – kurz nach 18:00Uhr im November – unstreitig sowie durch die Unfallberichte und Zeugenaussagen belegten, bereits eingetretenen Dunkelheit wäre das blaue, kreiselnde Licht durch die Frontscheibe und die seitlichen Fenster des Dienstfahrzeugs gut wahrzunehmen gewesen. In diesem Falle wäre von ihm als erfahrenem Beamten und in dieser Situation als Fahrer des Dienstfahrzeugs, der sich anschickt, eine durch Rotsignal gesperrte Kreuzung zu passieren, zu erwarten gewesen, seine Kollegin hierzu aufzufordern. Zudem geht das Gericht auf Grundlage der – insoweit unwidersprochenen – Aussage der Zeugin C2. davon aus, dass die Aktivierung des Blaulichts auf der Armatur des Polizeifahrzeugs, etwa mittig zwischen Fahrer und Beifahrer, durch das Leuchten oder sogar Blinken des Einschaltknopfes angezeigt wird. Immerhin ist das Blaulicht nach übereinstimmenden Zeugenaussagen nach der Kollision eingeschaltet worden, was einerseits seine Funktionsfähigkeit belegt und andererseits weiteres Indiz für das Bewusstsein seiner Deaktivierung zuvor sein könnte. Ungeachtet der vorstehenden Feststellungen wäre schließlich zu fragen gewesen, ob sich der Kläger als Fahrer des Dienstfahrzeugs spätestens vor einem derart schwerwiegenden Verkehrsverstoß, wie ihm dies vorliegend vorgeworfen wird, über den Status des Blaulichts hätte versichern müssen, zumal weiterhin der Vorwurf der nicht angemessenen Geschwindigkeit verbliebe. 52Aufgrund der vorgenannten Umstände entlastet den Kläger auch nicht sein Einwand, dass ihm das auf dem Linksabbieger der L1.-----straße stehende Fahrzeug der Zeugin G1. -C1. die Sicht auf den Unfallgegner verdeckt habe. Denn er hat es jedenfalls versäumt, durch Einschaltung des Blaulichts und Abbremsen auf annähernd Schrittgeschwindigkeit überhaupt nur die geeigneten Voraussetzungen zu schaffen, um einerseits selbst rechtzeitig von anderen, in diesem Moment bevorrechtigten Verkehrsteilnehmern wahrgenommen zu werden und diese andererseits selbst zuverlässig wahrnehmen zu können. Da das Fahrzeug der Zeugin G1. -C1. nach deren glaubhaften Angaben, die durch ihre Beifahrerin, die Zeugin P. , bestätigt wurden, vom Stillstand an der roten Ampel nach dem Wechsel auf Grün nur kurz angefahren und kurz darauf wieder stehen geblieben war, ist im Übrigen davon auszugehen, dass der Kläger das Fahrzeug des Unfallgegners bei verminderter Geschwindigkeit noch rechtzeitig hätte wahrnehmen können, da dieses mit normaler Geschwindigkeit aus der L1.-----straße herankam und nicht ebenfalls erst langsam anfuhr. Denn der beim Unfall Geschädigte, der Zeuge G. , hatte den Wechsel der Lichtzeichen bereits in einiger Entfernung – ohne dass es vorliegend auf die genaue Schätzung ankäme, wie er sie in seiner Vernehmung versucht hat – erkannt und aus rollendem Zustand gleich wieder beschleunigt. Schließlich hätte - wie der Beklagte zu Recht bemerkt - bei einer schlechten Sicht auf die Verkehrssituation in der L1.-----straße erst Recht eine besondere Veranlassung zu einer Herabsetzung der Geschwindigkeit bestanden, infolge derer das andere Unfallfahrzeug nur kurzzeitig hinter dem Pkw der Zeugin G1. -C1. versteckt gewesen wäre. 53Aus dem dargelegten Grund, dass den Kläger an dem Unfall die weit überwiegende Verantwortung zur Last fällt, trifft den Unfallgegner, den Zeugen G. , auch kein Mitverschulden, das im Rahmen des hier streitgegenständlichen Regressanspruches mittelbar über die Fürsorgepflicht des Dienstherrn zu einer Kürzung führen könnte. Eine Möglichkeit zur rechtzeitigen Reaktion bestand für den Geschädigten als durch die Lichtzeichenanlage der Kreuzung bevorrechtigten Fahrer in gleichzeitiger Ermangelung einer akustisch oder optisch vernehmbaren Warnung nicht. 54Aufgrund der grob fahrlässigen Dienstpflichtverletzung des Klägers ist es sodann zum Unfall gekommen und hierdurch wiederum dem Land NRW der geltend gemachte Schaden in Höhe von 17.273,81 Euro entstanden. Dessen Höhe ist durch Belege in den Verwaltungsvorgängen sowie durch das dort eingeholte Gutachten im Einzelnen belegt. 55Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 56Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe des zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2der am °. ° 19° geborene kläger stand bis zu seiner zurruhesetzung mit ablauf des monats °° 2014 als polizeihauptkommissar bei der polizeiinspektion °, m. des polizeipräsidiums e. im dienst des beklagten landes. 3am sonntag, dem °°. november 20°°, gegen 18:05 uhr kam es unter beteiligung des klägers als fahrer eines funkstreifenwagens zu einem verkehrsunfall an der kreuzung l. -t. -straße/l1.-----straße /h. straße/c.----straße in m. (l2. v. ). anlass der fahrt mit dem dienstkraftfahrzeug war ein einsatz wegen einer alarmauslösung am firmengebäude der firma s. l3. an der h1. straße °° in m. . der kläger fuhr dabei von der l. -t. -straße kommend in südlicher richtung in die für ihn rotsignal anzeigende ampelkreuzung ein und kollidierte mit einem aus östlicher fahrtrichtung von der l1.-----straße kommenden pkw, der von dem zeugen k. g. (damals l4. ) gesteuert wurde. bei der kollision wurde keiner der beteiligten verletzt, jedoch waren beide kraftfahrzeuge nicht mehr fahrbereit. an dem fahrzeug des anderen unfallbeteiligten entstand ein fremdschaden in höhe von 6.462,81 euro, den das land nordrhein-westfalen (nrw) beglich. durch den schaden am streifenwagen entstand dem land nrw zudem ein eigenschaden in höhe von 17.273,81 euro, der sich aus reparaturkosten in höhe von 14.879,10 euro (14.869,70 euro zzgl. 9,40 euro), aus gutachterkosten in höhe von 1.147,11 euro, aus den abschleppkosten in höhe von 47,60 euro sowie aus einer vom gutachter auf 1.200,- euro geschätzten wertminderung zusammensetzte. 4das daraufhin gegen den kläger wegen des verdachts der fahrlässigen körperverletzung im amt geführte ermittlungsverfahren bei der staatsanwaltschaft e. (az. °° js °°/1°) wurde am 1. februar 2013 mangels verletzung einer anderen person gemäß § 170 abs. 2 der strafprozessordnung (stpo) eingestellt. das wegen der begangenen ordnungswidrigkeit, d.h. dem rotlichtverstoß, eingeleitete verfahren wurde gemäß § 47 des ordnungswidrigkeitengesetzes (owig) eingestellt, weil der kläger sich auf einer einsatzfahrt befunden habe und daher zur wahrnehmung von sonderrechten berechtigt gewesen sei; diese hätte er lediglich akustisch und optisch anzeigen müssen. 5mit schreiben vom 30. oktober 2013 teilte das polizeipräsidium e. dem kläger mit, dass beabsichtigt sei, ihn für den dem land nordrhein-westfalen entstandenen eigenschaden am dienstkraftfahrzeug in regress zu nehmen, da der verdacht bestünde, dass der unfall auf die missachtung grundlegender sorgfaltspflichten und damit sein grob fahrlässiges verhalten zurückzuführen sei. zunächst habe der kläger gegen § 35, 38 stvo verstoßen, indem er in die für seine fahrtrichtung durch rotlicht gesperrte kreuzung – nach seiner strittigen aussage unter inanspruchnahme des sondersignals blaulicht – eingefahren sei, ohne sich dabei zugleich des einsatzhorns zu bedienen und sich hinreichend zu vergewissern, dass andere verkehrsteilnehmer nicht gefährdet würden. blaues blinklicht dürfe grundsätzlich aber nur zur warnung verwendet werden, gebiete anderen verkehrsteilnehmern gleichwohl nicht, freie fahrt einzuräumen. demgemäß hätte der kläger beachten müssen, dass andere verkehrsteilnehmer das sondersignal nicht oder nicht rechtzeitig wahrnehmen. das gebot eines besonderen wegerechts in dem sinne, dem einsatzfahrzeug freie fahrt einzuräumen, entstünde hingegen erst mit der gleichzeitigen betätigung des einsatzhorns. doch selbst bei dessen nutzung müsse die mit dem verkehrsverstoß verbundene kollisionsgefahr unter allen umständen vermieden werden; das wegerecht berechtige nicht zu einer gefährdung oder sogar schädigung anderer verkehrsteilnehmer. subjektiv entlastende umstände seien nicht zu erkennen. insbesondere hätten die am unfallort befindlichen zeugen übereinstimmend angegeben, dass das dienstkraftfahrzeug ohne eingeschaltetes blaulicht in den kreuzungsbereich eingefahren und das blaulicht erst danach eingeschaltet worden sei. demgegenüber gelte hinsichtlich der haftung für einen fremdschaden ein anderer haftungsmaßstab; eine vorsätzliche pflichtverletzung sei vorliegend nicht zu erkennen und der kläger deshalb insoweit nicht schadensersatzpflichtig. das polizeipräsidium e. gab dem kläger vor diesem hintergrund gelegenheit zur stellungnahme und wies ihn auf die möglichkeit hin, die mitbestimmung des personalrats zu beantragen. der kläger machte hiervon keinen gebrauch. 6daraufhin nahm das polizeipräsidium e. den kläger mit leistungsbescheid vom °°. °°° °°°, dem kläger zugestellt am °°. °°° °°°, für den beim verkehrsunfall entstandenen eigenschaden des landes nrw in höhe von 17.273,81 euro in regress. zur begründung wurden die im anhörungsschreiben gemachten ausführungen wiederholt. 7der kläger hat am 25. märz 2014 klage erhoben. zu deren begründung trägt er vor, dass es an der für den geltend gemachten regressanspruch des dienstherrn notwendigen vorsätzlichen oder grob fahrlässigen verletzung von dienstpflichten durch ihn fehle. da auf der einsatzfahrt der verdacht bestanden habe, dass sich noch einbrecher auf dem firmengelände befinden könnten und er diese nicht habe aufmerksam machen wollen, habe er sich für eine so genannte stille anfahrt mit eingeschaltetem blauen blinklicht, aber ohne einsatz des martinshorns entschieden. diese entscheidung sei in der einsatzsituation polizeitaktisch richtig, jedenfalls aber in jeder hinsicht vertretbar gewesen. sodann habe er sich vorsichtig in den kreuzungsbereich l. -t. -straße/l1.-----straße hinein getastet, indem er seine geschwindigkeit wegen des für ihn gezeigten rotlichts der lichtzeichenanlage annähernd auf schrittgeschwindigkeit reduziert habe. durch ein auf der linksabbiegerspur der l1.-----straße stehendes fahrzeug sei das fahrzeug des unfallgegners, welches sich auf der mittleren spur der l1.-----straße befunden habe, für ihn nicht erkennbar gewesen. weil beide fahrzeuge im gleichen augenblick in die kreuzung eingefahren seien, sei eine kollision unglücklicherweise nicht mehr vermeidbar gewesen. beim bemerken des von rechts kommenden fahrzeugs habe er keine möglichkeit mehr gehabt, rechtzeitig auszuweichen oder abzubremsen. insoweit könne sein verhalten keinesfalls als leichtsinnig, leichtfertig oder sogar als rücksichtslos bewertet werden. möge aus der tatsache der kollision auch der rückschluss gezogen werden, dass er nicht vorsichtig genug agiert habe und gegebenenfalls noch langsamer hätte fahren müssen, was wiederum einfluss auf die haftungsverteilung im verhältnis zum unfallgegner haben könne, ändere dies jedoch nichts daran, dass ihm weder objektiv noch subjektiv grobe fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne. ungeachtet dessen treffe ihn zivilrechtlich nicht die alleinige verantwortung, da in der regel von einer mithaftungsquote des unfallgegners in höhe von 50 %, zumindest jedoch von 20 % aufgrund der betriebsgefahr des anderen fahrzeugs, auszugehen sei. schließlich werde der geltend gemachte regressanspruch rein vorsorglich auch der höhe nach bestritten. 8weiterhin sei darauf hinzuweisen, dass die lichtzeichenanlage in dem zeitpunkt, als er in den kreuzungsbereich eingefahren sei, auch für die – von ihm aus gesehen – von rechts aus der l1.-----straße kommenden fahrzeuge ebenfalls rotlicht gezeigt habe. erst in dem augenblick, als er sich mitten im kreuzungsbereich befunden habe, habe die lichtzeichenanlage für die anderen fahrzeuge auf grün umgeschaltet. immerhin habe das auf der linksabbiegerspur befindliche fahrzeug das polizeifahrzeug offenbar noch bemerkt, weil es keine anstalten gemacht habe, in die kreuzung einzufahren. dass sich hinter diesem noch ein weiteres fahrzeug befunden habe, sei für ihn nicht erkennbar gewesen. 9im termin zur mündlichen verhandlung ergänzt der kläger seine begründung noch dahingehend, dass er das dienstfahrzeug beim einfahren in den kreuzungsbereich zunächst abgebremst und im zeitpunkt der kollision bereits wieder beschleunigt habe. außerdem sei für das einschalten des blauen blinklichts während der fahrt regelmäßig der beifahrer zuständig. 10der kläger beantragt, 11den leistungsbescheid des beklagten vom °°. °°°° °° aufzuheben. 12der beklagte beantragt, 13 die klage abzuweisen. 14zur begründung führt er aus, dass nach den verwaltungsvorschriften zu § 35 abs. 1 stvo bei fahrten, bei denen nicht alle vorschriften eingehalten werden könnten, wenn möglich und zulässig, die inanspruchnahme von sonderrechten durch blaues blinklicht zusammen mit dem einsatzhorn angezeigt werden solle. dabei sei der ermessensspielraum des beamten eng begrenzt, das heißt, er dürfe nur in ausnahmefällen bzw. atypischen konstellation auf die inanspruchnahme von sonder- und wegerechten verzichten, um dem sicherheitsinteresse der anderen verkehrsteilnehmer hinreichend rechnung zu tragen. zwar könne aus einsatztaktischen gründen eine stille anfahrt geboten sein, um die aktionsmöglichkeiten des gegenübers, etwa bei einbrüchen, geiselnahmen oder alarmauslösungen, zu minimieren. doch habe ein solcher grund vorliegend nicht bestanden, da die einsatzörtlichkeit sich noch 2,5 km von der unfallörtlichkeit entfernt befunden habe und damit nicht nur wegen der entfernung, sondern im übrigen auch wegen der topographischen umgebung (z.b. ein schalldämmender erdwall) der einsatz von martinshorn und blaulicht auf dem zu überprüfenden gelände nicht wahrnehmbar gewesen wäre. nach pflichtgemäßem ermessen hätte der kläger daher einen atypischen fall verneinen und sowohl blaulicht als auch martinshorn einschalten müssen. demgegenüber gäben sowohl der geschädigte als auch sämtliche zeugen mit ausnahme der beifahrerin übereinstimmend an, dass bei dem funkstreifenwagen zur unfallzeit weder martinshorn noch blaulicht eingeschaltet gewesen sei; vielmehr sei das blaulicht erst nach dem unfallereignis eingeschaltet worden. insoweit sei maßgeblich zu berücksichtigen, dass einige der zeugen nicht einmal am unfall beteiligt gewesen seien und das geschehen somit frei von belastungstendenzen hätten wahrnehmen können. bereits das einfahren in den durch das rotlicht gesperrten kreuzungsbereich ohne die verwendung der sondersignale stelle einen rechtswidrigen rotlichtverstoß im sinne des §§ 37 abs. 2 nr. 1 satz 7 stvo dar, welcher zugleich eine entsprechende dienstpflichtverletzung impliziere. von der beachtung des vorrechts anderer verkehrsteilnehmer sei der fahrer des streifenwagens nicht aufgrund des ihm nach § 35, 38 stvo zustehenden sonderrechts befreit gewesen. darüber hinaus müsse sich der kläger vorhalten lassen, mit unangemessen hoher geschwindigkeit in die kreuzung eingefahren zu sein, weshalb ihm ein rechtzeitiges anhalten zur vermeidung des unfalls nicht mehr möglich gewesen sei. denn selbst bei ordnungsgemäßer nutzung der sondersignale müsse eine kollisionsgefahr unter allen umständen vermieden und sich vergewissert werden, dass alle verkehrsteilnehmer das zeichen wahrgenommen hätten. eine befreiung von der allgemeinen sorgfaltspflicht des § 1 stvo komme nur in betracht, wenn der übrige verkehr nur belästigt oder behindert, nicht aber gefährdet oder geschädigt werde. deshalb sei eine weiterfahrt bei rot grundsätzlich nur mit der gewissheit zulässig, dass sich der verkehr darauf eingestellt habe. notfalls müsse sich der sonderrechtsfahrer mit schrittgeschwindigkeit in die kreuzung hinein tasten. diese grundsätze habe der kläger nicht befolgt. gegen die nun getätigte behauptung des klägers, mit schrittgeschwindigkeit in die kreuzung gefahren zu sein, sprächen die feststellung aus dem gutachten über den schaden an dem verunfallten dienstkraftfahrzeug, wonach das fahrzeug durch einen rammartigen frontanstoß beschädigt worden sei, sowie die zeugenaussage des geschädigten und der unbeteiligten vier zeugen, die zufällig an der kreuzung gestanden hätten. gegenüber seiner eigenen schriftlichen aussage, dass er mit überhöhter geschwindigkeit an den kreuzungsbereich herangefahren und dort abrupt abgebremst habe, lasse sich einwenden, dass er seine geschwindigkeit bereits bei der einfahrt in den kreuzungsbereich auf schrittgeschwindigkeit hätte drosseln müssen. immerhin betrage ausweislich der unfallskizze die wegstrecke von beginn des kreuzungsbereichs bis zum kollisionspunkt ca. 26 m, so dass im falle von schrittgeschwindigkeit (etwa 7 km/h) die kollision hätte vermieden werden können. für eine überhöhte geschwindigkeit spräche überdies auch die stellung der fahrzeuge, da der kläger den anderen pkw mit der fahrzeugfront an der linken fahrzeugseite in höhe der fahrertür getroffen habe und dass unfallfahrzeug durch die wucht des aufpralls um ca. 90° gedreht worden sei. soweit der kläger einwende, dass er aus seinem blickwinkel die richtungsfahrbahn, auf welcher der geschädigte fuhr, nicht komplett habe einsehen können, würden hierdurch die anforderungen an seine sorgfalt noch erhöht, weil er in diesem fall seine geschwindigkeit weiter hätte drosseln müssen. in ermangelung von rechtfertigungsgründen für die pflichtverstöße sei von grober fahrlässigkeit, zumal hierfür im straßenverkehr regelmäßig schon das leichtfertige, nicht situationsgerechte fahren wegen der erheblichen gefahren für das leben und gesundheit dritter genüge. im übrigen könne sogar die kollision mit einem anderen verkehrsteilnehmer im bereich einer durch rotlicht gesperrten mehrspurigen kreuzung bei eingeschaltetem blaulicht und martinshorn auf grober fahrlässigkeit des den dienstwagen führenden polizisten beruhen. schließlich könne angesichts des besonders groben verkehrsverstoßes des klägers nicht erkannt werden, aus welchem grunde den unfallgegner eine mithaftungsquote in höhe von 50 prozent treffen sollte; gleiches gelte für den ansatz der betriebsgefahr mit 20 prozent. in bezug auf den wechsel der lichtzeichenanlage in der l1.-----straße von rotlicht zu grünlicht könne nicht nachvollzogen werden, in welcher weise die beifahrerin im dienstkraftfahrzeug angaben hierzu machen könne, da dies nicht ihrem blickwinkel entsprochen hätte. im gegenteil würden die diesbezüglichen angaben des geschädigten durch diejenigen zeugen bestätigt, die aus derselben richtung in die kreuzung einfuhren. 15die ausführungen des beklagten zur unfallörtlichkeit (schalldämmender erdwall) sowie zur entfernung bis zum einsatzort bestreitet der kläger vorsorglich mit nichtwissen. auf die diesbezüglichen angaben erwidert er, dass sich die entfernung nach seiner schätzung auf max. 2 km belaufen dürfe und er diese in der konkreten einsatzsituation nicht zuverlässig habe einschätzen können; vielmehr hätte der einsatzort nach seiner subjektiven vorstellung zum damaligen zeitpunkt auch nur 1000 m von der unfallörtlichkeit entfernt sein können. im übrigen habe er auch die möglichkeit in betracht ziehen müssen, dass der oder die täter das firmengelände bereits verlassen und sich in richtung des herannahenden polizeifahrzeugs vom tatort weg bewegt hätten. äußerst vorsorglich werde auch bestritten, dass aufgrund der räumlichen distanz das martinshorn am einsatzort nicht wahrnehmbar gewesen wäre. hiervon hätte er mangels zuverlässiger einschätzung jedenfalls ausgehen müssen. schließlich würden die ausführungen des beklagten, dass er mit überhöhter geschwindigkeit in die kreuzung eingefahren sei, ebenfalls ausdrücklich bestritten. der beklagte verkenne, dass nicht die zivilrechtliche haftungsverteilung zwischen dem polizeifahrzeug und dem fahrzeug des unfallgegners im streit stehe, sondern der vorwurf von grober fahrlässigkeit gegenüber dem kläger. 16wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte, der von dem beklagten vorgelegten verwaltungsvorgänge sowie der niederschrift der mündlichen verhandlung vom 19. oktober 2015 bezug genommen. 17 | 18die klage hat keinen erfolg. 19die zulässige anfechtungsklage ist unbegründet. der angefochtene bescheid des polizeipräsidiums e. vom °°. °°° ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten, vgl. § 113 abs. 1 satz 1 der verwaltungsgerichtsordnung (vwgo). 20ermächtigungsgrundlage für den erlass des angefochtenen bescheides ist § 48 des beamtenstatusgesetzes (beamtstg). danach hat ein beamter, der vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden pflichten verletzt, dem dienstherrn, dessen aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstehenden schaden zu ersetzen. 21vorliegend hat der kläger in seiner damaligen funktion als polizeivollzugsbeamter seine dienstpflichten in grob fahrlässiger weise verletzt, indem er ohne inanspruchnahme der sondersignale im sinne von § 38 abs. 1 der straßenverkehrsordnung (stvo), d.h. ohne einsatz des martinshorns und vor allem ohne „blaues blinklicht“ bzw. „blaulicht“, in eine für seine fahrtrichtung durch rotsignal gesperrte kreuzung mit überhöhter und nicht den umständen angepasster geschwindigkeit eingefahren ist. 22dass im unfallzeitpunkt das martinshorn am streifenwagen nicht in betrieb war, hat der kläger selbst eingeräumt. im übrigen steht dies wie auch die weiteren umstände zur überzeugung des gerichts fest aufgrund des ergebnisses der in der mündlichen verhandlung durchgeführten beweisaufnahme durch die vernehmung von sechs zeugen: 23fünf der sechs zum termin geladenen zeugen haben zunächst unabhängig voneinander, aber übereinstimmend bestätigt, dass das blaue blinklicht am polizeieinsatzfahrzeug bis zur kollision ausgeschaltet und erst unmittelbar im anschluss eingeschaltet worden sei. besonders aussagekräftig waren dabei die aussagen der zeuginnen g1. -c1. und p. , die sich zum unfallzeitpunkt gemeinsam in einem fahrzeug auf dem linksabbieger der l1.-----straße aufhielten, aus welcher der andere unfallbeteiligte auf der geradeausspur in die kreuzung einfuhr, und daher einen besonders guten blick auf die kreuzung und zugleich in die l. -t. -straße hinein hatten. sie schilderten übereinstimmend, dass trotz der am 25. november 2012 gegen 18:05 uhr bereits eingetretenen dunkelheit, von der gleichzeitig auch im unfallbericht der polizei die rede ist, vor dem unfall kein „blaues licht“ zu sehen gewesen sei. da das polizeifahrzeug auch keine sirene benutzt habe, hätten sie beide lediglich die reflektierende folie auf der seite des dienstfahrzeugs gesehen, als dieses vorbeifuhr. die zeugin p. , der die bezeichnung dieser folie nicht geläufig war, verglich ihre damalige beobachtung treffend mit den streifen, die sie beim fahrradfahren trage, um gesehen zu werden, weil darauf das licht geblendet werde. erst nach der kollision sei das blaulicht am polizeifahrzeug angegangen und sie hätten bemerkt, dass es sich um ein solches handele. wiederum war es die zeugin p. , die dieses kurz und bündig folgendermaßen beschrieb: „es kam erst zum knall und dann kam das blaue licht.“ dass sie als fahrerin ihren pkw noch rechtzeitig habe stoppen können, erläuterte die zeugin g1. -c1. hingegen alleine damit, dass sie an der besagten kreuzung immer besonders aufpasse, weil dort „die bekloppten“ immer über rot führen; dort müsse man doppelt acht geben. nur aus diesem grund habe sie rechtzeitig das „silber“ auf der seite des polizeiwagens wahrgenommen und abrupt abgebremst. ungefragt führte sie weiterhin noch aus, dass es eigentlich ihr unfall hätte sein sollen, weil sie kurz zuvor grün bekommen hätte und bereits angefahren sei. dass entsprechend dieser eindrucksvollen schilderungen das blaulicht des polizeifahrzeugs vor dem unfall nicht eingeschaltet war und erst unmittelbar danach eingeschaltet wurde, wird zudem auch durch die weiteren zeugen l5. und n. k1. bestätigt. diese standen im unfallzeitpunkt mit einem pkw an der – nach ihren eindeutigen, aber vom kläger auch nicht bestrittenen bekundungen – rotlicht zeigenden ampel aus richtung der l. -t. -straße, also aus derjenigen richtung, aus welcher der streifenwagen in den kreuzungsbereich hineinfuhr. 24bereits auf der grundlage der vorstehend geschilderten aussagen hat das gericht die überzeugung gewonnen, dass das blaue blinklicht am streifenwagen vor der kollision nicht eingeschaltet war und erst unmittelbar im anschluss hieran eingeschaltet wurde. denn sämtlichen vier vorgenannten zeugen ist gemein, dass sie an dem unfallereignis nicht selbst beteiligt waren, die beteiligten personen nicht anderweitig kennen bzw. mit ihnen verwandt oder verschwägert sind und daher ohne belastungstendenz aussagen konnten. zudem waren sie im gegensatz zu den im einsatz befindlichen beamten und dem am unfall beteiligten geschädigten keiner besonderen stress- oder schocksituation ausgesetzt. angesichts dessen vermag der vortrag des klägers, das blaulicht sei während der gesamten einsatzfahrt und insbesondere auch vor dem unfallzeitpunkt bereits eingeschaltet gewesen, nicht zu überzeugen. 25die diesbezügliche gewissheit wird auch durch die aussage der übrigen zwei zeugen nicht in frage gestellt, sondern im gegenteil partiell bestätigt und im übrigen jedenfalls nicht tangiert. der zeuge g. , der als unfallgegner selbst an dem unfall beteiligt und geschädigt war, schilderte ebenfalls, dass die blaulichter erst nach dem unfall angegangen seien, musste aber einräumen, dass er das polizeifahrzeug aus diesem grund vor der kollision überhaupt nicht wahrgenommen hatte. nur aus seiner wahrnehmung im bruchteil einer sekunde danach sowie aus der dunkelheit als solchen zog er den rückschluss, dass das blaulicht zunächst nicht eingeschaltet gewesen sei; dies zeigte sich auch in seiner äußerung, dass man das blaulicht bei nacht und in der dunkelheit hätte bemerken müssen. demgegenüber sind die in der mündlichen verhandlung getätigten angaben der zeugin c2. betreffend die frage, ob das blaulicht bereits vor der kollision angeschaltet war, vollkommen unergiebig, da sie sich hierzu - anders als noch in ihrer schriftlichen zeugenaussage - nicht genau zu äußern vermochte. sie habe lediglich beim aussteigen festgestellt, dass das blaulicht zu diesem zeitpunkt eingeschaltet gewesen sei, könne aber zur einschaltung vor der kollision keine angaben machen. sie habe das blaue blinklicht weder zuvor selbst eingeschaltet noch mitbekommen, ob der kläger als fahrer des polizeifahrzeugs dies getan habe. 26das gericht gelangt auf grundlage der beweisaufnahme desweiteren zu dem ergebnis, dass der kläger jedenfalls nicht, wie von ihm vorgetragen, mit annähernder schrittgeschwindigkeit in den kreuzungsbereich eingefahren ist, dies womöglich auch erst nach einem starken abbremsvorgang, sondern mit einer deutlich höheren geschwindigkeit. ungeachtet der konkreten bezifferung bzw. schätzung kann von einem „herantasten“ in den kreuzungsbereich nach dem ergebnis der beweisaufnahme jedenfalls keine rede sein. zwar hat die zeugin c2. , die kollegin und beifahrerin des klägers, im ansatz die in der mündlichen verhandlung vom kläger getätigte darstellung bestätigt, dass er bei einfahrt in die kreuzung abgebremst habe. doch ist in mehrfacher hinsicht davon auszugehen, dass beim durchqueren der kreuzung gleichwohl nicht eine geschwindigkeit unterhalb von 10 km/h – auch nicht näherungsweise – erreicht wurde. zunächst vermochte die genannte zeugin c2. sich nicht mehr an die stärke des bremsvorgangs zu erinnern, obwohl dieser – legt man die vom kläger im verwaltungsverfahren beschriebene, „überhöhte geschwindigkeit“ auf der einsatzfahrt vor dem erreichen der kreuzung zugrunde (bei regulärer geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h) – sehr deutlich am körper zu spüren hätte sein müssen. weiterhin ist ein derartiger starker bremsvorgang auch den aussagen der anderen zeugen nicht zu entnehmen: der zeuge n. k1. schilderte, dass er den von hinten herannahenden wagen bereits frühzeitig – wenngleich zunächst nicht als polizeifahrzeug – im rückspiegel wahrgenommen und seine frau auf dessen geschwindigkeit hingewiesen habe. dies hat die damit in bezug genommene zeugin l5. k1. ebenfalls bestätigt. beide zeugen taten sich mit einer einschätzung der geschwindigkeit des polizeifahrzeugs schwer, konnten aber unabhängig voneinander erklären, dass dieser definitiv schneller als 50 km/h gewesen sei. in ähnlicher weise hat sich auch die zeugin g1. -c1. geäußert, die die geschwindigkeit des polizeifahrzeugs beim durchqueren der kreuzung, als sie dieses erstmalig bemerkte und daraufhin selbst abbremste, zunächst auf 40-50 km/h, sodann nach weiterer überlegung aber eher auf 50-60 km/h taxierte. die weiteren zeugenaussagen waren zu dieser frage unergiebig. dabei berücksichtigt das gericht, dass die einschätzung einer geschwindigkeit eines anderen objekts, hier des polizeifahrzeugs, sehr stark subjektiv geprägt und nicht objektiv einwandfrei möglich ist. doch lässt sich sämtlichen zeugenaussagen ungeachtet der einzelnen, in der tendenz aber stark ähnlichen schätzungen jedenfalls entnehmen, dass das polizeifahrzeug sehr schnell an die kreuzung herangefahren und diese auch noch schnell durchquert habe; bis zur kollision sei alles so schnell gegangen, dass man dies nicht deutlich hätte mitverfolgen können. ein erheblicher, einer vollbremsung gleich kommender abbremsvorgang aus der überhöhten grundgeschwindigkeit im bereich von 60-70 km/h bis hin zu annähernder schrittgeschwindigkeit im bereich unterhalb von 10 km/h ist hingegen aus keiner einzigen der zeugenaussagen abzulesen. 27dass der kläger mit nahezu unverändert hoher geschwindigkeit in den kreuzungsbereich einfuhr und dabei nicht auf annähernde schrittgeschwindigkeit abgebremst hat, ergibt sich über die zeugenvernehmung hinaus auch aus den weiteren umständen, die der beklagte seiner argumentation ebenfalls schon zugrunde gelegt hat: zunächst war die wucht des aufpralls nach dem verwaltungsvorgang, darin insbesondere den polizeilichen meldungen zum verkehrsunfall, so groß, dass der pkw des unfallgegners um etwa 90 grad gedreht wurde und schließlich in richtung l. -t. -straße zeigte, aus welcher der kläger im polizeifahrzeug herangefahren war. insoweit kommt es nicht darauf an, dass der geschädigte zeuge g. die drehung mit etwa 180 grad sogar als noch erheblicher einschätzte. zudem stellte der von dem beklagten herangezogene gutachter bei der begutachtung des dienstfahrzeugs einen „rammartigen frontanstoß“ in anbetracht der komplett beschädigten front des einsatzfahrzeugs fest. schließlich hätte die entfernung von der einmündung aus der l. -t. -straße in den nördlichen kreuzungsbereich bis hin zur unfallstelle im südlichen kreuzungsbereich, die sich nach den angaben in der unfallskizze der aufnehmenden polizeibeamten auf etwa 24-26 meter bemisst, bei annähernder schrittgeschwindigkeit (d.h. jedenfalls weniger als 10 km/h) genügt, um den unfall erheblich abzumildern bzw. gegebenenfalls sogar gänzlich zu vermeiden. sowohl reaktions- als auch bremsweg wären bei einer derartigen geschwindigkeit auf der (laut unfallbericht) trockenen fahrbahn um ein vielfaches niedriger ausgefallen. 28legt man die vorstehenden feststellungen aus der beweisaufnahme zugrunde, hat der kläger seine dienstpflichten in grob fahrlässiger weise verletzt. 29in dem unterlassen, das blaue blinklicht zur warnung anderer verkehrsteilnehmer einzuschalten, liegt zunächst ein pflichtenverstoß gegen die bestimmungen des § 35 abs. 8, § 37 abs. 2 nr. 1 satz 7 und § 38 abs. 1, 2 stvo. 30zwar ist die polizei gemäß § 35 abs. 1 stvo von den vorschriften der straßenverkehrsordnung befreit, soweit das zur erfüllung hoheitlicher aufgaben dringend geboten ist. eine solch dringende aufgabenerfüllung war vorliegend aufgrund der alarmierung gegeben. 31in diesem zusammenhang ist in § 38 abs. 1 s. 2 stvo allerdings normiert, dass nur die verwendung von blauem blinklicht und einsatzhorn zusammen ein besonderes wegerecht dergestalt anordnet, dass andere verkehrsteilnehmer sofort freie bahn zu schaffen haben und deren vorfahrtsberechtigung mithin vorübergehend außer kraft gesetzt wird. nach seiner einlassung und dem vorstehenden ergebnis der beweisaufnahme hat der kläger als fahrer des einsatzfahrzeugs sich weder des martinshorns noch des blauen blinklichts während der einsatzfahrt bis zum zeitpunkt des unfalls bedient. 32in jedem fall dürfen die sonderrechte des § 35 abs. 1 stvo allerdings nur unter gebührender berücksichtigung der öffentlichen sicherheit und ordnung ausgeübt werden, vgl. § 35 abs. 8 stvo. 33soll eine kreuzung unter inanspruchnahme des sonderwegerechts bei rot passiert werden, muss der fahrer daher in rechnung stellen, dass andere verkehrsteilnehmer die sondersignale nicht oder nicht rechtzeitig wahrnehmen und mit hoher geschwindigkeit herannahen. die damit verbundene kollisionsgefahr mitsamt der darin liegenden gefährdung oder gar schädigung anderer verkehrsteilnehmer ist unter allen umständen zu vermeiden. 34vgl. ovg sachsen-anhalt, urteil vom 24. september 1997 – a 3 s 164/96 – und vg potsdam, urteil vom 24. februar 2011 – 2 k 832/07 –, beide juris. 35diese vorgenannten grundsätze für die wahrnehmung des besonderen wegerechts gelten zwangsläufig erst recht und in noch größerem maße, wenn – wie vorliegend – auf die inanspruchnahme von blauem blinklicht und martinshorn gänzlich verzichtet wird, mit der folge, dass dem polizeibeamten das besondere wegerecht nicht zusteht. durch die im übrigen mit nicht ausreichend angepasster geschwindigkeit erfolgten einfahrt in den durch rotlicht gesperrten kreuzungsbereich (vgl. § 37 abs. 2 nr. 1 satz 7 stvo) wird die vorstehend dargelegte pflichtverletzung intensiviert. 36dabei kann dahinstehen, ob der kläger sich trotz der unstreitig vorhandenen einsatzsituation, die ihn zur inanspruchnahme des besonderen wegerechts berechtigt hätte, aus einsatztaktischen gründen in zulässiger weise für eine sog. „stille anfahrt“ entscheiden durfte, um eventuell noch vor ort aufhältige täter nicht frühzeitig durch den einsatz des martinshorns zu alarmieren. denn jedenfalls hat er seine dienstpflicht, die gefährdung anderer verkehrsteilnehmer um jeden preis zu vermeiden, verletzt, indem er einerseits nicht einmal das blaue blinklicht zu deren frühzeitiger warnung eingesetzt hat, obwohl er in einen durch rotsignal für ihn gesperrten kreuzungsbereich einfuhr, und weil er andererseits mit nahezu unveränderter, jedenfalls deutlich oberhalb von 10 km/h liegenden geschwindigkeit den kreuzungsbereich passieren wollte, ohne diese – wie von ihm selbst geltend gemacht – nahezu auf schrittgeschwindigkeit herabzusetzen und damit den umständen anzupassen. 37der kläger hat diese dienstpflichten auch grob fahrlässig verletzt. 38grob fahrlässig handelt, wer die im verkehr erforderliche sorgfalt in besonders schwerem maße verletzt, wer nicht beachtet, was im gegebenen fall jedem einleuchten muss, oder wer schon die einfachsten, ganz nahe liegenden überlegungen nicht anstellt. dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die grobe fahrlässigkeit nicht nur danach bemisst, dass das verhalten, das zu dem schaden geführt hat, objektiv grob fehlerhaft ist, sondern auch danach, ob der schädiger sich subjektiv über gebote und einsichten hinweggesetzt hat, die sich ihm in der konkreten situation hätten aufdrängen müssen. 39vgl. vg münchen, urteil vom 30. märz 1999 – m 5 k 97.460 –, juris m.w.n.; siehe auch bgh, urteile vom 8. februar 1989 – iv a zr 57/88 – und vom 29. januar 2003 – iv zr 173/01 –, beide juris; ferner olg brandenburg, urteil vom 25. september 2002 – 14 u 40/02 –, juris. 40gemessen hieran war es in subjektiver hinsicht schon für sich betrachtet grob fahrlässig, dass der kläger weder martinshorn noch blaulicht einschaltete und gleichwohl in eine durch rotsignal für ihn gesperrte kreuzung einfuhr. seine gegenteiligen einlassungen vermögen angesichts der ergebnisse der in der mündlichen verhandlung durchgeführten beweisaufnahme nicht zu überzeugen. für die dort getroffenen feststellungen wird auf die vorherigen ausführungen verwiesen, 41darüber hinaus gilt nach der rechtsprechung, 42vgl. olg hamm, urteil vom 6. november 1995 – 13 u 94/95 –, juris (rn. 10) m.w.n.; siehe auch vgh baden-würrtemberg, beschluss vom 16. juli 2003 – 4 s 1514/02–, juris (rn. 10 ff.); vg münchen, urteil vom 30. märz 1999 – m 5 k 97.460 – und zuletzt vg potsdam, urteil vom 24. februar 2011 – 2 k 832/07 –, beide juris, 43dass selbst im falle der inanspruchnahme von sonderrechten ein sonderrechtsfahrer dies grundsätzlich durch besondere vorsicht ausgleichen muss, die um so größer zu sein hat, in je weiterem umfang sich der fahrer eines einsatzfahrzeuges über die sonst geltenden verkehrsvorschriften hinwegsetzt. der fahrer eines einsatzfahrzeuges darf sein vorrecht erst ausüben und darauf vertrauen, wenn er sich vergewissert hat, dass die anderen verkehrsteilnehmer sein vorrecht erkannt und sich auf die durchfahrt des einsatzfahrzeuges eingerichtet haben. bei annäherung an eine kreuzung mit rotlicht muss er so fahren, dass er sich durch einblick in die bevorrechtigte querstraße vergewissern kann, ob die anderen verkehrsteilnehmer sein vorrecht erkannt und sich auf die durchfahrt des einsatzfahrzeuges bei rot eingerichtet haben. immerhin bietet das überfahren einer kreuzung hohe gefahren, wenn sie für den verkehrsteilnehmer durch rotes ampellicht gesperrt und demgemäß für andere verkehrsteilnehmer mit grünlicht freigegeben ist. bei einer unübersichtlichen kreuzung kann die anwendung der größtmöglichen sorgfalt sogar die verpflichtung bedeuten, nur mit schrittgeschwindigkeit zu fahren. der einsatzfahrer verhält sich grob fahrlässig, wenn er mit überhöhter geschwindigkeit in den kreuzungsbereich hineinfährt, obwohl er wegen sichtbehinderung nicht feststellen konnte, ob die signale des einsatzfahrzeuges von allen verkehrsteilnehmern wahrgenommen und beachtet wurden. 44kommt dem beamten ein wegerecht bzw. vorrecht mangels betätigung der in § 38 abs. 1 s. 2 stvo normierten sondersignale aber – wie vorliegend – nicht einmal zu, gelten die vorstehenden maßstäbe in noch stärkerem maße, d.h. der einsatzfahrer muss eine nochmals höhere vorsicht walten lassen als der sonderrechtsfahrer. 45dem ist der kläger hier trotz dieser offensichtlichen gefahrgeneigtheit seines beabsichtigten handelns nicht nachgekommen, da er trotz der einsatzfahrt ohne martinshorn und blaulicht seine geschwindigkeit nicht erheblich auf zumindest annähernde schrittgeschwindigkeit reduziert hat. die gebotene vorsicht hätte in diesem moment allerdings nach einer den umständen angepassten und bei einfahrt in die kreuzung erheblich reduzierten geschwindigkeit verlangt. dass der kläger, der als diensterfahrener beamter seine geschwindigkeit zumindest grob abzuschätzen in der lage gewesen sein müsste, erklärt hat, nur mit schrittgeschwindigkeit in die kreuzung eingefahren zu sein, überzeugt angesichts der hierzu getätigten zeugenaussagen und der weiteren genannten umstände (äußerungen des gutachters, wegstrecke von kreuzungsmündung zum unfallort) nicht. vielmehr dürfte die geschwindigkeit nach dem ergebnis der beweisaufnahme deutlich oberhalb von 10 km/h, möglicherweise sogar bei 50 km/h gelegen haben. eine noch stärkere reduzierung der geschwindigkeit wäre angesichts der roten ampel hier aber offensichtlich angezeigt gewesen. bei jeder unangepassten geschwindigkeit beim einfahren in die kreuzung trotz rotsignals, auch bei „nur“ 30 km/h, ist eine gefahrenlage wesentlich schwerer und erst später erkennbar und nimmt dem kläger und anderen verkehrsteilnehmern eine hinreichende reaktionszeit. 46angesichts sämtlicher vorgenannter umstände dürfte es nahezu als ausgeschlossen gelten, dass sich der kläger bei einfahrt in die kreuzung und vor deren durchquerung hinreichend vergewissert hat, dass die übrigen verkehrsteilnehmer halten und nicht gefährdet werden. die anderen verkehrsteilnehmer mussten nämlich nicht damit rechnen, dass ein einsatzfahrzeug ohne einsatzhorn und blaues blinklicht bei rotsignal mit deutlich über schrittgeschwindigkeit liegendem tempo durchfährt. 47vgl. zu letzterem burmann/heß/k1. /janker, straßenverkehrsrecht, 21. aufl. 2010, § 38 rn 6, m.w.n.; bereits aufgegriffen von vg potsdam, urteil vom 24. februar 2011 – 2 k 832/07 –, juris. 48dass der bevorrechtigt fließende querverkehr aufgrund der umstände nicht mit verkehrsteilnehmern aus anderen richtungen rechnete, ist jedoch evident und hätte jedem einleuchten müssen. im übrigen tat die dunkelheit zum unfallzeitpunkt ihr übriges, damit sich die bevorrechtigten und auf die einfahrt des polizeifahrzeugs in den kreuzungsbereich nicht vorbereiteten verkehrsteilnehmer akustisch, visuell und in ihrer fahrweise auf die einsatzfahrt einzustellen vermochten. 49im ergebnis kommt es vorliegend auf die genaue bezifferung der geschwindigkeit nicht entscheidend an, da jedenfalls die nichteinschaltung des blaulichts bei gleichzeitigem verzicht zumindest annähernd auf schrittgeschwindigkeit eine grob fahrlässige verletzung der eingangs genannten dienstpflichten bedeutet. 50vgl. vg neustadt (weinstraße), urteil vom 18. märz 2014– 1 k 602/13.nw –, juris (rn. 28), wonach ein derartiger vorwurf einen beamten sogar bei inanspruchnahme von sondersignalen (martinshorn und blaulicht) treffen kann. 51subjektiv den kläger entlastende umstände sind nicht vorhanden. ein vernünftiger grund, aufgrund dessen der kläger das sondersignal blaulicht nicht eingeschaltet und trotz rotsignals mit nahezu unverminderter geschwindigkeit in den kreuzungsbereich eingefahren ist, ist nicht ersichtlich. vor diesem hintergrund kann auch an dieser stelle dahin stehen, ob die von dem kläger getroffene einsatztaktische entscheidung zugunsten einer sog. „stillen anfahrt“ zum einsatzort gerechtfertigt war und ihm insoweit nicht vorgeworfen werden kann. denn jedenfalls hätte er die verkehrsteilnehmer im mindesten durch die einschaltung des blauen blinklichts auf das herannahen des polizeifahrzeugs aufmerksam machen müssen, dies spätestens in dem moment, als er sich anschickte, in eine durch rotsignal für ihn gesperrte kreuzung einzufahren. der möglicherweise in seiner einlassung, dass für die aktivierung des blaulichts die beifahrerin zuständig gewesen wäre, liegende einwand dahingehend, von der verwendung des blauen blinklichts ausgegangen zu sein, verfängt hingegen aus mehreren gründen nicht: zum einen hat die zeugin c2. , die kollegin des klägers und beifahrerin, im rahmen ihrer befragung glaubhaft darzulegen vermocht, dass weder eine allgemeine regel noch eine diesbezügliche absprache zwischen ihr und dem kläger über die betätigung des einschaltknopfes für das blaulicht am einsatzfahrzeug bestanden habe. dem ist der kläger im anschluss an ihre aussage auch nicht durch eigenen, substantiierten vortrag entgegengetreten. zum anderen hätte es dem kläger aufgrund der dunkelheit der umgebung jedenfalls auffallen müssen, dass das blaulicht nicht aktiviert war. denn in der zum unfallzeitpunkt – kurz nach 18:00uhr im november – unstreitig sowie durch die unfallberichte und zeugenaussagen belegten, bereits eingetretenen dunkelheit wäre das blaue, kreiselnde licht durch die frontscheibe und die seitlichen fenster des dienstfahrzeugs gut wahrzunehmen gewesen. in diesem falle wäre von ihm als erfahrenem beamten und in dieser situation als fahrer des dienstfahrzeugs, der sich anschickt, eine durch rotsignal gesperrte kreuzung zu passieren, zu erwarten gewesen, seine kollegin hierzu aufzufordern. zudem geht das gericht auf grundlage der – insoweit unwidersprochenen – aussage der zeugin c2. davon aus, dass die aktivierung des blaulichts auf der armatur des polizeifahrzeugs, etwa mittig zwischen fahrer und beifahrer, durch das leuchten oder sogar blinken des einschaltknopfes angezeigt wird. immerhin ist das blaulicht nach übereinstimmenden zeugenaussagen nach der kollision eingeschaltet worden, was einerseits seine funktionsfähigkeit belegt und andererseits weiteres indiz für das bewusstsein seiner deaktivierung zuvor sein könnte. ungeachtet der vorstehenden feststellungen wäre schließlich zu fragen gewesen, ob sich der kläger als fahrer des dienstfahrzeugs spätestens vor einem derart schwerwiegenden verkehrsverstoß, wie ihm dies vorliegend vorgeworfen wird, über den status des blaulichts hätte versichern müssen, zumal weiterhin der vorwurf der nicht angemessenen geschwindigkeit verbliebe. 52aufgrund der vorgenannten umstände entlastet den kläger auch nicht sein einwand, dass ihm das auf dem linksabbieger der l1.-----straße stehende fahrzeug der zeugin g1. -c1. die sicht auf den unfallgegner verdeckt habe. denn er hat es jedenfalls versäumt, durch einschaltung des blaulichts und abbremsen auf annähernd schrittgeschwindigkeit überhaupt nur die geeigneten voraussetzungen zu schaffen, um einerseits selbst rechtzeitig von anderen, in diesem moment bevorrechtigten verkehrsteilnehmern wahrgenommen zu werden und diese andererseits selbst zuverlässig wahrnehmen zu können. da das fahrzeug der zeugin g1. -c1. nach deren glaubhaften angaben, die durch ihre beifahrerin, die zeugin p. , bestätigt wurden, vom stillstand an der roten ampel nach dem wechsel auf grün nur kurz angefahren und kurz darauf wieder stehen geblieben war, ist im übrigen davon auszugehen, dass der kläger das fahrzeug des unfallgegners bei verminderter geschwindigkeit noch rechtzeitig hätte wahrnehmen können, da dieses mit normaler geschwindigkeit aus der l1.-----straße herankam und nicht ebenfalls erst langsam anfuhr. denn der beim unfall geschädigte, der zeuge g. , hatte den wechsel der lichtzeichen bereits in einiger entfernung – ohne dass es vorliegend auf die genaue schätzung ankäme, wie er sie in seiner vernehmung versucht hat – erkannt und aus rollendem zustand gleich wieder beschleunigt. schließlich hätte - wie der beklagte zu recht bemerkt - bei einer schlechten sicht auf die verkehrssituation in der l1.-----straße erst recht eine besondere veranlassung zu einer herabsetzung der geschwindigkeit bestanden, infolge derer das andere unfallfahrzeug nur kurzzeitig hinter dem pkw der zeugin g1. -c1. versteckt gewesen wäre. 53aus dem dargelegten grund, dass den kläger an dem unfall die weit überwiegende verantwortung zur last fällt, trifft den unfallgegner, den zeugen g. , auch kein mitverschulden, das im rahmen des hier streitgegenständlichen regressanspruches mittelbar über die fürsorgepflicht des dienstherrn zu einer kürzung führen könnte. eine möglichkeit zur rechtzeitigen reaktion bestand für den geschädigten als durch die lichtzeichenanlage der kreuzung bevorrechtigten fahrer in gleichzeitiger ermangelung einer akustisch oder optisch vernehmbaren warnung nicht. 54aufgrund der grob fahrlässigen dienstpflichtverletzung des klägers ist es sodann zum unfall gekommen und hierdurch wiederum dem land nrw der geltend gemachte schaden in höhe von 17.273,81 euro entstanden. dessen höhe ist durch belege in den verwaltungsvorgängen sowie durch das dort eingeholte gutachten im einzelnen belegt. 55die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 56die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 711 zpo. | Verklagte*r | 0 |
144,005 | S 50 KR 852/13 | 2015-10-23T00:00:00 | Urteil | Tenor Unter Aufhebung des Bescheides vom 17.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2013 wird die Beklagte verurteilt, die Kosten für eine Magenbypass-Operation zu übernehmen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine Magenbypass-Operation. 3Der am 24.02.19xx geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er ist als Organisationsleiter im Außendienst bei der Beklagten tätig. 4Mit Schreiben vom 26.02.2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Magenbypass-Operation. Zur Begründung führte er an, dass er seit seiner Kindheit stark übergewichtig sei und bisher alles versucht habe, um das Gewicht zu reduzieren. Die Fachärzte des Adipositas-Zentrums der Universitätsklinik Aachen seien nunmehr übereinstimmend der Meinung, dass nur eine Operation eine dauerhafte Gewichtsreduktion bewirken könne. Er habe bereits erhebliche gesundheitliche Einschränkungen. Um einem möglichen Diabetes vorzubeugen und seine Lebensqualität zu verbessern, bitte er um eine entsprechende Kostenzusage. Seinem Antrag fügte der Kläger ein Schreiben des Universitätsklinikums Aachen, Klinik für Allgemein-, Visceral- und Transplantationschirurgie vom 28.01.2013 bei, mit dem ebenfalls die Kostenübernahme für eine Magenbypass-Operation bei dem Kläger beantragt wird. Der Kläger leide an einer morbiden Adipositas Grad III. Das aktuelle Gewicht betrage 151,8 kg bei einer Körpergröße von 181 cm. Der BMI sei 47,5. Bei dem Kläger bestehe bereits seit der Kindheit ein erhebliches Übergewicht. Er habe bereits mit 14 Jahren ca. 100 kg gewogen. In seiner Familie würden der Vater und die Schwester des Klägers ebenfalls unter starkem Übergewicht leiden. Der Kläger sei aufgrund des Übergewichtes in seinem Alltag und seiner Lebensqualität stark eingeschränkt. Besonders die Kniegelenksarthrose belaste ihn aufgrund der eingeschränkten Mobilität sehr. Eine Gewichtsreduktion würde die Beschwerden lindern und einem Fortschreiten der degenerativen Veränderungen vorbeugen. Zusätzlich leide der Kläger unter einer arteriellen Hypertonie und einem obstruktiven Schlafapnoesyndrom. Die arterielle Hypertonie und die Adipositas würden im Rahmen des metabolischen Syndroms ernst zu nehmende Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse darstellen. Zur Primärprophylaxe kardialer Ereignisse und zur Behandlung der arteriellen Hypertonie sei daher eine Gewichtsabnahme zwingend erforderlich. Das Schlafapnoesyndrom sei dabei ein zusätzlicher Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und schränke die Leistungsfähigkeit des Patienten zusätzlich weiter ein. Der Kläger habe verschiedene Diäten in Eigenregie durchgeführt. In der Sprechstunde habe er eine besondere Motivation zur langfristigen Lebensänderung gezeigt. Schon jetzt betreibe er regelmäßig Sport in einem Fitnessstudio und setze die Vorgaben der Ernährungsberatung um. Zusätzlich habe er von März 2012 bis September 2012 eine strukturierte Ernährungsberatung durchgeführt. Auch nach dem Abschluss der Ernährungsberatung habe der Kläger die erlernten Maßnahmen weiterhin umgesetzt. Leider hätte auch diese Lebensstiländerung nicht zu einem signifikanten Gewichtsverlust geführt. Nach Überprüfung der erhobenen Befunde werde entsprechend den europäischen Leitlinien für die interdisziplinäre Behandlung der Adipositas durch chirurgische Maßnahmen und die aktuelle S3- Leitlinie "Chirurgie der Adipositas" bei dem Kläger eine Indikation für die bariatrische Magenbypass-Operation gestellt. Wie in mehreren Langzeitstudien belegt, könne es nur noch mit einem Adipositas-chirurgischen Eingriff zu einer nennenswerten und vor allem dauerhaften Gewichtsreduktion kommen. Der Kläger kenne die postoperativen Anforderungen und sei hoch motiviert, die geänderten Lebens- und Ernährungsgewohnheiten beizubehalten. Kontraindikationen würden nicht vorliegen. 5Die Beklagte übersandte dem Kläger sodann einen Fragebogen. In diesem gab der Kläger unter anderem an, dass er als Bewegungstherapien bisher Reha-Sport durchgeführt habe und im Fitnessstudio gewesen sei. Derzeit würde er aus beruflichen Gründen keine körperliche Aktivität ausüben. In psychiatrischer/psychotherapeutischer Behandlung befinde sich der Kläger nicht. 6Des Weiteren holte die Beklagte eine sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. In ihrem sozialmedizinischen Gutachten vom 07.05.2013 kommt Frau U. Sch. zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nicht erfüllt seien. Der Kläger leider unbestritten an einer dringend behandlungsbedürftigen Adipositas Grad III. Es sei auch bereits zur Manifestation von adipositasassoziierten Begleiterkrankungen, wozu die arterielle Hypertonie und das Schlafapnoesyndrom zu zählen seien, gekommen. Bei der beantragten Operation sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Vorfeld zu überprüfen, ob sämtliche konservativen Therapiemöglichkeiten zur Gewichtsreduktion bereits erfolglos ausgeschöpft worden sind. Auch den aktuellen S3-Leitlinien der Fachgesellschaften zufolge bestehe die primäre Behandlung der Adipositas in einem multimodalen, konservativen Therapieprogramm. Diese setzen sich zusammen aus den Bausteinen Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie. Diese Maßnahmen sollten optimaler Weise koordiniert aufeinander abgestimmt durchgeführt werden über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Zwar habe der Kläger die geforderte Ernährungstherapie über den Mindestzeitraum von sechs Monaten durchgeführt. Nach eigenem Bekunden führe der Kläger derzeit aber aufgrund beruflicher Inanspruchnahme keinerlei körperliche Aktivitäten durch. Gerade die Bewegungstherapie stelle aber einen maßgeblichen Baustein der multimodalen Therapie dar, auf die nicht verzichtet werden könne. Lediglich auf die Durchführung einer Verhaltenstherapie zur Verhaltensmodifikation könne im Einzelfall verzichtet werden. Aufgrund dessen könne die Durchführung der Operation nicht empfohlen werden. 7Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.05.2013 die Kostenübernahme für eine Magenbypass-Operation ab. 8Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 04.06.2013 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er an, dass das Gutachten des MDK lediglich nach Aktenlage erstellt worden sei und in keinster Weise die bereits vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen berücksichtige. 9Daraufhin holte die Beklagte ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten des MDK ein. In seinem Gutachten vom 26.06.2013 kommt Dr. M. W. ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nicht erfüllt seien. Zwar sei festzustellen, dass der Kläger hinsichtlich seines BMI und der langjährig bestehenden Adipositas die in der S3-Leitlinie geforderten Einschlusskriterien für den Eingriff erfülle. Kontraindikationen, insbesondere von Seiten des psychiatrischen Fachgebietes sowie auch internistischerseits im Sinne einer sekundären Adipositas würden gemäß dem Bericht des Universitätsklinikums Aachen auch nicht vorliegen. Die Voraussetzungen eines multimodalen Behandlungskonzeptes seien jedoch nicht erfüllt, da der Kläger aus beruflichen Gründen derzeit keine körperliche Aktivität ausübe. Solange dies nicht zeitgleich mit einer entsprechenden Ernährungstherapie erfolgt ist, sei kein multimodales Behandlungskonzept erfolgt und es könne somit letztlich gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und der S3-Leitlinie nicht von einer Ausschöpfung der konservativen Behandlungsmöglichkeiten gesprochen werden. Aufgrund dessen sei auch die Notwendigkeit einer körperlichen Untersuchung nicht gegeben. 10Mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Verweis auf die Begründung des MDK zurück. 11Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Ergänzend trägt er vor, dass die Darstellung der Beklagten, dass er nicht alle konventionellen Maßnahmen zu Gewichtsreduktion ausgeschöpft habe, aufgrund ungenauer Recherche basiere. In der Zeit vom 15.06.2009 bis zum 06.07.2009 sei er in der Klinik Hellbachtal in M. zur Rehabilitation gewesen. Bei der Abschlussuntersuchung habe ihm der leitende Arzt für die Anschlussbehandlung Physiotherapie sowie Sport- und Bewegungstherapie bewilligt. Der Rentenversicherungsträger habe die Kosten für 24 × 90 bis 120 Minuten im Rahmen des "Irena"-Programms bewilligt. Die Rehabilitationsnachsorge sei im Therapie-Center in M. durchgeführt worden. Schließlich habe er sich in einem Fitnessstudio angemeldet, in dem auch Reha Sport angeboten werde. Die Mitgliedschaft habe vom 01.04.2010 bis zum 31.03.2012 gedauert. Die gewünschte Gewichtsreduktion habe nicht erreicht werden können. Da alle Versuche zur dauerhaften Gewichtsabnahme gescheitert seien, erscheine ihm die Magenbypass-Operation als Ultima Ratio unverzichtbar. 12Der Kläger beantragt, 13den Bescheid der Beklagten vom 17.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine Magenbypass-Operation zu übernehmen. 14Die Beklagte beantragt, 15die Klage abzuweisen. 16Die Beklagte verbleibt ebenfalls bei ihrer Auffassung. 17Ergänzend trägt sie vor, dass weder die Bewilligung von Leistungen zur intensivierten Rehabilitationsnachsorge (IRENA) noch die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio die tatsächliche Durchführung einer Bewegungstherapie implizieren würden. Im Übrigen habe der Kläger angegeben, dass körperliche Aktivitäten aus beruflichen Gründen nicht durchgeführt würden. 18Das Gericht hat zunächst einen Befundbericht von dem den Kläger behandelnden Arzt eingeholt. 19Dr. P., Arzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren hat in seinem Schreiben vom 03.04.2014 unter anderem berichtet, dass durch Walken und Schwimmen keine wesentliche Gewichtsreduktion erfolgt sei, jedoch insbesondere durch das Laufen die orthopädischen Leiden zugenommen hätten. Es seien häufiger Lumbago und Lumboischialgien eingetreten sowie die Gonarthrose aktiviert worden. Gewichtbedingt und schmerzbedingt habe der Kläger nur eine geringe Ausdauer und Leistungsspanne. Er erreiche erst gar nicht die erforderliche Zeit, um eine Fettverbrennung zu ermöglichen. Weitere konservative Maßnahmen der Gewichtsreduktion halte er nicht für Erfolg versprechend. Die Durchführung der begehrten Magenbypass-Operation halte er für indiziert. 20Sodann hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. 21Die Sachverständige Dr. J. G.-L., Ärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin und Ernährungsmedizin kommt in ihrem Gutachten vom 27.08.2014 im Wesentlichen zu dem folgenden Ergebnis. 22Der Kläger leide an folgenden Erkrankungen: 231. fortgeschrittenes degeneratives Kniegelenksleiden beidseits 2. degeneratives Lendenwirbelsäulenleiden 3. arterielle Hypertonie 4. Harnsäure- und Fettstoffwechselstörung. 24Mit großer Wahrscheinlichkeit sei die arterielle Hypertonie auf die Adipositas permagna des Klägers zurückzuführen, da er berichtet habe, bereits seit seiner Kindheit übergewichtig zu sein und die Erkrankung erst Mitte der neunziger Jahre aufgetreten sei. Gegebenenfalls bestehe auch ein dementsprechender ursächlicher Zusammenhang im Hinblick auf die Stoffwechselstörungen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei darüber hinaus das fortgeschrittene degenerative Kniegelenksleiden ebenfalls auf das jahrzehntelang bestehende erhebliche Übergewicht des Klägers zurückzuführen. Das aktuelle körperliche Gewicht liege unbekleidet bei 158 kg, bei einer Größe von 176 cm. Der BMI betrage 51. Weder das degenerative Kniegelenksleiden noch das degenerative Wirbelsäulenleiden würden derzeit therapiert. Der Kläger habe berichtet, dass die behandelnden Orthopäden im Jahr 2012 darauf hingewiesen haben, dass aufgrund des erheblichen Übergewichtes keine Erfolg versprechende Therapie mehr möglich sei. Es sei bereits zu diesem Zeitpunkt darauf hingewiesen worden, dass mit großer Wahrscheinlichkeit ein künstlicher Gelenksersatz notwendig sein werde, dass aus diesem Grunde aber zunächst eine nachhaltige Gewichtsreduktion stattfinden müsse, damit die Operation auch Aussicht auf Erfolg zeige. Im Jahre 2012 habe er 6 Monate lang an einer Ernährungsberatung bei einer Diplom-Ökotrophologin teilgenommen. Er habe 4 kg bis 5 kg Gewicht abgenommen, obwohl er gleichzeitig 2 Jahre lang Mitglied eines Fitnessstudios gewesen sei, was er dreimal wöchentlich besucht habe. Bewegen tue er sich wenig, dies insbesondere aufgrund seins Kniegelenksleidens. Unter Berücksichtigung des Verlaufes des Übergewichtes sowie der konservativen Therapiemaßnahmen würden aus Sicht der Sachverständigen weitere konservative Maßnahmen keine Aussicht auf Erfolg bieten. Dabei komme insbesondere hinzu, dass unter Berücksichtigung des fortgeschrittenen Kniegelenksleidens auch nicht genügend Zeit für solche Maßnahmen bestünden. Es sei darauf hinzuweisen, dass das Kniegelenksleiden derart ausgeprägt sei, dass bereits eine endgradige Streckhemmung in beiden Kniegelenken bestehe. Unter Berücksichtigung des Ausmaßes der Funktionsstörungen der Kniegelenke sei im vorliegenden Fall eine adäquate Bewegungstherapie als wesentlicher Baustein eines multimodalen Therapieprogramms zur nachhaltigen Gewichtsreduktion nicht mehr möglich, so dass auch aus diesem Grunde unter Berücksichtigung der dringend erforderlichen Gewichtsreduktion konservative Maßnahmen zur nachhaltigen Gewichtsreduktion keine Aussicht auf Erfolg bieten würden. Eine psychotherapeutische Behandlung zur Steuerung des Essverhaltens halte sie für nicht Erfolg versprechend, da nach ihrer Auffassung keine nennenswerte Essstörung vorliege. Eine Änderung des Verhaltens des Klägers nach dem Eingriff sei anzunehmen, da allein die veränderten anatomischen Verhältnisse nach einer Magenverkleinerung die Betroffenen zu einem anderen Essverhalten nahezu zwingen würden. Im vorliegenden Fall liege eine Indikation zur Durchführung eines bariatrischen Eingriffs vor. Kontraindikationen würden nicht vorliegen. Unter Berücksichtigung des Zeitdruckes zur nachhaltigen Gewichtsreduktion im Hinblick auf das fortgeschrittene degenerative Kniegelenksleiden liege im vorliegenden Fall aus ihrer Sicht eine Ultima Ratio im Hinblick auf den bariatrischen Eingriff vor. Ansonsten drohte eine weitere Mobilitätseinschränkung des Klägers mit dramatischen Folgen insbesondere im Hinblick auf seine Erwerbstätigkeit. 25Die Beklagte hat die Kostenübernahme weiterhin abgelehnt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass die beschriebene Kniegelenksarthrose keinen grundsätzlichen Hinderungsgrund darstelle, da es ja nicht um Sport im eigentlichen Sinne, sondern um Bewegung gehe. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Bewegung und Maßnahmen der physikalischen Therapie auch Grundpfeiler in der konservativen Arthrosebehandlung seien. So komme beispielsweise Aquajogging, Fahrradfahren (Kniebewegung ohne Belastung) oder auch Gymnastikmaßnahmen in Betracht. Dass der Kläger der Sachverständigen mitgeteilt habe, zeitgleich zur Ernährungsberatung dreimal wöchentlich im Fitnessstudio gewesen zu sein, müsse bis zum Beweis des Gegenteils in Abrede gestellt werden. Im Übrigen sei zwar eine primäre OP-Indikation in den S3-Leitlinien "Chirurgie der Adipositas" und "Prävention und Therapie der Adipositas" enthalten. Sie beruhe aber nicht auf einem konsentierten Votum. Zudem verweise die Beklagte auf das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 01.03.2011 (L 11 KR 3560/09). 26Der Kläger hat hierauf vorgetragen, dass er im Hinblick auf den Umfang des Trainings im Fitness-Studio keine Unterlagen beibringen könne, da nach Rücksprache mit diesem durch eine Computerumstellung alle alten Daten gelöscht worden seien. 27Des Weiteren hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass er aktuell 156,8 kg wiege. Er habe in diesem Jahr noch eine kombinierte Bewegungs- und Ernährungstherapie durchgeführt. Er sei auch weiterhin im Fitnessstudio angemeldet und nehme dort am Zirkeltraining teil. Zudem trainiere er auf dem Ergo-Trainer, was trotz der Knieprobleme gut funktioniere. Es sei aber kein großer Erfolg gewesen. Das Problem sei, dass er aufgrund seiner Hypertonie ein Medikament einnehme, das den Puls senke. Dies führe dazu, dass er vom Puls her gar nicht in den Bereich komme, um Fett zu verbrennen. Sein Arzt habe ihm jedoch gesagt, dass das Medikament nicht abgesetzt werden könne. 28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. 29Entscheidungsgründe: 30Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG – ist zulässig und begründet. Der Kläger ist beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, da der Bescheid der Beklagten vom 17.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2013 rechtswidrig ist. Der Bescheid war somit aufzuheben und die Beklagte zur Übernahme der Kosten für die Magenbypass-Operation zu verurteilen. 31Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Kosten für die begehrte Magenbypass-Operation. 32Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V – haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V umfasst die Krankenbehandlung unter anderem die ärztliche Behandlung (Nr. 1) sowie die Krankenhausbehandlung (Nr. 5). Nach § 39 Abs. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 11/08 R - juris). Ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 1, § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V hängt mithin davon ab, dass die Krankenhausbehandlung allein aus medizinischen Gründen erforderlich ist (vgl. BSG, Beschluss des Großen Senats vom 25.09.2007 - GS 1/06 - SozR 4-2500 § 39 Nr. 10). Die Erforderlichkeit richtet sich allein nach den medizinischen Erfordernissen (vgl. Großer Senat, aaO). Dabei kommt es auf die individuelle Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung im Einzelfall an (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R - juris). 33Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt somit nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V zunächst eine "Krankheit" voraus. Damit wird in der Rechtsprechung ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu; die Rechtsprechung hat diese Grundvoraussetzung für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (BSG, Urteil vom 19.10.2004 – B 1 KR 3/03 – mwN - juris). 34Der Kläger leidet an einer Adipositas Grad III. Hierbei handelt es sich um eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Erfordert die Adipositas eine ärztliche Behandlung, so belegt das zugleich die Regelwidrigkeit des bestehenden Zustandes und damit das Vorliegen einer Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne (BSG, Urteil vom 19.02.2003 – B 1 KR 1/02 R - juris). Die Adipositas des Klägers erfordert eine ärztliche Behandlung. Dies haben sowohl die den Kläger behandelnden Ärzte als auch der MDK bestätigt. 35Die Magenbypass-Operation ist im Falle des Klägers auch individuell medizinisch erforderlich. 36In der Rechtsprechung wird im Allgemeinen angenommen, dass Behandlungs- maßnahmen, die in ein an sich gesundes Organ eingreifen, in der Regel ausgeschlossen sind. Für chirurgische Maßnahmen, mit denen in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert wird, wie das bei bariatrischen Operationen der Fall ist, bedarf die mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (BSG, Urteil vom 19.02.2003 – B 1 KR 1/02 R, aaO). Da das Behandlungsziel einer Gewichtsreduktion auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, kommt somit eine solche chirurgische Maßnahme unter Berücksichtigung der Leitlinien der Fachgesellschaften nur als Ultima Ratio und nur bei Patienten in Betracht, die eine Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung erfüllen (BMI )=40 oder )=35 mit erheblichen Begleiterkrankungen; Erschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten; tolerables Operationsrisiko; ausreichende Motivation, keine manifeste psychiatrische Erkrankung; Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung ua; BSG, Urteil vom 19.02.2003, aaO). 37Ausgehend von diesen Kriterien steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der Umstände der Adipositaserkrankung des Klägers fest, dass diese Voraussetzungen für die Verschaffung der Magenbypass-Operation durch die Beklagte erfüllt sind. 38Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hatte der Kläger ein Gewicht von 156,8 kg, bei einer Größe von 176 cm (laut Sachverständigengutachten). Unter Anwendung der Formel BMI = Körpermasse in Kilogramm./. Körpergröße in Metern zum Quadrat (Quelle: Wikipedia), ergibt dies einen BMI von 50. Unter Zugrundelegung der in Abschnitt 3.2 Indikation der S3-Leitlinie "Chirurgie der Adipositas" (Stand Juni 2010) - auf die das Bundessozialgericht zurückgreift und auf welche auch die Beklagte abstellt – genannten Voraussetzungen, ist zunächst festzustellen, dass der BMI des Klägers deutlich über den genannten Werten von 35 und 40 liegt. Hinzu kommen mehrere, erhebliche Folge- und Begleiterkrankungen, an denen der Kläger leidet. Insofern hat die Sachverständige festgestellt, dass der Kläger an einem fortgeschrittenen degenerativen Kniegelenksleiden beidseits, einem degenerativen Lendenwirbelsäulenleiden, arterieller Hypertonie sowie einer Harnsäure- und Fettstoffwechselstörung leide. Mit großer Wahrscheinlichkeit sei die arterielle Hypertonie auf die Adipositas permagna des Klägers zurückzuführen. Gegebenenfalls bestehe auch ein dementsprechender ursächlicher Zusammenhang im Hinblick auf die Stoffwechselstörungen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei darüber hinaus das fortgeschrittene degenerative Kniegelenksleiden ebenfalls auf das jahrzehntelang bestehende erhebliche Übergewicht des Klägers zurückzuführen. 39Ein tolerables Operationsrisiko liegt vor, da von Seiten aller Ärzte (auch des MDK) keine Kontraindikationen vorliegen. Eine manifeste psychiatrische Behandlung liegt bei dem Kläger nicht vor. Die Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung ist von den Ärzten der Universitätsklinik Aachen bestätigt worden, ebenso eine ausreichende Motivation. Das Vorliegen dieser Erfordernisse ist von der Beklagten auch nicht bestritten worden. 40Soweit die Beklage die Übernahme der Kosten für die Magenbypass-Operation ausschließlich mit der Begründung ablehnt, dass der Kläger nicht zeitgleich eine Ernährungs- und Bewegungstherapie durchgeführt und damit die konservativen Therapien nicht ausgeschöpft habe, so kann dem nicht gefolgt werden. 41Zum einen hat der Kläger noch während des laufenden Klageverfahrens im Jahre 2015 eine sechsmonatige Ernährungs- und Bewegungstherapie durchgeführt. Dies ist von der Beklagten in keinster Weise berücksichtigt worden. 42Darüber hinaus ist aber nach Überzeugung der Kammer im Falle des Klägers ein Ausschöpfen der konservativen Therapie im Sinne einer Ernährungs- und Bewegungstherapie auch nicht erforderlich, da die chirurgische Therapie nicht aufgeschoben werden kann und konservative Therapien keine Aussicht auf Erfolg haben. 43In Abschnitt 3.2 Unterpunkt 4 Primäre Indikation der S3-Leitlinie "Chirurgie der Adipositas" heißt es wie folgt: 44"Lassen Art und/oder Schwere der Krankheit bzw. psychosoziale Gegebenheiten bei Erwachsenen annehmen, dass eine chirurgische Therapie nicht aufgeschoben werden kann oder die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist, kann in Ausnahmefällen auch primär eine chirurgische Therapie durchgeführt werden; die Indikation hierzu ist durch einen in der Adipositastherapie qualifizierten Arzt und einen bariatrischen Chirurgen gemeinsam zu stellen. Damit hat die Leitlinienkommission ein weiteres Beurteilungskriterium nach eingehender Diskussion präzisierend in die neuen Leitlinien aufgenommen, nämlich den Begriff der geringen Erfolgsaussicht der konservativen Therapie." 45Des Weiteren ist in der S3-Leitlinie "Prävention und Therapie der Adipositas" (Stand 2014) in Abschnitt 5.4.7 Chirurgische Therapie unter 5.45 die folgende Empfehlung enthalten: 46"Eine chirurgische Therapie kann auch primär ohne eine präoperative konservative Therapie durchgeführt werden, wenn die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist oder der Gesundheitszustand des Patienten keinen Aufschub eines operativen Eingriffs zur Besserung durch Gewichtsreduktion erlaube. Dies ist unter folgenden Umständen gegeben: - Besondere Schwere von Begleit- und Folgekrankheiten der Adipositas - BMI ) 50 kg/m - Persönliche psychosoziale Umstände, die keinen Erfolg einer Lebensstiländerung in Aussicht stellen." 47Unter Zugrundelegung dieser Empfehlungen steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass im Falle des Klägers eine chirurgische Therapie primär indiziert ist. 48Der Kläger hat einen BMI von 50. Eine besondere Schwere von Begleit- und Folgekrankheiten der Adipositas des Klägers ist ebenfalls gegeben, da bei dem Kläger nach den Feststellungen der Sachverständigen insbesondere auch ein fortgeschrittenes Kniegelenksleiden besteht, welches derart ausgeprägt ist, dass bereits eine endgradige Streckhemmung in beiden Kniegelenken besteht. Hinzu kommen die arterielle Hypertonie sowie eine Harnsäure- und Fettstoffwechselstörung, die ebenfalls sehr wahrscheinlich auf die Adipositas des Klägers zurückzuführen sind. Nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen haben im Falle des Klägers konservative Maßnahmen zur nachhaltigen Gewichtsreduktion keine Aussicht auf Erfolg. Insofern hat die Sachverständige ausgeführt, dass aufgrund des Ausmaßes der Funktionsstörungen der Kniegelenke eine adäquate Bewegungstherapie als wesentlicher Baustein eines multimodalen Therapieprogramms zur nachhaltigen Gewichtsreduktion nicht mehr möglich sei. Im Übrigen bestünde unter Berücksichtigung des fortgeschrittenen Kniegelenksleidens auch nicht genügend Zeit für solche Maßnahmen. Eine Gewichtsreduktion sei dringend erforderlich. Unter Berücksichtigung des Zeitdruckes zur nachhaltigen Gewichtsreduktion im Hinblick auf das fortgeschrittene degenerative Kniegelenksleiden liege im vorliegenden Fall aus Sicht der Sachverständigen eine Ultima Ratio im Hinblick auf den bariatrischen Eingriff vor. Eine Notwendigkeit der begehrten Magenbypass-Operation haben schließlich sowohl Dr. P. als auch die Chirurgen der Universitätsklinik Aachen bestätigt. 49Aufgrund dieser Beurteilungen steht somit für die Kammer fest, dass im Falle des Klägers die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist und sein Gesundheitszustand keinen Aufschub eines operativen Eingriffs erlaubt. 50Einwendungen, dass die Voraussetzungen der Empfehlungen der S3-Leitlinien für eine primäre chirurgische Therapie im Falle des Klägers nicht vorliegen, sind von der Beklagten nicht vorgebracht worden. Die Beklagte hat eine entsprechende umfassende Einzelfallprüfung im Hinblick auf den Kläger, trotz Anregung des Gerichts, nicht vorgenommen. 51Der alleinige, konkret auf den Kläger bezogene Einwand der Beklagten, dass der Kläger im Hinblick auf das Kniegelenksleiden Aquajogging, Aquagymnastik oder knieschonendes Fahrradfahren machen könne, führt zu keinem anderen Ergebnis, da bereits allein die Dringlichkeit der chirurgischen Therapie, welche die Sachverständige festgestellt hat, für die Annahme einer primären Indikation ausreicht. 52Im Übrigen steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen fest, dass auch eine etwaige knieschonende Bewegungstherapie im Falle des Klägers keine Aussicht auf Erfolg hat. Insofern ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits seit der Kindheit an Adipositas leidet. Er hat verschiedene Diäten in Eigenregie durchgeführt. Im Jahre 2012 hat er unstreitig an einer Ernährungstherapie teilgenommen. Darüber hinaus hat er nachgewiesen, dass er in der Zeit von 2010 bis 2012 Mitglied in einem Fitnessstudio gewesen ist. Des Weiteren hat er in diesem Jahr an einer weiteren Ernährungstherapie teilgenommen und sich erneut in einem Fitnessstudio angemeldet. Aufgrund des persönlichen Eindrucks der Kammer in der mündlichen Verhandlung bestehen auch keine Anhaltspunkte dem Kläger nicht zu glauben, dass er in den Fitness-Studios trainiert hat bzw. trainiert und sich – wenn auch erfolglos – um eine Gewichtsreduktion bemüht hat. Auch der den Kläger behandelnde Arzt Dr. P. hat in seinem Befundbericht ausgeführt, dass durch Walken und Schwimmen keine wesentliche Gewichtsreduktion bei dem Kläger erfolgt sei, jedoch insbesondere durch das Laufen die orthopädischen Leiden zugenommen hätten. Es seien häufiger Lumbago und Lumboischialgien eingetreten sowie die Gonarthrose aktiviert worden. Gewichtbedingt und schmerzbedingt habe der Kläger nur eine geringe Ausdauer und Leistungsspanne. Er erreiche erst gar nicht die erforderliche Zeit, um eine Fettverbrennung zu ermöglichen. Weitere konservative Maßnahmen der Gewichtsreduktion halte er somit nicht für Erfolg versprechend. Ferner ergibt sich aus dem Schreiben des Universitätsklinikums Aachen, Klinik für Allgemein-, Visceral- und Transplantationschirurgie vom 28.01.2013, dass der Kläger auch an einem Schlafapnoesyndrom leide, das seine Leistungsfähigkeit einschränke. Schließlich hat der Kläger unbestritten vorgetragen, dass er aufgrund seiner Hypertonie ein Medikament einnehme, das den Puls senke. Dies führe dazu, dass er vom Puls her gar nicht in den Bereich komme, um Fett zu verbrennen. Sein Arzt habe ihm zudem gesagt, dass das Medikament nicht abgesetzt werden könne. 53In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass die Erfolgsaussichten einer rein konservativen Therapie mit dem Ausmaß der Adipositas in einer Wechselbeziehung stehen. Somit sind daher bei einer vergleichsweise geringen Adipositas an die Durchführung einer vorherigen konservativen Therapie strenge Anforderungen zu stellen. Je höher aber der BMI ist, desto schwieriger wird es erfahrungsgemäß, alleine durch eine Umstellung der Ernährung, Bewegungs- und Psychotherapie sowie sonstige konservative Maßnahmen eine ausreichende Gewichtsreduktion in angemessener Zeit zu bewerkstelligen. Daher ist es angemessen, wenigstens in den Sonderfällen, in denen der BMI im oberen Bereich liegt und den Wert von 40 deutlich überschreitet, eine Magenverkleinerungsoperation krankenversicherungsrechtlich auch dann zu bewilligen, wenn die hinreichend glaubhaften und ernsthaften eigeninitiativen Bemühungen des Versicherten zur Gewichtsreduktion nicht den strengen Vorgaben zu einem sechs- bis zwölfmonatigen multimodalen und ärztlich geleiteten bzw. überwachten Therapiekonzept entsprechen (vgl. LSG Hessen, Urteil vom 20.06.2013 – L 8 KR 91/10 - juris; SG Mannheim, Urteil vom 17.01.2013 – S 9 KR 491/12 - juris). 54Gestützt wird dies insbesondere auch durch die Ausführungen in der S3-Leitlinie "Chirurgie der Adipositas" in Abschnitt 3.2 Indikation unter Bezugnahme auf die durchgeführten Studien. 55So heißt es dort: 56"Insbesondere schwer adipöse Patienten weisen häufiger gewichtsbedingte körperliche Einschränkungen auf, welche ihnen nur eine eingeschränkte oder gar keine Teilnahme an Bewegungsprogrammen erlauben. Gehsportarten sind bei vorbestehenden degenerativen Schäden an den tragenden Gelenken häufig kontraindiziert, und Radfahren ist wegen hohen Satteldrucks, Balanceproblemen und Sturzgefahr nur eingeschränkt praktizierbar. Schwimmen ist aus Schamgefühl nicht immer durchführbar" (Seite 13 f.). 57"Die Entscheidung für einen bariatrischen Eingriff gründet sich auf dem individuellen Risiko-Nutzen-Verhältnis (.). Deshalb wurde in der Vergangenheit insbesondere von den Kostenträgern gefordert, vor einer Entscheidung zur Operation intensive, ärztlich begleitete Gewichtsreduktionsversuche zu unternehmen. Dieses Vorgehen ist bei hochgradiger Adipositas – zumindest für nicht strukturierte und nicht dauerhaft konzipierte Gewichtsreduktionsversuche – aus klinisch-wissenschaftlicher Sicht nicht gerechtfertigt wegen der geringen Erfolgsaussichten. Zudem ist die Akzeptanz z. B. einer Bewegungstherapie aufgrund der Sekundärkomplikationen (hier Gonarthrose) häufig eingeschränkt, und gelegentlich ist wegen eines hohen Risikoprofils ein schneller Therapieerfolg das prioritäre Ziel" (Seite 13). 58Der Einwand der Beklagten, dass die Frage einer primären OP-Indikation inhaltlich kontrovers diskutiert werde und, wenn auch in der Leitlinie enthalten, nicht auf einem konsentierten Votum beruhe, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Tatsache ist, dass die Empfehlung einer primären chirurgischen Indikation in die S3-Leitlinien "Chirurgie der Adipositas" und "Prävention und Therapie der Adipositas" aufgenommen wurden. Auch wenn es sich bei dieser Empfehlung nur um eine "Kann-Empfehlung" handelt, so bedeutet dies nach Auffassung der Kammer nicht, dass diese im Einzelfall nicht zu berücksichtigen wäre. Die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften stellen eine systematisch entwickelte Hilfe für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen dar (siehe: www.awmf.org/leitlinien.html, Stand 04.11.2015; vgl. LSG Hessen, aaO). Auch wenn diese rechtlich nicht bindend sind, geben sie doch wichtige Entscheidungshilfen, zumal sie auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und auf in der Praxis bewährten Verfahren beruhen. Die Klassifizierung als "S3-Leitlinie" bringt zum Ausdruck, dass diese auf der Grundlage einer formellen oder systematischen Evidenzrecherche erstellt wurde und alle Elemente einer systematischen Entwicklung (Logik-, Entscheidungs- und Outcome-analyse, Bewertung klinischer Relevanz wissenschaftlicher Studien und regelmäßige Überprüfung) beinhaltet (siehe: AWMF-Regelwerk Leitlinien unter www.awmf.org; vgl. LSG Hessen, aaO). Auch das Bundessozialgericht stellt im Hinblick auf die medizinischen Grundlagen auf die Leitlinie der Deutschen Adipositas-Gesellschaft ab (vgl. Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KR 2/08 R – juris; Urteil vom 19.02.2003, aaO). Dass es sich in den konkreten Fällen nicht mit der Empfehlung zur primären chirurgischen Indikation beschäftigen musste, heißt nicht, dass diese nicht auch anwendbar ist. 59Schließlich greift auch der Verweis der Beklagten auf das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 01.03.2011 (L 11 KR 3560/09 - juris) nicht, weil sich das Gericht im dortigen Fall mit der primären Indikation als Ausnahmefall gar nicht beschäftigt hat. 60Anhaltspunkte, dass die Magenbypass-Operation nicht zweckmäßig und wirtschaftlich sei und ihre Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht entspreche (§§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 SGB V), sind nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht vorgetragen worden. 61Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. | unter aufhebung des bescheides vom 17.05.2013 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 25.09.2013 wird die beklagte verurteilt, die kosten für eine magenbypass-operation zu übernehmen. die kosten des verfahrens trägt die beklagte. 1 | 2die beteiligten streiten über die kostenübernahme für eine magenbypass-operation. 3der am 24.02.19xx geborene kläger ist bei der beklagten krankenversichert. er ist als organisationsleiter im außendienst bei der beklagten tätig. 4mit schreiben vom 26.02.2013 beantragte der kläger bei der beklagten die kostenübernahme für eine magenbypass-operation. zur begründung führte er an, dass er seit seiner kindheit stark übergewichtig sei und bisher alles versucht habe, um das gewicht zu reduzieren. die fachärzte des adipositas-zentrums der universitätsklinik aachen seien nunmehr übereinstimmend der meinung, dass nur eine operation eine dauerhafte gewichtsreduktion bewirken könne. er habe bereits erhebliche gesundheitliche einschränkungen. um einem möglichen diabetes vorzubeugen und seine lebensqualität zu verbessern, bitte er um eine entsprechende kostenzusage. seinem antrag fügte der kläger ein schreiben des universitätsklinikums aachen, klinik für allgemein-, visceral- und transplantationschirurgie vom 28.01.2013 bei, mit dem ebenfalls die kostenübernahme für eine magenbypass-operation bei dem kläger beantragt wird. der kläger leide an einer morbiden adipositas grad iii. das aktuelle gewicht betrage 151,8 kg bei einer körpergröße von 181 cm. der bmi sei 47,5. bei dem kläger bestehe bereits seit der kindheit ein erhebliches übergewicht. er habe bereits mit 14 jahren ca. 100 kg gewogen. in seiner familie würden der vater und die schwester des klägers ebenfalls unter starkem übergewicht leiden. der kläger sei aufgrund des übergewichtes in seinem alltag und seiner lebensqualität stark eingeschränkt. besonders die kniegelenksarthrose belaste ihn aufgrund der eingeschränkten mobilität sehr. eine gewichtsreduktion würde die beschwerden lindern und einem fortschreiten der degenerativen veränderungen vorbeugen. zusätzlich leide der kläger unter einer arteriellen hypertonie und einem obstruktiven schlafapnoesyndrom. die arterielle hypertonie und die adipositas würden im rahmen des metabolischen syndroms ernst zu nehmende risikofaktoren für kardiovaskuläre ereignisse darstellen. zur primärprophylaxe kardialer ereignisse und zur behandlung der arteriellen hypertonie sei daher eine gewichtsabnahme zwingend erforderlich. das schlafapnoesyndrom sei dabei ein zusätzlicher risikofaktor für herz-kreislauf-erkrankungen und schränke die leistungsfähigkeit des patienten zusätzlich weiter ein. der kläger habe verschiedene diäten in eigenregie durchgeführt. in der sprechstunde habe er eine besondere motivation zur langfristigen lebensänderung gezeigt. schon jetzt betreibe er regelmäßig sport in einem fitnessstudio und setze die vorgaben der ernährungsberatung um. zusätzlich habe er von märz 2012 bis september 2012 eine strukturierte ernährungsberatung durchgeführt. auch nach dem abschluss der ernährungsberatung habe der kläger die erlernten maßnahmen weiterhin umgesetzt. leider hätte auch diese lebensstiländerung nicht zu einem signifikanten gewichtsverlust geführt. nach überprüfung der erhobenen befunde werde entsprechend den europäischen leitlinien für die interdisziplinäre behandlung der adipositas durch chirurgische maßnahmen und die aktuelle s3- leitlinie "chirurgie der adipositas" bei dem kläger eine indikation für die bariatrische magenbypass-operation gestellt. wie in mehreren langzeitstudien belegt, könne es nur noch mit einem adipositas-chirurgischen eingriff zu einer nennenswerten und vor allem dauerhaften gewichtsreduktion kommen. der kläger kenne die postoperativen anforderungen und sei hoch motiviert, die geänderten lebens- und ernährungsgewohnheiten beizubehalten. kontraindikationen würden nicht vorliegen. 5die beklagte übersandte dem kläger sodann einen fragebogen. in diesem gab der kläger unter anderem an, dass er als bewegungstherapien bisher reha-sport durchgeführt habe und im fitnessstudio gewesen sei. derzeit würde er aus beruflichen gründen keine körperliche aktivität ausüben. in psychiatrischer/psychotherapeutischer behandlung befinde sich der kläger nicht. 6des weiteren holte die beklagte eine sozialmedizinische stellungnahme des medizinischen dienstes der krankenversicherung (mdk) ein. in ihrem sozialmedizinischen gutachten vom 07.05.2013 kommt frau u. sch. zu dem ergebnis, dass die medizinischen voraussetzungen für eine leistungsgewährung nicht erfüllt seien. der kläger leider unbestritten an einer dringend behandlungsbedürftigen adipositas grad iii. es sei auch bereits zur manifestation von adipositasassoziierten begleiterkrankungen, wozu die arterielle hypertonie und das schlafapnoesyndrom zu zählen seien, gekommen. bei der beantragten operation sei nach der rechtsprechung des bundessozialgerichts im vorfeld zu überprüfen, ob sämtliche konservativen therapiemöglichkeiten zur gewichtsreduktion bereits erfolglos ausgeschöpft worden sind. auch den aktuellen s3-leitlinien der fachgesellschaften zufolge bestehe die primäre behandlung der adipositas in einem multimodalen, konservativen therapieprogramm. diese setzen sich zusammen aus den bausteinen ernährungs-, bewegungs- und verhaltenstherapie. diese maßnahmen sollten optimaler weise koordiniert aufeinander abgestimmt durchgeführt werden über einen zeitraum von mindestens sechs monaten. zwar habe der kläger die geforderte ernährungstherapie über den mindestzeitraum von sechs monaten durchgeführt. nach eigenem bekunden führe der kläger derzeit aber aufgrund beruflicher inanspruchnahme keinerlei körperliche aktivitäten durch. gerade die bewegungstherapie stelle aber einen maßgeblichen baustein der multimodalen therapie dar, auf die nicht verzichtet werden könne. lediglich auf die durchführung einer verhaltenstherapie zur verhaltensmodifikation könne im einzelfall verzichtet werden. aufgrund dessen könne die durchführung der operation nicht empfohlen werden. 7daraufhin lehnte die beklagte mit bescheid vom 17.05.2013 die kostenübernahme für eine magenbypass-operation ab. 8gegen diesen bescheid legte der kläger mit schreiben vom 04.06.2013 widerspruch ein. zur begründung führte er an, dass das gutachten des mdk lediglich nach aktenlage erstellt worden sei und in keinster weise die bereits vorhandenen gesundheitlichen beeinträchtigungen berücksichtige. 9daraufhin holte die beklagte ein weiteres sozialmedizinisches gutachten des mdk ein. in seinem gutachten vom 26.06.2013 kommt dr. m. w. ebenfalls zu dem ergebnis, dass die medizinischen voraussetzungen für eine leistungsgewährung nicht erfüllt seien. zwar sei festzustellen, dass der kläger hinsichtlich seines bmi und der langjährig bestehenden adipositas die in der s3-leitlinie geforderten einschlusskriterien für den eingriff erfülle. kontraindikationen, insbesondere von seiten des psychiatrischen fachgebietes sowie auch internistischerseits im sinne einer sekundären adipositas würden gemäß dem bericht des universitätsklinikums aachen auch nicht vorliegen. die voraussetzungen eines multimodalen behandlungskonzeptes seien jedoch nicht erfüllt, da der kläger aus beruflichen gründen derzeit keine körperliche aktivität ausübe. solange dies nicht zeitgleich mit einer entsprechenden ernährungstherapie erfolgt ist, sei kein multimodales behandlungskonzept erfolgt und es könne somit letztlich gemäß der rechtsprechung des bundessozialgerichts und der s3-leitlinie nicht von einer ausschöpfung der konservativen behandlungsmöglichkeiten gesprochen werden. aufgrund dessen sei auch die notwendigkeit einer körperlichen untersuchung nicht gegeben. 10mit widerspruchsbescheid vom 25.09.2013 wies die beklagte den widerspruch des klägers unter verweis auf die begründung des mdk zurück. 11mit der klage verfolgt der kläger sein begehren weiter. ergänzend trägt er vor, dass die darstellung der beklagten, dass er nicht alle konventionellen maßnahmen zu gewichtsreduktion ausgeschöpft habe, aufgrund ungenauer recherche basiere. in der zeit vom 15.06.2009 bis zum 06.07.2009 sei er in der klinik hellbachtal in m. zur rehabilitation gewesen. bei der abschlussuntersuchung habe ihm der leitende arzt für die anschlussbehandlung physiotherapie sowie sport- und bewegungstherapie bewilligt. der rentenversicherungsträger habe die kosten für 24 × 90 bis 120 minuten im rahmen des "irena"-programms bewilligt. die rehabilitationsnachsorge sei im therapie-center in m. durchgeführt worden. schließlich habe er sich in einem fitnessstudio angemeldet, in dem auch reha sport angeboten werde. die mitgliedschaft habe vom 01.04.2010 bis zum 31.03.2012 gedauert. die gewünschte gewichtsreduktion habe nicht erreicht werden können. da alle versuche zur dauerhaften gewichtsabnahme gescheitert seien, erscheine ihm die magenbypass-operation als ultima ratio unverzichtbar. 12der kläger beantragt, 13den bescheid der beklagten vom 17.05.2013 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 25.09.2013 aufzuheben und die beklagte zu verurteilen, die kosten für eine magenbypass-operation zu übernehmen. 14die beklagte beantragt, 15die klage abzuweisen. 16die beklagte verbleibt ebenfalls bei ihrer auffassung. 17ergänzend trägt sie vor, dass weder die bewilligung von leistungen zur intensivierten rehabilitationsnachsorge (irena) noch die mitgliedschaft in einem fitnessstudio die tatsächliche durchführung einer bewegungstherapie implizieren würden. im übrigen habe der kläger angegeben, dass körperliche aktivitäten aus beruflichen gründen nicht durchgeführt würden. 18das gericht hat zunächst einen befundbericht von dem den kläger behandelnden arzt eingeholt. 19dr. p., arzt für allgemeinmedizin und naturheilverfahren hat in seinem schreiben vom 03.04.2014 unter anderem berichtet, dass durch walken und schwimmen keine wesentliche gewichtsreduktion erfolgt sei, jedoch insbesondere durch das laufen die orthopädischen leiden zugenommen hätten. es seien häufiger lumbago und lumboischialgien eingetreten sowie die gonarthrose aktiviert worden. gewichtbedingt und schmerzbedingt habe der kläger nur eine geringe ausdauer und leistungsspanne. er erreiche erst gar nicht die erforderliche zeit, um eine fettverbrennung zu ermöglichen. weitere konservative maßnahmen der gewichtsreduktion halte er nicht für erfolg versprechend. die durchführung der begehrten magenbypass-operation halte er für indiziert. 20sodann hat das gericht beweis erhoben durch einholung eines sachverständigengutachtens. 21die sachverständige dr. j. g.-l., ärztin für innere medizin, sozialmedizin und ernährungsmedizin kommt in ihrem gutachten vom 27.08.2014 im wesentlichen zu dem folgenden ergebnis. 22der kläger leide an folgenden erkrankungen: 231. fortgeschrittenes degeneratives kniegelenksleiden beidseits 2. degeneratives lendenwirbelsäulenleiden 3. arterielle hypertonie 4. harnsäure- und fettstoffwechselstörung. 24mit großer wahrscheinlichkeit sei die arterielle hypertonie auf die adipositas permagna des klägers zurückzuführen, da er berichtet habe, bereits seit seiner kindheit übergewichtig zu sein und die erkrankung erst mitte der neunziger jahre aufgetreten sei. gegebenenfalls bestehe auch ein dementsprechender ursächlicher zusammenhang im hinblick auf die stoffwechselstörungen. mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit sei darüber hinaus das fortgeschrittene degenerative kniegelenksleiden ebenfalls auf das jahrzehntelang bestehende erhebliche übergewicht des klägers zurückzuführen. das aktuelle körperliche gewicht liege unbekleidet bei 158 kg, bei einer größe von 176 cm. der bmi betrage 51. weder das degenerative kniegelenksleiden noch das degenerative wirbelsäulenleiden würden derzeit therapiert. der kläger habe berichtet, dass die behandelnden orthopäden im jahr 2012 darauf hingewiesen haben, dass aufgrund des erheblichen übergewichtes keine erfolg versprechende therapie mehr möglich sei. es sei bereits zu diesem zeitpunkt darauf hingewiesen worden, dass mit großer wahrscheinlichkeit ein künstlicher gelenksersatz notwendig sein werde, dass aus diesem grunde aber zunächst eine nachhaltige gewichtsreduktion stattfinden müsse, damit die operation auch aussicht auf erfolg zeige. im jahre 2012 habe er 6 monate lang an einer ernährungsberatung bei einer diplom-ökotrophologin teilgenommen. er habe 4 kg bis 5 kg gewicht abgenommen, obwohl er gleichzeitig 2 jahre lang mitglied eines fitnessstudios gewesen sei, was er dreimal wöchentlich besucht habe. bewegen tue er sich wenig, dies insbesondere aufgrund seins kniegelenksleidens. unter berücksichtigung des verlaufes des übergewichtes sowie der konservativen therapiemaßnahmen würden aus sicht der sachverständigen weitere konservative maßnahmen keine aussicht auf erfolg bieten. dabei komme insbesondere hinzu, dass unter berücksichtigung des fortgeschrittenen kniegelenksleidens auch nicht genügend zeit für solche maßnahmen bestünden. es sei darauf hinzuweisen, dass das kniegelenksleiden derart ausgeprägt sei, dass bereits eine endgradige streckhemmung in beiden kniegelenken bestehe. unter berücksichtigung des ausmaßes der funktionsstörungen der kniegelenke sei im vorliegenden fall eine adäquate bewegungstherapie als wesentlicher baustein eines multimodalen therapieprogramms zur nachhaltigen gewichtsreduktion nicht mehr möglich, so dass auch aus diesem grunde unter berücksichtigung der dringend erforderlichen gewichtsreduktion konservative maßnahmen zur nachhaltigen gewichtsreduktion keine aussicht auf erfolg bieten würden. eine psychotherapeutische behandlung zur steuerung des essverhaltens halte sie für nicht erfolg versprechend, da nach ihrer auffassung keine nennenswerte essstörung vorliege. eine änderung des verhaltens des klägers nach dem eingriff sei anzunehmen, da allein die veränderten anatomischen verhältnisse nach einer magenverkleinerung die betroffenen zu einem anderen essverhalten nahezu zwingen würden. im vorliegenden fall liege eine indikation zur durchführung eines bariatrischen eingriffs vor. kontraindikationen würden nicht vorliegen. unter berücksichtigung des zeitdruckes zur nachhaltigen gewichtsreduktion im hinblick auf das fortgeschrittene degenerative kniegelenksleiden liege im vorliegenden fall aus ihrer sicht eine ultima ratio im hinblick auf den bariatrischen eingriff vor. ansonsten drohte eine weitere mobilitätseinschränkung des klägers mit dramatischen folgen insbesondere im hinblick auf seine erwerbstätigkeit. 25die beklagte hat die kostenübernahme weiterhin abgelehnt. zur begründung hat sie vorgetragen, dass die beschriebene kniegelenksarthrose keinen grundsätzlichen hinderungsgrund darstelle, da es ja nicht um sport im eigentlichen sinne, sondern um bewegung gehe. in diesem zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass bewegung und maßnahmen der physikalischen therapie auch grundpfeiler in der konservativen arthrosebehandlung seien. so komme beispielsweise aquajogging, fahrradfahren (kniebewegung ohne belastung) oder auch gymnastikmaßnahmen in betracht. dass der kläger der sachverständigen mitgeteilt habe, zeitgleich zur ernährungsberatung dreimal wöchentlich im fitnessstudio gewesen zu sein, müsse bis zum beweis des gegenteils in abrede gestellt werden. im übrigen sei zwar eine primäre op-indikation in den s3-leitlinien "chirurgie der adipositas" und "prävention und therapie der adipositas" enthalten. sie beruhe aber nicht auf einem konsentierten votum. zudem verweise die beklagte auf das urteil des landessozialgerichts baden-württemberg vom 01.03.2011 (l 11 kr 3560/09). 26der kläger hat hierauf vorgetragen, dass er im hinblick auf den umfang des trainings im fitness-studio keine unterlagen beibringen könne, da nach rücksprache mit diesem durch eine computerumstellung alle alten daten gelöscht worden seien. 27des weiteren hat der kläger im termin zur mündlichen verhandlung vorgetragen, dass er aktuell 156,8 kg wiege. er habe in diesem jahr noch eine kombinierte bewegungs- und ernährungstherapie durchgeführt. er sei auch weiterhin im fitnessstudio angemeldet und nehme dort am zirkeltraining teil. zudem trainiere er auf dem ergo-trainer, was trotz der knieprobleme gut funktioniere. es sei aber kein großer erfolg gewesen. das problem sei, dass er aufgrund seiner hypertonie ein medikament einnehme, das den puls senke. dies führe dazu, dass er vom puls her gar nicht in den bereich komme, um fett zu verbrennen. sein arzt habe ihm jedoch gesagt, dass das medikament nicht abgesetzt werden könne. 28wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte sowie den der beigezogenen verwaltungsakte der beklagten verwiesen. 29 | 30die kombinierte anfechtungs- und leistungsklage nach § 54 abs. 1 und abs. 4 sozialgerichtsgesetz – sgg – ist zulässig und begründet. der kläger ist beschwert im sinne des § 54 abs. 2 satz 1 sgg, da der bescheid der beklagten vom 17.05.2013 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 25.09.2013 rechtswidrig ist. der bescheid war somit aufzuheben und die beklagte zur übernahme der kosten für die magenbypass-operation zu verurteilen. 31der kläger hat einen anspruch gegen die beklagte auf übernahme der kosten für die begehrte magenbypass-operation. 32gemäß § 27 abs. 1 satz 1 sozialgesetzbuch fünftes buch – sgb v – haben versicherte anspruch auf krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre verschlimmerung zu verhüten oder krankheitsbeschwerden zu lindern. nach § 27 abs. 1 satz 2 sgb v umfasst die krankenbehandlung unter anderem die ärztliche behandlung (nr. 1) sowie die krankenhausbehandlung (nr. 5). nach § 39 abs. 2 sgb v haben versicherte anspruch auf vollstationäre behandlung in einem zugelassenen krankenhaus, wenn die aufnahme nach prüfung durch das krankenhaus erforderlich ist, weil das behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante behandlung einschließlich häuslicher krankenpflege erreicht werden kann. der anspruch eines versicherten auf behandlung nach § 27 abs. 1 satz 2 nr. 5 sgb v unterliegt den sich aus § 2 abs. 1 und § 12 abs. 1 sgb v ergebenden einschränkungen. er umfasst nur solche leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren qualität und wirksamkeit dem allgemein anerkannten stand der medizinischen erkenntnisse entsprechen (bsg, urteil vom 16.12.2008 - b 1 kr 11/08 r - juris). ein anspruch auf krankenhausbehandlung nach § 27 abs. 1 satz 1, § 39 abs. 1 satz 2 sgb v hängt mithin davon ab, dass die krankenhausbehandlung allein aus medizinischen gründen erforderlich ist (vgl. bsg, beschluss des großen senats vom 25.09.2007 - gs 1/06 - sozr 4-2500 § 39 nr. 10). die erforderlichkeit richtet sich allein nach den medizinischen erfordernissen (vgl. großer senat, aao). dabei kommt es auf die individuelle erforderlichkeit der krankenhausbehandlung im einzelfall an (vgl. bsg, urteil vom 16.12.2008 - b 1 kn 1/07 kr r - juris). 33die leistungspflicht der gesetzlichen krankenversicherung setzt somit nach § 27 abs. 1 satz 1 sgb v zunächst eine "krankheit" voraus. damit wird in der rechtsprechung ein regelwidriger, vom leitbild des gesunden menschen abweichender körper- oder geisteszustand umschrieben, der ärztlicher behandlung bedarf oder den betroffenen arbeitsunfähig macht. dabei kommt nicht jeder körperlichen unregelmäßigkeit krankheitswert im rechtssinne zu; die rechtsprechung hat diese grundvoraussetzung für die krankenversicherungsrechtliche leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine krankheit nur vorliegt, wenn der versicherte in seinen körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische abweichung entstellend wirkt (bsg, urteil vom 19.10.2004 – b 1 kr 3/03 – mwn - juris). 34der kläger leidet an einer adipositas grad iii. hierbei handelt es sich um eine krankheit im sinne des § 27 abs. 1 satz 1 sgb v. erfordert die adipositas eine ärztliche behandlung, so belegt das zugleich die regelwidrigkeit des bestehenden zustandes und damit das vorliegen einer krankheit im krankenversicherungsrechtlichen sinne (bsg, urteil vom 19.02.2003 – b 1 kr 1/02 r - juris). die adipositas des klägers erfordert eine ärztliche behandlung. dies haben sowohl die den kläger behandelnden ärzte als auch der mdk bestätigt. 35die magenbypass-operation ist im falle des klägers auch individuell medizinisch erforderlich. 36in der rechtsprechung wird im allgemeinen angenommen, dass behandlungs- maßnahmen, die in ein an sich gesundes organ eingreifen, in der regel ausgeschlossen sind. für chirurgische maßnahmen, mit denen in ein funktionell intaktes organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert wird, wie das bei bariatrischen operationen der fall ist, bedarf die mittelbare behandlung einer speziellen rechtfertigung, wobei die art und schwere der erkrankung, die dringlichkeit der intervention, die risiken und der zu erwartende nutzen der therapie sowie etwaige folgekosten für die krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (bsg, urteil vom 19.02.2003 – b 1 kr 1/02 r, aao). da das behandlungsziel einer gewichtsreduktion auf verschiedenen wegen erreicht werden kann, kommt somit eine solche chirurgische maßnahme unter berücksichtigung der leitlinien der fachgesellschaften nur als ultima ratio und nur bei patienten in betracht, die eine reihe von bedingungen für eine erfolgreiche behandlung erfüllen (bmi )=40 oder )=35 mit erheblichen begleiterkrankungen; erschöpfung konservativer behandlungsmöglichkeiten; tolerables operationsrisiko; ausreichende motivation, keine manifeste psychiatrische erkrankung; möglichkeit einer lebenslangen medizinischen nachbetreuung ua; bsg, urteil vom 19.02.2003, aao). 37ausgehend von diesen kriterien steht zur überzeugung der kammer aufgrund der umstände der adipositaserkrankung des klägers fest, dass diese voraussetzungen für die verschaffung der magenbypass-operation durch die beklagte erfüllt sind. 38zum zeitpunkt der mündlichen verhandlung hatte der kläger ein gewicht von 156,8 kg, bei einer größe von 176 cm (laut sachverständigengutachten). unter anwendung der formel bmi = körpermasse in kilogramm./. körpergröße in metern zum quadrat (quelle: wikipedia), ergibt dies einen bmi von 50. unter zugrundelegung der in abschnitt 3.2 indikation der s3-leitlinie "chirurgie der adipositas" (stand juni 2010) - auf die das bundessozialgericht zurückgreift und auf welche auch die beklagte abstellt – genannten voraussetzungen, ist zunächst festzustellen, dass der bmi des klägers deutlich über den genannten werten von 35 und 40 liegt. hinzu kommen mehrere, erhebliche folge- und begleiterkrankungen, an denen der kläger leidet. insofern hat die sachverständige festgestellt, dass der kläger an einem fortgeschrittenen degenerativen kniegelenksleiden beidseits, einem degenerativen lendenwirbelsäulenleiden, arterieller hypertonie sowie einer harnsäure- und fettstoffwechselstörung leide. mit großer wahrscheinlichkeit sei die arterielle hypertonie auf die adipositas permagna des klägers zurückzuführen. gegebenenfalls bestehe auch ein dementsprechender ursächlicher zusammenhang im hinblick auf die stoffwechselstörungen. mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit sei darüber hinaus das fortgeschrittene degenerative kniegelenksleiden ebenfalls auf das jahrzehntelang bestehende erhebliche übergewicht des klägers zurückzuführen. 39ein tolerables operationsrisiko liegt vor, da von seiten aller ärzte (auch des mdk) keine kontraindikationen vorliegen. eine manifeste psychiatrische behandlung liegt bei dem kläger nicht vor. die möglichkeit einer lebenslangen medizinischen nachbetreuung ist von den ärzten der universitätsklinik aachen bestätigt worden, ebenso eine ausreichende motivation. das vorliegen dieser erfordernisse ist von der beklagten auch nicht bestritten worden. 40soweit die beklage die übernahme der kosten für die magenbypass-operation ausschließlich mit der begründung ablehnt, dass der kläger nicht zeitgleich eine ernährungs- und bewegungstherapie durchgeführt und damit die konservativen therapien nicht ausgeschöpft habe, so kann dem nicht gefolgt werden. 41zum einen hat der kläger noch während des laufenden klageverfahrens im jahre 2015 eine sechsmonatige ernährungs- und bewegungstherapie durchgeführt. dies ist von der beklagten in keinster weise berücksichtigt worden. 42darüber hinaus ist aber nach überzeugung der kammer im falle des klägers ein ausschöpfen der konservativen therapie im sinne einer ernährungs- und bewegungstherapie auch nicht erforderlich, da die chirurgische therapie nicht aufgeschoben werden kann und konservative therapien keine aussicht auf erfolg haben. 43in abschnitt 3.2 unterpunkt 4 primäre indikation der s3-leitlinie "chirurgie der adipositas" heißt es wie folgt: 44"lassen art und/oder schwere der krankheit bzw. psychosoziale gegebenheiten bei erwachsenen annehmen, dass eine chirurgische therapie nicht aufgeschoben werden kann oder die konservative therapie ohne aussicht auf erfolg ist, kann in ausnahmefällen auch primär eine chirurgische therapie durchgeführt werden; die indikation hierzu ist durch einen in der adipositastherapie qualifizierten arzt und einen bariatrischen chirurgen gemeinsam zu stellen. damit hat die leitlinienkommission ein weiteres beurteilungskriterium nach eingehender diskussion präzisierend in die neuen leitlinien aufgenommen, nämlich den begriff der geringen erfolgsaussicht der konservativen therapie." 45des weiteren ist in der s3-leitlinie "prävention und therapie der adipositas" (stand 2014) in abschnitt 5.4.7 chirurgische therapie unter 5.45 die folgende empfehlung enthalten: 46"eine chirurgische therapie kann auch primär ohne eine präoperative konservative therapie durchgeführt werden, wenn die konservative therapie ohne aussicht auf erfolg ist oder der gesundheitszustand des patienten keinen aufschub eines operativen eingriffs zur besserung durch gewichtsreduktion erlaube. dies ist unter folgenden umständen gegeben: - besondere schwere von begleit- und folgekrankheiten der adipositas - bmi ) 50 kg/m - persönliche psychosoziale umstände, die keinen erfolg einer lebensstiländerung in aussicht stellen." 47unter zugrundelegung dieser empfehlungen steht zur überzeugung der kammer fest, dass im falle des klägers eine chirurgische therapie primär indiziert ist. 48der kläger hat einen bmi von 50. eine besondere schwere von begleit- und folgekrankheiten der adipositas des klägers ist ebenfalls gegeben, da bei dem kläger nach den feststellungen der sachverständigen insbesondere auch ein fortgeschrittenes kniegelenksleiden besteht, welches derart ausgeprägt ist, dass bereits eine endgradige streckhemmung in beiden kniegelenken besteht. hinzu kommen die arterielle hypertonie sowie eine harnsäure- und fettstoffwechselstörung, die ebenfalls sehr wahrscheinlich auf die adipositas des klägers zurückzuführen sind. nach den überzeugenden feststellungen der sachverständigen haben im falle des klägers konservative maßnahmen zur nachhaltigen gewichtsreduktion keine aussicht auf erfolg. insofern hat die sachverständige ausgeführt, dass aufgrund des ausmaßes der funktionsstörungen der kniegelenke eine adäquate bewegungstherapie als wesentlicher baustein eines multimodalen therapieprogramms zur nachhaltigen gewichtsreduktion nicht mehr möglich sei. im übrigen bestünde unter berücksichtigung des fortgeschrittenen kniegelenksleidens auch nicht genügend zeit für solche maßnahmen. eine gewichtsreduktion sei dringend erforderlich. unter berücksichtigung des zeitdruckes zur nachhaltigen gewichtsreduktion im hinblick auf das fortgeschrittene degenerative kniegelenksleiden liege im vorliegenden fall aus sicht der sachverständigen eine ultima ratio im hinblick auf den bariatrischen eingriff vor. eine notwendigkeit der begehrten magenbypass-operation haben schließlich sowohl dr. p. als auch die chirurgen der universitätsklinik aachen bestätigt. 49aufgrund dieser beurteilungen steht somit für die kammer fest, dass im falle des klägers die konservative therapie ohne aussicht auf erfolg ist und sein gesundheitszustand keinen aufschub eines operativen eingriffs erlaubt. 50einwendungen, dass die voraussetzungen der empfehlungen der s3-leitlinien für eine primäre chirurgische therapie im falle des klägers nicht vorliegen, sind von der beklagten nicht vorgebracht worden. die beklagte hat eine entsprechende umfassende einzelfallprüfung im hinblick auf den kläger, trotz anregung des gerichts, nicht vorgenommen. 51der alleinige, konkret auf den kläger bezogene einwand der beklagten, dass der kläger im hinblick auf das kniegelenksleiden aquajogging, aquagymnastik oder knieschonendes fahrradfahren machen könne, führt zu keinem anderen ergebnis, da bereits allein die dringlichkeit der chirurgischen therapie, welche die sachverständige festgestellt hat, für die annahme einer primären indikation ausreicht. 52im übrigen steht zur überzeugung der kammer aufgrund der ausführungen der sachverständigen fest, dass auch eine etwaige knieschonende bewegungstherapie im falle des klägers keine aussicht auf erfolg hat. insofern ist zu berücksichtigen, dass der kläger bereits seit der kindheit an adipositas leidet. er hat verschiedene diäten in eigenregie durchgeführt. im jahre 2012 hat er unstreitig an einer ernährungstherapie teilgenommen. darüber hinaus hat er nachgewiesen, dass er in der zeit von 2010 bis 2012 mitglied in einem fitnessstudio gewesen ist. des weiteren hat er in diesem jahr an einer weiteren ernährungstherapie teilgenommen und sich erneut in einem fitnessstudio angemeldet. aufgrund des persönlichen eindrucks der kammer in der mündlichen verhandlung bestehen auch keine anhaltspunkte dem kläger nicht zu glauben, dass er in den fitness-studios trainiert hat bzw. trainiert und sich – wenn auch erfolglos – um eine gewichtsreduktion bemüht hat. auch der den kläger behandelnde arzt dr. p. hat in seinem befundbericht ausgeführt, dass durch walken und schwimmen keine wesentliche gewichtsreduktion bei dem kläger erfolgt sei, jedoch insbesondere durch das laufen die orthopädischen leiden zugenommen hätten. es seien häufiger lumbago und lumboischialgien eingetreten sowie die gonarthrose aktiviert worden. gewichtbedingt und schmerzbedingt habe der kläger nur eine geringe ausdauer und leistungsspanne. er erreiche erst gar nicht die erforderliche zeit, um eine fettverbrennung zu ermöglichen. weitere konservative maßnahmen der gewichtsreduktion halte er somit nicht für erfolg versprechend. ferner ergibt sich aus dem schreiben des universitätsklinikums aachen, klinik für allgemein-, visceral- und transplantationschirurgie vom 28.01.2013, dass der kläger auch an einem schlafapnoesyndrom leide, das seine leistungsfähigkeit einschränke. schließlich hat der kläger unbestritten vorgetragen, dass er aufgrund seiner hypertonie ein medikament einnehme, das den puls senke. dies führe dazu, dass er vom puls her gar nicht in den bereich komme, um fett zu verbrennen. sein arzt habe ihm zudem gesagt, dass das medikament nicht abgesetzt werden könne. 53in diesem zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass die erfolgsaussichten einer rein konservativen therapie mit dem ausmaß der adipositas in einer wechselbeziehung stehen. somit sind daher bei einer vergleichsweise geringen adipositas an die durchführung einer vorherigen konservativen therapie strenge anforderungen zu stellen. je höher aber der bmi ist, desto schwieriger wird es erfahrungsgemäß, alleine durch eine umstellung der ernährung, bewegungs- und psychotherapie sowie sonstige konservative maßnahmen eine ausreichende gewichtsreduktion in angemessener zeit zu bewerkstelligen. daher ist es angemessen, wenigstens in den sonderfällen, in denen der bmi im oberen bereich liegt und den wert von 40 deutlich überschreitet, eine magenverkleinerungsoperation krankenversicherungsrechtlich auch dann zu bewilligen, wenn die hinreichend glaubhaften und ernsthaften eigeninitiativen bemühungen des versicherten zur gewichtsreduktion nicht den strengen vorgaben zu einem sechs- bis zwölfmonatigen multimodalen und ärztlich geleiteten bzw. überwachten therapiekonzept entsprechen (vgl. lsg hessen, urteil vom 20.06.2013 – l 8 kr 91/10 - juris; sg mannheim, urteil vom 17.01.2013 – s 9 kr 491/12 - juris). 54gestützt wird dies insbesondere auch durch die ausführungen in der s3-leitlinie "chirurgie der adipositas" in abschnitt 3.2 indikation unter bezugnahme auf die durchgeführten studien. 55so heißt es dort: 56"insbesondere schwer adipöse patienten weisen häufiger gewichtsbedingte körperliche einschränkungen auf, welche ihnen nur eine eingeschränkte oder gar keine teilnahme an bewegungsprogrammen erlauben. gehsportarten sind bei vorbestehenden degenerativen schäden an den tragenden gelenken häufig kontraindiziert, und radfahren ist wegen hohen satteldrucks, balanceproblemen und sturzgefahr nur eingeschränkt praktizierbar. schwimmen ist aus schamgefühl nicht immer durchführbar" (seite 13 f.). 57"die entscheidung für einen bariatrischen eingriff gründet sich auf dem individuellen risiko-nutzen-verhältnis (.). deshalb wurde in der vergangenheit insbesondere von den kostenträgern gefordert, vor einer entscheidung zur operation intensive, ärztlich begleitete gewichtsreduktionsversuche zu unternehmen. dieses vorgehen ist bei hochgradiger adipositas – zumindest für nicht strukturierte und nicht dauerhaft konzipierte gewichtsreduktionsversuche – aus klinisch-wissenschaftlicher sicht nicht gerechtfertigt wegen der geringen erfolgsaussichten. zudem ist die akzeptanz z. b. einer bewegungstherapie aufgrund der sekundärkomplikationen (hier gonarthrose) häufig eingeschränkt, und gelegentlich ist wegen eines hohen risikoprofils ein schneller therapieerfolg das prioritäre ziel" (seite 13). 58der einwand der beklagten, dass die frage einer primären op-indikation inhaltlich kontrovers diskutiert werde und, wenn auch in der leitlinie enthalten, nicht auf einem konsentierten votum beruhe, führt ebenfalls zu keinem anderen ergebnis. tatsache ist, dass die empfehlung einer primären chirurgischen indikation in die s3-leitlinien "chirurgie der adipositas" und "prävention und therapie der adipositas" aufgenommen wurden. auch wenn es sich bei dieser empfehlung nur um eine "kann-empfehlung" handelt, so bedeutet dies nach auffassung der kammer nicht, dass diese im einzelfall nicht zu berücksichtigen wäre. die leitlinien der arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen fachgesellschaften stellen eine systematisch entwickelte hilfe für ärzte zur entscheidungsfindung in spezifischen situationen dar (siehe: www.awmf.org/leitlinien.html, stand 04.11.2015; vgl. lsg hessen, aao). auch wenn diese rechtlich nicht bindend sind, geben sie doch wichtige entscheidungshilfen, zumal sie auf aktuellen wissenschaftlichen erkenntnissen und auf in der praxis bewährten verfahren beruhen. die klassifizierung als "s3-leitlinie" bringt zum ausdruck, dass diese auf der grundlage einer formellen oder systematischen evidenzrecherche erstellt wurde und alle elemente einer systematischen entwicklung (logik-, entscheidungs- und outcome-analyse, bewertung klinischer relevanz wissenschaftlicher studien und regelmäßige überprüfung) beinhaltet (siehe: awmf-regelwerk leitlinien unter www.awmf.org; vgl. lsg hessen, aao). auch das bundessozialgericht stellt im hinblick auf die medizinischen grundlagen auf die leitlinie der deutschen adipositas-gesellschaft ab (vgl. urteil vom 16.12.2008 – b 1 kr 2/08 r – juris; urteil vom 19.02.2003, aao). dass es sich in den konkreten fällen nicht mit der empfehlung zur primären chirurgischen indikation beschäftigen musste, heißt nicht, dass diese nicht auch anwendbar ist. 59schließlich greift auch der verweis der beklagten auf das urteil des landessozialgerichts baden-württemberg vom 01.03.2011 (l 11 kr 3560/09 - juris) nicht, weil sich das gericht im dortigen fall mit der primären indikation als ausnahmefall gar nicht beschäftigt hat. 60anhaltspunkte, dass die magenbypass-operation nicht zweckmäßig und wirtschaftlich sei und ihre qualität und wirksamkeit dem allgemein anerkannten stand der medizinischen erkenntnisse nicht entspreche (§§ 2 abs. 1, 12 abs. 1 sgb v), sind nicht ersichtlich und von der beklagten auch nicht vorgetragen worden. 61die kostenentscheidung beruht auf § 193 sgg. | Klaeger*in | 1 |
321,179 | 5 O 223/18 | 2019-06-25T00:00:00 | Urteil | Tenor 1.) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs VW Tiguan (Fahrzeugidentifikationsnummer: X durch die Beklagte resultieren. 2.) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 Euro freizustellen. 3.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 4.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. 5.) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Der Streitwert wird auf bis zu 20.000,- Euro festgesetzt. 1Tatbestand: 2Der Kläger begehrt die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung der Beklagten wegen Ausstattung des von ihm erworbenen Fahrzeuges mit dem Motortyp EA 189 (Abgasthematik). 3Der Kläger erwarb entsprechend der verbindlichen Bestellung vom 03.02.2015 bei der Firma H das aus dem Tenor ersichtliche Fahrzeug VW Tiguan zu einem Kaufpreis von 29.650,- Euro bei einem Kilometerstand von 26.235 km. Am Vortag der (letzten) mündlichen Verhandlung wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 102.543 km auf. 4Das Fahrzeug ist mit dem Motortyp EA 189 ausgestattet. 5Dieser Motortyp verfügt über eine Steuerungssoftware, welche erkennt, wenn das Fahrzeug den Fahrzyklus auf dem Prüfstand NEFZ durchfährt. Die Motorsoftware kennt zwei unterschiedliche Betriebsmodi. Im NOx-optimierten Modus 1, der im NEFZ aktiv ist, kommt es zu einer höheren Abgasrückführungsrate. Im Fahrbetrieb im Straßenverkehr ist praktisch immer der Modus 0 aktiv. 6Die Beklagte entwickelte ein Softwareupdate, nach welchem das Fahrzeug in einem adaptierten Modus 1 einheitlich betrieben werden soll. 7Die zuständige Behörde hat die technischen Maßnahmen für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp mit Bestätigung vom 01.06.2016 freigegeben. Die Freigabe beinhaltet Angaben zur Einhaltung der Grenzwerte und zur unveränderten Einhaltung der ursprünglichen Herstellerangaben. Das streitgegenständliche Fahrzeug ist nachgerüstet worden einschließlich Einbaus eines Schwingungsdämpfers. 8Die Beklagte lehnte außergerichtlich Ansprüche gegenüber den Prozessbevollmächtigten des Klägers ab. 9Das Softwareupdate wurde an dem streitgegenständlichen Fahrzeug durchgeführt. 10Der Kläger behauptet, der Motor der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeuges sei aufgrund der verwendeten Steuerungssoftware manipuliert und mangelhaft. Es könne aufgrund massiv erhöhter Emissionen nicht in die Euro-5-Norm gemäß der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Juni 2007 eingeordnet werden. Das Fahrzeug sei nicht zulassungsfähig. Der Rechtsmangel sei durch das Softwareupdate nicht behebbar. Die betroffenen Fahrzeuge unterlägen einem erheblichen Minderwert von mindestens 20%. Hätte er (der Kläger) von den Manipulationen gewusst, hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Grund für das Handeln der Beklagten (Markteinführung der betroffenen Fahrzeuge) sei Gewinnstreben und Profitgier. Ein Feststellungsinteresse gegeben, da nicht alle Schäden bezifferbar seien. Es drohten steuerliche Nachteile sowie Rechtsverfolgungskosten. Zudem sei zu erwarten, dass die Beklagte aufgrund eines Feststellungsurteils leisten werde. 11Der Kläger beantragt, 121.) festzustellen, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs VW Tiguan (Fahrzeugidentifiaktionsnummer: X) durch die Beklagtenpartei resultieren. 132.) Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.307,51 Euro freizustellen. 14Die Beklagte beantragt, 15die Klage abzuweisen. 16Die Beklagte behauptet, das Fahrzeug verfüge nicht über eine unzulässige Abschaltvorrichtung, da nicht die Wirksamkeit einer Abgasreinigungsanlage reduziert werde, sondern durch die Abgasrückrückführung in den Ansaugtrakt des Motors eine lediglich innermotorische Maßnahme stattfände. Es komme naturgemäß zu Abweichungen der Prüfung des Fahrzeuges im synthetischen Fahrzyklus unter Laborbedingungen zum normalen Straßenbetrieb. Auch bestehe keine Gefahr des Entzugs der Typengenehmigung aufgrund der Freigabe der Softwareupdates durch das KBA. Nach der Installation des Softwareupdates werde das Fahrzeug in einem adaptierten Modus 1 betrieben. Neben einer angepassten Abgasrückführungsrate werde das Brennverfahren im Hinblick auf die Einspritzcharakteristik, den Einspritzdruck und den Einspritzpunkt etc. verändert. Hierbei würden die Erkenntnisse aus der Weiterentwicklung des Diesel-Brennverfahrens der letzten zehn Jahre aufgegriffen und die Felderfahrung über die einzelnen Komponenten berücksichtigt. Der komplette Gemischbildungsprozess wie Einspritzstrategie, der Raildruck, der Einspritzzeitpunkt und der Aufladegrad seien angepasst worden, um die Emissionen uned den Verbrauch mit der angepassten Abgasrückführungsrate nicht zu beeinträchtigen. Die Einspritzcharakteristik sei unter anderem um eine zusätzliche Nacheinspritzung erweitert worden bei Erhöhung des Einspritzdrucks um ca. 10% im Teilbereich. 17Die Kosten für das Softwareupdate berechneten sich durchschnittlich für das streitgegenständliche Fahrzeug auf 35,- Euro netto. Der Aufwand sei bei Bereitstellung eines Ersatzfahrzeugs unverhältnismäßig gering im Vergleich zum Kaufpreis. Das Update ziehe keine negativen Auswirkungen auf Kraftstoffverbrauchswerte, Co²-Ausstoß, Emissionswerte, Motorleistung, Drehmoment und Geräuschemissionen nach sich. Mangels physischen Eingriffs in den Fahrzeugzustand sei eine Vergleichbarkeit mit der klassischen (Unfall-)Reparatur nicht gegeben. 18Eine Wertminderung des Fahrzeuges läge nicht vor. Preisschwankungen auf dem Gebrauchtwagenmarkt, welche außerhalb normaler Schwankungsbreite lägen, seien nicht zu verzeichnen. 19Eine echte Vergleichbarkeit mit der Sach- und Rechtslage in den USA sei nicht gegeben. Aus dem Sachverhalt sei keine sittenwidrige Handlung zu erkennen. Es fehle auch an Vorsatz von Personen, deren Kenntnis der Beklagten zuzurechnen wäre. Auch läge unter Heranziehung der Differenzhypothese auch bei normativer Korrektur kein Schaden vor. Der Verwaltungsakt des KBA entfalte keine Bindungswirkung hinsichtlich Tatsachenfeststellungen im hiesigen Verfahren (Vorliegen einer unzulässigen Abschaltvorrichtung). Im Hinblick auf § 826 BGB fehle es zudem an einer besonderen Verwerflichkeit. Die VO (EG) Nr. 715/2007 stelle allenfalls Verhaltensnormen mit allgemeinschützendem öffentlich rechtlichem Charakter auf. Ein Gebot der guten Sitten gerade im Verhältnis zur Klagepartei lasse sich der Verordnung nicht entnehmen. Die Maßstäbe des Bundesgerichtshofs zur Sittenwidrigkeit seien nicht erfüllt. Es fehle am voluntativen Element. Zudem fehle der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der (fiktiv) arglistigen Handlung und dem Vertragsschluss. 20Ein Feststellungsinteresse sei wegen Vorrangs der Leistungsklage nicht gegeben. 21Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und den gesamten Akteninhalt Bezug genommen. 22Entscheidungsgründe: 23Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Feststellungsinteresse gem. § 256 ZPO zu bejahen. Gem. § 256 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn dem Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das Feststellungsurteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl.: LG Krefeld, Urteil vom 04.10.2017, Az.: 2 O 19/17 m.w.N.). Da die Beklagte Ansprüche des Klägers zurückweist mit der Begründung, eine sittenwidrige Schädigung läge nicht vor, besteht die Gefahr, dass die Rechte des Klägers z.B. durch Eintritt der Verjährung vereitelt werden. Das Feststellungsinteresse fehlt auch nicht wegen Vorrangs der Leistungsklage. Grundsätzlich ist ein Gläubiger gehalten, bei Möglichkeit seinen Anspruch zu beziffern und im Wege der Leistungsklage vorrangig geltend zu machen. Dies gilt dann aber nicht, wenn er seine Klage in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufspalten müsste. Letzteres ist dann der Fall, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist (BGH, Urteil vom 19.04.2016, Az.: VI ZR 506/14). Eine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage besteht nicht. Auch wenn entsprechend dem Vortrag der Beklagten eine Bezifferung entstandener Schäden zum Zeitpunkt der Klageerhebung möglich gewesen sein dürfte, so neben dem klägerseits angekündigten Rückabwicklungsanspruch etwaige Verwendungen etc., erscheinen weitere Schäden, die derzeit noch nicht bezifferbar sind, hinreichend wahrscheinlich. Der Kläger beruft sich diesbezüglich explizit auf etwaige Steuerschäden und Rechtsverfolgungskosten. Auch ist an dieser Stelle zu berücksichtigen, dass die Rückabwicklung des Vertrages, wäre sie bereits beantragt, nicht abgeschlossen wäre und auch aus diesem Grunde weitere Schadenspositionen, je nach Ablauf der Rückabwicklung und Dauer bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung denkbar wären. 24Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch gem. § 826 BGB zu. 25Durch das Inverkehrbringen der mit dem Motor EA189 ausgestatteten Fahrzeuge ohne Offenlegung der eingebauten Software zum Modiwechsel im Prüfstand - so auch des streitgegenständlichen Fahrzeuges - hat die Beklagte dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Art und Weise vorsätzlich Schaden zugefügt (i.E. so auch: LG Paderborn, Urteil vom 07.04.2017, Az.: 2 O 118/16; LG Saarbrücken, Urteil vom 14.06.2017, Az.: 12 O 104/16). 26Die Hinzufügung eines Schadens bedeutet jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, die Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses oder die Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (Palandt/ Sprau, 75. Aufl., § 826, Rn. 3 mit jeweils w.N.). Durch das Inverkehrbringen der Fahrzeuge mit dem verbauten Motor EA189 und der inkludierten streitgegenständlichen Software hat die Beklagte, wie auch von ihr beabsichtigt, bewirkt, dass die Endverbraucher Fahrzeuge mit dem eingebauten Motortyp erwerben, obwohl dieser in deren Unkenntnis die streitgegenständliche Software aufweist. Der Abschluss eines solchen Kaufvertrages aber ist für den Kläger wie auch für weitere Endverbraucher eine nachteilige Einwirkung auf sein Vermögen. Denn der Kaufgegenstand entspricht nicht demjenigen, den sie nach dem Kaufvertrag erwerben sollte. Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung kann ein Käufer davon ausgehen, dass ein Fahrzeug die technischen Voraussetzungen für die Erteilung der jeweiligen EG-Typengenehmigung erfüllt, die vertragsgegenständlich war. Dahinstehen kann, inwieweit eine Bindungswirkung von Verwaltungsakten des Kraftfahrtbundesamtes besteht. Denn zumindest bestand für die Beklagte erkennbar die Gefahr einer entsprechenden rechtlichen Einordnung als „unzulässige Abschalteinrichtung“, welche geeignet ist, die Zulassungsvoraussetzungen / EG-Typengenehmigung sodann zumindest zu gefährden. Die Argumentation der Beklagten, es könne technisch nicht nachvollzogen werden, ob die Fahrzeuge ohne Softwareupdate nicht auch im normalen Fahrbetrieb die vorgegebenen Grenzwerte einhalten, weil dieser Modus technisch nicht auf dem Prüfstand zu aktivieren sei, überzeugt nicht. Unstreitig steht fest, dass in dem Prüfmodus eine weitaus höhere Abgasrückführung erfolgt, als im normalen Fahrbetrieb. Ohne substantiierten Vortrag der Beklagten muss allein aus logischen Erwägungen heraus davon ausgegangen werden, dass die Werte des Abgasausstoßes bei höherer Rückführungsrate geringer sind. Dass die Werte im Normalbetrieb die Grenzwerte einhalten, ist hinsichtlich des betriebenen Aufwandes durch Schaffung der beiden Modi substantiierungsbedürftig. Indes kann dies dahinstehen, da allein das Vorhandensein der seitens der Beklagten als „Umschaltlogik“ bezeichneten technischen Besonderheit die Gefahr der jetzt hinsichtlich des Kraftfahrtbundesamtes realisierten rechtlichen Einordnung als unzulässige Abschaltvorrichtung nach sich zieht. Auch muss berücksichtigt werden, dass die betroffenen Fahrzeuge auf dem Prüfstand – selbst bei Beachtung der seitens der Beklagten zu Recht angeführten Laborbedingungen für sämtliche geprüfte Fahrzeuge auch anderer Hersteller – veränderte Werte nicht nur wegen der künstlichen Umgebung, sondern zudem und zusätzlich wegen der „Umschaltlogik“ aufweisen. Dies lässt die betroffenen Fahrzeuge und so auch das streitgegenständliche im Vergleich zu anderen in künstlicher Umgebung getesteten Fahrzeugen Werte realisieren, die ohne die Umschaltlogik nicht erreicht worden wären. Insoweit wurde ein vergleichsfähiger Marktwertfaktor manipuliert, der durchaus von Käuferinteresse sein kann. Der durchschnittliche Käufer darf erwarten, dass die auf dem Prüfstand getesteten Werte bis auf den Umstand der Laborumgebung keine verändernden Faktoren erfahren haben und aus diesem Grund keine Gefahr für die Genehmigungsfähigkeit begründet wurde (vgl. hierzu auch: LG Saarbrücken, Urteil vom 14.06.2017, Az.: 12 O 104/16). Dass eine solche Gefahr realisiert wurde, zeigen die unstreitigen Entscheidungen des Kraftfahrtbundesamtes bzw. der weiteren zuständigen Behörden – unabhängig von der Frage der Bindungswirkung der erlassenen Verwaltungsakte. 27Dieser eingetretene Schaden ist auch nicht durch die Bereitstellung des Softwareupdate bzw. dessen Durchführung zu beseitigen. Eine Pflicht zur Durchführung konnte allein aus Schadensminderungsgesichtspunkten, § 254 Abs. 2 BGB, bestehen. Gem. § 254 Abs. 2 BGB ist der Geschädigte verpflichtet, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Dies in der Form, dass er keine Maßnahmen unterlassen darf, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergreifen würde, wobei der entscheidende Abgrenzungsmaßstab Treu und Glauben ist (vgl. Palandt/Grüneberg, 75. Aufl., § 254, Rn. 36 m.w.N.). Nach der technischen Darstellung der Beklagten selbst handelt es sich bei dem Softwareupdate um eine Maßnahme, die an mehreren Stellen in die Betriebsweise des Motors eingreift. So werde nicht nur die Abgasrückführungsrate erhöht, sondern gleichzeitig durch Veränderung des Einspritzmomentes und –drucks der Verbrennungsprozess selbst modifiziert, um erwarteten Nachteilen zu begegnen. Zudem hier durch Einbau eines Schwingungsdämpfers. Nach den eigenen Ausführungen der Beklagten seien hierbei die Erkenntnisse aus der Weiterentwicklung des Diesel-Brennverfahrens der letzten zehn Jahre aufgegriffen und die Felderfahrung über die einzelnen Komponenten berücksichtigt worden. Der komplette Gemischbildungsprozess wie Einspritzstrategie, der Raildruck, der Einspritzzeitpunkt und der Aufladegrad seien angepasst worden, um die Emissionen und den sachgerecht bzw. folgenfrei repariert wurde, um einen Minderwert des Fahrzeuges zu begründen. Es ist nicht erforderlich, dass die Realisierung einer schlechten Reparatur tatsächlich nachgewiesen wird. Der Charakter des Fahrzeuges als Unfallfahrzeug Verbrauch mit der angepassten Abgasrückführungsrate nicht zu beeinträchtigen. Die Einspritzcharakteristik sei unter anderem um eine zusätzliche Nacheinspritzung erweitert worden bei Erhöhung des Einspritzdrucks um ca. 10% im Teilbereich. Die angebotene Maßnahme stellt hiernach aus Sicht der Kammer eine Form von „aliud“ dar, das heißt, der vorhandene Mangel, welcher deliktsrechtlich nach obigen Ausführungen einen Schaden begründet, wird nicht lediglich beseitigt, vielmehr wird das Fahrzeug insgesamt verändert und stellt auch nach Durchführung des Updates nicht das vertraglich geschuldete Fahrzeug dar. Dieser Umstand der schuldrechtlichen Unmöglichkeit bewirkt im Deliktsrecht, dass dem Gläubiger eine Schadensminderung durch Durchführung des Updates nicht zugemutet werden konnte. Daneben ist das Update aus sich der Kammer nicht geeignet, den Schaden abzuwenden. Denn die Makelbehaftung des Fahrzeuges bleibt bestehen. Anders als bei einem einfachen schadhaften Bauteil, welches durch ein neues ausgetauscht werden kann, bedurfte es selbst nach dem Beklagtenvortrag der Nutzung des Wissens aus weiteren 10 Jahren Motorenentwicklung, um (so behauptet) trotz Einführung des adaptierten Modus im Fahrbetrieb keine Nachteile im Verbrauchsverhalten etc. zu erlangen. Ob diese technische Entwicklung unter dem vorhandenen Zeitdruck tatsächlich nachteilsfrei gelungen ist, ist hoch streitig. Da diese Diskussion entsprechend den zahlreich zitierten Quellen auch in der Öffentlichkeit geführt wird, genügt dieser Umstand, um eine „Makelbehaftung“ des Fahrzeuges, ähnlich der eines Unfallfahrzeuges annehmen zu können. Denn entsprechend dieser Rechtsprechung genügt der bloße Verdacht, dass ein Unfallschaden nicht hinreichend beseitigt wurde und lässt sich nicht korrigieren (vgl. insgesamt: BGH, Urteil vom 10.10.2007, Az.: VIII ZR 330/06). Vergleichbar ist der Fall hier gelagert. Der in der Öffentlichkeit diskutierte Verdacht, dass die Fahrzeuge des streitgegenständlichen Motortyps nach Durchführung des Softwareupdates Nachteile z.B. hinsichtlich der Geräuschentwicklung, des Verschleißes von Teilen oder im Verbrauch aufweisen könnten genügt, um eine Makelbehaftung zu bejahen (so im Ergebnis auch: LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, Az.: 3 O 139/16). 28Die Beklagte muss sich das Handeln ebenso wie das erforderliche voluntative Element gem. § 31 BGB zurechnen lassen. § 31 BGB gilt für alle juristischen Personen. Die Rechtsprechung legt den Begriff des verfassungsmäßig berufenen Vertreters weit aus. Ausreichend ist, dass ihm durch die allgemeinen Betriebsregelungen und Handhabungen bedeutsame wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und er die juristische Person insoweit repräsentiert. Der personelle Begriff deckt sich insoweit mit dem arbeitsrechtlichen des leitenden Angestellten (vgl. hierzu Palandt/ Ellenberger, 75. Aufl., § 31, Rn. 6 m.w.N.). Die Tatsache, dass der Motor EA 189 mit der modifizierenden Software millionenfach nach seiner Entwicklung in Verkehr gebracht wurde indiziert, dass sowohl die technische Entwicklung als auch die Inverkehrbringung durch Personen veranlasst worden sein muss, die die genannten Voraussetzungen einer eigenverantwortlich handelnden, repräsentierenden Person erfüllen. Bezüglich dieser Personen ist sodann auch das erforderliche voluntative Element der Schädigungsabsicht und des besonders verwerflichen Verhaltens (dazu unten) erfüllt. Substantiierter Gegenvortrag zu dieser Indizwirkung fehlt (vgl. LG Paderborn, unter Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO: Urteil vom 07.04.2017, Az.: 2 O 118/16; vgl. auch: LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, Az.: 3 O 139/16 zur sekundären Darlegungslast). 29Die Beklagte beruft sich darauf, dass die internen Ermittlungen nicht abgeschlossen seien. Aus diesem Umstand kann indes gefolgert werden, dass zumindest, sollte man sich dieser Wertung nicht anschließen, Organisationsmängel vorliegen, aufgrund derer die Beklagte sich so behandeln lassen muss, als ob anstelle von Verrichtungsgehilfen verfassungsmäßige Vertreter gehandelt hätten (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 08.07.1980, Az.: VI ZR 158/78). Denn eine juristische Person ist verpflichtet, den Gesamtbereich ihrer Tätigkeit so zu organisieren, dass für alle wichtigen Aufgabengebiete ein verfassungsmäßiger Vertreter zuständig ist, der die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft (vgl. Palandt a.a.O.). Auch die Heranziehung dieser Rechtsprechung bewirkt, dass das voluntative Element, selbst, sollte es bei Personen ohne Leitungskompetenz verwirklicht sein, aufgrund Organisationsverschuldens zugerechnet werden müsste. Denn anderenfalls könnte sich die juristische Person durch bewusste Fehlorganisation einer besonders schwerwiegenden Haftung gem. § 826 BGB entziehen, in anderen Fällen aber haftungsrechtlich belastet sein. Eine solche Differenzierung kann durch die Entwicklung der Rechtsprechung zum Organisationsverschulden nicht gewollt sein und ist auch nicht zu vertreten, da deren Sinn gerade ist, eine Haftungsentziehung durch Organisationsmängel zu vermeiden. Hilfsweise wäre abzustellen auf eine in jedem Fall anzunehmende sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der inneren Organisation – diese kann der Klägerseite nicht zugänglich sein. Ihre Darlegung ist zumutbar (vgl. hierzu ingesamt: LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, Az.: 3 O 139/16; a.A. wohl: OLG Stuttgart, Urteil vom 25.04.2017, Az.: 6 U 146/16). Sollte sie – entsprechend dem Beklagtenvortrag – nicht möglich sein, greifen die Ausführungen zu den Organisationsmängeln. Auch kann verwiesen werden auf die Rechtsprechung zur einer Pflicht zur ausreichenden Dokumentation und Informationsspeicherungspflicht (BGH, Urteil vom 02.02.1996, Az.: V ZR 239/94). 30Das Verhalten der Entwicklung und Inverkehrbringung des streitgegenständlichen Motortyps stellt eine vorsätzliche Schädigung dar, welche zugleich in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Art und Weise erfolgt ist. Den handelnden Personen war aufgrund der oben genannten Indizwirkung bekannt, dass der in Verkehr gebrachte Motor bei Aufdeckung der Abschaltlogik Gefahr liefe, die EG-Typengenehmigung zu verlieren. Aufgrund der Vielzahl der in Verkehr gebrachten Produkte und der Vielzahl der betroffenen Endverbraucher verstößt die Handlung gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (vgl. hierzu: Palandt/Sprau, 75. Aufl., § 826, Rn. 3 f.). Das Verhalten stellt sich als besonders verwerflich dar, da die Beklagte, ob aus Gewinnstreben, Wettbewerbsfähigkeit oder sonstigen unternehmerischen Erwägungen heraus ihre Interessen über die Interessen einer Vielzahl ihrer Endkunden gestellt hat und in Kauf genommen hat, dass diese in der oben aufgeführten Weise Schaden nehmen. Hilfsweise kommt hinzu, dass der Umweltaspekt aufgrund der Sensibilisierung der Verbraucher auch bereits zu dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht per se als allein öffentliches Interesse angesehen werden kann. Denn das öffentliche Interesse speist sich aus den Einzelinteressen der gesamten Bevölkerung. Die Verringerung des Ausstoßes von Stickstoffen ist u.a. in den streitgegenständlichen Zulassungsnormen geregelt. Indes kann hieraus nicht reduzierend geschlossen werden, dass ein allein umweltpolitisches Interesse verfolgt wird, welches das Verhalten dem Einzelnen gegenüber nicht als verwerflich ansehen ließe. Denn die genannten Normen erheben die Grenzwerte, um den Einzelnen in seinem Lebensumfeld zu schützen, wodurch die aufgestellten Werte Individualinteresse erlangen. Das vorgetragene Individualinteresse erscheint damit nicht unglaubhaft allein aus dem Umstand heraus, dass die betroffenen Normen öffentlich rechtlichen Charakter besitzen (wohl a.A: LG Braunschweig, Urteil vom 25.04.2017, Az.: 11 O 3993/16). 31Dass der Kläger aufgrund der Zwischenschaltung eines Händlers mittelbar geschädigt ist, schließt die Haftung der Beklagten nicht aus, da sich Bewusstsein und Wille des Schädigers wie dargestellt auch auf die jeweiligen Endverbraucher bezogen haben. Namentlich brauchen diese nicht bekannt zu sein (vgl. hierzu: Palandt/ Sprau, 75. Aufl., § 826, Rn. 12 m.w.N.). 32Grundsätzlich besteht bei einem gegebenen Anspruch gem. § 826 BGB auch Anspruch auf Erstattung der Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung. Der Erfolg vorgerichtlicher Verhandlungen ist ausgeblieben aufgrund der Ablehnung durch die Beklagte. Bei der Berechnung der Kosten ist eine 1,3 Gebühr angesetzt und erscheint angemessen. Der Umfang der Akten resultiert wesentlich aus der Existenz einer Vielzahl gleichartiger Verfahren und der entsprechenden auch öffentlichen Beleuchtung des Verfahrensstoffes. Hierdurch erschwert sich die Rechtslage indes nicht. Als Streitwert wurde unter Berücksichtigung einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 250.000 km und einem Aufschlag wegen weiterer möglicher Schäden (Steuernachteile etc.) und unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Fahrzeugnutzung seit Tätigwerden der Rechtsanwälte ein Streitwert und Gegenstandswert bis 20.000,- Euro zu angenommen. 33Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. 34Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. | 1.) es wird festgestellt, dass die beklagte verpflichtet ist, dem kläger schadensersatz zu leisten für schäden, die aus der manipulation des fahrzeugs vw tiguan (fahrzeugidentifikationsnummer: x durch die beklagte resultieren. 2.) die beklagte wird verurteilt, den kläger von den durch die beauftragung seiner prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen rechtsanwaltskosten in höhe von 1.171,67 euro freizustellen. 3.) im übrigen wird die klage abgewiesen. 4.) die kosten des rechtsstreits trägt die beklagte. 5.) das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. der streitwert wird auf bis zu 20.000,- euro festgesetzt. 1 | 2der kläger begehrt die feststellung einer schadensersatzverpflichtung der beklagten wegen ausstattung des von ihm erworbenen fahrzeuges mit dem motortyp ea 189 (abgasthematik). 3der kläger erwarb entsprechend der verbindlichen bestellung vom 03.02.2015 bei der firma h das aus dem tenor ersichtliche fahrzeug vw tiguan zu einem kaufpreis von 29.650,- euro bei einem kilometerstand von 26.235 km. am vortag der (letzten) mündlichen verhandlung wies das fahrzeug einen kilometerstand von 102.543 km auf. 4das fahrzeug ist mit dem motortyp ea 189 ausgestattet. 5dieser motortyp verfügt über eine steuerungssoftware, welche erkennt, wenn das fahrzeug den fahrzyklus auf dem prüfstand nefz durchfährt. die motorsoftware kennt zwei unterschiedliche betriebsmodi. im nox-optimierten modus 1, der im nefz aktiv ist, kommt es zu einer höheren abgasrückführungsrate. im fahrbetrieb im straßenverkehr ist praktisch immer der modus 0 aktiv. 6die beklagte entwickelte ein softwareupdate, nach welchem das fahrzeug in einem adaptierten modus 1 einheitlich betrieben werden soll. 7die zuständige behörde hat die technischen maßnahmen für den streitgegenständlichen fahrzeugtyp mit bestätigung vom 01.06.2016 freigegeben. die freigabe beinhaltet angaben zur einhaltung der grenzwerte und zur unveränderten einhaltung der ursprünglichen herstellerangaben. das streitgegenständliche fahrzeug ist nachgerüstet worden einschließlich einbaus eines schwingungsdämpfers. 8die beklagte lehnte außergerichtlich ansprüche gegenüber den prozessbevollmächtigten des klägers ab. 9das softwareupdate wurde an dem streitgegenständlichen fahrzeug durchgeführt. 10der kläger behauptet, der motor der motor des streitgegenständlichen fahrzeuges sei aufgrund der verwendeten steuerungssoftware manipuliert und mangelhaft. es könne aufgrund massiv erhöhter emissionen nicht in die euro-5-norm gemäß der verordnung (eg) nr. 715/2007 des europäischen parlamentes und des rates vom 20. juni 2007 eingeordnet werden. das fahrzeug sei nicht zulassungsfähig. der rechtsmangel sei durch das softwareupdate nicht behebbar. die betroffenen fahrzeuge unterlägen einem erheblichen minderwert von mindestens 20%. hätte er (der kläger) von den manipulationen gewusst, hätte er das fahrzeug nicht erworben. grund für das handeln der beklagten (markteinführung der betroffenen fahrzeuge) sei gewinnstreben und profitgier. ein feststellungsinteresse gegeben, da nicht alle schäden bezifferbar seien. es drohten steuerliche nachteile sowie rechtsverfolgungskosten. zudem sei zu erwarten, dass die beklagte aufgrund eines feststellungsurteils leisten werde. 11der kläger beantragt, 121.) festzustellen, dass die beklagtenpartei verpflichtet ist, der klägerpartei schadensersatz zu leisten für schäden, die aus der manipulation des fahrzeugs vw tiguan (fahrzeugidentifiaktionsnummer: x) durch die beklagtenpartei resultieren. 132.) die beklagte wird verurteilt, die klagepartei von den durch die beauftragung der prozessbevollmächtigten der klagepartei entstandenen vorgerichtlichen rechtsanwaltskosten in höhe von 1.307,51 euro freizustellen. 14die beklagte beantragt, 15die klage abzuweisen. 16die beklagte behauptet, das fahrzeug verfüge nicht über eine unzulässige abschaltvorrichtung, da nicht die wirksamkeit einer abgasreinigungsanlage reduziert werde, sondern durch die abgasrückrückführung in den ansaugtrakt des motors eine lediglich innermotorische maßnahme stattfände. es komme naturgemäß zu abweichungen der prüfung des fahrzeuges im synthetischen fahrzyklus unter laborbedingungen zum normalen straßenbetrieb. auch bestehe keine gefahr des entzugs der typengenehmigung aufgrund der freigabe der softwareupdates durch das kba. nach der installation des softwareupdates werde das fahrzeug in einem adaptierten modus 1 betrieben. neben einer angepassten abgasrückführungsrate werde das brennverfahren im hinblick auf die einspritzcharakteristik, den einspritzdruck und den einspritzpunkt etc. verändert. hierbei würden die erkenntnisse aus der weiterentwicklung des diesel-brennverfahrens der letzten zehn jahre aufgegriffen und die felderfahrung über die einzelnen komponenten berücksichtigt. der komplette gemischbildungsprozess wie einspritzstrategie, der raildruck, der einspritzzeitpunkt und der aufladegrad seien angepasst worden, um die emissionen uned den verbrauch mit der angepassten abgasrückführungsrate nicht zu beeinträchtigen. die einspritzcharakteristik sei unter anderem um eine zusätzliche nacheinspritzung erweitert worden bei erhöhung des einspritzdrucks um ca. 10% im teilbereich. 17die kosten für das softwareupdate berechneten sich durchschnittlich für das streitgegenständliche fahrzeug auf 35,- euro netto. der aufwand sei bei bereitstellung eines ersatzfahrzeugs unverhältnismäßig gering im vergleich zum kaufpreis. das update ziehe keine negativen auswirkungen auf kraftstoffverbrauchswerte, co²-ausstoß, emissionswerte, motorleistung, drehmoment und geräuschemissionen nach sich. mangels physischen eingriffs in den fahrzeugzustand sei eine vergleichbarkeit mit der klassischen (unfall-)reparatur nicht gegeben. 18eine wertminderung des fahrzeuges läge nicht vor. preisschwankungen auf dem gebrauchtwagenmarkt, welche außerhalb normaler schwankungsbreite lägen, seien nicht zu verzeichnen. 19eine echte vergleichbarkeit mit der sach- und rechtslage in den usa sei nicht gegeben. aus dem sachverhalt sei keine sittenwidrige handlung zu erkennen. es fehle auch an vorsatz von personen, deren kenntnis der beklagten zuzurechnen wäre. auch läge unter heranziehung der differenzhypothese auch bei normativer korrektur kein schaden vor. der verwaltungsakt des kba entfalte keine bindungswirkung hinsichtlich tatsachenfeststellungen im hiesigen verfahren (vorliegen einer unzulässigen abschaltvorrichtung). im hinblick auf § 826 bgb fehle es zudem an einer besonderen verwerflichkeit. die vo (eg) nr. 715/2007 stelle allenfalls verhaltensnormen mit allgemeinschützendem öffentlich rechtlichem charakter auf. ein gebot der guten sitten gerade im verhältnis zur klagepartei lasse sich der verordnung nicht entnehmen. die maßstäbe des bundesgerichtshofs zur sittenwidrigkeit seien nicht erfüllt. es fehle am voluntativen element. zudem fehle der rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der (fiktiv) arglistigen handlung und dem vertragsschluss. 20ein feststellungsinteresse sei wegen vorrangs der leistungsklage nicht gegeben. 21wegen des weiteren vorbringens der parteien wird auf den inhalt der gewechselten schriftsätze und den gesamten akteninhalt bezug genommen. 22 | 23die klage ist zulässig, insbesondere ist das feststellungsinteresse gem. § 256 zpo zu bejahen. gem. § 256 zpo kann klage auf feststellung des bestehens oder nichtbestehens eines rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der kläger ein rechtliches interesse daran hat, dass das rechtsverhältnis durch richterliche entscheidung alsbald festgestellt wird. dies ist in der regel dann anzunehmen, wenn dem recht des klägers eine gegenwärtige gefahr der unsicherheit droht und das feststellungsurteil geeignet ist, diese gefahr zu beseitigen (vgl.: lg krefeld, urteil vom 04.10.2017, az.: 2 o 19/17 m.w.n.). da die beklagte ansprüche des klägers zurückweist mit der begründung, eine sittenwidrige schädigung läge nicht vor, besteht die gefahr, dass die rechte des klägers z.b. durch eintritt der verjährung vereitelt werden. das feststellungsinteresse fehlt auch nicht wegen vorrangs der leistungsklage. grundsätzlich ist ein gläubiger gehalten, bei möglichkeit seinen anspruch zu beziffern und im wege der leistungsklage vorrangig geltend zu machen. dies gilt dann aber nicht, wenn er seine klage in eine leistungs- und in eine feststellungsklage aufspalten müsste. letzteres ist dann der fall, wenn bei klageerhebung ein teil des schadens schon entstanden, die entstehung weiteren schadens aber noch zu erwarten ist (bgh, urteil vom 19.04.2016, az.: vi zr 506/14). eine allgemeine subsidiarität der feststellungsklage besteht nicht. auch wenn entsprechend dem vortrag der beklagten eine bezifferung entstandener schäden zum zeitpunkt der klageerhebung möglich gewesen sein dürfte, so neben dem klägerseits angekündigten rückabwicklungsanspruch etwaige verwendungen etc., erscheinen weitere schäden, die derzeit noch nicht bezifferbar sind, hinreichend wahrscheinlich. der kläger beruft sich diesbezüglich explizit auf etwaige steuerschäden und rechtsverfolgungskosten. auch ist an dieser stelle zu berücksichtigen, dass die rückabwicklung des vertrages, wäre sie bereits beantragt, nicht abgeschlossen wäre und auch aus diesem grunde weitere schadenspositionen, je nach ablauf der rückabwicklung und dauer bis zu einer rechtskräftigen entscheidung denkbar wären. 24dem kläger steht ein schadensersatzanspruch gem. § 826 bgb zu. 25durch das inverkehrbringen der mit dem motor ea189 ausgestatteten fahrzeuge ohne offenlegung der eingebauten software zum modiwechsel im prüfstand - so auch des streitgegenständlichen fahrzeuges - hat die beklagte dem kläger in einer gegen die guten sitten verstoßenden art und weise vorsätzlich schaden zugefügt (i.e. so auch: lg paderborn, urteil vom 07.04.2017, az.: 2 o 118/16; lg saarbrücken, urteil vom 14.06.2017, az.: 12 o 104/16). 26die hinzufügung eines schadens bedeutet jede nachteilige einwirkung auf die vermögenslage, die beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten interesses oder die belastung mit einer ungewollten verpflichtung (palandt/ sprau, 75. aufl., § 826, rn. 3 mit jeweils w.n.). durch das inverkehrbringen der fahrzeuge mit dem verbauten motor ea189 und der inkludierten streitgegenständlichen software hat die beklagte, wie auch von ihr beabsichtigt, bewirkt, dass die endverbraucher fahrzeuge mit dem eingebauten motortyp erwerben, obwohl dieser in deren unkenntnis die streitgegenständliche software aufweist. der abschluss eines solchen kaufvertrages aber ist für den kläger wie auch für weitere endverbraucher eine nachteilige einwirkung auf sein vermögen. denn der kaufgegenstand entspricht nicht demjenigen, den sie nach dem kaufvertrag erwerben sollte. auch ohne ausdrückliche vereinbarung kann ein käufer davon ausgehen, dass ein fahrzeug die technischen voraussetzungen für die erteilung der jeweiligen eg-typengenehmigung erfüllt, die vertragsgegenständlich war. dahinstehen kann, inwieweit eine bindungswirkung von verwaltungsakten des kraftfahrtbundesamtes besteht. denn zumindest bestand für die beklagte erkennbar die gefahr einer entsprechenden rechtlichen einordnung als „unzulässige abschalteinrichtung“, welche geeignet ist, die zulassungsvoraussetzungen / eg-typengenehmigung sodann zumindest zu gefährden. die argumentation der beklagten, es könne technisch nicht nachvollzogen werden, ob die fahrzeuge ohne softwareupdate nicht auch im normalen fahrbetrieb die vorgegebenen grenzwerte einhalten, weil dieser modus technisch nicht auf dem prüfstand zu aktivieren sei, überzeugt nicht. unstreitig steht fest, dass in dem prüfmodus eine weitaus höhere abgasrückführung erfolgt, als im normalen fahrbetrieb. ohne substantiierten vortrag der beklagten muss allein aus logischen erwägungen heraus davon ausgegangen werden, dass die werte des abgasausstoßes bei höherer rückführungsrate geringer sind. dass die werte im normalbetrieb die grenzwerte einhalten, ist hinsichtlich des betriebenen aufwandes durch schaffung der beiden modi substantiierungsbedürftig. indes kann dies dahinstehen, da allein das vorhandensein der seitens der beklagten als „umschaltlogik“ bezeichneten technischen besonderheit die gefahr der jetzt hinsichtlich des kraftfahrtbundesamtes realisierten rechtlichen einordnung als unzulässige abschaltvorrichtung nach sich zieht. auch muss berücksichtigt werden, dass die betroffenen fahrzeuge auf dem prüfstand – selbst bei beachtung der seitens der beklagten zu recht angeführten laborbedingungen für sämtliche geprüfte fahrzeuge auch anderer hersteller – veränderte werte nicht nur wegen der künstlichen umgebung, sondern zudem und zusätzlich wegen der „umschaltlogik“ aufweisen. dies lässt die betroffenen fahrzeuge und so auch das streitgegenständliche im vergleich zu anderen in künstlicher umgebung getesteten fahrzeugen werte realisieren, die ohne die umschaltlogik nicht erreicht worden wären. insoweit wurde ein vergleichsfähiger marktwertfaktor manipuliert, der durchaus von käuferinteresse sein kann. der durchschnittliche käufer darf erwarten, dass die auf dem prüfstand getesteten werte bis auf den umstand der laborumgebung keine verändernden faktoren erfahren haben und aus diesem grund keine gefahr für die genehmigungsfähigkeit begründet wurde (vgl. hierzu auch: lg saarbrücken, urteil vom 14.06.2017, az.: 12 o 104/16). dass eine solche gefahr realisiert wurde, zeigen die unstreitigen entscheidungen des kraftfahrtbundesamtes bzw. der weiteren zuständigen behörden – unabhängig von der frage der bindungswirkung der erlassenen verwaltungsakte. 27dieser eingetretene schaden ist auch nicht durch die bereitstellung des softwareupdate bzw. dessen durchführung zu beseitigen. eine pflicht zur durchführung konnte allein aus schadensminderungsgesichtspunkten, § 254 abs. 2 bgb, bestehen. gem. § 254 abs. 2 bgb ist der geschädigte verpflichtet, den schaden abzuwenden oder zu mindern. dies in der form, dass er keine maßnahmen unterlassen darf, die ein ordentlicher und verständiger mensch zur schadensminderung ergreifen würde, wobei der entscheidende abgrenzungsmaßstab treu und glauben ist (vgl. palandt/grüneberg, 75. aufl., § 254, rn. 36 m.w.n.). nach der technischen darstellung der beklagten selbst handelt es sich bei dem softwareupdate um eine maßnahme, die an mehreren stellen in die betriebsweise des motors eingreift. so werde nicht nur die abgasrückführungsrate erhöht, sondern gleichzeitig durch veränderung des einspritzmomentes und –drucks der verbrennungsprozess selbst modifiziert, um erwarteten nachteilen zu begegnen. zudem hier durch einbau eines schwingungsdämpfers. nach den eigenen ausführungen der beklagten seien hierbei die erkenntnisse aus der weiterentwicklung des diesel-brennverfahrens der letzten zehn jahre aufgegriffen und die felderfahrung über die einzelnen komponenten berücksichtigt worden. der komplette gemischbildungsprozess wie einspritzstrategie, der raildruck, der einspritzzeitpunkt und der aufladegrad seien angepasst worden, um die emissionen und den sachgerecht bzw. folgenfrei repariert wurde, um einen minderwert des fahrzeuges zu begründen. es ist nicht erforderlich, dass die realisierung einer schlechten reparatur tatsächlich nachgewiesen wird. der charakter des fahrzeuges als unfallfahrzeug verbrauch mit der angepassten abgasrückführungsrate nicht zu beeinträchtigen. die einspritzcharakteristik sei unter anderem um eine zusätzliche nacheinspritzung erweitert worden bei erhöhung des einspritzdrucks um ca. 10% im teilbereich. die angebotene maßnahme stellt hiernach aus sicht der kammer eine form von „aliud“ dar, das heißt, der vorhandene mangel, welcher deliktsrechtlich nach obigen ausführungen einen schaden begründet, wird nicht lediglich beseitigt, vielmehr wird das fahrzeug insgesamt verändert und stellt auch nach durchführung des updates nicht das vertraglich geschuldete fahrzeug dar. dieser umstand der schuldrechtlichen unmöglichkeit bewirkt im deliktsrecht, dass dem gläubiger eine schadensminderung durch durchführung des updates nicht zugemutet werden konnte. daneben ist das update aus sich der kammer nicht geeignet, den schaden abzuwenden. denn die makelbehaftung des fahrzeuges bleibt bestehen. anders als bei einem einfachen schadhaften bauteil, welches durch ein neues ausgetauscht werden kann, bedurfte es selbst nach dem beklagtenvortrag der nutzung des wissens aus weiteren 10 jahren motorenentwicklung, um (so behauptet) trotz einführung des adaptierten modus im fahrbetrieb keine nachteile im verbrauchsverhalten etc. zu erlangen. ob diese technische entwicklung unter dem vorhandenen zeitdruck tatsächlich nachteilsfrei gelungen ist, ist hoch streitig. da diese diskussion entsprechend den zahlreich zitierten quellen auch in der öffentlichkeit geführt wird, genügt dieser umstand, um eine „makelbehaftung“ des fahrzeuges, ähnlich der eines unfallfahrzeuges annehmen zu können. denn entsprechend dieser rechtsprechung genügt der bloße verdacht, dass ein unfallschaden nicht hinreichend beseitigt wurde und lässt sich nicht korrigieren (vgl. insgesamt: bgh, urteil vom 10.10.2007, az.: viii zr 330/06). vergleichbar ist der fall hier gelagert. der in der öffentlichkeit diskutierte verdacht, dass die fahrzeuge des streitgegenständlichen motortyps nach durchführung des softwareupdates nachteile z.b. hinsichtlich der geräuschentwicklung, des verschleißes von teilen oder im verbrauch aufweisen könnten genügt, um eine makelbehaftung zu bejahen (so im ergebnis auch: lg hildesheim, urteil vom 17.01.2017, az.: 3 o 139/16). 28die beklagte muss sich das handeln ebenso wie das erforderliche voluntative element gem. § 31 bgb zurechnen lassen. § 31 bgb gilt für alle juristischen personen. die rechtsprechung legt den begriff des verfassungsmäßig berufenen vertreters weit aus. ausreichend ist, dass ihm durch die allgemeinen betriebsregelungen und handhabungen bedeutsame wesensmäßige funktionen der juristischen person zur selbständigen eigenverantwortlichen erfüllung zugewiesen sind und er die juristische person insoweit repräsentiert. der personelle begriff deckt sich insoweit mit dem arbeitsrechtlichen des leitenden angestellten (vgl. hierzu palandt/ ellenberger, 75. aufl., § 31, rn. 6 m.w.n.). die tatsache, dass der motor ea 189 mit der modifizierenden software millionenfach nach seiner entwicklung in verkehr gebracht wurde indiziert, dass sowohl die technische entwicklung als auch die inverkehrbringung durch personen veranlasst worden sein muss, die die genannten voraussetzungen einer eigenverantwortlich handelnden, repräsentierenden person erfüllen. bezüglich dieser personen ist sodann auch das erforderliche voluntative element der schädigungsabsicht und des besonders verwerflichen verhaltens (dazu unten) erfüllt. substantiierter gegenvortrag zu dieser indizwirkung fehlt (vgl. lg paderborn, unter anwendung des § 138 abs. 3 zpo: urteil vom 07.04.2017, az.: 2 o 118/16; vgl. auch: lg hildesheim, urteil vom 17.01.2017, az.: 3 o 139/16 zur sekundären darlegungslast). 29die beklagte beruft sich darauf, dass die internen ermittlungen nicht abgeschlossen seien. aus diesem umstand kann indes gefolgert werden, dass zumindest, sollte man sich dieser wertung nicht anschließen, organisationsmängel vorliegen, aufgrund derer die beklagte sich so behandeln lassen muss, als ob anstelle von verrichtungsgehilfen verfassungsmäßige vertreter gehandelt hätten (vgl. hierzu: bgh, urteil vom 08.07.1980, az.: vi zr 158/78). denn eine juristische person ist verpflichtet, den gesamtbereich ihrer tätigkeit so zu organisieren, dass für alle wichtigen aufgabengebiete ein verfassungsmäßiger vertreter zuständig ist, der die wesentlichen entscheidungen selbst trifft (vgl. palandt a.a.o.). auch die heranziehung dieser rechtsprechung bewirkt, dass das voluntative element, selbst, sollte es bei personen ohne leitungskompetenz verwirklicht sein, aufgrund organisationsverschuldens zugerechnet werden müsste. denn anderenfalls könnte sich die juristische person durch bewusste fehlorganisation einer besonders schwerwiegenden haftung gem. § 826 bgb entziehen, in anderen fällen aber haftungsrechtlich belastet sein. eine solche differenzierung kann durch die entwicklung der rechtsprechung zum organisationsverschulden nicht gewollt sein und ist auch nicht zu vertreten, da deren sinn gerade ist, eine haftungsentziehung durch organisationsmängel zu vermeiden. hilfsweise wäre abzustellen auf eine in jedem fall anzunehmende sekundäre darlegungslast hinsichtlich der inneren organisation – diese kann der klägerseite nicht zugänglich sein. ihre darlegung ist zumutbar (vgl. hierzu ingesamt: lg hildesheim, urteil vom 17.01.2017, az.: 3 o 139/16; a.a. wohl: olg stuttgart, urteil vom 25.04.2017, az.: 6 u 146/16). sollte sie – entsprechend dem beklagtenvortrag – nicht möglich sein, greifen die ausführungen zu den organisationsmängeln. auch kann verwiesen werden auf die rechtsprechung zur einer pflicht zur ausreichenden dokumentation und informationsspeicherungspflicht (bgh, urteil vom 02.02.1996, az.: v zr 239/94). 30das verhalten der entwicklung und inverkehrbringung des streitgegenständlichen motortyps stellt eine vorsätzliche schädigung dar, welche zugleich in einer gegen die guten sitten verstoßenden art und weise erfolgt ist. den handelnden personen war aufgrund der oben genannten indizwirkung bekannt, dass der in verkehr gebrachte motor bei aufdeckung der abschaltlogik gefahr liefe, die eg-typengenehmigung zu verlieren. aufgrund der vielzahl der in verkehr gebrachten produkte und der vielzahl der betroffenen endverbraucher verstößt die handlung gegen das anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden (vgl. hierzu: palandt/sprau, 75. aufl., § 826, rn. 3 f.). das verhalten stellt sich als besonders verwerflich dar, da die beklagte, ob aus gewinnstreben, wettbewerbsfähigkeit oder sonstigen unternehmerischen erwägungen heraus ihre interessen über die interessen einer vielzahl ihrer endkunden gestellt hat und in kauf genommen hat, dass diese in der oben aufgeführten weise schaden nehmen. hilfsweise kommt hinzu, dass der umweltaspekt aufgrund der sensibilisierung der verbraucher auch bereits zu dem zeitpunkt des vertragsschlusses nicht per se als allein öffentliches interesse angesehen werden kann. denn das öffentliche interesse speist sich aus den einzelinteressen der gesamten bevölkerung. die verringerung des ausstoßes von stickstoffen ist u.a. in den streitgegenständlichen zulassungsnormen geregelt. indes kann hieraus nicht reduzierend geschlossen werden, dass ein allein umweltpolitisches interesse verfolgt wird, welches das verhalten dem einzelnen gegenüber nicht als verwerflich ansehen ließe. denn die genannten normen erheben die grenzwerte, um den einzelnen in seinem lebensumfeld zu schützen, wodurch die aufgestellten werte individualinteresse erlangen. das vorgetragene individualinteresse erscheint damit nicht unglaubhaft allein aus dem umstand heraus, dass die betroffenen normen öffentlich rechtlichen charakter besitzen (wohl a.a: lg braunschweig, urteil vom 25.04.2017, az.: 11 o 3993/16). 31dass der kläger aufgrund der zwischenschaltung eines händlers mittelbar geschädigt ist, schließt die haftung der beklagten nicht aus, da sich bewusstsein und wille des schädigers wie dargestellt auch auf die jeweiligen endverbraucher bezogen haben. namentlich brauchen diese nicht bekannt zu sein (vgl. hierzu: palandt/ sprau, 75. aufl., § 826, rn. 12 m.w.n.). 32grundsätzlich besteht bei einem gegebenen anspruch gem. § 826 bgb auch anspruch auf erstattung der kosten einer zweckentsprechenden rechtsverfolgung. der erfolg vorgerichtlicher verhandlungen ist ausgeblieben aufgrund der ablehnung durch die beklagte. bei der berechnung der kosten ist eine 1,3 gebühr angesetzt und erscheint angemessen. der umfang der akten resultiert wesentlich aus der existenz einer vielzahl gleichartiger verfahren und der entsprechenden auch öffentlichen beleuchtung des verfahrensstoffes. hierdurch erschwert sich die rechtslage indes nicht. als streitwert wurde unter berücksichtigung einer zu erwartenden gesamtlaufleistung von 250.000 km und einem aufschlag wegen weiterer möglicher schäden (steuernachteile etc.) und unter berücksichtigung der zwischenzeitlichen fahrzeugnutzung seit tätigwerden der rechtsanwälte ein streitwert und gegenstandswert bis 20.000,- euro zu angenommen. 33die kostenentscheidung beruht auf § 92 abs. 2 nr. 2 zpo. 34die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 709 zpo. | Klaeger*in | 1 |
330,735 | 3 K 1020/19 | 2020-08-11T00:00:00 | Urteil | Tenor Der Bescheid des Beklagten vom 19. Februar 2019 wird aufgehoben, soweit darin Gebühren in Höhe von mehr als 10,20 € festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 14 % und der Beklagte zu 86 %. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Gebührenfestsetzung für den Erlass einer verkehrsrechtlichen Anordnung im Zusammenhang mit der Begleitung eines Schwertransports durch Verwaltungshelfer. 3Zum Geschäftsfeld der Klägerin gehört es, seit einer geänderten Rechtslage anstelle der Polizei Begleitfahrzeuge für Schwertransporte – so unter anderem auch sog. BF 4-Fahrzeuge, auf denen Verkehrszeichen angezeigt werden können – zu stellen. Das Vorgehen bei der Absicherung der entsprechenden Schwertransporte gestaltet sich so, dass die Klägerin durch die den Transport durchführenden Unternehmen beauftragt wird und sich dann mit den zuständigen Behörden – hier dem Beklagten – in Verbindung setzt, um eine entsprechende verkehrsrechtliche Anordnung zu erwirken. Vor Erlass einer entsprechenden verkehrsrechtlichen Anordnung wird in Absprache mit der zuständigen Verkehrsbehörde ein Verkehrszeichenplan, ein sog. Regelplan – auch Roadbook genannt – entworfen, aus dem detailliert hervorgeht, wie welche Gefahrenstellen der jeweils zu befahrenden Strecke durch die Klägerin abzusichern sind. Insbesondere wird in dem Regelplan beschrieben, welche Verkehrszeichen in welchem Streckenabschnitt über die auf den Begleitfahrzeugen befindlichen Wechselzeichen-Verkehrsanlagen zu visualisieren sind. 4Der Beklagte erließ auf Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 19. Februar 2019 eine verkehrsrechtliche Anordnung gegenüber der Klägerin, mit der er verfügte, dass die Knotenpunkte auf der Strecke 106, Bundesstraße 1/Abschnitt 160,1/km 0,739 – Bundesautobahn 44/Anschlussstelle Büren, anlässlich eines Schwertransportes mit Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen entsprechend den beigefügten Verkehrszeichenplänen und Erläuterungen zu signalisieren und abzusperren seien. Diese Verkehrsanordnung enthielt unter anderem eine Gebührenfestsetzung in Höhe von 75,00 €. Ausweislich des Bescheids beruhe die Gebührenfestsetzung auf der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr in der jeweils gültigen Fassung (GebOSt) i. V. m. dem Gebührentarif nach Gebührennummer 261 der Anlage zu § 1 GebOSt. 5Gegen die Gebührenfestsetzung im Bescheid vom 19. Februar 2019 hat die Klägerin am 19. März 2019 Klage erhoben. 6Zur Begründung führt sie sinngemäß aus, der Beklagte habe die Gebühren auf der Grundlage der Gebührennummer 399 der GebOSt festgesetzt und sie halte diese als Rechtsgrundlage für nicht einschlägig. Durch die verkehrsrechtliche Anordnung gegenüber Verwaltungshelfern werde der Beklagte entlastet und es könnten nicht Gebühren von Seiten der Verwaltung für etwas verlangt werden, wofür sie selbst entlastet werde. Damit werde die Einschaltung der Verwaltungshelfer ad absurdum geführt, weil die Polizeibegleitung letztlich billiger sei. 7Die Klägerin beantragt, 8den Bescheid des Beklagten vom 19. Februar 2019 aufzuheben, soweit darin Gebühren festgesetzt werden. 9Der Beklagte beantragt, 10die Klage abzuweisen. 11Er begründet seinen Antrag damit, als Rechtsgrundlage für die Gebührenfestsetzung werde die Gebührennummer 399 der Anlage zu § 1 der GebOSt herangezogen. Hierzu verweist er auf den an die Bezirksregierungen des Landes Nordrhein-Westfalen gerichteten Erlass des Ministeriums für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18. Juni 2018. Der nach der Novelle der Verwaltungsvorschriften zur StVO erfolgende Ersatz polizeilicher Begleitung durch zu stellende private Verwaltungshelfer stehe hier nicht im Zusammenhang mit den geltend gemachten Gebühren. Die Gebührenfestsetzung beziehe sich auf die Erteilung der an die Klägerin gerichteten verkehrsrechtlichen Anordnung als solche. Die Klägerin nehme zu Unrecht an, dass die von den Straßenverkehrsbehörden zu erhebenden Gebühren die Kosten für den polizeilichen Einsatz abdecken sollen. Die Gebühren würden lediglich für den Verwaltungsaufwand erhoben. Die Höhe der festgesetzten Gebühren resultiere aus einer Pauschalgebühr in Höhe von 75,00 €. Diese Pauschale richte sich nach dem Rahmen der insgesamt von einer Straßenverkehrsbehörde festzusetzenden Gebühren für verschiedene Maßnahmen, für die sie zuständig sei. Nach seinem Kenntnisstand werde im Bereich der zuständigen Bezirksregierung einheitlich eine solche Pauschalgebühr für Verkehrsanordnungen bei Schwertransporten erhoben. Darüber hinaus sei die Pauschale nach Verwaltungsaufwand und Höhe vergleichbar und angemessen. Sie richte sich nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Erlaubnisse für Schwertransporte. Zum Verwaltungsaufwand gehöre auch die Erstellung des sog. Regelplans, die Durchführung der Anhörungsverfahren sowie die eigentliche behördliche Prüfung und der Erlass der Verkehrsanordnung an sich. Unabhängig davon korrespondiere auch der in der Gebührennummer 399 für einen Zeitaufwand von 15 Minuten vorgesehene Wert von 12,80 € mit dieser Pauschale, insbesondere weiche die Pauschale zumindest nicht unverhältnismäßig von diesen Vorgaben ab. 12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen. 13Entscheidungsgründe: 14Die zulässige Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, weil der Bescheid des Beklagten vom 19. Februar 2019 hinsichtlich der angegriffenen Gebührenfestsetzung rechtswidrig und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist, soweit darin Gebühren in Höhe von mehr als 10,20 € festgesetzt werden (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist die Gebührenfestsetzung rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte erhebt im Grundsatz zu Recht für die Verkehrsanordnung zur Durchführung von Schwertransporten Gebühren gemäß § 1 Abs. 1 GebOSt i. V. m. dem Gebührentarif nach Gebührennummer 399 der Anlage zu § 1 GebOSt (im Folgenden: GebT Nr. 399) (1.) von der Klägerin (2.). Deren Festsetzung ist jedoch ermessensfehlerhaft (3.). 151. Der angefochtenen Gebührenfestsetzung fehlt es zunächst nicht an einer Rechtsgrundlage. 16a) Der Beklagte stützt die Gebührenfestsetzung in der verkehrsrechtlichen Anordnung auf § 1 Abs. 1 GebOSt i. V. m. dem Gebührentarif nach Gebührennummer 261 der Anlage zu § 1 GebOSt (im Folgenden: GebT Nr. 261). Dieser Gebührentarif ermächtigt die zuständige Behörde zu einer Gebührenfestsetzung für eine Anordnung nach § 45 Abs. 6 StVO über Maßnahmen der Unternehmer an Arbeitsstellen. Er eröffnet einen Gebührenrahmen von 10,20 € bis 767,00 €. 17Bei der verkehrsrechtlichen Anordnung des Beklagten gegenüber der Klägerin handelt es sich vorliegend jedoch nicht um eine Anordnung nach § 45 Abs. 6 StVO, sondern um eine auf der Grundlage des § 45 Abs. 3 StVO. Der eindeutige Wortlaut des § 45 Abs. 6 StVO i. V. m. GebT Nr. 261 bietet auch keinen Raum für eine abweichende Auslegung, weil § 45 Abs. 6 StVO ausschließlich die Sicherung von Baustellen betrifft und sich GebT Nr. 261 explizit nur auf die Vorschrift des § 45 Abs. 6 StVO bezieht. Auch eine analoge Anwendung des GebT Nr. 261 auf den vorliegenden Fall scheidet aus, weil es sich um eine Analogie zu Lasten der Klägerin handeln würde, die mit dem Gebot des Vorrangs und Vorbehalts des Gesetzes aus Art. 20 GG nicht vereinbar wäre. 18Vgl. VG Frankfurt, Urteil vom 14. April 2020 – 12 K 1579/19.F –, juris, Rn. 23 f. 19b) Die Gebührenfestsetzung kann aber auf die weiterhin – wie auch von dem Beklagten in seiner Klageerwiderung vom 30. Juli 2019 – in Betracht zu ziehende Rechtsgrundlage nach § 1 Abs. 1 GebOSt i. V. m. GebT Nr. 399 gestützt werden. 20Gemäß § 1 Abs. 1 GebOSt werden für Amtshandlungen, einschließlich der Prüfungen und Untersuchungen im Sinne des § 6a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), des § 55 des Fahrlehrergesetzes und des § 18 des Kraftfahrsachverständigengesetzes, Gebühren nach dieser Verordnung erhoben. Aus der Regelungssystematik – auch unter Berücksichtigung von § 6a Abs. 1 und 2 StVG – folgt, dass es sich um Amtshandlungen, welche Maßnahmen des Straßenverkehrs betreffen, handeln muss. Bei einer verkehrsrechtlichen Anordnung nach § 45 Abs. 3 StVO im Rahmen der Begleitung von Großraum- und Schwertransporten durch Privatunternehmer handelt es sich erkennbar um eine solche Maßnahme, weil die Straßenverkehrsbehörden hiernach unter anderem bestimmen, wo und welche Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen anzubringen und zu entfernen sind. 21Für diese Anordnung ist GebT Nr. 399 heranziehbar, weil dessen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Nach diesem Gebührentarif können für andere als die in diesem Abschnitt aufgeführten Maßnahmen Gebühren nach den Sätzen für vergleichbare Maßnahmen oder, soweit solche nicht bewertet sind, nach dem Zeitaufwand mit 12,80 € je angefangene Viertelstunde Arbeitszeit erhoben werden. 22Der 2. Abschnitt der Anlage zu § 1 GebOSt enthält keine Gebührennummer für verkehrsrechtliche Anordnungen nach § 45 Abs. 3 StVO. 23Es handelt sich vorliegend jedoch um eine „andere als die in diesem Abschnitt aufgeführte Maßnahme“. Eine solche „andere Maßnahme“ und damit eine sonstige Maßnahme auf dem Gebiet des Straßenverkehrs im Sinne des Auffangtatbestandes des GebT Nr. 399 liegt vor, wenn die Amtshandlung im Straßenverkehrsgesetz oder in den auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsvorschriften ausdrücklich geregelt oder kraft Sinnzusammenhangs zwingend vorausgesetzt ist. 24Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 – 7 C 107.79 –, juris, Rn. 8, sowie Beschluss vom 5. April 1990 – 3 B 18.90 –, juris, Rn. 4. 25Dies ist – wie bereits festgestellt – bei einer verkehrsrechtlichen Anordnung nach § 45 Abs. 3 StVO i. V. m. § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO im Zusammenhang mit der Begleitung von Großraum- und Schwertransporten durch Private der Fall. 26c) Der rechtmäßigen Gebührenfestsetzung dem Grunde nach steht auch nicht der klägerische Einwand entgegen, durch die verkehrsrechtliche Anordnung gegenüber Verwaltungshelfern werde der Beklagte entlastet und es könnten nicht Gebühren von Seiten der Verwaltung für etwas verlangt werden, wofür sie selbst entlastet werde. Diesem Einwand liegt die unzutreffende Annahme zugrunde, dass die von den Straßenverkehrsbehörden zu erhebenden Gebühren die Kosten für den einstigen polizeilichen Einsatz bei der Begleitung von Schwerlasttransporten decken sollen, der nunmehr im Zuge der Änderung der Verwaltungsvorschriften zur StVO durch zu stellende Verwaltungshelfer von privater Seite erfolgt. Vorliegend werden indes Gebühren erhoben für den der Behörde bei Ausführung der Verwaltungshandlung – hier der Erlass der verkehrsrechtlichen Anordnung – entstandenen Verwaltungsaufwand. Es handelt sich mithin um eine Verwaltungsgebühr. 272. Die Klägerin ist auch Kostenschuldnerin der streitigen Gebühr. Sie hat im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt die verkehrsrechtliche Anordnung des Beklagten vom 19. Februar 2019 veranlasst, denn sie hat diese beantragt. 283. Ist nach dem Vorstehenden die Gebührenfestsetzung in dem Bescheid des Beklagten vom 19. Februar 2019 dem Grunde nach rechtmäßig, ist sie gleichwohl rechtswidrig, soweit darin Gebühren von mehr als 10,20 € festgesetzt werden. Die Festsetzung einer darüber hinausgehenden Gebührenhöhe ist hier ermessensfehlerhaft erfolgt. 29Nach GebT Nr. 399 können für andere als die in diesem Abschnitt aufgeführten Maßnahmen Gebühren nach den Sätzen für vergleichbare Maßnahmen oder, soweit solche nicht bewertet sind, nach dem Zeitaufwand mit 12,80 € je angefangene Viertelstunde Arbeitszeit erhoben werden. Eine in diesem Sinne vergleichbare Maßnahme ist eine solche, die in diesem Abschnitt aufgeführt ist und welche ihrem Regelungsgehalt nach mit der anderen Maßnahme gleichartig ist bzw. in ihrer Wirkung nahe kommt. Wie bereits ausgeführt enthält der 2. Abschnitt der Anlage zu § 1 GebOSt keine Gebührennummer für verkehrsrechtliche Anordnungen nach § 45 Abs. 3 StVO, jedoch mit GebT Nr. 261 eine Ermächtigung zur Gebührenfestsetzung für eine Anordnung nach § 45 Abs. 6 StVO über Maßnahmen der Unternehmer an Arbeitsstellen, welche eine mit der verkehrsrechtlichen Anordnung nach § 45 Abs. 3 StVO vergleichbare Maßnahme darstellt. Denn beide Maßnahmen beruhen letztlich auf der generellen Ermächtigung der Straßenverkehrsbehörden, nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten zu können. § 45 Abs. 3 StVO ermächtigt hierzu ergänzend, Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen anzubringen und § 45 Abs. 6 StVO stellt die Rechtsgrundlage dafür dar, dass Unternehmer von Straßenbauarbeiten verkehrsrechtliche Anordnungen nach den Absätzen 1 bis 3 einzuholen haben, nach denen u. a. der Verkehr zu beschränken, zu leiten und zu regeln ist. Dementsprechend können Gebühren nach den Sätzen des GebT Nr. 261 erhoben werden. Dieser eröffnet einen Gebührenrahmen von 10,20 € bis 767,00 €. 30Der Beklagte hat das ihm zustehende Ermessen jedoch nicht nach § 40 VwVfG NRW ordnungsgemäß entsprechend dem Zweck der Ermächtigung und innerhalb der gesetzlichen Grenzen ausgeübt. Auf diesen Überprüfungsmaßstab ist die Kammer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gem. § 114 Satz 1 VwGO beschränkt. Sie hat die behördliche Ermessensentscheidung auf etwaige Ermessensfehler, namentlich Ermessensnichtgebrauch, Ermessensunterschreitung, Ermessensüberschreitung sowie Ermessensfehlgebrauch zu überprüfen, ohne eigenes Ermessen in der Sache auszuüben. 31Bei der auf den Einzelfall bezogenen Festsetzung einer Gebühr hat die Behörde ihr eingeräumtes Ermessen zur Ausfüllung eines vorgegebenen Gebührenrahmens notwendigerweise auszuüben, wenn – wie hier nach GebT Nr. 261 – im Fall einer Rahmengebühr nicht lediglich die Mindestgebühr festgesetzt wird. Sie hat dabei in Ausübung ihres Ermessens die vom Gebührentatbestand erfassten Amtshandlungen innerhalb des vorgegebenen Gebührenrahmens als einfache, mittlere oder aufwändige Fälle einzuordnen. 32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. April 2019 – 16 E 322/18 –, juris, Rn. 4 ff., m. w. N. 33Hier liegt ein Fall des Ermessensnichtgebrauchs deswegen vor, weil der Beklagte im angefochtenen Bescheid keine Ermessenserwägungen bezüglich der Gebührenhöhe von 75,00 € angestellt hat. Insofern ist zu beachten, dass ein wegen Ermessensnichtgebrauchs rechtswidriger Verwaltungsakt nicht – durch Ergänzung von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO – geheilt werden kann. 34Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2007 – 1 C 10.07 –, juris, Rn. 30. 35Ein solcher Ermessensausfall ist aber nicht bereits dann gegeben, wenn die behördliche Entscheidung ausdrücklich keine Ausführungen hierzu enthält. Selbst wenn diese sich hierzu nicht äußert, schließt dies nicht aus, dass sich die Behörde zur Frage der Ermessensausübung gleichwohl Gedanken gemacht hat oder die zu einer Beanstandung führende Ausübung des Ermessens für so selbstverständlich gehalten haben mag, dass sie einen besonderen Hinweis darauf für überflüssig hielt. Anhaltspunkte hierfür können sich aus den im Verwaltungsvorgang dokumentierten Begleitumständen ergeben, die zum Erlass des Verwaltungsakts geführt haben. 36Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 1988 – 7 B 182.87 –, juris, Rn. 7. 37Jedoch lassen sich auch dem Verwaltungsvorgang des Beklagten keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass er bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids das ihm zustehende Ermessen erkannt und ausgeübt hat. Hingegen bestätigen die Ausführungen des Beklagten in seiner Klageerwiderung vom 30. Juli 2019, dass er sich seiner Ermessensentscheidung nicht bewusst war. Er führte hierzu aus, es handele sich um eine Pauschalgebühr von 75 €. Diese Pauschale richte sich aus an dem Rahmen der insgesamt von einer Straßenverkehrsbehörde festzusetzenden Gebühren für verschiedene Maßnahmen, für die sie zuständig sei. Nach seinem Kenntnisstand werde im Bereich der zuständigen Bezirksregierung einheitlich eine solche Pauschalgebühr für Verkehrsanordnungen bei Schwertransporten festgesetzt. Die Festsetzung einer Pauschalgebühr schließt jedoch schon ihrem Wesen nach eine auf den Einzelfall ausgerichtete Ermessensbetätigung, insbesondere anhand der Kriterien der Schwierigkeit und des Aufwands, aus. 38Selbst wenn man auf die ebenfalls in Betracht zu ziehende Rechtsgrundlage nach § 1 Abs. 1 GebOSt i. V. m. GebT Nr. 264 abstellte, 39vgl. hierzu VG Gießen, Urteil vom 3. Juni 2020 – 6 K 1953/19.GI –, juris, Rn. 15, 40so kommt es auf deren Einschlägigkeit nicht entscheidungserheblich an, denn auch eine Festsetzung auf Grundlage dieses Gebührentatbestands litte unter dem gleichen, nicht heilbaren Ermessensfehler, weil auch hiermit ein Gebührenrahmen von 10,20 € bis 767,00 € eröffnet ist, der eine Ermessenentscheidung voraussetzt, welche aus vorgenannten Gründen fehlerhaft erfolgt ist. 41Weil ein Gebührenrahmen von 10,20 € bis 767,00 € eröffnet ist, kann aber jedenfalls die Mindestgebühr in Höhe von 10,20 € gegenüber der Klägerin festgesetzt werden. 42Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. April 2019 – 16 E 322/18 –, juris, Rn. 4, m. w. N. 43Insoweit ist die Gebührenfestsetzung im Bescheid des Beklagten vom 19. Februar 2019 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. 44Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. | der bescheid des beklagten vom 19. februar 2019 wird aufgehoben, soweit darin gebühren in höhe von mehr als 10,20 € festgesetzt werden. im übrigen wird die klage abgewiesen. die kosten des verfahrens tragen die klägerin zu 14 % und der beklagte zu 86 %. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der jeweilige vollstreckungsschuldner kann die vollstreckung jeweils durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige vollstreckungsgläubiger vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2die beteiligten streiten über die rechtmäßigkeit einer gebührenfestsetzung für den erlass einer verkehrsrechtlichen anordnung im zusammenhang mit der begleitung eines schwertransports durch verwaltungshelfer. 3zum geschäftsfeld der klägerin gehört es, seit einer geänderten rechtslage anstelle der polizei begleitfahrzeuge für schwertransporte – so unter anderem auch sog. bf 4-fahrzeuge, auf denen verkehrszeichen angezeigt werden können – zu stellen. das vorgehen bei der absicherung der entsprechenden schwertransporte gestaltet sich so, dass die klägerin durch die den transport durchführenden unternehmen beauftragt wird und sich dann mit den zuständigen behörden – hier dem beklagten – in verbindung setzt, um eine entsprechende verkehrsrechtliche anordnung zu erwirken. vor erlass einer entsprechenden verkehrsrechtlichen anordnung wird in absprache mit der zuständigen verkehrsbehörde ein verkehrszeichenplan, ein sog. regelplan – auch roadbook genannt – entworfen, aus dem detailliert hervorgeht, wie welche gefahrenstellen der jeweils zu befahrenden strecke durch die klägerin abzusichern sind. insbesondere wird in dem regelplan beschrieben, welche verkehrszeichen in welchem streckenabschnitt über die auf den begleitfahrzeugen befindlichen wechselzeichen-verkehrsanlagen zu visualisieren sind. 4der beklagte erließ auf antrag der klägerin mit bescheid vom 19. februar 2019 eine verkehrsrechtliche anordnung gegenüber der klägerin, mit der er verfügte, dass die knotenpunkte auf der strecke 106, bundesstraße 1/abschnitt 160,1/km 0,739 – bundesautobahn 44/anschlussstelle büren, anlässlich eines schwertransportes mit verkehrszeichen und verkehrseinrichtungen entsprechend den beigefügten verkehrszeichenplänen und erläuterungen zu signalisieren und abzusperren seien. diese verkehrsanordnung enthielt unter anderem eine gebührenfestsetzung in höhe von 75,00 €. ausweislich des bescheids beruhe die gebührenfestsetzung auf der gebührenordnung für maßnahmen im straßenverkehr in der jeweils gültigen fassung (gebost) i. v. m. dem gebührentarif nach gebührennummer 261 der anlage zu § 1 gebost. 5gegen die gebührenfestsetzung im bescheid vom 19. februar 2019 hat die klägerin am 19. märz 2019 klage erhoben. 6zur begründung führt sie sinngemäß aus, der beklagte habe die gebühren auf der grundlage der gebührennummer 399 der gebost festgesetzt und sie halte diese als rechtsgrundlage für nicht einschlägig. durch die verkehrsrechtliche anordnung gegenüber verwaltungshelfern werde der beklagte entlastet und es könnten nicht gebühren von seiten der verwaltung für etwas verlangt werden, wofür sie selbst entlastet werde. damit werde die einschaltung der verwaltungshelfer ad absurdum geführt, weil die polizeibegleitung letztlich billiger sei. 7die klägerin beantragt, 8den bescheid des beklagten vom 19. februar 2019 aufzuheben, soweit darin gebühren festgesetzt werden. 9der beklagte beantragt, 10die klage abzuweisen. 11er begründet seinen antrag damit, als rechtsgrundlage für die gebührenfestsetzung werde die gebührennummer 399 der anlage zu § 1 der gebost herangezogen. hierzu verweist er auf den an die bezirksregierungen des landes nordrhein-westfalen gerichteten erlass des ministeriums für verkehr des landes nordrhein-westfalen vom 18. juni 2018. der nach der novelle der verwaltungsvorschriften zur stvo erfolgende ersatz polizeilicher begleitung durch zu stellende private verwaltungshelfer stehe hier nicht im zusammenhang mit den geltend gemachten gebühren. die gebührenfestsetzung beziehe sich auf die erteilung der an die klägerin gerichteten verkehrsrechtlichen anordnung als solche. die klägerin nehme zu unrecht an, dass die von den straßenverkehrsbehörden zu erhebenden gebühren die kosten für den polizeilichen einsatz abdecken sollen. die gebühren würden lediglich für den verwaltungsaufwand erhoben. die höhe der festgesetzten gebühren resultiere aus einer pauschalgebühr in höhe von 75,00 €. diese pauschale richte sich nach dem rahmen der insgesamt von einer straßenverkehrsbehörde festzusetzenden gebühren für verschiedene maßnahmen, für die sie zuständig sei. nach seinem kenntnisstand werde im bereich der zuständigen bezirksregierung einheitlich eine solche pauschalgebühr für verkehrsanordnungen bei schwertransporten erhoben. darüber hinaus sei die pauschale nach verwaltungsaufwand und höhe vergleichbar und angemessen. sie richte sich nach der wirtschaftlichen bedeutung der erlaubnisse für schwertransporte. zum verwaltungsaufwand gehöre auch die erstellung des sog. regelplans, die durchführung der anhörungsverfahren sowie die eigentliche behördliche prüfung und der erlass der verkehrsanordnung an sich. unabhängig davon korrespondiere auch der in der gebührennummer 399 für einen zeitaufwand von 15 minuten vorgesehene wert von 12,80 € mit dieser pauschale, insbesondere weiche die pauschale zumindest nicht unverhältnismäßig von diesen vorgaben ab. 12wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf die gerichtsakte und den beigezogenen verwaltungsvorgang des beklagten verwiesen. 13 | 14die zulässige klage ist nur in dem aus dem tenor ersichtlichen umfang begründet, weil der bescheid des beklagten vom 19. februar 2019 hinsichtlich der angegriffenen gebührenfestsetzung rechtswidrig und die klägerin dadurch in ihren rechten verletzt ist, soweit darin gebühren in höhe von mehr als 10,20 € festgesetzt werden (vgl. § 113 abs. 1 satz 1 vwgo). im übrigen ist die gebührenfestsetzung rechtmäßig und verletzt die klägerin nicht in ihren rechten. der beklagte erhebt im grundsatz zu recht für die verkehrsanordnung zur durchführung von schwertransporten gebühren gemäß § 1 abs. 1 gebost i. v. m. dem gebührentarif nach gebührennummer 399 der anlage zu § 1 gebost (im folgenden: gebt nr. 399) (1.) von der klägerin (2.). deren festsetzung ist jedoch ermessensfehlerhaft (3.). 151. der angefochtenen gebührenfestsetzung fehlt es zunächst nicht an einer rechtsgrundlage. 16a) der beklagte stützt die gebührenfestsetzung in der verkehrsrechtlichen anordnung auf § 1 abs. 1 gebost i. v. m. dem gebührentarif nach gebührennummer 261 der anlage zu § 1 gebost (im folgenden: gebt nr. 261). dieser gebührentarif ermächtigt die zuständige behörde zu einer gebührenfestsetzung für eine anordnung nach § 45 abs. 6 stvo über maßnahmen der unternehmer an arbeitsstellen. er eröffnet einen gebührenrahmen von 10,20 € bis 767,00 €. 17bei der verkehrsrechtlichen anordnung des beklagten gegenüber der klägerin handelt es sich vorliegend jedoch nicht um eine anordnung nach § 45 abs. 6 stvo, sondern um eine auf der grundlage des § 45 abs. 3 stvo. der eindeutige wortlaut des § 45 abs. 6 stvo i. v. m. gebt nr. 261 bietet auch keinen raum für eine abweichende auslegung, weil § 45 abs. 6 stvo ausschließlich die sicherung von baustellen betrifft und sich gebt nr. 261 explizit nur auf die vorschrift des § 45 abs. 6 stvo bezieht. auch eine analoge anwendung des gebt nr. 261 auf den vorliegenden fall scheidet aus, weil es sich um eine analogie zu lasten der klägerin handeln würde, die mit dem gebot des vorrangs und vorbehalts des gesetzes aus art. 20 gg nicht vereinbar wäre. 18vgl. vg frankfurt, urteil vom 14. april 2020 – 12 k 1579/19.f –, juris, rn. 23 f. 19b) die gebührenfestsetzung kann aber auf die weiterhin – wie auch von dem beklagten in seiner klageerwiderung vom 30. juli 2019 – in betracht zu ziehende rechtsgrundlage nach § 1 abs. 1 gebost i. v. m. gebt nr. 399 gestützt werden. 20gemäß § 1 abs. 1 gebost werden für amtshandlungen, einschließlich der prüfungen und untersuchungen im sinne des § 6a des straßenverkehrsgesetzes (stvg), des § 55 des fahrlehrergesetzes und des § 18 des kraftfahrsachverständigengesetzes, gebühren nach dieser verordnung erhoben. aus der regelungssystematik – auch unter berücksichtigung von § 6a abs. 1 und 2 stvg – folgt, dass es sich um amtshandlungen, welche maßnahmen des straßenverkehrs betreffen, handeln muss. bei einer verkehrsrechtlichen anordnung nach § 45 abs. 3 stvo im rahmen der begleitung von großraum- und schwertransporten durch privatunternehmer handelt es sich erkennbar um eine solche maßnahme, weil die straßenverkehrsbehörden hiernach unter anderem bestimmen, wo und welche verkehrszeichen und verkehrseinrichtungen anzubringen und zu entfernen sind. 21für diese anordnung ist gebt nr. 399 heranziehbar, weil dessen tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. nach diesem gebührentarif können für andere als die in diesem abschnitt aufgeführten maßnahmen gebühren nach den sätzen für vergleichbare maßnahmen oder, soweit solche nicht bewertet sind, nach dem zeitaufwand mit 12,80 € je angefangene viertelstunde arbeitszeit erhoben werden. 22der 2. abschnitt der anlage zu § 1 gebost enthält keine gebührennummer für verkehrsrechtliche anordnungen nach § 45 abs. 3 stvo. 23es handelt sich vorliegend jedoch um eine „andere als die in diesem abschnitt aufgeführte maßnahme“. eine solche „andere maßnahme“ und damit eine sonstige maßnahme auf dem gebiet des straßenverkehrs im sinne des auffangtatbestandes des gebt nr. 399 liegt vor, wenn die amtshandlung im straßenverkehrsgesetz oder in den auf diesem gesetz beruhenden rechtsvorschriften ausdrücklich geregelt oder kraft sinnzusammenhangs zwingend vorausgesetzt ist. 24vgl. bverwg, urteil vom 17. dezember 1982 – 7 c 107.79 –, juris, rn. 8, sowie beschluss vom 5. april 1990 – 3 b 18.90 –, juris, rn. 4. 25dies ist – wie bereits festgestellt – bei einer verkehrsrechtlichen anordnung nach § 45 abs. 3 stvo i. v. m. § 45 abs. 1 satz 1 stvo im zusammenhang mit der begleitung von großraum- und schwertransporten durch private der fall. 26c) der rechtmäßigen gebührenfestsetzung dem grunde nach steht auch nicht der klägerische einwand entgegen, durch die verkehrsrechtliche anordnung gegenüber verwaltungshelfern werde der beklagte entlastet und es könnten nicht gebühren von seiten der verwaltung für etwas verlangt werden, wofür sie selbst entlastet werde. diesem einwand liegt die unzutreffende annahme zugrunde, dass die von den straßenverkehrsbehörden zu erhebenden gebühren die kosten für den einstigen polizeilichen einsatz bei der begleitung von schwerlasttransporten decken sollen, der nunmehr im zuge der änderung der verwaltungsvorschriften zur stvo durch zu stellende verwaltungshelfer von privater seite erfolgt. vorliegend werden indes gebühren erhoben für den der behörde bei ausführung der verwaltungshandlung – hier der erlass der verkehrsrechtlichen anordnung – entstandenen verwaltungsaufwand. es handelt sich mithin um eine verwaltungsgebühr. 272. die klägerin ist auch kostenschuldnerin der streitigen gebühr. sie hat im sinne des § 4 abs. 1 nr. 1 gebost die verkehrsrechtliche anordnung des beklagten vom 19. februar 2019 veranlasst, denn sie hat diese beantragt. 283. ist nach dem vorstehenden die gebührenfestsetzung in dem bescheid des beklagten vom 19. februar 2019 dem grunde nach rechtmäßig, ist sie gleichwohl rechtswidrig, soweit darin gebühren von mehr als 10,20 € festgesetzt werden. die festsetzung einer darüber hinausgehenden gebührenhöhe ist hier ermessensfehlerhaft erfolgt. 29nach gebt nr. 399 können für andere als die in diesem abschnitt aufgeführten maßnahmen gebühren nach den sätzen für vergleichbare maßnahmen oder, soweit solche nicht bewertet sind, nach dem zeitaufwand mit 12,80 € je angefangene viertelstunde arbeitszeit erhoben werden. eine in diesem sinne vergleichbare maßnahme ist eine solche, die in diesem abschnitt aufgeführt ist und welche ihrem regelungsgehalt nach mit der anderen maßnahme gleichartig ist bzw. in ihrer wirkung nahe kommt. wie bereits ausgeführt enthält der 2. abschnitt der anlage zu § 1 gebost keine gebührennummer für verkehrsrechtliche anordnungen nach § 45 abs. 3 stvo, jedoch mit gebt nr. 261 eine ermächtigung zur gebührenfestsetzung für eine anordnung nach § 45 abs. 6 stvo über maßnahmen der unternehmer an arbeitsstellen, welche eine mit der verkehrsrechtlichen anordnung nach § 45 abs. 3 stvo vergleichbare maßnahme darstellt. denn beide maßnahmen beruhen letztlich auf der generellen ermächtigung der straßenverkehrsbehörden, nach § 45 abs. 1 satz 1 stvo die benutzung bestimmter straßen oder straßenstrecken aus gründen der sicherheit oder ordnung des verkehrs beschränken oder verbieten und den verkehr umleiten zu können. § 45 abs. 3 stvo ermächtigt hierzu ergänzend, verkehrszeichen und verkehrseinrichtungen anzubringen und § 45 abs. 6 stvo stellt die rechtsgrundlage dafür dar, dass unternehmer von straßenbauarbeiten verkehrsrechtliche anordnungen nach den absätzen 1 bis 3 einzuholen haben, nach denen u. a. der verkehr zu beschränken, zu leiten und zu regeln ist. dementsprechend können gebühren nach den sätzen des gebt nr. 261 erhoben werden. dieser eröffnet einen gebührenrahmen von 10,20 € bis 767,00 €. 30der beklagte hat das ihm zustehende ermessen jedoch nicht nach § 40 vwvfg nrw ordnungsgemäß entsprechend dem zweck der ermächtigung und innerhalb der gesetzlichen grenzen ausgeübt. auf diesen überprüfungsmaßstab ist die kammer im verwaltungsgerichtlichen verfahren gem. § 114 satz 1 vwgo beschränkt. sie hat die behördliche ermessensentscheidung auf etwaige ermessensfehler, namentlich ermessensnichtgebrauch, ermessensunterschreitung, ermessensüberschreitung sowie ermessensfehlgebrauch zu überprüfen, ohne eigenes ermessen in der sache auszuüben. 31bei der auf den einzelfall bezogenen festsetzung einer gebühr hat die behörde ihr eingeräumtes ermessen zur ausfüllung eines vorgegebenen gebührenrahmens notwendigerweise auszuüben, wenn – wie hier nach gebt nr. 261 – im fall einer rahmengebühr nicht lediglich die mindestgebühr festgesetzt wird. sie hat dabei in ausübung ihres ermessens die vom gebührentatbestand erfassten amtshandlungen innerhalb des vorgegebenen gebührenrahmens als einfache, mittlere oder aufwändige fälle einzuordnen. 32vgl. ovg nrw, beschluss vom 12. april 2019 – 16 e 322/18 –, juris, rn. 4 ff., m. w. n. 33hier liegt ein fall des ermessensnichtgebrauchs deswegen vor, weil der beklagte im angefochtenen bescheid keine ermessenserwägungen bezüglich der gebührenhöhe von 75,00 € angestellt hat. insofern ist zu beachten, dass ein wegen ermessensnichtgebrauchs rechtswidriger verwaltungsakt nicht – durch ergänzung von ermessenserwägungen nach § 114 satz 2 vwgo – geheilt werden kann. 34vgl. bverwg, urteil vom 23. oktober 2007 – 1 c 10.07 –, juris, rn. 30. 35ein solcher ermessensausfall ist aber nicht bereits dann gegeben, wenn die behördliche entscheidung ausdrücklich keine ausführungen hierzu enthält. selbst wenn diese sich hierzu nicht äußert, schließt dies nicht aus, dass sich die behörde zur frage der ermessensausübung gleichwohl gedanken gemacht hat oder die zu einer beanstandung führende ausübung des ermessens für so selbstverständlich gehalten haben mag, dass sie einen besonderen hinweis darauf für überflüssig hielt. anhaltspunkte hierfür können sich aus den im verwaltungsvorgang dokumentierten begleitumständen ergeben, die zum erlass des verwaltungsakts geführt haben. 36vgl. bverwg, beschluss vom 15. januar 1988 – 7 b 182.87 –, juris, rn. 7. 37jedoch lassen sich auch dem verwaltungsvorgang des beklagten keine anhaltspunkte dafür entnehmen, dass er bereits im zeitpunkt des erlasses des bescheids das ihm zustehende ermessen erkannt und ausgeübt hat. hingegen bestätigen die ausführungen des beklagten in seiner klageerwiderung vom 30. juli 2019, dass er sich seiner ermessensentscheidung nicht bewusst war. er führte hierzu aus, es handele sich um eine pauschalgebühr von 75 €. diese pauschale richte sich aus an dem rahmen der insgesamt von einer straßenverkehrsbehörde festzusetzenden gebühren für verschiedene maßnahmen, für die sie zuständig sei. nach seinem kenntnisstand werde im bereich der zuständigen bezirksregierung einheitlich eine solche pauschalgebühr für verkehrsanordnungen bei schwertransporten festgesetzt. die festsetzung einer pauschalgebühr schließt jedoch schon ihrem wesen nach eine auf den einzelfall ausgerichtete ermessensbetätigung, insbesondere anhand der kriterien der schwierigkeit und des aufwands, aus. 38selbst wenn man auf die ebenfalls in betracht zu ziehende rechtsgrundlage nach § 1 abs. 1 gebost i. v. m. gebt nr. 264 abstellte, 39vgl. hierzu vg gießen, urteil vom 3. juni 2020 – 6 k 1953/19.gi –, juris, rn. 15, 40so kommt es auf deren einschlägigkeit nicht entscheidungserheblich an, denn auch eine festsetzung auf grundlage dieses gebührentatbestands litte unter dem gleichen, nicht heilbaren ermessensfehler, weil auch hiermit ein gebührenrahmen von 10,20 € bis 767,00 € eröffnet ist, der eine ermessenentscheidung voraussetzt, welche aus vorgenannten gründen fehlerhaft erfolgt ist. 41weil ein gebührenrahmen von 10,20 € bis 767,00 € eröffnet ist, kann aber jedenfalls die mindestgebühr in höhe von 10,20 € gegenüber der klägerin festgesetzt werden. 42vgl. ovg nrw, beschluss vom 12. april 2019 – 16 e 322/18 –, juris, rn. 4, m. w. n. 43insoweit ist die gebührenfestsetzung im bescheid des beklagten vom 19. februar 2019 rechtmäßig und verletzt die klägerin nicht in ihren rechten. 44die kostenentscheidung beruht auf § 155 abs. 1 satz 1 vwgo, die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit auf § 167 vwgo i. v. m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo. | Klaeger*in | 1 |
334,666 | 13 C 278/20 | 2021-01-13T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der Kläger macht Rückzahlungsansprüche für eine gebuchte VIP-Box auf dem S-Fest geltend, welches aufgrund der COVID-19-Pandemie abgesagt wurde. 3Der Kläger buchte bei der Beklagten am 04.02.2020 eine VIP Box der blauen Kategorie zum Preis von 2.000 Euro. Dieser Betrag wurde vom Kläger auch beglichen. Die Beklagte annullierte die Veranstaltung aufgrund der Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus und des damit einhergehenden Veranstaltungsverbots. 4Am 20. Mai 2020 trat das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht und im Recht der Europäischen Gesellschaft (SE) und der Europäischen Genossenschaft (SCE) vom 15. Mai 2020 (BGBl. I S. 948; COVVeranstG) in Kraft, welches Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch um einen § 5, die sog. „Gutscheinlösung“, ergänzte. 5Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 01.07.2020 auf, das Geld für die VIP Box zu erstatten. Dies lehnte die Beklagte ab, unter Verweis auf Art. 240 §5 Abs.1 EGBGB und dem Hinweis, dass eine Erstattung aller Tickets für sie das „finanzielle Aus“ bedeuten würde. Die Beklagte übersandte dem Kläger stattdessen einen Gutschein, auf S.47 d.A. wird Bezug genommen. 6Der Kläger behauptet, dass es der Beklagten nur darum gehen würde, die bereits in enormer Höhe durch die Vorauszahlungen für das S-Fest 2020 generierten Einnahmen auf keinen Fall zu erstatten, obwohl sie im Moment noch vorhanden seien. Er behauptet, dass die Beklagte wahrheitswidrig behaupten würde, dass sie hohe Kosten für Personal- und Büroräume habe und ihre Insolvenz vorbereiten würde. Auch würde sich keine Existenzbedrohung für die Beklagte daraus ergeben, wenn sie dem Kläger die gezahlten 2.000 Euro zurückerstatte. 7Der Kläger ist der Ansicht, dass das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie die Unternehmen nicht pauschal davor schütze, laufende Verbindlichkeiten begleichen zu müssen. Vielmehr solle der Schutz nur laufenden Gastronomiebetrieben wie Gaststätten und Cafés dienen, die einen Ausfall der Umsätze auf der einen Seite und bestehende Verpflichtungen durch u.a. Mietzahlungen auf der anderen Seite haben. Unternehmen, die für eine Einmalveranstaltung im Voraus erhebliche Einnahmen generieren konnten, könnten sich hingegen nicht ihrer Verpflichtung entledigen diese Einnahmen wieder auskehren zu müssen. Das würde zu einer einseitigen Verlagerung des Risikos der Insolvenz auf den Verbraucher führen. 8Der Kläger ist außerdem der Ansicht, dass Art. 240 §5 Abs.4 EGBGB in der jetzigen Fassung nicht mit der Verfassung und dem rechtstaatlichen Vertrauensschutz vereinbar sei. 9Ihm stünde ferner die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu. 10Der Kläger beantragt, 11die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.07.2020 zu zahlen und ihn von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 249,40 Euro freizustellen. 12Die Beklagte beantragt, 13die Klage abzuweisen. 14Sie ist der Ansicht, dass die Risikoverlagerung des Insolvenzrisikos durch Art. 240 §5 Abs.1 EGBGB gerade gewollt sei. 15Mit Schriftsatz vom 17.12.2020 hat der Kläger beantragt, die Frage dem Bundesverfassungsgericht dahingehend vorzulegen, ob die sog. Gutscheinlösung mit der Verfassung und dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutz vereinbar sei und hilfsweise das vorliegende Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG auszusetzen. Die Beklagte hat erklärt, dass Bedenken gegen eine Aussetzung des Verfahrens bestehen. 16Entscheidungsgründe: 17Die zulässige Klage ist unbegründet. 181. 19Das Gericht ist von der Verfassungsgemäßheit des Art. 240 §5 Abs.1 EGBGB überzeugt, sodass es die Sache nicht gem. Art 100 GG dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt hat. 20Das Verfahren war auch nicht gem. §148 ZPO auszusetzen, da die Beklagte erklärt hat, dass Bedenken gegen die Aussetzung bestehen. 21Die Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das BVerfG sind nach Art 100 GG zwingend, wenn das Gericht ein entscheidungserhebliches Gesetz für verfassungswidrig hält. Das Gericht kann dem nicht durch eine schlichte Aussetzung im Hinblick auf ein anderes bereits beim BVerfG anhängiges Verfahren entgehen. Hält das Gericht die betroffene Vorschrift für verfassungsgemäß, muss sie es anwenden. Es ist nicht wegen des anderweitigen Normenkontrollverfahrens zu einer Aussetzung berechtigt oder gar verpflichtet. Soweit hier nicht beide Parteien mit dem Ruhen des Verfahrens einverstanden sind, muss es weiterbetrieben werden. Das ergibt sich aus dem Gebot des effizienten Rechtsschutzes (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 148 ZPO, Rn. 3a). 222. 23Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückerstattung des Ticketpreises für die VIP-Box gem. §§326 Abs.5, 346 Abs. 1, 275 Abs. 1 u. 5 BGB in Höhe von 2.000 Euro. 24Der Kläger ist mit Schreiben vom 01.07.2020 wirksam vom Vertrag zurückgetreten gem. §§326 V, 346 Abs. 1 BGB. 25Die Beklagte unterlag einem Leistungsausschluss gemäß § 275 Abs. 1 BGB. Ihr ist die geschuldete Leistung in Form der Konzertveranstaltung rechtlich unmöglich geworden, indem ihr durch die Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus und des damit einhergehenden Veranstaltungsverbots die Durchführung der Veranstaltung untersagt wurde. Der Kläger hat den Rücktritt von dem Vertrag erklärt, indem er die Beklagte zur Rückerstattung des gezahlten Preises aufgefordert hat. Die Erklärung war insoweit gem. § 133, § 157 BGB als Rücktrittserklärung nach § 349 BGB auszulegen (vgl. Gaier, in: MK-BGB, 8. Aufl. 2019, § 349 BGB Rn. 1). Mithin ist zwischen den Parteien ein Rückgewährschuldverhältnis entstanden, im Zuge dessen gem. §346 Abs.1 BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind. 26Hiervon bildet jedoch Art. 240 § 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB - in seiner Fassung vom 15.05.2020, gültig ab 20.05.2020 bis zum 30.09.2022 - eine Ausnahme (vgl. Lorenz in Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise 2. Auflage 2020, § 1 Rn. 36). Die Norm berechtigt Veranstalter, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Eintrittskarte oder Teilnahmeberechtigung anstelle der Erstattung des Eintrittspreises einen Gutschein zu übergeben, wenn aufgrund der COVID-19-Pandemie eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeitveranstaltung nicht stattfinden konnte. Bei Nichteinlösung des Gutscheins lebt der Anspruch am 01.Januar 2022 wieder auf, so dass es sich rechtlich um eine Stundung handelt. 27Die Voraussetzungen des Art. 240 § 5 Abs.1 S.1 EGBGB liegen vor.Bei dem S-Fest handelt es sich um eine sonstige Freizeitveranstaltung, welche aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte. Damit ist Art. 240 § 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB im sachlichen Anwendungsbereich eröffnet. Der Kläger hat die Box am 04.02.2020 gebucht, mithin vor dem 08. März 2019, so dass die Norm auch in ihrem zeitlichen Anwendungsbereich eröffnet ist. Nach übereinstimmendem Vortrag wurde auch ein den Anforderungen des Art. 240 § 5 Abs. 5 Nr.1 EGBGB entsprechender Gutschein versandt. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass ihm der Verweis auf einen Gutschein für ihn angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar sei. Es ist auch kein Zeitablauf nach Art. 240 § 5 Abs. 5 Nr.2 EGBGB eingetreten. 28Die vom Kläger vorgebrachten Einwände dahingehend, dass die Einnahmen bei der Beklagten noch vorhanden seien und die Beklagte die Mittel hätte, dem Kläger den Kaufpreis zu erstatten, laufen ins Leere. Die Voraussetzungen des Art. 240 § 5 Abs.1 S.1 EGBGB sind abschließend geregelt und die Norm sieht gerade keine Überprüfung der „Existenzbedrohung“ des Unternehmens vor. 29Auch ist die Norm gerade nicht auf Gastronomiebetriebe mit laufenden Kosten durch Mieten u.a. beschränkt, sondern umfasst alle Unternehmen, soweit der sachliche und örtliche Anwendungsbereich – wie hier – eröffnet ist. 303. 31Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Art. 240 § 5 Abs.1 S.1 EGBGB greifen nicht durch. Es liegt kein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG oder das Prinzip des Vertrauensschutzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG vor. 32Der Schutzbereich der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ist eröffnet und es liegt ein Eingriff vor, welcher jedoch verfassungsgemäß gerechtfertigt ist. 33Der persönliche und sachliche Schutzbereich des Art. 14 I S.1 GG ist eröffnet. Die über Art. 240 § 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB geregelte Gutscheinlösung betrifft die privatautonome Verfügungsbefugnis des Inhabers an einer entstandenen Forderung, die der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG unterliegt. Dabei schützt die Eigentumsgarantie nicht nur körperlich greifbare Sachen, sondern auch geldwerte Forderungen, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger privatnützig zugeordnet sind, auf Eigenleistungen beruhen und als materielle Grundlagen persönlicher Freiheit dienen (BVerfG, Beschluss vom 09. Januar 1991 – 1 BvR 929/89 –, BVerfGE 83, 201-216, Rn. 36). Eine solche von Art. 14 Abs. 1 GG umfasste Forderung ist etwa der Anspruch eines Verkäufers gegen den Käufer auf Zahlung des Kaufpreises (BVerfG, Beschluss vom 08. Juni 1977 – 2 BvR 499/74 –, BVerfGE 45, 142-186, Rn. 95). Entsprechend müssen auch Ansprüche, die aus gesetzlich erwachsenen Rückgewährschuldverhältnissen entspringen, dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG unterfallen. Diese Ansprüche knüpfen an den ursprünglichen Vertragsinhalt an, als die durch ihn einmal begründeten, aber nicht erfüllten primären Vertragspflichten aufgehoben werden und die bereits ausgetauschten Leistungen rückabzuwickeln sind (H. Schmidt, in: Hau/Poseck, a.a.O., § 346 BGB Rn. 6). Die Ansprüche sind mit Blick auf den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG die ursprünglichen (Zahlungs-)Forderungen (vgl. AG Frankfurt, Beschluss vom 28. September 2020 – 31 C 2036/20 m.w.N.). 34Bei der Stundung des gesetzlichen Erstattungsanspruchs und dem Austausch dessen in einen Berechtigungsschein für zukünftige Veranstaltungen handelt es sich um einen Eigentumseingriff in Form einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Ein Eingriff in die Eigentumsgarantie ist jedes staatliche Verhalten, das die Ausübung der grundrechtlichen Freiheit rechtlich oder tatsächlich unmöglich macht oder erschwert (Axer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, 43. Ed. 01.12.19, Art. 14 GG Rn. 69). Ein derartiger Eingriff in Form einer Inhalts- und Schrankenbestimmung liegt hier vor (vgl. AG Frankfurt a.a.O.; Eibenstein, COVuR 2020, 249 (251); Lorenz, a.a.O., § 1 Rn. 36), nachdem die Gutscheinlösung in Gestalt von Art. 240 § 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB die Rechte und Pflichten aus dem Veranstaltungsvertragsverhältnis für grundsätzlich bereits erworbene Forderungsansprüche neu festlegt. 35Der Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt.Die Verhältnismäßigkeitsprüfung folgt im Grundsatz den allgemeinen Regeln und erfordert eine Prüfung des legitimes Zwecks, der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit, wobei in der Rechtsprechung gerade im Hinblick auf die Angemessenheit von Eigentumsbeschränkungen bereichsspezifische Konkretisierungen erfolgen (vgl. BeckOK GG/Axer, 45. Ed. 1.12.2019, GG Art. 14 Rn. 88). 36Art. 240 § 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB verfolgt einen legitimes Zweck. 37Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht und damit speziell der Art. 240 § 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB soll die stark angeschlagene Veranstaltungsbranche vor einer Insolvenzwelle schützen. 38Für die Veranstalter und Betreiber sei infolge der Krise eine existenzbedrohende Situation entstanden. Eine Insolvenz würde neben den nachteiligen Folgen für die Gesamtwirtschaft und das kulturelle Angebot in der Bundesrepublik Deutschland voraussichtlich auch dazu führen, dass viele Inhaber von Eintrittskarten oder Nutzungsberechtigungen keine Rückerstattung erhalten würden. Diese Folgen sollen mit der o.g. Regelung zumindest verringert werden (vgl. BT-Drs. 19/18697, S. 5). 39Die Gutscheinlösung stellt auch ein geeignetes Mittel zur Zweckerreichung dar. 40Ein Mittel ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe das gewünschte Ziel gefördert werden kann. Dafür genügt es, dass die Gutscheinlösung die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass das angestrebte Ziel erreicht wird. Das Recht, die Eintrittskarte nicht erstatten zu müssen, belässt ihren Wert im Vermögen des Veranstalters und dient damit der Erhaltung seiner wirtschaftlichen Existenz. Es dient folglich auch der Abwendung der befürchteten nachteiligen Folgen für die Gesamtwirtschaft, dem kulturelle Angebot und den Kunden (vgl. BT-Drs. 19/18697, S. 5). 41Die Regelung ist auch erforderlich. 42Eine in Eigentumsrechte eingreifende Bestimmung von Inhalts- und Schrankenbestimmung ist erforderlich, wenn kein anderes, gleich wirksames, aber das Eigentum weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht (BVerfG NJW 2017, 217 Rn. 289; vgl. allg. zur Erforderlichkeit etwa BVerfG NJW 2007, 979 Tz. 83)). 43Das AG Frankfurt führt in seinem Beschluss vom 28. September 2020 – 31 C 2036/20 aus, dass anstelle des Bürgers der Staat die finanzielle Absicherung gewährleisten könne. In Betracht kämen etwa staatliche Maßnahmen in Form finanzieller Zuwendungen an die Veranstalter oder eine staatliche Garantie, falls der nicht eingelöste Gutschein nach dem 31. Dezember 2021 wegen der Insolvenz des Unternehmers wertlos geworden sei. Diese Maßnahmen könnten auch abgestuft vorgenommen werden, etwa indem das Recht zur Ausstellung von Gutscheinen von der Einwilligung der Veranstaltungsbesucher abhängig gemacht würde und erst dann, wenn sich diese hiermit nicht einverstanden erklärten, der Staat subsidiär finanziell unterstützt (vgl. auch Eibenstein, 9. Auflage 2020 Art. 240 §5 EGBGB).Dieser Rechtsauffassung folgt das Gericht nicht. 44Die Erforderlichkeit für eine Beeinträchtigung entfällt nicht allein schon deshalb, weil eine Finanzierung aus Steuermitteln durch den Staat für die Betroffenen ein milderes Mittel wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. November 2003 – 1 BvR 302/96 –, BVerfGE 109, 64-96, Rn. 199). Mildere Mittel sind nicht solche, die eine Kostenlast lediglich verschieben. Es liegt grundsätzlich im Ermessen des Gesetzgebers, die nach seiner Überzeugung gebotene und dem Gemeinwohl dienende Maßnahme zu bestimmen (BVerfG, Beschluss vom 03. April 2001 – 1 BvL 32/97 –, BVerfGE 103, 293-309, Rn. 53). Ob und in welchem Umfang die Kosten vom Verbraucher zu tragen sind, ist damit keine Frage der Erforderlichkeit, sondern der Zumutbarkeit der gesetzlichen Regelung. 45Andere mildere Mittel, die gleich effektiv wären, sind nicht ersichtlich. 46Der europäische Ansatz der freiwilligen Gutscheinlösung stellt zwar ein deutlich milderes Mittel dar, dieser wäre jedoch nicht genauso effektiv. Ebenso wäre es milder, die Stundung nur bei besonders betroffenen Vertragspartnern zuzulassen und zunächst eine Prüfung der „Existenzbedrohung“ der Veranstalter und Betreiber vorzunehmen. Diese Regelung wäre jedoch ebenfalls nicht gleich effektiv. Zunächst wäre fraglich, auf welchen Maßstab der Gefährdung abzustellen ist. Die Liquiditätsengpässe treten schließlich teilweise erst durch die vielfache Geltendmachung von Erstattungsansprüchen ein (vgl. Bömer/Nedelcu: Die Rückwirkung der Gutscheinlösung im Lichte des Verfassungs- und Intertemporalen Privatsrechts (NJOZ 2020,1217)). 47Die Regelung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. 48Im Rahmen von Eingriffen in Form einer Inhalts- und Schrankenbestimmung muss der Gesetzgeber die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen (BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 1969 – 1 BvL 3/66 –, BVerfGE 25, 112-124, Rn. 16). Er muss bei der Regelung des Eigentumsinhalts das Wohl der Allgemeinheit beachten und die Befugnisse und Pflichten des Eigentümers am Sozialstaatsprinzip orientieren (BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 1969 – 1 BvL 3/66 –, BVerfGE 25, 112-124, Rn. 16). 49Mithin darf die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigen Gründe stehen. 50Mit der Regelung des Art. 240 §5 EGBGB geht sowohl eine zinslose Stundung des Rückzahlungsanspruchs als auch die Verlagerung des Insolvenzrisikos einher. Zu berücksichtigen ist, dass der Gutschein nicht zweckgebunden ist und das es möglich ist, dass der Veranstalter überhaupt keine Aufführungen/Veranstaltungen der gleichen Art anbietet. Wie das AG Frankfurt in seinem Vorlagebeschluss zutreffend ausgeführt hat, besteht damit die Gefahr, dass der Veranstalter den Gutschein bis zum 01. Januar 2022 wie ein Darlehen nutzt, ohne dass der Kunde hierfür eine Kompensation erhält. 51Die sozialen und wirtschaftlichen Interessen des Kunden überwiegen jedoch nicht die Gründe des Allgemeinwohls sowie das wirtschaftliche und kulturelle Interesse der Veranstalter. 52Zunächst ist festzuhalten, dass der Eingriff relativ geringfügig ist. Es ist maßgeblich, dass für die Zeit der Stundung ein Gutschein gewährt wird. Die Belastung des Kunden liegt also darin, ein wertgleiches Ticket zu erwerben oder darin, dass er sein Geld erst später zu erhalten. 53Die Verhältnismäßigkeit der Regelung ergibt sich auch daraus, dass der Kunde unter bestimmten Voraussetzungen auch sofort dessen Auszahlung verlangen kann (vgl. Lorenz, a.a.O., § 1 Rn. 36).Soweit das AG Frankfurt hierzu ausführt, es handele sich um eine bloße Bagatellisierung, so ist zu beachten, dass nach dem Ticketkauf das Insolvenzrisiko grundsätzlich zunächst bei dem Kunden liegt. Der Kunde steht dadurch nur insoweit schlechter, als er das Insolvenzrisiko des Vertragspartners für einen längeren Zeitraum trägt. Hinzu kommt, dass die Gutscheinlösung gerade das zu tragende Insolvenzrisiko der Verbraucher verringern soll. Aufgrund der abgesagten Veranstaltungen im Zuge der Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus könnten alle Ticketkäufer ihre Rückzahlungsansprüche gleichzeitig geltend machen. Da viele Veranstalter und Betreiber dieser finanziellen Last nicht standhalten werden können, würde das zu massenhaften Insolvenzen führen und das wiederum dazu, dass der Großteil der Kunden ihr Geld nicht zurückbekommen würde. Es würde zu einem Wettlauf bei der Geltendmachung der Rückzahlungsansprüche kommen. Infolge der dadurch entstehenden Insolvenzen würde ein Großteil der Kunden ohne Kompensationsmöglichkeit leer ausgehen. Dass es nach Ablauf der Frist des Art. 240 §5 Abs. 5 Nr.2 EGBGB möglicherweise erneut zu massiven Rückforderungen kommt, ist zwar nicht auszuschließen - jedoch wird dieses Insolvenzrisiko durch möglicherweise zwischenzeitlich eingelöste Gutscheine und eine Erholung der Branche geringer sein. Damit soll die Regelung gerade auch die Ticketkäufer vor der Insolvenz der Veranstalter schützen. 54Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber in Art. 240 §5 Abs. 5 Nr.1 EGBGB eine Härtefallregelung getroffen hat. Soweit der Verweis auf einen Gutschein für den Kunden angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist, ist eine sofortige Erstattung möglich. Zwar ist es gesetzlich nicht normiert, wann eine solche Unzumutbarkeit vorliegt, jedoch kann die Norm insoweit verfassungsgemäß ausgelegt werden. Gewiss treffen den Kunden damit gewisse Offenbarungspflichten, das ändert jedoch nichts daran, dass der Gesetzgeber so eine Kompensationsmöglichkeit geschaffen hat, welche zur Abmilderung des Eingriffs führt (vgl. Bömer/Nedelcu: Die Rückwirkung der Gutscheinlösung im Lichte des Verfassungs- und Intertemporalen Privatsrechts (NJOZ 2020,1217). Etwas Anderes ergibt sich auch nicht, wie vom AG Frankfurt vorgetragen, aus der Gefahr seinen Anspruch ggf. einklagen zu müssen. Bei diesem Risiko handelt es sich um ein allgemeines Lebensrisiko, welches auch ohne die gesetzliche Regelung bestehen würde. 55Es liegt auch kein Verstoß gegen den verfassungsrechtlich geschützten Vertrauensschutz aus Art. 20 Abs. 3 GG vor. 56Das Gericht geht im vorliegenden Fall unabhängig von der Frage, ob hier eine sog. „echte“ oder „unechte“ Rückwirkung vorliegt, von einer zulässigen Rückwirkung aus. 57Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingreift, indem seine Rechtsfolge für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll (BVerfG, Beschl. v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08- Rn. 40 m.w.N.). Derartige Regelungen sind grundsätzlich unzulässig, sofern sie nicht ausnahmsweise durch zwingende Belange des Gemeinwohls oder ein nicht vorhandenes schutzbedürftiges Vertrauen des Einzelnen gestattet wird (vgl. Burghart in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 81. Auflage 2020, Art. 20 GG, Rn. 1621 m.w.N.) 58Demgegenüber spricht man von unechter Rückwirkung, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet. Das ist der Fall, wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits in Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung“). Sie ist grundsätzlich zulässig. Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese Grenzen sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfG, Beschl. v. 10. 10. 2012 – 1 BvL 6/07- Rn. 60 m.w.N.) 59Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem das entsprechende Rückgewährschuldverhältnis entstanden ist. Dieses erfolgte hier durch Rücktrittserklärung des Klägers am 17.06.2020 und damit nach dem Inkrafttreten des Art. 240 § 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB. 60Unabhängig davon liegen hier zwingende Belange des Gemeinwohls vor, sodass selbst eine „echte“ Rückwirkung, und damit erst recht eine „unechte“ Rückwirkung, gerechtfertigt wäre. 61Das Gemeinwohl ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, es bedarf daher einer Ausfüllung dieses Begriffs im konkreten Einzelfall. 62Dabei ist von einem verfassungsstaatlichen Gemeinwohlverständnis auszugehen, das sich an den "Gemeinwohlwerten" des Grundgesetzes wie Menschenwürde, Freiheit, Rechtssicherheit, Frieden und Wohlstand und damit an den Grundrechten, dem Rechtsstaats-, Sozialstaats- und Demokratieprinzip festmachen lässt. Es fasst vielfältige öffentliche Interessen, die in Staat und Gesellschaft wirksam sind, zu einer Zieleinheit zusammen (vgl. Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2006, § 71 Gemeinwohl) und steht damit im Gegensatz zum Einzelinteresse. 63Entsprechende Belange sind grundsätzlich innerhalb höchster Verfassungsgüter zu verorten (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 08.06.2011 – 2 BvR 2846/(BeckRS 2011, 51793); Beschl. v. 23.03.1971 – 2 BvL 2/66 (BeckRS 1971, 103659); Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 135). Zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses können damit aber auch der Schutz der Verbraucher, Dienstleistungsempfänger und Arbeitnehmer als auch die Ziele der Kulturpolitik gehören. Für den Kulturgüterschutz hat der EuGH insoweit ausdrücklich anerkannt, dass kulturelle Zwecke gewisse Behinderungen des freien Warenverkehrs rechtfertigen können, bzw. dass das allgemeine Interesse an der Erhaltung des historischen und künstlerischen Erbes ein zwingender Grund sein kann, der eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigt (vgl. EuGH, Urteil vom 25.7.1991, Rs. C-288/89; EuGH, Urteil vom 25.7.1991, Rs. C-353/89 (Kommission/Niederlande). Diese Rechtsgedanken sind hier übertragbar. 64Der Gesetzgeber musste den Art. 240 §5 EGBGB krisenbedingt gestalten. Die Folgen einer Insolvenzwelle der Veranstalter und Betreiber von Freizeit-, Sport-, und Kulturveranstaltungen würden sowohl die Veranstalter selbst, deren Arbeitnehmer, die Verbraucher (Wettlauf der Geltendmachung der Rückgewähransprüche, s.o.) als auch die Gesamtwirtschaft und das Kultur- und Freizeitangebot in Deutschland treffen. Auch im Hinblick auf die Kulturpflege als Staatsaufgabe liegt in der Wahrung der betroffenen Branchen ein Allgemeininteresse. Kulturpflege meint dabei eine öffentliche Verantwortung, die sich in den Formen der Kulturgutsicherung, des Kulturgutschutzes und der Kulturförderung einschließlich der vielfältigen Formen der Vermittlung von Kultur vollzieht (vgl. Steiner in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2006, § 86 Kultur). Der Kulturbegriff ist weit gefasst. „Kultur“ bezieht sich schwerpunktmäßig auf die Kunst in ihren klassischen und modernen Sparten, ferner auf bildungs-, wissenschafts- und kunstverwandte Sparten wie Archiv-, Museums- und Bibliothekswesen sowie Erwachsenenbildung, um schließlich in der Denkmals-, Landschafts-, Brauchtums- und Heimatpflege im soziologischen Kulturbegriff zu münden (vgl. vgl. Steiner in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2006, § 86 Kultur m.w.N.). 65Demgegenüber steht der relativ geringe Eingriff in die Eigentumsfreiheit, welcher zudem zeitlich begrenzt ist und eine Ausnahme für den Härtefall vorsieht (s.o.). Mithin überwiegt das Gemeinwohl das Bestandsinteresse des einzelnen Betroffenen. 66Insgesamt liegt die vom Gesetzgeber vorgesehene Gutscheinlösung jedenfalls noch im Rahmen des gesetzgeberischen Beurteilungs- und Prognosespielraums. 674.Ohne eine von der Beklagten zu erfüllende Hauptforderung hat der Kläger auch weder einen Zinsanspruch, noch einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. 685. 69Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1 S1, 708 Nr.11, 711 ZPO. 70Der Streitwert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt. 71Rechtsbehelfsbelehrung: 72A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist, 731. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder 742. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist. 75Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. 76Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Essen zu begründen. 77Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Essen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 78Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden. 79B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Essen statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. 80Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 81Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr: 82Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de. | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des rechtsstreits. das urteil ist vorläufig vollstreckbar. dem kläger bleibt nachgelassen, die zwangsvollstreckung gegen sicherheitsleistung in höhe von 110% des auf grund des urteils vollstreckbaren betrages abzuwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2der kläger macht rückzahlungsansprüche für eine gebuchte vip-box auf dem s-fest geltend, welches aufgrund der covid-19-pandemie abgesagt wurde. 3der kläger buchte bei der beklagten am 04.02.2020 eine vip box der blauen kategorie zum preis von 2.000 euro. dieser betrag wurde vom kläger auch beglichen. die beklagte annullierte die veranstaltung aufgrund der verordnungen zur bekämpfung des corona-virus und des damit einhergehenden veranstaltungsverbots. 4am 20. mai 2020 trat das gesetz zur abmilderung der folgen der covid-19-pandemie im veranstaltungsvertragsrecht und im recht der europäischen gesellschaft (se) und der europäischen genossenschaft (sce) vom 15. mai 2020 (bgbl. i s. 948; covveranstg) in kraft, welches artikel 240 des einführungsgesetzes zum bürgerlichen gesetzbuch um einen § 5, die sog. „gutscheinlösung“, ergänzte. 5der kläger forderte die beklagte mit schreiben vom 01.07.2020 auf, das geld für die vip box zu erstatten. dies lehnte die beklagte ab, unter verweis auf art. 240 §5 abs.1 egbgb und dem hinweis, dass eine erstattung aller tickets für sie das „finanzielle aus“ bedeuten würde. die beklagte übersandte dem kläger stattdessen einen gutschein, auf s.47 d.a. wird bezug genommen. 6der kläger behauptet, dass es der beklagten nur darum gehen würde, die bereits in enormer höhe durch die vorauszahlungen für das s-fest 2020 generierten einnahmen auf keinen fall zu erstatten, obwohl sie im moment noch vorhanden seien. er behauptet, dass die beklagte wahrheitswidrig behaupten würde, dass sie hohe kosten für personal- und büroräume habe und ihre insolvenz vorbereiten würde. auch würde sich keine existenzbedrohung für die beklagte daraus ergeben, wenn sie dem kläger die gezahlten 2.000 euro zurückerstatte. 7der kläger ist der ansicht, dass das gesetz zur abmilderung der folgen der covid-19-pandemie die unternehmen nicht pauschal davor schütze, laufende verbindlichkeiten begleichen zu müssen. vielmehr solle der schutz nur laufenden gastronomiebetrieben wie gaststätten und cafés dienen, die einen ausfall der umsätze auf der einen seite und bestehende verpflichtungen durch u.a. mietzahlungen auf der anderen seite haben. unternehmen, die für eine einmalveranstaltung im voraus erhebliche einnahmen generieren konnten, könnten sich hingegen nicht ihrer verpflichtung entledigen diese einnahmen wieder auskehren zu müssen. das würde zu einer einseitigen verlagerung des risikos der insolvenz auf den verbraucher führen. 8der kläger ist außerdem der ansicht, dass art. 240 §5 abs.4 egbgb in der jetzigen fassung nicht mit der verfassung und dem rechtstaatlichen vertrauensschutz vereinbar sei. 9ihm stünde ferner die erstattung außergerichtlicher rechtsanwaltskosten zu. 10der kläger beantragt, 11die beklagte zu verurteilen, an den kläger 2.000,00 euro nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 11.07.2020 zu zahlen und ihn von vorgerichtlichen anwaltskosten in höhe von 249,40 euro freizustellen. 12die beklagte beantragt, 13die klage abzuweisen. 14sie ist der ansicht, dass die risikoverlagerung des insolvenzrisikos durch art. 240 §5 abs.1 egbgb gerade gewollt sei. 15mit schriftsatz vom 17.12.2020 hat der kläger beantragt, die frage dem bundesverfassungsgericht dahingehend vorzulegen, ob die sog. gutscheinlösung mit der verfassung und dem rechtsstaatlichen vertrauensschutz vereinbar sei und hilfsweise das vorliegende verfahren bis zur entscheidung des bverfg auszusetzen. die beklagte hat erklärt, dass bedenken gegen eine aussetzung des verfahrens bestehen. 16 | 17die zulässige klage ist unbegründet. 181. 19das gericht ist von der verfassungsgemäßheit des art. 240 §5 abs.1 egbgb überzeugt, sodass es die sache nicht gem. art 100 gg dem bverfg zur prüfung vorgelegt hat. 20das verfahren war auch nicht gem. §148 zpo auszusetzen, da die beklagte erklärt hat, dass bedenken gegen die aussetzung bestehen. 21die aussetzung des verfahrens und vorlage an das bverfg sind nach art 100 gg zwingend, wenn das gericht ein entscheidungserhebliches gesetz für verfassungswidrig hält. das gericht kann dem nicht durch eine schlichte aussetzung im hinblick auf ein anderes bereits beim bverfg anhängiges verfahren entgehen. hält das gericht die betroffene vorschrift für verfassungsgemäß, muss sie es anwenden. es ist nicht wegen des anderweitigen normenkontrollverfahrens zu einer aussetzung berechtigt oder gar verpflichtet. soweit hier nicht beide parteien mit dem ruhen des verfahrens einverstanden sind, muss es weiterbetrieben werden. das ergibt sich aus dem gebot des effizienten rechtsschutzes (vgl. greger in: zöller, zivilprozessordnung, 33. aufl. 2020, § 148 zpo, rn. 3a). 222. 23der kläger hat keinen anspruch auf rückerstattung des ticketpreises für die vip-box gem. §§326 abs.5, 346 abs. 1, 275 abs. 1 u. 5 bgb in höhe von 2.000 euro. 24der kläger ist mit schreiben vom 01.07.2020 wirksam vom vertrag zurückgetreten gem. §§326 v, 346 abs. 1 bgb. 25die beklagte unterlag einem leistungsausschluss gemäß § 275 abs. 1 bgb. ihr ist die geschuldete leistung in form der konzertveranstaltung rechtlich unmöglich geworden, indem ihr durch die verordnungen zur bekämpfung des corona-virus und des damit einhergehenden veranstaltungsverbots die durchführung der veranstaltung untersagt wurde. der kläger hat den rücktritt von dem vertrag erklärt, indem er die beklagte zur rückerstattung des gezahlten preises aufgefordert hat. die erklärung war insoweit gem. § 133, § 157 bgb als rücktrittserklärung nach § 349 bgb auszulegen (vgl. gaier, in: mk-bgb, 8. aufl. 2019, § 349 bgb rn. 1). mithin ist zwischen den parteien ein rückgewährschuldverhältnis entstanden, im zuge dessen gem. §346 abs.1 bgb die empfangenen leistungen zurückzugewähren sind. 26hiervon bildet jedoch art. 240 § 5 abs. 1 s. 1 egbgb - in seiner fassung vom 15.05.2020, gültig ab 20.05.2020 bis zum 30.09.2022 - eine ausnahme (vgl. lorenz in schmidt, covid-19, rechtsfragen zur corona-krise 2. auflage 2020, § 1 rn. 36). die norm berechtigt veranstalter, dem inhaber einer vor dem 8. märz 2020 erworbenen eintrittskarte oder teilnahmeberechtigung anstelle der erstattung des eintrittspreises einen gutschein zu übergeben, wenn aufgrund der covid-19-pandemie eine musik-, kultur-, sport- oder sonstige freizeitveranstaltung nicht stattfinden konnte. bei nichteinlösung des gutscheins lebt der anspruch am 01.januar 2022 wieder auf, so dass es sich rechtlich um eine stundung handelt. 27die voraussetzungen des art. 240 § 5 abs.1 s.1 egbgb liegen vor.bei dem s-fest handelt es sich um eine sonstige freizeitveranstaltung, welche aufgrund der covid-19-pandemie nicht stattfinden konnte. damit ist art. 240 § 5 abs. 1 s. 1 egbgb im sachlichen anwendungsbereich eröffnet. der kläger hat die box am 04.02.2020 gebucht, mithin vor dem 08. märz 2019, so dass die norm auch in ihrem zeitlichen anwendungsbereich eröffnet ist. nach übereinstimmendem vortrag wurde auch ein den anforderungen des art. 240 § 5 abs. 5 nr.1 egbgb entsprechender gutschein versandt. der kläger hat auch nicht vorgetragen, dass ihm der verweis auf einen gutschein für ihn angesichts seiner persönlichen lebensumstände unzumutbar sei. es ist auch kein zeitablauf nach art. 240 § 5 abs. 5 nr.2 egbgb eingetreten. 28die vom kläger vorgebrachten einwände dahingehend, dass die einnahmen bei der beklagten noch vorhanden seien und die beklagte die mittel hätte, dem kläger den kaufpreis zu erstatten, laufen ins leere. die voraussetzungen des art. 240 § 5 abs.1 s.1 egbgb sind abschließend geregelt und die norm sieht gerade keine überprüfung der „existenzbedrohung“ des unternehmens vor. 29auch ist die norm gerade nicht auf gastronomiebetriebe mit laufenden kosten durch mieten u.a. beschränkt, sondern umfasst alle unternehmen, soweit der sachliche und örtliche anwendungsbereich – wie hier – eröffnet ist. 303. 31verfassungsrechtliche bedenken gegen art. 240 § 5 abs.1 s.1 egbgb greifen nicht durch. es liegt kein verstoß gegen die eigentumsgarantie aus art. 14 abs. 1 s. 1 gg oder das prinzip des vertrauensschutzes gemäß art. 20 abs. 3 gg vor. 32der schutzbereich der eigentumsgarantie aus art. 14 abs. 1 s. 1 gg ist eröffnet und es liegt ein eingriff vor, welcher jedoch verfassungsgemäß gerechtfertigt ist. 33der persönliche und sachliche schutzbereich des art. 14 i s.1 gg ist eröffnet. die über art. 240 § 5 abs. 1 s. 1 egbgb geregelte gutscheinlösung betrifft die privatautonome verfügungsbefugnis des inhabers an einer entstandenen forderung, die der eigentumsgarantie aus art. 14 abs. 1 s. 1 gg unterliegt. dabei schützt die eigentumsgarantie nicht nur körperlich greifbare sachen, sondern auch geldwerte forderungen, die nach art eines ausschließlichkeitsrechts dem rechtsträger privatnützig zugeordnet sind, auf eigenleistungen beruhen und als materielle grundlagen persönlicher freiheit dienen (bverfg, beschluss vom 09. januar 1991 – 1 bvr 929/89 –, bverfge 83, 201-216, rn. 36). eine solche von art. 14 abs. 1 gg umfasste forderung ist etwa der anspruch eines verkäufers gegen den käufer auf zahlung des kaufpreises (bverfg, beschluss vom 08. juni 1977 – 2 bvr 499/74 –, bverfge 45, 142-186, rn. 95). entsprechend müssen auch ansprüche, die aus gesetzlich erwachsenen rückgewährschuldverhältnissen entspringen, dem schutzbereich des art. 14 abs. 1 gg unterfallen. diese ansprüche knüpfen an den ursprünglichen vertragsinhalt an, als die durch ihn einmal begründeten, aber nicht erfüllten primären vertragspflichten aufgehoben werden und die bereits ausgetauschten leistungen rückabzuwickeln sind (h. schmidt, in: hau/poseck, a.a.o., § 346 bgb rn. 6). die ansprüche sind mit blick auf den schutzbereich des art. 14 abs. 1 gg die ursprünglichen (zahlungs-)forderungen (vgl. ag frankfurt, beschluss vom 28. september 2020 – 31 c 2036/20 m.w.n.). 34bei der stundung des gesetzlichen erstattungsanspruchs und dem austausch dessen in einen berechtigungsschein für zukünftige veranstaltungen handelt es sich um einen eigentumseingriff in form einer inhalts- und schrankenbestimmung im sinne des art. 14 abs. 1 s. 2 gg. ein eingriff in die eigentumsgarantie ist jedes staatliche verhalten, das die ausübung der grundrechtlichen freiheit rechtlich oder tatsächlich unmöglich macht oder erschwert (axer, in: epping/hillgruber, beckok gg, 43. ed. 01.12.19, art. 14 gg rn. 69). ein derartiger eingriff in form einer inhalts- und schrankenbestimmung liegt hier vor (vgl. ag frankfurt a.a.o.; eibenstein, covur 2020, 249 (251); lorenz, a.a.o., § 1 rn. 36), nachdem die gutscheinlösung in gestalt von art. 240 § 5 abs. 1 s. 1 egbgb die rechte und pflichten aus dem veranstaltungsvertragsverhältnis für grundsätzlich bereits erworbene forderungsansprüche neu festlegt. 35der eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt.die verhältnismäßigkeitsprüfung folgt im grundsatz den allgemeinen regeln und erfordert eine prüfung des legitimes zwecks, der geeignetheit, erforderlichkeit und angemessenheit, wobei in der rechtsprechung gerade im hinblick auf die angemessenheit von eigentumsbeschränkungen bereichsspezifische konkretisierungen erfolgen (vgl. beckok gg/axer, 45. ed. 1.12.2019, gg art. 14 rn. 88). 36art. 240 § 5 abs. 1 s. 1 egbgb verfolgt einen legitimes zweck. 37das gesetz zur abmilderung der folgen der covid-19-pandemie im veranstaltungsvertragsrecht und damit speziell der art. 240 § 5 abs. 1 s. 1 egbgb soll die stark angeschlagene veranstaltungsbranche vor einer insolvenzwelle schützen. 38für die veranstalter und betreiber sei infolge der krise eine existenzbedrohende situation entstanden. eine insolvenz würde neben den nachteiligen folgen für die gesamtwirtschaft und das kulturelle angebot in der bundesrepublik deutschland voraussichtlich auch dazu führen, dass viele inhaber von eintrittskarten oder nutzungsberechtigungen keine rückerstattung erhalten würden. diese folgen sollen mit der o.g. regelung zumindest verringert werden (vgl. bt-drs. 19/18697, s. 5). 39die gutscheinlösung stellt auch ein geeignetes mittel zur zweckerreichung dar. 40ein mittel ist geeignet, wenn mit seiner hilfe das gewünschte ziel gefördert werden kann. dafür genügt es, dass die gutscheinlösung die wahrscheinlichkeit erhöht, dass das angestrebte ziel erreicht wird. das recht, die eintrittskarte nicht erstatten zu müssen, belässt ihren wert im vermögen des veranstalters und dient damit der erhaltung seiner wirtschaftlichen existenz. es dient folglich auch der abwendung der befürchteten nachteiligen folgen für die gesamtwirtschaft, dem kulturelle angebot und den kunden (vgl. bt-drs. 19/18697, s. 5). 41die regelung ist auch erforderlich. 42eine in eigentumsrechte eingreifende bestimmung von inhalts- und schrankenbestimmung ist erforderlich, wenn kein anderes, gleich wirksames, aber das eigentum weniger einschränkendes mittel zur verfügung steht (bverfg njw 2017, 217 rn. 289; vgl. allg. zur erforderlichkeit etwa bverfg njw 2007, 979 tz. 83)). 43das ag frankfurt führt in seinem beschluss vom 28. september 2020 – 31 c 2036/20 aus, dass anstelle des bürgers der staat die finanzielle absicherung gewährleisten könne. in betracht kämen etwa staatliche maßnahmen in form finanzieller zuwendungen an die veranstalter oder eine staatliche garantie, falls der nicht eingelöste gutschein nach dem 31. dezember 2021 wegen der insolvenz des unternehmers wertlos geworden sei. diese maßnahmen könnten auch abgestuft vorgenommen werden, etwa indem das recht zur ausstellung von gutscheinen von der einwilligung der veranstaltungsbesucher abhängig gemacht würde und erst dann, wenn sich diese hiermit nicht einverstanden erklärten, der staat subsidiär finanziell unterstützt (vgl. auch eibenstein, 9. auflage 2020 art. 240 §5 egbgb).dieser rechtsauffassung folgt das gericht nicht. 44die erforderlichkeit für eine beeinträchtigung entfällt nicht allein schon deshalb, weil eine finanzierung aus steuermitteln durch den staat für die betroffenen ein milderes mittel wäre (vgl. bverfg, beschluss vom 18. november 2003 – 1 bvr 302/96 –, bverfge 109, 64-96, rn. 199). mildere mittel sind nicht solche, die eine kostenlast lediglich verschieben. es liegt grundsätzlich im ermessen des gesetzgebers, die nach seiner überzeugung gebotene und dem gemeinwohl dienende maßnahme zu bestimmen (bverfg, beschluss vom 03. april 2001 – 1 bvl 32/97 –, bverfge 103, 293-309, rn. 53). ob und in welchem umfang die kosten vom verbraucher zu tragen sind, ist damit keine frage der erforderlichkeit, sondern der zumutbarkeit der gesetzlichen regelung. 45andere mildere mittel, die gleich effektiv wären, sind nicht ersichtlich. 46der europäische ansatz der freiwilligen gutscheinlösung stellt zwar ein deutlich milderes mittel dar, dieser wäre jedoch nicht genauso effektiv. ebenso wäre es milder, die stundung nur bei besonders betroffenen vertragspartnern zuzulassen und zunächst eine prüfung der „existenzbedrohung“ der veranstalter und betreiber vorzunehmen. diese regelung wäre jedoch ebenfalls nicht gleich effektiv. zunächst wäre fraglich, auf welchen maßstab der gefährdung abzustellen ist. die liquiditätsengpässe treten schließlich teilweise erst durch die vielfache geltendmachung von erstattungsansprüchen ein (vgl. bömer/nedelcu: die rückwirkung der gutscheinlösung im lichte des verfassungs- und intertemporalen privatsrechts (njoz 2020,1217)). 47die regelung ist auch verhältnismäßig im engeren sinne. 48im rahmen von eingriffen in form einer inhalts- und schrankenbestimmung muss der gesetzgeber die schutzwürdigen interessen der beteiligten in einen gerechten ausgleich und ein ausgewogenes verhältnis bringen (bverfg, beschluss vom 15. januar 1969 – 1 bvl 3/66 –, bverfge 25, 112-124, rn. 16). er muss bei der regelung des eigentumsinhalts das wohl der allgemeinheit beachten und die befugnisse und pflichten des eigentümers am sozialstaatsprinzip orientieren (bverfg, beschluss vom 15. januar 1969 – 1 bvl 3/66 –, bverfge 25, 112-124, rn. 16). 49mithin darf die schwere des eingriffs bei einer gesamtabwägung nicht außer verhältnis zu dem gewicht der ihn rechtfertigen gründe stehen. 50mit der regelung des art. 240 §5 egbgb geht sowohl eine zinslose stundung des rückzahlungsanspruchs als auch die verlagerung des insolvenzrisikos einher. zu berücksichtigen ist, dass der gutschein nicht zweckgebunden ist und das es möglich ist, dass der veranstalter überhaupt keine aufführungen/veranstaltungen der gleichen art anbietet. wie das ag frankfurt in seinem vorlagebeschluss zutreffend ausgeführt hat, besteht damit die gefahr, dass der veranstalter den gutschein bis zum 01. januar 2022 wie ein darlehen nutzt, ohne dass der kunde hierfür eine kompensation erhält. 51die sozialen und wirtschaftlichen interessen des kunden überwiegen jedoch nicht die gründe des allgemeinwohls sowie das wirtschaftliche und kulturelle interesse der veranstalter. 52zunächst ist festzuhalten, dass der eingriff relativ geringfügig ist. es ist maßgeblich, dass für die zeit der stundung ein gutschein gewährt wird. die belastung des kunden liegt also darin, ein wertgleiches ticket zu erwerben oder darin, dass er sein geld erst später zu erhalten. 53die verhältnismäßigkeit der regelung ergibt sich auch daraus, dass der kunde unter bestimmten voraussetzungen auch sofort dessen auszahlung verlangen kann (vgl. lorenz, a.a.o., § 1 rn. 36).soweit das ag frankfurt hierzu ausführt, es handele sich um eine bloße bagatellisierung, so ist zu beachten, dass nach dem ticketkauf das insolvenzrisiko grundsätzlich zunächst bei dem kunden liegt. der kunde steht dadurch nur insoweit schlechter, als er das insolvenzrisiko des vertragspartners für einen längeren zeitraum trägt. hinzu kommt, dass die gutscheinlösung gerade das zu tragende insolvenzrisiko der verbraucher verringern soll. aufgrund der abgesagten veranstaltungen im zuge der verordnungen zur bekämpfung des corona-virus könnten alle ticketkäufer ihre rückzahlungsansprüche gleichzeitig geltend machen. da viele veranstalter und betreiber dieser finanziellen last nicht standhalten werden können, würde das zu massenhaften insolvenzen führen und das wiederum dazu, dass der großteil der kunden ihr geld nicht zurückbekommen würde. es würde zu einem wettlauf bei der geltendmachung der rückzahlungsansprüche kommen. infolge der dadurch entstehenden insolvenzen würde ein großteil der kunden ohne kompensationsmöglichkeit leer ausgehen. dass es nach ablauf der frist des art. 240 §5 abs. 5 nr.2 egbgb möglicherweise erneut zu massiven rückforderungen kommt, ist zwar nicht auszuschließen - jedoch wird dieses insolvenzrisiko durch möglicherweise zwischenzeitlich eingelöste gutscheine und eine erholung der branche geringer sein. damit soll die regelung gerade auch die ticketkäufer vor der insolvenz der veranstalter schützen. 54hinzu kommt, dass der gesetzgeber in art. 240 §5 abs. 5 nr.1 egbgb eine härtefallregelung getroffen hat. soweit der verweis auf einen gutschein für den kunden angesichts seiner persönlichen lebensumstände unzumutbar ist, ist eine sofortige erstattung möglich. zwar ist es gesetzlich nicht normiert, wann eine solche unzumutbarkeit vorliegt, jedoch kann die norm insoweit verfassungsgemäß ausgelegt werden. gewiss treffen den kunden damit gewisse offenbarungspflichten, das ändert jedoch nichts daran, dass der gesetzgeber so eine kompensationsmöglichkeit geschaffen hat, welche zur abmilderung des eingriffs führt (vgl. bömer/nedelcu: die rückwirkung der gutscheinlösung im lichte des verfassungs- und intertemporalen privatsrechts (njoz 2020,1217). etwas anderes ergibt sich auch nicht, wie vom ag frankfurt vorgetragen, aus der gefahr seinen anspruch ggf. einklagen zu müssen. bei diesem risiko handelt es sich um ein allgemeines lebensrisiko, welches auch ohne die gesetzliche regelung bestehen würde. 55es liegt auch kein verstoß gegen den verfassungsrechtlich geschützten vertrauensschutz aus art. 20 abs. 3 gg vor. 56das gericht geht im vorliegenden fall unabhängig von der frage, ob hier eine sog. „echte“ oder „unechte“ rückwirkung vorliegt, von einer zulässigen rückwirkung aus. 57eine echte rückwirkung liegt vor, wenn das gesetz nachträglich ändernd in einen abgeschlossenen sachverhalt eingreift, indem seine rechtsfolge für bereits abgeschlossene tatbestände gelten soll (bverfg, beschl. v. 17.12.2013 – 1 bvl 5/08- rn. 40 m.w.n.). derartige regelungen sind grundsätzlich unzulässig, sofern sie nicht ausnahmsweise durch zwingende belange des gemeinwohls oder ein nicht vorhandenes schutzbedürftiges vertrauen des einzelnen gestattet wird (vgl. burghart in: leibholz/rinck, grundgesetz, 81. auflage 2020, art. 20 gg, rn. 1621 m.w.n.) 58demgegenüber spricht man von unechter rückwirkung, wenn eine norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene sachverhalte und rechtsbeziehungen für die zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene rechtsposition entwertet. das ist der fall, wenn belastende rechtsfolgen einer norm erst nach ihrer verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits in werk gesetzten sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche rückanknüpfung“). sie ist grundsätzlich zulässig. allerdings können sich aus dem grundsatz des vertrauensschutzes und dem verhältnismäßigkeitsprinzip grenzen der zulässigkeit ergeben. diese grenzen sind erst überschritten, wenn die vom gesetzgeber angeordnete unechte rückwirkung zur erreichung des gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die bestandsinteressen der betroffenen die veränderungsgründe des gesetzgebers überwiegen (bverfg, beschl. v. 10. 10. 2012 – 1 bvl 6/07- rn. 60 m.w.n.) 59maßgeblich ist der zeitpunkt, in dem das entsprechende rückgewährschuldverhältnis entstanden ist. dieses erfolgte hier durch rücktrittserklärung des klägers am 17.06.2020 und damit nach dem inkrafttreten des art. 240 § 5 abs. 1 s. 1 egbgb. 60unabhängig davon liegen hier zwingende belange des gemeinwohls vor, sodass selbst eine „echte“ rückwirkung, und damit erst recht eine „unechte“ rückwirkung, gerechtfertigt wäre. 61das gemeinwohl ist ein unbestimmter rechtsbegriff, es bedarf daher einer ausfüllung dieses begriffs im konkreten einzelfall. 62dabei ist von einem verfassungsstaatlichen gemeinwohlverständnis auszugehen, das sich an den "gemeinwohlwerten" des grundgesetzes wie menschenwürde, freiheit, rechtssicherheit, frieden und wohlstand und damit an den grundrechten, dem rechtsstaats-, sozialstaats- und demokratieprinzip festmachen lässt. es fasst vielfältige öffentliche interessen, die in staat und gesellschaft wirksam sind, zu einer zieleinheit zusammen (vgl. isensee/kirchhof, handbuch des staatsrechts, 3. aufl. 2006, § 71 gemeinwohl) und steht damit im gegensatz zum einzelinteresse. 63entsprechende belange sind grundsätzlich innerhalb höchster verfassungsgüter zu verorten (vgl. etwa bverfg, beschl. v. 08.06.2011 – 2 bvr 2846/(beckrs 2011, 51793); beschl. v. 23.03.1971 – 2 bvl 2/66 (beckrs 1971, 103659); sachs, gg, 8. aufl. 2018, art. 20 rn. 135). zu den zwingenden gründen des allgemeininteresses können damit aber auch der schutz der verbraucher, dienstleistungsempfänger und arbeitnehmer als auch die ziele der kulturpolitik gehören. für den kulturgüterschutz hat der eugh insoweit ausdrücklich anerkannt, dass kulturelle zwecke gewisse behinderungen des freien warenverkehrs rechtfertigen können, bzw. dass das allgemeine interesse an der erhaltung des historischen und künstlerischen erbes ein zwingender grund sein kann, der eine beschränkung des freien dienstleistungsverkehrs rechtfertigt (vgl. eugh, urteil vom 25.7.1991, rs. c-288/89; eugh, urteil vom 25.7.1991, rs. c-353/89 (kommission/niederlande). diese rechtsgedanken sind hier übertragbar. 64der gesetzgeber musste den art. 240 §5 egbgb krisenbedingt gestalten. die folgen einer insolvenzwelle der veranstalter und betreiber von freizeit-, sport-, und kulturveranstaltungen würden sowohl die veranstalter selbst, deren arbeitnehmer, die verbraucher (wettlauf der geltendmachung der rückgewähransprüche, s.o.) als auch die gesamtwirtschaft und das kultur- und freizeitangebot in deutschland treffen. auch im hinblick auf die kulturpflege als staatsaufgabe liegt in der wahrung der betroffenen branchen ein allgemeininteresse. kulturpflege meint dabei eine öffentliche verantwortung, die sich in den formen der kulturgutsicherung, des kulturgutschutzes und der kulturförderung einschließlich der vielfältigen formen der vermittlung von kultur vollzieht (vgl. steiner in: isensee/kirchhof, handbuch des staatsrechts, 3. aufl. 2006, § 86 kultur). der kulturbegriff ist weit gefasst. „kultur“ bezieht sich schwerpunktmäßig auf die kunst in ihren klassischen und modernen sparten, ferner auf bildungs-, wissenschafts- und kunstverwandte sparten wie archiv-, museums- und bibliothekswesen sowie erwachsenenbildung, um schließlich in der denkmals-, landschafts-, brauchtums- und heimatpflege im soziologischen kulturbegriff zu münden (vgl. vgl. steiner in: isensee/kirchhof, handbuch des staatsrechts, 3. aufl. 2006, § 86 kultur m.w.n.). 65demgegenüber steht der relativ geringe eingriff in die eigentumsfreiheit, welcher zudem zeitlich begrenzt ist und eine ausnahme für den härtefall vorsieht (s.o.). mithin überwiegt das gemeinwohl das bestandsinteresse des einzelnen betroffenen. 66insgesamt liegt die vom gesetzgeber vorgesehene gutscheinlösung jedenfalls noch im rahmen des gesetzgeberischen beurteilungs- und prognosespielraums. 674.ohne eine von der beklagten zu erfüllende hauptforderung hat der kläger auch weder einen zinsanspruch, noch einen anspruch auf erstattung vorgerichtlicher rechtsanwaltskosten. 685. 69die nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 abs.1 s1, 708 nr.11, 711 zpo. 70der streitwert wird auf 2.000,00 eur festgesetzt. 71rechtsbehelfsbelehrung: 72a) gegen dieses urteil ist das rechtsmittel der berufung für jeden zulässig, der durch dieses urteil in seinen rechten benachteiligt ist, 731. wenn der wert des beschwerdegegenstandes 600,00 eur übersteigt oder 742. wenn die berufung in dem urteil durch das amtsgericht zugelassen worden ist. 75die berufung muss innerhalb einer notfrist von einem monat nach zustellung dieses urteils schriftlich bei dem landgericht essen, zweigertstr. 52, 45130 essen, eingegangen sein. die berufungsschrift muss die bezeichnung des urteils, gegen das die berufung gerichtet wird, sowie die erklärung, dass gegen dieses urteil berufung eingelegt werde, enthalten. 76die berufung ist, sofern nicht bereits in der berufungsschrift erfolgt, binnen zwei monaten nach zustellung dieses urteils schriftlich gegenüber dem landgericht essen zu begründen. 77die parteien müssen sich vor dem landgericht essen durch einen rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die berufungs- und die berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 78mit der berufungsschrift soll eine ausfertigung oder beglaubigte abschrift des angefochtenen urteils vorgelegt werden. 79b) gegen die streitwertfestsetzung ist die beschwerde an das amtsgericht essen statthaft, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,00 eur übersteigt oder das amtsgericht die beschwerde zugelassen hat. die beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs monaten, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem amtsgericht essen, zweigertstr. 52, 45130 essen, schriftlich in deutscher sprache oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle einzulegen. die beschwerde kann auch zur niederschrift der geschäftsstelle eines jeden amtsgerichtes abgegeben werden. 80ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann die beschwerde noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 81hinweis zum elektronischen rechtsverkehr: 82die einlegung ist auch durch übertragung eines elektronischen dokuments an die elektronische poststelle des gerichts möglich. das elektronische dokument muss für die bearbeitung durch das gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen signatur der verantwortenden person versehen sein oder von der verantwortenden person signiert und auf einem sicheren übermittlungsweg gemäß § 130a zpo nach näherer maßgabe der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (bgbl. 2017 i, s. 3803) eingereicht werden. weitere informationen erhalten sie auf der internetseite www.justiz.de. | Verklagte*r | 0 |
190,144 | 137 C 184/13 | 2013-08-22T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.142,- € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17.05.2012 aus 1.660,05 € sowie 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 481,95 € seit dem 13.07.2012 zu zahlen. Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.470,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins- satz seit 11.07.2013 zu zahlen. Etwaige durch die Anrufung des Amtsgerichts Bonn entstandene Mehr- kosten trägt die Klägerin. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden ihr zu 2/5 und der Beklagten zu 3/5 auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des jeweils aufgrund seiner zu vollstreckenden Betrages. 1Tatbestand: 2Die Klägerin betreibt eine Werbeagentur. 3Die Beklagte eröffnete im ‚Jahr 2012 ein Burger-Restaurant mit angeschlossenem Lieferdienst in Bonn. 4Sie beauftragte die Klägerin mit dem Entwurf/der Entwicklung einer „Corporate Identity“, d.h. im Wesentlichen eines sogenannten Logo, von Visitenkarten, Briefpapier, „Flyer“ und Speisekarten in demselben „Design“. Auf hierzu erbrachte Leistungen zahlte die Beklagte 6.810,37 €. Einschränkungen hinsichtlich eines Nutzungsrechts enthielt die Rechnung der Klägerin nicht. 5Weitere von der Klägerin erbrachte Leistungen, die in den Rechnungen vom 16.04. und 12.06.2013 (Blatt 4 f. der Gerichtsakten) aufgeführt sind, gab die Beklagte in Auftrag und wurden von der Klägerin erbracht. Auf die erstgenannte Rechnung zahlte die Beklagte die Hälfte. 6Im Juni 2012 kam im Verhältnis zwischen den Parteien das Gespräch auf den Umfang von dieser erworbener Nutzungsrechte an dem von der Klägerin Entworfenen. Mit elektronischem Schreiben vom 1.06.2012 teilte die Beklagte mit, sie habe sich vom Anwalt beraten lassen. Sie habe von Anfang an „das gesamte Konzept auf Franchisebasis hochziehen“ wollen. In keiner der Rechnungen sei ausgeführt, dass es ein eingeschränktes Nutzungsrecht gebe. Sie erwarte, dass sie die Dateien bekomme, um ihr geistiges Eigentum, ihre Speisekarte, ihr Produktangebot nach Belieben verändern zu können. Sie verlangte, dass ihr die Quelldaten bis 24.07.2012 zur Verfügung gestellt werden. Ansonsten sehe sie sich gezwungen, den Fall an den Anwalt weiterzugeben. Eine andere Möglichkeit sei, sie mache gar nichts mehr über die Agentur der Beklagten und klage ihr uneingeschränktes Nutzungsrecht ein. 7Die Klägerin erwiderte auf dem gleichen Wege, sie habe die Beklagte als „Start-Up“ gesehen und sie so berechnet. Sie hätte in ihr Angebot schreiben sollen, dass es nur für die Beklagte und ihren ersten Laden gilt und sie deshalb wenig berechne, andernfalls sie, die Klägerin, wenn das Geschäft der ‚Beklagten wachse, die Nutzung erweitere und deshalb diese in Rechnung stelle, was nur fair sei. Sie hätten sich überlegt, 500,- € einmalig pro Laden für die Nutzung „des gesamten Ces-Logo, Schrift, Farben, alle Drucksachen,“ zu berechnen, was sie, die Klägerin, ziemlich fair finde. Das habe man der Beklagten vorab alles erzählen und schriftlich im Angebot festhalten sollen. 8Wegen der Einzelheiten der elektronischen Korrespondenz zwischen den Parteien wird auf Anlage B 2 (Blatt 69 f. der Gerichtsakten) verwiesen. 9Durch Anwaltsschreiben vom 23.07.2012 (Anlage B 1, Blatt 25-27) ließ die Beklagte die Klägerin auffordern, bis spätestens 30.07.2012 klarstellend zu erklären, dass an den entwickelten Entwürfen und Leistungsergebnissen ihr, der Beklagten, ein ausschließliches, inhaltlich und zeitlich unbeschränktes Nutzungsrecht einschließlich des Bearbeitungsrechts eingeräumt worden sei. Eine weitere Option könne die Empfehlung sein, von einer Verwendung des von der Klägerin entwickelten „Corporate Designs“ vor dem Hintergrund der bestehenden Streitigkeiten insgesamt Abstand zu nehmen und eine andere Agentur mit der Neuentwicklung desselben zu beauftragen. Der Beklagten müsse in diesem Zusammenhang jedoch empfohlen werden, die Kosten für die Neuentwicklung unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes einzufordern. 10Durch Anwaltsschreiben vom 03.08.2012 (Anlage B 3, Blatt 71-73 der Gerichtsakten) ließ die Klägerin ausführen, wegen des Umstands, dass das „Corporate Design“ zunächst für ein einziges Restaurant erstellt werden und später ggf. Folgeaufträge erteilt werden sollten, sei der Beklagten ein äußerst günstiger Preis gemacht worden. Normalerweise seien die von der Klägerin erbrachten Leistungen deutlich teurer gewesen, insbesondere dann, wenn die Arbeiten von vornherein für mehrere Niederlassungen oder gar für ein Franchise-System beauftragt worden seien. Vereinbart gewesen sei für das Restaurant in Bonn ein sachlich und zeitlich unbeschränktes Nutzungsrecht. Dies werde auch nicht in Abrede gestellt. 11In der Folgezeit wendete die Beklagte 1.470,- € für die Erstellung eines neuen „Corporate-Design“ mit Erwerb sämtlicher Nutzungsrechte an den entworfenen Gestaltungen auf ‚(Rechnung N. vom „13/5/2013“, Anlage B 4, Blatt 74 der Gerichtsakte). 12Die Klägerin verlangt restliche Bezahlung ihrer Rechnungen vom 16.04. und 12.06.2013. 13Sie beantragt, 14 die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.142, € nebst 8 % Zinsen über dem 15 Basiszinssatz seit dem 17.05.2012 aus 1.660,05 € sowie 8 % Zinsen über 16 dem Basiszinssatz aus 481,95 € seit dem 13.07.2012 zu zahlen. 17Die Beklagte beantragt, 18 Klageabweisung 19und widerklagend, 20 die Klägerin zu verurteilen, an sie, die Beklagte, einen Betrag in Höhe von 21 1.470,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz 22 seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 23Sie behauptet, bei der Beauftragung der Klägerin sei eindeutig kommuniziert worden, dass neben dem Standort Bonn Erweiterungen auf andere Standorte geplant sind, an denen das Konzept entweder als zweiter Betriebssitz oder im Rahmen eines Franchise-Systems realisiert werden solle. Zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen habe eine Ladeneröffnung in Köln im Raum gestanden. 24Die Klägerin habe sich geweigert, die Entwürfe im offenen Dateiformat, z.B. EPS, zur Verfügung zu stellen, auf dass dann z.B. bei der Speisekarte Preisänderungen von ihr, der Beklagten, hätten selbst eingepflegt werden können. 25Die Beklagte meint, es fehle bereits an einem wirksamen Vertragsabschluss zwischen den Parteien, da diese sich über vertragswesentliche Bestandteile der Reichweite der eingeräumten Nutzungsrechte offenkundig nicht geeinigt hätten. 26Mit der Widerklage verlangt sie Erstattung ihres Aufwandes zur Bezahlung der Rechnung N.. 27Die Klägerin beantragt 28 Abweisung der Widerklage. 29Sie behauptet, bei ihrer Beauftragung sei nur von einem Geschäft in der S.str.. in Bonn die Rede gewesen, welches habe eröffnet werden sollen. Vielleicht, so habe die Beklagte geäußert, wolle sie später ein zweites Geschäft im Bonner Stadtteil Bad Godesberg eröffnen, aber erst, wenn sich herausgestellt habe, dass das erste Geschäft in Bonn gut gehe. Zu diesem Zeitpunkt sei nicht von dem „Corporate Design“ für ein überregional tätiges Unternehmen die Rede gewesen. 30Die Beklagte habe nach Fertigstellung des Entwurfs die zur eigenen Verwendung erforderlichen Logo-Daten erhalten, und zwar als offene Quelldatei im Format „Adobe Illustrator“. Sie sei so ohne Weiteres in der Lage gewesen, entsprechende Nachdrucke zu fertigen. 31Entscheidungsgründe: 32Die Klage ist begründet. 33Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung des zuerkannten Betrages von 1.660,05 € + 481,95 € = 2.142,- € gemäß §§ 433 Abs. 2, 631 BGB. 34Zwischen den Parteien kamen Werk- bzw. Kaufverträge über die Erbringung der unter dem 16.04. und 12.06.2012 (Blatt 4 f. der Gerichtsakten) in Rechnung gestellten Leistungen zustande, wobei lediglich hinsichtlich „Fotoshooting“ in Betracht kommt, dass es sich um eine Werkleistung handelt. Die Leistungen der Klägerin wurden alle ordnungsgemäß erbracht, so dass sich die Frage nicht stellt, ob zur Fälligkeit der Entgeltforderung teilweise eine Abnahme erforderlich ist. 35Die in Rechnung gestellten Beträge sind vereinbart. 36Das Zustandekommen des Vertrages scheitert nicht daran, dass sich die Parteien nicht ausdrücklich über die Rechte der Beklagten zur Nutzung eines von der Klägerin entworfenen Werks einigten. Vielmehr ist diesbezüglich der Vertrag nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen (§§ 133, 157 BGB) sowie unter Beachtung von § 31 Abs. 5 UrhG. 37Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 274 Abs. 1 BGB Zug um Zug gegen Erbringung irgendwelcher weiteren Leistungen der Klägerin zu verurteilen. 38Sie ist bereits nicht so zu verstehen, dass sie sich auf ein Zurückbehaltungsrecht mit dem Ziel beruft, noch Leistungen der Klägerin zu erhalten. Vielmehr hat sie, wie ihre Widerklage besonders deutlich macht, kein Interesse mehr an weiteren Leistungen der Klägerin, etwa, wie vorgerichtlich wohl begehrt, in der Form, dass diese den Umfang von der Beklagten erworbener Nutzungsrechte ausdrücklich wunschgemäß bestätigt. 39Die der Klägerin zuerkannten Zinsen können gemäß §§ 286 Abs. 3, 288 Abs. 2 BGB beansprucht werden. 40Begründet ist aber auch die Widerklage. 41Die Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von 1.470,- € gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB. 42Einen Schaden in dieser Höhe erlitt die Beklagte dadurch, dass die Klägerin eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis zwischen den Parteien verletzte. 43Ein solches Schuldverhältnis bestand aufgrund der Vereinbarung, die dazu führte, dass die Klägerin für die Beklagte all das schuf, was als „Corporate Design“ erstellt werden sollte, u.a. das „Logo“. Hierbei handelt es sich um ein Werk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG (vgl. Wandtke-Bullinger, 3. Auflage, § 2 Rn. 102), wie die Parteien auch übereinstimmend unterstellen. 44Damit war die Übertragung eines - in seinem Umfang möglicherweise umstrittenen.- Nutzungsrechts auf die Beklagte verbunden. Durch dieses blieb, auch wenn die Zurverfügungstellung des Entwurfs als Werkleistung abgeschlossen und bezahlt war, eine rechtliche Sonderverbindung zwischen den Parteien bestehen. 45Die darauf folgende Leistungstreueverpflichtung ‚(vgl. Palandt-Grüneberg, 69. Auflage, § 280 Rnrn. 25-27) verletzte die Klägerin, indem sie den Erwerb eines ausschließlichen Nutzungsrechts durch die Beklagte leugnete, insbesondere, nachdem ihr mit Anwaltsschreiben vom 23.07.2012 (Anlage B 1, Blatt 25-27 der Gerichtsakte) aus gegebenem Anlass eine Frist bis zum 30.07.2012 gesetzt worden war, das Bestehen eines ausschließlichen Nutzungsrechts klarzustellen, und als Alternative bereits die Geltendmachung von Schadensersatz wegen Neuentwicklung „des Designs“ in Aussicht gestellt wurde. 46Ein ausschließliches Nutzungsrecht erwarb die Beklagte mit dem Erhalt der Werkleistung Entwurf des „Corporate Design“ und dessen Bezahlung. Darüber einigten sich die Parteien zwar nicht ausdrücklich. In diesem Sinne durfte jedoch ein objektiver Dritter anstelle der Beklagten die Klägerin verstehen (§§ 133, 157 BGB). Das entspricht auch dem von den Parteien zugrunde gelegten Vertragszweck (§ 31 Abs. 5 UrhG). Ein „Corporate Design“ soll eine „Corporate Identity“ schaffen bzw. ermöglichen, d.h. eine Unternehmensidentität. Eine solche Identität wird schwerlich nur leihweise in der Weise erlangt, dass keinerlei Verfügung des Unternehmens darüber möglich ist, sondern diese bei demjenigen verbleibt, der ihm bei Entwicklung derselben behilflich ist. So könnte es vorkommen, dass ein Rechtsverletzer unbefugt Verwertungen vornimmt. Schwerlich entspricht es dem Sinn und Zweck der Vereinbarung über die Erstellung eines „Corporate Design“, dass der Unternehmer den Ersteller bitten muss, gegen den Rechtsverletzer vorzugehen, weil dies ihm, dem Unternehmer, aufgrund des Erwerbs eines lediglich einfachen Nutzungsrechts rechtlich (vgl. § 31 Abs. 2 und 3 UrhG) nicht möglich ist. Eben die Rechtslage, dass dem nicht so ist, durfte die Beklagte als durch die Klägerin spätestens in Abrede gestellt auffassen, als sie, die Klägerin, - mittlerweile anwaltlich vertreten – auf das Schreiben der Beklagten vom 23.07.2012 mit Schreiben vom 02.08.2012 zwar das Bestehen eines zeitlich und räumlich unbeschränkten Nutzungsrechts bestätigte, jedoch die Ausschließlichkeit im Ergebnis in Frage stellte. Denn sie beharrte darauf, dass die Beklagte den Auftrag nur für ein Restaurant in Bonn erteilt habe und führt aus, dass hierfür der Preis angemessen gewesen sei. 47Das Verhalten der Klägerin war dann nicht mehr so zu interpretieren, dass sie sich lediglich darauf berufen will, die bezogene Vergütung sei unangemessen niedrig, eine Vereinbarung derselben könne sie im Hinblick auf § 32 Abs. 3 UrhG nicht binden, sie wolle mehr. Dann hätte sie dies, zur Bestätigung des ausschließlichen Nutzungsrechts binnen bestimmter Frist aufgefordert, so eindeutig zum Ausdruck bringen müssen, dass die Beklagte sicher sein konnte, sie werde, wenn sie weitgehend ihr Nutzungsrecht verwertet, so denn ohne die Mithilfe der Klägerin technisch möglich, nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen. 48Bedingt durch die zumindest nicht eindeutige Erklärung der Klägerin nach eindeutiger Aufforderung der Beklagten durfte sich Letztere zu dem herausgefordert fühlen, was sie bereits mit Schreiben vom 23.07.2012 in Aussicht gestellt hatte, nämlich ein anderes Unternehmen mit dem Entwurf einer abgeänderten „Corporate Identity“ und Erwerb des damit verbundenen ausschließlichen Nutzungsrechts zu beauftragen und hierfür 1.470,- € auszugeben. 49Mit ihrer Entscheidung, angesichts des Verhaltens der Klägerin einen anderweitigen Auftrag zu erteilen, verletzte die Beklagte auch nicht ihre Obliegenheit gemäß § 254 Abs. 2 BGB, den Schaden möglichst niedrig zu halten. 50Angesichts bereits erfolgter Einschaltung von Rechtsanwälten auf beiden Seiten oblag es der Beklagten nicht, die anderweitige Auftragsvergabe und Rechtserwerbung, die dann erfolgte, noch einmal anzudrohen, nachdem dies bereits einmal in Aussicht gestellt worden war. 51Schadensminderungsmöglichkeiten, etwa durch Erhebung einer negativen Feststellungsklage, deren rechtskräftige Bescheidung im Übrigen auch Zeit erfordert hätte, trägt die Klägerin nicht vor, der hierzu die Darlegung oblegen hätte. 52Die ihr zuerkannten Zinsen kann die Beklagte gemäß § 288 Abs. 1 BGB beanspruchen. 53Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 495, 281 Abs. 3 Satz 2, 92 Abs. 2, 709 Satz 1 und 2 ZPO. 54Gebührenstreitwert: 3.612,- €. 55Ausgefertigt | die beklagte wird verurteilt, an die klägerin 2.142,- € nebst 8 % zinsen über dem basiszinssatz seit dem 17.05.2012 aus 1.660,05 € sowie 8 % zinsen über dem basiszinssatz aus 481,95 € seit dem 13.07.2012 zu zahlen. die klägerin wird verurteilt, an die beklagte einen betrag in höhe von 1.470,- € nebst zinsen in höhe von 5 %-punkten über dem basiszins- satz seit 11.07.2013 zu zahlen. etwaige durch die anrufung des amtsgerichts bonn entstandene mehr- kosten trägt die klägerin. die übrigen kosten des rechtsstreits werden ihr zu 2/5 und der beklagten zu 3/5 auferlegt. das urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen sicherheitsleistung in höhe von 120 v.h. des jeweils aufgrund seiner zu vollstreckenden betrages. 1 | 2die klägerin betreibt eine werbeagentur. 3die beklagte eröffnete im ‚jahr 2012 ein burger-restaurant mit angeschlossenem lieferdienst in bonn. 4sie beauftragte die klägerin mit dem entwurf/der entwicklung einer „corporate identity“, d.h. im wesentlichen eines sogenannten logo, von visitenkarten, briefpapier, „flyer“ und speisekarten in demselben „design“. auf hierzu erbrachte leistungen zahlte die beklagte 6.810,37 €. einschränkungen hinsichtlich eines nutzungsrechts enthielt die rechnung der klägerin nicht. 5weitere von der klägerin erbrachte leistungen, die in den rechnungen vom 16.04. und 12.06.2013 (blatt 4 f. der gerichtsakten) aufgeführt sind, gab die beklagte in auftrag und wurden von der klägerin erbracht. auf die erstgenannte rechnung zahlte die beklagte die hälfte. 6im juni 2012 kam im verhältnis zwischen den parteien das gespräch auf den umfang von dieser erworbener nutzungsrechte an dem von der klägerin entworfenen. mit elektronischem schreiben vom 1.06.2012 teilte die beklagte mit, sie habe sich vom anwalt beraten lassen. sie habe von anfang an „das gesamte konzept auf franchisebasis hochziehen“ wollen. in keiner der rechnungen sei ausgeführt, dass es ein eingeschränktes nutzungsrecht gebe. sie erwarte, dass sie die dateien bekomme, um ihr geistiges eigentum, ihre speisekarte, ihr produktangebot nach belieben verändern zu können. sie verlangte, dass ihr die quelldaten bis 24.07.2012 zur verfügung gestellt werden. ansonsten sehe sie sich gezwungen, den fall an den anwalt weiterzugeben. eine andere möglichkeit sei, sie mache gar nichts mehr über die agentur der beklagten und klage ihr uneingeschränktes nutzungsrecht ein. 7die klägerin erwiderte auf dem gleichen wege, sie habe die beklagte als „start-up“ gesehen und sie so berechnet. sie hätte in ihr angebot schreiben sollen, dass es nur für die beklagte und ihren ersten laden gilt und sie deshalb wenig berechne, andernfalls sie, die klägerin, wenn das geschäft der ‚beklagten wachse, die nutzung erweitere und deshalb diese in rechnung stelle, was nur fair sei. sie hätten sich überlegt, 500,- € einmalig pro laden für die nutzung „des gesamten ces-logo, schrift, farben, alle drucksachen,“ zu berechnen, was sie, die klägerin, ziemlich fair finde. das habe man der beklagten vorab alles erzählen und schriftlich im angebot festhalten sollen. 8wegen der einzelheiten der elektronischen korrespondenz zwischen den parteien wird auf anlage b 2 (blatt 69 f. der gerichtsakten) verwiesen. 9durch anwaltsschreiben vom 23.07.2012 (anlage b 1, blatt 25-27) ließ die beklagte die klägerin auffordern, bis spätestens 30.07.2012 klarstellend zu erklären, dass an den entwickelten entwürfen und leistungsergebnissen ihr, der beklagten, ein ausschließliches, inhaltlich und zeitlich unbeschränktes nutzungsrecht einschließlich des bearbeitungsrechts eingeräumt worden sei. eine weitere option könne die empfehlung sein, von einer verwendung des von der klägerin entwickelten „corporate designs“ vor dem hintergrund der bestehenden streitigkeiten insgesamt abstand zu nehmen und eine andere agentur mit der neuentwicklung desselben zu beauftragen. der beklagten müsse in diesem zusammenhang jedoch empfohlen werden, die kosten für die neuentwicklung unter dem gesichtspunkt des schadensersatzes einzufordern. 10durch anwaltsschreiben vom 03.08.2012 (anlage b 3, blatt 71-73 der gerichtsakten) ließ die klägerin ausführen, wegen des umstands, dass das „corporate design“ zunächst für ein einziges restaurant erstellt werden und später ggf. folgeaufträge erteilt werden sollten, sei der beklagten ein äußerst günstiger preis gemacht worden. normalerweise seien die von der klägerin erbrachten leistungen deutlich teurer gewesen, insbesondere dann, wenn die arbeiten von vornherein für mehrere niederlassungen oder gar für ein franchise-system beauftragt worden seien. vereinbart gewesen sei für das restaurant in bonn ein sachlich und zeitlich unbeschränktes nutzungsrecht. dies werde auch nicht in abrede gestellt. 11in der folgezeit wendete die beklagte 1.470,- € für die erstellung eines neuen „corporate-design“ mit erwerb sämtlicher nutzungsrechte an den entworfenen gestaltungen auf ‚(rechnung n. vom „13/5/2013“, anlage b 4, blatt 74 der gerichtsakte). 12die klägerin verlangt restliche bezahlung ihrer rechnungen vom 16.04. und 12.06.2013. 13sie beantragt, 14 die beklagte zu verurteilen, an sie 2.142, € nebst 8 % zinsen über dem 15 basiszinssatz seit dem 17.05.2012 aus 1.660,05 € sowie 8 % zinsen über 16 dem basiszinssatz aus 481,95 € seit dem 13.07.2012 zu zahlen. 17die beklagte beantragt, 18 klageabweisung 19und widerklagend, 20 die klägerin zu verurteilen, an sie, die beklagte, einen betrag in höhe von 21 1.470,- € nebst zinsen in höhe von 5 %-punkten über dem basiszinssatz 22 seit rechtshängigkeit zu zahlen. 23sie behauptet, bei der beauftragung der klägerin sei eindeutig kommuniziert worden, dass neben dem standort bonn erweiterungen auf andere standorte geplant sind, an denen das konzept entweder als zweiter betriebssitz oder im rahmen eines franchise-systems realisiert werden solle. zum zeitpunkt der vertragsverhandlungen habe eine ladeneröffnung in köln im raum gestanden. 24die klägerin habe sich geweigert, die entwürfe im offenen dateiformat, z.b. eps, zur verfügung zu stellen, auf dass dann z.b. bei der speisekarte preisänderungen von ihr, der beklagten, hätten selbst eingepflegt werden können. 25die beklagte meint, es fehle bereits an einem wirksamen vertragsabschluss zwischen den parteien, da diese sich über vertragswesentliche bestandteile der reichweite der eingeräumten nutzungsrechte offenkundig nicht geeinigt hätten. 26mit der widerklage verlangt sie erstattung ihres aufwandes zur bezahlung der rechnung n.. 27die klägerin beantragt 28 abweisung der widerklage. 29sie behauptet, bei ihrer beauftragung sei nur von einem geschäft in der s.str.. in bonn die rede gewesen, welches habe eröffnet werden sollen. vielleicht, so habe die beklagte geäußert, wolle sie später ein zweites geschäft im bonner stadtteil bad godesberg eröffnen, aber erst, wenn sich herausgestellt habe, dass das erste geschäft in bonn gut gehe. zu diesem zeitpunkt sei nicht von dem „corporate design“ für ein überregional tätiges unternehmen die rede gewesen. 30die beklagte habe nach fertigstellung des entwurfs die zur eigenen verwendung erforderlichen logo-daten erhalten, und zwar als offene quelldatei im format „adobe illustrator“. sie sei so ohne weiteres in der lage gewesen, entsprechende nachdrucke zu fertigen. 31 | 32die klage ist begründet. 33die klägerin hat gegen die beklagte einen anspruch auf zahlung des zuerkannten betrages von 1.660,05 € + 481,95 € = 2.142,- € gemäß §§ 433 abs. 2, 631 bgb. 34zwischen den parteien kamen werk- bzw. kaufverträge über die erbringung der unter dem 16.04. und 12.06.2012 (blatt 4 f. der gerichtsakten) in rechnung gestellten leistungen zustande, wobei lediglich hinsichtlich „fotoshooting“ in betracht kommt, dass es sich um eine werkleistung handelt. die leistungen der klägerin wurden alle ordnungsgemäß erbracht, so dass sich die frage nicht stellt, ob zur fälligkeit der entgeltforderung teilweise eine abnahme erforderlich ist. 35die in rechnung gestellten beträge sind vereinbart. 36das zustandekommen des vertrages scheitert nicht daran, dass sich die parteien nicht ausdrücklich über die rechte der beklagten zur nutzung eines von der klägerin entworfenen werks einigten. vielmehr ist diesbezüglich der vertrag nach treu und glauben mit rücksicht auf die verkehrssitte auszulegen (§§ 133, 157 bgb) sowie unter beachtung von § 31 abs. 5 urhg. 37die beklagte ist auch nicht gemäß § 274 abs. 1 bgb zug um zug gegen erbringung irgendwelcher weiteren leistungen der klägerin zu verurteilen. 38sie ist bereits nicht so zu verstehen, dass sie sich auf ein zurückbehaltungsrecht mit dem ziel beruft, noch leistungen der klägerin zu erhalten. vielmehr hat sie, wie ihre widerklage besonders deutlich macht, kein interesse mehr an weiteren leistungen der klägerin, etwa, wie vorgerichtlich wohl begehrt, in der form, dass diese den umfang von der beklagten erworbener nutzungsrechte ausdrücklich wunschgemäß bestätigt. 39die der klägerin zuerkannten zinsen können gemäß §§ 286 abs. 3, 288 abs. 2 bgb beansprucht werden. 40begründet ist aber auch die widerklage. 41die beklagte hat gegen die klägerin einen anspruch auf zahlung von 1.470,- € gemäß § 280 abs. 1 satz 1 bgb. 42einen schaden in dieser höhe erlitt die beklagte dadurch, dass die klägerin eine pflicht aus dem schuldverhältnis zwischen den parteien verletzte. 43ein solches schuldverhältnis bestand aufgrund der vereinbarung, die dazu führte, dass die klägerin für die beklagte all das schuf, was als „corporate design“ erstellt werden sollte, u.a. das „logo“. hierbei handelt es sich um ein werk im sinne von § 2 abs. 1 nr. 4 urhg (vgl. wandtke-bullinger, 3. auflage, § 2 rn. 102), wie die parteien auch übereinstimmend unterstellen. 44damit war die übertragung eines - in seinem umfang möglicherweise umstrittenen.- nutzungsrechts auf die beklagte verbunden. durch dieses blieb, auch wenn die zurverfügungstellung des entwurfs als werkleistung abgeschlossen und bezahlt war, eine rechtliche sonderverbindung zwischen den parteien bestehen. 45die darauf folgende leistungstreueverpflichtung ‚(vgl. palandt-grüneberg, 69. auflage, § 280 rnrn. 25-27) verletzte die klägerin, indem sie den erwerb eines ausschließlichen nutzungsrechts durch die beklagte leugnete, insbesondere, nachdem ihr mit anwaltsschreiben vom 23.07.2012 (anlage b 1, blatt 25-27 der gerichtsakte) aus gegebenem anlass eine frist bis zum 30.07.2012 gesetzt worden war, das bestehen eines ausschließlichen nutzungsrechts klarzustellen, und als alternative bereits die geltendmachung von schadensersatz wegen neuentwicklung „des designs“ in aussicht gestellt wurde. 46ein ausschließliches nutzungsrecht erwarb die beklagte mit dem erhalt der werkleistung entwurf des „corporate design“ und dessen bezahlung. darüber einigten sich die parteien zwar nicht ausdrücklich. in diesem sinne durfte jedoch ein objektiver dritter anstelle der beklagten die klägerin verstehen (§§ 133, 157 bgb). das entspricht auch dem von den parteien zugrunde gelegten vertragszweck (§ 31 abs. 5 urhg). ein „corporate design“ soll eine „corporate identity“ schaffen bzw. ermöglichen, d.h. eine unternehmensidentität. eine solche identität wird schwerlich nur leihweise in der weise erlangt, dass keinerlei verfügung des unternehmens darüber möglich ist, sondern diese bei demjenigen verbleibt, der ihm bei entwicklung derselben behilflich ist. so könnte es vorkommen, dass ein rechtsverletzer unbefugt verwertungen vornimmt. schwerlich entspricht es dem sinn und zweck der vereinbarung über die erstellung eines „corporate design“, dass der unternehmer den ersteller bitten muss, gegen den rechtsverletzer vorzugehen, weil dies ihm, dem unternehmer, aufgrund des erwerbs eines lediglich einfachen nutzungsrechts rechtlich (vgl. § 31 abs. 2 und 3 urhg) nicht möglich ist. eben die rechtslage, dass dem nicht so ist, durfte die beklagte als durch die klägerin spätestens in abrede gestellt auffassen, als sie, die klägerin, - mittlerweile anwaltlich vertreten – auf das schreiben der beklagten vom 23.07.2012 mit schreiben vom 02.08.2012 zwar das bestehen eines zeitlich und räumlich unbeschränkten nutzungsrechts bestätigte, jedoch die ausschließlichkeit im ergebnis in frage stellte. denn sie beharrte darauf, dass die beklagte den auftrag nur für ein restaurant in bonn erteilt habe und führt aus, dass hierfür der preis angemessen gewesen sei. 47das verhalten der klägerin war dann nicht mehr so zu interpretieren, dass sie sich lediglich darauf berufen will, die bezogene vergütung sei unangemessen niedrig, eine vereinbarung derselben könne sie im hinblick auf § 32 abs. 3 urhg nicht binden, sie wolle mehr. dann hätte sie dies, zur bestätigung des ausschließlichen nutzungsrechts binnen bestimmter frist aufgefordert, so eindeutig zum ausdruck bringen müssen, dass die beklagte sicher sein konnte, sie werde, wenn sie weitgehend ihr nutzungsrecht verwertet, so denn ohne die mithilfe der klägerin technisch möglich, nicht auf unterlassung in anspruch genommen. 48bedingt durch die zumindest nicht eindeutige erklärung der klägerin nach eindeutiger aufforderung der beklagten durfte sich letztere zu dem herausgefordert fühlen, was sie bereits mit schreiben vom 23.07.2012 in aussicht gestellt hatte, nämlich ein anderes unternehmen mit dem entwurf einer abgeänderten „corporate identity“ und erwerb des damit verbundenen ausschließlichen nutzungsrechts zu beauftragen und hierfür 1.470,- € auszugeben. 49mit ihrer entscheidung, angesichts des verhaltens der klägerin einen anderweitigen auftrag zu erteilen, verletzte die beklagte auch nicht ihre obliegenheit gemäß § 254 abs. 2 bgb, den schaden möglichst niedrig zu halten. 50angesichts bereits erfolgter einschaltung von rechtsanwälten auf beiden seiten oblag es der beklagten nicht, die anderweitige auftragsvergabe und rechtserwerbung, die dann erfolgte, noch einmal anzudrohen, nachdem dies bereits einmal in aussicht gestellt worden war. 51schadensminderungsmöglichkeiten, etwa durch erhebung einer negativen feststellungsklage, deren rechtskräftige bescheidung im übrigen auch zeit erfordert hätte, trägt die klägerin nicht vor, der hierzu die darlegung oblegen hätte. 52die ihr zuerkannten zinsen kann die beklagte gemäß § 288 abs. 1 bgb beanspruchen. 53die entscheidungen über die kosten und die vorläufige vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 495, 281 abs. 3 satz 2, 92 abs. 2, 709 satz 1 und 2 zpo. 54gebührenstreitwert: 3.612,- €. 55ausgefertigt | Klaeger*in | 1 |
164,582 | 20 O 124/14 | 2015-06-24T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 16.176,48 € nebst Zinsen in Höhe von 8%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.04.2014 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage wird festgestellt, dass der Klägerin für den Zeitraum vom 01.03.2014 bis zum 30.04.2014 keine Ansprüche gegen die Beklagte zustehen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 9 %, die Klägerin zu 91 %. Das Urteil ist für beide Parteien gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 1Tatbestand: 2Die Klägerin ist ein Unternehmen, das unter anderem im Bereich der Schnee – und Eisglättebekämpfung tätig ist. Die Beklagte schrieb im Jahr 2013 in der Stadt C 9 Lose zur Erbringung von Winterdienst aus. Die Klägerin, die bereits im Vorjahr für die Beklagte tätig war, bewarb sich ausweislich der Anl. K2 der Akte mit ihrem Angebot vom 29.08.2013 um 8 der 9 Lose. Aufgrund dieses Angebotes kam es zu Verhandlungen zwischen den Parteien. Grundlage dieser Verhandlungen war der von der Beklagten vorgelegte, mit "Rahmenvertrag für den Winterdienst" überschriebene, Vertrag, der für die Zeit vom 1.11.2013 bis zum 30.4.2014 befristet war. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es zum Abschluss dieses Vertrages gekommen ist. Die Klägerin unterschrieb diesen Vertrag am 16.12.2013. Eine Unterzeichnung seitens der Beklagten erfolgte nicht. 3Die Klägerin erbrachte in den Losen 2 und 6, also in den Stadtteilen O, U und T ab November 2013 Dienstleistungen, die sie für die Monate November 2013 bis Februar 2014 in Höhe von insgesamt 100.598,88 € in Rechnung stellte. Die Beklagte beglich Teilbeträge in Höhe von 5.009,66 €, so dass noch Forderungen i.H.v. insgesamt 95.589,22 € ( 22.490,44 € für November 2013 / 22.799,34 € für Dezember 2013 / jeweils 25.149,72 € für Januar und Februar 2014) offen sind, die die Klägerin mit der Klage geltend macht. Eine Klageerweiterung hinsichtlich des Leistungszeitraumes März und April 2014 behält sie sich ausdrücklich vor. 4Am 30.1.2014 kam es zu einem Gespräch zwischen den Parteien über die von der Klägerin erbrachten Leistungen, die die Beklagte bemängelte. Wegen des genauen Inhaltes des Gesprächs wird auf das Gesprächsprotokoll vom 30.1.2014 ( Anlage K 152 - Bl. 29 ff d.A.) Bezug genommen. Im Anschluss an dieses Gesprächs erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 30.1.2014 ( Bl. 18 f d.A.) die fristlose Kündigung des Rahmenvertrages und minderte zugleich die vereinbarten Flächen unter Berufung auf § 3 Abs. 2 bzw. § 9 Abs. 4 des Rahmenvertrages auf Null. Außerdem erklärte sie mit Bezug auf § 10 des Rahmenvertrages die Aufrechnung. Die Wirksamkeit dieser Reduzierung und der Kündigung ist zwischen den Parteien streitig 5Am 10.2.2014 kam es zu einem Telefonat zwischen den Parteien. Nach diesem Telefonat schickte der Geschäftsführer der Klägerin, Herr C1, der Beklagten eine E-Mail, die in der Betreffzeile den Vermerk: "Verzicht auf gegenseitige Forderungsansprüche" und in der Anlage ein mit "Vereinbarung" überschriebenes Schreiben enthielt. Wegen des genauen Inhaltes dieser E-Mail und des beigefügten Schreibens wird auf Bl. 20 und 21 der Akten Bezug genommen. . Mit E-Mail vom 11.2.2014 stimmt die Beklagte dem Text der Vereinbarung zu und bat um unterzeichnete Rücksendung der Vereinbarung. Eine Unterzeichnung seitens der Klägerin erfolgte nicht. Mit E-Mail vom 19.2.2014 übersandte die Beklagte der Klägerin ein unterschriebenes Exemplar der Vereinbarung. 6Die Klägerin ist der Auffassung, ihr Vergütungsanspruch ergebe sich aus dem Rahmenvertrag, der wirksam zu Stande gekommen sei. Eine etwaige Formbedürftigkeit sei jedenfalls durch Invollzugsetzung des Vertrages geheilt. Eine Reduzierung des Leistungsumfanges auf Null stehe der Beklagten nicht zu. Bei der am 10.2.2014 übersandten Datei handele es sich ersichtlich nur um einen Entwurf einer Vereinbarung, welche zu ihrer Wirksamkeit der beiderseitigen Unterzeichnung bedurft hätte. Eine vergleichsweise Einigung mit dem von der Beklagten behaupteten Inhalt läge nicht vor. Bei dem Telefonat sei dem Geschäftsführer suggeriert worden, dass nur der Monat Januar 2014 in Streit stehe und die Rechnungen der vorangegangenen Monate in voller Höhe ausgeglichen worden seien. Er habe erst später erfahren, dass auf die Rechnungen in November und Dezember 2013 nur Teilbeträge gezahlt worden seien. 7Die Klägerin beantragt, 8die Beklagte zu verurteilen, an sie 95.589,22 € nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag i.H.v. 68.897,84 € seit dem 18.4.2014 sowie auf den Betrag i.H.v. 46.761,38 € seit dem 26. 5. 2014 zu zahlen. 9Die Beklagte beantragt, 10die Klage abzuweisen. 11Im Wege der Widerklage beantragt sie, 12festzustellen, dass der Klägerin keine Ansprüche gegen die Beklagte für die Erbringung von Winterdienstleistungen im Zeitraum vom 1.3.2014 bis 30.4.2014 in den Stadtteilen O, U und T der Stadt C zustehen. 13Die Klägerin beantragt, 14die Widerklage abzuweisen. 15Die Beklagte ist der Auffassung, ein Vertrag sei nicht wirksam zu Stande gekommen, weil weder die Geschäftsführung der Beklagten noch die Geschäftsführung der H den als Anl. K1 beigefügten Vertrag unterschrieben haben. Die vereinbarte Schriftform sei daher nicht eingehalten. Ein Vergütungsanspruch aus der Vereinbarung vom 10.2.2014 sei noch nicht fällig, weil die Klägerin der Beklagten noch nicht die vereinbarte Gutschrift erteilt habe. 16Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. 17Entscheidungsgründe: 18Die Klage ist nur teilweise begründet. Die Widerklage ist zulässig und begründet. 19Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 16.176,48 € aus der Vereinbarung vom 10.2.2014 i.V.m. § 779 BGB. Weitergehende Ansprüche der Klägerin bestehen aufgrund dieser Vereinbarung nicht, so dass die weitergehende Klage abzuweisen und der Widerklage stattzugeben war. 20Es kann dahinstehen, ob zwischen den Parteien ein wirksamer Werkvertrag über die Erbringung von Winterdiensten in C in den Losen 2 und 6 geschlossen wurde, auch wenn die Tatsache, dass die Beklagte einen Teil der Rechnungen bezahlte und zudem mit Schreiben vom 30.1.2014“ die Kündigung des Rahmenvertrages“ erklärte, dafür spricht. Ebenso kann dahinstehen, ob die Klägerin ihre Leistungen aus dem Rahmenvertrag ordnungsgemäß erbracht hat, denn die Parteien haben eine Vereinbarung geschlossen (§ 779 BGB), mit der die gegenseitigen Ansprüche der Parteien geregelt wurden. Dieser Vergleich schafft für die eingegangene Leistungspflicht eine neue Rechtsgrundlage, die ein Zurückgreifen auf den alten Vertrag nicht mehr erlaubt. Danach kann die Klägerin aus den Rechnungsforderungen nur den im Vergleich festgelegten Betrag von der Beklagten fordern. 21Die Vereinbarung vom 10.2.2014 erfüllt alle Voraussetzungen eines Vergleichs gemäß § 779 BGB. Hiernach ist gegenseitiges Nachgeben erforderlich, d.h. ein Zugeständnis irgendwelcher Art um zu einer Einigung zu kommen. Wie sich aus dem von der Klägerin überreichten Gesprächsprotokoll vom 30.1.2014 ergibt, bestand zwischen den Parteien Streit über die Qualität der von der Klägerin erbrachten Leistungen und der Ansprüche, die sich für beide Parteien für die Vergangenheit und auch für die Zukunft daraus ergaben. Diesen Streit haben die Parteien in einem Gespräch vom 10.2.2014 durch einen Vergleich gemäß § 779 BGB beseitigt. Inhalt dieses Vergleiches war, dass die Beklagte nach Erstellung einer Gutschrift über 8973,24 € netto die Januarrechnung der Klägerin abzüglich dieses Gutschriftbetrages in voller Höhe begleicht und damit beiderseitig auf sämtliche etwaigen Forderungsansprüche aus dem am 30.1.2014 gekündigten Rahmenvertrag für den Winterdienst vom 16.12.2013 verzichtet werde. 22Den Inhalt dieses Vergleiches hat die Klägerin durch ihre E-Mail vom 10.2.2014 schriftlich bestätigt. Dieses Schreiben stellt ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben dar. 23Unter einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben ist ein von dem einen Vertragspartner an den anderen gerichtetes Schreiben zu verstehen, in dem der Absender seine Auffassung über das Zustandekommen und den Inhalt eines mündlich, fernmündlich oder telegrafisch geschlossenen Vertrages mitteilt. Es verkörpert die im Handelsverkehr übliche Art, den Inhalt eines in solcher Weise abgeschlossenen Geschäfts zu Beweiszwecken niederzulegen. Um als kaufmännisches Bestätigungsschreiben zu gelten, muss ein Schreiben nach seinem äußeren Erscheinungsbild zur Wiedergabe der Verhandlungen wenigstens deren wesentlichem Inhalt nach bestimmt sein. Nach Treu und Glauben und kaufmännischer Verkehrssitte ist der Empfänger eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens verpflichtet, unverzüglich zu widersprechen, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht gegen sich gelten lassen will. Unterlässt er den Widerspruch, so gilt der Vertrag als mit dem bestätigten Inhalt als geschlossen. 24Die Voraussetzungen für ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben liegen vor. 25Die Parteien sind Kaufleute und die Klägerin hat der Beklagten eine Vereinbarung übersandt, die den aus ihrer Sicht verhandelten Vertragsgegenstand abschließend wiedergegeben hat. 26Dafür spricht der Wortlaut der Betreffzeile der E-Mail vom 10.2.2014 ( Bl. 20 d.A.) und auch der sonstige Wortlaut. Denn dort ist die Rede von einem "Verzicht auf gegenseitige Forderungsansprüche" und es wird Bezug genommen auf "die soeben besprochene Vereinbarung". Der E-Mail angefügt ist zudem ein mit "Vereinbarung" überschriebenes Dokument, ohne dass irgendwie - z.B. mit einer Bitte um Gegenbestätigung - kenntlich gemacht wird, dass es sich hierbei möglicherweise nur um einen Entwurf handeln soll. Dies alles spricht nach der Auffassung der Kammer dafür, dass eine Vereinbarung schon mündlich zum Abschluss gebracht wurde und das Schreiben dazu dienen soll, den Inhalt der mündlichen Vereinbarung zu bestätigen. 27Obwohl bereits ein Schweigen der Beklagten auf diese E-Mail der Klägerin für die verbindliche Wirkung der Vereinbarung ausgereicht hätte, hat die Beklagte diesem Text auch noch ausdrücklich mit ihrer E-Mail vom 11.2.2014 zugestimmt. Die Beklagte muss daher den Inhalt dieses Schreibens gegen sich gelten lassen. Dies gilt aber ebenso für die Klägerin. Diese kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass es nach der Vereinbarung der Parteien zur Wirksamkeit dieser Vereinbarung auch noch der Unterzeichnung durch die Parteien bedurfte (§ 126 BGB). Zwar sieht die Vereinbarung am Ende Unterschriftszeilen vor und die Beklagte hat sie auch nicht nur gegengezeichnet, sondern auch die Klägerin um Unterzeichnung gebeten; da aber - wie bereits oben ausgeführt - der Wortlaut der E-Mails vom 10.2./11.2.2014 dafür spricht, dass eine Vereinbarung schon mündlich zum Abschluss gebracht wurde und das Bestätigungsschreiben nur dazu dienen soll, die mündliche Vereinbarung zu beurkunden, kommt ihm auch nur die Bedeutung eines Beweismittels zu, so dass die fehlende Unterzeichnung für die Wirksamkeit der Vereinbarung unbeachtlich ist. 28Die Vereinbarung ist auch nicht aufgrund eines Irrtums der Klägerin gemäß §§ 779 BGB unwirksam. Der Vortrag der Klägerin, sie habe sich bei Vertragsschluss über die Begleichung der Rechnungen für die Monate November und Dezember 2013 geirrt und erst im Nachgang des Vergleichs festgestellt, dass für diese Monate nur Teilbeträge gezahlt worden sein, lässt die Ungewissheit unberührt. Unabhängig davon, ob die Klägerin die Anfechtung überhaupt unverzüglich erklärt hat, war sie dazu jedenfalls nicht berechtigt. Denn die Unkenntnis der Begleichung von Rechnungen von November und Dezember 2013 stellt sich als unbeachtlicher Motivirrtum dar, der zulasten der Klägerin geht. 29Aufgrund des Vergleichs vom 10.2.2014 ist die Beklagte daher verpflichtet, die Januar-Rechnung i.H.v. 25.149,72 € auszugleichen, jedoch abzüglich des Guthabenbetrags i.H.v. 8.973,24 €, so dass ein Betrag von 16.176,48 € zu zahlen ist. Ein Zurückbehaltungsrecht und damit eine Zug um Zug Verurteilung stand der Beklagten hier nicht zu. Denn die Beklagte hat durch ihren Klageabweisungsantrag deutlich gemacht, dass sie selbst nicht an dieser Vereinbarung festhalten will, so dass sie sich selbst nicht vertragstreu verhalten hat. 30Die Beklagte ist aber aufgrund der Verzichtsvereinbarung der Parteien in dem Vergleich vom 10.2.2014 nicht zu weiteren Zahlungen, weder für die Monate November und Dezember 2013, noch für die Monate Februar bis April 2014 verpflichtet. Dies folgt nach der Auffassung der Kammer aus dem Wortlaut und dem Hintergrund der abgegebenen Erklärungen. Denn zwischen den Parteien bestand Streit über die Qualität der von der Klägerin erbrachten Leistungen. Die Beklagte wollte deshalb keine weiteren Leistungen der Klägerin mehr und hat das Vertragsverhältnis durch Kündigung beendet. Es standen Gegenansprüche der Beklagten wegen der von der Klägerin erbrachten Leistungen und wegen der Beendigung des Vertrages im Raum. Ferner war die Wirksamkeit der Kündigungserklärung im Streit. Wenn vor diesem Hintergrund die Erklärung abgegeben wird: „Damit werden beiderseitig auf sämtliche etwaigen Forderungsansprüche, aus dem am 30.1.2014 gekündigten Rahmenvertrag für den Winterdienst vom 16.12.2013, verzichtet" und zugleich die Vereinbarung wie folgt im Fettdruck überschrieben wird: „Verzicht auf gegenseitige Forderungsansprüche, infolge der Kündigung des Rahmenvertrages für den Winterdienst vom 30.1.2014“, ist dies ein eindeutiger Verzicht für die Klägerin auf etwaige Zahlungsansprüche aus dem Rahmenvertrag. 31Die Widerklage ist zulässig und begründet. Da die Klägerin sich Ansprüche für die Monate März und April 2014 berühmt, hat die Beklagte ein rechtliches Interesse im Sinne des §§ 256 ZPO an der Feststellung, dass der Klägerin für diese Zeit keine weiteren Ansprüche zustehen. 32Die Widerklage ist auch begründet, da der Klägerin – wie oben ausgeführt – tatsächlich keine weitergehenden Ansprüche gegen die Beklagte zustehen. 33Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO | die beklagte wird verurteilt an die klägerin 16.176,48 € nebst zinsen in höhe von 8%-punkten über dem basiszinssatz seit dem 18.04.2014 zu zahlen. im übrigen wird die klage abgewiesen. auf die widerklage wird festgestellt, dass der klägerin für den zeitraum vom 01.03.2014 bis zum 30.04.2014 keine ansprüche gegen die beklagte zustehen. die kosten des rechtsstreits tragen die beklagte zu 9 %, die klägerin zu 91 %. das urteil ist für beide parteien gegen sicherheitsleistung i.h.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. 1 | 2die klägerin ist ein unternehmen, das unter anderem im bereich der schnee – und eisglättebekämpfung tätig ist. die beklagte schrieb im jahr 2013 in der stadt c 9 lose zur erbringung von winterdienst aus. die klägerin, die bereits im vorjahr für die beklagte tätig war, bewarb sich ausweislich der anl. k2 der akte mit ihrem angebot vom 29.08.2013 um 8 der 9 lose. aufgrund dieses angebotes kam es zu verhandlungen zwischen den parteien. grundlage dieser verhandlungen war der von der beklagten vorgelegte, mit "rahmenvertrag für den winterdienst" überschriebene, vertrag, der für die zeit vom 1.11.2013 bis zum 30.4.2014 befristet war. zwischen den parteien ist streitig, ob es zum abschluss dieses vertrages gekommen ist. die klägerin unterschrieb diesen vertrag am 16.12.2013. eine unterzeichnung seitens der beklagten erfolgte nicht. 3die klägerin erbrachte in den losen 2 und 6, also in den stadtteilen o, u und t ab november 2013 dienstleistungen, die sie für die monate november 2013 bis februar 2014 in höhe von insgesamt 100.598,88 € in rechnung stellte. die beklagte beglich teilbeträge in höhe von 5.009,66 €, so dass noch forderungen i.h.v. insgesamt 95.589,22 € ( 22.490,44 € für november 2013 / 22.799,34 € für dezember 2013 / jeweils 25.149,72 € für januar und februar 2014) offen sind, die die klägerin mit der klage geltend macht. eine klageerweiterung hinsichtlich des leistungszeitraumes märz und april 2014 behält sie sich ausdrücklich vor. 4am 30.1.2014 kam es zu einem gespräch zwischen den parteien über die von der klägerin erbrachten leistungen, die die beklagte bemängelte. wegen des genauen inhaltes des gesprächs wird auf das gesprächsprotokoll vom 30.1.2014 ( anlage k 152 - bl. 29 ff d.a.) bezug genommen. im anschluss an dieses gesprächs erklärte die beklagte mit schreiben vom 30.1.2014 ( bl. 18 f d.a.) die fristlose kündigung des rahmenvertrages und minderte zugleich die vereinbarten flächen unter berufung auf § 3 abs. 2 bzw. § 9 abs. 4 des rahmenvertrages auf null. außerdem erklärte sie mit bezug auf § 10 des rahmenvertrages die aufrechnung. die wirksamkeit dieser reduzierung und der kündigung ist zwischen den parteien streitig 5am 10.2.2014 kam es zu einem telefonat zwischen den parteien. nach diesem telefonat schickte der geschäftsführer der klägerin, herr c1, der beklagten eine e-mail, die in der betreffzeile den vermerk: "verzicht auf gegenseitige forderungsansprüche" und in der anlage ein mit "vereinbarung" überschriebenes schreiben enthielt. wegen des genauen inhaltes dieser e-mail und des beigefügten schreibens wird auf bl. 20 und 21 der akten bezug genommen. . mit e-mail vom 11.2.2014 stimmt die beklagte dem text der vereinbarung zu und bat um unterzeichnete rücksendung der vereinbarung. eine unterzeichnung seitens der klägerin erfolgte nicht. mit e-mail vom 19.2.2014 übersandte die beklagte der klägerin ein unterschriebenes exemplar der vereinbarung. 6die klägerin ist der auffassung, ihr vergütungsanspruch ergebe sich aus dem rahmenvertrag, der wirksam zu stande gekommen sei. eine etwaige formbedürftigkeit sei jedenfalls durch invollzugsetzung des vertrages geheilt. eine reduzierung des leistungsumfanges auf null stehe der beklagten nicht zu. bei der am 10.2.2014 übersandten datei handele es sich ersichtlich nur um einen entwurf einer vereinbarung, welche zu ihrer wirksamkeit der beiderseitigen unterzeichnung bedurft hätte. eine vergleichsweise einigung mit dem von der beklagten behaupteten inhalt läge nicht vor. bei dem telefonat sei dem geschäftsführer suggeriert worden, dass nur der monat januar 2014 in streit stehe und die rechnungen der vorangegangenen monate in voller höhe ausgeglichen worden seien. er habe erst später erfahren, dass auf die rechnungen in november und dezember 2013 nur teilbeträge gezahlt worden seien. 7die klägerin beantragt, 8die beklagte zu verurteilen, an sie 95.589,22 € nebst zinsen i.h.v. 8 prozentpunkten über dem basiszinssatz auf den betrag i.h.v. 68.897,84 € seit dem 18.4.2014 sowie auf den betrag i.h.v. 46.761,38 € seit dem 26. 5. 2014 zu zahlen. 9die beklagte beantragt, 10die klage abzuweisen. 11im wege der widerklage beantragt sie, 12festzustellen, dass der klägerin keine ansprüche gegen die beklagte für die erbringung von winterdienstleistungen im zeitraum vom 1.3.2014 bis 30.4.2014 in den stadtteilen o, u und t der stadt c zustehen. 13die klägerin beantragt, 14die widerklage abzuweisen. 15die beklagte ist der auffassung, ein vertrag sei nicht wirksam zu stande gekommen, weil weder die geschäftsführung der beklagten noch die geschäftsführung der h den als anl. k1 beigefügten vertrag unterschrieben haben. die vereinbarte schriftform sei daher nicht eingehalten. ein vergütungsanspruch aus der vereinbarung vom 10.2.2014 sei noch nicht fällig, weil die klägerin der beklagten noch nicht die vereinbarte gutschrift erteilt habe. 16wegen des weiteren sach- und streitstandes wird auf die zwischen den parteien gewechselten schriftsätze nebst anlagen bezug genommen. 17 | 18die klage ist nur teilweise begründet. die widerklage ist zulässig und begründet. 19die klägerin hat gegen die beklagte einen anspruch auf zahlung von 16.176,48 € aus der vereinbarung vom 10.2.2014 i.v.m. § 779 bgb. weitergehende ansprüche der klägerin bestehen aufgrund dieser vereinbarung nicht, so dass die weitergehende klage abzuweisen und der widerklage stattzugeben war. 20es kann dahinstehen, ob zwischen den parteien ein wirksamer werkvertrag über die erbringung von winterdiensten in c in den losen 2 und 6 geschlossen wurde, auch wenn die tatsache, dass die beklagte einen teil der rechnungen bezahlte und zudem mit schreiben vom 30.1.2014“ die kündigung des rahmenvertrages“ erklärte, dafür spricht. ebenso kann dahinstehen, ob die klägerin ihre leistungen aus dem rahmenvertrag ordnungsgemäß erbracht hat, denn die parteien haben eine vereinbarung geschlossen (§ 779 bgb), mit der die gegenseitigen ansprüche der parteien geregelt wurden. dieser vergleich schafft für die eingegangene leistungspflicht eine neue rechtsgrundlage, die ein zurückgreifen auf den alten vertrag nicht mehr erlaubt. danach kann die klägerin aus den rechnungsforderungen nur den im vergleich festgelegten betrag von der beklagten fordern. 21die vereinbarung vom 10.2.2014 erfüllt alle voraussetzungen eines vergleichs gemäß § 779 bgb. hiernach ist gegenseitiges nachgeben erforderlich, d.h. ein zugeständnis irgendwelcher art um zu einer einigung zu kommen. wie sich aus dem von der klägerin überreichten gesprächsprotokoll vom 30.1.2014 ergibt, bestand zwischen den parteien streit über die qualität der von der klägerin erbrachten leistungen und der ansprüche, die sich für beide parteien für die vergangenheit und auch für die zukunft daraus ergaben. diesen streit haben die parteien in einem gespräch vom 10.2.2014 durch einen vergleich gemäß § 779 bgb beseitigt. inhalt dieses vergleiches war, dass die beklagte nach erstellung einer gutschrift über 8973,24 € netto die januarrechnung der klägerin abzüglich dieses gutschriftbetrages in voller höhe begleicht und damit beiderseitig auf sämtliche etwaigen forderungsansprüche aus dem am 30.1.2014 gekündigten rahmenvertrag für den winterdienst vom 16.12.2013 verzichtet werde. 22den inhalt dieses vergleiches hat die klägerin durch ihre e-mail vom 10.2.2014 schriftlich bestätigt. dieses schreiben stellt ein kaufmännisches bestätigungsschreiben dar. 23unter einem kaufmännischen bestätigungsschreiben ist ein von dem einen vertragspartner an den anderen gerichtetes schreiben zu verstehen, in dem der absender seine auffassung über das zustandekommen und den inhalt eines mündlich, fernmündlich oder telegrafisch geschlossenen vertrages mitteilt. es verkörpert die im handelsverkehr übliche art, den inhalt eines in solcher weise abgeschlossenen geschäfts zu beweiszwecken niederzulegen. um als kaufmännisches bestätigungsschreiben zu gelten, muss ein schreiben nach seinem äußeren erscheinungsbild zur wiedergabe der verhandlungen wenigstens deren wesentlichem inhalt nach bestimmt sein. nach treu und glauben und kaufmännischer verkehrssitte ist der empfänger eines kaufmännischen bestätigungsschreibens verpflichtet, unverzüglich zu widersprechen, wenn er den inhalt des schreibens nicht gegen sich gelten lassen will. unterlässt er den widerspruch, so gilt der vertrag als mit dem bestätigten inhalt als geschlossen. 24die voraussetzungen für ein kaufmännisches bestätigungsschreiben liegen vor. 25die parteien sind kaufleute und die klägerin hat der beklagten eine vereinbarung übersandt, die den aus ihrer sicht verhandelten vertragsgegenstand abschließend wiedergegeben hat. 26dafür spricht der wortlaut der betreffzeile der e-mail vom 10.2.2014 ( bl. 20 d.a.) und auch der sonstige wortlaut. denn dort ist die rede von einem "verzicht auf gegenseitige forderungsansprüche" und es wird bezug genommen auf "die soeben besprochene vereinbarung". der e-mail angefügt ist zudem ein mit "vereinbarung" überschriebenes dokument, ohne dass irgendwie - z.b. mit einer bitte um gegenbestätigung - kenntlich gemacht wird, dass es sich hierbei möglicherweise nur um einen entwurf handeln soll. dies alles spricht nach der auffassung der kammer dafür, dass eine vereinbarung schon mündlich zum abschluss gebracht wurde und das schreiben dazu dienen soll, den inhalt der mündlichen vereinbarung zu bestätigen. 27obwohl bereits ein schweigen der beklagten auf diese e-mail der klägerin für die verbindliche wirkung der vereinbarung ausgereicht hätte, hat die beklagte diesem text auch noch ausdrücklich mit ihrer e-mail vom 11.2.2014 zugestimmt. die beklagte muss daher den inhalt dieses schreibens gegen sich gelten lassen. dies gilt aber ebenso für die klägerin. diese kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass es nach der vereinbarung der parteien zur wirksamkeit dieser vereinbarung auch noch der unterzeichnung durch die parteien bedurfte (§ 126 bgb). zwar sieht die vereinbarung am ende unterschriftszeilen vor und die beklagte hat sie auch nicht nur gegengezeichnet, sondern auch die klägerin um unterzeichnung gebeten; da aber - wie bereits oben ausgeführt - der wortlaut der e-mails vom 10.2./11.2.2014 dafür spricht, dass eine vereinbarung schon mündlich zum abschluss gebracht wurde und das bestätigungsschreiben nur dazu dienen soll, die mündliche vereinbarung zu beurkunden, kommt ihm auch nur die bedeutung eines beweismittels zu, so dass die fehlende unterzeichnung für die wirksamkeit der vereinbarung unbeachtlich ist. 28die vereinbarung ist auch nicht aufgrund eines irrtums der klägerin gemäß §§ 779 bgb unwirksam. der vortrag der klägerin, sie habe sich bei vertragsschluss über die begleichung der rechnungen für die monate november und dezember 2013 geirrt und erst im nachgang des vergleichs festgestellt, dass für diese monate nur teilbeträge gezahlt worden sein, lässt die ungewissheit unberührt. unabhängig davon, ob die klägerin die anfechtung überhaupt unverzüglich erklärt hat, war sie dazu jedenfalls nicht berechtigt. denn die unkenntnis der begleichung von rechnungen von november und dezember 2013 stellt sich als unbeachtlicher motivirrtum dar, der zulasten der klägerin geht. 29aufgrund des vergleichs vom 10.2.2014 ist die beklagte daher verpflichtet, die januar-rechnung i.h.v. 25.149,72 € auszugleichen, jedoch abzüglich des guthabenbetrags i.h.v. 8.973,24 €, so dass ein betrag von 16.176,48 € zu zahlen ist. ein zurückbehaltungsrecht und damit eine zug um zug verurteilung stand der beklagten hier nicht zu. denn die beklagte hat durch ihren klageabweisungsantrag deutlich gemacht, dass sie selbst nicht an dieser vereinbarung festhalten will, so dass sie sich selbst nicht vertragstreu verhalten hat. 30die beklagte ist aber aufgrund der verzichtsvereinbarung der parteien in dem vergleich vom 10.2.2014 nicht zu weiteren zahlungen, weder für die monate november und dezember 2013, noch für die monate februar bis april 2014 verpflichtet. dies folgt nach der auffassung der kammer aus dem wortlaut und dem hintergrund der abgegebenen erklärungen. denn zwischen den parteien bestand streit über die qualität der von der klägerin erbrachten leistungen. die beklagte wollte deshalb keine weiteren leistungen der klägerin mehr und hat das vertragsverhältnis durch kündigung beendet. es standen gegenansprüche der beklagten wegen der von der klägerin erbrachten leistungen und wegen der beendigung des vertrages im raum. ferner war die wirksamkeit der kündigungserklärung im streit. wenn vor diesem hintergrund die erklärung abgegeben wird: „damit werden beiderseitig auf sämtliche etwaigen forderungsansprüche, aus dem am 30.1.2014 gekündigten rahmenvertrag für den winterdienst vom 16.12.2013, verzichtet" und zugleich die vereinbarung wie folgt im fettdruck überschrieben wird: „verzicht auf gegenseitige forderungsansprüche, infolge der kündigung des rahmenvertrages für den winterdienst vom 30.1.2014“, ist dies ein eindeutiger verzicht für die klägerin auf etwaige zahlungsansprüche aus dem rahmenvertrag. 31die widerklage ist zulässig und begründet. da die klägerin sich ansprüche für die monate märz und april 2014 berühmt, hat die beklagte ein rechtliches interesse im sinne des §§ 256 zpo an der feststellung, dass der klägerin für diese zeit keine weiteren ansprüche zustehen. 32die widerklage ist auch begründet, da der klägerin – wie oben ausgeführt – tatsächlich keine weitergehenden ansprüche gegen die beklagte zustehen. 33die prozessualen nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 abs. 1, 709 zpo | Klaeger*in | 1 |
165,080 | 2 K 3754/13 | 2015-06-02T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % der jeweils vollstreckbaren Kosten leistet. 1Tatbestand: 2Der am 0.0.1979 geborene Kläger wurde am 1. Oktober 1999 als Polizeimeister-Anwärter (Beamter auf Widerruf) im mittleren Polizeivollzugsdienst des beklagten Landes eingestellt. Mit Wirkung vom 1. April 2002 wurde er unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Probe zum Polizeimeister „zur Anstellung (z.A.)“ ernannt und zum Polizeipräsidium X. versetzt. Zum 1. Oktober 2003 wurde er zum Polizeimeister ernannt. 3Mit Bescheid vom 25. Juli 2006 enthob der Beklagte den Kläger gestützt auf § 38 Abs. 1 LDG NRW vorläufig des Dienstes unter Hinweis darauf, dass angesichts des mehrmaligen Fehlverhaltens des Klägers und der daraufhin eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungen im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung bzw. Entlassung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werde müsse. 4Mit Beschluss vom 7. Mai 2008 (35 K 4711/06.O) lehnte das Gericht den Antrag des Klägers auf Aussetzung der angeordneten vorläufigen Dienstenthebung ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW sei gerechtfertigt, da die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis hinreichend wahrscheinlich sei. Eine Entlassung sei mit Blick auf die vom Kläger außerhalb der Dienstausübung verübten Taten gerechtfertigt. Die vom Kläger gezeigten Verhaltensweisen hätten bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge. 5Mit Bescheid des Polizeipräsidiums X. vom 26. Januar 2009 wurde der Kläger sodann gem. § 34 Abs. 1 Nr. 1 LBG NRW alte Fassung (a.F.) ohne Einhaltung einer Frist aus dem Polizeivollzugsdienst des beklagten Landes entlassen. Die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet. Den hiergegen gerichteten vorläufigen Rechtsschutzantrag des Klägers lehnte die erkennende Kammer mit Beschluss vom 12. März 2009 (2 L 201/09) ab. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) mit Beschluss vom 6. Mai 2009 (6 B 428/09) zurück. Die gegen die Entlassung angestrengte Klage wies die erkennende Kammer mit Urteil vom 4. August 2009 (2 K 1118/09) ab. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das OVG NRW mit Beschluss vom 30. April 2010 (6 A 2055/09) ab. 6Mit Schreiben vom 7. September 2011 und 10. April 2012 beantragte der Kläger die Entfernung der Disziplinarvorgänge aus seiner Personalakte. Mit Bescheid vom 24. April 2012, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, lehnte der Beklagte die Entfernung und Vernichtung der Disziplinarvorgänge aus der Personalakte des Klägers ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Eine Entfernung von Disziplinarvorgängen aus der Personalakte sei in § 16 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 LDG NRW nur für Vorgänge hinsichtlich der Disziplinarmaßnahmen des Verweises, der Geldbuße und der Kürzung der Dienstbezüge vorgesehen. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass alle Disziplinarvorgänge, die mit der Entfernung aus dem Dienst oder bei Beamten auf Probe durch Entlassung endeten, keiner Tilgung aus der Personalakte unterlägen. 7Auf den hiergegen vom Kläger mit Schreiben vom 5. Mai 2012 erhobenen Widerspruch teilte der Beklagte mit Schreiben vom 15. Mai 2012 mit, dass ein Widerspruchsverfahren gegen die Verfügung vom 24. April 2012 nicht stattfinde; da eine Rechtsbehelfsbelehrung im vorgenannten Bescheid unterblieben sei, könne der Kläger nach § 58 Abs. 2 VwGO innerhalb eines Jahres Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht erheben. 8Der Kläger hat am 15. April 2013 Klage erhoben und führt zur Begründung aus: Disziplinarvorgänge, welche weder einer Verwertungs- noch einer Tilgungsregelung unterlägen, seien aus der Personalakte zu entfernen. Dies ergebe sich bereits aus § 89 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG NRW, der einen entsprechenden Löschungsanspruch vorsehe, wenn – wie hier der Fall – die Tilgungsvorschriften des Disziplinarrechts nicht angewendet werden können. 9Der Kläger beantragt schriftsätzlich, 10den Bescheid des Beklagten vom 24. April 2012 aufzuheben und ihn zu verpflichten, alle seine Person betreffenden Daten und Unterlagen disziplinarrechtlichen Inhalts und Hintergrunds aus der zu seiner Person angelegten Personalakte und ggf. aus sonstigen (elektronischen) Speicherdateien zu löschen bzw. zu vernichten, 11hilfsweise, 12Vorgenanntes, unter Ausnahme ausschließlich des Rubrums sowie des Tenors der erlassenen Entlassungsverfügung vom 26. Januar 2009 durch entsprechende Unkenntlichmachung der dort übrigen (disziplinarinhaltlichen) Angaben. 13Der Beklagte beantragt schriftsätzlich, 14die Klage abzuweisen. 15Zur Begründung wiederholt und vertieft er die im angegriffenen Bescheid vom 24. April 2012 angegebenen Gründe. 16Der Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 23. April 2015, der Kläger mit Schriftsatz vom 14. Mai 2015 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. 17Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. 18Entscheidungsgründe: 19Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). 20Die unter den Voraussetzungen des § 58 Abs. 2 VwGO fristgemäß erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig, jedoch nicht begründet. 21Die Ablehnung der Entfernung und Vernichtung der Disziplinarvorgänge aus der Personalakte des Klägers mit Bescheid des Beklagten vom 24. April 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf eine solche Entfernung bzw. Vernichtung. 22Zur Begründung wird entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO zunächst auf die Gründe des angegriffenen Bescheides verwiesen, die das Gericht für zutreffend erachtet und denen es deshalb folgt. 23Ergänzend gilt mit Blick auf das Vorbringen des Klägers im Klageverfahren Folgendes: 24Den geltend gemachten Anspruch auf Entfernung der Disziplinarvorgänge aus seiner Personalakte kann der Kläger nicht auf § 16 Abs. 1 und Abs. 3 LDG NRW stützen. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift darf ein Verweis nach 2 Jahren, eine Geldbuße, eine Kürzung der Dienstbezüge und eine Kürzung des Ruhegehaltes nach 3 Jahren und eine Zurückstufung nach 7 Jahren bei weiteren Disziplinarmaßnahmen oder bei sonstigen Personalmaßnahmen nicht mehr berücksichtigt werden (Verwertungsverbot). Nach Abs. 3 der Vorschrift sind Eintragungen in der Personalakte über Verweis, Geldbuße, Kürzung der Dienstbezüge und Kürzung des Ruhegehaltes, einschließlich der über diese Disziplinarmaßnahmen entstandenen Vorgänge mit Eintritt des Verwertungsverbotes von Amts wegen zu entfernen und zu vernichten. Das Rubrum und der Tenor einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung, mit der auf eine Zurückstufung erkannt wurde, verbleiben in der Personalakte. Nach Abs. 4 der Vorschrift gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend für Disziplinarvorgänge, die nicht zu einer Disziplinarmaßnahme geführt haben. 25Diese gesetzlichen Regelungen zeigen, dass das Verwertungsverbot einerseits und die Tilgung andererseits miteinander verzahnt sind. Sobald das Verwertungsverbot nach § 16 Abs. 1 LDG NRW greift, sind die Vorgänge aus den Personalakten gem. § 16 Abs. 3 LDG NRW zu tilgen. Hinsichtlich des Verwertungsverbotes trifft das Gesetz eine abgestufte Regelung, wonach entsprechend der Art und der Schwere der in § 5 Abs. 1 LDG NRW aufgezählten Disziplinarmaßnahmen unterschiedlich lange Fristen für den Eintritt eines Verwertungsverbotes aufgestellt werden. Das für die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als schwerwiegendste Disziplinarmaßnahme keine Frist festgelegt ist, bedeutet indes nicht ‑ wie der Kläger meint ‑, dass solche Vorgänge einem sofortigen Verwertungsverbot unterliegen und dementsprechend aus der Personalakte entfernt und vernichtet werden müssen. Vielmehr ergibt sich aus der gesetzlichen Systematik und dem Sinn und Zweck der Norm ohne weiteres, dass Disziplinarvorgänge betreffend eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. dementsprechend bei Probezeitbeamten wie dem Kläger die Entlassung gem. § 34 Abs. 1 Nr. 1 LBG NRW a.F. (nunmehr § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Beamtenstatusgesetz) keinem Verwertungsverbot unterliegen und demgemäß auch nicht aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten sind. 26Wieland, in: Praxis der Kommunalverwaltung, Landesausgabe NRW, C 13-LDG NRW, Loseblatt, Stand: Februar/März 2015. 27Einen sein Begehren stützenden Anspruch kann der Kläger auch nicht aus § 89 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG NRW herleiten. Diese Vorschrift ist ihrem eindeutigen Wortlaut nach subsidiär und findet nur dann Anwendung, wenn die Tilgungsvorschriften des Disziplinarrechtes keine Anwendung finden. Dies ist hier jedoch der Fall. Die Tilgungsvorschriften des § 16 Abs. 3 LDG NRW finden wie gezeigt auch Anwendung auf Disziplinarvorgänge betreffend die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, nämlich mit der Maßgabe, dass diese Disziplinarvorgänge keinem Verwertungsverbot unterliegen und dementsprechend nicht aus der Personalakte entfernt und vernichtet werden müssen. 28Nach obigen Ausführungen bleibt auch dem hilfsweise gestellten Antrag des Klägers der Erfolg versagt. 29Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar.der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % der auf grund des urteils vollstreckbaren kosten abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % der jeweils vollstreckbaren kosten leistet. 1 | 2der am 0.0.1979 geborene kläger wurde am 1. oktober 1999 als polizeimeister-anwärter (beamter auf widerruf) im mittleren polizeivollzugsdienst des beklagten landes eingestellt. mit wirkung vom 1. april 2002 wurde er unter verleihung der eigenschaft eines beamten auf probe zum polizeimeister „zur anstellung (z.a.)“ ernannt und zum polizeipräsidium x. versetzt. zum 1. oktober 2003 wurde er zum polizeimeister ernannt. 3mit bescheid vom 25. juli 2006 enthob der beklagte den kläger gestützt auf § 38 abs. 1 ldg nrw vorläufig des dienstes unter hinweis darauf, dass angesichts des mehrmaligen fehlverhaltens des klägers und der daraufhin eingeleiteten strafrechtlichen ermittlungen im disziplinarverfahren voraussichtlich auf entfernung bzw. entlassung aus dem beamtenverhältnis erkannt werde müsse. 4mit beschluss vom 7. mai 2008 (35 k 4711/06.o) lehnte das gericht den antrag des klägers auf aussetzung der angeordneten vorläufigen dienstenthebung ab. zur begründung führte es im wesentlichen aus: die vorläufige dienstenthebung nach § 38 abs. 1 satz 1 ldg nrw sei gerechtfertigt, da die entlassung des klägers aus dem beamtenverhältnis hinreichend wahrscheinlich sei. eine entlassung sei mit blick auf die vom kläger außerhalb der dienstausübung verübten taten gerechtfertigt. die vom kläger gezeigten verhaltensweisen hätten bei einem beamten auf lebenszeit mindestens eine kürzung der dienstbezüge zur folge. 5mit bescheid des polizeipräsidiums x. vom 26. januar 2009 wurde der kläger sodann gem. § 34 abs. 1 nr. 1 lbg nrw alte fassung (a.f.) ohne einhaltung einer frist aus dem polizeivollzugsdienst des beklagten landes entlassen. die sofortige vollziehung der verfügung wurde angeordnet. den hiergegen gerichteten vorläufigen rechtsschutzantrag des klägers lehnte die erkennende kammer mit beschluss vom 12. märz 2009 (2 l 201/09) ab. die gegen diesen beschluss eingelegte beschwerde wies das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (ovg nrw) mit beschluss vom 6. mai 2009 (6 b 428/09) zurück. die gegen die entlassung angestrengte klage wies die erkennende kammer mit urteil vom 4. august 2009 (2 k 1118/09) ab. den antrag auf zulassung der berufung lehnte das ovg nrw mit beschluss vom 30. april 2010 (6 a 2055/09) ab. 6mit schreiben vom 7. september 2011 und 10. april 2012 beantragte der kläger die entfernung der disziplinarvorgänge aus seiner personalakte. mit bescheid vom 24. april 2012, der nicht mit einer rechtsbehelfsbelehrung versehen war, lehnte der beklagte die entfernung und vernichtung der disziplinarvorgänge aus der personalakte des klägers ab. zur begründung wurde ausgeführt: eine entfernung von disziplinarvorgängen aus der personalakte sei in § 16 abs. 1 i.v.m. abs. 3 ldg nrw nur für vorgänge hinsichtlich der disziplinarmaßnahmen des verweises, der geldbuße und der kürzung der dienstbezüge vorgesehen. dies bedeute im umkehrschluss, dass alle disziplinarvorgänge, die mit der entfernung aus dem dienst oder bei beamten auf probe durch entlassung endeten, keiner tilgung aus der personalakte unterlägen. 7auf den hiergegen vom kläger mit schreiben vom 5. mai 2012 erhobenen widerspruch teilte der beklagte mit schreiben vom 15. mai 2012 mit, dass ein widerspruchsverfahren gegen die verfügung vom 24. april 2012 nicht stattfinde; da eine rechtsbehelfsbelehrung im vorgenannten bescheid unterblieben sei, könne der kläger nach § 58 abs. 2 vwgo innerhalb eines jahres klage beim zuständigen verwaltungsgericht erheben. 8der kläger hat am 15. april 2013 klage erhoben und führt zur begründung aus: disziplinarvorgänge, welche weder einer verwertungs- noch einer tilgungsregelung unterlägen, seien aus der personalakte zu entfernen. dies ergebe sich bereits aus § 89 abs. 1 satz 1 nr. 2 lbg nrw, der einen entsprechenden löschungsanspruch vorsehe, wenn – wie hier der fall – die tilgungsvorschriften des disziplinarrechts nicht angewendet werden können. 9der kläger beantragt schriftsätzlich, 10den bescheid des beklagten vom 24. april 2012 aufzuheben und ihn zu verpflichten, alle seine person betreffenden daten und unterlagen disziplinarrechtlichen inhalts und hintergrunds aus der zu seiner person angelegten personalakte und ggf. aus sonstigen (elektronischen) speicherdateien zu löschen bzw. zu vernichten, 11hilfsweise, 12vorgenanntes, unter ausnahme ausschließlich des rubrums sowie des tenors der erlassenen entlassungsverfügung vom 26. januar 2009 durch entsprechende unkenntlichmachung der dort übrigen (disziplinarinhaltlichen) angaben. 13der beklagte beantragt schriftsätzlich, 14die klage abzuweisen. 15zur begründung wiederholt und vertieft er die im angegriffenen bescheid vom 24. april 2012 angegebenen gründe. 16der beklagte hat sich mit schriftsatz vom 23. april 2015, der kläger mit schriftsatz vom 14. mai 2015 mit einer entscheidung ohne mündliche verhandlung einverstanden erklärt. 17wegen des sach- und streitstandes im übrigen wird auf den inhalt der gerichtsakten und der beigezogenen verwaltungsvorgänge ergänzend bezug genommen. 18 | 19im einverständnis der beteiligten entscheidet das gericht ohne mündliche verhandlung (§ 101 abs. 2 vwgo). 20die unter den voraussetzungen des § 58 abs. 2 vwgo fristgemäß erhobene klage ist auch im übrigen zulässig, jedoch nicht begründet. 21die ablehnung der entfernung und vernichtung der disziplinarvorgänge aus der personalakte des klägers mit bescheid des beklagten vom 24. april 2012 ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten (§ 113 abs. 5 satz 1 vwgo). denn der kläger hat keinen anspruch auf eine solche entfernung bzw. vernichtung. 22zur begründung wird entsprechend § 117 abs. 5 vwgo zunächst auf die gründe des angegriffenen bescheides verwiesen, die das gericht für zutreffend erachtet und denen es deshalb folgt. 23ergänzend gilt mit blick auf das vorbringen des klägers im klageverfahren folgendes: 24den geltend gemachten anspruch auf entfernung der disziplinarvorgänge aus seiner personalakte kann der kläger nicht auf § 16 abs. 1 und abs. 3 ldg nrw stützen. nach abs. 1 dieser vorschrift darf ein verweis nach 2 jahren, eine geldbuße, eine kürzung der dienstbezüge und eine kürzung des ruhegehaltes nach 3 jahren und eine zurückstufung nach 7 jahren bei weiteren disziplinarmaßnahmen oder bei sonstigen personalmaßnahmen nicht mehr berücksichtigt werden (verwertungsverbot). nach abs. 3 der vorschrift sind eintragungen in der personalakte über verweis, geldbuße, kürzung der dienstbezüge und kürzung des ruhegehaltes, einschließlich der über diese disziplinarmaßnahmen entstandenen vorgänge mit eintritt des verwertungsverbotes von amts wegen zu entfernen und zu vernichten. das rubrum und der tenor einer abschließenden gerichtlichen entscheidung, mit der auf eine zurückstufung erkannt wurde, verbleiben in der personalakte. nach abs. 4 der vorschrift gelten die absätze 1 bis 3 entsprechend für disziplinarvorgänge, die nicht zu einer disziplinarmaßnahme geführt haben. 25diese gesetzlichen regelungen zeigen, dass das verwertungsverbot einerseits und die tilgung andererseits miteinander verzahnt sind. sobald das verwertungsverbot nach § 16 abs. 1 ldg nrw greift, sind die vorgänge aus den personalakten gem. § 16 abs. 3 ldg nrw zu tilgen. hinsichtlich des verwertungsverbotes trifft das gesetz eine abgestufte regelung, wonach entsprechend der art und der schwere der in § 5 abs. 1 ldg nrw aufgezählten disziplinarmaßnahmen unterschiedlich lange fristen für den eintritt eines verwertungsverbotes aufgestellt werden. das für die entfernung aus dem beamtenverhältnis als schwerwiegendste disziplinarmaßnahme keine frist festgelegt ist, bedeutet indes nicht ‑ wie der kläger meint ‑, dass solche vorgänge einem sofortigen verwertungsverbot unterliegen und dementsprechend aus der personalakte entfernt und vernichtet werden müssen. vielmehr ergibt sich aus der gesetzlichen systematik und dem sinn und zweck der norm ohne weiteres, dass disziplinarvorgänge betreffend eine entfernung aus dem beamtenverhältnis bzw. dementsprechend bei probezeitbeamten wie dem kläger die entlassung gem. § 34 abs. 1 nr. 1 lbg nrw a.f. (nunmehr § 23 abs. 3 satz 1 nr. 1 beamtenstatusgesetz) keinem verwertungsverbot unterliegen und demgemäß auch nicht aus der personalakte zu entfernen und zu vernichten sind. 26wieland, in: praxis der kommunalverwaltung, landesausgabe nrw, c 13-ldg nrw, loseblatt, stand: februar/märz 2015. 27einen sein begehren stützenden anspruch kann der kläger auch nicht aus § 89 abs. 1 satz 1 nr. 2 lbg nrw herleiten. diese vorschrift ist ihrem eindeutigen wortlaut nach subsidiär und findet nur dann anwendung, wenn die tilgungsvorschriften des disziplinarrechtes keine anwendung finden. dies ist hier jedoch der fall. die tilgungsvorschriften des § 16 abs. 3 ldg nrw finden wie gezeigt auch anwendung auf disziplinarvorgänge betreffend die entfernung aus dem beamtenverhältnis, nämlich mit der maßgabe, dass diese disziplinarvorgänge keinem verwertungsverbot unterliegen und dementsprechend nicht aus der personalakte entfernt und vernichtet werden müssen. 28nach obigen ausführungen bleibt auch dem hilfsweise gestellten antrag des klägers der erfolg versagt. 29die kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 abs. 1 vwgo, die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 vwgo, §§ 708 nr. 11, 711 zpo. | Verklagte*r | 0 |
143,794 | 7 K 3537/14 | 2015-10-30T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat. 1Tatbestand: 2Der am 00.00.0000 in E. geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Mit der Klage wendet er sich gegen seine Ausweisung. 3Der Kläger hält sich seit seiner Geburt ununterbrochen im Bundesgebiet auf. Am 17.06.2003 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Seit dem 01.07.2005 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Sein Vater war seit 1978 ununterbrochen als Arbeitnehmer im Bundesgebiet beschäftigt und ist mittlerweile berentet. Die Mutter ist Hausfrau. Der Kläger hat noch fünf Geschwister. 4Er besuchte eine Grundschule in E. und anschließend eine Lernbehinderten-Schule, die er mit Beendigung der 10. Klasse im Sommer 2003 ohne Schulabschluss verließ. 5Eine Lehrstelle fand er nach Beendigung der Schulzeit nicht, er hat bis heute keine Ausbildung abgeschlossen. Er war dann zunächst arbeitslos. Im Jahr 2005 war er ca. 4 Monate als Helfer in einer Kabelfirma geringfügig und für 3 Monate bei B. beschäftigt. 6Ab einem Alter von 13 bis 14 Jahren konsumierte der Kläger regelmäßig Haschisch und Marihuana, was er im März 2005 zunächst einstellte. 2005 nahm er auch Kokain. Mit 15 bis 16 Jahren fing er an, Alkohol zu trinken. Nach einer Abstinenzphase von einem Jahr und vier Monaten begann er erneut mit dem Alkoholkonsum und steigerte die Mengen auf bis zu zwei Gläser Schnaps am Tag. 7Im Alter von 15 Jahren wurde der Kläger im Jahr 2001 Vater eines deutschen Sohnes, zu dem bis zu seiner Inhaftierung Ende 2005 sporadischer Kontakt bestand. 8Seit seinem 15. Lebensjahr ist er wiederholt straffällig geworden. 9Mit Urteil des Amtsgerichts E. vom 18.10.2001 wurde der Kläger wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung am 26.04.2001 verwarnt und zu Arbeitsleistungen verurteilt. Wegen Zuwiderhandlung gegen die Auflagen verbüßte er zwei Wochen Jugendarrest. 10Am 22.04.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht E. wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall, verwarnte ihn und verhängte zwei Wochen Dauerarrest, den der Kläger vom 14.10.2002 bis 28.10.2002 verbüßte. 11Mit Schreiben vom 11.06.2003 verwarnte ihn die Beklagte wegen der begangenen Straftaten ausländerrechtlich. 12In der Folgezeit machte sich der Kläger erneut strafbar. 13Am 09.06.2005 wurde er vom Amtsgericht E. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Jugendstrafe von 6 Monaten zur Bewährung verurteilt. Im Rahmen dieser Tat hatte der Kläger dem im Bett liegenden Geschädigten zweimal mit beschuhten Füßen in dessen Rücken getreten. 14Mit weiterem Urteil des Amtsgerichts E. vom 10.11.2005 wurde er – unter Einbeziehung der Verurteilung vom 09.06.2005 – wegen Raubes zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr verurteilt, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dabei hatte der Kläger den Geschädigten mit der Faust ins Gesicht geschlagen. 15Schließlich wurde der zum Tatzeitpunkt 19 Jahre alte Kläger vom Landgericht E. mit Urteil vom 20.07.2006 wegen Totschlags am 24.12.2005 zu einer Einheitsjugendstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten – unter Einbeziehung der Urteile vom 09.06.2005 und 10.11.2005 – verurteilt. Für die Verurteilung kam Jugendstrafrecht zur Anwendung, da der Kläger nach Ansicht des Gerichts hinsichtlich seiner Reife einem Jugendlichen gleichstand. 16Diese Tat erfolgte unter dem Einfluss von Drogen und Alkohol. Der Kläger hatte nachmittags ca. 0,5 g Kokain geschnupft und kurze Zeit später Lust auf Alkohol verspürt. Daraufhin traf er sich mit den zwei Mitangeklagten, mit denen er eine 0,7 l Flasche Wodka erwarb, die der Kläger zur Hälfte (vermischt mit Fanta) trank. Die Wirkung des Kokains war zu diesem Zeitpunkt weitgehend abgeklungen. Im weiteren Verlauf des Abends trank der Kläger weitere 0,08 l Wodka. Danach befand er sich in einer alkoholbedingten hochgradig agressiven Stimmungslage und suchte Streit mit ihm flüchtig bekannten Personen, indem er einen von ihnen mit dem von ihm mitgeführten Butterflymesser bedrohte. Im weiteren Verlauf des Abends trafen der Kläger und die zwei Mitangeklagten auf öffentlicher Straße auf zwei ihnen unbekannte Personen (U. T. (T) und dessen Vater S. -L. T. (R), das spätere Opfer), die sich von ihnen weg bewegten. Der Kläger suchte Streit und tippte T von hinten an, dann zog er sein Messer und fuchtelte mit diesem vor dem T herum und machte Stichbewegungen in Richtung von dessen Bauchraum. Der völlig überraschte T versuchte, dem Kläger das Messer abzunehmen und schubste den Kläger, woraufhin ihm die beiden Mitangeklagten zur Hilfe eilten, den T von hinten angriffen und mit Fäusten auf ihn einschlugen, so dass dieser zu Fall kam, woraufhin einer der Mitangeklagten noch mehrfach mit dem Fuß auf ihn eintrat. Der Vater des T, das spätere Opfer R, der eine Blutalkoholkonzentration von 2,83 Promille aufwies, wollte seinem Sohn zu Hilfe kommen, woraufhin der Kläger ihn zu Boden schlug und mit dem Fuß gegen dessen Kopf trat. Als R aufstehen wollte und sich zu diesem Zweck mit Händen und Knien auf der Straße abstützte, stach ihm der Kläger mit seinem Butterflymesser in Tötungsabsicht mit großer Wucht zweimal in den Nacken- und Schulterbereich. Im Nackenbereich erlitt R eine 7 cm tiefe und im Rückenbereich eine 9 cm tiefe Stichwunde. Der Stich in den Rücken führte durch den linken Lungenflügel und verursachte eine Verletzung der Aorta, so dass R innerlich verblutete. Zur Tatzeit wies der Kläger eine Blutalkoholkonzentration von max. 1,7 Promille auf, war aber schuldfähig. Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht, dass der Kläger die Tat feige von hinten ausgeführt hatte. 17Seit dem 29.12.2005 befand er sich, nachdem er sich freiwillig gestellt hatte, in Untersuchungshaft in der JVA E1. . Seit dem 06.02.2007 verbüßte er die Freiheitsstrafe in der JVA T1. und seit dem 21.04.2009 in der JVA H. . 18Zu seinem Sohn und der Kindsmutter besteht seit seiner Inhaftierung kein Kontakt. Zunächst hatten seine Eltern weiter Kontakt zu dem Sohn des Klägers, dieser endete aber spätestens 2013 mit einem Umzug der Kindsmutter und deren Ehe mit einem anderen Mann. 19Mit Schreiben vom 03.06.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihre Entscheidung über eine etwaige Ausweisung zunächst zurückstelle, da eine Prognose, die mindestens auf den Zeitpunkt einer möglichen Aufenthaltsbeendigung gerichtet sein müsse, auf Grund der langen Haftdauer derzeit nicht möglich sei. Gleichzeitig teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie eine erfolgreiche Teilnahme an einem Anti-Gewalt-Training, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit auch innerhalb der Haftanstalt und die Teilnahme an Aus- und Fortbildungen erwarte. 20Nach einer für die Staatsanwaltschaft angefertigten Stellungnahme der JVA T1. vom 27.11.2008 sei seine Führung in der JVA E1. nicht zu beanstanden gewesen, er habe dort ein Jahr lang in der Anstaltsküche gearbeitet und während der Untersuchungshaft regelmäßig Besuch von seiner Familie und seiner Freundin erhalten. Während der bisherigen (3-jährigen) Haftzeit habe es keine nennenswerten Auffälligkeiten gegeben (nur eine Verwarnung wegen Nichtbefolgen von Anweisungen und 14 Tage Freizeitsperre wegen Handybesitz). Er habe 2007 einen Schweißerlehrgang absolviert und im Anschluss daran Anfang August 2007 eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker begonnen, die jedoch vorzeitig im August 2008 beendet worden sei, da der Kläger ungenügende Leistungen gezeigt und unkonzentriert, unmotiviert und zuletzt desinteressiert gewesen sei. Seit September 2008 sei er in der Schneiderei eingesetzt. Es bestehe enger Kontakt zu seinen Eltern, den Geschwistern und der übrigen Verwandtschaft sowie zu seiner Freundin in Form von Besuchen und Schriftwechsel. Briefe schreibe der Kläger in deutscher Sprache, lediglich mit seinen Eltern spreche er auch Türkisch. Von Mitte Februar bis Mai 2007 habe er sich in der sozialtherapeutischen Abteilung der Anstalt befunden, diese Maßnahme sei aber auf seinen Wunsch beendet worden. Anfang 2008 habe er an einem 3 ½ Monate dauernden Anti-Gewalt-Training teilgenommen. Seit September 2008 sei er in der Behandlungsabteilung für Gewaltstraftäter untergebracht, dort zeige er sich behandlungsmotiviert und änderungsbereit. Bei der diagnostischen Exploration seien keine Auffälligkeiten zu erkennen gewesen, die auf eine durchgehend erhöhte Gewaltbereitschaft schließen ließen, so dass den bei dem Totschlagsdelikt einwirkenden situativen Randbedingungen und der enthemmenden Wirkung des Alkohols eine stärkere Rolle zukommen dürfe als bislang angenommen. Das Verhalten des Klägers in der Anti-Gewalt-Abteilung sei angemessen. Es lasse sich nach fast einem Jahr konkreter Behandlung eine Persönlichkeitsentwicklung erkennen, sein Respekt vor dem Leben und der Unversehrtheit anderer sei stärker geworden. Es gelinge ihm zunehmend, sich zu öffnen und er nutze die Behandlungsmaßnahme, um konkrete Handlungsstrategien für ein straffreies Leben zu bekommen. Sofern die bisher eingeschlagene positive Entwicklung anhalten sollte, sei eine einschlägige Rückfallgefahr mit größerer Wahrscheinlichkeit zu verneinen. 21Mit Schreiben vom 05.12.2008 hörte die Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten Ausweisung an. Mit Schreiben vom 06.01.2009 äußerte der Kläger, Deutschland sei sein Vaterland, er sei hier integriert und habe in der Türkei niemanden. Er habe einen 7-jährigen Sohn, den er über alles liebe, er bereue seine Tat und plane ein Leben ohne Straftaten und ohne Gewalt. Er versuche sich fortzubilden, habe ein Anti-Aggressionstraining erfolgreich durchlaufen und nehme seit September 2009 an einem Anti-Gewalt-Training teil. Zudem bestünde ein enger Kontakt zu seiner Familie und er habe bereits einen Arbeitsplatz für den Zeitpunkt der Entlassung. 22Mit Schreiben der Beklagten vom 31.03.2009 teilte diese dem Kläger mit, dass die Entscheidung über die Ausweisung um ein weiteres Jahr zurückgestellt werde, da eine Prognose wegen der noch langen Haftdauer derzeit nicht möglich sei. 23Nach einer Stellungnahme der JVA H. vom 29.04.2010 sei der noch in der JVAT2. seit November 2008 besuchte schulische Integrationskurs bereits nach ca. 10 Tagen abgebrochen worden. In der Schneiderei habe er abgelöst werden müssen, da er Arbeitsmaterial beschädigt und Anweisungen nicht befolgt habe. In der jetzigen Einrichtung nehme er erneut an einem Integrationskurs teil. Er habe weiterhin regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie und seiner Freundin. Seine Führung gestalte sich aber nicht immer beanstandungsfrei. So habe es immer wieder disziplinarische Verwarnungen wegen Handy- und Drogenfunden und Nichtbefolgen von Anweisungen gegeben. Die durchgeführten Drogenscreenings seien aber unauffällig gewesen. So habe er im Januar 2010 diszipliniert werden müssen, da er mit Mitgefangenen ein Handy genutzt habe. Insgesamt sei festzuhalten, dass der Kläger subkulturellen Verhaltensmustern verhaftet sei, auf Grund der wiederholten Auffälligkeiten sei eine positive Sozialprognose derzeit nicht vertretbar. 24Am 05.05.2010 teilte die Staatsanwaltschaft L1. mit, dass gegen eine Ausweisung keine Bedenken bestünden. 25Mit Schreiben vom 15.07.2010 stellte die Beklagte ihre Entscheidung über die Ausweisung erneut im Hinblick auf ein anhängiges Verfahren vor dem EuGH zur Frage der Anwendbarkeit der Unionsbürgerrichtlinie auf assoziationsberechtigte Türken zurück. 26Bei einer persönlichen Vorsprache des Vaters des Klägers bei der Beklagten am 27.03.2013 teilte dieser mit, der Kläger könne nach seiner Haftentlassung wieder zu Hause wohnen. 27Nach vollständiger Verbüßung seiner Strafe wurde der Kläger am 31.05.2013 entlassen. Er kehrte er in sein früheres familiäres Umfeld zurück und bezog von Juni 2013 bis Juni 2014 Arbeitslosengeld. 28Am 20.06.2013 nahm die Beklagte nach zwischenzeitlicher Entscheidung des EuGH im Dezember 2011 das Ausweisungsverfahren wieder auf und hörte den Kläger erneut an. 29Am 24.06.2013 teilte der Kläger der Beklagten telefonisch mit, er wolle sein Leben auf die Reihe kriegen, er habe – bis auf eine Ausnahme – keinen Kontakt mehr zu seinen früheren Freunden und er bemühe sich um eine Kontaktaufnahme zu seinem Sohn. 30Aus einer nach der Haftentlassung angefertigten Stellungnahme der JVA H. vom 17.07.2013 ergibt sich, dass der Kläger während seiner Haftzeit mehrfach disziplinarisch habe belangt werden müssen und sein Verhalten nicht über einen längeren Zeitraum beanstandungsfrei gewesen sei. So sei er während der Haft mehrfach durch manipulierte (am 18.05.2010) bzw. positive Urinkontrollen (am 08.11.2011 und 06.03.2012 sowie 28.04.2012) und Drogenkonsum aufgefallen. Der Kläger habe sich durch seine kriminellen Handlungen dem strengen Erziehungsdiktat seines Vaters und seines Bruders entziehen wollen, es nicht vermocht, sich eine schulische oder berufliche Qualifikation anzueignen und folglich keine stabile Identität aufgebaut. Er sei zwecks Erschaffung selbstwertfördernder Faktoren straffällig geworden, er sei eher ein Mitläufer, der sich Anerkennung in Cliquen verschaffen wolle. Er sei tief in kriminellen Subkulturen verhaftet und – mit Ausnahme des Tötungsdelikts – zur Verantwortungsübernahme für seine Taten nicht bereit. Es mangele ihm an Handlungsalternativen zur Problembewältigung, er habe eine hohe Affinität zu Drogen und eine geringe Abgrenzungsfähigkeit. Seine selbst behauptete 6 Monate andauernde Abstinenz von Drogen könne nicht durch negative Urinkontrollen bestätigt werden. Er bereue zwar das Tötungsdelikt und habe schon vor dieser Tat versucht, sein Leben in eine prosoziale Richtung zu verändern, sein Vollzugsverhalten zeige aber eine Änderung in eine dissoziale Richtung. Die erfolgte Rückkehr in seine Familie wirke eher ungünstig. Bei anhaltendem Drogenkonsum sei ein erneutes Abrutschen in subkulturelle Kreise zu befürchten. Zu den eigentlich beabsichtigten Vollzugslockerungen sei es nicht gekommen, da er am 17.01.2013 zum wiederholten Male positiv auf Drogen getestet worden sei. Außerdem sei bei dem Kläger am 22.03.2013 erneut ein Handy gefunden worden, bei der Abnahme desselben sei er in seiner Zelle höchst aggressiv geworden und habe eine Schranktür zerschlagen. 31Mit Schreiben vom 14.01.2014 forderte die Beklagte den Kläger zur Vorsprache für den 23.01.2014 mit Unterlagen zu einem aktuellen Drogenscreening, Arbeitsbemühungen und zur Kontaktaufnahme mit seinem Sohn auf. 32Bei seiner Vorsprache einen Tag zuvor am 22.01.2014 konnte der Kläger kein aktuelles Drogenscreening vorlegen, er teilte aber mit, keine Drogen mehr zu konsumieren, in zwei Tagen einen entsprechenden Arzttermin zu haben und das Ergebnis faxen zu lassen. Er konzentriere sich auf die Gründung seines eigenen Unternehmens (Imbiss, Verkauf einer wenig bekannten türkischen Spezialität), so dass er keine weiteren Arbeitsbemühungen entfaltet habe. Trotz seiner Rückkehr in sein früheres Wohnumfeld pflege er zu seinen früheren Freunden keinen Kontakt mehr. Er habe auch eine neue Partnerin, die er seit seiner Haftentlassung kenne. 33Trotz einer Erinnerung unter dem 03.02.2014 kam der Kläger der Aufforderung der Beklagten zur Vorlage des Drogenscreenings nicht nach mit der Begründung, er habe die Kosten von 45,00 € hierfür nicht aufbringen können und seine Familie nicht habe dafür anbetteln wollen. Auch seine Zusage, das Drogenscreening bis zum 17.02.2014 vorzulegen, hielt er nicht ein. Eine weitere Erinnerung der Beklagten vom 28.02.2014 mit Frist bis zum 13.03.2014 blieb erfolglos. Erst mehrere Monate später legte er ein am 03.07.2014 erstelltes Laborblatt mit einem (negativen) Drogenscreening vor. 34Die beabsichtigte selbständige Tätigkeit realisierte der Kläger letztlich nicht. Auch eine nichtselbständige Tätigkeit nahm er nicht auf. 35Mit Schreiben vom 23.04.2014 hörte die Beklagte den Kläger zu seiner beabsichtigten Ausweisung an. 36Mit Ordnungsverfügung vom 13.05.2014 wies die Beklagte den Kläger aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus (Nr. 1) und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist, an. Die Wirkungen der Ausweisung wurde auf sieben Jahre nach erfolgter Ausreise befristet (Nr. 3). Für die Befristung setzte die Beklagte eine Gebühr von 30 EUR fest (Nr. 4). Wegen der Einzelheiten wird auf die eingehend begründete Ordnungsverfügung verwiesen. U.a. heißt es dort zur Begründung der Ausweisung: 37„Im Rahmen meines Ermessens habe ich alle wesentlichen Umstände Ihres Falles… gegeneinander abgewogen…Demgegenüber komme ich bei Betrachtung der von Ihnen gezeigten Verhaltensweisen zu dem Ergebnis, dass von Ihnen ein unvermindert hohes Risiko der Begehung weiterer, erheblicher Straftaten ausgeht…Sie haben über die gesamte Dauer des Haftverlaufs gezeigt, dass es Ihnen nicht gelingt bzw. Sie nicht willens sind, sich an geltende Normen und Regeln zu halten…ebenso ließen Sie bis zum heutigen Tage die Möglichkeit ungenutzt, mir Ihre Drogenabstinenz nachzuweisen. Der Konsum von Alkohol als auch von Betäubungsmitteln war ursächlich für die von Ihnen begangene Tat… Vor dem Hintergrund, dass ich davon ausgehe, dass Sie nach wie vor Alkohol und Betäubungsmittel konsumieren, komme ich zu dem Schluss, dass sich hierbei jederzeit die Gefahr ergibt, dass Sie erneut in aggressive und enthemmte Verhaltensmuster zurückfallen und in diesem Zustand von Ihnen die Gefahr der erneuten Begehung erheblicher Gewaltstraftaten ausgeht…“ 38Der Kläger hat am 26.05.2014 die vorliegende Klage erhoben, mit der er sich gegen die Ordnungsverfügung wendet. 39Er ist der Auffassung, die Ausweisung sei wegen des ihm zustehenden Assoziationsrechts nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Rahmen einer Ermessensentscheidung unter sachgerechter Abwägung öffentlicher Interessen an der Ausreise zur Abwehr vom Ausländer drohender Gefahren mit den privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet möglich. Diese falle vorliegend zu seinen Gunsten aus. Er sei nachgereift und lebe enthaltsam von Drogen und Alkohol. Er sei in einem festen Empfangsraum seiner Familie aufgenommen worden, bemühe sich um Kontakt zu seinem deutschen Sohn und – nach dem Scheitern der Selbstständigkeit - um Aufnahme einer Angestelltentätigkeit. Er sei nicht wieder straffällig geworden. Vor diesem Hintergrund erscheine es nicht notwendig, die Ausweisung durchzusetzen. 40Inzwischen lebe er in einer festen Beziehung und sei aus dem für problematisch erachteten Umfeld seiner Familie herausgetreten. Er werde in Kürze mit seiner neuen Freundin Frau T3. C. , die er im März 2014 kennengelernt und mit der er seit Juni 2014 liiert sei, zusammenziehen und nach dem Scheitern seiner Selbständigkeit ein Angestelltenverhältnis aufnehmen. 41Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung lebt der Kläger noch immer in seinem Elternhaus, er plane jedoch weiterhin, mit seiner Freundin zusammenzuziehen. 42Er bemühe sich nach wie vor um ein Umgangsrecht mit seinem Sohn, demnächst sei eine Anhörung des Kindes vor dem Familiengericht geplant. Unterlagen dazu könne er aber nicht vorlegen. 43Der Kläger beantragt, 441.45die Ordnungsverfügung der Ausländerbehörde der Beklagten vom 13.05.2014 aufzuheben und 2.46hilfsweise, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der Ordnungsverfügung vom 13.05.2014 zu verpflichten, die Wirkungen der Ausweisung auf 5 Jahre zu befristen. 47Die Beklagte beantragt, 48die Klage abzuweisen. 49Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf ihre Ordnungsverfügung. 50Ergänzend führt sie aus, der Kläger habe durch sein Verhalten nicht erkennen lassen, dass er sich mit seiner Tat ausreichend auseinandergesetzt habe. Er habe bereits in der Haftzeit gezeigt, dass es ihm nicht möglich sei, sich an Regeln zu halten, dieses Verhalten setze sich nunmehr nach der Haftentlassung fort. Sie gehe davon aus, dass der Kläger sich durch gezielte Schutzbehauptungen dem angeforderten Drogenscreening habe entziehen wollen. 51Mit Schreiben vom 26.10.2015 begründet die Beklagte eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Befristung des durch die Ausweisung entstandenen Einreise- und Aufenthaltsverbots. In diesem Zusammenhang führt sie aus, sie halte auch aktuell eine Frist von 7 Jahren für ermessensgerecht. Ein am 10.09.2015 angefordertes Drogenscreening habe der Kläger erst verspätet am 14.10.2015 mit der Begründung vorgelegt, der Urin habe aus labortechnischen Gründen nicht verwertet werden können, da die Urinabgabe im Beisein eines Arztes zu erfolgen habe. Daher dränge sich der Verdacht auf, der Kläger konsumiere weiterhin Drogen. Der Kläger stelle sich insgesamt sehr unzuverlässig dar. So habe er über einen Zeitraum von 1 ½ Jahren keinen Nationalpass vorgelegt. Es sei davon auszugehen, dass er die Beschaffung des Passes gezielt und absichtlich unterdrückt habe, um eine Abschiebung zu verhindern. 52Das Gericht hat mit Beschluss (7 L 1792/14) vom 23.09.2014 den Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt, wobei Gegenstand der Prüfung nicht die Befristung der Wirkungen der Ausweisung war. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 02.12.2014 zurückgewiesen (18 B 1187/14). Wegen der Einzelheiten wird auf diese Beschlüsse verwiesen. 53Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich des Eilverfahrens 7 L 1792/14, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Ausländerbehörde der Beklagten, die Strafakten 133 Js 198/05 sowie die Gefangenpersonalakte der JVA H. ergänzend Bezug genommen. 54Entscheidungsgründe: 55Die zulässige Klage hat sowohl im Hauptantrag (I.) als auch im Hilfsantrag (II.) keinen Erfolg. 56I. Die Klage ist im Hauptantrag als Anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet. Die angegriffene Ordnungsverfügung vom 13.05.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 57Die Ausweisungsverfügung, die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung, für deren Überprüfung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist, 58Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. November 2007 - 1 C 45.06 - Rz. 20, und vom 13. Januar.2009 - 1 C 2.08 -, AuAS 2009, 110, 112f, InfAuslR 2009, 227ff, 59findet ihre Grundlage in § 55 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 14 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (juris: EWGAssRBes 1/80, nachfolgend: ARB 1/80). 60Zwar verwirklicht der Kläger mit der im Tatbestand genannten Verurteilung wegen Totschlags den zwingenden Ausweisungstatbestand des § 53 Nr. 1 AufenthG, weil er wegen einer vorsätzlichen Straftat rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist (Nr. 1). 61Urteil des Landgerichts E. vom 20.07. 2006 (rkr.) – 133 Js 198/05 – 62Er gehört jedoch zum privilegierten Personenkreis der durch Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 besonderen Ausweisungsschutz genießenden assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen. 63Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger eine Rechtsposition nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 erworben hat. Er ist als Kind eines türkischen Arbeitnehmers im Bundesgebiet geboren, hat bei seinen Eltern gelebt und erfüllt unstreitig die Mindestaufenthaltszeiten des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. 64In Anwendung von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 kann er daher nur im Ermessenswege ausgewiesen werden. 65vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 – C-371/08 -, Ziebell , juris; BVerwG, Urteile vom 10. Juli 2012 – 1 C 19/11 , 13. Dezember 2012 – 1 C 20.11 -, 15. Januar 2013 – 1 C 10/12 – und 14. Mai 2013 – 1 C 13/12 –, jeweils juris; hierbei kann derzeit offenbleiben, ob dies nach Inkrafttreten der §§ 53 – 56 AufenthG n.F. am 1. Januar 2016 noch gelten kann, wenn man davon ausgeht die Neuregelung des Ausweisungsrechts biete keine Ermächtigungsgrundlage für eine Ermessensentscheidung (a.A. Marx, Zur Reform des Ausweisungsrechts, ZAR 2015, 245). Es spricht allerdings viel dafür, dass die Verortung als nationale Ermächtigungsgrundlage für Ausweisungen assoziationsberechtigter Personen nach dem ARB 1/80 im § 55 AufenthG a.F. lediglich der Ermöglichung einer Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalles und Wahrung der Verhältnismäßigkeit diente, die auch ohne Eröffnung eines Ermessens nach §§ 53 – 56 AufenthG n.F. möglich und – nach Fassung der Tatbestände - auch geboten sein wird. 66Darüber hinaus steht dem Kläger auch der besondere Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG zu, weil er im Zeitpunkt der Ausweisung im Besitz einer Niederlassungserlaubnis war und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Aus diesem Grund kann er nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden, § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. 67Stellt das persönliche Verhalten des Klägers indes gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland dar und ist die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich im Sinne des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, liegen damit auch schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG vor. 68Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. August 2015, - 18 B 1245/14 -, (unter Berufung auf BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2013 – 1 C 13/12 –) ist die Gefahrenschwelle des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG a.F. jedenfalls nicht höher als diejenige des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 und reicht damit der nationale Ausweisungsschutz nicht weiter als der unionsrechtliche. 69Auf den weitergehenden – erhöhten – Ausweisungsschutz in § 6 Abs. 5 S. 1 und 3 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU), den der deutsche Gesetzgeber in Umsetzung des Art. 28 Abs. 3 Unionsbürgerrichtlinie 70Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten vom 29. April 2004, ABl. Nr. L 141 S. 1; 71normiert hat, kann sich der Kläger indes nicht berufen, weil der gemeinschaftsrechtliche Ausweisungsschutz auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige nicht übertragbar ist. 72vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 – Rs. C-371/08 –, Juris Rn. 74. 73Zur Bestimmung des Umfangs der in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 enthaltenen Schranke der öffentlichen Ordnung ist nach Aufhebung des Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG nunmehr auf Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie 74Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 203 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen, ABl. Nr. L 16, S. 44; 75zurückzugreifen. Danach können assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige nur ausgewiesen werden, wenn ihr persönliches Verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Maßnahme zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist, 76vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 75 ff.; BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 – 1 C 19.11 –, Juris Rn. 14); OVG NRW, Urteil vom 22. März 2012 – 18 A 951/09 –, Juris Rn. 60 ff.. 77Die Ausweisungsentscheidung der Beklagten (Nr. 1. der Ordnungsverfügung) ist - vor diesem rechtlichen Hintergrund - nicht zu beanstanden. 78Das Verhalten des Klägers stellt eine Gefahr in dem vorgenannten Sinne dar, so dass im Übrigen auch schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 56 Abs. 1 S. 2 AufenthG gegeben sind; es besteht ein entsprechend gewichtiger Ausweisungsanlass und eine konkrete Wiederholungsgefahr. Auch ist die darauf aufbauende Ermessensentscheidung der Beklagten zur Ausweisung des Klägers ermessensfehlerfrei ergangen. 79Zur Begründung wird auf die streitgegenständliche Ordnungsverfügung der Beklagten, auf den Beschluss des Gerichts vom 22. Februar 2013 im Verfahren 7 L 1792/14 sowie den dies bestätigenden Beschluss des OVG NRW vom 02.12.2014 - 18 B 1187/14 - verwiesen, denen nach wie vor zu folgen ist. 80Das Verhalten des Klägers stellt auch noch gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik, namentlich für die bedeutsamen Rechtsgüter des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit dar. 81Die sich hierauf beziehende, nach Unionsrecht bestimmende Prognose richtet sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten, auch nicht nach dem Gedanken der Resozialisierung. Vielmehr haben die zuständigen Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte eine eigenständige Prognose über die Wiederholungsgefahr des Klägers zu treffen. 82BVerwG, Urteil v. 15.01.2013 - 1 C 10.12 -; BVerwG, Urteil v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 83Bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr hängen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts vom Schutzbedürfnis des gefährdeten Rechtsguts und von der Größe der drohenden Schäden ab. Für die Feststellung der Wiederholungsgefahr gilt auch bei Art. 14 ARB 1/80 ein differenzierender, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind - wie ganz allgemein - auch bei Art. 14 ARB 1/80 umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Auch bei hochrangigen Rechtsgütern begründet danach allerdings nicht bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr. Vielmehr dürfen im Hinblick auf Art. 14 ARB 1/80 an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. 84BVerwG, Urteil v. 15.01.2013 - 1 C 10.12 -; BVerwG, Beschluss v. 04.10.2012 - 1 C 13.11 – 85Bei der Prognose sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung und das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, aber auch die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt, der Entscheidung des Gerichts. 86vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Mai 2011 – 10 B 30.10 –, Juris Rn. 6 und Urteil vom 16. November 2009 – 9 C 6.00 –, Juris Rn. 16. 87Gemessen daran ist für den Kläger die Gefahr der Wiederholung seines strafbaren Verhaltens für den Bereich schwerer Gewalttaten zu bejahen und die entsprechende Einschätzung der Beklagten nicht zu beanstanden. 88Vor dem Hintergrund, dass das begangene Totschlagsdelikt unter dem Einfluss von Alkohol und einer ggf. geringen Restwirkung von Kokain erfolgt ist und der Drogenkonsum offenbar das Verlangen nach Alkohol steigert, ist hinsichtlich der anzustellenden Prognose davon auszugehen, dass auch noch aktuell von dem Kläger – jedenfalls unter dem Einfluss von Alkohol und Rauschmitteln – eine erhebliche Gefahr der erneuten Begehung erheblicher Gewaltstraftaten ausgeht. Eine nachhaltige Distanzierung von diesen Drogen ist beim Kläger nicht feststellbar. 89Zum einen folgt diese Einschätzung aus der Tatsache, dass sich der Kläger während seiner Haft nicht ansatzweise beanstandungsfrei geführt hat. 90Aus der Stellungnahme des Leiters der JVA H. vom 18. Juli 2013 ist zu entnehmen, dass der psychologische Dienst der Anstalt angesichts in der Vergangenheit regelmäßig vorgekommener Auffälligkeiten des Antragstellers in der Haft erst weniger als sechs Monate vor Ende der Haftzeit erstmals Hafterleichterungen in Form begleiteter Ausgänge für vertretbar hielt. Der geplante offene Vollzug konnte dann aber nicht realisiert werden, weil am 17. Januar 2013 ein positives Drogenscreening durchgeführt wurde und am 22. März 2013, wie schon häufig zuvor, bei dem Kläger ein Mobiltelefon aufgefunden wurde. Der Kläger hat die Strafhaft deshalb nicht im Zustand der Bewährung verlassen. 91Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass der Kläger es vermocht hat und in der Zukunft vermag, ohne Drogen zu leben. 92Er ist während seiner Haftzeit wiederholt durch positive Urinkontrollen und Drogenkonsum aufgefallen, insbesondere im letzten Drittel der Haftzeit, zuletzt lediglich 4 Monate vor seiner Entlassung. Hat er aber selbst während der Haft nicht abstinent leben können, so spricht wenig dafür, dass er das in Freiheit kann. Diese Einschätzung wird gestützt durch die verspätete Abgabe des im Januar 2014 von der Beklagten angeforderten Drogenscreenings bei der Ausländerbehörde. Es ist kein nachvollziehbarer Grund für die Verzögerung der Vorlage des Drogenscreenings über einen Zeitraum von einem halben Jahr ersichtlich. Dass er das Geld dafür nicht habe aufbringen können, ist nicht glaubhaft, insbesondere vor dem Hintergrund, dass seine Eltern ihn auch in sonstiger Weise finanziell, z.B. bei seinem Vorhaben der Selbständigkeit, unterstützt haben, so dass sich das wiederholte Vertrösten als Schutzbehauptung darstellt und ersichtlich nur dem Zweck diente, durch eine Abstinenzphase in der Lage zu sein, einen negativen Befund vorzuweisen. Dieser Eindruck wird noch durch das Verschleppen eines weiteren im September 2015 angeforderten Drogenscreenings verstärkt. Dass dem Kläger nicht bewusst gewesen sein soll, dass die Urinabgabe in Anwesenheit eines Arztes stattzufinden hat, ist vor dem Hintergrund seiner entsprechend einschlägigen Erfahrungen mit solchen Tests wenig glaubhaft. Auch die Vorlage eines aktuellen Screenings im Termin zur mündlichen Verhandlung vermag nichts an dieser Einschätzung zu ändern, da sich der Kläger offenbar gezielt die Termine für Drogentests aussucht, was für einen zeitlich gesteuerten Konsum spricht. 93Damit ist davon auszugehen, dass der Kläger nach wie vor nicht drogenfrei leben kann, auch wenn dem Bewährungshelfer im Rahmen der bis Mai 2015 laufenden Führungsaufsicht kein Drogenkonsum bekannt geworden war. Dieser Tatsache kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil die letzte abgeurteilte Straftat des Klägers, die Tötung des R, offenbar in ursächlichem Zusammenhang mit Drogen- und Alkoholkonsum stand. Gerade in dem zu seiner Entlastung von dem Kläger angeführten Gutachten des Dr. D. vom 24. Juni 2011 war eine positive Prognose für ihn davon abhängig gemacht worden, dass es ihm gelinge, sich von Alkohol- und Drogenkonsum freizumachen; der Sachverständige führte aus, wenn der Kläger in Freiheit wieder in die falschen Kreise gerate und deshalb den Alkohol- und Drogenkonsum wieder aufnehme, könne das zu erhöhter Impulsivität und Aggressivität führen. Diese waren nach Aktenlage Auslöser für das Tötungsdelikt gewesen. Die Tat zeichnete sich dadurch aus, dass der Kläger aus Streitlust und um aufgestaute Wut abzulassen, auf der Straße ihm unbekannte Personen angefallen und mit seinem Messer bedroht hatte. Der Straftat hatte nicht, wie sonst oft bei vergleichbaren Taten, eine besondere persönliche Konfliktlage im Verhältnis zu dem Opfer oder eine außergewöhnliche und einmalige Situation zu Grunde gelegen, von der im Ansatz vermutet werden könnte, sie werde sich so nicht wiederholen. Die Tat des Klägers hatte ihren Grund vielmehr offensichtlich in dessen Persönlichkeitsstruktur und in seinem Rauschmittelkonsum. Dass er diesen bis heute nicht unter Kontrolle hat, lässt es nicht als fernliegend erscheinen, dass er jederzeit wieder „ausrasten“ und schwerste Gewalttaten begehen kann. Es kommt hinzu, dass er auch weitere aus Sicht der mit seinem Fall befasst gewesenen Psychologen günstige Rahmenbedingungen bis heute nicht erfüllt. Schon Dr. D. hielt es für nützlich, dass sich der Kläger über den offenen Vollzug einen „Empfangsraum“ für die Zeit nach der Haft schaffe, der es ihm ermögliche, unabhängig von seiner Familie zu leben und ihn nicht der Versuchung aussetze, sich dem Diktat von Bruder und Vater erneut durch Flucht in ein schädliches Milieu zu entziehen. Auch die Diplom-Psychologin vom Psychologischen Dienst der JVA H. vertrat in ihrer letzten Stellungnahme vom 17. Juli 2013 die Auffassung, es sei problematisch, wenn der Kläger in das Elternhaus zurückkehre; besser sei es für ihn, eine eigene Wohnung und einen unabhängigen Arbeitsplatz zu finden. Beides ist bis heute nicht der Fall. Der Kläger wohnt wieder im Haus der Eltern (wenn auch in einer eigenen Wohnung im Haus) und hat seit der Haftentlassung keine nachhaltige längerfristige Erwerbstätigkeit aufgenommen. Dieser Umstand zeigt jedoch einen Mangel an Sozialisierung, der wiederum das Risiko für Straftaten erhöht. Auch insoweit wird das Verhalten aus dem Vollzug fortgesetzt. Im Strafvollzug übte der Kläger zwar verschiedene Tätigkeiten aus, ist jedoch bei keiner auf Dauer geblieben und zeigte sich für deren Wahrnehmung wenig motiviert, wie sich aus dem bereits zitierten Bericht der Justizvollzugsanstalt ergibt. 94Auch die Tatsache, dass der Kläger nach seiner Haftentlassung straffrei geblieben ist, ist angesichts der Vorgeschichte nicht geeignet, die von dem Kläger weiterhin ausgehende Gefahr unter Berücksichtigung des oben beschriebenen differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabes in einer Weise zu relativieren, dass die Ausweisung in dem maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig wäre. Im Hinblick auf die Schwere der begangenen Tat kann bei nicht nachgewiesener vollständiger Abstinenz von Alkohol und Drogen nicht davon ausgegangen werden, dass die von ihm ausgehende Gefahr durch Gewalttätigkeiten, insbesondere unter dem Einfluss von berauschenden Mitteln, beseitigt ist. 95Die Ermessensentscheidung der Beklagten - die gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterworfen ist - den Kläger aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auszuweisen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. 96Diese erfordert eine sachgerechte Abwägung des öffentlichen Interesses am Schutz der öffentlichen Ordnung und damit an der Ausreise des Ausländers mit dessen privatem Interesse an seinem Verbleib im Bundesgebiet, wobei dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Bedeutung zukommt. 97EuGH, Urteil v. 08.12.2011 - C-371/08 (Ziebell/Örnek); BVerwG, Urteil v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 – 98Dabei sind die schützenswerten Belange des Klägers, die sich auf sein Privat- und Familienleben beziehen, unter Zugrundelegung der in der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Kriterien umfassend zu würdigen. 99vgl. Urteile vom 2. August 2001 - Nr. 54273/00, Boultif/Schweiz - InfAuslR 2001, 476 und vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279 100Dieser Kriterienkatalog kann ohne weiteres auch Geltung für die Beantwortung der Frage beanspruchen, ob ein derartiger Eingriff verhältnismäßig im Sinne von Art. 6 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG ist. Es handelt sich dabei um folgende Kriterien: 101- Anzahl, Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftat; 102- das Alter des Ausländers bei Begehung der Straftaten; 103- der Charakter und die Dauer des Aufenthalts im Land, das der Ausländer verlassen soll; 104- die seit Begehen der Straftaten vergangene Zeit und 105- das Verhalten des Ausländers seit der Tat, insbesondere im Strafvollzug; 106- die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten; 107- die familiäre Situation des Ausländers und gegebenenfalls die Dauer der Ehe sowie andere Umstände, die auf ein tatsächliches Familienleben eines Paares hinweisen; 108- der Grund für die Schwierigkeiten, die der Partner in dem Land haben kann, in das ggfs. abgeschoben werden soll; 109- ob der Partner bei Begründung der familiären Beziehung Kenntnis von der Straftat hatte; 110- ob der Verbindung Kinder entstammen, und in diesem Fall deren Alter; das Interesse und das Wohl der Kinder, insbesondere der Umfang der Schwierigkeiten, auf die sie wahrscheinlich in dem Land treffen, in das der Betroffene ggfs. abgeschoben werden soll 111sowie 112- die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland einerseits und zum Herkunftsland andererseits. 113Die Ausweisung des Klägers erweist sich vorliegend auch unter Würdigung seiner schützenswerten Belange im Einzelfall angesichts der besonderen Schwere des Ausweisungsanlasses und der nach wie vor von ihm ausgehenden Gefahr als unerlässlich, um das oben näher beschriebene Grundinteresse der Gesellschaft zu wahren. 114Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Erwägungen der Beklagten in der angegriffenen Ordnungsverfügung verwiesen, denen sich das Gericht nach eigener Prüfung anschließt. Darüber hinaus ist zu konstatieren, dass auch die weitere Entwicklung nach Erlass der Ordnungsverfügung zu keiner abweichenden Beurteilung führt. 115Ein persönlicher Umgang mit seinem deutschen Kind im Sinne einer persönlich-emotionalen Beziehung ist nicht ersichtlich. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, er verfolge – trotz Widerstandes der Kindsmutter - weiterhin das Ziel einer Einräumung eines Umgangsrechts mit seinem Sohn und es stehe demnächst vor dem Familiengericht eine Anhörung des Kindes an. Der Kläger war aber nicht in der Lage, diese Behauptung durch die Vorlage von Unterlagen zu substantiieren. 116Die Beziehung zu seiner jetzigen Lebensgefährtin Frau T3. C. ist er in Kenntnis seiner aufenthaltsrechtlichen Situation eingegangen. Es ist nicht ersichtlich, ob und wann er mit dieser in einem gemeinsamen Haushalt leben wird. Hat er noch im Juni 2015 vorgetragen, eine gemeinsame Wohnung sei schon gemietet und der Zusammenzug stehe unmittelbar bevor, so sind diese Pläne offenbar nicht realisiert worden. Nach seinen eigenen Aussagen lebt er immer noch im Haus seiner Eltern und hat Skrupel, sich von diesen räumlich zu entfernen. Diese Nichtablösung von seinem Elternhaus wirkt sich aber gerade negativ auf die Zukunftsprognose des Klägers aus. 117Ebensowenig hat er ein (längerfristiges) Arbeitsverhältnis aufgenommen, so dass eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht erfolgt ist und auch nicht absehbar erscheint. Vielmehr setzt sich sein in der JVA gezeigtes Verhalten im Sinne einer Unbeständigkeit und mangelndem Interesse an einer Erwerbstätigkeit bis heute fort. 118Auch die Ausreiseaufforderung nebst Abschiebeandrohung (Nr.2) und die Gebührenfestsetzung (Nr. 4) sind nicht zu beanstanden. Die Abschiebungsandrohung entspricht den gesetzlichen Vorschriften des § 59 Absätze 1, 2 und 5 AufenthG. Die Gebühren waren gemäß § 69 AufenthG i.V.m. §§ 45, 47, 49 AufenthV festzusetzen. 119II. Auch der nach Erfolglosigkeit des Hauptantrags zu entscheidende Hilfsantrag – gerichtet auf eine Verkürzung der Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf 5 Jahre - hat keinen Erfolg. 120Der Hilfsantrag ist zulässig, aber unbegründet. 121Die Festsetzung der Frist durch die Beklagte in der angefochtenen Ordnungsverfügung ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Festsetzung einer kürzeren Frist, § 113 Abs. 5 VwGO. 122Die Festsetzung der Frist in der angefochtenen Ordnungsverfügung auf 7 Jahre nach Ausreise ist formell nicht zu beanstanden, insbesondere ist die Frist gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG n.F. gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung in der Ordnungsverfügung festgesetzt worden. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte ihre Ermessensentscheidung erst mit Schriftsatz vom 26.10.2015 im laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeholt hat. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 123Urteil vom 13. Dezember 2011, - 1 C 14.10 -, juris Rz. 8, 124hindert schon § 114 Satz 2 VwGO nicht das Nachschieben einer erstmaligen Ermessensentscheidung, wenn sich erst nach Klageerhebung auf Grund neuer Umstände die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung ergibt. Dies ist auch auf Fälle anwendbar, in denen - wie hier – durch Rechtsänderungen sich erstmals die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung ergibt. Mit der Neufassung des § 11 Abs. 3 AufenthG hat der Gesetzgeber zum 1. August 2015 die Festsetzung der Frist ins Ermessen der zuständigen Behörde gestellt, während zuvor nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei der Befristungsentscheidung von einer voll justiziablen Verhältnismäßigkeitsentscheidung auszugehen war. 125Vgl zuletzt Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. März 2015 – 1 C 18/14 –, juris zu Befristungsentscheidungen im Rahmen des § 7 Abs. 2 Satz 5 FreizügG/EU. 126Da zum Zeitpunkt des Erlasses der Befristungsentscheidung lediglich eine Abwägungsentscheidung zu treffen war, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Befristungsentscheidung jedoch der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist, 127Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 1 C 14.12 -, juris 128musste der Beklagten die Möglichkeit eingeräumt werden, die nunmehr nach der ab dem 01.08.2015 geltenden Rechtslage eine erstmalige Ermessensentscheidung zu treffen. 129Dann kann auch die Nachbesserung einer zunächst (nur) nach Verhältnismäßig-keitsgrundsätzen getroffenen Entscheidung mit einer Ermessensentscheidung während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung in formeller Hinsicht führen (vgl. auch § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). 130Die Festsetzung der Frist auf 7 Jahre stellt sich nach den im gerichtlichen Verfahren angestellten Ermessenserwägungen als materiell rechtmäßig dar. 131Rechtsgrundlage für die Befristung ist § 11 Abs. 1 AufenthG. Nach dem dortigen Satz 1 darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. 132§ 11 Abs. 2 AufenthG ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen von Amts wegen befristet werden. Über die Frist ist gemäß Absatz 3 Satz 1 nach Ermessen zu entscheiden. 133Die Beklagte hat die Vorgaben des § 11 Abs. 3 AufenthG beachtet, das ihr eingeräumte Ermessen erkannt und in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. 134Nach § 11 Abs. 3 Satz 2, 3 AufenthG n.F. darf die Frist fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwer wiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Diese Frist soll zehn Jahre nicht überschreiten. 135Bei der Bemessung der Frist sind zunächst das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. 136Diesen Vorgaben ist die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung gerecht geworden. 137Nach dem Vorstehenden (unter I.) ist die Ausweisung des Klägers sowohl auf Grund strafrechtlicher Verurteilungen verfügt worden als auch deshalb, weil von ihm eine schwer wiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Die Regelhöchstfrist von zehn Jahren wurde nicht überschritten. 138Die Beklagte hat bei der Festsetzung der Frist auch die Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Verhältnismäßigkeit 139zuletzt Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. März 2015, a.a.O. 140im Ergebnis beachtet. Diese Vorgaben haben auch unter Geltung des § 11 Abs. 3 AufenthG n.F. ihre Berechtigung, da auch einer Ermessensentscheidung durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt werden. Die maximale noch verhältnismäßige Länge der Befristung beschreibt die im Ermessen maximal zulässige Befristung. Die Festsetzung einer im Vergleich dazu kürzeren Frist steht im freien Ermessen der Behörde. 141Die nach § 11 Abs. 3 Satz 2, 3 AufenthG n.F. ermittelte Frist muss sich an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh und Art. 8 EMRK messen lassen und ist daher ggf. zu relativieren. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen. 142vgl. BVerwG, Urteile vom 11. August 2000 - 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 <373> und vom 4. September 2007 - 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 19 ff. 143Ausgehend von der Schwere der vom Kläger ausgehenden Gefahren (Tötungsdelikt und weitere Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit), die kausal mit dem Konsum von Drogen und Alkohol in Zusammenhang stehen, sind die in der zweiten Stufe zur möglichen Relativierung heranzuziehenden persönlichen Interessen des Klägers an einer baldigen Rückkehr in das Bundesgebiet gewichtet und eingestellt worden. Insbesondere im Hinblick auf das weitere Verhalten des Klägers seit Erlass der Ordnungsverfügung hat die Beklagte erneut die Gesamtumstände in Erkenntnis und Ausübung des ihr nunmehr zustehenden Ermessens abgewogen und das Festhalten an der ursprünglichen Entscheidung umfassend begründet. Die Festsetzung der Frist auf 7 Jahre nach Ausreise ist damit nicht zu beanstanden und ein Anspruch auf Verkürzung nicht gegeben. 144Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. 145Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO und 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO. | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. dem kläger wird nachgelassen, die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe des beizutreibenden betrages abzuwenden, wenn nicht die beklagte zuvor sicherheit in gleicher höhe geleistet hat. 1 | 2der am 00.00.0000 in e. geborene kläger ist türkischer staatsangehöriger. mit der klage wendet er sich gegen seine ausweisung. 3der kläger hält sich seit seiner geburt ununterbrochen im bundesgebiet auf. am 17.06.2003 wurde ihm eine unbefristete aufenthaltserlaubnis erteilt. seit dem 01.07.2005 ist er im besitz einer niederlassungserlaubnis. sein vater war seit 1978 ununterbrochen als arbeitnehmer im bundesgebiet beschäftigt und ist mittlerweile berentet. die mutter ist hausfrau. der kläger hat noch fünf geschwister. 4er besuchte eine grundschule in e. und anschließend eine lernbehinderten-schule, die er mit beendigung der 10. klasse im sommer 2003 ohne schulabschluss verließ. 5eine lehrstelle fand er nach beendigung der schulzeit nicht, er hat bis heute keine ausbildung abgeschlossen. er war dann zunächst arbeitslos. im jahr 2005 war er ca. 4 monate als helfer in einer kabelfirma geringfügig und für 3 monate bei b. beschäftigt. 6ab einem alter von 13 bis 14 jahren konsumierte der kläger regelmäßig haschisch und marihuana, was er im märz 2005 zunächst einstellte. 2005 nahm er auch kokain. mit 15 bis 16 jahren fing er an, alkohol zu trinken. nach einer abstinenzphase von einem jahr und vier monaten begann er erneut mit dem alkoholkonsum und steigerte die mengen auf bis zu zwei gläser schnaps am tag. 7im alter von 15 jahren wurde der kläger im jahr 2001 vater eines deutschen sohnes, zu dem bis zu seiner inhaftierung ende 2005 sporadischer kontakt bestand. 8seit seinem 15. lebensjahr ist er wiederholt straffällig geworden. 9mit urteil des amtsgerichts e. vom 18.10.2001 wurde der kläger wegen versuchter räuberischer erpressung in tateinheit mit körperverletzung am 26.04.2001 verwarnt und zu arbeitsleistungen verurteilt. wegen zuwiderhandlung gegen die auflagen verbüßte er zwei wochen jugendarrest. 10am 22.04.2002 verurteilte ihn das amtsgericht e. wegen diebstahls in einem besonders schweren fall, verwarnte ihn und verhängte zwei wochen dauerarrest, den der kläger vom 14.10.2002 bis 28.10.2002 verbüßte. 11mit schreiben vom 11.06.2003 verwarnte ihn die beklagte wegen der begangenen straftaten ausländerrechtlich. 12in der folgezeit machte sich der kläger erneut strafbar. 13am 09.06.2005 wurde er vom amtsgericht e. wegen gefährlicher körperverletzung in tateinheit mit nötigung zu einer jugendstrafe von 6 monaten zur bewährung verurteilt. im rahmen dieser tat hatte der kläger dem im bett liegenden geschädigten zweimal mit beschuhten füßen in dessen rücken getreten. 14mit weiterem urteil des amtsgerichts e. vom 10.11.2005 wurde er – unter einbeziehung der verurteilung vom 09.06.2005 – wegen raubes zu einer jugendstrafe von 1 jahr verurteilt, die ebenfalls zur bewährung ausgesetzt wurde. dabei hatte der kläger den geschädigten mit der faust ins gesicht geschlagen. 15schließlich wurde der zum tatzeitpunkt 19 jahre alte kläger vom landgericht e. mit urteil vom 20.07.2006 wegen totschlags am 24.12.2005 zu einer einheitsjugendstrafe von 7 jahren und 6 monaten – unter einbeziehung der urteile vom 09.06.2005 und 10.11.2005 – verurteilt. für die verurteilung kam jugendstrafrecht zur anwendung, da der kläger nach ansicht des gerichts hinsichtlich seiner reife einem jugendlichen gleichstand. 16diese tat erfolgte unter dem einfluss von drogen und alkohol. der kläger hatte nachmittags ca. 0,5 g kokain geschnupft und kurze zeit später lust auf alkohol verspürt. daraufhin traf er sich mit den zwei mitangeklagten, mit denen er eine 0,7 l flasche wodka erwarb, die der kläger zur hälfte (vermischt mit fanta) trank. die wirkung des kokains war zu diesem zeitpunkt weitgehend abgeklungen. im weiteren verlauf des abends trank der kläger weitere 0,08 l wodka. danach befand er sich in einer alkoholbedingten hochgradig agressiven stimmungslage und suchte streit mit ihm flüchtig bekannten personen, indem er einen von ihnen mit dem von ihm mitgeführten butterflymesser bedrohte. im weiteren verlauf des abends trafen der kläger und die zwei mitangeklagten auf öffentlicher straße auf zwei ihnen unbekannte personen (u. t. (t) und dessen vater s. -l. t. (r), das spätere opfer), die sich von ihnen weg bewegten. der kläger suchte streit und tippte t von hinten an, dann zog er sein messer und fuchtelte mit diesem vor dem t herum und machte stichbewegungen in richtung von dessen bauchraum. der völlig überraschte t versuchte, dem kläger das messer abzunehmen und schubste den kläger, woraufhin ihm die beiden mitangeklagten zur hilfe eilten, den t von hinten angriffen und mit fäusten auf ihn einschlugen, so dass dieser zu fall kam, woraufhin einer der mitangeklagten noch mehrfach mit dem fuß auf ihn eintrat. der vater des t, das spätere opfer r, der eine blutalkoholkonzentration von 2,83 promille aufwies, wollte seinem sohn zu hilfe kommen, woraufhin der kläger ihn zu boden schlug und mit dem fuß gegen dessen kopf trat. als r aufstehen wollte und sich zu diesem zweck mit händen und knien auf der straße abstützte, stach ihm der kläger mit seinem butterflymesser in tötungsabsicht mit großer wucht zweimal in den nacken- und schulterbereich. im nackenbereich erlitt r eine 7 cm tiefe und im rückenbereich eine 9 cm tiefe stichwunde. der stich in den rücken führte durch den linken lungenflügel und verursachte eine verletzung der aorta, so dass r innerlich verblutete. zur tatzeit wies der kläger eine blutalkoholkonzentration von max. 1,7 promille auf, war aber schuldfähig. bei der strafzumessung berücksichtigte das gericht, dass der kläger die tat feige von hinten ausgeführt hatte. 17seit dem 29.12.2005 befand er sich, nachdem er sich freiwillig gestellt hatte, in untersuchungshaft in der jva e1. . seit dem 06.02.2007 verbüßte er die freiheitsstrafe in der jva t1. und seit dem 21.04.2009 in der jva h. . 18zu seinem sohn und der kindsmutter besteht seit seiner inhaftierung kein kontakt. zunächst hatten seine eltern weiter kontakt zu dem sohn des klägers, dieser endete aber spätestens 2013 mit einem umzug der kindsmutter und deren ehe mit einem anderen mann. 19mit schreiben vom 03.06.2008 teilte die beklagte dem kläger mit, dass sie ihre entscheidung über eine etwaige ausweisung zunächst zurückstelle, da eine prognose, die mindestens auf den zeitpunkt einer möglichen aufenthaltsbeendigung gerichtet sein müsse, auf grund der langen haftdauer derzeit nicht möglich sei. gleichzeitig teilte die beklagte dem kläger mit, dass sie eine erfolgreiche teilnahme an einem anti-gewalt-training, die ausübung einer erwerbstätigkeit auch innerhalb der haftanstalt und die teilnahme an aus- und fortbildungen erwarte. 20nach einer für die staatsanwaltschaft angefertigten stellungnahme der jva t1. vom 27.11.2008 sei seine führung in der jva e1. nicht zu beanstanden gewesen, er habe dort ein jahr lang in der anstaltsküche gearbeitet und während der untersuchungshaft regelmäßig besuch von seiner familie und seiner freundin erhalten. während der bisherigen (3-jährigen) haftzeit habe es keine nennenswerten auffälligkeiten gegeben (nur eine verwarnung wegen nichtbefolgen von anweisungen und 14 tage freizeitsperre wegen handybesitz). er habe 2007 einen schweißerlehrgang absolviert und im anschluss daran anfang august 2007 eine ausbildung zum kfz-mechaniker begonnen, die jedoch vorzeitig im august 2008 beendet worden sei, da der kläger ungenügende leistungen gezeigt und unkonzentriert, unmotiviert und zuletzt desinteressiert gewesen sei. seit september 2008 sei er in der schneiderei eingesetzt. es bestehe enger kontakt zu seinen eltern, den geschwistern und der übrigen verwandtschaft sowie zu seiner freundin in form von besuchen und schriftwechsel. briefe schreibe der kläger in deutscher sprache, lediglich mit seinen eltern spreche er auch türkisch. von mitte februar bis mai 2007 habe er sich in der sozialtherapeutischen abteilung der anstalt befunden, diese maßnahme sei aber auf seinen wunsch beendet worden. anfang 2008 habe er an einem 3 ½ monate dauernden anti-gewalt-training teilgenommen. seit september 2008 sei er in der behandlungsabteilung für gewaltstraftäter untergebracht, dort zeige er sich behandlungsmotiviert und änderungsbereit. bei der diagnostischen exploration seien keine auffälligkeiten zu erkennen gewesen, die auf eine durchgehend erhöhte gewaltbereitschaft schließen ließen, so dass den bei dem totschlagsdelikt einwirkenden situativen randbedingungen und der enthemmenden wirkung des alkohols eine stärkere rolle zukommen dürfe als bislang angenommen. das verhalten des klägers in der anti-gewalt-abteilung sei angemessen. es lasse sich nach fast einem jahr konkreter behandlung eine persönlichkeitsentwicklung erkennen, sein respekt vor dem leben und der unversehrtheit anderer sei stärker geworden. es gelinge ihm zunehmend, sich zu öffnen und er nutze die behandlungsmaßnahme, um konkrete handlungsstrategien für ein straffreies leben zu bekommen. sofern die bisher eingeschlagene positive entwicklung anhalten sollte, sei eine einschlägige rückfallgefahr mit größerer wahrscheinlichkeit zu verneinen. 21mit schreiben vom 05.12.2008 hörte die beklagte den kläger zu der beabsichtigten ausweisung an. mit schreiben vom 06.01.2009 äußerte der kläger, deutschland sei sein vaterland, er sei hier integriert und habe in der türkei niemanden. er habe einen 7-jährigen sohn, den er über alles liebe, er bereue seine tat und plane ein leben ohne straftaten und ohne gewalt. er versuche sich fortzubilden, habe ein anti-aggressionstraining erfolgreich durchlaufen und nehme seit september 2009 an einem anti-gewalt-training teil. zudem bestünde ein enger kontakt zu seiner familie und er habe bereits einen arbeitsplatz für den zeitpunkt der entlassung. 22mit schreiben der beklagten vom 31.03.2009 teilte diese dem kläger mit, dass die entscheidung über die ausweisung um ein weiteres jahr zurückgestellt werde, da eine prognose wegen der noch langen haftdauer derzeit nicht möglich sei. 23nach einer stellungnahme der jva h. vom 29.04.2010 sei der noch in der jvat2. seit november 2008 besuchte schulische integrationskurs bereits nach ca. 10 tagen abgebrochen worden. in der schneiderei habe er abgelöst werden müssen, da er arbeitsmaterial beschädigt und anweisungen nicht befolgt habe. in der jetzigen einrichtung nehme er erneut an einem integrationskurs teil. er habe weiterhin regelmäßigen kontakt zu seiner familie und seiner freundin. seine führung gestalte sich aber nicht immer beanstandungsfrei. so habe es immer wieder disziplinarische verwarnungen wegen handy- und drogenfunden und nichtbefolgen von anweisungen gegeben. die durchgeführten drogenscreenings seien aber unauffällig gewesen. so habe er im januar 2010 diszipliniert werden müssen, da er mit mitgefangenen ein handy genutzt habe. insgesamt sei festzuhalten, dass der kläger subkulturellen verhaltensmustern verhaftet sei, auf grund der wiederholten auffälligkeiten sei eine positive sozialprognose derzeit nicht vertretbar. 24am 05.05.2010 teilte die staatsanwaltschaft l1. mit, dass gegen eine ausweisung keine bedenken bestünden. 25mit schreiben vom 15.07.2010 stellte die beklagte ihre entscheidung über die ausweisung erneut im hinblick auf ein anhängiges verfahren vor dem eugh zur frage der anwendbarkeit der unionsbürgerrichtlinie auf assoziationsberechtigte türken zurück. 26bei einer persönlichen vorsprache des vaters des klägers bei der beklagten am 27.03.2013 teilte dieser mit, der kläger könne nach seiner haftentlassung wieder zu hause wohnen. 27nach vollständiger verbüßung seiner strafe wurde der kläger am 31.05.2013 entlassen. er kehrte er in sein früheres familiäres umfeld zurück und bezog von juni 2013 bis juni 2014 arbeitslosengeld. 28am 20.06.2013 nahm die beklagte nach zwischenzeitlicher entscheidung des eugh im dezember 2011 das ausweisungsverfahren wieder auf und hörte den kläger erneut an. 29am 24.06.2013 teilte der kläger der beklagten telefonisch mit, er wolle sein leben auf die reihe kriegen, er habe – bis auf eine ausnahme – keinen kontakt mehr zu seinen früheren freunden und er bemühe sich um eine kontaktaufnahme zu seinem sohn. 30aus einer nach der haftentlassung angefertigten stellungnahme der jva h. vom 17.07.2013 ergibt sich, dass der kläger während seiner haftzeit mehrfach disziplinarisch habe belangt werden müssen und sein verhalten nicht über einen längeren zeitraum beanstandungsfrei gewesen sei. so sei er während der haft mehrfach durch manipulierte (am 18.05.2010) bzw. positive urinkontrollen (am 08.11.2011 und 06.03.2012 sowie 28.04.2012) und drogenkonsum aufgefallen. der kläger habe sich durch seine kriminellen handlungen dem strengen erziehungsdiktat seines vaters und seines bruders entziehen wollen, es nicht vermocht, sich eine schulische oder berufliche qualifikation anzueignen und folglich keine stabile identität aufgebaut. er sei zwecks erschaffung selbstwertfördernder faktoren straffällig geworden, er sei eher ein mitläufer, der sich anerkennung in cliquen verschaffen wolle. er sei tief in kriminellen subkulturen verhaftet und – mit ausnahme des tötungsdelikts – zur verantwortungsübernahme für seine taten nicht bereit. es mangele ihm an handlungsalternativen zur problembewältigung, er habe eine hohe affinität zu drogen und eine geringe abgrenzungsfähigkeit. seine selbst behauptete 6 monate andauernde abstinenz von drogen könne nicht durch negative urinkontrollen bestätigt werden. er bereue zwar das tötungsdelikt und habe schon vor dieser tat versucht, sein leben in eine prosoziale richtung zu verändern, sein vollzugsverhalten zeige aber eine änderung in eine dissoziale richtung. die erfolgte rückkehr in seine familie wirke eher ungünstig. bei anhaltendem drogenkonsum sei ein erneutes abrutschen in subkulturelle kreise zu befürchten. zu den eigentlich beabsichtigten vollzugslockerungen sei es nicht gekommen, da er am 17.01.2013 zum wiederholten male positiv auf drogen getestet worden sei. außerdem sei bei dem kläger am 22.03.2013 erneut ein handy gefunden worden, bei der abnahme desselben sei er in seiner zelle höchst aggressiv geworden und habe eine schranktür zerschlagen. 31mit schreiben vom 14.01.2014 forderte die beklagte den kläger zur vorsprache für den 23.01.2014 mit unterlagen zu einem aktuellen drogenscreening, arbeitsbemühungen und zur kontaktaufnahme mit seinem sohn auf. 32bei seiner vorsprache einen tag zuvor am 22.01.2014 konnte der kläger kein aktuelles drogenscreening vorlegen, er teilte aber mit, keine drogen mehr zu konsumieren, in zwei tagen einen entsprechenden arzttermin zu haben und das ergebnis faxen zu lassen. er konzentriere sich auf die gründung seines eigenen unternehmens (imbiss, verkauf einer wenig bekannten türkischen spezialität), so dass er keine weiteren arbeitsbemühungen entfaltet habe. trotz seiner rückkehr in sein früheres wohnumfeld pflege er zu seinen früheren freunden keinen kontakt mehr. er habe auch eine neue partnerin, die er seit seiner haftentlassung kenne. 33trotz einer erinnerung unter dem 03.02.2014 kam der kläger der aufforderung der beklagten zur vorlage des drogenscreenings nicht nach mit der begründung, er habe die kosten von 45,00 € hierfür nicht aufbringen können und seine familie nicht habe dafür anbetteln wollen. auch seine zusage, das drogenscreening bis zum 17.02.2014 vorzulegen, hielt er nicht ein. eine weitere erinnerung der beklagten vom 28.02.2014 mit frist bis zum 13.03.2014 blieb erfolglos. erst mehrere monate später legte er ein am 03.07.2014 erstelltes laborblatt mit einem (negativen) drogenscreening vor. 34die beabsichtigte selbständige tätigkeit realisierte der kläger letztlich nicht. auch eine nichtselbständige tätigkeit nahm er nicht auf. 35mit schreiben vom 23.04.2014 hörte die beklagte den kläger zu seiner beabsichtigten ausweisung an. 36mit ordnungsverfügung vom 13.05.2014 wies die beklagte den kläger aus dem gebiet der bundesrepublik deutschland aus (nr. 1) und drohte ihm die abschiebung in die türkei oder in einen anderen staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner übernahme verpflichtet ist, an. die wirkungen der ausweisung wurde auf sieben jahre nach erfolgter ausreise befristet (nr. 3). für die befristung setzte die beklagte eine gebühr von 30 eur fest (nr. 4). wegen der einzelheiten wird auf die eingehend begründete ordnungsverfügung verwiesen. u.a. heißt es dort zur begründung der ausweisung: 37„im rahmen meines ermessens habe ich alle wesentlichen umstände ihres falles… gegeneinander abgewogen…demgegenüber komme ich bei betrachtung der von ihnen gezeigten verhaltensweisen zu dem ergebnis, dass von ihnen ein unvermindert hohes risiko der begehung weiterer, erheblicher straftaten ausgeht…sie haben über die gesamte dauer des haftverlaufs gezeigt, dass es ihnen nicht gelingt bzw. sie nicht willens sind, sich an geltende normen und regeln zu halten…ebenso ließen sie bis zum heutigen tage die möglichkeit ungenutzt, mir ihre drogenabstinenz nachzuweisen. der konsum von alkohol als auch von betäubungsmitteln war ursächlich für die von ihnen begangene tat… vor dem hintergrund, dass ich davon ausgehe, dass sie nach wie vor alkohol und betäubungsmittel konsumieren, komme ich zu dem schluss, dass sich hierbei jederzeit die gefahr ergibt, dass sie erneut in aggressive und enthemmte verhaltensmuster zurückfallen und in diesem zustand von ihnen die gefahr der erneuten begehung erheblicher gewaltstraftaten ausgeht…“ 38der kläger hat am 26.05.2014 die vorliegende klage erhoben, mit der er sich gegen die ordnungsverfügung wendet. 39er ist der auffassung, die ausweisung sei wegen des ihm zustehenden assoziationsrechts nur aus schwerwiegenden gründen der öffentlichen sicherheit und ordnung im rahmen einer ermessensentscheidung unter sachgerechter abwägung öffentlicher interessen an der ausreise zur abwehr vom ausländer drohender gefahren mit den privaten interessen an einem weiteren aufenthalt des ausländers im bundesgebiet möglich. diese falle vorliegend zu seinen gunsten aus. er sei nachgereift und lebe enthaltsam von drogen und alkohol. er sei in einem festen empfangsraum seiner familie aufgenommen worden, bemühe sich um kontakt zu seinem deutschen sohn und – nach dem scheitern der selbstständigkeit - um aufnahme einer angestelltentätigkeit. er sei nicht wieder straffällig geworden. vor diesem hintergrund erscheine es nicht notwendig, die ausweisung durchzusetzen. 40inzwischen lebe er in einer festen beziehung und sei aus dem für problematisch erachteten umfeld seiner familie herausgetreten. er werde in kürze mit seiner neuen freundin frau t3. c. , die er im märz 2014 kennengelernt und mit der er seit juni 2014 liiert sei, zusammenziehen und nach dem scheitern seiner selbständigkeit ein angestelltenverhältnis aufnehmen. 41nach seinen angaben in der mündlichen verhandlung lebt der kläger noch immer in seinem elternhaus, er plane jedoch weiterhin, mit seiner freundin zusammenzuziehen. 42er bemühe sich nach wie vor um ein umgangsrecht mit seinem sohn, demnächst sei eine anhörung des kindes vor dem familiengericht geplant. unterlagen dazu könne er aber nicht vorlegen. 43der kläger beantragt, 441.45die ordnungsverfügung der ausländerbehörde der beklagten vom 13.05.2014 aufzuheben und 2.46hilfsweise, die beklagte unter entsprechender aufhebung der ordnungsverfügung vom 13.05.2014 zu verpflichten, die wirkungen der ausweisung auf 5 jahre zu befristen. 47die beklagte beantragt, 48die klage abzuweisen. 49sie verweist zur begründung im wesentlichen auf ihre ordnungsverfügung. 50ergänzend führt sie aus, der kläger habe durch sein verhalten nicht erkennen lassen, dass er sich mit seiner tat ausreichend auseinandergesetzt habe. er habe bereits in der haftzeit gezeigt, dass es ihm nicht möglich sei, sich an regeln zu halten, dieses verhalten setze sich nunmehr nach der haftentlassung fort. sie gehe davon aus, dass der kläger sich durch gezielte schutzbehauptungen dem angeforderten drogenscreening habe entziehen wollen. 51mit schreiben vom 26.10.2015 begründet die beklagte eine ermessensentscheidung hinsichtlich der befristung des durch die ausweisung entstandenen einreise- und aufenthaltsverbots. in diesem zusammenhang führt sie aus, sie halte auch aktuell eine frist von 7 jahren für ermessensgerecht. ein am 10.09.2015 angefordertes drogenscreening habe der kläger erst verspätet am 14.10.2015 mit der begründung vorgelegt, der urin habe aus labortechnischen gründen nicht verwertet werden können, da die urinabgabe im beisein eines arztes zu erfolgen habe. daher dränge sich der verdacht auf, der kläger konsumiere weiterhin drogen. der kläger stelle sich insgesamt sehr unzuverlässig dar. so habe er über einen zeitraum von 1 ½ jahren keinen nationalpass vorgelegt. es sei davon auszugehen, dass er die beschaffung des passes gezielt und absichtlich unterdrückt habe, um eine abschiebung zu verhindern. 52das gericht hat mit beschluss (7 l 1792/14) vom 23.09.2014 den antrag auf wiederherstellung bzw. anordnung der aufschiebenden wirkung der klage abgelehnt, wobei gegenstand der prüfung nicht die befristung der wirkungen der ausweisung war. das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (ovg nrw) hat die hiergegen eingelegte beschwerde des klägers mit beschluss vom 02.12.2014 zurückgewiesen (18 b 1187/14). wegen der einzelheiten wird auf diese beschlüsse verwiesen. 53wegen des sach- und streitstandes im übrigen wird auf den inhalt der gerichtsakten einschließlich des eilverfahrens 7 l 1792/14, die beigezogenen verwaltungsvorgänge der ausländerbehörde der beklagten, die strafakten 133 js 198/05 sowie die gefangenpersonalakte der jva h. ergänzend bezug genommen. 54 | 55die zulässige klage hat sowohl im hauptantrag (i.) als auch im hilfsantrag (ii.) keinen erfolg. 56i. die klage ist im hauptantrag als anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet. die angegriffene ordnungsverfügung vom 13.05.2014 ist rechtmäßig und verletzt den kläger daher nicht in seinen rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). 57die ausweisungsverfügung, die ausreiseaufforderung und die abschiebungsandrohung, für deren überprüfung auf die sach- und rechtslage im zeitpunkt der gerichtlichen entscheidung abzustellen ist, 58vgl. bverwg, urteile vom 15. november 2007 - 1 c 45.06 - rz. 20, und vom 13. januar.2009 - 1 c 2.08 -, auas 2009, 110, 112f, infauslr 2009, 227ff, 59findet ihre grundlage in § 55 abs. 1 aufenthg i.v.m. art. 14 des beschlusses nr. 1/80 des assoziationsrates vom 19. september 1980 über die entwicklung der assoziation (juris: ewgassrbes 1/80, nachfolgend: arb 1/80). 60zwar verwirklicht der kläger mit der im tatbestand genannten verurteilung wegen totschlags den zwingenden ausweisungstatbestand des § 53 nr. 1 aufenthg, weil er wegen einer vorsätzlichen straftat rechtskräftig zu einer jugendstrafe von mindestens drei jahren verurteilt worden ist (nr. 1). 61urteil des landgerichts e. vom 20.07. 2006 (rkr.) – 133 js 198/05 – 62er gehört jedoch zum privilegierten personenkreis der durch art. 14 abs. 1 arb 1/80 besonderen ausweisungsschutz genießenden assoziationsberechtigten türkischen staatsangehörigen. 63die beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass der kläger eine rechtsposition nach art. 7 abs. 1 arb 1/80 erworben hat. er ist als kind eines türkischen arbeitnehmers im bundesgebiet geboren, hat bei seinen eltern gelebt und erfüllt unstreitig die mindestaufenthaltszeiten des art. 7 satz 1 arb 1/80. 64in anwendung von art. 14 abs. 1 arb 1/80 kann er daher nur im ermessenswege ausgewiesen werden. 65vgl. eugh, urteil vom 8. dezember 2011 – c-371/08 -, ziebell , juris; bverwg, urteile vom 10. juli 2012 – 1 c 19/11 , 13. dezember 2012 – 1 c 20.11 -, 15. januar 2013 – 1 c 10/12 – und 14. mai 2013 – 1 c 13/12 –, jeweils juris; hierbei kann derzeit offenbleiben, ob dies nach inkrafttreten der §§ 53 – 56 aufenthg n.f. am 1. januar 2016 noch gelten kann, wenn man davon ausgeht die neuregelung des ausweisungsrechts biete keine ermächtigungsgrundlage für eine ermessensentscheidung (a.a. marx, zur reform des ausweisungsrechts, zar 2015, 245). es spricht allerdings viel dafür, dass die verortung als nationale ermächtigungsgrundlage für ausweisungen assoziationsberechtigter personen nach dem arb 1/80 im § 55 aufenthg a.f. lediglich der ermöglichung einer einzelfallentscheidung unter berücksichtigung der gesamtumstände des einzelfalles und wahrung der verhältnismäßigkeit diente, die auch ohne eröffnung eines ermessens nach §§ 53 – 56 aufenthg n.f. möglich und – nach fassung der tatbestände - auch geboten sein wird. 66darüber hinaus steht dem kläger auch der besondere ausweisungsschutz des § 56 abs. 1 s. 1 nr. 1 aufenthg zu, weil er im zeitpunkt der ausweisung im besitz einer niederlassungserlaubnis war und sich seit mindestens fünf jahren rechtmäßig im bundesgebiet aufgehalten hat. aus diesem grund kann er nur aus schwerwiegenden gründen der öffentlichen sicherheit und ordnung ausgewiesen werden, § 56 abs. 1 satz 2 aufenthg. 67stellt das persönliche verhalten des klägers indes gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere gefahr für ein grundinteresse der gesellschaft der bundesrepublik deutschland dar und ist die maßnahme für die wahrung dieses interesses unerlässlich im sinne des art. 14 abs. 1 arb 1/80, liegen damit auch schwerwiegende gründe der öffentlichen sicherheit und ordnung im sinne des § 56 abs. 1 satz 2 aufenthg vor. 68nach der rechtsprechung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, beschluss vom 27. august 2015, - 18 b 1245/14 -, (unter berufung auf bverwg, urteil vom 14. mai 2013 – 1 c 13/12 –) ist die gefahrenschwelle des § 56 abs. 1 satz 2 aufenthg a.f. jedenfalls nicht höher als diejenige des art. 14 abs. 1 arb 1/80 und reicht damit der nationale ausweisungsschutz nicht weiter als der unionsrechtliche. 69auf den weitergehenden – erhöhten – ausweisungsschutz in § 6 abs. 5 s. 1 und 3 des gesetzes über die allgemeine freizügigkeit von unionsbürgern (freizügg/eu), den der deutsche gesetzgeber in umsetzung des art. 28 abs. 3 unionsbürgerrichtlinie 70richtlinie 2004/38/eg des europäischen parlaments und des rates über das recht der unionsbürger und ihrer familienangehörigen, sich im hoheitsgebiet der mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten vom 29. april 2004, abl. nr. l 141 s. 1; 71normiert hat, kann sich der kläger indes nicht berufen, weil der gemeinschaftsrechtliche ausweisungsschutz auf assoziationsberechtigte türkische staatsangehörige nicht übertragbar ist. 72vgl. eugh, urteil vom 8. dezember 2011 – rs. c-371/08 –, juris rn. 74. 73zur bestimmung des umfangs der in art. 14 abs. 1 arb 1/80 enthaltenen schranke der öffentlichen ordnung ist nach aufhebung des art. 3 der richtlinie 64/221/ewg nunmehr auf art. 12 daueraufenthaltsrichtlinie 74richtlinie 2003/109/eg des rates vom 25. november 203 betreffend die rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten drittstaatsangehörigen, abl. nr. l 16, s. 44; 75zurückzugreifen. danach können assoziationsrechtlich privilegierte türkische staatsangehörige nur ausgewiesen werden, wenn ihr persönliches verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere gefahr für ein grundinteresse der gesellschaft der bundesrepublik deutschland darstellt und die maßnahme zur wahrung dieses interesses unerlässlich ist, 76vgl. eugh, a.a.o., rn. 75 ff.; bverwg, urteil vom 10. juli 2012 – 1 c 19.11 –, juris rn. 14); ovg nrw, urteil vom 22. märz 2012 – 18 a 951/09 –, juris rn. 60 ff.. 77die ausweisungsentscheidung der beklagten (nr. 1. der ordnungsverfügung) ist - vor diesem rechtlichen hintergrund - nicht zu beanstanden. 78das verhalten des klägers stellt eine gefahr in dem vorgenannten sinne dar, so dass im übrigen auch schwerwiegende gründe der öffentlichen sicherheit und ordnung im sinne des § 56 abs. 1 s. 2 aufenthg gegeben sind; es besteht ein entsprechend gewichtiger ausweisungsanlass und eine konkrete wiederholungsgefahr. auch ist die darauf aufbauende ermessensentscheidung der beklagten zur ausweisung des klägers ermessensfehlerfrei ergangen. 79zur begründung wird auf die streitgegenständliche ordnungsverfügung der beklagten, auf den beschluss des gerichts vom 22. februar 2013 im verfahren 7 l 1792/14 sowie den dies bestätigenden beschluss des ovg nrw vom 02.12.2014 - 18 b 1187/14 - verwiesen, denen nach wie vor zu folgen ist. 80das verhalten des klägers stellt auch noch gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere gefahr für ein grundinteresse der gesellschaft der bundesrepublik, namentlich für die bedeutsamen rechtsgüter des lebens und der körperlichen unversehrtheit dar. 81die sich hierauf beziehende, nach unionsrecht bestimmende prognose richtet sich nicht nach strafrechtlichen gesichtspunkten, auch nicht nach dem gedanken der resozialisierung. vielmehr haben die zuständigen ausländerbehörden und verwaltungsgerichte eine eigenständige prognose über die wiederholungsgefahr des klägers zu treffen. 82bverwg, urteil v. 15.01.2013 - 1 c 10.12 -; bverwg, urteil v. 13.12.2012 - 1 c 20.11 83bei der prüfung der wiederholungsgefahr hängen die anforderungen an die wahrscheinlichkeit des schadenseintritts vom schutzbedürfnis des gefährdeten rechtsguts und von der größe der drohenden schäden ab. für die feststellung der wiederholungsgefahr gilt auch bei art. 14 arb 1/80 ein differenzierender, mit zunehmendem ausmaß des möglichen schadens abgesenkter grad der wahrscheinlichkeit des schadenseintritts. an die wahrscheinlichkeit des schadenseintritts sind - wie ganz allgemein - auch bei art. 14 arb 1/80 umso geringere anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende schaden ist. auch bei hochrangigen rechtsgütern begründet danach allerdings nicht bereits jede auch nur entfernte möglichkeit eine wiederholungsgefahr. vielmehr dürfen im hinblick auf art. 14 arb 1/80 an die nach dem ausmaß des möglichen schadens differenzierende hinreichende wahrscheinlichkeit keine zu geringen anforderungen gestellt werden. 84bverwg, urteil v. 15.01.2013 - 1 c 10.12 -; bverwg, beschluss v. 04.10.2012 - 1 c 13.11 – 85bei der prognose sind die besonderen umstände des einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die höhe der verhängten strafe, die schwere der konkreten straftat, die umstände ihrer begehung und das gewicht des bei einem rückfall bedrohten rechtsguts, aber auch die persönlichkeit des täters und seine entwicklung und lebensumstände bis zum maßgeblichen entscheidungszeitpunkt, der entscheidung des gerichts. 86vgl. bverwg, beschluss vom 6. mai 2011 – 10 b 30.10 –, juris rn. 6 und urteil vom 16. november 2009 – 9 c 6.00 –, juris rn. 16. 87gemessen daran ist für den kläger die gefahr der wiederholung seines strafbaren verhaltens für den bereich schwerer gewalttaten zu bejahen und die entsprechende einschätzung der beklagten nicht zu beanstanden. 88vor dem hintergrund, dass das begangene totschlagsdelikt unter dem einfluss von alkohol und einer ggf. geringen restwirkung von kokain erfolgt ist und der drogenkonsum offenbar das verlangen nach alkohol steigert, ist hinsichtlich der anzustellenden prognose davon auszugehen, dass auch noch aktuell von dem kläger – jedenfalls unter dem einfluss von alkohol und rauschmitteln – eine erhebliche gefahr der erneuten begehung erheblicher gewaltstraftaten ausgeht. eine nachhaltige distanzierung von diesen drogen ist beim kläger nicht feststellbar. 89zum einen folgt diese einschätzung aus der tatsache, dass sich der kläger während seiner haft nicht ansatzweise beanstandungsfrei geführt hat. 90aus der stellungnahme des leiters der jva h. vom 18. juli 2013 ist zu entnehmen, dass der psychologische dienst der anstalt angesichts in der vergangenheit regelmäßig vorgekommener auffälligkeiten des antragstellers in der haft erst weniger als sechs monate vor ende der haftzeit erstmals hafterleichterungen in form begleiteter ausgänge für vertretbar hielt. der geplante offene vollzug konnte dann aber nicht realisiert werden, weil am 17. januar 2013 ein positives drogenscreening durchgeführt wurde und am 22. märz 2013, wie schon häufig zuvor, bei dem kläger ein mobiltelefon aufgefunden wurde. der kläger hat die strafhaft deshalb nicht im zustand der bewährung verlassen. 91zum anderen ist nicht ersichtlich, dass der kläger es vermocht hat und in der zukunft vermag, ohne drogen zu leben. 92er ist während seiner haftzeit wiederholt durch positive urinkontrollen und drogenkonsum aufgefallen, insbesondere im letzten drittel der haftzeit, zuletzt lediglich 4 monate vor seiner entlassung. hat er aber selbst während der haft nicht abstinent leben können, so spricht wenig dafür, dass er das in freiheit kann. diese einschätzung wird gestützt durch die verspätete abgabe des im januar 2014 von der beklagten angeforderten drogenscreenings bei der ausländerbehörde. es ist kein nachvollziehbarer grund für die verzögerung der vorlage des drogenscreenings über einen zeitraum von einem halben jahr ersichtlich. dass er das geld dafür nicht habe aufbringen können, ist nicht glaubhaft, insbesondere vor dem hintergrund, dass seine eltern ihn auch in sonstiger weise finanziell, z.b. bei seinem vorhaben der selbständigkeit, unterstützt haben, so dass sich das wiederholte vertrösten als schutzbehauptung darstellt und ersichtlich nur dem zweck diente, durch eine abstinenzphase in der lage zu sein, einen negativen befund vorzuweisen. dieser eindruck wird noch durch das verschleppen eines weiteren im september 2015 angeforderten drogenscreenings verstärkt. dass dem kläger nicht bewusst gewesen sein soll, dass die urinabgabe in anwesenheit eines arztes stattzufinden hat, ist vor dem hintergrund seiner entsprechend einschlägigen erfahrungen mit solchen tests wenig glaubhaft. auch die vorlage eines aktuellen screenings im termin zur mündlichen verhandlung vermag nichts an dieser einschätzung zu ändern, da sich der kläger offenbar gezielt die termine für drogentests aussucht, was für einen zeitlich gesteuerten konsum spricht. 93damit ist davon auszugehen, dass der kläger nach wie vor nicht drogenfrei leben kann, auch wenn dem bewährungshelfer im rahmen der bis mai 2015 laufenden führungsaufsicht kein drogenkonsum bekannt geworden war. dieser tatsache kommt deshalb besondere bedeutung zu, weil die letzte abgeurteilte straftat des klägers, die tötung des r, offenbar in ursächlichem zusammenhang mit drogen- und alkoholkonsum stand. gerade in dem zu seiner entlastung von dem kläger angeführten gutachten des dr. d. vom 24. juni 2011 war eine positive prognose für ihn davon abhängig gemacht worden, dass es ihm gelinge, sich von alkohol- und drogenkonsum freizumachen; der sachverständige führte aus, wenn der kläger in freiheit wieder in die falschen kreise gerate und deshalb den alkohol- und drogenkonsum wieder aufnehme, könne das zu erhöhter impulsivität und aggressivität führen. diese waren nach aktenlage auslöser für das tötungsdelikt gewesen. die tat zeichnete sich dadurch aus, dass der kläger aus streitlust und um aufgestaute wut abzulassen, auf der straße ihm unbekannte personen angefallen und mit seinem messer bedroht hatte. der straftat hatte nicht, wie sonst oft bei vergleichbaren taten, eine besondere persönliche konfliktlage im verhältnis zu dem opfer oder eine außergewöhnliche und einmalige situation zu grunde gelegen, von der im ansatz vermutet werden könnte, sie werde sich so nicht wiederholen. die tat des klägers hatte ihren grund vielmehr offensichtlich in dessen persönlichkeitsstruktur und in seinem rauschmittelkonsum. dass er diesen bis heute nicht unter kontrolle hat, lässt es nicht als fernliegend erscheinen, dass er jederzeit wieder „ausrasten“ und schwerste gewalttaten begehen kann. es kommt hinzu, dass er auch weitere aus sicht der mit seinem fall befasst gewesenen psychologen günstige rahmenbedingungen bis heute nicht erfüllt. schon dr. d. hielt es für nützlich, dass sich der kläger über den offenen vollzug einen „empfangsraum“ für die zeit nach der haft schaffe, der es ihm ermögliche, unabhängig von seiner familie zu leben und ihn nicht der versuchung aussetze, sich dem diktat von bruder und vater erneut durch flucht in ein schädliches milieu zu entziehen. auch die diplom-psychologin vom psychologischen dienst der jva h. vertrat in ihrer letzten stellungnahme vom 17. juli 2013 die auffassung, es sei problematisch, wenn der kläger in das elternhaus zurückkehre; besser sei es für ihn, eine eigene wohnung und einen unabhängigen arbeitsplatz zu finden. beides ist bis heute nicht der fall. der kläger wohnt wieder im haus der eltern (wenn auch in einer eigenen wohnung im haus) und hat seit der haftentlassung keine nachhaltige längerfristige erwerbstätigkeit aufgenommen. dieser umstand zeigt jedoch einen mangel an sozialisierung, der wiederum das risiko für straftaten erhöht. auch insoweit wird das verhalten aus dem vollzug fortgesetzt. im strafvollzug übte der kläger zwar verschiedene tätigkeiten aus, ist jedoch bei keiner auf dauer geblieben und zeigte sich für deren wahrnehmung wenig motiviert, wie sich aus dem bereits zitierten bericht der justizvollzugsanstalt ergibt. 94auch die tatsache, dass der kläger nach seiner haftentlassung straffrei geblieben ist, ist angesichts der vorgeschichte nicht geeignet, die von dem kläger weiterhin ausgehende gefahr unter berücksichtigung des oben beschriebenen differenzierenden wahrscheinlichkeitsmaßstabes in einer weise zu relativieren, dass die ausweisung in dem maßgeblichen zeitpunkt der gerichtlichen entscheidung rechtswidrig wäre. im hinblick auf die schwere der begangenen tat kann bei nicht nachgewiesener vollständiger abstinenz von alkohol und drogen nicht davon ausgegangen werden, dass die von ihm ausgehende gefahr durch gewalttätigkeiten, insbesondere unter dem einfluss von berauschenden mitteln, beseitigt ist. 95die ermessensentscheidung der beklagten - die gemäß § 114 satz 1 vwgo nur eingeschränkter gerichtlicher kontrolle unterworfen ist - den kläger aus dem gebiet der bundesrepublik deutschland auszuweisen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. 96diese erfordert eine sachgerechte abwägung des öffentlichen interesses am schutz der öffentlichen ordnung und damit an der ausreise des ausländers mit dessen privatem interesse an seinem verbleib im bundesgebiet, wobei dem gemeinschaftsrechtlichen grundsatz der verhältnismäßigkeit besondere bedeutung zukommt. 97eugh, urteil v. 08.12.2011 - c-371/08 (ziebell/örnek); bverwg, urteil v. 13.12.2012 - 1 c 20.11 – 98dabei sind die schützenswerten belange des klägers, die sich auf sein privat- und familienleben beziehen, unter zugrundelegung der in der rechtsprechung des egmr entwickelten kriterien umfassend zu würdigen. 99vgl. urteile vom 2. august 2001 - nr. 54273/00, boultif/schweiz - infauslr 2001, 476 und vom 18. oktober 2006 - nr. 46410/99, üner/niederlande - nvwz 2007, 1279 100dieser kriterienkatalog kann ohne weiteres auch geltung für die beantwortung der frage beanspruchen, ob ein derartiger eingriff verhältnismäßig im sinne von art. 6 gg, art. 2 abs. 1 gg i.v.m. art. 20 abs. 3 gg ist. es handelt sich dabei um folgende kriterien: 101- anzahl, art und schwere der vom ausländer begangenen straftat; 102- das alter des ausländers bei begehung der straftaten; 103- der charakter und die dauer des aufenthalts im land, das der ausländer verlassen soll; 104- die seit begehen der straftaten vergangene zeit und 105- das verhalten des ausländers seit der tat, insbesondere im strafvollzug; 106- die staatsangehörigkeit aller beteiligten; 107- die familiäre situation des ausländers und gegebenenfalls die dauer der ehe sowie andere umstände, die auf ein tatsächliches familienleben eines paares hinweisen; 108- der grund für die schwierigkeiten, die der partner in dem land haben kann, in das ggfs. abgeschoben werden soll; 109- ob der partner bei begründung der familiären beziehung kenntnis von der straftat hatte; 110- ob der verbindung kinder entstammen, und in diesem fall deren alter; das interesse und das wohl der kinder, insbesondere der umfang der schwierigkeiten, auf die sie wahrscheinlich in dem land treffen, in das der betroffene ggfs. abgeschoben werden soll 111sowie 112- die intensität der sozialen, kulturellen und familiären bindungen zum gastland einerseits und zum herkunftsland andererseits. 113die ausweisung des klägers erweist sich vorliegend auch unter würdigung seiner schützenswerten belange im einzelfall angesichts der besonderen schwere des ausweisungsanlasses und der nach wie vor von ihm ausgehenden gefahr als unerlässlich, um das oben näher beschriebene grundinteresse der gesellschaft zu wahren. 114insoweit wird zunächst auf die zutreffenden erwägungen der beklagten in der angegriffenen ordnungsverfügung verwiesen, denen sich das gericht nach eigener prüfung anschließt. darüber hinaus ist zu konstatieren, dass auch die weitere entwicklung nach erlass der ordnungsverfügung zu keiner abweichenden beurteilung führt. 115ein persönlicher umgang mit seinem deutschen kind im sinne einer persönlich-emotionalen beziehung ist nicht ersichtlich. zwar hat der kläger in der mündlichen verhandlung vorgetragen, er verfolge – trotz widerstandes der kindsmutter - weiterhin das ziel einer einräumung eines umgangsrechts mit seinem sohn und es stehe demnächst vor dem familiengericht eine anhörung des kindes an. der kläger war aber nicht in der lage, diese behauptung durch die vorlage von unterlagen zu substantiieren. 116die beziehung zu seiner jetzigen lebensgefährtin frau t3. c. ist er in kenntnis seiner aufenthaltsrechtlichen situation eingegangen. es ist nicht ersichtlich, ob und wann er mit dieser in einem gemeinsamen haushalt leben wird. hat er noch im juni 2015 vorgetragen, eine gemeinsame wohnung sei schon gemietet und der zusammenzug stehe unmittelbar bevor, so sind diese pläne offenbar nicht realisiert worden. nach seinen eigenen aussagen lebt er immer noch im haus seiner eltern und hat skrupel, sich von diesen räumlich zu entfernen. diese nichtablösung von seinem elternhaus wirkt sich aber gerade negativ auf die zukunftsprognose des klägers aus. 117ebensowenig hat er ein (längerfristiges) arbeitsverhältnis aufgenommen, so dass eine eingliederung in den arbeitsmarkt nicht erfolgt ist und auch nicht absehbar erscheint. vielmehr setzt sich sein in der jva gezeigtes verhalten im sinne einer unbeständigkeit und mangelndem interesse an einer erwerbstätigkeit bis heute fort. 118auch die ausreiseaufforderung nebst abschiebeandrohung (nr.2) und die gebührenfestsetzung (nr. 4) sind nicht zu beanstanden. die abschiebungsandrohung entspricht den gesetzlichen vorschriften des § 59 absätze 1, 2 und 5 aufenthg. die gebühren waren gemäß § 69 aufenthg i.v.m. §§ 45, 47, 49 aufenthv festzusetzen. 119ii. auch der nach erfolglosigkeit des hauptantrags zu entscheidende hilfsantrag – gerichtet auf eine verkürzung der befristung der wirkungen der ausweisung auf 5 jahre - hat keinen erfolg. 120der hilfsantrag ist zulässig, aber unbegründet. 121die festsetzung der frist durch die beklagte in der angefochtenen ordnungsverfügung ist nicht rechtswidrig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten (§ 113 abs. 1 vwgo). der kläger hat im maßgeblichen zeitpunkt der mündlichen verhandlung keinen anspruch gegen die beklagte auf festsetzung einer kürzeren frist, § 113 abs. 5 vwgo. 122die festsetzung der frist in der angefochtenen ordnungsverfügung auf 7 jahre nach ausreise ist formell nicht zu beanstanden, insbesondere ist die frist gem. § 11 abs. 2 satz 2 aufenthg n.f. gemeinsam mit der ausweisungsverfügung in der ordnungsverfügung festgesetzt worden. dem steht auch nicht entgegen, dass die beklagte ihre ermessensentscheidung erst mit schriftsatz vom 26.10.2015 im laufenden verwaltungsgerichtlichen verfahren nachgeholt hat. denn nach der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts 123urteil vom 13. dezember 2011, - 1 c 14.10 -, juris rz. 8, 124hindert schon § 114 satz 2 vwgo nicht das nachschieben einer erstmaligen ermessensentscheidung, wenn sich erst nach klageerhebung auf grund neuer umstände die notwendigkeit einer ermessensentscheidung ergibt. dies ist auch auf fälle anwendbar, in denen - wie hier – durch rechtsänderungen sich erstmals die notwendigkeit einer ermessensentscheidung ergibt. mit der neufassung des § 11 abs. 3 aufenthg hat der gesetzgeber zum 1. august 2015 die festsetzung der frist ins ermessen der zuständigen behörde gestellt, während zuvor nach höchstrichterlicher rechtsprechung bei der befristungsentscheidung von einer voll justiziablen verhältnismäßigkeitsentscheidung auszugehen war. 125vgl zuletzt bundesverwaltungsgericht, urteil vom 25. märz 2015 – 1 c 18/14 –, juris zu befristungsentscheidungen im rahmen des § 7 abs. 2 satz 5 freizügg/eu. 126da zum zeitpunkt des erlasses der befristungsentscheidung lediglich eine abwägungsentscheidung zu treffen war, maßgeblicher zeitpunkt für die beurteilung der rechtmäßigkeit der befristungsentscheidung jedoch der zeitpunkt der letzten mündlichen verhandlung ist, 127vgl. bverwg, urteil vom 13. dezember 2012 - 1 c 14.12 -, juris 128musste der beklagten die möglichkeit eingeräumt werden, die nunmehr nach der ab dem 01.08.2015 geltenden rechtslage eine erstmalige ermessensentscheidung zu treffen. 129dann kann auch die nachbesserung einer zunächst (nur) nach verhältnismäßig-keitsgrundsätzen getroffenen entscheidung mit einer ermessensentscheidung während des verwaltungsgerichtlichen verfahrens nicht zur rechtswidrigkeit der entscheidung in formeller hinsicht führen (vgl. auch § 45 abs. 1 nr. 2 vwvfg). 130die festsetzung der frist auf 7 jahre stellt sich nach den im gerichtlichen verfahren angestellten ermessenserwägungen als materiell rechtmäßig dar. 131rechtsgrundlage für die befristung ist § 11 abs. 1 aufenthg. nach dem dortigen satz 1 darf ein ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. ihm wird nach satz 2 der vorschrift auch bei vorliegen der voraussetzungen eines anspruchs nach diesem gesetz kein aufenthaltstitel erteilt. 132§ 11 abs. 2 aufenthg ordnet an, dass diese kraft gesetzes eintretenden wirkungen von amts wegen befristet werden. über die frist ist gemäß absatz 3 satz 1 nach ermessen zu entscheiden. 133die beklagte hat die vorgaben des § 11 abs. 3 aufenthg beachtet, das ihr eingeräumte ermessen erkannt und in nicht zu beanstandender weise ausgeübt. 134nach § 11 abs. 3 satz 2, 3 aufenthg n.f. darf die frist fünf jahre nur überschreiten, wenn der ausländer auf grund einer strafrechtlichen verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwer wiegende gefahr für die öffentliche sicherheit und ordnung ausgeht. diese frist soll zehn jahre nicht überschreiten. 135bei der bemessung der frist sind zunächst das gewicht des ausweisungsgrundes und der mit der ausweisung verfolgte zweck zu berücksichtigen. es bedarf der prognostischen einschätzung im jeweiligen einzelfall, wie lange das verhalten des betroffenen, das der zu spezialpräventiven zwecken verfügten ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche interesse an der gefahrenabwehr zu tragen vermag. 136diesen vorgaben ist die beklagte im rahmen ihrer ermessensentscheidung gerecht geworden. 137nach dem vorstehenden (unter i.) ist die ausweisung des klägers sowohl auf grund strafrechtlicher verurteilungen verfügt worden als auch deshalb, weil von ihm eine schwer wiegende gefahr für die öffentliche sicherheit und ordnung ausgeht. die regelhöchstfrist von zehn jahren wurde nicht überschritten. 138die beklagte hat bei der festsetzung der frist auch die vorgaben der höchstrichterlichen rechtsprechung zur verhältnismäßigkeit 139zuletzt bundesverwaltungsgericht, urteil vom 25. märz 2015, a.a.o. 140im ergebnis beachtet. diese vorgaben haben auch unter geltung des § 11 abs. 3 aufenthg n.f. ihre berechtigung, da auch einer ermessensentscheidung durch den verhältnismäßigkeitsgrundsatz grenzen gesetzt werden. die maximale noch verhältnismäßige länge der befristung beschreibt die im ermessen maximal zulässige befristung. die festsetzung einer im vergleich dazu kürzeren frist steht im freien ermessen der behörde. 141die nach § 11 abs. 3 satz 2, 3 aufenthg n.f. ermittelte frist muss sich an höherrangigem recht, d.h. verfassungsrechtlichen wertentscheidungen (art. 2 abs. 1, art. 6 gg) sowie den vorgaben aus art. 7 grch und art. 8 emrk messen lassen und ist daher ggf. zu relativieren. dieses normative korrektiv bietet der ausländerbehörde ein rechtsstaatliches mittel, um die fortwirkenden einschneidenden folgen des einreise- und aufenthaltsverbots für die persönliche lebensführung des betroffenen sowie ggf. seiner engeren familienangehörigen zu begrenzen. 142vgl. bverwg, urteile vom 11. august 2000 - 1 c 5.00 - bverwge 111, 369 <373> und vom 4. september 2007 - 1 c 21.07 - bverwge 129, 243 rn. 19 ff. 143ausgehend von der schwere der vom kläger ausgehenden gefahren (tötungsdelikt und weitere delikte gegen die körperliche unversehrtheit), die kausal mit dem konsum von drogen und alkohol in zusammenhang stehen, sind die in der zweiten stufe zur möglichen relativierung heranzuziehenden persönlichen interessen des klägers an einer baldigen rückkehr in das bundesgebiet gewichtet und eingestellt worden. insbesondere im hinblick auf das weitere verhalten des klägers seit erlass der ordnungsverfügung hat die beklagte erneut die gesamtumstände in erkenntnis und ausübung des ihr nunmehr zustehenden ermessens abgewogen und das festhalten an der ursprünglichen entscheidung umfassend begründet. die festsetzung der frist auf 7 jahre nach ausreise ist damit nicht zu beanstanden und ein anspruch auf verkürzung nicht gegeben. 144die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. 145die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 abs. 2 vwgo und 708 nr. 11, 711 satz 1 zpo. | Verklagte*r | 0 |
182,276 | L 16 KR 571/13 | 2014-03-13T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 07.08.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für eine weitere Maßnahme der künstlichen Befruchtung mittels Intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI). 3Die 1974 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie übersandte der Beklagten mit Schreiben vom 16.06.2011 einen Behandlungsplan für eine Maßnahme zur künstlichen Befruchtung im Universitätsklinikum N (UKM) mittels ICSI vom 10.06.2011. Nach einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) mit niedriger Fertilisation sei bereits eine Maßnahme mittels ICSI erfolglos durchgeführt worden. Mit Bescheid vom 22.06.2011 sagte die Beklagte den Eheleuten eine anteilige Kostenübernahme zu. Die Maßnahme blieb ohne Erfolg. 4Die Eheleute übersandten der Beklagten mit Schreiben vom 10.11.2011 einen Antrag des MVZ Kinderwunsch-und Hormonzentrums N vom 22.09.2011. Das MVZ führte unter Schilderung der bisherigen Behandlungsmaßnahmen aus, es seien noch nicht alle Chancen ausgenutzt. Es gebe gute Chancen für eine erfolgreiche Durchführung einer weiteren Maßnahme mittels ICSI. 5In einer von der Beklagten eingeholten Stellungnahme vom 15.12.2011 gab das MVZ an, bei dem Ehepaar seien drei frustrane Versuche, d.h. ohne Eintreten einer klinischen Schwangerschaft, durchgeführt worden, so dass nur eine private Abrechnung möglich sei. 6Mit Bescheid vom 04.01.2012 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten einer zusätzlichen ICSI ab. Zur Begründung führte sie aus, alle bisherigen drei Versuche seien ohne Eintreten einer klinischen Schwangerschaft durchgeführt worden. Insofern sei der gesetzlich vorgegebene Höchstanspruch erschöpft. Eine Übernahme der Aufwendungen wegen der beantragten Kostenerstattung für den vierten ICSI-Behandlungsversuch sei nicht möglich. 7Hiergegen legten die Eheleute am 20.01.2012 Widerspruch ein und führten zur Begründung aus, bislang seien tatsächlich nur zwei ICSI-Behandlungsversuche durchgeführt worden. Ein weiterer Versuch sei eine IVF-Behandlung gewesen. Sie würden eine wohlwollende Prüfung ihres Widerspruchs erwarten. 8Die Beklagte wies den Widerspruch mit an die Klägerin adressiertem Widerspruchsbescheid vom 28.03.2012 zurück. Zur Begründung führte sie aus, gemäß § 27a Abs. 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) in der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung umfassten die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich seien und hinreichende Erfolgsaussicht bestehe, dass eine Schwangerschaft herbeigeführt werde. Eine hinreichende Aussicht bestehe nach Gesetzeslage jedoch dann nicht mehr, wenn die Maßnahmen dreimal ohne Erfolg durchgeführt worden seien. Bei der Klägerin seien bereits drei Versuche (ICSI und IVF) durchgeführt worden, ohne dass es zum Eintritt einer klinischen Schwangerschaft gekommen sei. Daher bestehe keine hinreichende Erfolgsaussicht für die Herbeiführung einer weiteren Schwangerschaft. Ein Leistungsanspruch für einen weiteren, vierten Versuch bestehe nicht. 9Hiergegen hat die Klägerin am 04.04.2012 beim Sozialgericht (SG) Münster Klage erhoben und noch einmal darauf hingewiesen, dass bislang tatsächlich nur zwei ICSI-Behandlungsversuche durchgeführt worden seien. Bei einem weiteren Versuch habe es sich um eine IVF-Behandlung gehandelt. Da diese von vornherein aussichtslos gewesen sei, könne sie nicht als erfolglose Maßnahme im Sinne von § 27a Abs. 1 SGB V gewertet werden. Demnach bestehe der geltend gemachte Anspruch, da die Maßnahme bislang nur zweimal ohne Erfolg durchgeführt worden sei. Zudem weise sie auf das Urteil des LSG Thüringen vom 13.12.2011 (L 6 KR 439/07) hin. Danach komme bei § 27a Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 SGB V eine Zusammenrechnung von zwei unterschiedlichen Behandlungsmethoden zur künstlichen Befruchtung nicht in Betracht. Im Übrigen sei die streitgegenständliche Behandlungsmaßnahme inzwischen erfolgreich durchgeführt worden. 10Die Klägerin hat Rechnungen zur streitgegenständlichen Behandlung nebst Aufstellung über die ihr in diesem Zusammenhang entstandenen Kosten in Höhe von 5.756,23 Euro eingereicht. Die Rechnung des MVZ Hormon- und Kinderwunschzentrums N vom 26.02.2013 belief sich auf 1.478,71 Euro. Der Rechnungsbetrag ihres Ehegatten vom 26.02.2013 über 1.400,09 Euro möge im vorliegenden Verfahren einbezogen werden. Sofern dies nicht möglich sei, werde um einen Hinweis gebeten. 11Die Klägerin hat beantragt, 12die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2012 zu verurteilen, ihr eine anteilige Kostenübernahme für einen ICSI-Versuch gemäß Kostenantrag des MVZ Kinderwunsch-Hormonzentrums zu gewähren. 13Die Beklagte hat beantragt, 14die Klage abzuweisen. 15Sie hält an der von ihr im Vorverfahren vertretenen Auffassung fest. Ergänzend trägt sie vor, das Urteil des LSG Thüringen vom 13.12.2011 sei nicht einschlägig. Es beziehe sich in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich auf die bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung des § 27a SGB V in Verbindung mit den Richtlinien über künstliche Befruchtung in der Fassung vom 23.05.2002. Nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) in der im anhängigen Verfahren anzuwendenden Fassung sei der Leistungsanspruch der Klägerin erschöpft. Die von der Klägerin angesprochene Rechnungslegung des Ehegatten über 1.400,09 Euro beziehe sich auf den vierten Behandlungsversuch der Klägerin und sei somit Gegentand des anhängigen Verfahrens. 16Mit Urteil vom 07.08.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Voraussetzung für Leistungen der Krankenbehandlung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft sei gemäß § 27a Abs. 1 Nr. 2 SGB V unter anderem, dass nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehe, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehe nicht mehr, wenn die Maßnahme dreimal ohne Erfolg durchgeführt worden sei. Vor Stellung des Antrages vom 22.09.2011 seien bei der Klägerin bereits drei erfolglose Maßnahmen der künstlichen Befruchtung durchgeführt worden, zwei ICSI-Versuche und ein IVF-Versuch. Damit seien drei erfolglose Behandlungsversuche durchgeführt worden, so dass bezüglich der Durchführung eines vierten Versuches eine hinreichende Aussicht auf Herbeiführung einer Schwangerschaft gemäß § 27a Abs. 1 Nr. 2 SGB V in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung nicht bejaht werden könne. 17Entgegen der Auffassung der Klägerin seien insoweit nicht nur die zwei ICSI-Behandlungsversuche, sondern auch die IVF-Behandlung zu berücksichtigen. Gemäß Nr. 8 der Richtlinien des GBA über künstliche Befruchtung gemäß Beschluss vom 15.11.2007 werde bestimmt, dass IVF und ICSI aufgrund der differenzierten Indikationsstellung ebenso nur alternativ angewandt werden dürfen. Eine Ausnahme sei die Fallkonstellation eines totalen Fertilisationsversagens nach dem ersten Versuch einer IVF. In diesem Fall könne in maximal zwei darauffolgenden Zyklen die ICSI zur Anwendung kommen, auch wenn die Voraussetzungen nach Nr. 11.5 nicht vorlägen. In den tragenden Gründen zum Beschluss vom 15.11.2007 habe der GBA unter 1. ausgeführt, dass die Formulierungen so gewählt worden seien, dass die Anzahl der genehmigungsfähigen Zyklen gegenüber Fällen ohne diese Ausnahmeindikation nicht ansteige, um eine Gleichbehandlung der Paare zu gewährleisten. Hieraus ergebe sich, dass der GBA aus Gründen der Gleichbehandlung die oben erwähnte Regelung in Nr. 8 der Richtlinien über künstliche Befruchtung getroffen habe. 18Bei den Richtlinien des GBA handele es sich um untergesetzliche Rechtsnormen, die Bindungswirkung gegenüber allen Systembeteiligten entfalte (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 21.06.2011, B 1 KR 18/10 R). Anhaltspunkte dafür, dass die Richtlinien des GBA über künstliche Befruchtung nicht im Einklang stünden mit dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, seien nicht ersichtlich. Die Richtlinien begegneten auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. 19Ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der anteiligen Kosten für einen weiteren Behandlungsversuch ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass es nunmehr zu einer Schwangerschaft gekommen sei. Die Regelung des § 27a Abs. 1 Nr. 2 SGB V, wonach eine hinreichende Aussicht nicht mehr bestehe, wenn die Maßnahme dreimal ohne Erfolg durchgeführt worden sei, begründe eine unwiderlegliche Vermutung (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 25.06.2009, B 3 KR 9/08 R). 20Gegen das ihr am 17.08.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.08.2013 Berufung eingelegt. Das Urteil des SG beruhe auf einem falschen Verständnis der Rechtsprechung des BSG. Zwar seien die Richtlinien in der Rechtsprechung des BSG seit Langem als untergesetzliche Rechtsnormen mit Bindungswirkung gegenüber allen Systembeteiligten anerkannt. Das BSG behalte sich aber vor, die vom GBA erlassenen Regelungen formell und auch inhaltlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm, etwa einer Rechtsverordnung, selbst erlassen hätte, wenn und soweit hierzu auf Grund hinreichend substantiierten Beteiligtenvorbringens konkreter Anlass bestehe. Nr. 8 der Richtlinie über künstliche Befruchtungen sei insoweit unwirksam, als dort unterschiedliche Methoden der künstlichen Befruchtung zusammengefasst werden, da sie insoweit gegen § 27a SGB V verstießen. Zur Begründung führte die Klägerin die Gründe aus der Entscheidung des LSG Thüringen vom 13.12.2011 an. 21In der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2014 haben die Beteiligen im Hinblick auf die dem Ehemann der Klägerin entstandenen Kosten einen Vergleich geschlossen. 22Die Klägerin beantragt, 23das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 07.08.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2012 zu verurteilen, 50 v.H. der bei ihr entstandenen Kosten von 5.756,23 Euro zu erstatten. 24Die Beklagte beantragt, 25die Berufung zurückzuweisen. 26Das SG habe zu Recht in der angefochtenen Entscheidung den geltend gemachten Anspruch abgelehnt. Die Berufungsbegründung sei nicht geeignet, eine anders lautende leistungsrechtliche Beurteilung herbeizuführen. Wie das Vordergericht in den Entscheidungsgründen festgestellt habe, lägen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Übernahme von Kosten für die weitere Maßnahme der künstlichen Befruchtung mittels ICSI nicht vor. Neue Aspekte seien ihrer Auffassung nach nicht ersichtlich. 27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. 28Entscheidungsgründe: 29Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, jedenfalls nach Abschluss des Teilvergleichs in der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2014, nur noch Ansprüche der Klägerin und nicht (mehr) ihres Ehemannes. 30Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 07.08.2013 die Klage abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, für die Klägerin anteilige Kosten für einen weiteren ICSI-Versuch zu übernehmen. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil verwiesen, die sich der Senat nach Prüfung zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). 31Die Ausführungen der Klägerin im Berufungsverfahren rechtfertigen keine andere Beurteilung. Der seit dem 01.01.2004 geltende Ausschluss von Leistungen zur künstlichen Befruchtung nach drei erfolglos durchgeführten Behandlungszyklen ist verfassungskonform (vgl. BSG, Urteil vom 25.06.2009, B 3 KR 9/08 R, Rn. 15 ff.). Es handelt sich um eine unwiderlegliche Vermutung, die nicht deshalb ganz oder teilweise fortfällt, weil es bei einem vierten Versuch zu einer Schwangerschaft gekommen ist (BSG, Urteil vom 25.06.2009, a.a.O., Rn. 11). 32Eine Zusammenrechnung der unterschiedlichen Behandlungsmethoden ist rechtmäßig. Zwar lässt der Wortlaut des § 27a Abs. 1 SGB V auch die Auslegung der Klägerin zu, der singuläre Begriff der Maßnahme beziehe sich nur auf eine bestimmte Behandlungsmethode. Unter Zugrundelegung der Auffassung der Klägerin könnten dann bis zu fünf Behandlungsversuche (2x IVF, 2x ICSI und sodann 1x IVF oder ICSI) durchgeführt werden. 33Die Auffassung der Klägerin wird vom Senat in Übereinstimmung mit dem SG nicht geteilt. Die vom SG vorgenommene Addition der Maßnahmen entspricht den Richtlinien über künstliche Befruchtung in der Fassung des Beschlusses vom 15.11.2007 (BAnz Nr. 19 vom 05.02.2008, Seite 375). Diese sind entgegen der Auffassung der Klägerin wirksam. Mit der Begrenzung auf insgesamt drei Versuche verbleibt der GBA innerhalb des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums. So dürfen IVF und ICSI aufgrund der differenzierten Indikationsstellung nur alternativ angewandt werden. Einzige Ausnahme ist die Fallkonstellation eines totalen Fertilisationsversagens nach dem ersten Versuch einer IVF. In diesem Fall kann in maximal zwei darauffolgenden Zyklen die ICSI zur Anwendung kommen, auch wenn die Voraussetzungen nach Nr. 11.5 nicht vorliegen. Nach den tragenden Gründen des GBA zum Beschluss vom 15.11.2007 wurden die Formulierungen so gewählt, dass die Anzahl der genehmigungsfähigen Zyklen gegenüber Fällen ohne diese Ausnahmeindikation nicht ansteigt, um eine Gleichbehandlung der Paare zu gewährleisten. Die Begrenzung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 07.05.2013, B 1 KR 8/12 R, Rn. 12 juris). Danach besteht eine zusätzliche Indikation für die ICSI für die Fallkonstellation eines totalen Fertilisationsversagens nach dem ersten Versuch einer IVF. In diesem Fall kann in maximal zwei darauffolgenden Zyklen die ICSI zur Anwendung kommen, auch wenn die Voraussetzungen nach Nr. 11.5 nicht vorliegen. Im Übrigen dürfen IVF und ICSI aufgrund der differenzierten Indikationsstellung nur alternativ angewandt werden. Den Ausführungen des BSG lässt sich entnehmen, dass nur insgesamt drei Versuche in Betracht kommen. 34Das von der Klägerin angeführte Urteil des LSG Thüringen vom 13.12.2011 (L 6 KR 439/07) ist nicht einschlägig. Das Urteil betrifft § 27a SGB V in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung in Verbindung mit den Richtlinien über künstliche Befruchtung in der Fassung vom 26.02.2002. Die Auffassung des LSG Thüringen wird vom Senat jedenfalls im Hinblick auf die Neufassung des § 27a SGB V nicht geteilt. Im Gegensatz zur bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung des § 27a Abs. 1 Nr. 2 SGB V, wonach eine hinreichende Aussicht in der Regel nicht mehr bestanden hat, wenn die Maßnahme viermal ohne Erfolg durchgeführt worden ist, besteht nach der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung eine hinreichende Aussicht nicht mehr, wenn die Maßnahme dreimal ohne Erfolg durchgeführt worden ist. Durch den Wegfall der Wörter in der Regel hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass nunmehr nach drei Versuchen eine weitere Maßnahme nicht mehr in Betracht kommt. Der Leistungsanspruch ist ausnahmslos auf drei Versuche begrenzt (Kuhlmann in LPK-SGB V, 4. Auflage 2012, § 27a Rn. 9). Eine Einzelfallentscheidung, wie noch bis zum 31.12.2003 möglich, ist nach dem ab dem 01.01.2004 geltenden Gesetzeswortlaut ausgeschlossen. Die Begrenzung auf insgesamt drei Versuche entspricht zur Überzeugung des Senats der Regelung des § 27a SGB V. 35Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. 36Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die Entscheidung des LSG Thüringen vom 13.12.2011 (L 6 KR 439/07) ist zu der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung in Verbindung mit den Richtlinien über künstliche Befruchtung in der Fassung vom 26.02.2002 ergangen. Zudem hält der Senat die Rechtsfrage unter Berücksichtigung des Urteils des BSG vom 07.05.2013 (B 1 KR 8/12 R) für geklärt. | die berufung der klägerin gegen das urteil des sozialgerichts münster vom 07.08.2013 wird zurückgewiesen. außergerichtliche kosten sind auch im berufungsverfahren nicht zu erstatten. 1 | 2die beteiligten streiten um die übernahme der kosten für eine weitere maßnahme der künstlichen befruchtung mittels intracytoplasmatischer spermieninjektion (icsi). 3die 1974 geborene klägerin ist bei der beklagten krankenversichert. sie übersandte der beklagten mit schreiben vom 16.06.2011 einen behandlungsplan für eine maßnahme zur künstlichen befruchtung im universitätsklinikum n (ukm) mittels icsi vom 10.06.2011. nach einer in-vitro-fertilisation (ivf) mit niedriger fertilisation sei bereits eine maßnahme mittels icsi erfolglos durchgeführt worden. mit bescheid vom 22.06.2011 sagte die beklagte den eheleuten eine anteilige kostenübernahme zu. die maßnahme blieb ohne erfolg. 4die eheleute übersandten der beklagten mit schreiben vom 10.11.2011 einen antrag des mvz kinderwunsch-und hormonzentrums n vom 22.09.2011. das mvz führte unter schilderung der bisherigen behandlungsmaßnahmen aus, es seien noch nicht alle chancen ausgenutzt. es gebe gute chancen für eine erfolgreiche durchführung einer weiteren maßnahme mittels icsi. 5in einer von der beklagten eingeholten stellungnahme vom 15.12.2011 gab das mvz an, bei dem ehepaar seien drei frustrane versuche, d.h. ohne eintreten einer klinischen schwangerschaft, durchgeführt worden, so dass nur eine private abrechnung möglich sei. 6mit bescheid vom 04.01.2012 lehnte die beklagte die übernahme der kosten einer zusätzlichen icsi ab. zur begründung führte sie aus, alle bisherigen drei versuche seien ohne eintreten einer klinischen schwangerschaft durchgeführt worden. insofern sei der gesetzlich vorgegebene höchstanspruch erschöpft. eine übernahme der aufwendungen wegen der beantragten kostenerstattung für den vierten icsi-behandlungsversuch sei nicht möglich. 7hiergegen legten die eheleute am 20.01.2012 widerspruch ein und führten zur begründung aus, bislang seien tatsächlich nur zwei icsi-behandlungsversuche durchgeführt worden. ein weiterer versuch sei eine ivf-behandlung gewesen. sie würden eine wohlwollende prüfung ihres widerspruchs erwarten. 8die beklagte wies den widerspruch mit an die klägerin adressiertem widerspruchsbescheid vom 28.03.2012 zurück. zur begründung führte sie aus, gemäß § 27a abs. 1 sozialgesetzbuch v (sgb v) in der ab dem 01.01.2004 geltenden fassung umfassten die leistungen der krankenbehandlung auch medizinische maßnahmen zur herbeiführung einer schwangerschaft, wenn diese maßnahmen nach ärztlicher feststellung erforderlich seien und hinreichende erfolgsaussicht bestehe, dass eine schwangerschaft herbeigeführt werde. eine hinreichende aussicht bestehe nach gesetzeslage jedoch dann nicht mehr, wenn die maßnahmen dreimal ohne erfolg durchgeführt worden seien. bei der klägerin seien bereits drei versuche (icsi und ivf) durchgeführt worden, ohne dass es zum eintritt einer klinischen schwangerschaft gekommen sei. daher bestehe keine hinreichende erfolgsaussicht für die herbeiführung einer weiteren schwangerschaft. ein leistungsanspruch für einen weiteren, vierten versuch bestehe nicht. 9hiergegen hat die klägerin am 04.04.2012 beim sozialgericht (sg) münster klage erhoben und noch einmal darauf hingewiesen, dass bislang tatsächlich nur zwei icsi-behandlungsversuche durchgeführt worden seien. bei einem weiteren versuch habe es sich um eine ivf-behandlung gehandelt. da diese von vornherein aussichtslos gewesen sei, könne sie nicht als erfolglose maßnahme im sinne von § 27a abs. 1 sgb v gewertet werden. demnach bestehe der geltend gemachte anspruch, da die maßnahme bislang nur zweimal ohne erfolg durchgeführt worden sei. zudem weise sie auf das urteil des lsg thüringen vom 13.12.2011 (l 6 kr 439/07) hin. danach komme bei § 27a abs. 1 nr. 2 halbsatz 2 sgb v eine zusammenrechnung von zwei unterschiedlichen behandlungsmethoden zur künstlichen befruchtung nicht in betracht. im übrigen sei die streitgegenständliche behandlungsmaßnahme inzwischen erfolgreich durchgeführt worden. 10die klägerin hat rechnungen zur streitgegenständlichen behandlung nebst aufstellung über die ihr in diesem zusammenhang entstandenen kosten in höhe von 5.756,23 euro eingereicht. die rechnung des mvz hormon- und kinderwunschzentrums n vom 26.02.2013 belief sich auf 1.478,71 euro. der rechnungsbetrag ihres ehegatten vom 26.02.2013 über 1.400,09 euro möge im vorliegenden verfahren einbezogen werden. sofern dies nicht möglich sei, werde um einen hinweis gebeten. 11die klägerin hat beantragt, 12die beklagte unter aufhebung des bescheides vom 04.01.2012 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 28.03.2012 zu verurteilen, ihr eine anteilige kostenübernahme für einen icsi-versuch gemäß kostenantrag des mvz kinderwunsch-hormonzentrums zu gewähren. 13die beklagte hat beantragt, 14die klage abzuweisen. 15sie hält an der von ihr im vorverfahren vertretenen auffassung fest. ergänzend trägt sie vor, das urteil des lsg thüringen vom 13.12.2011 sei nicht einschlägig. es beziehe sich in seinen entscheidungsgründen ausdrücklich auf die bis zum 31.12.2003 geltenden fassung des § 27a sgb v in verbindung mit den richtlinien über künstliche befruchtung in der fassung vom 23.05.2002. nach den richtlinien des gemeinsamen bundesausschusses (gba) in der im anhängigen verfahren anzuwendenden fassung sei der leistungsanspruch der klägerin erschöpft. die von der klägerin angesprochene rechnungslegung des ehegatten über 1.400,09 euro beziehe sich auf den vierten behandlungsversuch der klägerin und sei somit gegentand des anhängigen verfahrens. 16mit urteil vom 07.08.2013 hat das sg die klage abgewiesen. zur begründung hat es ausgeführt: voraussetzung für leistungen der krankenbehandlung zur herbeiführung einer schwangerschaft sei gemäß § 27a abs. 1 nr. 2 sgb v unter anderem, dass nach ärztlicher feststellung hinreichende aussicht auf erfolg bestehe, dass durch die maßnahmen eine schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende aussicht auf erfolg bestehe nicht mehr, wenn die maßnahme dreimal ohne erfolg durchgeführt worden sei. vor stellung des antrages vom 22.09.2011 seien bei der klägerin bereits drei erfolglose maßnahmen der künstlichen befruchtung durchgeführt worden, zwei icsi-versuche und ein ivf-versuch. damit seien drei erfolglose behandlungsversuche durchgeführt worden, so dass bezüglich der durchführung eines vierten versuches eine hinreichende aussicht auf herbeiführung einer schwangerschaft gemäß § 27a abs. 1 nr. 2 sgb v in der ab 01.01.2004 geltenden fassung nicht bejaht werden könne. 17entgegen der auffassung der klägerin seien insoweit nicht nur die zwei icsi-behandlungsversuche, sondern auch die ivf-behandlung zu berücksichtigen. gemäß nr. 8 der richtlinien des gba über künstliche befruchtung gemäß beschluss vom 15.11.2007 werde bestimmt, dass ivf und icsi aufgrund der differenzierten indikationsstellung ebenso nur alternativ angewandt werden dürfen. eine ausnahme sei die fallkonstellation eines totalen fertilisationsversagens nach dem ersten versuch einer ivf. in diesem fall könne in maximal zwei darauffolgenden zyklen die icsi zur anwendung kommen, auch wenn die voraussetzungen nach nr. 11.5 nicht vorlägen. in den tragenden gründen zum beschluss vom 15.11.2007 habe der gba unter 1. ausgeführt, dass die formulierungen so gewählt worden seien, dass die anzahl der genehmigungsfähigen zyklen gegenüber fällen ohne diese ausnahmeindikation nicht ansteige, um eine gleichbehandlung der paare zu gewährleisten. hieraus ergebe sich, dass der gba aus gründen der gleichbehandlung die oben erwähnte regelung in nr. 8 der richtlinien über künstliche befruchtung getroffen habe. 18bei den richtlinien des gba handele es sich um untergesetzliche rechtsnormen, die bindungswirkung gegenüber allen systembeteiligten entfalte (unter hinweis auf bsg, urteil vom 21.06.2011, b 1 kr 18/10 r). anhaltspunkte dafür, dass die richtlinien des gba über künstliche befruchtung nicht im einklang stünden mit dem stand der wissenschaftlichen erkenntnisse, seien nicht ersichtlich. die richtlinien begegneten auch keinen verfassungsrechtlichen bedenken. 19ein anspruch der klägerin auf übernahme der anteiligen kosten für einen weiteren behandlungsversuch ergebe sich auch nicht aus der tatsache, dass es nunmehr zu einer schwangerschaft gekommen sei. die regelung des § 27a abs. 1 nr. 2 sgb v, wonach eine hinreichende aussicht nicht mehr bestehe, wenn die maßnahme dreimal ohne erfolg durchgeführt worden sei, begründe eine unwiderlegliche vermutung (unter hinweis auf bsg, urteil vom 25.06.2009, b 3 kr 9/08 r). 20gegen das ihr am 17.08.2013 zugestellte urteil hat die klägerin am 20.08.2013 berufung eingelegt. das urteil des sg beruhe auf einem falschen verständnis der rechtsprechung des bsg. zwar seien die richtlinien in der rechtsprechung des bsg seit langem als untergesetzliche rechtsnormen mit bindungswirkung gegenüber allen systembeteiligten anerkannt. das bsg behalte sich aber vor, die vom gba erlassenen regelungen formell und auch inhaltlich in der weise zu prüfen, wie wenn der bundesgesetzgeber derartige regelungen in form einer untergesetzlichen norm, etwa einer rechtsverordnung, selbst erlassen hätte, wenn und soweit hierzu auf grund hinreichend substantiierten beteiligtenvorbringens konkreter anlass bestehe. nr. 8 der richtlinie über künstliche befruchtungen sei insoweit unwirksam, als dort unterschiedliche methoden der künstlichen befruchtung zusammengefasst werden, da sie insoweit gegen § 27a sgb v verstießen. zur begründung führte die klägerin die gründe aus der entscheidung des lsg thüringen vom 13.12.2011 an. 21in der mündlichen verhandlung vom 13.03.2014 haben die beteiligen im hinblick auf die dem ehemann der klägerin entstandenen kosten einen vergleich geschlossen. 22die klägerin beantragt, 23das urteil des sozialgerichts münster vom 07.08.2013 aufzuheben und die beklagte unter aufhebung des bescheides vom 04.01.2012 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 28.03.2012 zu verurteilen, 50 v.h. der bei ihr entstandenen kosten von 5.756,23 euro zu erstatten. 24die beklagte beantragt, 25die berufung zurückzuweisen. 26das sg habe zu recht in der angefochtenen entscheidung den geltend gemachten anspruch abgelehnt. die berufungsbegründung sei nicht geeignet, eine anders lautende leistungsrechtliche beurteilung herbeizuführen. wie das vordergericht in den entscheidungsgründen festgestellt habe, lägen im vorliegenden fall die voraussetzungen für die übernahme von kosten für die weitere maßnahme der künstlichen befruchtung mittels icsi nicht vor. neue aspekte seien ihrer auffassung nach nicht ersichtlich. 27wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den übrigen inhalt der gerichtsakte sowie der beigezogenen verwaltungsakte der beklagten verwiesen, der gegenstand der mündlichen verhandlung gewesen ist. 28 | 29gegenstand des berufungsverfahrens sind, jedenfalls nach abschluss des teilvergleichs in der mündlichen verhandlung vom 13.03.2014, nur noch ansprüche der klägerin und nicht (mehr) ihres ehemannes. 30die zulässige berufung der klägerin ist unbegründet. zu recht hat das sg mit urteil vom 07.08.2013 die klage abgewiesen. die beklagte ist nicht verpflichtet, für die klägerin anteilige kosten für einen weiteren icsi-versuch zu übernehmen. zur begründung wird auf die zutreffenden ausführungen des sg im angefochtenen urteil verwiesen, die sich der senat nach prüfung zu eigen macht (§ 153 abs. 2 des sozialgerichtsgesetzes -sgg-). 31die ausführungen der klägerin im berufungsverfahren rechtfertigen keine andere beurteilung. der seit dem 01.01.2004 geltende ausschluss von leistungen zur künstlichen befruchtung nach drei erfolglos durchgeführten behandlungszyklen ist verfassungskonform (vgl. bsg, urteil vom 25.06.2009, b 3 kr 9/08 r, rn. 15 ff.). es handelt sich um eine unwiderlegliche vermutung, die nicht deshalb ganz oder teilweise fortfällt, weil es bei einem vierten versuch zu einer schwangerschaft gekommen ist (bsg, urteil vom 25.06.2009, a.a.o., rn. 11). 32eine zusammenrechnung der unterschiedlichen behandlungsmethoden ist rechtmäßig. zwar lässt der wortlaut des § 27a abs. 1 sgb v auch die auslegung der klägerin zu, der singuläre begriff der maßnahme beziehe sich nur auf eine bestimmte behandlungsmethode. unter zugrundelegung der auffassung der klägerin könnten dann bis zu fünf behandlungsversuche (2x ivf, 2x icsi und sodann 1x ivf oder icsi) durchgeführt werden. 33die auffassung der klägerin wird vom senat in übereinstimmung mit dem sg nicht geteilt. die vom sg vorgenommene addition der maßnahmen entspricht den richtlinien über künstliche befruchtung in der fassung des beschlusses vom 15.11.2007 (banz nr. 19 vom 05.02.2008, seite 375). diese sind entgegen der auffassung der klägerin wirksam. mit der begrenzung auf insgesamt drei versuche verbleibt der gba innerhalb des ihm zukommenden gestaltungsspielraums. so dürfen ivf und icsi aufgrund der differenzierten indikationsstellung nur alternativ angewandt werden. einzige ausnahme ist die fallkonstellation eines totalen fertilisationsversagens nach dem ersten versuch einer ivf. in diesem fall kann in maximal zwei darauffolgenden zyklen die icsi zur anwendung kommen, auch wenn die voraussetzungen nach nr. 11.5 nicht vorliegen. nach den tragenden gründen des gba zum beschluss vom 15.11.2007 wurden die formulierungen so gewählt, dass die anzahl der genehmigungsfähigen zyklen gegenüber fällen ohne diese ausnahmeindikation nicht ansteigt, um eine gleichbehandlung der paare zu gewährleisten. die begrenzung steht im einklang mit der rechtsprechung des bundessozialgerichts (vgl. bsg, urteil vom 07.05.2013, b 1 kr 8/12 r, rn. 12 juris). danach besteht eine zusätzliche indikation für die icsi für die fallkonstellation eines totalen fertilisationsversagens nach dem ersten versuch einer ivf. in diesem fall kann in maximal zwei darauffolgenden zyklen die icsi zur anwendung kommen, auch wenn die voraussetzungen nach nr. 11.5 nicht vorliegen. im übrigen dürfen ivf und icsi aufgrund der differenzierten indikationsstellung nur alternativ angewandt werden. den ausführungen des bsg lässt sich entnehmen, dass nur insgesamt drei versuche in betracht kommen. 34das von der klägerin angeführte urteil des lsg thüringen vom 13.12.2011 (l 6 kr 439/07) ist nicht einschlägig. das urteil betrifft § 27a sgb v in der bis zum 31.12.2003 geltenden fassung in verbindung mit den richtlinien über künstliche befruchtung in der fassung vom 26.02.2002. die auffassung des lsg thüringen wird vom senat jedenfalls im hinblick auf die neufassung des § 27a sgb v nicht geteilt. im gegensatz zur bis zum 31.12.2003 geltenden fassung des § 27a abs. 1 nr. 2 sgb v, wonach eine hinreichende aussicht in der regel nicht mehr bestanden hat, wenn die maßnahme viermal ohne erfolg durchgeführt worden ist, besteht nach der ab dem 01.01.2004 geltenden fassung eine hinreichende aussicht nicht mehr, wenn die maßnahme dreimal ohne erfolg durchgeführt worden ist. durch den wegfall der wörter in der regel hat der gesetzgeber zum ausdruck gebracht, dass nunmehr nach drei versuchen eine weitere maßnahme nicht mehr in betracht kommt. der leistungsanspruch ist ausnahmslos auf drei versuche begrenzt (kuhlmann in lpk-sgb v, 4. auflage 2012, § 27a rn. 9). eine einzelfallentscheidung, wie noch bis zum 31.12.2003 möglich, ist nach dem ab dem 01.01.2004 geltenden gesetzeswortlaut ausgeschlossen. die begrenzung auf insgesamt drei versuche entspricht zur überzeugung des senats der regelung des § 27a sgb v. 35die kostenentscheidung beruht auf § 193 sgg. 36gründe, die revision zuzulassen, liegen nicht vor. die entscheidung des lsg thüringen vom 13.12.2011 (l 6 kr 439/07) ist zu der bis zum 31.12.2003 geltenden fassung in verbindung mit den richtlinien über künstliche befruchtung in der fassung vom 26.02.2002 ergangen. zudem hält der senat die rechtsfrage unter berücksichtigung des urteils des bsg vom 07.05.2013 (b 1 kr 8/12 r) für geklärt. | Verklagte*r | 0 |
167,594 | 23 K 5050/13 | 2015-02-20T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die 0000 geborene Klägerin ist die Witwe des verstorbenen E. G. . Dieser stand bis zu seinem Tod im Feuerwehrdienst der Beklagten. 3Der am 00. Juni 1953 geborene E. G. gehörte seit 1975 der Berufsfeuerwehr der Beklagten an. Er war seit langem Beamter auf Lebenszeit und wurde im Juni 2006 zum Brandamtsrat (Besoldungsgruppe A 12 Bundesbesoldungsordnung – BBesO) befördert. 4Im Dezember 2009 befand E. G. sich im Sachbereich 304 der Berufsfeuerwehr der Beklagten und nahm dort die Planstelle 3497 wahr, die seinem Dienstrang entsprechend im Stellenplan der Beklagten mit A 12 BBesO bewertet war. Mit einem internen Vermerk der Beklagten vom 18. Dezember 2009 wurde eine neue Bewertung der Stelle des Klägers mit nunmehr „A 13 gD“ aufgrund von zusätzlichen Aufgaben vorgeschlagen. Mit Verfügung vom 19. Februar 2010 wurde die vorgeschlagene Neubewertung für die Planstelle des Klägers mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 vorgenommen. Eine Beförderung des Klägers in den der Stellenbewertung entsprechenden Dienstrang erfolgte zunächst nicht. 5Mit Wirkung vom 1. Januar 2012 ernannte die Beklagte Herrn G. zum Brandoberamtsrat (Besoldungsgruppe A 13 gD). Wenig später verlängerte die Beklagte auf seinen Antrag seine (eigentlich am 30. Juni 2013 endende) Dienstzeit um sechs Monate bis einschließlich 31. Dezember 2013 gemäß § 32 Abs. 1 Landesbeamtengesetz NRW. 6Am 7. April 2013 verstarb Herr G. plötzlich und unerwartet – wohl aufgrund einer Komplikation bei einer Gelenksoperation. 7Die Beklagte setzte das Witwengeld der Klägerin mit Bescheid vom 18. April 2013 mit dem Höchstruhegehaltssatz von 71,75 % (für den Verstorbenen, sowie 60 % hiervon für die Witwe) aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 12 BBesO auf brutto monatlich 1768,27 EUR fest. Die tabellarische Berechnung der Versorgungsbezüge enthielt den Passus: „In letzte Besoldungsgruppe eingewiesen zum: 01.06.2006“. 8Unter dem 8. Mai 2013 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Festsetzung der Hinterbliebenenversorgung mit der Begründung, dass das Witwengeld aus der Besoldungsgruppe A 13 zu berechnen sei, da der Verstorbene seit 2009 eine Tätigkeit ausgeübt habe, die im Stellenplan der Beklagten mit der Besoldungsgruppe A 13 ausgewiesen sei, und zudem auch die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine Beförderung erfüllt gewesen seien. Die erfolgte Beförderung zum 1. Januar 2012 sei verspätet und entbinde die Beklagte deshalb nicht von der Verpflichtung, die Hinterbliebenenbezüge nach der tatsächlich ausgeübten Besoldungsgruppe zu berechnen. 9Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2013 zurück und begründete diesen im Wesentlichen mit den Rechtsfolgen des § 5 Abs. 3 BeamtVG, wonach derjenige, der aus einem Amt in den Ruhestand tritt, das er noch nicht mindestens zwei Jahre lang bekleidet hat, die Versorgungsbezüge nach dem zuvor bekleideten Amt erhalte. Die Vorschrift stelle allein auf das innegehabte Amt – also die erfolgte Beförderung – ab, weshalb das Vorbringen der Klägerin zur Ausübung der höherwertigen Tätigkeiten keine Auswirkungen habe. 10Die Klägerin hat am 11. Juni 2013 hiergegen Klage mit dem Begehren erhoben, dass das Witwengeld auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 13 zu zahlen sei. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass die Beklagte schon Anfang des Jahres 2010 das hätte tun müssen, was sie letztlich im Dezember 2011 tat, nämlich bei der Bezirksregierung E1. entsprechende Aktivitäten im Hinblick auf die Ermöglichung von Beförderungen zu entfalten, um so Genehmigung oder Freigabe der Beförderung des Verstorbenen und anderer Beamter der Beklagten zu erzielen. Wäre dies zu diesem früheren Zeitpunkt erfolgt, so hätte der Verstorbene bei seinem Tod das Amt A 13 gD schon mindestens zwei Jahre innegehabt. Da Besoldung nicht „nach Kassenlage“ erfolgen dürfe, könne die Beklagte sich auch nicht darauf berufen, sie hätte keine Mittel gehabt. 11Die Klägerin beantragt schriftsätzlich wörtlich, 12die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2013 zu verpflichten, bei der Berechnung ihres Witwengeldes das Grundgehalt nach der Besoldungsgruppe A 13 gD LBesO zu Grunde zu legen, 13hilfsweise, 14die Beklagte zu verurteilen, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist und entstehen wird, dass die Beklagte es pflichtwidrig unterlassen hat, Herrn E. G. trotz Vorliegens der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht bereits im Jahre 2009 zu befördern, und dementsprechend bei der Berechnung der Hinterbliebenenbezüge der Klägerin das Grundgehalt nach der Besoldungsgruppe A 13 gD LBesO zu Grunde zu legen. 15Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, 16die Klage abzuweisen. 17Sie beruft sich zur Begründung ergänzend im Wesentlichen darauf, dass ihr die Beförderung des Verstorbenen vor dem Zeitpunkt, zu dem diese tatsächlich erfolgte, aus haushaltsrechtlichen Gründen wegen der damals gegebenen Situation mit drohender Überschuldung rechtlich unmöglich gewesen sei. Erst aufgrund einer Ende 2011 entstandenen neuen Erlasslage habe sie die Beförderung des Verstorbenen zum Januar 2012 ermöglicht. Hierbei sei er – gerade im Hinblick auf seinen absehbaren Eintritt in den Altersruhestand - als einziger Beamter der Beklagten mit höherer Besoldungsgruppe als A 10 bevorzugt befördert worden. Ein Schadensersatzanspruch sei deshalb ausgeschlossen. 18Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens, die beigezogenen Personalakten der Beklagten betreffend den verstorbenen Herrn E. G. und deren Verwaltungsvorgänge zu den Hinterbliebenenbezügen einerseits und der haushaltsrechtlichen Situation der Beklagten in den Jahren 2008 bis 2012 andererseits Bezug genommen. 19Entscheidungsgründe: 20Der Einzelrichter ist für die Entscheidung zuständig, nachdem der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 3. Dezember 2014 gemäß § 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist. 21Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben, § 101 Abs. 2 VwGO. 22Die zulässige Klage ist – sowohl im Hauptantrag, als auch im Hilfsantrag – nicht begründet. 23Der Bescheid der Beklagten vom 18. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten; sie hat keinen Anspruch darauf, dass bei der Berechnung ihres Witwengeldes die Besoldungsgruppe A 13 zu Grunde gelegt wird (unten I.), auch nicht im Wege des Schadensersatzes (unten II.) (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 24I. 25Die Klägerin hat zunächst nicht den mit dem Hauptantrag geltend gemachten, unmittelbar aus dem Recht der Beamtenversorgung folgenden Anspruch auf Gewährung von Witwengeld unter Berücksichtigung ruhegehaltfähiger Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 13. 26Der Anspruch der Klägerin auf Witwengeld ergibt sich aus §§ 19, 20 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) und ist mit 60 % der Versorgungsbezüge, die der Verstorbene bei einem Eintritt in den Ruhestand zum Zeitpunkt des Todes erhalten hätte, richtig bemessen. Hiergegen wendet sie sich auch nicht, sondern sie begehrt, dass die Besoldungsgruppe A 13 der Berechnung zu Grunde gelegt wird. 27Dies kann sie jedoch nicht verlangen. Die Beklagte hat zutreffend die Besoldungsgruppe A 12 in der Endstufe in ihre Berechnung eingestellt. 28Gemäß § 4 Abs. 3 BeamtVG wird das Ruhegehalt auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechnet. Für die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge gilt § 5 BeamtVG. Danach sind gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 BeamtVG als ruhegehaltfähige Dienstbezüge unter anderem gemäß Nr. 1 das Grundgehalt zugrundezulegen, das dem Beamten zuletzt zugestanden hat. Hieraus folgt, dass im Grundsatz das Grundgehalt nach der letzten dem Dienstrang entsprechenden Besoldungsgruppe zu berücksichtigen ist. Dieser Dienstrang ist letztlich das statusrechtliche „Amt“, das der Beamte innehatte, das durch die Dienstbezeichnung bestimmt wird, die ihrerseits in den Besoldungsordnungen – den dem Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) oder den in Landesrecht übergeleiteten Gesetzen beigefügten Tabellen und Listen – einer Besoldungsgruppe zugeordnet werden. Das statusrechtliche Amt des verstorbenen E. G. war zum Zeitpunkt seines Todes „Brandoberamtsrat“. Das Amt des „Oberamtsrat“ ist generell der Besoldungsgruppe A 13 nach BBesO A zugeordnet. Hiernach wäre die Witwenversorgung der Besoldungsgruppe A 13 zu entnehmen. 29Jedoch enthält § 5 Abs. 3 S. 1 BeamtVG eine Sonderregelung: Wenn der Beamte beim Eintritt in den Ruhestand (oder wie hier zum Todeszeitpunkt) die zu diesem Zeitpunkt innegehabte Besoldungsgruppe – „das Amt“ – nicht mindestens zwei Jahre bekleidet, sind nur die Bezüge des vorher bekleideten Amtes ruhegehaltfähig. Eine spezielle Regelung für den Fall des Versterbens im Dienst, die hiervon abweichen würde, besteht nicht. 30Hierbei ist zu berücksichtigen, dass durch Art. 6 Nr. 4b des Versorgungsreformgesetzes (VReformG) vom 29. Juni 1998 (BGBl. I S. 1666) § 5 Abs. 3 BeamtVG neugefasst worden und die dort geregelte Wartefrist auf drei Jahre ausgedehnt und auf laufbahnfreie Ämter erstreckt worden war. Diese Änderung hat das Bundesverfassungsgericht, 31BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 – 2 BvL 11/04 -, BVerfGE 117, 372 ff. 32für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Damit galt unmittelbar wieder die bisherige zweijährige Wartefrist. Für den Bund hat der Gesetzgeber mit dem DNeuG hieraus die Konsequenz gezogen und wieder eine entsprechende zweijährige Wartefrist in § 5 Abs. 3 S. 1 BeamtVG geregelt und rückwirkend zum 13. April 2007 in Kraft gesetzt. Entgegen dem Text des § 5 Abs. 3 S. 1 BeamtVG in der bis 31. August 2006 geltenden Fassung (a.F.; vergleiche § 108 BeamtVG neuer Fassung) gilt deshalb sowohl nach dem im Juni 2013 in Kraft getretenen Landesbeamtenversorgungsgesetz NRW (LBeamtVG), als auch nach dem davor geltenden Beamtenversorgungsgesetz a. F. eine zweijährige Wartefrist. 33In dieser Fassung steht § 5 Abs. 3 BeamtVG der Berücksichtigung der Besoldungsgruppe A 13 bei der Festsetzung des Witwengeldes der Klägerin entgegen. 34Der Fall des verstorbenen Ehemannes der Klägerin zeichnet sich dadurch aus, dass sein statusrechtliches Amt – sein Dienstrang – von der Bewertung seines Dienstpostens – seiner Planstelle – in der Zeit bis zu der mit Wirkung vom 1. Januar 2012 erfolgten Beförderung zum Brandoberamtsrat abwich. Seine Planstelle war ursprünglich mit A 12 bewertet und sein Dienstrang war dementsprechend Brandamtsrat, was nach BBesO A der Stufe A 12 entspricht. Dann wurde die Bewertung der Planstelle mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 auf A 13 angehoben. Der Stellenbewertung A 13 entspricht für den gehobenen Dienst das Amt „Oberamtsrat“, also im Bereich der Feuerwehr „Brandoberamtsrat“. Wird die Bewertung einer Planstelle angehoben, so ändert sich das statusrechtliche Amt des Stelleninhabers nicht automatisch, sondern es bedarf der Beförderung. Die 2-Jahres-Frist beginnt dann nicht mit der Anhebung der Stellenbewertung, sondern erst mit der diese Anhebung nachvollziehenden Beförderung. 35Vgl. Schachel, in: Schütz/Maiwald, Beamtenversorgungsgesetz, Stand Oktober 2014, § 5 Rn. 42; Bauer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, Kommentar, Stand August 2014, Hauptband I, § 5 Erl. 8, Ziff. 6.3.1. 36Die tatsächliche Beförderung ist beim verstorbenen Ehemann der Klägerin erst mit Wirkung vom 1. Januar 2012 erfolgt, was für die Erfüllung der 2-Jahres-Frist nicht ausreicht. 37Die von der Klägerin geltend gemachte Argumentation, ihr verstorbener Ehemann habe schon deutlich früher die seit Dezember 2009 mit A 13 bewertete Funktion auf seiner Planstelle wahrgenommen, läuft im Ergebnis auf die früher in § 5 Abs. 3 S. 4 BeamtVG in der bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung hinaus. Danach war auch diejenige Zeit in die Zweijahresfrist einzurechnen, in der der Beamte vor der Amtsübertragung die höherwertigen Funktionen des ihm erst später übertragenen Amtes tatsächlich wahrgenommen hat. Die Regelung ist mit Wirkung vom 1. Januar 1999 aufgehoben worden und deshalb im Grundsatz derzeit nicht mehr anwendbar, mit Ausnahme der von der Übergangsregelung in § 69 c BeamtVG geregelten Fälle. § 5 Abs. 3 BeamtVG ist danach in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung anzuwenden: gemäß § 69 c Abs. 1 auf Versorgungsfälle, die vor dem 1. Januar 1999 eingetreten sind, sowie gemäß Abs. 2 für Beamte, die vor dem 1. Januar 2001 befördert worden sind oder denen bis zu diesem Zeitpunkt ein anderes Amt mit höherem Endgrundgehalt verliehen worden ist. Beide Fälle sind auf den verstorbenen Ehemann der Klägerin nicht anwendbar, da sein Versorgungsfall mit dem Tod im Jahr 2013 eingetreten und die letzte Beförderung zum 1. Januar 2012 erfolgt ist. 38Letztlich ist damit nach dem geltenden Recht der Versorgung der Beamten eindeutig, dass die Klägerin als Witwe des verstorbenen Herrn G. kein Witwengeld aus der Besoldungsgruppe A 13 verlangen kann, weil seit dem Zeitpunkt der Beförderung nach A 13 – zum Brandoberamtsrat – bis zu seinem Tod noch keine zwei Jahre vergangen waren und es auf die Wahrnehmung höherwertiger Funktionen nicht (mehr) ankommen kann. 39Das Vorbringen der Klägerin, welches den Vorwurf der Verzögerung der Beförderung gegenüber der Beklagten in den Mittelpunkt stellt, ist unmittelbar nach dem Beamtenversorgungsgesetz unerheblich. Es kann lediglich für einen Schadensersatzanspruch von Bedeutung sein mit dem Ziel, den Betroffenen im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als wenn der Beamte pflichtgemäß zum entsprechend früheren Zeitpunkt befördert worden wäre, 40vgl. Bauer, a. a. O., § 5 Erl. 8 Ziff. 5.1. 41Dieses Begehren macht die Klägerin aber mit dem Hilfsantrag geltend. Der Hauptantrag war abzuweisen. 42II. 43Der Hilfsantrag der Klägerin, 44die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist und entstehen wird, dass die Beklagte es pflichtwidrig unterlassen hat, Herrn E. G. trotz Vorliegens der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht bereits im Jahre 2009 zu befördern, und dementsprechend bei der Berechnung der Hinterbliebenenbezüge der Klägerin das Grundgehalt nach der Besoldungsgruppe A 13 gD LBesO zu Grunde zu legen, 45ist nach § 88 VwGO sinnvoll so auszulegen, dass sie beantragt, 46die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin im Wege des Schadensersatzes versorgungsrechtlich so zu stellen, als ob der verstorbene Herr E. G. vor dem 7. April 2011 zum Brandoberamtsrat ernannt worden wäre. 47Dies hätte die zwingende Folge, dass die Beklagte der Klägerin nicht § 5 Abs. 3 S. 1 BeamtVG entgegen halten dürfte. Dann wäre das Witwengeld aus der Besoldungsgruppe A 13 zu gewähren. 48Es kann dahinstehen, ob der Hilfsantrag mit diesem Begehren schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, weil die Klägerin dieses vor der Klageerhebung bei der Beklagten noch nicht geltend gemacht hat und deshalb darüber bisher weder ein Verwaltungsverfahren noch ein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden ist, 49vgl. hierzu Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 8. Aufl., 2013, § 10 Rn. 64. 50Denn jedenfalls besteht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht. 51Rechtswidrig verzögerte Beförderungen können zu Schadensersatzansprüchen im Bereich der Beamtenversorgung – gegebenenfalls auch für die Hinterbliebenen – führen. Versorgungsbezüge aus einem Beförderungsamt sind im Wege des Schadensersatzes möglich, wenn der Dienstherr bei der Beförderung die Auswahlkriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung verletzt hat. Eine solche Verletzung der dem Beamten gegenüber bestehenden Fürsorgepflicht bzw. des Beamtenverhältnisses kann auch durch eine rechtswidrig verzögerte Beförderung erfolgen. Ein solches Verhalten des Dienstherrn liegt aber nur vor, wenn sich das Ermessen des Dienstherrn in der Frage der Beförderung soweit reduziert hatte, dass die Beförderung gerade dieses Beamten, um den es geht, als das einzig mögliche pflichtgemäße Handeln erscheinen musste. Dies gilt auch für den Zeitpunkt der Beförderung, um den es hier geht. 52Vgl. Bauer, a. a. O., § 5 Erl. 1 Ziff. 3 m. w. N. 53In den genannten Kriterien sind die Voraussetzungen des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs konkretisiert: Schuldhafte Verletzung der Fürsorgepflicht bzw. der sonstigen aus dem Beamtenverhältnis folgenden Pflichten gegenüber dem Beamten durch den Dienstherrn, die zu einem zurechenbaren Vermögensschaden geführt hat. Weil diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, kann offen bleiben, ob die Witwe (oder andere Angehörige) eines verstorbenen Feuerwehrmannes Schadensersatz wegen der Verletzung der grundsätzlich dem Beamten selbst gegenüber bestehenden Pflichten geltend machen kann. 54Vgl. zu den Voraussetzungen Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 8. Aufl., 2013, § 10 Rn. 59, sowie zur Geltendmachung durch Hinterbliebene, ebenda, Rn. 58 m. w. N. in Fn. 218. 55Hier fehlt es – wohl aus verschiedenen Gründen – schon an einer Verletzung der Pflicht zur Bestenauslese gemäß Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) durch den Umstand, dass der Verstorbene nicht vor dem 7. April 2011 zum Brandoberamtsrat befördert worden ist. Es ist von der Klägerin keine Reduzierung des Beförderungsermessens der Beklagten auf Null zu Gunsten ihres verstorbenen Ehemannes in Bezug auf eine Beförderung zum Brandoberamtsrat vor dem 7. April 2011 dargelegt. 56Zunächst hätte dies wohl eine Ausschreibung der Stelle erfordert, die auch anderen Beamten im Amt eine Brandamtsrats die Möglichkeit der Bewerbung gegeben hätte. Denn es ist nicht ohne Weiteres klar, dass derjenige, der auf einem Dienstposten derzeit verwendet wird, auch von der dort möglichen Beförderung ohne Auswahlentscheidung profitiert. Sodann hätte unter den zu erwartenden Bewerbern eine Bestenauslese gemäß Art. 33 Abs. 2 GG erfolgen müssen. Es ist nicht erkennbar, dass in einer recht großen Stadt wie der Beklagten (oder gegebenenfalls auch überörtlich) keine anderen geeigneten Bewerber vorhanden gewesen wären. Dies kann letztlich aber im Hinblick auf die – nachstehend zu erörternde – Haushaltssituation der Beklagten offen bleiben. 57Eine Fürsorgepflichtverletzung durch die Beklagte durch verspätete Beförderung – hier: nach dem 6. April 2011 – ist schon wegen der besonderen Haushaltssituation, in der die Beklagte sich in der Zeit von 2009 bis Ende 2011 befand, ausgeschlossen. In dieser war der Beklagten die Beförderung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin zum Brandoberamtsrat vor dem 7. April 2011 – und allein dies würde der Klägerin zum Erfolg verhelfen – rechtlich unmöglich: es war der Beklagten schlicht haushaltsrechtlich verboten. Das Unterbleiben einer laufbahnrechtlich zulässigen Beförderung, die jedoch zum konkreten Zeitpunkt haushaltsrechtlich ausgeschlossen war, ist keine Verletzung der Fürsorgepflicht. Es mag für die Betroffenen misslich sein und als ungerecht empfunden werden; eine rechtswidrige Pflichtverletzung ist es nicht. 58Diese spezielle haushaltsrechtliche Situation hat die Beklagte eingehend in der Klageerwiderung dargelegt und auf Anforderung des Gerichts durch in Beiakte 1 zu 23 K 5049/13 zusammengefasste weitere Unterlagen konkretisiert und belegt. Im Einzelnen: 59Zunächst war ab dem Zeitpunkt der Höherbewertung der Stelle des verstorbenen Ehemannes der Klägerin (dem 1. Dezember 2009) die Wartefrist (Erprobungszeit) für die Beförderung im gehobenen Dienst gemäß § 10 Abs. 4 Satz 3 lit. b Laufbahnverordnung NRW i. d. F. vom 30. Juni 2009 (LVO a. F.) von sechs Monaten abzuwarten. Danach war laufbahnrechtlich die Beförderung erst ab dem 1. Juni 2010 möglich. 60In der Zeit zwischen dem 1. Juni 2010 und dem 7. April 2011 war die Beförderung der Beklagten haushaltsrechtlich verboten. Sie war zu diesem Zeitpunkt von Überschuldung bedroht (zum Überschuldungsverbot vgl. § 75 Abs. 7 Gemeindeordnung NRW – GO NRW). Aus diesem Grunde konnte sie keinen den üblichen Anforderungen entsprechenden Haushaltsplan durch Haushaltssatzung erlassen, sondern es war ein sog. Haushaltssicherungskonzept gemäß § 76 Abs. 1 GO NRW erforderlich. Dieses bedarf jedoch der Genehmigung durch die zuständige Bezirksregierung, hier E1. , vgl. § 76 Abs. 2 Satz 2 GO NRW. Die Bezirksregierung hatte die Genehmigung des Haushaltssicherungskonzepts der Beklagten in den Jahren 2010 und 2011 endgültig verweigert. Zugleich galt zu diesem Zeitpunkt für alle hiervon betroffenen sog. Nothaushaltskommunen der Leitfaden des damaligen Innenministeriums NRW (IM NRW) vom 6. März 2009 „Maßnahmen und Verfahren zur Haushaltssicherung“. Dieser schloss für überschuldete und von Überschuldung bedrohte Kommunen – wie die Beklagte es damals war – Beförderungen vollständig aus. Dies folgte dort aus Kapitel 5 „Umgang mit (drohender) Überschuldung“, wo in Ziff. 11 ausgeführt wird, dass personalwirtschaftliche Maßnahmen, zu denen die Gemeinde nicht rechtlich verpflichtet ist, nicht zulässig sind. 61Dies ergibt sich zugleich aus § 82 GO NRW, weil in der Situation der so genannten vorläufigen Haushaltsführung ohne beschlossene Haushaltssatzung einschließlich Haushaltssicherungskonzept nach dem in dessen Abs. 1 Nr. 1 enthaltenen Verbot die Gemeinde ausschließlich Aufwendungen entstehen lassen darf, zu denen sie rechtlich verpflichtet ist. Ein Dienstherr darf aber – in den von der Fürsorgepflicht vorgezeichneten äußeren Grenzen – nach Ermessen darüber entscheiden, ob eine Beförderung vorgenommen wird, 62vgl. zu diesem organisations- und verwaltungspolitischen Ermessen Schnellenbach, a. a. O., § 3 Rn. 59 ff. m. w. N. 63Insbesondere folgt ein Anspruch des verstorbenen Ehemannes der Klägerin auf Beförderung, der keinem Ermessen unterliegt, nicht aus der Bewertung der Stelle mit A 13, und somit dem Stellenplan der Beklagten. Der Stellenplan ist keine verbindliche Zusage, aus dem der Beamte einen Anspruch auf Beförderung herleiten könnte, 64vgl. Verwaltungsgericht (VG) E1. , Urteil vom 26. Oktober 2004 – 26 K 1653/04 -, Juris Rn. 22 f. 65Ein Anspruch auf Beförderung kann nur im Rahmen der haushaltsrechtlichen Möglichkeiten bestehen und unterliegt damit den Beschränkungen der vorläufigen Haushaltswirtschaft nach § 82 Abs. 1 - Abs. 3 GO NRW, soweit der Dienstherr die Regeln der vorläufigen Haushaltswirtschaft anzuwenden hat, 66so z. B. VG E1. , Urteil vom 9. Juli 2010 – 26 K 5181/09 -, Juris Rn. 28 f. 67Dass der Beklagten im maßgeblichen Zeitraum – ab Juni 2010 bis April 2011 – Beförderungen haushaltsrechtlich untersagt waren, ergibt sich auch aus konkreten Unterlagen: Mit Schreiben der Kämmerei der Beklagten an die Bezirksregierung E1. vom 27. Juli 2010 übermittelte die Beklagte der Bezirksregierung die Haushaltssatzung der Beklagten für die Jahre 2010 und 2011 sowie das Haushaltssicherungskonzept für den Zeitraum 2010 bis 2014. Die Bezirksregierung reagierte hierauf unter dem 15. Dezember 2010 und lehnte die Genehmigung des Haushaltssicherungskonzepts für den Zeitraum 2010 bis 2014 ab. Die Bezirksregierung wies zugleich darauf hin, dass infolge dessen die Haushaltssatzung der Beklagten für die Jahre 2010/2011 nicht öffentlich bekannt gemacht werden dürfe und die haushaltswirtschaftlichen Beschränkungen gemäß § 82 GO NRW uneingeschränkt zu beachten seien; da das Eigenkapital der Beklagten im Laufe des Jahres 2011 aufgezehrt sein werde, liege ein Verstoß gegen das Überschuldungsverbot vor; damit gelte die Bindung an Kapitel 5 des Leitfadens des IM NRW vom 6. März 2009; ein Personalausgabenbudget könne nicht gewährt werden, weshalb Beförderungen von Beamten weiterhin nicht gestattet seien. Zuvor hatten in einem Gemeinschaftsgespräch des GPR am 12. März 2009 zum Tagesordnungspunkt „Beförderungen 2009“ der Oberbürgermeister und exponierte Vertreter der Verwaltung der Beklagten zum einen darauf hingewiesen, dass die Bezirksregierung eine streng juristische Meinung zur Frage von Beförderungen in Nothaushaltssituationen habe, weshalb Beförderungen erst möglich würden, wenn ein entsprechendes Haushaltssicherungskonzept von der Bezirksregierung genehmigt würde, zum anderen versicherten sie, dass alle Hebel in Bewegung gesetzt würden, um Beförderungen möglich zu machen.All dies war unmissverständlich. Parallel hierzu entfaltete die Beklagte jedoch in den Jahren 2010 und 2011 erkennbare Bemühungen darum, diese auch aus ihrer Sicht für ihre Beamten unbefriedigende Situation zu verbessern. Diese Bemühungen blieben jedoch zunächst erfolglos. 68Erst mit dem Erlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW (MIK) vom 15. November 2011 zu Beförderungen in Kommunen ohne genehmigtes Haushaltssicherungskonzept einschließlich (drohend) überschuldeter Kommunen (so genannte Nothaushaltskommunen) wurde den Bezirksregierungen erlaubt, in dem im Einzelfall angemessenen Umfang Personalentwicklungsmaßnahmen, z.B. Beförderungen, im Wege der Duldung zu tolerieren. Den so eröffneten Spielraum nutzte die Beklagte zügig und konsequent im Interesse ihrer Beamten. Die Bezirksregierung erklärte mit ihrer Verfügung vom 20. Dezember 2011 die Duldung in Bezug auf 103 Beförderungen von Beamten zum 1. Januar 2012. Dies sollte sich eigentlich nur auf Ämter bis maximal A 11 beziehen. Faktisch befand sich unter den zum 1. Januar 2012 beförderten Beamtinnen und Beamten außer dem verstorbenen Ehemann der Klägerin kein Beamter mit höherer Besoldungsgruppe als A 10. Die Beklagte berücksichtigte hier in besonderer Weise den absehbaren Altersruhestand des verstorbenen Herrn G. . Schon mit der Beförderung zum 1. Januar 2012 hätte dieser die 2-jährige Wartefrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG bis zu seinem regulären Altersruhestand am 30. Juni 2013 (vgl. § 117 Abs. 3 LBG) nicht erreichen können, weshalb seine Dienstzeit auf seinen Antrag um sechs Monate verlängert wurde. 69All dem ist zu entnehmen, dass die Beklagte alles getan hat, um den verstorbenen Ehemann der Klägerin – und andere ihrer Beamten – auch in schwierigen Zeiten mit außergewöhnlicher Haushaltssituation baldmöglichst zu befördern, und insbesondere Herrn G. die Versorgung aus dem letzten Amt A 13 (Brandoberamtsrat) zu ermöglichen. Dies ist jedoch durch seinen unerwarteten Tod vereitelt worden. Eine – zumal schuldhafte – Verletzung der Fürsorgepflicht ist darin nicht zu erblicken. 70Der aus Sicht der Ehefrau des Verstorbenen – der Klägerin – wahrgenommene Ablauf, dass die Beklagte erst auf nachhaltigen Protest der betroffenen Beamten, einschließlich einer Petition an den Landtag NRW, aktiv wurde und dadurch im Herbst bzw. am Jahresende 2011 die Duldung der Beförderungen zum 1. Januar 2012 herbeiführte, mag subjektiv aus Sicht der mit den internen Vorgängen nicht vertrauten Beamten (sowie ihrer Partner/innen) so gewesen sein. Diese hatten eventuell den Eindruck, die Beklagte habe zuvor nicht hinreichende Aktivitäten mit dem Ziel der Beförderungen entfaltet. Tatsächlich war es jedoch anders, wie sich den Darlegungen der Beklagten und den nachprüfbaren Unterlagen entnehmen lässt. 71Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 72Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. 73Beschluss: 74Der Streitwert wird auf 4.123,44 Euro festgesetzt. 75Gründe: 76Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 1 GKG erfolgt und berücksichtigt den 2-fachen Jahresbetrag der erstrebten Versorgungsdifferenz (171,81 Euro x 24). | die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist hinsichtlich der kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. die klägerin kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des nach dem urteil zu vollstreckenden betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2die 0000 geborene klägerin ist die witwe des verstorbenen e. g. . dieser stand bis zu seinem tod im feuerwehrdienst der beklagten. 3der am 00. juni 1953 geborene e. g. gehörte seit 1975 der berufsfeuerwehr der beklagten an. er war seit langem beamter auf lebenszeit und wurde im juni 2006 zum brandamtsrat (besoldungsgruppe a 12 bundesbesoldungsordnung – bbeso) befördert. 4im dezember 2009 befand e. g. sich im sachbereich 304 der berufsfeuerwehr der beklagten und nahm dort die planstelle 3497 wahr, die seinem dienstrang entsprechend im stellenplan der beklagten mit a 12 bbeso bewertet war. mit einem internen vermerk der beklagten vom 18. dezember 2009 wurde eine neue bewertung der stelle des klägers mit nunmehr „a 13 gd“ aufgrund von zusätzlichen aufgaben vorgeschlagen. mit verfügung vom 19. februar 2010 wurde die vorgeschlagene neubewertung für die planstelle des klägers mit wirkung vom 1. dezember 2009 vorgenommen. eine beförderung des klägers in den der stellenbewertung entsprechenden dienstrang erfolgte zunächst nicht. 5mit wirkung vom 1. januar 2012 ernannte die beklagte herrn g. zum brandoberamtsrat (besoldungsgruppe a 13 gd). wenig später verlängerte die beklagte auf seinen antrag seine (eigentlich am 30. juni 2013 endende) dienstzeit um sechs monate bis einschließlich 31. dezember 2013 gemäß § 32 abs. 1 landesbeamtengesetz nrw. 6am 7. april 2013 verstarb herr g. plötzlich und unerwartet – wohl aufgrund einer komplikation bei einer gelenksoperation. 7die beklagte setzte das witwengeld der klägerin mit bescheid vom 18. april 2013 mit dem höchstruhegehaltssatz von 71,75 % (für den verstorbenen, sowie 60 % hiervon für die witwe) aus der endstufe der besoldungsgruppe a 12 bbeso auf brutto monatlich 1768,27 eur fest. die tabellarische berechnung der versorgungsbezüge enthielt den passus: „in letzte besoldungsgruppe eingewiesen zum: 01.06.2006“. 8unter dem 8. mai 2013 erhob die klägerin widerspruch gegen die festsetzung der hinterbliebenenversorgung mit der begründung, dass das witwengeld aus der besoldungsgruppe a 13 zu berechnen sei, da der verstorbene seit 2009 eine tätigkeit ausgeübt habe, die im stellenplan der beklagten mit der besoldungsgruppe a 13 ausgewiesen sei, und zudem auch die laufbahnrechtlichen voraussetzungen für eine beförderung erfüllt gewesen seien. die erfolgte beförderung zum 1. januar 2012 sei verspätet und entbinde die beklagte deshalb nicht von der verpflichtung, die hinterbliebenenbezüge nach der tatsächlich ausgeübten besoldungsgruppe zu berechnen. 9die beklagte wies den widerspruch mit widerspruchsbescheid vom 15. mai 2013 zurück und begründete diesen im wesentlichen mit den rechtsfolgen des § 5 abs. 3 beamtvg, wonach derjenige, der aus einem amt in den ruhestand tritt, das er noch nicht mindestens zwei jahre lang bekleidet hat, die versorgungsbezüge nach dem zuvor bekleideten amt erhalte. die vorschrift stelle allein auf das innegehabte amt – also die erfolgte beförderung – ab, weshalb das vorbringen der klägerin zur ausübung der höherwertigen tätigkeiten keine auswirkungen habe. 10die klägerin hat am 11. juni 2013 hiergegen klage mit dem begehren erhoben, dass das witwengeld auf der grundlage der besoldungsgruppe a 13 zu zahlen sei. zur begründung trägt sie im wesentlichen vor, dass die beklagte schon anfang des jahres 2010 das hätte tun müssen, was sie letztlich im dezember 2011 tat, nämlich bei der bezirksregierung e1. entsprechende aktivitäten im hinblick auf die ermöglichung von beförderungen zu entfalten, um so genehmigung oder freigabe der beförderung des verstorbenen und anderer beamter der beklagten zu erzielen. wäre dies zu diesem früheren zeitpunkt erfolgt, so hätte der verstorbene bei seinem tod das amt a 13 gd schon mindestens zwei jahre innegehabt. da besoldung nicht „nach kassenlage“ erfolgen dürfe, könne die beklagte sich auch nicht darauf berufen, sie hätte keine mittel gehabt. 11die klägerin beantragt schriftsätzlich wörtlich, 12die beklagte unter abänderung des bescheides vom 18. april 2013 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 15. mai 2013 zu verpflichten, bei der berechnung ihres witwengeldes das grundgehalt nach der besoldungsgruppe a 13 gd lbeso zu grunde zu legen, 13hilfsweise, 14die beklagte zu verurteilen, ihr den schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist und entstehen wird, dass die beklagte es pflichtwidrig unterlassen hat, herrn e. g. trotz vorliegens der laufbahnrechtlichen voraussetzungen nicht bereits im jahre 2009 zu befördern, und dementsprechend bei der berechnung der hinterbliebenenbezüge der klägerin das grundgehalt nach der besoldungsgruppe a 13 gd lbeso zu grunde zu legen. 15die beklagte beantragt schriftsätzlich, 16die klage abzuweisen. 17sie beruft sich zur begründung ergänzend im wesentlichen darauf, dass ihr die beförderung des verstorbenen vor dem zeitpunkt, zu dem diese tatsächlich erfolgte, aus haushaltsrechtlichen gründen wegen der damals gegebenen situation mit drohender überschuldung rechtlich unmöglich gewesen sei. erst aufgrund einer ende 2011 entstandenen neuen erlasslage habe sie die beförderung des verstorbenen zum januar 2012 ermöglicht. hierbei sei er – gerade im hinblick auf seinen absehbaren eintritt in den altersruhestand - als einziger beamter der beklagten mit höherer besoldungsgruppe als a 10 bevorzugt befördert worden. ein schadensersatzanspruch sei deshalb ausgeschlossen. 18im übrigen wird wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes auf die gerichtsakte dieses verfahrens, die beigezogenen personalakten der beklagten betreffend den verstorbenen herrn e. g. und deren verwaltungsvorgänge zu den hinterbliebenenbezügen einerseits und der haushaltsrechtlichen situation der beklagten in den jahren 2008 bis 2012 andererseits bezug genommen. 19 | 20der einzelrichter ist für die entscheidung zuständig, nachdem der rechtsstreit durch beschluss der kammer vom 3. dezember 2014 gemäß § 6 der verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) dem berichterstatter als einzelrichter zur entscheidung übertragen worden ist. 21das gericht konnte ohne mündliche verhandlung entscheiden, weil die beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben, § 101 abs. 2 vwgo. 22die zulässige klage ist – sowohl im hauptantrag, als auch im hilfsantrag – nicht begründet. 23der bescheid der beklagten vom 18. april 2013 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 8. mai 2013 ist rechtmäßig und verletzt die klägerin deshalb nicht in ihren rechten; sie hat keinen anspruch darauf, dass bei der berechnung ihres witwengeldes die besoldungsgruppe a 13 zu grunde gelegt wird (unten i.), auch nicht im wege des schadensersatzes (unten ii.) (§ 113 abs. 5 satz 1 vwgo). 24i. 25die klägerin hat zunächst nicht den mit dem hauptantrag geltend gemachten, unmittelbar aus dem recht der beamtenversorgung folgenden anspruch auf gewährung von witwengeld unter berücksichtigung ruhegehaltfähiger dienstbezüge aus der besoldungsgruppe a 13. 26der anspruch der klägerin auf witwengeld ergibt sich aus §§ 19, 20 beamtenversorgungsgesetz (beamtvg) und ist mit 60 % der versorgungsbezüge, die der verstorbene bei einem eintritt in den ruhestand zum zeitpunkt des todes erhalten hätte, richtig bemessen. hiergegen wendet sie sich auch nicht, sondern sie begehrt, dass die besoldungsgruppe a 13 der berechnung zu grunde gelegt wird. 27dies kann sie jedoch nicht verlangen. die beklagte hat zutreffend die besoldungsgruppe a 12 in der endstufe in ihre berechnung eingestellt. 28gemäß § 4 abs. 3 beamtvg wird das ruhegehalt auf der grundlage der ruhegehaltfähigen dienstbezüge und der ruhegehaltfähigen dienstzeit berechnet. für die ruhegehaltfähigen dienstbezüge gilt § 5 beamtvg. danach sind gemäß § 5 abs. 1 s. 1 beamtvg als ruhegehaltfähige dienstbezüge unter anderem gemäß nr. 1 das grundgehalt zugrundezulegen, das dem beamten zuletzt zugestanden hat. hieraus folgt, dass im grundsatz das grundgehalt nach der letzten dem dienstrang entsprechenden besoldungsgruppe zu berücksichtigen ist. dieser dienstrang ist letztlich das statusrechtliche „amt“, das der beamte innehatte, das durch die dienstbezeichnung bestimmt wird, die ihrerseits in den besoldungsordnungen – den dem bundesbesoldungsgesetz (bbesg) oder den in landesrecht übergeleiteten gesetzen beigefügten tabellen und listen – einer besoldungsgruppe zugeordnet werden. das statusrechtliche amt des verstorbenen e. g. war zum zeitpunkt seines todes „brandoberamtsrat“. das amt des „oberamtsrat“ ist generell der besoldungsgruppe a 13 nach bbeso a zugeordnet. hiernach wäre die witwenversorgung der besoldungsgruppe a 13 zu entnehmen. 29jedoch enthält § 5 abs. 3 s. 1 beamtvg eine sonderregelung: wenn der beamte beim eintritt in den ruhestand (oder wie hier zum todeszeitpunkt) die zu diesem zeitpunkt innegehabte besoldungsgruppe – „das amt“ – nicht mindestens zwei jahre bekleidet, sind nur die bezüge des vorher bekleideten amtes ruhegehaltfähig. eine spezielle regelung für den fall des versterbens im dienst, die hiervon abweichen würde, besteht nicht. 30hierbei ist zu berücksichtigen, dass durch art. 6 nr. 4b des versorgungsreformgesetzes (vreformg) vom 29. juni 1998 (bgbl. i s. 1666) § 5 abs. 3 beamtvg neugefasst worden und die dort geregelte wartefrist auf drei jahre ausgedehnt und auf laufbahnfreie ämter erstreckt worden war. diese änderung hat das bundesverfassungsgericht, 31bverfg, beschluss vom 20. märz 2007 – 2 bvl 11/04 -, bverfge 117, 372 ff. 32für verfassungswidrig und nichtig erklärt. damit galt unmittelbar wieder die bisherige zweijährige wartefrist. für den bund hat der gesetzgeber mit dem dneug hieraus die konsequenz gezogen und wieder eine entsprechende zweijährige wartefrist in § 5 abs. 3 s. 1 beamtvg geregelt und rückwirkend zum 13. april 2007 in kraft gesetzt. entgegen dem text des § 5 abs. 3 s. 1 beamtvg in der bis 31. august 2006 geltenden fassung (a.f.; vergleiche § 108 beamtvg neuer fassung) gilt deshalb sowohl nach dem im juni 2013 in kraft getretenen landesbeamtenversorgungsgesetz nrw (lbeamtvg), als auch nach dem davor geltenden beamtenversorgungsgesetz a. f. eine zweijährige wartefrist. 33in dieser fassung steht § 5 abs. 3 beamtvg der berücksichtigung der besoldungsgruppe a 13 bei der festsetzung des witwengeldes der klägerin entgegen. 34der fall des verstorbenen ehemannes der klägerin zeichnet sich dadurch aus, dass sein statusrechtliches amt – sein dienstrang – von der bewertung seines dienstpostens – seiner planstelle – in der zeit bis zu der mit wirkung vom 1. januar 2012 erfolgten beförderung zum brandoberamtsrat abwich. seine planstelle war ursprünglich mit a 12 bewertet und sein dienstrang war dementsprechend brandamtsrat, was nach bbeso a der stufe a 12 entspricht. dann wurde die bewertung der planstelle mit wirkung vom 1. dezember 2009 auf a 13 angehoben. der stellenbewertung a 13 entspricht für den gehobenen dienst das amt „oberamtsrat“, also im bereich der feuerwehr „brandoberamtsrat“. wird die bewertung einer planstelle angehoben, so ändert sich das statusrechtliche amt des stelleninhabers nicht automatisch, sondern es bedarf der beförderung. die 2-jahres-frist beginnt dann nicht mit der anhebung der stellenbewertung, sondern erst mit der diese anhebung nachvollziehenden beförderung. 35vgl. schachel, in: schütz/maiwald, beamtenversorgungsgesetz, stand oktober 2014, § 5 rn. 42; bauer, in: stegmüller/schmalhofer/bauer, beamtvg, kommentar, stand august 2014, hauptband i, § 5 erl. 8, ziff. 6.3.1. 36die tatsächliche beförderung ist beim verstorbenen ehemann der klägerin erst mit wirkung vom 1. januar 2012 erfolgt, was für die erfüllung der 2-jahres-frist nicht ausreicht. 37die von der klägerin geltend gemachte argumentation, ihr verstorbener ehemann habe schon deutlich früher die seit dezember 2009 mit a 13 bewertete funktion auf seiner planstelle wahrgenommen, läuft im ergebnis auf die früher in § 5 abs. 3 s. 4 beamtvg in der bis 31. dezember 1998 geltenden fassung hinaus. danach war auch diejenige zeit in die zweijahresfrist einzurechnen, in der der beamte vor der amtsübertragung die höherwertigen funktionen des ihm erst später übertragenen amtes tatsächlich wahrgenommen hat. die regelung ist mit wirkung vom 1. januar 1999 aufgehoben worden und deshalb im grundsatz derzeit nicht mehr anwendbar, mit ausnahme der von der übergangsregelung in § 69 c beamtvg geregelten fälle. § 5 abs. 3 beamtvg ist danach in der bis zum 31. dezember 1998 geltenden fassung anzuwenden: gemäß § 69 c abs. 1 auf versorgungsfälle, die vor dem 1. januar 1999 eingetreten sind, sowie gemäß abs. 2 für beamte, die vor dem 1. januar 2001 befördert worden sind oder denen bis zu diesem zeitpunkt ein anderes amt mit höherem endgrundgehalt verliehen worden ist. beide fälle sind auf den verstorbenen ehemann der klägerin nicht anwendbar, da sein versorgungsfall mit dem tod im jahr 2013 eingetreten und die letzte beförderung zum 1. januar 2012 erfolgt ist. 38letztlich ist damit nach dem geltenden recht der versorgung der beamten eindeutig, dass die klägerin als witwe des verstorbenen herrn g. kein witwengeld aus der besoldungsgruppe a 13 verlangen kann, weil seit dem zeitpunkt der beförderung nach a 13 – zum brandoberamtsrat – bis zu seinem tod noch keine zwei jahre vergangen waren und es auf die wahrnehmung höherwertiger funktionen nicht (mehr) ankommen kann. 39das vorbringen der klägerin, welches den vorwurf der verzögerung der beförderung gegenüber der beklagten in den mittelpunkt stellt, ist unmittelbar nach dem beamtenversorgungsgesetz unerheblich. es kann lediglich für einen schadensersatzanspruch von bedeutung sein mit dem ziel, den betroffenen im wege des schadensersatzes so zu stellen, als wenn der beamte pflichtgemäß zum entsprechend früheren zeitpunkt befördert worden wäre, 40vgl. bauer, a. a. o., § 5 erl. 8 ziff. 5.1. 41dieses begehren macht die klägerin aber mit dem hilfsantrag geltend. der hauptantrag war abzuweisen. 42ii. 43der hilfsantrag der klägerin, 44die beklagte zu verurteilen, der klägerin den schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist und entstehen wird, dass die beklagte es pflichtwidrig unterlassen hat, herrn e. g. trotz vorliegens der laufbahnrechtlichen voraussetzungen nicht bereits im jahre 2009 zu befördern, und dementsprechend bei der berechnung der hinterbliebenenbezüge der klägerin das grundgehalt nach der besoldungsgruppe a 13 gd lbeso zu grunde zu legen, 45ist nach § 88 vwgo sinnvoll so auszulegen, dass sie beantragt, 46die beklagte zu verurteilen, die klägerin im wege des schadensersatzes versorgungsrechtlich so zu stellen, als ob der verstorbene herr e. g. vor dem 7. april 2011 zum brandoberamtsrat ernannt worden wäre. 47dies hätte die zwingende folge, dass die beklagte der klägerin nicht § 5 abs. 3 s. 1 beamtvg entgegen halten dürfte. dann wäre das witwengeld aus der besoldungsgruppe a 13 zu gewähren. 48es kann dahinstehen, ob der hilfsantrag mit diesem begehren schon mangels rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, weil die klägerin dieses vor der klageerhebung bei der beklagten noch nicht geltend gemacht hat und deshalb darüber bisher weder ein verwaltungsverfahren noch ein widerspruchsverfahren durchgeführt worden ist, 49vgl. hierzu schnellenbach, beamtenrecht in der praxis, 8. aufl., 2013, § 10 rn. 64. 50denn jedenfalls besteht der geltend gemachte schadensersatzanspruch nicht. 51rechtswidrig verzögerte beförderungen können zu schadensersatzansprüchen im bereich der beamtenversorgung – gegebenenfalls auch für die hinterbliebenen – führen. versorgungsbezüge aus einem beförderungsamt sind im wege des schadensersatzes möglich, wenn der dienstherr bei der beförderung die auswahlkriterien der eignung, befähigung und fachlichen leistung verletzt hat. eine solche verletzung der dem beamten gegenüber bestehenden fürsorgepflicht bzw. des beamtenverhältnisses kann auch durch eine rechtswidrig verzögerte beförderung erfolgen. ein solches verhalten des dienstherrn liegt aber nur vor, wenn sich das ermessen des dienstherrn in der frage der beförderung soweit reduziert hatte, dass die beförderung gerade dieses beamten, um den es geht, als das einzig mögliche pflichtgemäße handeln erscheinen musste. dies gilt auch für den zeitpunkt der beförderung, um den es hier geht. 52vgl. bauer, a. a. o., § 5 erl. 1 ziff. 3 m. w. n. 53in den genannten kriterien sind die voraussetzungen des beamtenrechtlichen schadensersatzanspruchs konkretisiert: schuldhafte verletzung der fürsorgepflicht bzw. der sonstigen aus dem beamtenverhältnis folgenden pflichten gegenüber dem beamten durch den dienstherrn, die zu einem zurechenbaren vermögensschaden geführt hat. weil diese voraussetzungen nicht gegeben sind, kann offen bleiben, ob die witwe (oder andere angehörige) eines verstorbenen feuerwehrmannes schadensersatz wegen der verletzung der grundsätzlich dem beamten selbst gegenüber bestehenden pflichten geltend machen kann. 54vgl. zu den voraussetzungen schnellenbach, beamtenrecht in der praxis, 8. aufl., 2013, § 10 rn. 59, sowie zur geltendmachung durch hinterbliebene, ebenda, rn. 58 m. w. n. in fn. 218. 55hier fehlt es – wohl aus verschiedenen gründen – schon an einer verletzung der pflicht zur bestenauslese gemäß art. 33 abs. 2 des grundgesetzes (gg) durch den umstand, dass der verstorbene nicht vor dem 7. april 2011 zum brandoberamtsrat befördert worden ist. es ist von der klägerin keine reduzierung des beförderungsermessens der beklagten auf null zu gunsten ihres verstorbenen ehemannes in bezug auf eine beförderung zum brandoberamtsrat vor dem 7. april 2011 dargelegt. 56zunächst hätte dies wohl eine ausschreibung der stelle erfordert, die auch anderen beamten im amt eine brandamtsrats die möglichkeit der bewerbung gegeben hätte. denn es ist nicht ohne weiteres klar, dass derjenige, der auf einem dienstposten derzeit verwendet wird, auch von der dort möglichen beförderung ohne auswahlentscheidung profitiert. sodann hätte unter den zu erwartenden bewerbern eine bestenauslese gemäß art. 33 abs. 2 gg erfolgen müssen. es ist nicht erkennbar, dass in einer recht großen stadt wie der beklagten (oder gegebenenfalls auch überörtlich) keine anderen geeigneten bewerber vorhanden gewesen wären. dies kann letztlich aber im hinblick auf die – nachstehend zu erörternde – haushaltssituation der beklagten offen bleiben. 57eine fürsorgepflichtverletzung durch die beklagte durch verspätete beförderung – hier: nach dem 6. april 2011 – ist schon wegen der besonderen haushaltssituation, in der die beklagte sich in der zeit von 2009 bis ende 2011 befand, ausgeschlossen. in dieser war der beklagten die beförderung des verstorbenen ehemannes der klägerin zum brandoberamtsrat vor dem 7. april 2011 – und allein dies würde der klägerin zum erfolg verhelfen – rechtlich unmöglich: es war der beklagten schlicht haushaltsrechtlich verboten. das unterbleiben einer laufbahnrechtlich zulässigen beförderung, die jedoch zum konkreten zeitpunkt haushaltsrechtlich ausgeschlossen war, ist keine verletzung der fürsorgepflicht. es mag für die betroffenen misslich sein und als ungerecht empfunden werden; eine rechtswidrige pflichtverletzung ist es nicht. 58diese spezielle haushaltsrechtliche situation hat die beklagte eingehend in der klageerwiderung dargelegt und auf anforderung des gerichts durch in beiakte 1 zu 23 k 5049/13 zusammengefasste weitere unterlagen konkretisiert und belegt. im einzelnen: 59zunächst war ab dem zeitpunkt der höherbewertung der stelle des verstorbenen ehemannes der klägerin (dem 1. dezember 2009) die wartefrist (erprobungszeit) für die beförderung im gehobenen dienst gemäß § 10 abs. 4 satz 3 lit. b laufbahnverordnung nrw i. d. f. vom 30. juni 2009 (lvo a. f.) von sechs monaten abzuwarten. danach war laufbahnrechtlich die beförderung erst ab dem 1. juni 2010 möglich. 60in der zeit zwischen dem 1. juni 2010 und dem 7. april 2011 war die beförderung der beklagten haushaltsrechtlich verboten. sie war zu diesem zeitpunkt von überschuldung bedroht (zum überschuldungsverbot vgl. § 75 abs. 7 gemeindeordnung nrw – go nrw). aus diesem grunde konnte sie keinen den üblichen anforderungen entsprechenden haushaltsplan durch haushaltssatzung erlassen, sondern es war ein sog. haushaltssicherungskonzept gemäß § 76 abs. 1 go nrw erforderlich. dieses bedarf jedoch der genehmigung durch die zuständige bezirksregierung, hier e1. , vgl. § 76 abs. 2 satz 2 go nrw. die bezirksregierung hatte die genehmigung des haushaltssicherungskonzepts der beklagten in den jahren 2010 und 2011 endgültig verweigert. zugleich galt zu diesem zeitpunkt für alle hiervon betroffenen sog. nothaushaltskommunen der leitfaden des damaligen innenministeriums nrw (im nrw) vom 6. märz 2009 „maßnahmen und verfahren zur haushaltssicherung“. dieser schloss für überschuldete und von überschuldung bedrohte kommunen – wie die beklagte es damals war – beförderungen vollständig aus. dies folgte dort aus kapitel 5 „umgang mit (drohender) überschuldung“, wo in ziff. 11 ausgeführt wird, dass personalwirtschaftliche maßnahmen, zu denen die gemeinde nicht rechtlich verpflichtet ist, nicht zulässig sind. 61dies ergibt sich zugleich aus § 82 go nrw, weil in der situation der so genannten vorläufigen haushaltsführung ohne beschlossene haushaltssatzung einschließlich haushaltssicherungskonzept nach dem in dessen abs. 1 nr. 1 enthaltenen verbot die gemeinde ausschließlich aufwendungen entstehen lassen darf, zu denen sie rechtlich verpflichtet ist. ein dienstherr darf aber – in den von der fürsorgepflicht vorgezeichneten äußeren grenzen – nach ermessen darüber entscheiden, ob eine beförderung vorgenommen wird, 62vgl. zu diesem organisations- und verwaltungspolitischen ermessen schnellenbach, a. a. o., § 3 rn. 59 ff. m. w. n. 63insbesondere folgt ein anspruch des verstorbenen ehemannes der klägerin auf beförderung, der keinem ermessen unterliegt, nicht aus der bewertung der stelle mit a 13, und somit dem stellenplan der beklagten. der stellenplan ist keine verbindliche zusage, aus dem der beamte einen anspruch auf beförderung herleiten könnte, 64vgl. verwaltungsgericht (vg) e1. , urteil vom 26. oktober 2004 – 26 k 1653/04 -, juris rn. 22 f. 65ein anspruch auf beförderung kann nur im rahmen der haushaltsrechtlichen möglichkeiten bestehen und unterliegt damit den beschränkungen der vorläufigen haushaltswirtschaft nach § 82 abs. 1 - abs. 3 go nrw, soweit der dienstherr die regeln der vorläufigen haushaltswirtschaft anzuwenden hat, 66so z. b. vg e1. , urteil vom 9. juli 2010 – 26 k 5181/09 -, juris rn. 28 f. 67dass der beklagten im maßgeblichen zeitraum – ab juni 2010 bis april 2011 – beförderungen haushaltsrechtlich untersagt waren, ergibt sich auch aus konkreten unterlagen: mit schreiben der kämmerei der beklagten an die bezirksregierung e1. vom 27. juli 2010 übermittelte die beklagte der bezirksregierung die haushaltssatzung der beklagten für die jahre 2010 und 2011 sowie das haushaltssicherungskonzept für den zeitraum 2010 bis 2014. die bezirksregierung reagierte hierauf unter dem 15. dezember 2010 und lehnte die genehmigung des haushaltssicherungskonzepts für den zeitraum 2010 bis 2014 ab. die bezirksregierung wies zugleich darauf hin, dass infolge dessen die haushaltssatzung der beklagten für die jahre 2010/2011 nicht öffentlich bekannt gemacht werden dürfe und die haushaltswirtschaftlichen beschränkungen gemäß § 82 go nrw uneingeschränkt zu beachten seien; da das eigenkapital der beklagten im laufe des jahres 2011 aufgezehrt sein werde, liege ein verstoß gegen das überschuldungsverbot vor; damit gelte die bindung an kapitel 5 des leitfadens des im nrw vom 6. märz 2009; ein personalausgabenbudget könne nicht gewährt werden, weshalb beförderungen von beamten weiterhin nicht gestattet seien. zuvor hatten in einem gemeinschaftsgespräch des gpr am 12. märz 2009 zum tagesordnungspunkt „beförderungen 2009“ der oberbürgermeister und exponierte vertreter der verwaltung der beklagten zum einen darauf hingewiesen, dass die bezirksregierung eine streng juristische meinung zur frage von beförderungen in nothaushaltssituationen habe, weshalb beförderungen erst möglich würden, wenn ein entsprechendes haushaltssicherungskonzept von der bezirksregierung genehmigt würde, zum anderen versicherten sie, dass alle hebel in bewegung gesetzt würden, um beförderungen möglich zu machen.all dies war unmissverständlich. parallel hierzu entfaltete die beklagte jedoch in den jahren 2010 und 2011 erkennbare bemühungen darum, diese auch aus ihrer sicht für ihre beamten unbefriedigende situation zu verbessern. diese bemühungen blieben jedoch zunächst erfolglos. 68erst mit dem erlass des ministeriums für inneres und kommunales nrw (mik) vom 15. november 2011 zu beförderungen in kommunen ohne genehmigtes haushaltssicherungskonzept einschließlich (drohend) überschuldeter kommunen (so genannte nothaushaltskommunen) wurde den bezirksregierungen erlaubt, in dem im einzelfall angemessenen umfang personalentwicklungsmaßnahmen, z.b. beförderungen, im wege der duldung zu tolerieren. den so eröffneten spielraum nutzte die beklagte zügig und konsequent im interesse ihrer beamten. die bezirksregierung erklärte mit ihrer verfügung vom 20. dezember 2011 die duldung in bezug auf 103 beförderungen von beamten zum 1. januar 2012. dies sollte sich eigentlich nur auf ämter bis maximal a 11 beziehen. faktisch befand sich unter den zum 1. januar 2012 beförderten beamtinnen und beamten außer dem verstorbenen ehemann der klägerin kein beamter mit höherer besoldungsgruppe als a 10. die beklagte berücksichtigte hier in besonderer weise den absehbaren altersruhestand des verstorbenen herrn g. . schon mit der beförderung zum 1. januar 2012 hätte dieser die 2-jährige wartefrist des § 5 abs. 3 satz 1 beamtvg bis zu seinem regulären altersruhestand am 30. juni 2013 (vgl. § 117 abs. 3 lbg) nicht erreichen können, weshalb seine dienstzeit auf seinen antrag um sechs monate verlängert wurde. 69all dem ist zu entnehmen, dass die beklagte alles getan hat, um den verstorbenen ehemann der klägerin – und andere ihrer beamten – auch in schwierigen zeiten mit außergewöhnlicher haushaltssituation baldmöglichst zu befördern, und insbesondere herrn g. die versorgung aus dem letzten amt a 13 (brandoberamtsrat) zu ermöglichen. dies ist jedoch durch seinen unerwarteten tod vereitelt worden. eine – zumal schuldhafte – verletzung der fürsorgepflicht ist darin nicht zu erblicken. 70der aus sicht der ehefrau des verstorbenen – der klägerin – wahrgenommene ablauf, dass die beklagte erst auf nachhaltigen protest der betroffenen beamten, einschließlich einer petition an den landtag nrw, aktiv wurde und dadurch im herbst bzw. am jahresende 2011 die duldung der beförderungen zum 1. januar 2012 herbeiführte, mag subjektiv aus sicht der mit den internen vorgängen nicht vertrauten beamten (sowie ihrer partner/innen) so gewesen sein. diese hatten eventuell den eindruck, die beklagte habe zuvor nicht hinreichende aktivitäten mit dem ziel der beförderungen entfaltet. tatsächlich war es jedoch anders, wie sich den darlegungen der beklagten und den nachprüfbaren unterlagen entnehmen lässt. 71die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 72die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo. 73beschluss: 74der streitwert wird auf 4.123,44 euro festgesetzt. 75gründe: 76die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 abs. 1 gkg erfolgt und berücksichtigt den 2-fachen jahresbetrag der erstrebten versorgungsdifferenz (171,81 euro x 24). | Verklagte*r | 0 |
167,499 | L 17 U 299/14 | 2015-02-25T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.04.2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Streitig ist im Rahmen eines sog. Zugunstenverfahrens (§ 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch -SGB X-) die Anerkennung des Ereignisses vom 22.05.2009 als Arbeitsunfall. Insbesondere ist streitig, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls als abhängig Beschäftigter bei der Beklagten pflichtversichert war oder im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit einer berufsgenossenschaftlich nicht versicherten Tätigkeit nachging. 3Der im Jahre 1969 geborene Kläger ist Kameramann. Im Mai 2009 war er als Kameramann für die Filmproduktionsgesellschaft A GmbH (im Folgenden: Produktionsfirma) in L engagiert. Gegenstand der Produktion war ein Musikvideo des Musikers Q mit dem Titel " ...". Einziger Drehtag war der 17.05.2009. 4Am 22.05.2009 gegen 8.50 Uhr verunglückte der Kläger mit seinem Motorrad auf der Autobahn A 3 in Fahrtrichtung Oberhausen zwischen den Anschlussstellen Köln-Dellbrück und Köln-Mülheim. Der Kläger erlitt schwerste Verletzungen. Es kam zu Frakturen von Rippen, Schlüsselbein und Brustwirbelsäule, einer Lungenquetschung sowie einem Pneumothorax. 5Zum Unfallzeitpunkt befand sich der Kläger auf dem Weg von seiner Wohnung zur Fa. M in Düsseldorf. Der Kläger beabsichtigte dort an der sog. Postproduktion des abgedrehten Videos mitzuarbeiten. Seine Aufgabe als Kameramann sollte es sein, zu beurteilen, was technisch aus dem Filmmaterial herauszuholen sei. 6Am 26.05.2009 stellte der Kläger "für die Bildgestaltung" des Musikvideos pauschal 2.200 EUR zzgl. Mehrwertsteuer in Rechnung. Am 02.06.2009 erstattete die Zeugin S, geb. C, im Namen der Produktionsgesellschaft A Commercial und unter deren Briefkopf eine Unfallanzeige bei der Beklagten. Mit Schreiben vom 09.07.2009 legte der Kläger der Beklagten von ihm erstellte Rechnungen der letzten 12 Monate vor, die Grundlage für die Berechnung des Verletztengeldes sein sollten, sämtlich Tätigkeiten als Bildgestalter für verschieden Auftraggeber betrafen und über Pauschalbeträge zzgl. Mehrwertsteuer lauteten. Zudem teilte er mit, dass er "als freier Bildgestalter/Kameramann" seine wichtigste Arbeitszeit im Sommer habe und es für ihn daher problematisch sei, in den anstehenden Sommermonaten nicht arbeiten zu können. Er hoffe, dass er nicht zu viele Arbeitgeber verliere. 7Auf telefonische Nachfrage der Beklagten teilte eine Mitarbeiterin der Produktionsfirma am 20.07.2009 mit, dass der Kläger bei der Musikvideoproduktion als freier Mitarbeiter tätig gewesen sei. Weitere Projekte habe der Kläger zu diesem Zeitpunkt für die Produktionsfirma nicht ausgeführt. Zeitgleich überreichte sie einen Vertrag zwischen der Produktionsfirma und dem Kläger, der als "Werkvertrag" überschrieben war und auf den 22.06.2009 datierte. Hieraus ergab sich, dass der Kläger als Bildgestalter für die Zeit vom 15.05.2009 bis zum 22.05.2009 engagiert wurde. Ziffer 1.3 des Vertrages sah vor, dass der Kläger weder weisungsgebunden, noch in die betriebliche Organisation der Produktionsfirma eingebunden sein sollte. 8Mit Bescheid vom 27.07.2009 lehnte die Beklagte eine Entschädigungspflicht bezüglich des erlittenen Verkehrsunfalls gegenüber dem Kläger ab, weil kein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vorgelegen habe. Ein den Versicherungsschutz begründendes abhängiges Beschäftigungsverhältnis habe nicht bestanden. Der Kläger sei im Rahmen eines Werkvertrags für die Produktionsfirma tätig geworden und habe auf eigene Rechnung gearbeitet. Zudem sei er nicht weisungsgebunden und auch nicht in die betriebliche Organisation eingegliedert gewesen. Ferner habe die Firma weder Sozialversicherungsbeiträge noch (Lohn-) Steuern abgeführt. Der Kläger sei folglich als selbständiger Alleinunternehmer anzusehen. Eine freiwillige Unternehmerversicherung habe vor dem Unfall nicht bestanden. 9Mit Schreiben vom 06.08.2009 überreichte die Produktionsfirma einen nicht datierten anderen Vertrag, der zwischen ihr und dem Kläger im Hinblick auf die Produktion des Musikvideos abgeschlossen worden sei. Dieser Vertrag war als "Anstellungsvertrag für Filmschaffende" überschrieben. Die zuständige Mitarbeiterin führte hierzu aus, dass man den Kläger zunächst unter Vorbehalt als selbständig eingestuft habe, da er ein Feststellungsverfahren bei der BfA habe einleiten wollen. Da der Kläger aber nach reiflicher Überlegung eine Befreiung als Kameramann als wenig aussichtsreich eingeschätzt habe, sei ein neuer Vertrag als angestelltes Crew-Mitglied notwendig geworden. Nach dem Wortlaut dieses Vertrages sollte der Kläger in dem Zeitraum vom 15.05.2009 bis zum 22.05.2009 als "Kameramann" tätig werden. 10Seinen Widerspruch vom 20.08.2009 gegen den Bescheid der Beklagten begründete der Kläger damit, dass es wegen der Schnelllebigkeit seiner Branche durchaus üblich sei, Arbeitsverträge erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu unterzeichnen. Es sei einzig auf ein Versehen zurückzuführen, dass ihm statt eines Anstellungsvertrages als abhängig Beschäftigter von der Produktionsfirma ein Werkvertrag zugesandt worden sei. Er habe das Angebot für den Videodreh von seiner Ansprechpartnerin, der Zeugin S, geb. C, bekommen. Diese habe mit ihm über die Abrechnungsart gesprochen und ihm mitgeteilt, dass die Firma bei einer Rechnungsstellung eine BfA-Befreiung brauche. Dies sei - nach Ansicht des Klägers - ungewöhnlich gewesen, den meisten Firmen habe der Versicherungsnachweis der Künstlersozialkasse, deren Mitglied er sei, genügt. Er habe sich deshalb mündlich bindend mit der Zeugin S auf eine Abrechnung auf Lohnsteuerkarte und somit auf ein Angestelltenverhältnis mit entsprechendem Arbeitsvertrag geeinigt. Den Werkvertrag habe er nachträglich nur unterschrieben, da er zum einen aufgrund von Sorgen um eine drohende Querschnittslähmung und seine hochschwangere Ehefrau abgelenkt gewesen sei und sich zudem aufgrund der Einnahme hoher Dosen an Schmerzmitteln und Morphium in einem geschäftsunfähigen Zustand befunden habe. 11Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2009 zurück. Sie hielt an ihrer Auffassung fest, dass kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestanden habe und der Kläger als selbstständiger Kameramann für die Produktionsfirma tätig gewesen sei. Der erst später vorgelegte "Anstellungsvertrag könne keine Berücksichtigung finden. Gegen den Widerspruchsbescheid legte der Kläger keinen Rechtsbehelf ein. 12Knapp zwei Jahre nach Erlass des Widerspruchsbescheides, nämlich mit Schreiben vom 01.09.2011, beantragte der Kläger sodann gegenüber der Beklagten, ihre Entscheidung nach Maßgabe von § 44 SGB X zu überprüfen und zurückzunehmen. Zur Begründung führte er aus, dass bei der seinerzeitigen Entscheidung der Beklagten wesentliche Tatsachen und Erkenntnisse nicht berücksichtigt worden seien. Die Beklagte habe die Ausgestaltung des konkreten Vertragsverhältnisses bei der Statusbeurteilung verkannt. Zudem sei der Verwaltungsakt schon deshalb rechtswidrig, weil der einschlägige Abgrenzungskatalog der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 13.04.2010 zum Gesetz der Förderung der Selbstständigkeit, Versicherungs-, Beitrags-, und Melderechte (im Folgenden: Abgrenzungskatalog) bei der Entscheidung nicht berücksichtigt worden sei. Nach Ziffer 3.1 des Abgrenzungskatalogs für den Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, seien bei Film- und Fernsehproduktionen neben dem ständigen Personal beschäftigte Künstler und Angehörige von verwandten Berufen, die in der Regel aufgrund von Honorarverträgen tätig und im allgemeinen als freie Mitarbeiter bezeichnet würden, grundsätzlich als abhängig Beschäftigte anzusehen. Das gelte nach dem Wortlaut der Vereinbarung "insbesondere, wenn sie nicht zu den programmgestaltenden Mitarbeitern gehörten sowie für Schauspieler, Kameraleute, Regieassistenten und sonstige Mitarbeiter in der Film- und Fernsehproduktion". 13Der Kläger sei im Rahmen der Produktion "Q" nicht überwiegend eigenschöpferisch tätig gewesen, so dass ein Ausnahmesachverhalt bei der Produktion nicht vorgelegen habe. Ein solcher sei nur anzunehmen, wenn der Kläger als eigenschöpferischer Bildgestalter bzw. Bildregisseur tätig geworden wäre. Zudem sei zu berücksichtigen, dass in künstlerischer Hinsicht der Executive Producer, sowie ein Regisseur und ein Oberbeleuchter tätig geworden seien, sodass der Kläger sich darauf beschränkt habe, von Dritten vorgegebene Szenen und Bilder innerhalb der vorgegebenen Set-Organisation auf Anweisung herzustellen. Zudem sei der Kläger verpflichtet gewesen, sich aufgrund einer entsprechenden Disposition zu bestimmten Uhrzeiten am Set einzufinden. Die abgeschlossenen Verträge könnten allenfalls eine Indizwirkung haben, da sie erst nachträglich, d.h. nach Abschluss der Produktion und nach dem Unfall abgeschlossen worden seien. Des Weiteren sei es für die Statusbeurteilung des Klägers irrelevant, ob er vorab bei anderen Unternehmen in der Regel selbstständig oder abhängig beschäftigt gewesen sei. 14Mit Bescheid vom 17.11.2011 lehnte die Beklagte die Rücknahme ihres ablehnenden Bescheides nach § 44 SGB X ab. Sie hielt an ihrer Rechtsauffassung fest. Ergänzend führte sie aus, dass der vom Kläger angesprochene Abgrenzungskatalog vorliegend nicht anwendbar sei, da die Berufsgenossenschaft nicht im Kreis der genannten Spitzenorganisationen vertreten sei. Zur Überprüfung, ob der Kläger zum Unfallzeitpunkt in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe, könne der Katalog nicht herangezogen werden. 15Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 14.12.2011 Widerspruch ein. Er vertrat die Auffassung, dass der Abgrenzungskatalog sehr wohl zu berücksichtigen sei. Zwar entfalte er für die Sozialgerichte keine Bindungswirkung, allerdings fließe dessen Bewertung regelmäßig in die gerichtliche Betrachtung ein. Da der Kläger auch als selbstständiger Kameramann tätig werde, sei zwischenzeitlich zwar der Abschluss einer freiwilligen Unternehmerversicherung unter dem Datum vom 04.09.2009 auf Anraten der Beklagten erfolgt. Im streitgegenständlichen Fall habe es sich jedoch um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt. Jedes Beschäftigungsverhältnis sei separat daraufhin zu untersuchen, ob eine selbstständige oder eine abhängige Beschäftigung vorliege. 16Mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Selbst unter Berücksichtigung des Abgrenzungskataloges sei der Kläger gemäß dessen Ziffer 3.3 als "Bildgestalter" einzuordnen und seine Tätigkeit daher als selbständig zu bewerten. 17Am 24.05.2012 hat der Kläger Klage erhoben und sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. 18Seinem Vorbringen hat das SG den Antrag entnommen, 19den Bescheid der Beklagten vom 17.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2012 sowie den Bescheid vom 27.07.2009 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 25.11.2009 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Unfallereignis des Klägers vom 22.05.2009 um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt hat, die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 22.05.2009 an Verletztengeld und Verletztenrente in Höhe von mindestens 50 v.H. der Vollrente zu zahlen. 20Die Beklagte hat beantragt, 21die Klage abzuweisen. 22Sie hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten. 23Das SG hat den Kläger mündlich angehört und die Zeugen S, geb. C, Produzentin des Musikvideos, N, seinerzeit für die Produktion mit zuständiger Geschäftsführer der Firma A Commercial, sowie N1, Regisseur der streitgegenständlichen Musikvideoproduktion, vernommen. Wegen des Inhaltes der Einlassung des Klägers und der Aussagen der Zeugen wird auf die Niederschriften des Erörterungstermins vom 29.05.2013 und des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 10.04.2014 verwiesen. 24Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 10.04.2014, dem Kläger zugestellt am 28.04.2014, abgewiesen. weil sich der Unfall des Klägers nicht bei versicherter Tätigkeit ereignet habe. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 10.04.2014 wird im Übrigen Bezug genommen. 25Mit seiner am 22.05.2014 bei dem Landessozialgericht eingegangenen Berufung trägt der Kläger vor, aus der Aussage der Zeugin S ergebe sich, dass ursprünglich mündlich eine Abrechnung über die Steuerkarte vereinbart gewesen sei, wobei diese Gestaltung nicht willkürlich gewählt, sondern im Wissen um die Abgrenzungsproblematik bei Kameraleuten bewusst vorgenommen worden sei. Er habe sich deshalb auf den bestehenden Unfallversicherungsschutz verlassen dürfen und nicht mit einer abweichenden ex-post-Beurteilung rechnen müssen. Das SG habe zu seinen Lasten ignoriert, dass ihm sämtliches Arbeitsmaterial gestellt worden sei und dass er jederzeit dem Weisungsrecht der Produktion und des Regisseurs unterlegen habe. Der Kläger habe jeweils die Vorgaben des Regisseurs technisch möglichst genau umsetzen müssen. Da seine Vergütung voll ausgezahlt worden sei, obwohl er den Termin zur Postproduktion nicht wahrgenommen habe, habe er sogar Entgeltfortzahlung erhalten. Er habe seine Arbeitsleistung höchstpersönlich erbringen müssen und eine feste Entlohnung erhalten. Er verfüge über keine Betriebsstätte und habe kein Unternehmerrisiko getragen. Er habe bei dem nach Angaben des Zeugen N1 "simplen" Dreh keinen maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung des Endprodukts gehabt. All dies spreche für eine abhängige Beschäftigung. 26Der Klägerbevollmächtigte beantragt, 27das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.04.2014 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 17.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 17.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2009 zurückzunehmen und das Ereignis vom 22.05.2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Kläger wegen der Unfallfolgen Verletztengeld und im Anschluss daran Verletztenrente nach einer MdE von 50 vom Hundert zu zahlen. 28Die Beklagte beantragt, 29die Berufung zurückzuweisen 30ohne in der Sache vertieft weiter vorzutragen. 31Der Senat hat den Kläger zu den Umständen der Vertragsgestaltung und zu seinen Aufgaben im Rahmen der Produktion " ..." ergänzend befragt. Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2015 wird insoweit verwiesen. 32Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und der Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind und dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen haben. 33Entscheidungsgründe: 34Die zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 17.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2012, mit dem die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 17.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2009 und die Feststellung des Geschehens vom 22.05.2009 als Arbeitsunfall abgelehnt hat, nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschwert, denn die genannten Bescheide sind rechtmäßig. 35Der Bescheid der Beklagten vom 17.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2009 ist bestandskräftig geworden, da der Kläger innerhalb der gesetzlichen Frist keinen Rechtsbehelf eingelegt hat (§ 77 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist ein (bestandskräftiger) Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. 36Dies ist hier nicht der Fall. Dem Kläger sind aufgrund des Bescheides vom 27.07.2009 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 25.11.2009 keine Sozialleistungen zu Unrecht versagt worden. Vielmehr hat die Beklagte zutreffend entschieden, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt am 22.05.2009 keinen Arbeitsunfall erlitten hat, weil er nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. 37Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 und 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (sog. WegeunfaIl). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung unmittelbar vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "versichert" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG Urteil v. 13.11.2012, B 2 U 19/11 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 46; BSG, Urteil v. 4.7.2013, B 2 U 12/12 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 49). 38Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die hier allein als versicherte Tätigkeit in Betracht kommende Motorradfahrt am 22.05.2009 hing insoweit mit der Tätigkeit des Klägers zusammen, als sie dem Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach dem Ort dieser Tätigkeit - am 22.05.2009 war dies der Ort der Postproduktion in L - diente. Sie verursachte objektiv und rechtlich wesentlich den Motorradunfall und die darauf zurückzuführenden Verletzungen des Klägers. Versichert i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII war dieser Weg jedoch nicht, denn er hing nicht mit einer nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit, insbesondere nicht mit einer - hier allein als Versicherungstatbestand in Betracht kommenden - abhängigen Beschäftigung des Klägers (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII), zusammen. Der Kläger hat unmittelbar vor dem Unfall keine versicherte Tätigkeit als Beschäftigter verrichtet. Seine Tätigkeit als Kameramann im Rahmen der Musikvideoproduktion Q " ...", der die Motorradfahrt diente, stellte keine abhängige Beschäftigung im unfallversicherungsrechtlichen Sinne dar. 39Versichert nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind (abhängig) Beschäftigte. Beurteilungsmaßstab für eine abhängige Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), der für sämtliche Bereiche der Sozialversicherung gilt. Danach ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter wird verrichtet, wenn der Verletzte zur Erfüllung eines von ihm begründeten Rechts- und damit Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen (vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (BSG, Urteil v. 14.11.2013, B 2 U 15/12 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 27; vgl. § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII). 40Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfordert eine Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 4 SGB IV, in Abgrenzung zu einer selbständigen Tätigkeit, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen z.B. BSG Urteil v. 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R, juris Rn. 16 mwN; Urteil v. 11.03.2009, B 12 KR 21/07 R, juris Rn. 15 mwN; Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, juris Rn. 12; zur verfassungsmäßigen Bestimmtheit der Vorschrift des § 7 SGB IV vgl. BVerfG Beschluss v. 20.05.1996, 1 BvR 21/96, juris Rn. 6 f.). Dabei kommt es auf die jeweilige einzelne Tätigkeit, nicht auf das Gesamtbild aus mehreren aufeinander folgenden Tätigkeiten an (vgl. BSG, Urteil v. 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; LSG NRW, Urteil v. 28.03.2012, L 8 R 156/09, juris). 41Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, ist das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Eine bestimmte Art der Vertragsgestaltung genießt keinen Bestandsschutz, wenn sie den tatsächlichen Verhältnissen widerspricht. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG Urteil v. 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris Rn. 17). 42Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die vom Kläger im Zeitpunkt des Unfallereignisses am 22.05.2009 ausgeübte Tätigkeit als selbständige anzusehen. Die Bewertung und Gewichtung der relevanten Abgrenzungsmerkmale zeigt, dass das Vertragsverhältnis in seinen wesentlichen Aspekten dem eines Selbständigen entspricht. 43Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haben die Produktionsfirma und der Kläger vor dem Unfall des Klägers keine ausdrücklichen mündlichen Vereinbarungen getroffen. Die Zeugin S, mit der der Kläger, wie er schon erstinstanzlich vorgetragen hat, mündlich einen Anstellungsvertrag vereinbart haben will, hat dies in ihrer Vernehmung nicht bestätigt. Dort hat sie nur das übliche Vorgehen in den Fällen geschildert, in denen der Mitarbeiter keine "BfA-Befreiung" vorlegt (gemeint ist damit wohl die häufig als "BfA-Befreiung" bezeichnete Bescheinigung der Deutschen Rentenversicherung -DRV- Bund über eine Befreiung von der Versicherungspflicht für Selbständige mit nur einem Auftraggeber, vgl. § 6 Abs. 1a SGB VI). Unabhängig davon, ob diese Bescheinigung im Falle des Klägers, der für wechselnde Auftraggeber arbeitete, überhaupt einschlägig war, hat die Zeugin aber in ihrer Aussage jedenfalls deutlich gemacht, dass Vertragsangelegenheiten in Personalsachen gerade nicht zu ihren Aufgaben gehörten, sondern über die Herstellungsleitung der Produktionsfirma liefen, von der auch die Vorgaben für die Vertragsgestaltung kamen. 44Auch eine schriftliche Niederlegung wesentlicher Vertragsgrundsätze hat vor dem Unfall des Klägers nicht stattgefunden. Die aktenkundigen schriftlichen Unterlagen - sämtlich aus der Zeit nach dem Unfall - legen eher ein Werkvertragsverhältnis nahe. Die Zeugin S hat zwar bekundet, dass seitens der Herstellungsleitung der Produktionsfirma ohne Vorlage einer BfA-Befreiung grundsätzlich immer eine Entlohnung "auf Lohnsteuerkarte" vorgegeben worden sei. Dass dies hier so gehandhabt wurde, sieht der Senat aber nicht als erwiesen an. Dem steht entgegen, dass die Vertragspartner noch am 22.06.2009 - einen Monat nach dem Unfall und ohne Vorlage einer BfA-Befreiung - eine als "Werkvertrag" überschriebene Vereinbarung unterzeichnet haben, in der dem Kläger die Tätigkeit als "Bildgestalter" für die Produktion " ..." retrospektiv für die Zeit vom 15.05. bis 22.05.2009 übertragen wird. Darin ist hervorgehoben, dass der Kläger in der künstlerischen Gestaltung seines Schaffens frei sei und nur die organisatorischen Vorgaben der Produktion zu beachten habe. Der Kläger sei weder weisungsgebunden, noch werde er in die betriebliche Organisation der Produktionsfirma eingebunden. Die Zahlung des Honorars war an die Werkabnahme gebunden. Der vereinbarten pauschalen Vergütung von 2.200 EUR war die Mehrwertsteuer hinzuzurechnen; sie schloss die Übertragung aller Rechte "auf total buy-out Basis" ein. Dass - anders als es der Kläger darstellt - diese nachträglich schriftlich fixierte Vereinbarung vom Grundsatz her (also bzgl. ihres Werkvertragscharakters) dem tatsächlichen Willen der Vertragsparteien entsprach, wird durch die zeitnah nach dem Unfall am 26.05.2009 vom Kläger der Produktionsfirma gestellte Rechnung bestätigt. Denn der Kläger hat der Produktionsfirma für seine Tätigkeit "Bildgestaltung des Musikvideos ..." (Produktionszeitraum 06.04. bis 25.05.2009) eine Rechnung über 2.200 EUR zzgl. Mehrwertsteuer gestellt (Zum abweichenden Beginn des Zeitraums hat der Kläger einen möglichen Irrtum eingeräumt, das im Vertrag frühere Ende entspricht dem Unfalltag), die nach seinen Angaben auch bezahlt worden ist. Dieses Verfahren der Vertragsgestaltung und Rechnungslegung ist in sich konsistent und logisch abgelaufen, der Schriftverkehr mit der Produktionsfirma lässt keine Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit des Klägers, für die keinerlei Beleg angeboten wurde, erkennen. Dass die Produktionsfirma ausweislich ihrer Entgeltbescheinigung für die Beklagte vom 22.07.2009 zu diesem späteren Zeitpunkt - nunmehr zwei Monate nach dem Unfall - den "Tätigkeitsstatus des Herrn D auf selbständig oder nicht selbständig" nach ihren Angaben noch nicht abschließend geklärt hatte, so dass sein Arbeitsentgelt noch nicht mitgeteilt werden konnte, und dass dann nochmals später ein geänderter Anstellungsvertrag für Filmschaffende" präsentiert wurde, der nicht datiert ist, aber am 06.08.2009 als "der neue Vertrag von D" bezeichnet wurde, ist vor diesem Hintergrund nicht überzeugend. Nach dem Begleitschreiben der Produktionsfirma wurde der Vertrag geändert, weil der Kläger "nach reiflicher Überlegung" - also offenbar nach eigener Einschätzung - eine BfA-Befreiung als wenig aussichtsreich eingestuft habe. Dann ist aber zum einen nicht nachvollziehbar, warum er zunächst (zeitnah) eine Rechnung mit Mehrwertsteuerausweis gestellt hat. Zum anderen war von der Beklagten zwischenzeitlich mit Bescheid vom 27.07.2009 die Anerkennung eines Arbeitsunfalles mit dem Argument versagt worden, der Kläger sei unversicherter Selbständiger, so dass auch dieser Umstand als Motivation für den Einschätzungswandel in Betracht kommt. Schließlich ist dieser auch deshalb wenig glaubhaft, weil gegenüber allen weiteren Auftraggebern des Klägers, soweit dieser Abrechnungen vorgelegt hat (8 weitere Rechnungen und 3 Verdienstausfallbescheinigungen), immer Rechnungen mit Mehrwertsteuerausweis erteilt worden waren. 45Anders als das Sozialgericht meint, weist deshalb die vertragliche Gestaltung eher auf eine selbständige Tätigkeit hin. Zutreffend wertet allerdings das SG die Indizwirkung der Vertragsgestaltung hier geringer, weil die Vertragspartner sich möglicherweise nicht an den realen Umständen der Leistungserbringung, sondern an einer finanziell günstigen und nach außen hin möglichst beanstandungsfreien Vertragsgestaltung orientiert haben. 46Auch die tatsächlichen Verhältnisse stützen jedoch die Annahme eines Werkvertrages. Sie stellen sich, wie der Senat den Angaben des Klägers selbst und den Aussagen der Zeugen S, N und N1 entnimmt, wie folgt dar: Die Auswahl des Klägers als Kameramann erfolgte nach den Angaben der Zeugen S und N1 aufgrund bereits vorhandener Erfahrungen aus gemeinsamer Zusammenarbeit, wobei - wie sich insbesondere aus den Aussagen der Zeugen S und N ergibt - der Kameramann von seiner künstlerischen Ausrichtung her zum Konzept des Regisseurs passen musste, um Diskussionen über die Vorgehensweise und Meinungsverschiedenheiten zu vermeiden. Aufgaben des Klägers in der Videoproduktion waren folgende: 47Das Konzept für die Produktion hatte der Regisseur bereits erstellt. Mitspracherechte im Sinne von Entscheidungsbefugnis hatten insoweit nur der Auftraggeber (hier der Musiker Q), der Regisseur und der Produzent, letzterer allerdings nicht bezogen auf die Art der künstlerischen Gestaltung, sondern auf die Rahmenbedingungen und insbesondere die Einhaltung des Budgets, wie insbesondere die Aussage der Zeugin S verdeutlicht. Der Herstellungsprozess selbst war eine Teamarbeit, in der neben dem Regisseur der Kameramann von besonderer Bedeutung war. Der Kameramann wurde nach seiner Meinung gefragt, er hatte immer auch einen kreativen Einfluss auf die Umsetzung. Es gab, wie der Zeuge N bekundet hat, grundsätzlich keine Weisungsgebundenheit zwischen Regie und Kamera, sondern eine stetige kreative Abstimmung. Der Zeuge N hat insoweit plakativ formuliert: "Der eine kann ohne den anderen nichts machen". Der Kläger bereicherte die Produktion mit eigenen Ideen, was auch von ihm erwartet wurde. Nach eigenen Angaben des Klägers würde der Regisseur ihn sonst auch nicht mehr buchen. Bildgestalterische Aspekte (Brennweite, Kamerastandpunkt, Tempo der Kamerafahrt etc.) wurden gemeinsam besprochen, hierfür brauchte der Kameramann, wie der Zeuge N1 formuliert hat, einen kreativen Zugang zum Bild; das Letztentscheidungsrecht lag insoweit beim Regisseur. 48Vor dem Dreh haben der Regisseur und der Kläger gemeinsam mögliche Drehorte besichtigt. Bei der Auswahl des Drehorts hat der Kläger eine beratende Funktion hinsichtlich der technischen Voraussetzungen und der Eignung des Drehortes für die geplanten Aufnahmen gehabt. Der Kläger war verantwortlich für die Umsetzung und die technische Vorbereitung. Hierzu hatte er - nach eigenen Angaben eigenständig und in eigenen Räumlichkeiten - Listen mit dem benötigten Equipment für Ton, Licht und Bild und im konkreten Fall für eine Kamerarundfahrt zu erstellen. Eigenes Equipment brachte er nicht ein, es wurde alles nach seinen Vorgaben seitens der Produktionsfirma ausgeliehen und zur Verfügung gestellt. Die Aufstellung erfolgte seitens der Produktionsfirma nach den Anweisungen des Kameramannes und des Oberbeleuchters. Danach fand der eigentliche Dreh statt, in Schwarz-Weiß und auf analogem Material. Sowohl hinsichtlich der technischen Voraussetzungen, als auch hinsichtlich der technischen und bildlichen Umsetzung des Konzepts verfügte nach Angaben des Zeugen N1 allein der Kläger über das notwendige Fachwissen, so dass evtl. Änderungswünsche der Regie erst anhand des Bildes am Monitor geäußert werden konnten. Schließlich hatte er am Unfalltag bei der Postproduktion mitzuwirken, wobei seine Aufgabe darin bestanden hätte, für bestimmte, das Kamerafach und die Nachbearbeitung betreffende technische Rückfragen zur Verfügung zu stehen. 49Ausgehend von diesem Sachverhalt war der Kläger nicht in den Betrieb der Produktionsfirma eingegliedert. Eine selbständige Tätigkeit im Rechtssinne setzt nicht voraus, dass diese frei von jeglichen Bindungen wäre. Auch Selbständige sind in ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzt, allerdings nicht durch Einzelanordnungen, sondern durch Regeln oder Normen, die die Grenzen ihrer Handlungsfreiheit mehr in generell-abstrakter Weise umschreiben (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.11.2011, L 5 R 5703/09, juris Rn. 69 m.w.N.). Sicher musste der Kläger die terminlichen Vorgaben der Produktion beachten. Er unterlag aber nur hinsichtlich der gemeinsamen Termine des Teams (Drehortbesichtigung, Drehtag, Postproduktion) deren Zeit und Ort der Ausführung umfassendem Weisungsrecht. Der Kläger arbeitete nicht ausschließlich in den von der Klägerin zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten, sondern nur am Drehtag und während der Postproduktion. Die Auswahl des Drehortes erfolgte in Absprache mit dem Kläger aufgrund des Ergebnisses verschiedener Ortsbesichtigungen. Die vorbereitenden Arbeiten (z.B. Materiallisten) hatte der Kläger eigenverantwortlich, bei eigener Zeiteinteilung und außerhalb der Produktionsstätten in eigenen Räumen zu erledigen. Demnach ist der Einwand des Klägers, er sei nur in fremden Betriebsstätten tätig geworden, unzutreffend. 50Hinsichtlich der Art der Ausführung des Drehs war ein Weisungsrecht aufgrund der allein bei ihm vorhandenen Fachkenntnisse ausgeschlossen und wurde nach Angaben des Zeugen N auch nicht wahrgenommen (hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu BSG, Urteil v. 20.03.2013, B 12 R 13/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 19, Rn. 21 zitiert nach juris). Dass nach Angaben des Zeugen N1 (bestätigt durch den Zeugen N) das Letztentscheidungsrecht bei ihm gelegen hätte, der Kläger also im Zweifel bei abweichenden Vorstellungen des Regisseurs eine Szene hätte verwerfen und neu anbieten müssen, steht dem nicht entgegen. Es ist schon nicht belegt, dass ein solches Letztentscheidungsrecht ausgeübt wurde. Jedenfalls können aber die gestalterischen Vorgaben des Regisseurs nicht als Einzelanweisungen gesehen werden, weil sie aus Sicht der Kameraführung stets konstruktiv kritisch überdacht werden müssen, wobei die konkrete Art und Weise der Kameraführung allein in der fachlichen Kompetenz des Klägers lag (vgl. ebenso Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil v. 23.11.2011, L 5 R 5703/09, juris Rn. 71) Im Vordergrund stand jedenfalls, wie sich aus der Aussage des Zeugen N ergibt, die konsensuale Absprache im Team. Die Auswahl eines Kameramannes erfolgte gerade deshalb nach den Angaben der Zeugen N und S auch immer unter dem Gesichtspunkt, ob er von seinen künstlerischen Auffassungen in das Team passt, so dass eine Zusammenarbeit im Team ohne künstlerische oder zu Budgetüberschreitungen führende Meinungsverschiedenheiten ermöglicht wird. 51Der vom SG und den Beteiligten besonders herausgestellte Grad der Eigenständigkeit der erbrachten künstlerischen Leistung ist für die Beurteilung, ob der Kläger als Bildgestalter oder Kameramann selbständig oder abhängig tätig war, nicht grundsätzlich ausschlaggebend. Im Vordergrund der Beurteilung haben die oben dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung für eine Differenzierung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung zu stehen. Maßstab hierfür ist nicht, ob eine eigenschöpferische Leistung erbracht wird, sondern der Grad der Einbindung in ein fremdes Unternehmen und das getragene Unternehmerrisiko. Ein besonders hoher Grad künstlerischer Eigenständigkeit mag dabei ein Indiz dafür sein, dass eine Künstlerpersönlichkeit Weisungen nicht zugänglich und damit eher als selbständig einzustufen ist. Selbstverständlich kann aber auch bei einem selbständigen Kameramann ein künstlerisch völlig belangloses Werk in Auftrag gegeben werden, ohne dass er hierdurch zu einem abhängig Beschäftigten wird. Insoweit kann der von den Spitzenverbänden der Versicherungsträger (ohne Beteiligung der Berufsgenossenschaften) erarbeitete Abgrenzungskatalog für im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen (künstlerisch und publizistisch) tätige Personen für die Sozialgerichte allenfalls Beurteilungshilfen enthalten, bindet die Gerichte bei der Gesamtwürdigung im Einzelfall aber nicht (BSG, Urteil vom 20.03.2013, B 12 R 13/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 19, Rn. 20 zitiert nach juris), zumal auch nach dem Abgrenzungskatalog besondere Verhältnisse des Einzelfalles jeweils eine abweichende Bewertung gebieten können (Ziff. 3.6; 3.7). Der Abgrenzungskatalog sieht in Ziff. 3.1 für Tätigkeiten bei u.a. Filmproduktionen (Ziffer 3) vor, dass neben dem ständigen Personal auf Honorarbasis beschäftigte Künstler und Angehörige von verwandten Berufen, die im allgemeinen als freie Mitarbeiter bezeichnet werden, grundsätzlich als abhängig Beschäftigte anzusehen seien. Das gelte u.a. insbesondere für Schauspieler, Kameraleute, Sprecher u.a. in der Film- und Fernsehproduktion. Jedoch seien im Einzelnen genannte Gruppen freier Mitarbeiter, darunter Bildgestalter (wenn der eigenschöpferische Anteil der Leistung überwiegt) und Fotografen, selbständig tätig, wenn sie für Produktionen einzelvertraglich verpflichtet werden. Dabei sei es unerheblich, ob sie wiederholt für ähnliche Produktionen herangezogen würden, soweit nicht - etwa für Sendereihen - ständige Dienstbereitschaft erwartet werde. Die Selbständigkeit werde nicht schon durch die Abhängigkeit vom technischen Apparat der Sendeanstalt und die Einbindung in das Produktionsteam ausgeschlossen (Ziff. 3.2 Abs.2). 52Diese Einschätzung der Spitzenverbände basiert offenbar auf der auch nach Ansicht des Senats zutreffenden Erkenntnis, dass gegenüber dem freien Mitarbeiter ein Weisungsrecht umso weniger greifen kann, je mehr der Mitarbeiter künstlerisch-schöpferisch so eigenständig tätig bzw. so speziell fachkundig ist, dass er detaillierten Handlungsanweisungen nicht mehr zugänglich ist. Dies kommt auch in den gerichtlichen Entscheidungen zu vergleichbaren Sachverhalten (vgl. einerseits z.B. LSG NRW, Urteil v. 28.03.2012, L 8 R 156/09, juris Rn. 38; andererseits LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.11.2011, L 5 R 5703/09, juris Rn. 70/71) zum Ausdruck, in denen z.B. Kameraleute oder Schauspieler, die als "einer unter vielen" arbeitsteilig in vorgegebene Produktionsprozesse eingegliedert sind, auch während kurzer Engagements als abhängig Beschäftigte angesehen werden, während Solisten oder Einzelkünstler, die durch ihre individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft inhaltlich bestimmend wirken, Selbständige sein können. 53Bei der hier zu bewertenden kleinen Produktion war die Bedeutung der wenigen Teammitglieder allein der geringen Größe des Teams wegen herausgehobener als z.B. bei Bühnenkünstlern innerhalb einer großen Theaterproduktion (vgl. zu einer solchen BSG, Urteil vom 20.03.2013, B 12 R 13/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 19). Der Kläger war eines der beiden Teammitglieder, das eigene kreative Ideen beisteuern und umsetzen konnte, wenn auch nur in Abstimmung mit dem ggfs. letztentscheidungsbefugten Regisseur. Aufgrund seiner Ausbildung und Fachkunde war er allein in der Lage, das nur als "moodboard" (vgl. bei http://de.wikipedia.org/wiki/Moodboard) vorliegende Konzept des Zeugen N1 wirkungsvoll in bewegte Bilder umzusetzen. Er hatte erheblichen Einfluss auf das Endergebnis; dies folgert der Senat aus der Aussage des Zeugen N, der den Anteil des Klägers fast gleichrangig neben den des Regisseurs setzt, auch wenn der Zeuge N1 als Regisseur diesen Anteil naheliegender Weise geringer und seinen eigenen höher einschätzt. Selbst nach der zurückhaltenderen Einschätzung Meimbergs wurden aber "im Vorfeld Vorstellungen ausgetauscht", hatte der Kameramann "nicht etwa ein vorgegebenes Bild einfach abzupausen", sondern brauchte einen eigenen "kreativen Zugang zum Bild". Zwar hatte der Kläger damit nicht die gleiche künstlerisch herausragende Stellung wie etwa ein Stargast in einem Konzert. Andererseits war der Freiraum des Klägers und vor allem sein Einfluss auf das Endprodukt aber deutlich größer, als in dem o.g. "Bühnenkünstler-Fall" (BSG, Urteil v. 20.03.2013, B 12 R 13/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 19, Rn. 21 zitiert nach juris), in dem das Bundessozialgericht aufgrund der dort anders gelagerten tatsächlichen Gegebenheiten eine abhängige Beschäftigung für einen Fall bejaht hat, in dem zwar das Weisungsrecht des Arbeitgebers (dort: des Theaters) wegen der (letztlich) künstlerischen (schöpferisch-gestaltenden) Tätigkeit "verfeinert" gewesen, jedoch wegen der Notwendigkeit des Zusammenwirkens in einem größeren Ensemble (also mit anderem künstlerischem Personal im Dienste einer einheitlichen und stimmigen künstlerischen Aussage) über die Festlegung (lediglich) gewisser "Eckpunkte" der Aufführungen wie deren Beginn und Ende sowie den "groben" Inhalt der (künstlerischen) Tätigkeit als Sänger, Balletttänzer bzw. Schauspieler hinausgegangen sei. 54Liegt schon deshalb hier ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers nicht vor, wird das Ergebnis zusätzlich durch die notwendigen Kontrollüberlegungen zur Frage einer evtl. bestehenden Selbständigkeit gestützt. Eine selbständige Tätigkeit ist vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. 55Eine eigene Betriebsstätte ist bei dem Kläger, der seine Arbeiten - soweit er sich nicht produktionsbedingt an tatsächlichen oder potentiellen Drehorten aufzuhalten hatte - im Wesentlichen frei gestaltet von zu Hause aus erbracht hat, durchaus vorhanden. Maßgebliches Kriterium für das Vorliegen eines unternehmerischen Risikos ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. Urteil v. 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris Rn. 27), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt werden, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Wie oben dargelegt, wertet der Senat den mit der Produktionsfirma geschlossenen Vertag angesichts der tatsächlichen Bedingungen, unter denen der Kläger seine Leistungen zu erbringen hatte als Werkvertrag, auch wenn er hier schriftlich erst nach dem Unfall abgefasst wurde. Daraus folgt zugleich, dass der Kläger die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt hat, denn die Honorarzahlung war an die Abnahme des Werkes gebunden (§ 640 BGB; vgl. auch LSG Hamburg, Urteil v. 09.01.2008, L 1 R 225/06, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Dem steht nicht entgegen, dass gerade der Auftraggeber Q später einmal ein anderes Video nicht abgenommen hat und dass der Kläger für diesen späteren Dreh dann trotzdem bezahlt wurde, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben hat. Der Musiker steht in einem Vertragsverhältnis mit der Produktionsfirma, die ihm gegenüber eine abnahmefähige Leistung zu erbringen hat. Der Kläger hingegen hat keinen Vertrag mit dem Musiker, sondern ebenfalls mit der Produktionsfirma, die ihn demgemäß auch dann für eine vertragsgemäße Leistung zu bezahlen hat, wenn sie ihrerseits für die Produktion keinen Erlös erzielt. Beim Kläger wird sich eine Schlechtleistung typischerweise nicht in einem Ausfall des Honorars, sondern darin niederschlagen, dass er solange nachdrehen muss, bis sein Werk abgenommen wird und dadurch seine Arbeitskraft in dieser Zeit nicht anderweitig gewinnbringend einsetzen kann. Das wird auch daran deutlich, dass umgekehrt das Honorar für die hier streitgegenständliche Produktion trotz des unfallbedingten Ausfalles des Klägers am letzten Produktionstag vollständig ausgezahlt wurde. Dies kann mangels entsprechender Vereinbarung nicht, wie der Kläger meint, im Sinne einer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und damit als Hinweis auf eine abhängige Beschäftigung verstanden werden, sondern lässt im Gegenteil erkennen, dass der Zahlungsanspruch des Klägers nur von der Fertigstellung des Werks abhängig war. Denn der Kläger wurde eben nicht nach Aufwand oder Anwesenheit, sondern pauschal bezahlt. Die in den Worten des Klägers "feste Entlohnung" ist deshalb kein Hinweis auf einen Arbeitsvertrag. Sie entspricht eher dem Gebaren eines selbständigen Unternehmers, der nach Festpreisvereinbarung tätig wird. 56Das demnach bestehende unternehmerische Risiko ist nur dann ein Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urteil vom 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15, juris Rn. 29). Dies ist hier der Fall, denn insoweit unterlag der Kläger nur Vorgaben, soweit gemeinsame Team-Termine anstanden. 57Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Zwar ist nach § 183 SGG (soweit hier einschlägig) das sozialgerichtliche Verfahren nur für Versicherte kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Der Kläger, wie sich herausgestellt hat, nicht versichert, steht einem Versicherten aber kostenrechtlich gleich, weil er im Falle seines Obsiegens Versicherter gewesen wäre (§ 183 Satz 3 SGG). 58Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) lagen nicht vor. | die berufung des klägers gegen das urteil des sozialgerichts köln vom 10.04.2014 wird zurückgewiesen. kosten sind auch im berufungsverfahren nicht zu erstatten. die revision wird nicht zugelassen. 1 | 2streitig ist im rahmen eines sog. zugunstenverfahrens (§ 44 des zehnten buches sozialgesetzbuch -sgb x-) die anerkennung des ereignisses vom 22.05.2009 als arbeitsunfall. insbesondere ist streitig, ob der kläger zum zeitpunkt des unfalls als abhängig beschäftigter bei der beklagten pflichtversichert war oder im rahmen einer selbstständigen tätigkeit einer berufsgenossenschaftlich nicht versicherten tätigkeit nachging. 3der im jahre 1969 geborene kläger ist kameramann. im mai 2009 war er als kameramann für die filmproduktionsgesellschaft a gmbh (im folgenden: produktionsfirma) in l engagiert. gegenstand der produktion war ein musikvideo des musikers q mit dem titel " ...". einziger drehtag war der 17.05.2009. 4am 22.05.2009 gegen 8.50 uhr verunglückte der kläger mit seinem motorrad auf der autobahn a 3 in fahrtrichtung oberhausen zwischen den anschlussstellen köln-dellbrück und köln-mülheim. der kläger erlitt schwerste verletzungen. es kam zu frakturen von rippen, schlüsselbein und brustwirbelsäule, einer lungenquetschung sowie einem pneumothorax. 5zum unfallzeitpunkt befand sich der kläger auf dem weg von seiner wohnung zur fa. m in düsseldorf. der kläger beabsichtigte dort an der sog. postproduktion des abgedrehten videos mitzuarbeiten. seine aufgabe als kameramann sollte es sein, zu beurteilen, was technisch aus dem filmmaterial herauszuholen sei. 6am 26.05.2009 stellte der kläger "für die bildgestaltung" des musikvideos pauschal 2.200 eur zzgl. mehrwertsteuer in rechnung. am 02.06.2009 erstattete die zeugin s, geb. c, im namen der produktionsgesellschaft a commercial und unter deren briefkopf eine unfallanzeige bei der beklagten. mit schreiben vom 09.07.2009 legte der kläger der beklagten von ihm erstellte rechnungen der letzten 12 monate vor, die grundlage für die berechnung des verletztengeldes sein sollten, sämtlich tätigkeiten als bildgestalter für verschieden auftraggeber betrafen und über pauschalbeträge zzgl. mehrwertsteuer lauteten. zudem teilte er mit, dass er "als freier bildgestalter/kameramann" seine wichtigste arbeitszeit im sommer habe und es für ihn daher problematisch sei, in den anstehenden sommermonaten nicht arbeiten zu können. er hoffe, dass er nicht zu viele arbeitgeber verliere. 7auf telefonische nachfrage der beklagten teilte eine mitarbeiterin der produktionsfirma am 20.07.2009 mit, dass der kläger bei der musikvideoproduktion als freier mitarbeiter tätig gewesen sei. weitere projekte habe der kläger zu diesem zeitpunkt für die produktionsfirma nicht ausgeführt. zeitgleich überreichte sie einen vertrag zwischen der produktionsfirma und dem kläger, der als "werkvertrag" überschrieben war und auf den 22.06.2009 datierte. hieraus ergab sich, dass der kläger als bildgestalter für die zeit vom 15.05.2009 bis zum 22.05.2009 engagiert wurde. ziffer 1.3 des vertrages sah vor, dass der kläger weder weisungsgebunden, noch in die betriebliche organisation der produktionsfirma eingebunden sein sollte. 8mit bescheid vom 27.07.2009 lehnte die beklagte eine entschädigungspflicht bezüglich des erlittenen verkehrsunfalls gegenüber dem kläger ab, weil kein arbeitsunfall im sinne der gesetzlichen unfallversicherung vorgelegen habe. ein den versicherungsschutz begründendes abhängiges beschäftigungsverhältnis habe nicht bestanden. der kläger sei im rahmen eines werkvertrags für die produktionsfirma tätig geworden und habe auf eigene rechnung gearbeitet. zudem sei er nicht weisungsgebunden und auch nicht in die betriebliche organisation eingegliedert gewesen. ferner habe die firma weder sozialversicherungsbeiträge noch (lohn-) steuern abgeführt. der kläger sei folglich als selbständiger alleinunternehmer anzusehen. eine freiwillige unternehmerversicherung habe vor dem unfall nicht bestanden. 9mit schreiben vom 06.08.2009 überreichte die produktionsfirma einen nicht datierten anderen vertrag, der zwischen ihr und dem kläger im hinblick auf die produktion des musikvideos abgeschlossen worden sei. dieser vertrag war als "anstellungsvertrag für filmschaffende" überschrieben. die zuständige mitarbeiterin führte hierzu aus, dass man den kläger zunächst unter vorbehalt als selbständig eingestuft habe, da er ein feststellungsverfahren bei der bfa habe einleiten wollen. da der kläger aber nach reiflicher überlegung eine befreiung als kameramann als wenig aussichtsreich eingeschätzt habe, sei ein neuer vertrag als angestelltes crew-mitglied notwendig geworden. nach dem wortlaut dieses vertrages sollte der kläger in dem zeitraum vom 15.05.2009 bis zum 22.05.2009 als "kameramann" tätig werden. 10seinen widerspruch vom 20.08.2009 gegen den bescheid der beklagten begründete der kläger damit, dass es wegen der schnelllebigkeit seiner branche durchaus üblich sei, arbeitsverträge erst nach der beendigung des arbeitsverhältnisses zu unterzeichnen. es sei einzig auf ein versehen zurückzuführen, dass ihm statt eines anstellungsvertrages als abhängig beschäftigter von der produktionsfirma ein werkvertrag zugesandt worden sei. er habe das angebot für den videodreh von seiner ansprechpartnerin, der zeugin s, geb. c, bekommen. diese habe mit ihm über die abrechnungsart gesprochen und ihm mitgeteilt, dass die firma bei einer rechnungsstellung eine bfa-befreiung brauche. dies sei - nach ansicht des klägers - ungewöhnlich gewesen, den meisten firmen habe der versicherungsnachweis der künstlersozialkasse, deren mitglied er sei, genügt. er habe sich deshalb mündlich bindend mit der zeugin s auf eine abrechnung auf lohnsteuerkarte und somit auf ein angestelltenverhältnis mit entsprechendem arbeitsvertrag geeinigt. den werkvertrag habe er nachträglich nur unterschrieben, da er zum einen aufgrund von sorgen um eine drohende querschnittslähmung und seine hochschwangere ehefrau abgelenkt gewesen sei und sich zudem aufgrund der einnahme hoher dosen an schmerzmitteln und morphium in einem geschäftsunfähigen zustand befunden habe. 11die beklagte wies den widerspruch mit widerspruchsbescheid vom 25.11.2009 zurück. sie hielt an ihrer auffassung fest, dass kein abhängiges beschäftigungsverhältnis bestanden habe und der kläger als selbstständiger kameramann für die produktionsfirma tätig gewesen sei. der erst später vorgelegte "anstellungsvertrag könne keine berücksichtigung finden. gegen den widerspruchsbescheid legte der kläger keinen rechtsbehelf ein. 12knapp zwei jahre nach erlass des widerspruchsbescheides, nämlich mit schreiben vom 01.09.2011, beantragte der kläger sodann gegenüber der beklagten, ihre entscheidung nach maßgabe von § 44 sgb x zu überprüfen und zurückzunehmen. zur begründung führte er aus, dass bei der seinerzeitigen entscheidung der beklagten wesentliche tatsachen und erkenntnisse nicht berücksichtigt worden seien. die beklagte habe die ausgestaltung des konkreten vertragsverhältnisses bei der statusbeurteilung verkannt. zudem sei der verwaltungsakt schon deshalb rechtswidrig, weil der einschlägige abgrenzungskatalog der spitzenorganisationen der sozialversicherung vom 13.04.2010 zum gesetz der förderung der selbstständigkeit, versicherungs-, beitrags-, und melderechte (im folgenden: abgrenzungskatalog) bei der entscheidung nicht berücksichtigt worden sei. nach ziffer 3.1 des abgrenzungskatalogs für den bereich theater, orchester, rundfunk- und fernsehanbieter, seien bei film- und fernsehproduktionen neben dem ständigen personal beschäftigte künstler und angehörige von verwandten berufen, die in der regel aufgrund von honorarverträgen tätig und im allgemeinen als freie mitarbeiter bezeichnet würden, grundsätzlich als abhängig beschäftigte anzusehen. das gelte nach dem wortlaut der vereinbarung "insbesondere, wenn sie nicht zu den programmgestaltenden mitarbeitern gehörten sowie für schauspieler, kameraleute, regieassistenten und sonstige mitarbeiter in der film- und fernsehproduktion". 13der kläger sei im rahmen der produktion "q" nicht überwiegend eigenschöpferisch tätig gewesen, so dass ein ausnahmesachverhalt bei der produktion nicht vorgelegen habe. ein solcher sei nur anzunehmen, wenn der kläger als eigenschöpferischer bildgestalter bzw. bildregisseur tätig geworden wäre. zudem sei zu berücksichtigen, dass in künstlerischer hinsicht der executive producer, sowie ein regisseur und ein oberbeleuchter tätig geworden seien, sodass der kläger sich darauf beschränkt habe, von dritten vorgegebene szenen und bilder innerhalb der vorgegebenen set-organisation auf anweisung herzustellen. zudem sei der kläger verpflichtet gewesen, sich aufgrund einer entsprechenden disposition zu bestimmten uhrzeiten am set einzufinden. die abgeschlossenen verträge könnten allenfalls eine indizwirkung haben, da sie erst nachträglich, d.h. nach abschluss der produktion und nach dem unfall abgeschlossen worden seien. des weiteren sei es für die statusbeurteilung des klägers irrelevant, ob er vorab bei anderen unternehmen in der regel selbstständig oder abhängig beschäftigt gewesen sei. 14mit bescheid vom 17.11.2011 lehnte die beklagte die rücknahme ihres ablehnenden bescheides nach § 44 sgb x ab. sie hielt an ihrer rechtsauffassung fest. ergänzend führte sie aus, dass der vom kläger angesprochene abgrenzungskatalog vorliegend nicht anwendbar sei, da die berufsgenossenschaft nicht im kreis der genannten spitzenorganisationen vertreten sei. zur überprüfung, ob der kläger zum unfallzeitpunkt in einem abhängigen beschäftigungsverhältnis gestanden habe, könne der katalog nicht herangezogen werden. 15gegen diesen bescheid legte der kläger am 14.12.2011 widerspruch ein. er vertrat die auffassung, dass der abgrenzungskatalog sehr wohl zu berücksichtigen sei. zwar entfalte er für die sozialgerichte keine bindungswirkung, allerdings fließe dessen bewertung regelmäßig in die gerichtliche betrachtung ein. da der kläger auch als selbstständiger kameramann tätig werde, sei zwischenzeitlich zwar der abschluss einer freiwilligen unternehmerversicherung unter dem datum vom 04.09.2009 auf anraten der beklagten erfolgt. im streitgegenständlichen fall habe es sich jedoch um ein abhängiges beschäftigungsverhältnis gehandelt. jedes beschäftigungsverhältnis sei separat daraufhin zu untersuchen, ob eine selbstständige oder eine abhängige beschäftigung vorliege. 16mit widerspruchsbescheid vom 24.04.2012 wies die beklagte den widerspruch des klägers zurück. selbst unter berücksichtigung des abgrenzungskataloges sei der kläger gemäß dessen ziffer 3.3 als "bildgestalter" einzuordnen und seine tätigkeit daher als selbständig zu bewerten. 17am 24.05.2012 hat der kläger klage erhoben und sein vorbringen aus dem verwaltungs- und widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. 18seinem vorbringen hat das sg den antrag entnommen, 19den bescheid der beklagten vom 17.11.2011 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 24.04.2012 sowie den bescheid vom 27.07.2009 in gestalt des widerspruchbescheids vom 25.11.2009 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem unfallereignis des klägers vom 22.05.2009 um einen arbeitsunfall im sinne der gesetzlichen unfallversicherung gehandelt hat, die beklagte zu verurteilen, ihm vom 22.05.2009 an verletztengeld und verletztenrente in höhe von mindestens 50 v.h. der vollrente zu zahlen. 20die beklagte hat beantragt, 21die klage abzuweisen. 22sie hat an ihrer rechtsauffassung festgehalten. 23das sg hat den kläger mündlich angehört und die zeugen s, geb. c, produzentin des musikvideos, n, seinerzeit für die produktion mit zuständiger geschäftsführer der firma a commercial, sowie n1, regisseur der streitgegenständlichen musikvideoproduktion, vernommen. wegen des inhaltes der einlassung des klägers und der aussagen der zeugen wird auf die niederschriften des erörterungstermins vom 29.05.2013 und des termins zur mündlichen verhandlung vom 10.04.2014 verwiesen. 24das sozialgericht (sg) hat die klage mit urteil vom 10.04.2014, dem kläger zugestellt am 28.04.2014, abgewiesen. weil sich der unfall des klägers nicht bei versicherter tätigkeit ereignet habe. auf die entscheidungsgründe des urteils vom 10.04.2014 wird im übrigen bezug genommen. 25mit seiner am 22.05.2014 bei dem landessozialgericht eingegangenen berufung trägt der kläger vor, aus der aussage der zeugin s ergebe sich, dass ursprünglich mündlich eine abrechnung über die steuerkarte vereinbart gewesen sei, wobei diese gestaltung nicht willkürlich gewählt, sondern im wissen um die abgrenzungsproblematik bei kameraleuten bewusst vorgenommen worden sei. er habe sich deshalb auf den bestehenden unfallversicherungsschutz verlassen dürfen und nicht mit einer abweichenden ex-post-beurteilung rechnen müssen. das sg habe zu seinen lasten ignoriert, dass ihm sämtliches arbeitsmaterial gestellt worden sei und dass er jederzeit dem weisungsrecht der produktion und des regisseurs unterlegen habe. der kläger habe jeweils die vorgaben des regisseurs technisch möglichst genau umsetzen müssen. da seine vergütung voll ausgezahlt worden sei, obwohl er den termin zur postproduktion nicht wahrgenommen habe, habe er sogar entgeltfortzahlung erhalten. er habe seine arbeitsleistung höchstpersönlich erbringen müssen und eine feste entlohnung erhalten. er verfüge über keine betriebsstätte und habe kein unternehmerrisiko getragen. er habe bei dem nach angaben des zeugen n1 "simplen" dreh keinen maßgeblichen einfluss auf die gestaltung des endprodukts gehabt. all dies spreche für eine abhängige beschäftigung. 26der klägerbevollmächtigte beantragt, 27das urteil des sozialgerichts köln vom 10.04.2014 zu ändern, den bescheid der beklagten vom 17.11.2011 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 24.04.2012 aufzuheben und die beklagte zu verurteilen, den bescheid vom 17.07.2009 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 25.11.2009 zurückzunehmen und das ereignis vom 22.05.2009 als arbeitsunfall anzuerkennen und dem kläger wegen der unfallfolgen verletztengeld und im anschluss daran verletztenrente nach einer mde von 50 vom hundert zu zahlen. 28die beklagte beantragt, 29die berufung zurückzuweisen 30ohne in der sache vertieft weiter vorzutragen. 31der senat hat den kläger zu den umständen der vertragsgestaltung und zu seinen aufgaben im rahmen der produktion " ..." ergänzend befragt. auf die niederschrift der mündlichen verhandlung vom 25.02.2015 wird insoweit verwiesen. 32wegen der einzelheiten des sach- und streitstands im übrigen wird auf den inhalt der beigezogenen akten der beklagten und der gerichtsakten bezug genommen, die gegenstand der mündlichen verhandlung gewesen sind und dem senat bei seiner entscheidung vorgelegen haben. 33 | 34die zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte berufung ist unbegründet. zu recht hat das sozialgericht die klage abgewiesen. der kläger ist durch den angefochtenen bescheid der beklagten vom 17.11.2011 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 24.04.2012, mit dem die beklagte die rücknahme des bescheides vom 17.07.2009 in der fassung des widerspruchsbescheides vom 25.11.2009 und die feststellung des geschehens vom 22.05.2009 als arbeitsunfall abgelehnt hat, nicht im sinne des § 54 abs. 2 des sozialgerichtsgesetzes (sgg) beschwert, denn die genannten bescheide sind rechtmäßig. 35der bescheid der beklagten vom 17.07.2009 in der fassung des widerspruchsbescheides vom 25.11.2009 ist bestandskräftig geworden, da der kläger innerhalb der gesetzlichen frist keinen rechtsbehelf eingelegt hat (§ 77 des sozialgerichtsgesetzes -sgg-). gemäß § 44 abs. 1 sgb x ist ein (bestandskräftiger) verwaltungsakt mit wirkung für die vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im einzelfall ergibt, dass bei erlass das recht unrichtig angewandt oder von einem sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb sozialleistungen zu unrecht nicht erbracht oder beiträge zu unrecht erhoben worden sind. 36dies ist hier nicht der fall. dem kläger sind aufgrund des bescheides vom 27.07.2009 in gestalt des widerspruchbescheids vom 25.11.2009 keine sozialleistungen zu unrecht versagt worden. vielmehr hat die beklagte zutreffend entschieden, dass der kläger zum unfallzeitpunkt am 22.05.2009 keinen arbeitsunfall erlitten hat, weil er nicht unter dem schutz der gesetzlichen unfallversicherung stand. 37nach § 8 abs. 1 satz 1 des siebten buches sozialgesetzbuch (sgb vii) sind arbeitsunfälle unfälle von versicherten infolge einer den versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 sgb vii begründenden tätigkeit (versicherte tätigkeit). zu den versicherten tätigkeiten zählt gemäß § 8 abs. 2 nr. 1 sgb vii auch das zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 und 6 sgb vii versicherten tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren weges nach und von dem ort der tätigkeit (sog. wegeunfail). unfälle sind nach § 8 abs. 1 satz 2 sgb vii zeitlich begrenzte, von außen auf den körper einwirkende ereignisse, die zu einem gesundheitsschaden oder zum tod führen. ein arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der verletzte durch eine verrichtung unmittelbar vor dem fraglichen unfallereignis den gesetzlichen tatbestand einer versicherten tätigkeit erfüllt hat und deshalb "versichert" ist. die verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den körper einwirkendes ereignis und dadurch einen gesundheitserstschaden oder den tod des versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (unfallkausalität und haftungsbegründende kausalität; vgl. bsg urteil v. 13.11.2012, b 2 u 19/11 r, sozr 4-2700 § 8 nr. 46; bsg, urteil v. 4.7.2013, b 2 u 12/12 r, sozr 4-2700 § 8 nr. 49). 38diese voraussetzungen liegen hier nicht vor. die hier allein als versicherte tätigkeit in betracht kommende motorradfahrt am 22.05.2009 hing insoweit mit der tätigkeit des klägers zusammen, als sie dem zurücklegen des unmittelbaren weges nach dem ort dieser tätigkeit - am 22.05.2009 war dies der ort der postproduktion in l - diente. sie verursachte objektiv und rechtlich wesentlich den motorradunfall und die darauf zurückzuführenden verletzungen des klägers. versichert i.s. von § 8 abs. 2 nr. 1 sgb vii war dieser weg jedoch nicht, denn er hing nicht mit einer nach §§ 2, 3 oder 6 sgb vii versicherten tätigkeit, insbesondere nicht mit einer - hier allein als versicherungstatbestand in betracht kommenden - abhängigen beschäftigung des klägers (§ 2 abs. 1 nr. 1 sgb vii), zusammen. der kläger hat unmittelbar vor dem unfall keine versicherte tätigkeit als beschäftigter verrichtet. seine tätigkeit als kameramann im rahmen der musikvideoproduktion q " ...", der die motorradfahrt diente, stellte keine abhängige beschäftigung im unfallversicherungsrechtlichen sinne dar. 39versichert nach § 2 abs. 1 nr. 1 sgb vii sind (abhängig) beschäftigte. beurteilungsmaßstab für eine abhängige beschäftigung ist § 7 abs. 1 viertes buch sozialgesetzbuch (sgb iv), der für sämtliche bereiche der sozialversicherung gilt. danach ist beschäftigung die nicht selbständige arbeit, insbesondere in einem arbeitsverhältnis. eine nach § 2 abs. 1 nr. 1 sgb vii versicherte tätigkeit als beschäftigter wird verrichtet, wenn der verletzte zur erfüllung eines von ihm begründeten rechts- und damit beschäftigungsverhältnisses, insbesondere eines arbeitsverhältnisses eine eigene tätigkeit in eingliederung in das unternehmen eines anderen (vgl. § 7 abs. 1 sgb iv) zu dem zweck verrichtet, dass die ergebnisse seiner verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum vorteil oder nachteil gereichen (bsg, urteil v. 14.11.2013, b 2 u 15/12 r, sozr 4-2700 § 2 nr. 27; vgl. § 136 abs. 3 nr. 1 sgb vii). 40nach der ständigen rechtsprechung des bsg erfordert eine beschäftigung i.s.v. § 7 abs. 4 sgb iv, in abgrenzung zu einer selbständigen tätigkeit, dass der arbeitnehmer vom arbeitgeber persönlich abhängig ist. bei einer beschäftigung in einem fremden betrieb ist dies der fall, wenn der beschäftigte in den betrieb eingegliedert ist und er dabei einem zeit, dauer, ort und art der ausführung umfassenden weisungsrecht des arbeitgebers unterliegt. demgegenüber ist eine selbständige tätigkeit vornehmlich durch das eigene unternehmerrisiko, das vorhandensein einer eigenen betriebsstätte, die verfügungsmöglichkeit über die eigene arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete tätigkeit und arbeitszeit gekennzeichnet. ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten umständen nach dem gesamtbild der arbeitsleistung und hängt davon ab, welche merkmale überwiegen (st. rspr.; vgl. zum ganzen z.b. bsg urteil v. 25.04.2012, b 12 kr 24/10 r, juris rn. 16 mwn; urteil v. 11.03.2009, b 12 kr 21/07 r, juris rn. 15 mwn; urteil v. 18.12.2001, b 12 kr 10/01 r, juris rn. 12; zur verfassungsmäßigen bestimmtheit der vorschrift des § 7 sgb iv vgl. bverfg beschluss v. 20.05.1996, 1 bvr 21/96, juris rn. 6 f.). dabei kommt es auf die jeweilige einzelne tätigkeit, nicht auf das gesamtbild aus mehreren aufeinander folgenden tätigkeiten an (vgl. bsg, urteil v. 25.04.2012, b 12 kr 24/10 r, sozr 4-2400 § 7 nr. 15; lsg nrw, urteil v. 28.03.2012, l 8 r 156/09, juris). 41maßgeblich für die beurteilung, ob ein beschäftigungsverhältnis vorliegt, ist das vertragsverhältnis der beteiligten, so wie es im rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. ausgangspunkt ist daher zunächst das vertragsverhältnis der beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten beziehung erschließen lässt. eine im widerspruch zu ursprünglich getroffenen vereinbarungen stehende tatsächliche beziehung und die hieraus gezogene schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte natur der rechtsbeziehung gehen der nur formellen vereinbarung vor, soweit eine - formlose - abbedingung rechtlich möglich ist. in diesem sinne gilt, dass die tatsächlichen verhältnisse den ausschlag geben, wenn sie von vereinbarungen abweichen. eine bestimmte art der vertragsgestaltung genießt keinen bestandsschutz, wenn sie den tatsächlichen verhältnissen widerspricht. maßgeblich ist die rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (bsg urteil v. 28.05.2008, b 12 kr 13/07 r, juris rn. 17). 42ausgehend von diesen grundsätzen ist die vom kläger im zeitpunkt des unfallereignisses am 22.05.2009 ausgeübte tätigkeit als selbständige anzusehen. die bewertung und gewichtung der relevanten abgrenzungsmerkmale zeigt, dass das vertragsverhältnis in seinen wesentlichen aspekten dem eines selbständigen entspricht. 43nach dem ergebnis der beweisaufnahme haben die produktionsfirma und der kläger vor dem unfall des klägers keine ausdrücklichen mündlichen vereinbarungen getroffen. die zeugin s, mit der der kläger, wie er schon erstinstanzlich vorgetragen hat, mündlich einen anstellungsvertrag vereinbart haben will, hat dies in ihrer vernehmung nicht bestätigt. dort hat sie nur das übliche vorgehen in den fällen geschildert, in denen der mitarbeiter keine "bfa-befreiung" vorlegt (gemeint ist damit wohl die häufig als "bfa-befreiung" bezeichnete bescheinigung der deutschen rentenversicherung -drv- bund über eine befreiung von der versicherungspflicht für selbständige mit nur einem auftraggeber, vgl. § 6 abs. 1a sgb vi). unabhängig davon, ob diese bescheinigung im falle des klägers, der für wechselnde auftraggeber arbeitete, überhaupt einschlägig war, hat die zeugin aber in ihrer aussage jedenfalls deutlich gemacht, dass vertragsangelegenheiten in personalsachen gerade nicht zu ihren aufgaben gehörten, sondern über die herstellungsleitung der produktionsfirma liefen, von der auch die vorgaben für die vertragsgestaltung kamen. 44auch eine schriftliche niederlegung wesentlicher vertragsgrundsätze hat vor dem unfall des klägers nicht stattgefunden. die aktenkundigen schriftlichen unterlagen - sämtlich aus der zeit nach dem unfall - legen eher ein werkvertragsverhältnis nahe. die zeugin s hat zwar bekundet, dass seitens der herstellungsleitung der produktionsfirma ohne vorlage einer bfa-befreiung grundsätzlich immer eine entlohnung "auf lohnsteuerkarte" vorgegeben worden sei. dass dies hier so gehandhabt wurde, sieht der senat aber nicht als erwiesen an. dem steht entgegen, dass die vertragspartner noch am 22.06.2009 - einen monat nach dem unfall und ohne vorlage einer bfa-befreiung - eine als "werkvertrag" überschriebene vereinbarung unterzeichnet haben, in der dem kläger die tätigkeit als "bildgestalter" für die produktion " ..." retrospektiv für die zeit vom 15.05. bis 22.05.2009 übertragen wird. darin ist hervorgehoben, dass der kläger in der künstlerischen gestaltung seines schaffens frei sei und nur die organisatorischen vorgaben der produktion zu beachten habe. der kläger sei weder weisungsgebunden, noch werde er in die betriebliche organisation der produktionsfirma eingebunden. die zahlung des honorars war an die werkabnahme gebunden. der vereinbarten pauschalen vergütung von 2.200 eur war die mehrwertsteuer hinzuzurechnen; sie schloss die übertragung aller rechte "auf total buy-out basis" ein. dass - anders als es der kläger darstellt - diese nachträglich schriftlich fixierte vereinbarung vom grundsatz her (also bzgl. ihres werkvertragscharakters) dem tatsächlichen willen der vertragsparteien entsprach, wird durch die zeitnah nach dem unfall am 26.05.2009 vom kläger der produktionsfirma gestellte rechnung bestätigt. denn der kläger hat der produktionsfirma für seine tätigkeit "bildgestaltung des musikvideos ..." (produktionszeitraum 06.04. bis 25.05.2009) eine rechnung über 2.200 eur zzgl. mehrwertsteuer gestellt (zum abweichenden beginn des zeitraums hat der kläger einen möglichen irrtum eingeräumt, das im vertrag frühere ende entspricht dem unfalltag), die nach seinen angaben auch bezahlt worden ist. dieses verfahren der vertragsgestaltung und rechnungslegung ist in sich konsistent und logisch abgelaufen, der schriftverkehr mit der produktionsfirma lässt keine beeinträchtigung der zurechnungsfähigkeit des klägers, für die keinerlei beleg angeboten wurde, erkennen. dass die produktionsfirma ausweislich ihrer entgeltbescheinigung für die beklagte vom 22.07.2009 zu diesem späteren zeitpunkt - nunmehr zwei monate nach dem unfall - den "tätigkeitsstatus des herrn d auf selbständig oder nicht selbständig" nach ihren angaben noch nicht abschließend geklärt hatte, so dass sein arbeitsentgelt noch nicht mitgeteilt werden konnte, und dass dann nochmals später ein geänderter anstellungsvertrag für filmschaffende" präsentiert wurde, der nicht datiert ist, aber am 06.08.2009 als "der neue vertrag von d" bezeichnet wurde, ist vor diesem hintergrund nicht überzeugend. nach dem begleitschreiben der produktionsfirma wurde der vertrag geändert, weil der kläger "nach reiflicher überlegung" - also offenbar nach eigener einschätzung - eine bfa-befreiung als wenig aussichtsreich eingestuft habe. dann ist aber zum einen nicht nachvollziehbar, warum er zunächst (zeitnah) eine rechnung mit mehrwertsteuerausweis gestellt hat. zum anderen war von der beklagten zwischenzeitlich mit bescheid vom 27.07.2009 die anerkennung eines arbeitsunfalles mit dem argument versagt worden, der kläger sei unversicherter selbständiger, so dass auch dieser umstand als motivation für den einschätzungswandel in betracht kommt. schließlich ist dieser auch deshalb wenig glaubhaft, weil gegenüber allen weiteren auftraggebern des klägers, soweit dieser abrechnungen vorgelegt hat (8 weitere rechnungen und 3 verdienstausfallbescheinigungen), immer rechnungen mit mehrwertsteuerausweis erteilt worden waren. 45anders als das sozialgericht meint, weist deshalb die vertragliche gestaltung eher auf eine selbständige tätigkeit hin. zutreffend wertet allerdings das sg die indizwirkung der vertragsgestaltung hier geringer, weil die vertragspartner sich möglicherweise nicht an den realen umständen der leistungserbringung, sondern an einer finanziell günstigen und nach außen hin möglichst beanstandungsfreien vertragsgestaltung orientiert haben. 46auch die tatsächlichen verhältnisse stützen jedoch die annahme eines werkvertrages. sie stellen sich, wie der senat den angaben des klägers selbst und den aussagen der zeugen s, n und n1 entnimmt, wie folgt dar: die auswahl des klägers als kameramann erfolgte nach den angaben der zeugen s und n1 aufgrund bereits vorhandener erfahrungen aus gemeinsamer zusammenarbeit, wobei - wie sich insbesondere aus den aussagen der zeugen s und n ergibt - der kameramann von seiner künstlerischen ausrichtung her zum konzept des regisseurs passen musste, um diskussionen über die vorgehensweise und meinungsverschiedenheiten zu vermeiden. aufgaben des klägers in der videoproduktion waren folgende: 47das konzept für die produktion hatte der regisseur bereits erstellt. mitspracherechte im sinne von entscheidungsbefugnis hatten insoweit nur der auftraggeber (hier der musiker q), der regisseur und der produzent, letzterer allerdings nicht bezogen auf die art der künstlerischen gestaltung, sondern auf die rahmenbedingungen und insbesondere die einhaltung des budgets, wie insbesondere die aussage der zeugin s verdeutlicht. der herstellungsprozess selbst war eine teamarbeit, in der neben dem regisseur der kameramann von besonderer bedeutung war. der kameramann wurde nach seiner meinung gefragt, er hatte immer auch einen kreativen einfluss auf die umsetzung. es gab, wie der zeuge n bekundet hat, grundsätzlich keine weisungsgebundenheit zwischen regie und kamera, sondern eine stetige kreative abstimmung. der zeuge n hat insoweit plakativ formuliert: "der eine kann ohne den anderen nichts machen". der kläger bereicherte die produktion mit eigenen ideen, was auch von ihm erwartet wurde. nach eigenen angaben des klägers würde der regisseur ihn sonst auch nicht mehr buchen. bildgestalterische aspekte (brennweite, kamerastandpunkt, tempo der kamerafahrt etc.) wurden gemeinsam besprochen, hierfür brauchte der kameramann, wie der zeuge n1 formuliert hat, einen kreativen zugang zum bild; das letztentscheidungsrecht lag insoweit beim regisseur. 48vor dem dreh haben der regisseur und der kläger gemeinsam mögliche drehorte besichtigt. bei der auswahl des drehorts hat der kläger eine beratende funktion hinsichtlich der technischen voraussetzungen und der eignung des drehortes für die geplanten aufnahmen gehabt. der kläger war verantwortlich für die umsetzung und die technische vorbereitung. hierzu hatte er - nach eigenen angaben eigenständig und in eigenen räumlichkeiten - listen mit dem benötigten equipment für ton, licht und bild und im konkreten fall für eine kamerarundfahrt zu erstellen. eigenes equipment brachte er nicht ein, es wurde alles nach seinen vorgaben seitens der produktionsfirma ausgeliehen und zur verfügung gestellt. die aufstellung erfolgte seitens der produktionsfirma nach den anweisungen des kameramannes und des oberbeleuchters. danach fand der eigentliche dreh statt, in schwarz-weiß und auf analogem material. sowohl hinsichtlich der technischen voraussetzungen, als auch hinsichtlich der technischen und bildlichen umsetzung des konzepts verfügte nach angaben des zeugen n1 allein der kläger über das notwendige fachwissen, so dass evtl. änderungswünsche der regie erst anhand des bildes am monitor geäußert werden konnten. schließlich hatte er am unfalltag bei der postproduktion mitzuwirken, wobei seine aufgabe darin bestanden hätte, für bestimmte, das kamerafach und die nachbearbeitung betreffende technische rückfragen zur verfügung zu stehen. 49ausgehend von diesem sachverhalt war der kläger nicht in den betrieb der produktionsfirma eingegliedert. eine selbständige tätigkeit im rechtssinne setzt nicht voraus, dass diese frei von jeglichen bindungen wäre. auch selbständige sind in ihren handlungsmöglichkeiten begrenzt, allerdings nicht durch einzelanordnungen, sondern durch regeln oder normen, die die grenzen ihrer handlungsfreiheit mehr in generell-abstrakter weise umschreiben (lsg baden-württemberg, urteil v. 23.11.2011, l 5 r 5703/09, juris rn. 69 m.w.n.). sicher musste der kläger die terminlichen vorgaben der produktion beachten. er unterlag aber nur hinsichtlich der gemeinsamen termine des teams (drehortbesichtigung, drehtag, postproduktion) deren zeit und ort der ausführung umfassendem weisungsrecht. der kläger arbeitete nicht ausschließlich in den von der klägerin zur verfügung gestellten räumlichkeiten, sondern nur am drehtag und während der postproduktion. die auswahl des drehortes erfolgte in absprache mit dem kläger aufgrund des ergebnisses verschiedener ortsbesichtigungen. die vorbereitenden arbeiten (z.b. materiallisten) hatte der kläger eigenverantwortlich, bei eigener zeiteinteilung und außerhalb der produktionsstätten in eigenen räumen zu erledigen. demnach ist der einwand des klägers, er sei nur in fremden betriebsstätten tätig geworden, unzutreffend. 50hinsichtlich der art der ausführung des drehs war ein weisungsrecht aufgrund der allein bei ihm vorhandenen fachkenntnisse ausgeschlossen und wurde nach angaben des zeugen n auch nicht wahrgenommen (hierin liegt ein wesentlicher unterschied zu bsg, urteil v. 20.03.2013, b 12 r 13/10 r, sozr 4-2400 § 7 nr. 19, rn. 21 zitiert nach juris). dass nach angaben des zeugen n1 (bestätigt durch den zeugen n) das letztentscheidungsrecht bei ihm gelegen hätte, der kläger also im zweifel bei abweichenden vorstellungen des regisseurs eine szene hätte verwerfen und neu anbieten müssen, steht dem nicht entgegen. es ist schon nicht belegt, dass ein solches letztentscheidungsrecht ausgeübt wurde. jedenfalls können aber die gestalterischen vorgaben des regisseurs nicht als einzelanweisungen gesehen werden, weil sie aus sicht der kameraführung stets konstruktiv kritisch überdacht werden müssen, wobei die konkrete art und weise der kameraführung allein in der fachlichen kompetenz des klägers lag (vgl. ebenso landessozialgericht baden-württemberg, urteil v. 23.11.2011, l 5 r 5703/09, juris rn. 71) im vordergrund stand jedenfalls, wie sich aus der aussage des zeugen n ergibt, die konsensuale absprache im team. die auswahl eines kameramannes erfolgte gerade deshalb nach den angaben der zeugen n und s auch immer unter dem gesichtspunkt, ob er von seinen künstlerischen auffassungen in das team passt, so dass eine zusammenarbeit im team ohne künstlerische oder zu budgetüberschreitungen führende meinungsverschiedenheiten ermöglicht wird. 51der vom sg und den beteiligten besonders herausgestellte grad der eigenständigkeit der erbrachten künstlerischen leistung ist für die beurteilung, ob der kläger als bildgestalter oder kameramann selbständig oder abhängig tätig war, nicht grundsätzlich ausschlaggebend. im vordergrund der beurteilung haben die oben dargestellten grundsätze der rechtsprechung für eine differenzierung zwischen selbständiger tätigkeit und abhängiger beschäftigung zu stehen. maßstab hierfür ist nicht, ob eine eigenschöpferische leistung erbracht wird, sondern der grad der einbindung in ein fremdes unternehmen und das getragene unternehmerrisiko. ein besonders hoher grad künstlerischer eigenständigkeit mag dabei ein indiz dafür sein, dass eine künstlerpersönlichkeit weisungen nicht zugänglich und damit eher als selbständig einzustufen ist. selbstverständlich kann aber auch bei einem selbständigen kameramann ein künstlerisch völlig belangloses werk in auftrag gegeben werden, ohne dass er hierdurch zu einem abhängig beschäftigten wird. insoweit kann der von den spitzenverbänden der versicherungsträger (ohne beteiligung der berufsgenossenschaften) erarbeitete abgrenzungskatalog für im bereich theater, orchester, rundfunk- und fernsehanbieter, film- und fernsehproduktionen (künstlerisch und publizistisch) tätige personen für die sozialgerichte allenfalls beurteilungshilfen enthalten, bindet die gerichte bei der gesamtwürdigung im einzelfall aber nicht (bsg, urteil vom 20.03.2013, b 12 r 13/10 r, sozr 4-2400 § 7 nr. 19, rn. 20 zitiert nach juris), zumal auch nach dem abgrenzungskatalog besondere verhältnisse des einzelfalles jeweils eine abweichende bewertung gebieten können (ziff. 3.6; 3.7). der abgrenzungskatalog sieht in ziff. 3.1 für tätigkeiten bei u.a. filmproduktionen (ziffer 3) vor, dass neben dem ständigen personal auf honorarbasis beschäftigte künstler und angehörige von verwandten berufen, die im allgemeinen als freie mitarbeiter bezeichnet werden, grundsätzlich als abhängig beschäftigte anzusehen seien. das gelte u.a. insbesondere für schauspieler, kameraleute, sprecher u.a. in der film- und fernsehproduktion. jedoch seien im einzelnen genannte gruppen freier mitarbeiter, darunter bildgestalter (wenn der eigenschöpferische anteil der leistung überwiegt) und fotografen, selbständig tätig, wenn sie für produktionen einzelvertraglich verpflichtet werden. dabei sei es unerheblich, ob sie wiederholt für ähnliche produktionen herangezogen würden, soweit nicht - etwa für sendereihen - ständige dienstbereitschaft erwartet werde. die selbständigkeit werde nicht schon durch die abhängigkeit vom technischen apparat der sendeanstalt und die einbindung in das produktionsteam ausgeschlossen (ziff. 3.2 abs.2). 52diese einschätzung der spitzenverbände basiert offenbar auf der auch nach ansicht des senats zutreffenden erkenntnis, dass gegenüber dem freien mitarbeiter ein weisungsrecht umso weniger greifen kann, je mehr der mitarbeiter künstlerisch-schöpferisch so eigenständig tätig bzw. so speziell fachkundig ist, dass er detaillierten handlungsanweisungen nicht mehr zugänglich ist. dies kommt auch in den gerichtlichen entscheidungen zu vergleichbaren sachverhalten (vgl. einerseits z.b. lsg nrw, urteil v. 28.03.2012, l 8 r 156/09, juris rn. 38; andererseits lsg baden-württemberg, urteil v. 23.11.2011, l 5 r 5703/09, juris rn. 70/71) zum ausdruck, in denen z.b. kameraleute oder schauspieler, die als "einer unter vielen" arbeitsteilig in vorgegebene produktionsprozesse eingegliedert sind, auch während kurzer engagements als abhängig beschäftigte angesehen werden, während solisten oder einzelkünstler, die durch ihre individuelle künstlerische befähigung und aussagekraft inhaltlich bestimmend wirken, selbständige sein können. 53bei der hier zu bewertenden kleinen produktion war die bedeutung der wenigen teammitglieder allein der geringen größe des teams wegen herausgehobener als z.b. bei bühnenkünstlern innerhalb einer großen theaterproduktion (vgl. zu einer solchen bsg, urteil vom 20.03.2013, b 12 r 13/10 r, sozr 4-2400 § 7 nr. 19). der kläger war eines der beiden teammitglieder, das eigene kreative ideen beisteuern und umsetzen konnte, wenn auch nur in abstimmung mit dem ggfs. letztentscheidungsbefugten regisseur. aufgrund seiner ausbildung und fachkunde war er allein in der lage, das nur als "moodboard" (vgl. bei http://de.wikipedia.org/wiki/moodboard) vorliegende konzept des zeugen n1 wirkungsvoll in bewegte bilder umzusetzen. er hatte erheblichen einfluss auf das endergebnis; dies folgert der senat aus der aussage des zeugen n, der den anteil des klägers fast gleichrangig neben den des regisseurs setzt, auch wenn der zeuge n1 als regisseur diesen anteil naheliegender weise geringer und seinen eigenen höher einschätzt. selbst nach der zurückhaltenderen einschätzung meimbergs wurden aber "im vorfeld vorstellungen ausgetauscht", hatte der kameramann "nicht etwa ein vorgegebenes bild einfach abzupausen", sondern brauchte einen eigenen "kreativen zugang zum bild". zwar hatte der kläger damit nicht die gleiche künstlerisch herausragende stellung wie etwa ein stargast in einem konzert. andererseits war der freiraum des klägers und vor allem sein einfluss auf das endprodukt aber deutlich größer, als in dem o.g. "bühnenkünstler-fall" (bsg, urteil v. 20.03.2013, b 12 r 13/10 r, sozr 4-2400 § 7 nr. 19, rn. 21 zitiert nach juris), in dem das bundessozialgericht aufgrund der dort anders gelagerten tatsächlichen gegebenheiten eine abhängige beschäftigung für einen fall bejaht hat, in dem zwar das weisungsrecht des arbeitgebers (dort: des theaters) wegen der (letztlich) künstlerischen (schöpferisch-gestaltenden) tätigkeit "verfeinert" gewesen, jedoch wegen der notwendigkeit des zusammenwirkens in einem größeren ensemble (also mit anderem künstlerischem personal im dienste einer einheitlichen und stimmigen künstlerischen aussage) über die festlegung (lediglich) gewisser "eckpunkte" der aufführungen wie deren beginn und ende sowie den "groben" inhalt der (künstlerischen) tätigkeit als sänger, balletttänzer bzw. schauspieler hinausgegangen sei. 54liegt schon deshalb hier ein abhängiges beschäftigungsverhältnis des klägers nicht vor, wird das ergebnis zusätzlich durch die notwendigen kontrollüberlegungen zur frage einer evtl. bestehenden selbständigkeit gestützt. eine selbständige tätigkeit ist vornehmlich durch das eigene unternehmerrisiko, das vorhandensein einer eigenen betriebsstätte, die verfügungsmöglichkeit über die eigene arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete tätigkeit und arbeitszeit gekennzeichnet. 55eine eigene betriebsstätte ist bei dem kläger, der seine arbeiten - soweit er sich nicht produktionsbedingt an tatsächlichen oder potentiellen drehorten aufzuhalten hatte - im wesentlichen frei gestaltet von zu hause aus erbracht hat, durchaus vorhanden. maßgebliches kriterium für das vorliegen eines unternehmerischen risikos ist nach der ständigen rechtsprechung des bsg (vgl. z.b. urteil v. 28.05.2008, b 12 kr 13/07 r, juris rn. 27), ob eigenes kapital oder die eigene arbeitskraft auch mit der gefahr des verlustes eingesetzt werden, der erfolg des einsatzes der sächlichen oder persönlichen mittel also ungewiss ist. wie oben dargelegt, wertet der senat den mit der produktionsfirma geschlossenen vertag angesichts der tatsächlichen bedingungen, unter denen der kläger seine leistungen zu erbringen hatte als werkvertrag, auch wenn er hier schriftlich erst nach dem unfall abgefasst wurde. daraus folgt zugleich, dass der kläger die eigene arbeitskraft mit der gefahr des verlustes eingesetzt hat, denn die honorarzahlung war an die abnahme des werkes gebunden (§ 640 bgb; vgl. auch lsg hamburg, urteil v. 09.01.2008, l 1 r 225/06, www.sozialgerichtsbarkeit.de). dem steht nicht entgegen, dass gerade der auftraggeber q später einmal ein anderes video nicht abgenommen hat und dass der kläger für diesen späteren dreh dann trotzdem bezahlt wurde, wie er in der mündlichen verhandlung vor dem senat angegeben hat. der musiker steht in einem vertragsverhältnis mit der produktionsfirma, die ihm gegenüber eine abnahmefähige leistung zu erbringen hat. der kläger hingegen hat keinen vertrag mit dem musiker, sondern ebenfalls mit der produktionsfirma, die ihn demgemäß auch dann für eine vertragsgemäße leistung zu bezahlen hat, wenn sie ihrerseits für die produktion keinen erlös erzielt. beim kläger wird sich eine schlechtleistung typischerweise nicht in einem ausfall des honorars, sondern darin niederschlagen, dass er solange nachdrehen muss, bis sein werk abgenommen wird und dadurch seine arbeitskraft in dieser zeit nicht anderweitig gewinnbringend einsetzen kann. das wird auch daran deutlich, dass umgekehrt das honorar für die hier streitgegenständliche produktion trotz des unfallbedingten ausfalles des klägers am letzten produktionstag vollständig ausgezahlt wurde. dies kann mangels entsprechender vereinbarung nicht, wie der kläger meint, im sinne einer entgeltfortzahlung im krankheitsfall und damit als hinweis auf eine abhängige beschäftigung verstanden werden, sondern lässt im gegenteil erkennen, dass der zahlungsanspruch des klägers nur von der fertigstellung des werks abhängig war. denn der kläger wurde eben nicht nach aufwand oder anwesenheit, sondern pauschal bezahlt. die in den worten des klägers "feste entlohnung" ist deshalb kein hinweis auf einen arbeitsvertrag. sie entspricht eher dem gebaren eines selbständigen unternehmers, der nach festpreisvereinbarung tätig wird. 56das demnach bestehende unternehmerische risiko ist nur dann ein hinweis auf eine selbständige tätigkeit, wenn diesem risiko auch größere freiheiten in der gestaltung und der bestimmung des umfangs beim einsatz der eigenen arbeitskraft gegenüberstehen (bsg, urteil vom 25. april 2012 - b 12 kr 24/10 r -, sozr 4-2400 § 7 nr. 15, juris rn. 29). dies ist hier der fall, denn insoweit unterlag der kläger nur vorgaben, soweit gemeinsame team-termine anstanden. 57die kostenentscheidung folgt aus § 193 sgg. zwar ist nach § 183 sgg (soweit hier einschlägig) das sozialgerichtliche verfahren nur für versicherte kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen eigenschaft als kläger oder beklagte beteiligt sind. der kläger, wie sich herausgestellt hat, nicht versichert, steht einem versicherten aber kostenrechtlich gleich, weil er im falle seines obsiegens versicherter gewesen wäre (§ 183 satz 3 sgg). 58gründe für die zulassung der revision (§ 160 abs. 2 sgg) lagen nicht vor. | Verklagte*r | 0 |
165,246 | 10 K 420/13 E | 2015-05-26T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Einkommensteuerbescheide 2006, 2007 und 2008 vom 20. August 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 9. Januar 2013 werden insoweit abgeändert, dass die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft von bisher ./. 6.205 Euro (2006), 22.437 Euro (2007) und 40.141 Euro (2008) auf die Beträge herabgesetzt werden, die sich abweichend von Anlage 8 des Betriebsprüfungsberichts vom 13. Juni 2012 bei Ansatz von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft von ./. 3.614,86 Euro für das Wirtschaftsjahr 2006/2007, von ./. 6.478,62 Euro für das Wirtschaftsjahr 2007/2008 und von ./. 21.078,82 Euro für das Wirtschaftsjahr 2008/2009 ergeben. Die Steuerberechnung wird auf den Beklagten übertragen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 28 v.H. und der Beklagte zu 72 v.H. 1Tatbestand: 2Streitig ist, ob und in welcher Höhe der Kläger 2006 bis 2008 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt hat. 3Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger gründete 1974 auf dem Bauernhof seiner Schwiegereltern einen Pferdezuchtbetrieb. Seit dem Wirtschaftsjahr 1999/2000 ermittelte er seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung und erweiterte seinen Betrieb mit dem Halten von Pensionstieren. Nach Veräußerung der bisherigen vom Kläger für seinen Betrieb genutzten Ländereien im Jahr 1999 nutzt der Kläger inzwischen pachtweise im Eigentum seiner Ehefrau stehende Ländereien. Diese hat er teilweise mit Stallungen und sonstigen Anlagen (Boxen, Reithalle) für seinen Betrieb bebaut. 4Wegen Nichtabgabe von Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre schätzte das Finanzamt A als Organisationsvorgänger des Beklagten mit Steuerbescheiden vom 26. November 2008 (Einkommensteuer 2006) und vom 7. Juni 2010 (Einkommensteuer 2007 und 2008) die Besteuerungsgrundlagen und erließ unter dem Vorbehalt der Nachprüfung entsprechende Einkommensteuerbescheide. Das Finanzamt A änderte nach Abgabe der Einkommensteuererklärungen mit Bescheiden vom 19. August 2010 die Einkommensteuerbescheide für 2006 und 2007 und mit Bescheid vom 30. August 2010 den Einkommensteuerbescheid für 2008. Den weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheiden lagen erklärte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft von ./. 26.593 Euro für 2006, von ./. 24.271 Euro für 2007 und von ./. 31.347 Euro für 2008 zugrunde. Mit Prüfungsanordnung vom 10. November 2010 ordnete das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung B eine steuerliche Außenprüfung beim Kläger für die Streitjahre an. Im Bericht vom 13. Juni 2012 gelangte die Prüferin u. a. zu der Feststellung, dass der landwirtschaftliche Betrieb des Klägers kein einheitlicher Betrieb sei, sondern aus den Betriebsteilen Pferdepension und Pferdezucht bestünde. Letzterer stelle wegen der dauernden Verluste einen nicht steuerrelevanten Liebhabereibetrieb dar. Die Prüferin ermittelte die Einnahmen und Ausgaben abweichend von den abgegebenen Jahresabschlüssen des Klägers unter Hinzuschätzung weiterer Einnahmen und teilweiser Verweigerung des Betriebsausgabenabzugs neu und teilte sie auf die beiden Betriebsteile auf. Für die Pferdezucht ließ sie von ihr ermittelte Einkünfte von ./. 19.500 Euro (2006), von ./. 32.441 Euro (2007) und von ./. 56.803 Euro (2008) unberücksichtigt. In den Änderungsbescheiden vom 20. August 2012 wurden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft von ./. 6.205 Euro (2006), von 22.437 Euro (2007) und von 40.141 Euro (2008) berücksichtigt. Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 9. Januar 2013). 5Mit der Klage tragen die Kläger vor: 6Der Betrieb am jetzigen Standort C habe nur errichtet werden können, weil der Kläger auch eine Pferdezucht betreibe. Andernfalls hätte er dort keine Baugenehmigung bekommen und keine Pensionstierhaltung betreiben können. Der Kläger sei mehrfach mit Preisen für seine Pferdezucht ausgezeichnet worden. Außerdem sei der Betrieb als Ausbildungsbetrieb für den Beruf des Pferdefachwirts anerkannt. Für die rechtliche Würdigung gelte, dass sich beide Tätigkeiten, Pferdezucht und Pensionstierhaltung, bedingten und die verlustbringende Tätigkeit der Pferdezucht die andere Tätigkeit maßgeblich fördere, sodass eine steuerrechtliche Segmentierung gemäß Textziffer (Tz.) 2.2.5 des Betriebsprüfungsberichts unterbleiben müsse. Im Betrieb seien bei den Gebäuden mindestens stille Reserven von mehr als 2 Mio. Euro enthalten zzgl. des Pferdebestands. Damit ergebe sich für den einheitlichen landwirtschaftlichen Betrieb ein Totalgewinn. Der Kläger habe durch einen im Wirtschaftsjahr 1999/2000 im Bereich Pferdezucht erzielten Veräußerungsgewinn i. H. v. 390.000 DM bewiesen, dass der Pferdezuchtbetrieb mit Gewinnabsicht, nicht als Liebhaberei betrieben werde. 7Soweit der Beklagte gemäß Tz. 2.2.4 des Betriebsprüfungsberichts die Aufzeichnungen des Klägers verworfen und nicht der Besteuerung zugrunde gelegt habe, sei dies rechtswidrig. Der Kläger sei aufgrund der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht buchführungspflichtig. Die geführten Aufzeichnungen seien klar und übersichtlich. Der Beklagte sei nicht zur Zuschätzung nach § 162 der Abgabenordnung (AO) berechtigt. Ein Zusammenhang von Reisekostenerstattungen, die der Kläger für seine berufliche Tätigkeit gemäß § 19 EStG erhalten habe, mit seinen Einkünften nach § 13 EStG sei nicht ersichtlich. Sie seien daher nicht dem Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft hinzuzurechnen. 8Die Kläger beantragen, 9 die Einkommensteuerbescheide 2006, 2007 und 2008 vom 20. August 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 9. Januar 2013 aufzuheben. 10Der Beklagte beantragt, 11 die Klage abzuweisen. 12Er trägt vor: 13Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei bei verschiedenen wirtschaftlich eigenständigen Betätigungen die Gewinnerzielungsabsicht nicht einheitlich für die gesamte Tätigkeit, sondern gesondert für die jeweilige Betätigung zu prüfen. Die verlustbringende Pferdezucht und die gewinnbringende Pensionstierhaltung bedingten sich nicht gegenseitig. Die Pensionstiere würden nicht ausschließlich zum Zweck der Zucht gehalten. Die Pensionstierhaltung sei ein landwirtschaftlicher Betrieb, für den eigenständig eine Baugenehmigung für den Außenbereich hätte erteilt werden können. Wenn im Bestand nur zwei Zuchtpferde ausgewiesen worden seien, spreche bereits der Beweis des ersten Anscheins für die fehlende Gewinnerzielungsabsicht. Der Beklagte sei an seine frühere Ansicht zur Gewinnerzielungsabsicht nicht gebunden. Der Kläger habe die Verluste aus der Pferdezucht durch die Pensionstierhaltung und seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ausgleichen können. Etwaige stille Reserven seien auf die Betriebszweige Pensionstierhaltung und Pferdezucht aufzuteilen. Der überwiegende Teil entfalle auf die Pensionstierhaltung. 14Sei eine Buchführung ganz oder teilweise nach § 158 AO nicht der Besteuerung zugrunde zu legen, so seien die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO zu schätzen. Dies gelte auch bei einem Nichtbuchführungspflichtigen, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittele. Die Verpflichtung zur Aufzeichnung der Einnahmen und/oder Ausgaben ergebe sich aus § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i. V. m. §§ 63 bis 68 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV). Der Kläger sei seiner Mitwirkungspflicht nicht hinreichend nachgekommen. Nach den Feststellungen der Prüferin habe zu Beginn der Prüfung keine geordnete und vollständige Belegsammlung vorgelegen. Der Kläger sei dem Verlangen, unter Hinweis auf § 147 Abs. 3 AO Unterlagen einzureichen, nicht nachgekommen. Er habe in der Gewinn- und Verlustrechnung des landwirtschaftlichen Betriebes die Kosten aller PKW berücksichtigt. Kostenerstattungen des Arbeitgebers seien nicht gegengerechnet worden. 15In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seinen Klagevortrag weiter ausgeführt und erläutert. 16Entscheidungsgründe: 17Die Klage ist teilweise begründet. 18Die angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheide für 2006, 2007 und 2008 vom 20. August 2012 sowie die Einspruchsentscheidung vom 9. Januar 2013 sind ‑ soweit erkannt – rechtswidrig und verletzen die Kläger deshalb in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die Verluste des Klägers aus der Pferdezucht nicht aus den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, die sich aus Pferdezucht und Pensionstierhaltung zusammensetzen, herauszurechnen. Beide Betätigungen sind der Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen. 19Ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb im Sinne von § 13 Abs. 1 EStG liegt vor, wenn eine land- und forstwirtschaftliche Betätigung selbständig und nachhaltig sowie mit der Absicht betrieben wird, Gewinn zu erzielen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1984, 751). Die Absicht der Gewinnerzielung zeigt sich in dem Bestreben, während des Bestehens des Betriebs, d. h. von seiner Gründung bis zu seiner Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation aufs Ganze gesehen einen Gewinn zu erzielen. Ob der Steuerpflichtige eine derartige Absicht hat, lässt sich als innere Tatsache nicht anhand seiner Erklärungen, sondern nur aufgrund äußerer Umstände feststellen. Hierfür ist insbesondere von Bedeutung, ob der Betrieb bei objektiver Betrachtung nach seiner Art, der Gestaltung der Betriebsführung und den gegebenen Ertragsaussichten einen Totalgewinn in dem beschriebenen Umfang erwarten lässt. Ist danach bei objektiver Betrachtung ein positives Ergebnis nicht zu erwarten, kann der Steuerpflichtige gleichwohl nachweisen, dass er die objektiven Gegebenheiten verkannt und erwartet habe, dass zunächst angefallene Verlust im Laufe der weiteren Entwicklung des Betriebs durch Gewinne ausgeglichen würden und insgesamt ein positives Gesamtergebnis erzielt werden könne. Gelingt ihm dieser Nachweis, so folgt daraus, dass er die verlustbringende Tätigkeit nicht aus im Bereich seiner Lebensführung gelegenen persönlichen Gründen oder Neigungen ausgeübt hat (BFH-Urteil vom 27. Januar 2000 IV R 33/99, BStBl II 2000, 227). 20Liegen verschiedene, wirtschaftlich eigenständige Betätigungen vor, ist die Gewinnerzielungsabsicht nicht einheitlich für die gesamte Tätigkeit, sondern gesondert für die jeweilige Betätigung zu prüfen, sogenannte Segmentierung (BFH-Urteil vom 15. November 2006 XI R 58/04, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2007, 434). Um eine solche Segmentierung vorzunehmen, ist es nicht erforderlich, dass es sich bei den Tätigkeiten um selbständige Teilbetriebe handelt. Notwendig, aber auch ausreichend ist, dass die beiden Tätigkeiten voneinander trennbar sind. Bedingen sich die Tätigkeiten allerdings dergestalt, dass die verlustbringende Tätigkeit die andere (gewinnbringende) Tätigkeit maßgeblich fördert, hat eine Segmentierung zu unterbleiben. Es ist im Geschäftsleben durchaus üblich, ggf. auch verlustbringende Teile eines Unternehmens zu betreiben, wenn dadurch das Gesamtunternehmen dergestalt gefördert wird, dass es insgesamt ein positives Ergebnis erzielt. Der Förder- und Sachzusammenhang schließt es aus, durch eine weitreichende Segmentierung eine Vielzahl verlustbringender Tätigkeiten auszuscheiden (BFH-Urteil vom 25. Juni 1996 VIII R 28/94, BStBl II 1997, 202). Die Tätigkeit der Pferdezucht fördert und stärkt die Haupttätigkeit des Klägers (Pensionstierhaltung) in solche einem Maße, dass sie als unselbständiger Bestandteil dieser Tätigkeit anzusehen ist. 21Der Vortrag des Klägers, er sei gezwungen gewesen, mit der Pferdezucht zu beginnen, um überhaupt Baumaßnahmen im Außenbereich vornehmen zu können, ist zutreffend. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) ist Bauen im hier gegebenen Außenbereich nur zulässig, wenn das Vorhaben einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient. Diese strenge gesetzliche Beschränkung galt zum Zeitpunkt der Betriebsverlagerung 1999 zum jetzigen Betriebsstandort C. Insofern ist die Ansicht des Beklagten, dass auch die Pensionstierhaltung (allein) unter den Begriff der Landwirtschaft gemäß § 201 BauGB fallen kann, für diesen Zeitpunkt noch nicht zutreffend. 1999 war die Pensionstierhaltung ohne überwiegend eigene Futtererzeugung baurechtlich noch nicht privilegiert. Erst 2004 ist die gesetzliche Neufassung, wonach nur überwiegend eine eigene Futtererzeugung möglich sein muss, in Kraft getreten (Bundesgesetzblatt – BGBl. – I S. 2414). Im Übrigen setzt dies voraus, dass das Futter überwiegend durch die Nutzung von Flächen gewonnen wird, die in aller Regel eine eigentumsrechtliche oder anderweitige sachenrechtliche Zuordnung zum Betrieb des Landwirts bedingen (vgl. hierzu Urteil des Oberverwaltungsgerichts – OVG – für das Land Schleswig-Holstein vom 27. April 1994 1 L 141/92, juris). Der Kläger musste also mit der Pferdezucht beginnen, um den Betrieb mit der Pensionstierhaltung erweitern zu können. 22Auch die Art der angebotenen Leistungen des Klägers spiegelt weitere Fördermaßnahmen beider Betriebszweige wider. Der Kläger verkauft die selbst gezogenen Pferde, die dann bei ihm von den Käufern zumindest teilweise als Pensionspferde eingestellt werden. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger, unwidersprochen vom Beklagten, die Zahl der Pensionspferde mit durchschnittlich 50 angegeben, wovon ca. 12 aus eigner Zucht entstammen. Damit kann bereits aufgrund dieses Verhältnisses zwischen verkauften und anschließend als Pensionstiere eingestellten Zuchtpferden von einer erheblichen Förderung ausgegangen werden (ebenso Urteil des Finanzgerichts – FG –Köln vom 9. September 2010 10 K 2460/07, Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1621). Dafür, dass der Kläger die Pferdezucht (nur) als Hobby betreibt, liegen keine Anhaltspunkte vor. Insoweit fehlt ein schlüssiger, nachvollziehbarer und substantiierter Beklagtenvortrag. Die Art der Betriebsführung, die laut Internetauftritt () vorhandenen Baulichkeiten und das vorgehaltene Personal einschließlich der Zusammenarbeit mit einer Tierärztin zeigen, dass hier eine komplette Leistung, nämlich Pferdezucht und Pensionstierhaltung, aus einer Hand angeboten wird. Hinzu kommt, dass der Betrieb des Klägers als Ausbildungsbetrieb zum Pferdefachwirt anerkannt ist. 23Der Senat zieht somit für die Streitjahre die Gewinnerzielungsabsicht des Klägers mit seinem landwirtschaftlichen Betrieb insgesamt nicht in Zweifel. Dass der Betrieb zu diesem Zeitraum nicht ausreichend rentabel und existenzfähig gewesen ist, kann dem Betriebsprüfungsbericht nicht mit der dazu notwendigen gerichtlichen Überzeugung entnommen werden. Die für die Streitjahre vorliegenden Gewinn- und Verlustrechnungen lassen nicht auf ein betriebswirtschaftlich unzureichendes Konzept schließen. Verlustjahre gehören zu den üblichen Unwägbarkeiten eines landwirtschaftlichen Betriebes. Ein Pferdezüchter muss mit züchterischen Unwägbarkeiten leben und trägt ein erhebliches Vermarktungsrisiko. Es ist das Recht eines Steuerpflichtigen, auch unternehmerisch riskant tätig zu werden. Die vom Kläger vorgetragenen stillen Reserven, die ebenfalls in die Überschussprognose einzubeziehen sind, hat der Beklagte nicht bestritten, sondern nur mit unterschiedlichen steuerrechtlichen Auswirkungen auf die beiden Betriebszweige verteilt. Von einer Nähe zu privaten Lebensführungsentscheidungen unterscheidet sich der Betrieb des Klägers auch im Bereich Pferdezucht schon durch seine Größe (anders als im BFH-Urteil vom 27. Januar 2000, a. a. O.). 24Die Steuererklärungen der Kläger können jedoch nicht ohne Abweichungen aufgrund der durchgeführten Betriebsprüfung den Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre zugrunde gelegt werden. Insoweit hat der Kläger die Feststellungen der Betriebsprüfung nämlich nicht zur Überzeugung des Senats in Zweifel ziehen können. Denn nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO ist das Finanzamt zu Hinzuschätzungen weiterer Einnahmen dem Grunde nach befugt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach dem Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können. 25§ 4 Abs. 3 EStG selbst normiert keine Verpflichtung zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen. Aus einer nicht vorhandenen Buchführungspflicht kann jedoch nicht auf eine fehlende Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht geschlossen werden. Erforderlich ist auch bei dieser vereinfachten Gewinnermittlungsart die korrekte und leicht nachprüfbare Aufzeichnung der Geschäftsvorfälle. So müssen auch Einnahmenüberschussrechner nach § 146 Abs. 1 Satz 2 AO Kasseneinnahmen und -ausgaben täglich festhalten. Ferner ist der Kläger nach § 22 Abs. 1 UStG verpflichtet, zur Feststellung der Umsatzsteuer Aufzeichnungen zu machen. Dies kann, falls kein Kassenbuch geführt wird, durch eine geordnete Belegablage geschehen. Die Verletzung dieser Nachweispflichten führt vorliegend zu einer Schätzungsbefugnis. 26Aufgrund der im Streitfall bestehenden Berechtigung zur Schätzung sind die Besteuerungsgrundlagen im Wege einer sachgerechten Schätzung zu ermitteln bzw. zu ergänzen. Dem Gericht steht hierbei eine eigenständige Schätzungskompetenz zu (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Schätzung hat den durch die Umstände des Einzelfalls gezogenen Schätzungsrahmen zu beachten, sie muss in sich schlüssig und wirtschaftlich vernünftig sein. Die Besteuerungsgrundlagen sind dafür nach Maßgabe ihrer größten Wahrscheinlichkeit zu schätzen. Bei der Schätzung nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen besteht eine Bandbreite möglicher Wertansätze (Schätzungsrahmen). Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch darauf, dass sich die Schätzung bei Einnahmen im untersten Bereich bewegt. Der seine Mitwirkung verletzende Steuerpflichtige soll nicht besser dastehen als derjenige, der die Besteuerungsgrundlagen ordnungsgemäß aufzeichnet und erklärt. Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen kann auch durch einen Zuschlag zu den Betriebseinnahmen und/oder einen Abschlag von den Betriebsausgaben erfolgen, um dadurch den Unsicherheiten Rechnung zu tragen, sogenannter (Un-)Sicherheitszuschlag. 27Unter Anwendung dieser Grundsätze ist in teilweiser Abweichung von Anlage 8 des Betriebsprüfungsberichts für die Streitjahre von folgenden Einkünften des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft für die Wirtschaftsjahre auszugehen: 28…. 29Reisekostenerstattungen von 3.030,10 Euro (Wirtschaftsjahr 2007/2008) und von 15.568,30 Euro (Wirtschaftsjahr 2008/2009) sind nicht gewinnerhöhend anzusetzen. Es ist kein betrieblicher Bezug erkennbar; es kann nicht darauf geschlossen werden, dass diese Reisekosten, die im Zusammenhang mit der nichtselbständigen Tätigkeit des Klägers stehen, als Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung seines landwirtschaftlichen Betriebs enthalten sind. 30Die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft sind gemäß § 4a Abs. 1 Nr. 1 EStG nach den Wirtschaftsjahren zu ermitteln. Gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 und 3 FGO überträgt der Senat die Einkommensteuerberechnung wegen des damit verbundenen nicht unerheblichen Aufwandes auf den Beklagten. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner den Klägern das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und die Bescheide mit dem geänderten Inhalte nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben. 31Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 135 Abs. 5 FGO. | die einkommensteuerbescheide 2006, 2007 und 2008 vom 20. august 2012 und die einspruchsentscheidung vom 9. januar 2013 werden insoweit abgeändert, dass die einkünfte des klägers aus land- und forstwirtschaft von bisher ./. 6.205 euro (2006), 22.437 euro (2007) und 40.141 euro (2008) auf die beträge herabgesetzt werden, die sich abweichend von anlage 8 des betriebsprüfungsberichts vom 13. juni 2012 bei ansatz von einkünften aus land- und forstwirtschaft von ./. 3.614,86 euro für das wirtschaftsjahr 2006/2007, von ./. 6.478,62 euro für das wirtschaftsjahr 2007/2008 und von ./. 21.078,82 euro für das wirtschaftsjahr 2008/2009 ergeben. die steuerberechnung wird auf den beklagten übertragen. im übrigen wird die klage abgewiesen. die kosten des verfahrens tragen die kläger zu 28 v.h. und der beklagte zu 72 v.h. 1 | 2streitig ist, ob und in welcher höhe der kläger 2006 bis 2008 einkünfte aus land- und forstwirtschaft erzielt hat. 3die kläger werden als eheleute zusammen zur einkommensteuer veranlagt. der kläger gründete 1974 auf dem bauernhof seiner schwiegereltern einen pferdezuchtbetrieb. seit dem wirtschaftsjahr 1999/2000 ermittelte er seinen gewinn durch einnahmenüberschussrechnung und erweiterte seinen betrieb mit dem halten von pensionstieren. nach veräußerung der bisherigen vom kläger für seinen betrieb genutzten ländereien im jahr 1999 nutzt der kläger inzwischen pachtweise im eigentum seiner ehefrau stehende ländereien. diese hat er teilweise mit stallungen und sonstigen anlagen (boxen, reithalle) für seinen betrieb bebaut. 4wegen nichtabgabe von einkommensteuererklärungen für die streitjahre schätzte das finanzamt a als organisationsvorgänger des beklagten mit steuerbescheiden vom 26. november 2008 (einkommensteuer 2006) und vom 7. juni 2010 (einkommensteuer 2007 und 2008) die besteuerungsgrundlagen und erließ unter dem vorbehalt der nachprüfung entsprechende einkommensteuerbescheide. das finanzamt a änderte nach abgabe der einkommensteuererklärungen mit bescheiden vom 19. august 2010 die einkommensteuerbescheide für 2006 und 2007 und mit bescheid vom 30. august 2010 den einkommensteuerbescheid für 2008. den weiterhin unter dem vorbehalt der nachprüfung stehenden einkommensteuerbescheiden lagen erklärte einkünfte aus land- und forstwirtschaft von ./. 26.593 euro für 2006, von ./. 24.271 euro für 2007 und von ./. 31.347 euro für 2008 zugrunde. mit prüfungsanordnung vom 10. november 2010 ordnete das finanzamt für groß- und konzernbetriebsprüfung b eine steuerliche außenprüfung beim kläger für die streitjahre an. im bericht vom 13. juni 2012 gelangte die prüferin u. a. zu der feststellung, dass der landwirtschaftliche betrieb des klägers kein einheitlicher betrieb sei, sondern aus den betriebsteilen pferdepension und pferdezucht bestünde. letzterer stelle wegen der dauernden verluste einen nicht steuerrelevanten liebhabereibetrieb dar. die prüferin ermittelte die einnahmen und ausgaben abweichend von den abgegebenen jahresabschlüssen des klägers unter hinzuschätzung weiterer einnahmen und teilweiser verweigerung des betriebsausgabenabzugs neu und teilte sie auf die beiden betriebsteile auf. für die pferdezucht ließ sie von ihr ermittelte einkünfte von ./. 19.500 euro (2006), von ./. 32.441 euro (2007) und von ./. 56.803 euro (2008) unberücksichtigt. in den änderungsbescheiden vom 20. august 2012 wurden einkünfte aus land- und forstwirtschaft von ./. 6.205 euro (2006), von 22.437 euro (2007) und von 40.141 euro (2008) berücksichtigt. der einspruch der kläger blieb erfolglos (einspruchsentscheidung vom 9. januar 2013). 5mit der klage tragen die kläger vor: 6der betrieb am jetzigen standort c habe nur errichtet werden können, weil der kläger auch eine pferdezucht betreibe. andernfalls hätte er dort keine baugenehmigung bekommen und keine pensionstierhaltung betreiben können. der kläger sei mehrfach mit preisen für seine pferdezucht ausgezeichnet worden. außerdem sei der betrieb als ausbildungsbetrieb für den beruf des pferdefachwirts anerkannt. für die rechtliche würdigung gelte, dass sich beide tätigkeiten, pferdezucht und pensionstierhaltung, bedingten und die verlustbringende tätigkeit der pferdezucht die andere tätigkeit maßgeblich fördere, sodass eine steuerrechtliche segmentierung gemäß textziffer (tz.) 2.2.5 des betriebsprüfungsberichts unterbleiben müsse. im betrieb seien bei den gebäuden mindestens stille reserven von mehr als 2 mio. euro enthalten zzgl. des pferdebestands. damit ergebe sich für den einheitlichen landwirtschaftlichen betrieb ein totalgewinn. der kläger habe durch einen im wirtschaftsjahr 1999/2000 im bereich pferdezucht erzielten veräußerungsgewinn i. h. v. 390.000 dm bewiesen, dass der pferdezuchtbetrieb mit gewinnabsicht, nicht als liebhaberei betrieben werde. 7soweit der beklagte gemäß tz. 2.2.4 des betriebsprüfungsberichts die aufzeichnungen des klägers verworfen und nicht der besteuerung zugrunde gelegt habe, sei dies rechtswidrig. der kläger sei aufgrund der gewinnermittlung nach § 4 abs. 3 des einkommensteuergesetzes (estg) nicht buchführungspflichtig. die geführten aufzeichnungen seien klar und übersichtlich. der beklagte sei nicht zur zuschätzung nach § 162 der abgabenordnung (ao) berechtigt. ein zusammenhang von reisekostenerstattungen, die der kläger für seine berufliche tätigkeit gemäß § 19 estg erhalten habe, mit seinen einkünften nach § 13 estg sei nicht ersichtlich. sie seien daher nicht dem gewinn aus land- und forstwirtschaft hinzuzurechnen. 8die kläger beantragen, 9 die einkommensteuerbescheide 2006, 2007 und 2008 vom 20. august 2012 und die einspruchsentscheidung vom 9. januar 2013 aufzuheben. 10der beklagte beantragt, 11 die klage abzuweisen. 12er trägt vor: 13nach der rechtsprechung des bundesfinanzhofs (bfh) sei bei verschiedenen wirtschaftlich eigenständigen betätigungen die gewinnerzielungsabsicht nicht einheitlich für die gesamte tätigkeit, sondern gesondert für die jeweilige betätigung zu prüfen. die verlustbringende pferdezucht und die gewinnbringende pensionstierhaltung bedingten sich nicht gegenseitig. die pensionstiere würden nicht ausschließlich zum zweck der zucht gehalten. die pensionstierhaltung sei ein landwirtschaftlicher betrieb, für den eigenständig eine baugenehmigung für den außenbereich hätte erteilt werden können. wenn im bestand nur zwei zuchtpferde ausgewiesen worden seien, spreche bereits der beweis des ersten anscheins für die fehlende gewinnerzielungsabsicht. der beklagte sei an seine frühere ansicht zur gewinnerzielungsabsicht nicht gebunden. der kläger habe die verluste aus der pferdezucht durch die pensionstierhaltung und seine einkünfte aus nichtselbständiger arbeit ausgleichen können. etwaige stille reserven seien auf die betriebszweige pensionstierhaltung und pferdezucht aufzuteilen. der überwiegende teil entfalle auf die pensionstierhaltung. 14sei eine buchführung ganz oder teilweise nach § 158 ao nicht der besteuerung zugrunde zu legen, so seien die besteuerungsgrundlagen nach § 162 ao zu schätzen. dies gelte auch bei einem nichtbuchführungspflichtigen, der seinen gewinn nach § 4 abs. 3 estg ermittele. die verpflichtung zur aufzeichnung der einnahmen und/oder ausgaben ergebe sich aus § 22 des umsatzsteuergesetzes (ustg) i. v. m. §§ 63 bis 68 der umsatzsteuer-durchführungsverordnung (ustdv). der kläger sei seiner mitwirkungspflicht nicht hinreichend nachgekommen. nach den feststellungen der prüferin habe zu beginn der prüfung keine geordnete und vollständige belegsammlung vorgelegen. der kläger sei dem verlangen, unter hinweis auf § 147 abs. 3 ao unterlagen einzureichen, nicht nachgekommen. er habe in der gewinn- und verlustrechnung des landwirtschaftlichen betriebes die kosten aller pkw berücksichtigt. kostenerstattungen des arbeitgebers seien nicht gegengerechnet worden. 15in der mündlichen verhandlung hat der kläger seinen klagevortrag weiter ausgeführt und erläutert. 16 | 17die klage ist teilweise begründet. 18die angefochtenen einkommensteuer-änderungsbescheide für 2006, 2007 und 2008 vom 20. august 2012 sowie die einspruchsentscheidung vom 9. januar 2013 sind ‑ soweit erkannt – rechtswidrig und verletzen die kläger deshalb in ihren rechten (§ 100 abs. 1 satz 1 der finanzgerichtsordnung – fgo –). entgegen der auffassung des beklagten sind die verluste des klägers aus der pferdezucht nicht aus den einkünften aus land- und forstwirtschaft, die sich aus pferdezucht und pensionstierhaltung zusammensetzen, herauszurechnen. beide betätigungen sind der land- und forstwirtschaft zuzurechnen. 19ein land- und forstwirtschaftlicher betrieb im sinne von § 13 abs. 1 estg liegt vor, wenn eine land- und forstwirtschaftliche betätigung selbständig und nachhaltig sowie mit der absicht betrieben wird, gewinn zu erzielen (beschluss des großen senats des bfh vom 25. juni 1984 grs 4/82, bundessteuerblatt – bstbl – ii 1984, 751). die absicht der gewinnerzielung zeigt sich in dem bestreben, während des bestehens des betriebs, d. h. von seiner gründung bis zu seiner veräußerung, aufgabe oder liquidation aufs ganze gesehen einen gewinn zu erzielen. ob der steuerpflichtige eine derartige absicht hat, lässt sich als innere tatsache nicht anhand seiner erklärungen, sondern nur aufgrund äußerer umstände feststellen. hierfür ist insbesondere von bedeutung, ob der betrieb bei objektiver betrachtung nach seiner art, der gestaltung der betriebsführung und den gegebenen ertragsaussichten einen totalgewinn in dem beschriebenen umfang erwarten lässt. ist danach bei objektiver betrachtung ein positives ergebnis nicht zu erwarten, kann der steuerpflichtige gleichwohl nachweisen, dass er die objektiven gegebenheiten verkannt und erwartet habe, dass zunächst angefallene verlust im laufe der weiteren entwicklung des betriebs durch gewinne ausgeglichen würden und insgesamt ein positives gesamtergebnis erzielt werden könne. gelingt ihm dieser nachweis, so folgt daraus, dass er die verlustbringende tätigkeit nicht aus im bereich seiner lebensführung gelegenen persönlichen gründen oder neigungen ausgeübt hat (bfh-urteil vom 27. januar 2000 iv r 33/99, bstbl ii 2000, 227). 20liegen verschiedene, wirtschaftlich eigenständige betätigungen vor, ist die gewinnerzielungsabsicht nicht einheitlich für die gesamte tätigkeit, sondern gesondert für die jeweilige betätigung zu prüfen, sogenannte segmentierung (bfh-urteil vom 15. november 2006 xi r 58/04, sammlung amtlich nicht veröffentlichter entscheidungen des bfh – bfh/nv – 2007, 434). um eine solche segmentierung vorzunehmen, ist es nicht erforderlich, dass es sich bei den tätigkeiten um selbständige teilbetriebe handelt. notwendig, aber auch ausreichend ist, dass die beiden tätigkeiten voneinander trennbar sind. bedingen sich die tätigkeiten allerdings dergestalt, dass die verlustbringende tätigkeit die andere (gewinnbringende) tätigkeit maßgeblich fördert, hat eine segmentierung zu unterbleiben. es ist im geschäftsleben durchaus üblich, ggf. auch verlustbringende teile eines unternehmens zu betreiben, wenn dadurch das gesamtunternehmen dergestalt gefördert wird, dass es insgesamt ein positives ergebnis erzielt. der förder- und sachzusammenhang schließt es aus, durch eine weitreichende segmentierung eine vielzahl verlustbringender tätigkeiten auszuscheiden (bfh-urteil vom 25. juni 1996 viii r 28/94, bstbl ii 1997, 202). die tätigkeit der pferdezucht fördert und stärkt die haupttätigkeit des klägers (pensionstierhaltung) in solche einem maße, dass sie als unselbständiger bestandteil dieser tätigkeit anzusehen ist. 21der vortrag des klägers, er sei gezwungen gewesen, mit der pferdezucht zu beginnen, um überhaupt baumaßnahmen im außenbereich vornehmen zu können, ist zutreffend. nach § 35 abs. 1 nr. 1 des baugesetzbuches (baugb) ist bauen im hier gegebenen außenbereich nur zulässig, wenn das vorhaben einem land- oder forstwirtschaftlichen betrieb dient. diese strenge gesetzliche beschränkung galt zum zeitpunkt der betriebsverlagerung 1999 zum jetzigen betriebsstandort c. insofern ist die ansicht des beklagten, dass auch die pensionstierhaltung (allein) unter den begriff der landwirtschaft gemäß § 201 baugb fallen kann, für diesen zeitpunkt noch nicht zutreffend. 1999 war die pensionstierhaltung ohne überwiegend eigene futtererzeugung baurechtlich noch nicht privilegiert. erst 2004 ist die gesetzliche neufassung, wonach nur überwiegend eine eigene futtererzeugung möglich sein muss, in kraft getreten (bundesgesetzblatt – bgbl. – i s. 2414). im übrigen setzt dies voraus, dass das futter überwiegend durch die nutzung von flächen gewonnen wird, die in aller regel eine eigentumsrechtliche oder anderweitige sachenrechtliche zuordnung zum betrieb des landwirts bedingen (vgl. hierzu urteil des oberverwaltungsgerichts – ovg – für das land schleswig-holstein vom 27. april 1994 1 l 141/92, juris). der kläger musste also mit der pferdezucht beginnen, um den betrieb mit der pensionstierhaltung erweitern zu können. 22auch die art der angebotenen leistungen des klägers spiegelt weitere fördermaßnahmen beider betriebszweige wider. der kläger verkauft die selbst gezogenen pferde, die dann bei ihm von den käufern zumindest teilweise als pensionspferde eingestellt werden. in der mündlichen verhandlung hat der kläger, unwidersprochen vom beklagten, die zahl der pensionspferde mit durchschnittlich 50 angegeben, wovon ca. 12 aus eigner zucht entstammen. damit kann bereits aufgrund dieses verhältnisses zwischen verkauften und anschließend als pensionstiere eingestellten zuchtpferden von einer erheblichen förderung ausgegangen werden (ebenso urteil des finanzgerichts – fg –köln vom 9. september 2010 10 k 2460/07, entscheidungen der finanzgerichte 2012, 1621). dafür, dass der kläger die pferdezucht (nur) als hobby betreibt, liegen keine anhaltspunkte vor. insoweit fehlt ein schlüssiger, nachvollziehbarer und substantiierter beklagtenvortrag. die art der betriebsführung, die laut internetauftritt () vorhandenen baulichkeiten und das vorgehaltene personal einschließlich der zusammenarbeit mit einer tierärztin zeigen, dass hier eine komplette leistung, nämlich pferdezucht und pensionstierhaltung, aus einer hand angeboten wird. hinzu kommt, dass der betrieb des klägers als ausbildungsbetrieb zum pferdefachwirt anerkannt ist. 23der senat zieht somit für die streitjahre die gewinnerzielungsabsicht des klägers mit seinem landwirtschaftlichen betrieb insgesamt nicht in zweifel. dass der betrieb zu diesem zeitraum nicht ausreichend rentabel und existenzfähig gewesen ist, kann dem betriebsprüfungsbericht nicht mit der dazu notwendigen gerichtlichen überzeugung entnommen werden. die für die streitjahre vorliegenden gewinn- und verlustrechnungen lassen nicht auf ein betriebswirtschaftlich unzureichendes konzept schließen. verlustjahre gehören zu den üblichen unwägbarkeiten eines landwirtschaftlichen betriebes. ein pferdezüchter muss mit züchterischen unwägbarkeiten leben und trägt ein erhebliches vermarktungsrisiko. es ist das recht eines steuerpflichtigen, auch unternehmerisch riskant tätig zu werden. die vom kläger vorgetragenen stillen reserven, die ebenfalls in die überschussprognose einzubeziehen sind, hat der beklagte nicht bestritten, sondern nur mit unterschiedlichen steuerrechtlichen auswirkungen auf die beiden betriebszweige verteilt. von einer nähe zu privaten lebensführungsentscheidungen unterscheidet sich der betrieb des klägers auch im bereich pferdezucht schon durch seine größe (anders als im bfh-urteil vom 27. januar 2000, a. a. o.). 24die steuererklärungen der kläger können jedoch nicht ohne abweichungen aufgrund der durchgeführten betriebsprüfung den einkommensteuerfestsetzungen der streitjahre zugrunde gelegt werden. insoweit hat der kläger die feststellungen der betriebsprüfung nämlich nicht zur überzeugung des senats in zweifel ziehen können. denn nach § 162 abs. 2 satz 2 ao ist das finanzamt zu hinzuschätzungen weiterer einnahmen dem grunde nach befugt, wenn der steuerpflichtige bücher oder aufzeichnungen, die er nach dem steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die buchführung oder die aufzeichnungen der besteuerung nicht nach § 158 ao zugrunde gelegt werden können. 25§ 4 abs. 3 estg selbst normiert keine verpflichtung zur aufzeichnung der betriebseinnahmen. aus einer nicht vorhandenen buchführungspflicht kann jedoch nicht auf eine fehlende aufzeichnungs- und aufbewahrungspflicht geschlossen werden. erforderlich ist auch bei dieser vereinfachten gewinnermittlungsart die korrekte und leicht nachprüfbare aufzeichnung der geschäftsvorfälle. so müssen auch einnahmenüberschussrechner nach § 146 abs. 1 satz 2 ao kasseneinnahmen und -ausgaben täglich festhalten. ferner ist der kläger nach § 22 abs. 1 ustg verpflichtet, zur feststellung der umsatzsteuer aufzeichnungen zu machen. dies kann, falls kein kassenbuch geführt wird, durch eine geordnete belegablage geschehen. die verletzung dieser nachweispflichten führt vorliegend zu einer schätzungsbefugnis. 26aufgrund der im streitfall bestehenden berechtigung zur schätzung sind die besteuerungsgrundlagen im wege einer sachgerechten schätzung zu ermitteln bzw. zu ergänzen. dem gericht steht hierbei eine eigenständige schätzungskompetenz zu (§ 96 abs. 1 satz 1 fgo). die schätzung hat den durch die umstände des einzelfalls gezogenen schätzungsrahmen zu beachten, sie muss in sich schlüssig und wirtschaftlich vernünftig sein. die besteuerungsgrundlagen sind dafür nach maßgabe ihrer größten wahrscheinlichkeit zu schätzen. bei der schätzung nach wahrscheinlichkeitsgrundsätzen besteht eine bandbreite möglicher wertansätze (schätzungsrahmen). der steuerpflichtige hat keinen anspruch darauf, dass sich die schätzung bei einnahmen im untersten bereich bewegt. der seine mitwirkung verletzende steuerpflichtige soll nicht besser dastehen als derjenige, der die besteuerungsgrundlagen ordnungsgemäß aufzeichnet und erklärt. die schätzung der besteuerungsgrundlagen kann auch durch einen zuschlag zu den betriebseinnahmen und/oder einen abschlag von den betriebsausgaben erfolgen, um dadurch den unsicherheiten rechnung zu tragen, sogenannter (un-)sicherheitszuschlag. 27unter anwendung dieser grundsätze ist in teilweiser abweichung von anlage 8 des betriebsprüfungsberichts für die streitjahre von folgenden einkünften des klägers aus land- und forstwirtschaft für die wirtschaftsjahre auszugehen: 28…. 29reisekostenerstattungen von 3.030,10 euro (wirtschaftsjahr 2007/2008) und von 15.568,30 euro (wirtschaftsjahr 2008/2009) sind nicht gewinnerhöhend anzusetzen. es ist kein betrieblicher bezug erkennbar; es kann nicht darauf geschlossen werden, dass diese reisekosten, die im zusammenhang mit der nichtselbständigen tätigkeit des klägers stehen, als aufwand in der gewinn- und verlustrechnung seines landwirtschaftlichen betriebs enthalten sind. 30die einkünfte des klägers aus land- und forstwirtschaft sind gemäß § 4a abs. 1 nr. 1 estg nach den wirtschaftsjahren zu ermitteln. gemäß § 100 abs. 2 satz 2 und 3 fgo überträgt der senat die einkommensteuerberechnung wegen des damit verbundenen nicht unerheblichen aufwandes auf den beklagten. dem beklagten wird aufgegeben, die geänderte steuerfestsetzung nach maßgabe der urteilsgründe zu errechnen, ferner den klägern das ergebnis dieser berechnung unverzüglich mitzuteilen und die bescheide mit dem geänderten inhalte nach rechtskraft dieses urteils neu bekannt zu geben. 31die kostenentscheidung beruht auf § 136 abs. 1 satz 1 i. v. m. § 135 abs. 5 fgo. | Klaeger*in | 1 |
114,694 | S 14 KR 455/17 | 2018-10-30T00:00:00 | Urteil | Tenor Der Bescheid vom 05.01.2017 in der Fassung des Bescheides vom 06.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2017 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Klägerin im Zeitraum von Januar 2013 bis einschließlich 07.02.2017 in der Familienversicherung gesetzlich krankenversichert war. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über die Zugehörigkeit der Klägerin zur gesetzlichen Familienkrankenversicherung im Zeitraum von Januar 2013 bis 07.02.2017. 3Der Ehemann der Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich kranken– und pflegeversichert. Er zahlte über den streitgegenständlichen Zeiträume Beiträge nach der Beitragsbemessungsgrenze. Das Ehepaar lebt in Gütertrennung. Die Eheleute sind Miteigentümer mehrerer Immobilien mit Mietwohnungen. Die Mietverträge schloss/schließt allein der Ehemann der Klägerin. Ihm oblag/obliegt die Verwaltung der Gebäude. Die Mietzahlungen werden und wurden auch im streitgegenständlichen Zeitraum auf ein Konto gezahlt, dessen Inhaber allein der Ehemann der Klägerin war/ist. 4Die im Jahr 1960 geborene Klägerin war bei der Beklagten (seit Eheschließung im Februar 1989) in der Familienversicherung gesetzlich kranken – und pflegeversichert, ohne dass dies durch Verwaltungsakt festgestellt worden wäre. Seit dem 08.02.2017 ist sie als Rentenantragstellerin bzw. Rentenbezieherin bei der Beklagten kranken – (und pflegeversichert (Bescheide vom 6. Juni und 07.06.2017). Über die Höhe der Beiträge als Rentenantragstellerin wird in dem sozialgerichtlichen Verfahren mit dem Aktenzeichen S 15 KR 23/18 gestritten, in dem darüber hinaus die Beitragsfestsetzungen für den hier streitgegenständlichen Zeitraum Streitgegenstand sind. 5Im Oktober 2015 begann die Beklagte das Fortbestehen der Voraussetzungen für die Familienversicherung der Klägerin zu überprüfen. Mit Schreiben vom 06.10.2015 wies sie darauf hin, dass im Falle einer eingetragenen Gütergemeinschaft die erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Vermietung und Verpachtung jedem Ehegatten zur Hälfte zuzurechnen seien. Im Rahmen der Prüfung erklärte der Ehemann der Klägerin unter dem 04.10.2014, die Klägerin erziele keine Einkünfte. Vorgelegt wurde der an die Klägerin und deren Ehemann gemeinsam gerichtete Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 vom 21.10.2015. Aus dem Bescheid gingen Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung bebauter Grundstücke i.H.v. 28.268 EUR hervor. 6Mit Schreiben vom 03.11.2016 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass nach den im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einnahmen die beitragsfreie Familienversicherung beendet werden müsse, soweit die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nicht aus einem gemeinsam bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betrieb resultierten. 7Unter dem 14.11.2016 führte der Ehemann der Klägerin aus, seine Ehefrau habe während der gesamten Ehezeit niemals eigene Einnahmen gehabt. Sie sei ausschließlich Hausfrau und Mutter. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung habe lediglich er selbst. Er alleine habe alle Immobilien der Familie erwirtschaftet und verwalte und vermiete diese. Die Einnahmen flössen sämtlich ausschließlich an ihn. Sofern die Klägerin Miteigentümerin von Immobilien geworden sei, sei dies nicht ausschlaggebend dafür, wem die Einnahmen aus Vermietung zuflössen. 8Mit Schreiben vom 22.11.2016 hörte die Beklagte auf die Klägerin zur Absicht der Beendigung der Familienversicherung aufgrund des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) mit Wirkung zum 01.11.2015 an. Das Bundessozialgericht habe entschieden, dass auch im Bereich der Familienversicherung von den Einkünften auszugehen sei, die nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften ermittelt worden seien. Entscheidend sei insofern das im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Einkommen. 9Mit Schreiben vom 06.12.2016 bezog sich die Klägerin auf das Schreiben ihres Ehemannes vom 14.11.2016. Es sei stetige Rechtsprechung der Sozial – und Finanzgerichte, dass Mieteinkünfte der Person zuzuordnen seien, die die Vermietertätigkeit ausübe. 10Mit Bescheid vom 05.01.2017 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin das Ende der Familienversicherung zum 31.10.2015 fest. Anlass für diese Beendigung sei die Überschreitung der für die Familienversicherung maßgebenden monatlichen Einkommensgrenze (2015:415 EUR, 2016:415 EUR, 2017:425 EUR). Bei der Feststellung des Gesamteinkommens seien die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 2.355,67 EUR (monatlich) berücksichtigt worden. Maßgebend seien die Einkünfte, die im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 vom 21.10.2015 ausgewiesen seien. 11Hiergegen legte die Klägerin anwaltlich vertreten am 20.01.2017 Widerspruch ein. Zwar sei die Klägerin Miteigentümerin zweier Immobilien und habe hierdurch den entsprechenden Teil der Mieteinnahmen zu versteuern, sie habe diese jedoch nicht "erzielt". Solche Einkünfte erziele nur derjenige, der die rechtliche oder tatsächliche Macht habe, eines der in § 21 Abs. 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) genannten Wirtschaftsgüter anderen entgeltlich zu überlassen. 12Nach Beiziehung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011-2014 vom Finanzamt der Stadt B. und entsprechender Anhörung vom 06.06.2017 "berichtigte" die Beklagte mit Bescheid vom 06.07.2017 ihren Bescheid vom 05.01.2017 auf die Feststellung des Endes der Familienversicherung zum 31.12.2012 unter Hinweis auf § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Die Klägerin habe bei den jährlichen Überprüfungen der Familienversicherung seit 2012 das Vorhandensein von Einkommen verneint. Die Nicht – Anzeige der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sei zumindest als grob fahrlässig zu werten. 13Mit Bescheid vom 28.09.2017 teilte die Beklagte mit, die Klägerin werde für die Zeit vom 01.01.2013 bis 07.02.2017 als freiwilliges Mitglied geführt und setzte die Beiträge zur gesetzlichen Kranken – und Pflegeversicherung fest. Mit weiterem Bescheid vom 13.11.2017 forderte die Beklagte von der Klägerin Beiträge für den Zeitraum von Januar 2013 bis einschließlich Dezember 2016 in Höhe von knapp 20.000 EUR. Ein auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des hiergegen eingelegten Widerspruches gerichtetes Eilverfahren beim Sozialgericht Aachen (Aktenzeichen S 15 KR 45/18 ER) verlief für die Klägerin erfolglos (ablehnender Beschluss vom 18.05.2018). 14Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2017 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.01.2017 in der Fassung des Bescheides vom 06.07.2017 als unbegründet zurück. Der Einkommensbegriff aus § 10 Absatz 1 S. 1 Nr. 5 SGB V stelle nach Rechtsprechung des BSG über §§ 15 und 16 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) volle Parallelität von steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Einkommensermittlung her. Im Rahmen des – hinsichtlich der Rücknahme des Bescheides vom 05.01.2017 – auszuübenden Ermessens, werde den Interessen der Versicherungsgemeinschaft höheres Gewicht beigemessen. 15Hiergegen hat die Klägerin über ihre Bevollmächtigte am 25.10.2017 Klage erhoben. 16Unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruches hat die Klägerin korrigierte Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2012-2014 vom 22.11.2017 vorgelegt, nach denen sie keine Einkünfte hatte. Sämtliche Mieteinnahmen sind hiernach dem Ehemann der Klägerin zugeordnet. 17Die Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, 1.den Bescheid vom 05.01.2017 in der Fassung des Bescheides vom 06.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2017 aufzuheben. 2.festzustellen, dass die Klägerin im Zeitraum von Januar 2013 bis einschließlich 07.02.2017 in der Familienversicherung gesetzlich krankenversichert war. 18Der Vertreter der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen. 19Die Beklagte ist der Ansicht, die geänderten Einkommensteuerbescheide vom 22.11.2017 könnten frühestens ab Beginn des auf den Erlass folgenden Monates für die über das Einkommen der Klägerin anzustellende Prognose herangezogen werden, also ab dem 01.12.2017. 20Die Beteiligten haben sich hinsichtlich des Bestehens der Familienversicherung der Klägerin in der Pflegeversicherung im streitgegenständlichen Zeitraum dem Ergebnis des vorliegenden Verfahrens unterworfen. Zudem haben sie sich hinsichtlich der Streitgegenstände im Verfahren S 15 KR 23/18 – hinsichtlich der Frage, ob Beiträge aufgrund eines Einkommens der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung zu entrichten bleiben – dem Ergebnis des vorliegenden Verfahrens unterworfen. 21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach – und Streitverhältnisses wird auf die die Gerichtsakte und die beigezogenen Akten der Beklagten, des Finanzamtes H. und des Eilverfahrens beim Sozialgericht Aachen mit dem Aktenzeichen S 15 KR 45/18 ER verwiesen. 22Entscheidungsgründe: 23A. Streitgegenstand des Verfahrens ist allein die Frage der Zugehörigkeit der Klägerin der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 07. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R -, Rn, juris, Rn. 11; BSG, Urteil vom 29. Juni 2016 – B 12 KR 1/15 R –, SozR 4-2500 § 10 Nr 12, Rn. 11). 24B. Die im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) verfolgten Klagebegehren sind zulässig. Die Statthaftigkeit des Anfechtungsbegehrens folgt aus § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG. Der Klageantrag zu 2) ist als Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Eine Verpflichtungsklage ist nicht vorrangig. Zwar hat der Familienversicherte einen Anspruch auf Feststellung der Familienversicherung gegenüber der Krankenkasse. Um die Ablehnung eines entsprechenden Antrages geht es jedoch vorliegend nicht. Zudem besteht die Familienversicherung kraft Gesetzes (Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 10 SGB V, Rn. 7). Einer konstitutiven Entscheidung der Krankenversicherung bedarf es nicht. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist bereits deshalb anzuerkennen, weil davon abhängt, ob - bei Nichtbestehen der beitragsfreien Familienversicherung - die (beitragspflichtige) freiwillige Versicherung (vgl. § 188 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) aufrechterhalten wird und die festgesetzten Beiträge zu entrichten bleiben. Diesbezüglich (Streitgegenstand im Verfahren S 15 KR 23/18) haben sich die Beteiligten dem Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreites unterworfen (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 1993 – 12 RK 48/91 –, BSGE 72, 292-297, SozR 3-2500 § 10 Nr 2, Rn. 14; BSG, Urteil vom 29. Juni 2016 – B 12 KR 1/15 R –, SozR 4-2500 § 10 Nr 12, Rn. 11; BSG, Urteil vom 29. Juli 2003 – B 12 KR 16/02 R –, BSGE 91, 190-197, SozR 4-2500 § 10 Nr 3, Rn. 15; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Oktober 2009 – L 5 KR 109/08 –, juris). 25C. I. Die Klägerin, an die die streitgegenständlichen Bescheide zutreffend gerichtet waren, ist Rechtsinhaberin der Familienversicherung (Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 10 SGB V, Rn. 7). Eine Notwendigkeit ihren Ehemann gemäß § 75 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 SGG als Stammversicherten beizuladen bestand insofern nicht (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R –, Rn. 12, juris), da er gerade keine eigenen Rechte und Pflichten aus dem streitigen öffentlich-rechtlichen Verhältnis zwischen den Beteiligten hat. In seine Rechtssphäre wird nicht eingegriffen (vgl. Gall in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 75 SGG, Rn. 40, 45 m.w.N.) (a. A.: BSG, Urteil vom 18. März 1999 – B 12 KR 8/98 R –, SozR 3-1500 § 78 Nr 3, SozR 3-2500 § 10 Nr 15, Rn. 20; Felix a.a.O, Rn. 56). 26II. Die Klagen sind begründet. Der Bescheid vom 05.01.2017 in der Fassung des Bescheides vom 06.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2017 ist rechtswidrig. Im streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2013 bis 07.02.2017 bestand für die Klägerin die Familienversicherung der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 10 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). 27Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) gilt für die Familienversicherung § 10 des Fünften Sozialgesetzbuches entsprechend. 28Nach § 10 Abs. 1 S. 1 SGB V sind in der Familienversicherung versichert, u. a. der Ehegatte eines Mitgliedes der Krankenversicherung, wenn er seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (Nr. 1), nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2, 2 Buchst. a, 3-8, 11-12 oder nicht freiwillig versichert ist (Nr. 2), er nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit ist; dabei bleibt die Versicherungsfreiheit nach § 7 außer Betracht (Nr. 3), nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist (Nr. 4) und kein Gesamteinkommen hat, das regelmäßig im Monat 1/7 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches überschreitet (Nr. 5 1. HS). 29III. Während die Voraussetzungen der Nr. 1-4 bei der Klägerin – deren Ehemann (auch) im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert war – nicht im Zweifel stehen, ist die zwischen den Beteiligten streitige Erfüllung des Negativtatbestandes des § 10 Absatz 1 S. 1 Nr. 5 1. HS SGB V im Sinne der Klägerin zu beantworten. 30Die Klägerin hatte kein Gesamteinkommen, das regelmäßig im Monat 1/7 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften über die Sozialversicherung (SGB IV) überschritt. Sie hatte vielmehr kein Einkommen, da die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Wohnungen in im Miteigentum der Klägerin stehender Immobilien allein Einkommen ihres Ehemannes darstellten. 31Mit dem Begriff des Gesamteinkommens knüpft § 10 Absatz 1 S. 1 Nr. 5 1. HS SGB V an die Definition in § 16 SGB IV. Danach ist das Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommenssteuerrechts (BSG vom 25. Januar 2006, B 12 KR 2/05 R = SozR 4-2500 § 10 Nr. 6; Gerlach, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 10, Rn. 134 m.w.Nachw.; Klattenhoff, in: Hauck/Noftz, SGB IV, § 16 Rn. 8). Hierzu gehören gemäß § 2 Nr. 6, 21 Einkommenssteuergesetz (EStG) insbesondere auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. 32Wird die maßgebliche Einkommensgrenze überschritten, so ist die Krankenkasse berechtigt, festzustellen, dass ab einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt eine Familienversicherung nicht mehr bestanden hat (BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R –, Rn. 25, juris; Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 10 SGB V, Rn. 44 1 m.w.N.). 331. Weitgehende Einigkeit besteht zu Recht zunächst insoweit, dass – auch bei einer in die Vergangenheit greifenden Feststellung des (Nicht)bestehens der Familienversicherung – wie bei Statusentscheidungen im Versicherungsrecht generell – bei der Einkommensermittlung eine vorausschauende Betrachtungsweise geboten ist. Der Betreffende muss beim Entfallen der Familienversicherung für eine anderweitige Versicherung sorgen können und bei plötzlich auftretender Krankheit zuverlässig wissen, wie und wo er versichert ist. Dies erfordert eine Prognose unter Einbeziehung der mit hinreichender Sicherheit zu erwartenden Veränderungen. Die auf dieser Grundlage zu treffende Statusentscheidung bleibt auch dann verbindlich, wenn die Entwicklung später anders verläuft als angenommen. Die entsprechende Änderung (i. S. d. § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz- SGB X) kann dann Anlass für eine neue Prüfung und – wiederum vorausschauende – Beurteilung sein. Hinsichtlich in die Vergangenheit zurückwirkender Entscheidungen bedeutet dies, dass für solche Zeiträume keine Familienversicherung bestand, zu deren Beginn – gegebenenfalls anhand durchschnittlicher Verhältnisse der noch davor liegenden Zeit – bereits absehbar war, dass die insoweit geltenden Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt würden (so BSG, Urteil vom 07. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R –, SozR 3-2500 § 10 Nr 19, SozR 3-2400 § 15 Nr 8, Rn. 29 f. m.w.Nachw.; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05. September 2016 – L 1 KR 288/14 –, Rn. 19; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. September 2016 – L 5 KR 52/16 –, Rn. 24, juris; a. A. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 2013 – L 11 KR 1983/12 –, Rn. 30, juris). 342. Zu der Frage, anhand welcher Nachweise das Einkommen (aus Vermietung und Verpachtung) im Rahmen des § 10 Absatz 1 S. 1 Nr. 5 1. HS SGB V zu ermitteln ist, werden in der Instanzrechtsprechung jedoch unterschiedliche Auffassungen vertreten, die voneinander kaum Notiz nehmen. 35a) Zum Teil wird vertreten, das im Rahmen der Feststellung der Familienversicherung zu ermittelnde Gesamteinkommen könne nur mit dem amtlichen Einkommensteuerbescheid nachgewiesen werden. Zur Begründung wird die Rechtsprechung des allein für Angelegenheiten des Beitragsrechts und Mitgliedschaftsrechts der Kranken- und Pflegeversicherung zuständigen Zwölften Senates des Bundessozialgerichts zur Ermittlung des der Beitragsbemessung freiwillig hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger zu Grunde zu legenden Einkommens bzw. zur Ermittlung der der Beitragsfestsetzung zu Grunde zu legenden Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätiger freiwillig Versicherter aufgegriffen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05. September 2016 – L 1 KR 288/14 –, Rn. 20, 21, juris m.w.Nachw. aus der eigenen Rechtsprechung; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27. April 2016 – L 5 KR 3462/15 –, Rn. 30 ff., juris; Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 28. Juli 2015 – L 6 KR 212/13 –, Rn. 29, juris). 36b) Nach anderer – aus Sicht der erkennenden Kammer vorzugswürdiger - Ansicht besteht für eine derartige Praxis der Krankenkassen keine rechtliche Grundlage (Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. September 2016 – L 5 KR 52/16 –, Rn. 24, juris; SG Karlsruhe, Urteil vom 03. Juni 2008 – S 7 KR 2483/07 –, juris; SG Dresden, Urteil vom 25. Oktober 2017 – S 25 KR 293/14 –, Rn. 22, juris; SG Chemnitz, Urteil vom 15. Juni 2017 – S 10 KR 294/16 –, Rn. 25, juris; vgl. auch SG Aachen, Urteil vom 14. April 2011 – S 2 KR 271/10 –, Rn. 18 ff., juris). Die Kommentarliteratur schließt sich – soweit zur Frage Stellung bezogen wird – dieser Ansicht an (Zieglmaier, Kass-Komm, SGB V, § 15, Rn. 31 m.w.Nachw.; Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 10 SGB V, Rn. 42 1; vgl. auch die Ausführungen bei Gerlach, Hauck-Noftz, SGB V, § 10, Rn. 137 ff.). 37c) Die Praxis der gesetzlichen Krankenkassen erscheint ebenso mäandernd wie die Auffassung des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung. Nachdem das Bundesversicherungsamt im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Tätigkeit festgestellte, dass die Krankenkassen (jedenfalls bei) der Ermittlung des Arbeitseinkommens von selbstständig Tätigen bei Anwendung des § 10 Absatz 1 S. 1 Nr. 5 SGB V und § 10 Abs. 3 SGB V unterschiedlich verfahre, hat es den GKV – Spitzenverband hierzu um eine Positionierung gebeten und unter Hinweis auf Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit angeregt darüber nachzudenken, ob der Nachweis des Arbeitseinkommens (Gewinn aus selbständiger Tätigkeit; § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV) in bestimmten Fallkonstellationen auch außerhalb des Einkommensteuerbescheides geführt werden könne. Die Fachkonferenz Beiträge hat mit Ergebnisniederschrift vom 08.04.2014 (TOP 4) festgehalten, dass zur Bestimmung des Arbeitseinkommens im Zusammenhang mit der Feststellung des Gesamteinkommens nach § 10 Absatz 1 S. 1 Nr. 5 und Abs. 3 SGB V auf den letzten (aktuellen) Einkommenssteuerbescheid zurückzugreifen sei und die daraus hervorgehenden Angaben vom Beginn des auf das Bescheiddatum folgenden Monats Wirkung entfalteten. Es werde (in Anlehnung an § 6 Abs. 3 Buchst. a der Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge – Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler in der bis zum 31.12.2017 gültigen Fassung) für sachgerecht erachtet, hiervon Ausnahmen zu machen, wenn das aktuell nachgewiesene Arbeitseinkommen um mehr als ¼ des über den Einkommensteuerbescheid des zuletzt festgestellten Arbeitseinkommens reduziert sei. Diesbezüglich komme ein Vorauszahlungsbescheid oder ein anderer geeigneter Nachweis des Finanzamtes infrage. Inwieweit dieses Prozedere auch für andere Einkommensarten gelten- und wie gegebenenfalls die unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt werden soll, bleibt offen. Jedenfalls für Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit – das ebenso vom Begriff des Gesamteinkommens nach § 16 SGB IV erfasst wird – ist der Kammer bekannt, dass die Krankenkassen (auch) auf Gehaltsabrechnungen o. Ä. zurückgreifen. 38Aus einem Gemeinsamen Rundschreiben vom 24.10.2008 geht demgegenüber die Auffassung der Krankenkassen hervor, dass die Gewinnermittlung bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit im Rahmen des Gesamteinkommens nach § 16 SGB IV offenbar den Kassen selbst obliegen soll (abgedruckt in: Hauck/Noftz, SGB V, Anhang III K § 10). 39Auch die auf Grundlage des § 10 Abs. 6 S. 2 SGB V beruhenden Einheitlichen Grundsätze zum Meldeverfahren bei Durchführung der Familienversicherung (Fami-Meldegrundsätze) des GKV- Spitzenverbandes vom 28.06.2011 in der Fassung vom 02.12.2015 korrespondieren dem Ergebnis der Fachkonferenz Beiträge des GKV- Spitzenverbandes vom 08.04.2014 nicht. Zur Prüfung der Voraussetzungen des Bestehens einer Familienversicherung sind nach den Vorschriften der Fami-Meldegrundsätze Vordrucke nach deren Anlagen zu verwenden. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 der Fami-Grundsätze statuiert, dass bei Ehegatten eine Erklärung auf dem Vordruck der Anl. 1 oder Anl. 2 als Nachweis in Betracht kommt. In Anl. 1 (für die Prüfung der Aufnahme in die Familienversicherung) wird – für die verschiedenen Einkommensarten einheitlich – nach den aktuellen monatlichen Verhältnissen bzw. seit (potentiellem) Beginn der Familienversicherung gefragt; Anl. 2 (zur Überprüfung der Familienversicherung) fordert – wiederum für alle Einkommensarten gleichermaßen – zur Angabe des monatlichen Einkommens ab dem überprüften Zeitpunkt auf. Nach Abs. 3 des § 5 ist das "Gesamteinkommen" (nach § 10 Abs. 3 SGB V) durch "geeignete Nachweise zu belegen". Bei Zweifeln, ob die Voraussetzung für die Durchführung der Familienversicherung vorliegen, hat die Krankenkasse gemäß § 5 Abs. 6 Fami-Meldegrundsätze weitere Beweismittel anzufordern. Als solche kommen insbesondere Einkommensnachweise oder sonstige Unterlagen oder Belege in Betracht. Insofern wird eine Beschränkung des Nachweises des Gesamteinkommens im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 HS 1, Abs. 3 SGB V i.V.m. § 16 IV allein durch den letzten Einkommensteuerbescheid gerade nicht statuiert. Das gilt für Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und Einkommen aus Vermietung und Verpachtung ebenso wie für andere Einkommensarten. 40d) Für die Ansicht, das im Rahmen der Feststellung der Familienversicherung zu ermittelnde Gesamteinkommen (aus Vermietung und Verpachtung/ Arbeitseinkommen) könne nur mit dem amtlichen Einkommensteuerbescheid nachgewiesen werden, spricht prima facie die Rechtsprechung des Zwölften Senates des BSG zur Feststellung des Arbeits- bzw. Gesamteinkommens für die Beitragsfestsetzung selbstständig Erwerbstätiger bzw. bei Vermietern und Verpächtern. 41aa) Mit Urteil vom 02. September 2009 (B 12 KR 21/08 R –, BSGE 104, 153-160, SozR 4-2500 § 240 Nr 12, Rn. 15 ff.) entschied der Zwölfte Senat des BSG, dass bei der Beitragsbemessung Selbstständiger, die Anknüpfung des § 240 Abs. 4 S. 2 SGB V (in der bis zum 31.12.2017 gültigen Fassung) über den Begriff des Arbeitseinkommens aus § 15 SGB IV an das Steuerrecht es nahe lege, auch hinsichtlich der Frage, wie die Höhe dieser Einnahmen nachgewiesen und in welchem Umfang Änderungen bei bereits verbindlich festgestellten Einnahmen Rechnung getragen werden könne, möglichst weitgehend mit den Gegebenheiten des Einkommensteuerrechts sowie mit dem Verwaltungsverfahren der Finanzverwaltung und dessen Ergebnissen in Übereinstimmung zu bringen. Dies diene auch der kostensparenden Verwaltungsvereinfachung der Krankenkassen (grds.). Die Notwendigkeit, den Einkommensteuerbescheid zugrundezulegen, folge hinsichtlich des Nachweises der Höhe der Einnahmen schon aus den Besonderheiten bei der Ermittlung des Gewinns als beitragspflichtiger Einnahme. Bei hauptberuflich Selbstständigen könnten die tatsächlich erzielten Einnahmen und insbesondere der Gewinn, anders als bei Arbeitnehmern, in der Regel nur zeitversetzt zugrunde gelegt werden. Erst mit diesem Zeitpunkt stünden den Krankenversicherungsträgern, die über keine eigenen Ermittlungs- und Feststellungsmöglichkeiten verfügten, Daten zur Verfügung, auf deren Grundlage sie gegebenenfalls am Beginn der Berufslaufbahn zunächst vorläufig festgesetzte Beträge endgültig feststellen könnten und auf die ausgehend von einer ihrerseits auf einer verlässlichen Grundlage basierenden Prognose im Regelfall eine endgültige Beitragsfestsetzung für die Zukunft zulässig gestützt werden könne. Dann könne für den Nachweis einer Änderung des Gewinns als Grundlage der Beitragsbemessung nichts anderes gelten. Auch eine Änderung sei erst nachgewiesen, wenn sie aufgrund eines neuen Einkommensteuerbescheides feststehe. Vorauszahlungsbescheide könnten im Beitragsrecht der Sozialversicherung keine Berücksichtigung finden. Seine frühere Rechtsprechung, wonach auch von einem Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater aufgestellte Gewinn- und Verlustrechnungen oder Bilanzen zur Nachweisführung ausgereicht hatten (BSG, Urteil vom 09. Februar 1993 – 12 RK 69/92 –, SozR 3-2500 § 240 Nr 14, Rn. 19; BSG, Urteil vom 27. November 1984 – 12 RK 70/82 –, BSGE 57, 240-247, SozR 2200 § 180 Nr 20, Rn. 36) gab der Zwölfte Senat des BSG auf. Diese seien im Ergebnis nichts anderes als Schätzungen, die allenfalls vorläufige Beitragsfestsetzungen zuließen, die später aufgrund neuer Erkenntnisse wiederholt werden müssten (BSG Urteil vom 02. September 2009 (B 12 KR 21/08 R –, BSGE 104, 153-160, SozR 4-2500 § 240 Nr 12, Rn. 17). Soweit der Erste Senat für das Leistungsrecht des Krankengeldes (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR 11/06 R –, BSGE 98, 43-48, SozR 4-2500 § 47 Nr 7, Rn. 11 ff.) einerseits nach den Vorgaben des § 47 Abs. 4 S. 2 SGB V entschieden habe, dass das für die Leistungsbemessung maßgebliche Regelentgelt bei freiwillig versicherten Selbstständigen grundsätzlich und in aller Regel der zuletzt maßgeblichen Beitragsbemessungsgrundlage entspreche, deren Höhe "verwaltungspraktikabel" durch den Steuerbescheid nachgewiesen werde, andererseits Ausnahmefälle, bei denen es konkrete Anhaltspunkte dafür gebe, dass der zuletzt der Beitragsbemessung zugrunde liegende Betrag erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Versicherten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entspreche und insofern die Heranziehung weiterer Beweismittel in Erwägung ziehe, betreffe dies nur das Leistungsrecht der Krankenversicherung und nicht deren eigenständiges Beitragsrecht (BSG Urteil vom 02. September 2009 (B 12 KR 21/08 R –, BSGE 104, 153-160, SozR 4-2500 § 240 Nr 12, Rn. 18). 42Bei einer konsequenten Orientierung an dieser Rechtsprechung verstießen die Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst entrichteten Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) (in der bis 31.12.2017 gültigen Fassung; für die Zeit ab.01.01.2018 siehe die Siebte Änderung der Beitrags Verfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 15.11.2017) - ohne dass dies vertreten würde - insoweit gegen formelles Recht, als dort Ausnahmen (zu Gunsten des Versicherten) bei "unverhältnismäßigen Belastungen" zugelassen wurden (§ 7 Abs. 7a i.V.m. § 6 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 3a). 43bb) Mit Urteil vom 30.10.2013 (B 12 KR 21/11 R –, SozR 4-2500 § 240 Nr 19, Rn. 21 ff.) erstreckte der Zwölfte Senat seine Auffassung auf die Beitragsbemessung bei Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (nicht hauptberuflich Selbstständiger). Dem stehe die Hervorhebung der Nachweispflicht für hauptberuflich selbstständig tätige Versicherte in § 240 Abs. 4 S. 6 i.V.m. S. 2 SGB V (in der bis 31.12.2017 gültigen Fassung) nicht entgegen. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung seien dadurch gekennzeichnet, dass sie – ähnlich wie dies bei Einnahmen selbstständig Tätiger der Fall sei - erheblichen Schwankungen unterliegen könnten. Ob, in welchem Umfang und welcher Person Miet- und Pachteinkünfte einschließlich darauf bezogener einkommensmindernder Aufwendungen zuzurechnen seien, sei für Zwecke der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter zuverlässig allein dem die Person des Versicherten betreffenden Einkommensteuerbescheid zu entnehmen. Im Falle gemeinsam veranlagter Ehegatten ergäben sich nur aus dem Einkommensteuerbescheid die jeweils maßgeblichen Beträge. Den Krankenkassen fehle das Instrumentarium zur Ermittlung des für die Beitragsbemessung maßgeblichen Einkommens freiwillig Versicherter, welches verwaltungsmäßig rechtssicher und dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung tragend durchführbar wäre und welches ohne unzumutbare Benachteiligung des Personenkreises verwirklicht werden könnte. Die alleinige Maßgeblichkeit des Einkommensteuerbescheides zum Nachweis des aus Vermietung und Verpachtung folgenden Gewinns ergebe sich auch aus der im Gesetz angelegten Parallelität von sozialversicherungs– und steuerrechtlicher Einkommensermittlung. In den Gesetzesmaterialien zu § 15 Abs. 1 S. 2 SGB IV werde betont, dass der Gewinn unverändert aus dem Steuerbescheid zu entnehmen sei, um so eine Verwaltungsvereinfachung zu erreichen (vgl. BT-Drs.- 12/5700, S. 92; während BT-Drs- 12/3937; S. 17 zu § 240 SGB V wo zum Nachweis des Arbeitseinkommens Selbstständiger die Vorlage eines Einkommensteuerbescheides lediglich als ein Beispiel angeführt wird: Dies habe nach BSG, a.a.O., Rn. 18 jedoch keinen Niederschlag im Gesetz gefunden). In Bezug auf das Gesamteinkommen im Sinne des § 16 SGB IV könne nichts anderes gelten als hinsichtlich des Arbeitseinkommens im Sinne des § 15 (Abs. 1) SGB IV. Der Nachweis des Gesamteinkommens bzw. jedenfalls der darin enthaltenen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung über den letzten Einkommensteuerbescheid gewährleiste letztlich auch, dass verheiratete Versicherte sich die im Gegensatz zum Sozialversicherungsrecht mögliche Zusammenveranlagung mit der Möglichkeit eines interpersonellen Verlustausgleiches nicht dort zum Vorteil machten, ohne hier die Nachteile zu tragen. Ein beitragsrechtlich unzulässiger vertikaler Verlustausgleich läge vor, ließe man es zu, die bereits beim Ehemann einer Versicherten in dessen Gewerbebetrieb anlässlich der Hausmodernisierung anfallenden und bei ihm steuerrechtlich – denkbar sogar bereits im Rahmen der Bemessung seiner eigenen Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung – einkommensmindernd berücksichtigten Aufwendungen anschließend "umzubewerten" und beitragsrechtlich bei der Versicherten als Aufwendungen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mindernd in Ansatz zu bringen. 44Nachdem der Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.01.2018 für die Festsetzung von Beiträgen aus Arbeitseinkommen (Gewinn aus selbständigen Tätigkeit) und Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in § 240 Abs. 4 Buchst. a S. 1 HS 1, S. 3, 6 SGB V festgelegt hat, dass zunächst eine vorläufige Entscheidung auf Grundlage des letzten Einkommensteuerbescheides zu erfolgen hat, bevor eine endgültige Festsetzung für das Kalenderjahr auf Grundlage des für das Jahr erlassenen Einkommensteuerbescheides vorzunehmen ist (vgl. BT-Drs. 18/11205, S. 71-73), verliert diese Rechtsprechung zukünftig Relevanz und ist die Tatbestandswirkung des Einkommenssteuerbescheides für die Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit und Vermietung und Verpachtung freiwillig Versicherter im Beitragsrecht der Gesetzlichen Krankenversicherung gesetzlich angeordnet. Allerdings gilt § 240 Abs. 4 Buchst. a S. 1 SGB V gem. § 46 KVLG in der Krankenversicherung der Landwirte nicht. 45e) Auch wenn die Argumentation – ausgehend vom auch im Rahmen des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 (und Abs. 3) SGB V verwendeten Begriff des Gesamteinkommens (i.S.d. § 16 SGB IV) - zunächst dogmatisch übertragbar scheint, ist jedoch festzustellen, dass das BSG – auch der Zwölfte Senat - bezogen auf die Feststellung der Familienversicherung gerade abweichend verfahren ist. Anders ist nicht zu erklären, dass das BSG rückwirkende Feststellungen des Entfalles der Familienversicherung auch insoweit akzeptiert hat, als die Feststellung Zeiträume betraf, für die ein Einkommenssteuerbescheid vorgelegt wurde und hierbei eine Auswirkung des vorgelegten Einkommensteuerbescheides – trotz der für erforderlich gehaltenen prognostischen Betrachtung - jedoch nicht erst für die Zukunft angenommen hat, sondern für das jeweilig beschiedene Kalenderjahr (BSG, Urteil vom 07. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R –, SozR 3-2500 § 10 Nr 19, SozR 3-2400 § 15 Nr 8, Rn. 2 und 12 (Einkommen aus Kapitalvermögen); BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R –, Rn. 17, juris (Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit); vgl. auch: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 2013 – L 11 KR 1983/12 –, Rn. 2-4, 30, juris; Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 10 SGB V, Rn. 42 mit Fußnote 123). 46Soweit die Entscheidungen des BSG weder einen Sachverhalt mit Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit noch aus Vermietung und Verpachtung betrafen, zeigt die fehlende Aufgabe dieser Rechtsprechung mit den Entscheidungen des Zwölften Senates vom 02.09.2009 und 30.10.2013 (a.a.O.) gleichwohl zutreffend, dass die Verbindung der Begriffe des Arbeitseikommens bzw. des Gesamteinkommens über §§ 15 Abs. 1 S. 1, 16 Halbsatz 1 SGB IV mit dem Einkommensteuerrecht eben nicht zwingend dem vom Finanzamt insoweit bereits festgesetzten Einkommen gleichsteht und der Nachweis des prognostischen Arbeits- bzw. Gesamteinkommens nicht notwendigerweise nur über den letzten Einkommensteuerbescheid möglich sein kann (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Oktober 2009 – L 5 KR 109/08 –, Rn. 22, juris). Dies lässt sich insbesondere am Wortlaut des § 16 SGB IV erkennen, wonach das Gesamteinkommen schlicht als die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts definiert wird, dass neben dem Arbeitseinkommen (als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit – vgl. § 15 SGB IV) gleichermaßen insbesondere auch Arbeitsentgelt, also Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit (§ 14 SGB IV) umschließt. Eine rechtsdogmatische Unterscheidung des Arbeitseinkommens bzw. des ebenfalls erfassten Einkommens aus Vermietung und Verpachtung einerseits und des Arbeitsentgeltes o.ä. andererseits, die eine Unterscheidung bei der Ermittlung der Höhe gebietet, besteht insofern nicht. 47§ 16 SGB IV nimmt eine Verweisung auf das im Einkommenssteuergesetz (EStG) definierte und damit umschriebene Einkommen vor. Damit sind die Einkunftsarten beschrieben und deren steuerliche Behandlung, einschließlich steuerlicher Vergünstigungen (BSG, Urteil vom 22. Mai 2003, B 12 KR 13/02 R = SozR 4-2500 § 10 Nr. 2). Dies führt dazu, dass für das Sozialversicherungsrecht kein neuer Einkommensbegriff definiert werden muss, sondern dass im Steuerrecht und im Sozialversicherungsrecht ein einheitlicher Einkommensbegriff zugrunde gelegt wird (Fischer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 16 SGB IV, Rn. 13, 17). Die Regelung führt dazu, dass hinsichtlich der Bedeutung des Einkommens für die Sozialversicherungspflicht, die Familienversicherung oder die Beitragshöhe keine eigenständige sozialversicherungsrechtliche Betrachtung vorzunehmen ist, sondern dass insoweit das Einkommenssteuerrecht und das Sozialversicherungsrecht parallel kalibriert sind. Die Art und die Höhe der Einkünfte leiten sich aus dem Steuerrecht ab und sollen für die Frage der Familienversicherung nicht neu ermittelt werden (BT-Drucks. 12/ 5700 Seite 92 zu Art. 3 Nr. 2 für das Arbeitseinkommen nach § 15 SGB IV). 48Diese Parallelität zwischen Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht geht jedoch nicht so weit, dass die Festsetzungen der Finanzbehörden für die Tatbestände der Sozialversicherung ohne ausdrückliche Anordnung verbindlich wären (BSG, Urteil vom 6. August 1997, 3 RK 25/86, SozR 2200 § 205 Nr. 63; Zieglmaier, Kass-Komm, SGB V, § 15, Rn. 30 ff.). Vielmehr ist § 16 SGB IV lediglich eine Begriffsdefinition, die die Einkunftsarten und deren Umfang umschreibt, nicht aber eine konkrete Zuordnung vornimmt. Eine derartige Zuordnung ist weder vom Gesetzgeber gewollt gewesen (BT-Drucks. 7/4122, S. 32 zum Gesetzentwurf zum SGB IV vom 23. Dezember 1976) noch ließe sie sich rechtsdogmatisch konstruieren. Denn sie hätte zur Voraussetzung, dass die steuerliche Festsetzung eine Tatbestandswirkung für die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen – hier den Anspruch auf Familienversicherung – entfaltet. Eine derartige Tatbestandswirkung muss jedoch – auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung - im Gesetz selbst angelegt sein (BSG, Urteil vom 30. September 1997 – 4 RA 122/95, NZS 1998, S. 182 (183); Zieglmaier, Kass-Komm, SGB V, § 15, Rn. 31 m.w.Nachw.). Dies ist bei § 16 SGB IV (und § 15 SGB IV) nicht der Fall. Allein die Aussage, dass das Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommenssteuerrechts ist, sagt nichts darüber aus, dass den Festsetzungen des Finanzamtes hinsichtlich der Höhe oder der personellen Zuordnung des ermittelten Einkommens vergangener Zeiträume im sozialversicherungsrechtlichen Zusammenhang Feststellungswirkung für eine zukünftige Prognose zukäme (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Oktober 2009 – L 5 KR 109/08 –, Rn. 22, juris; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. September 2016 – L 5 KR 52/16 –, Rn. 24, juris; SG Aachen, Urteil vom 14. April 2011 – S 2 KR 271/10 –, Rn. 18 ff., juris; SG Karlsruhe, Urteil vom 03. Juni 2008 – S 7 KR 2483/07 –, Rn. 21, juris; Zieglmaier, a.a.O.). Dies zeigt sich – wie dargelegt – auch in der Rechtsprechung des Zwölften Senates des BSG (a.a.O.). 49Dies stellt nicht in Abrede, dass den Einkommenssteuerbescheiden eine herausragende Indizwirkung (aber eben keine Tatbestandswirkung) zukäme. Soweit keine Anhaltspunkte für eine Änderung der (wirtschaftlichen) Verhältnisse bestehen bzw. dem Versicherten eine von der letzten Feststellung im Einkommensteuerbescheid konkret nachvollziehbar abweichende Prognose nicht gelingt, ist es nicht zu beanstanden, die Erfassung zukünftigen Arbeitseinkommens bzw. Einkommens aus Vermietung und Verpachtung (auch) bei Statusentscheidungen auf den letzten Einkommensteuerbescheid zu stützen (in diesem Sinne BSG, Urteil vom 04. Juni 1981 – 3 RK 5/80 –, SozR 2200 § 205 Nr 41, Rn. 30 f.; BSG, Urteil vom 30. September 1997 – 4 RA 122/95, NZS 1998, S. 182 (183); Fischer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 15 SGB IV, Rn. 55; Zieglmaier, a.a.O., Rn. 33). Je älter der letzte Einkommensteuerbescheid indes ist, desto mehr wird seine Indizkraft dabei abnehmen. 50f) Soweit die Zugehörigkeit des Arbeitsentgeltes und des Arbeitseinkommens (im Sinne des § 15 SGB IV) ohne Differenzierung hinsichtlich der Ermittlung dem Gesamteinkommen zugeschrieben werden, hinsichtlich des Arbeitsentgeltes (§ 14 SGB IV) eine Tatbestandswirkung des letzten Einkommensteuerbescheid aber nicht vertreten wird (vgl. nochmals beispielhaft BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R –, Rn. 17, juris), wird in diesem Sinne verdeutlicht, dass keine rechtsdogmatischen, sondern im Kern praktische Gesichtspunkte für das (strikte) Abstellen auf den letzten Einkommensteuerbescheid bei der Festsetzung und personellen Zuordnung der Beiträge aus Arbeitseinkommen und Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sprechen und die oben dargestellte Rechtsprechung des Zwölften Senates tragen; eine Feststellungswirkung des letzten Einkommensteuerbescheides für das prognostische Arbeits– oder Gesamteinkommen besteht nicht. 51aa) Praktische Gesichtspunkte können zwar für die Rechtsanwendung insoweit bedeutsam werden, als eine Umsetzung des Rechts möglich bleiben muss, damit es Geltung entfalten kann (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 27. Juni 2018 – 1 BvR 100/15 –, Rn. 17, juris m.w.N. vgl. auch BSG 30.10.2013 - B 12 KR 21/11 R –, SozR 4-2500 § 240 Nr 19, Rn. 23). Bei der Ermittlung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit und Vermietung und Verpachtung bei der Festsetzung von Beiträgen nach § 240 SGB V (in der bis zum 31.12.2017 gültigen Fassung) einerseits und bei Statusfeststellungen (nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 3 SGB V) bestehen insoweit jedoch bedeutsame Unterschiede. Der Zwölfte Senat des BSG hat seine oben dargelegte (d) Rechtsprechung insofern ausdrücklich auf das Beitragsrecht begrenzt (Urteil vom 02. September 2009 - B 12 KR 21/08 R –, BSGE 104, 153-160, SozR 4-2500 § 240 Nr 12, Rn. 18). 52Im Rahmen des Beitragsrechtes war/ist nach § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitgliedes berücksichtigt. Entsprechend hat der Zwölfte Senat seine Auffassung, dass das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit bei der Beitragsbemessung nur anhand des letzten Einkommensteuerbescheides festgesetzt werden kann damit begründet, dass Gewinn – und Verlustrechnungen, Bilanzen oder Vorauszahlungsbescheide letztlich nichts anderes als Schätzungen seien, die allenfalls eine vorläufige Beitragsfestsetzung zuließen (BSG, Urteil vom 02. September 2009 – B 12 KR 21/08 R –, BSGE 104, 153-160, SozR 4-2500 § 240 Nr 12, Rn. 17). Hierzu in praktischem Spannungsverhältnis stand die zur Rechtslage bis zum 31.12.2017 vertretene Auffassung, dass das Gesetz (§ 240 Abs. 4 S. 5 SGB V in der bis zum 31.12.2017 gültigen Fassung) davon ausgehe, dass Beitragsfestsetzungen zukunftsbezogen endgültig waren (vgl. BSG, a.a.O.). Denn sind prospektive Entwicklungen gerade beim Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit und Einkommen aus Vermietung und Verpachtung einerseits in besonderem Maße von Unsicherheiten geprägt, ist die (exakte) Erfassung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit andererseits nicht möglich. Dem Gesetzesauftrag des § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V konnte/kann insoweit ohnehin nur zeitversetzt Rechnung getragen werden (vgl. BSG a.a.O., Rn. 16). Dem trägt § 240 Abs. 4 Buchst. a SGB V in der seit 01.01.2018 gültigen Fassung nunmehr durch eine vorläufige Beitragsbemessung Rechnung. Dann aber lag es bereits vor der seit Januar 2018 gültigen Rechtslage zur praktikablen Auflösung des Spannungsverhältnisses nahe, sich in Bezug auf die zu bildenden Zeitabschnitte an den Ermittlungen und Entscheidungen der Finanzämter zu orientieren und so einen doppelten Verwaltungsaufwand (so BSG, a.a.O., Rn. 17) zu vermeiden. 53Bei Feststellung der Familienversicherung als Statusentscheidung ist dem kontrastierend de lege lata gerade eine Prognose zu treffen (BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R –, Rn. 25; vgl. hierzu III. 1. m.w.N.). Eine exakte Bestimmung des Gesamteinkommens (wie bei § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V) durch die Krankenkassen ist hiernach von vorne herein nicht zu verlangen. Unter praktischen Gesichtspunkten weiterhin bedeutsam ist, dass selbst die Abschätzung des Gesamteinkommens auf keinen konkreten Betrag zu validieren ist, weil es allein um die Überschreitung eines Grenzwertes geht. In einer großen Zahl der Fälle - auch im vorliegenden (siehe hierzu 3.) - wird das Ergebnis offensichtlich sein (zur absoluten Zahl der Familienversicherten: Fischer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 16 SGB IV, Rn. 14). Im Falle des § 10 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 SGB V konkret ist allein die prognostische Überschreitung einer überschaubaren Einkommensgrenze nötig. Der Verwaltungsaufwand – gesteuert durch die Ermittlungsregelungen der Fami-Meldegrundsätze und unter Rückgriff auf die Festsetzungen der letzten Einkommenssteuerbescheide als gewichtigem Indiz – ist danach in keiner Weise mit der Ermittlung des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit und Vermietung und Verpachtung im Beitragsrecht (auf Grundlage der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung des § 240 Abs. 4 SGB V) zu vergleichen. 54bb) Die Unzulässigkeit eines vertikalen Verlustausgleiches (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 21/11 R –, SozR 4-2500 § 240 Nr 19, Rn. 28; BSG, Urteil vom 23. Februar 1995 – 12 RK 66/93 –, BSGE 76, 34-39, SozR 3-2500 § 240 Nr 19, Rn. 14) kann bei der anzustellenden Prognose ohne weiteres berücksichtigt werden. Die Gefahr der vertikalen "Umbewertung" von einkommensmindernd zu berücksichtigen Aufwendungen bei Ehegatten besteht insoweit nicht, wie – auch im Falle der gemeinsamen Veranlagung nach § 26 Buchst. b EStG - der Grundsatz der Individualbesteuerung unberührt bleibt und das Einkommen insofern grds. zunächst für jeden Ehegatten gesondert ermittelt wird. Dies verlangt im Ausgangspunkt eine feststehende personelle Zuordnung von einkommensmindernd zu berücksichtigenden Aufwendungen (BFH v. 5.8.1986 - IX R 13/81, BStBl. II 1987, 297 (300) = FR 1987, 268; Seiler in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 26b EStG, Rn. 3 f. m.w.N. zu Einzelfällen der Möglichkeit zu interpersonellen horizontalen und vertikalen Verlustausgleichen; vgl. Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 152. Lieferung 04.2018, § 149 AO, Rn. 6; Fischer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 15 SGB IV, Rn. 72). Die Gefahr, dass eine Ungerechtigkeit entstünde, weil das beitragspflichtige Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und/oder Einkommen aus Vermietung und Verpachtung bei dem freiwillig gesetzlich Versicherten dem Einkommensteuerbescheid trotz personell falscher Zuordnung zum Ehegatten zu entnehmen ist, der sich andererseits im Rahmen der Feststellung der Voraussetzungen für die Familienversicherung von der Tatbestandswirkung des Einkommenssteuerbescheides lossagen könnte, spricht nicht generell gegen die – spätestens seit Januar 2018 im Gesetz angelegte - Tatbestandswirkung hier und ihr Fehlen dort. Die Gefahr einer Ungerechtigkeit im Sinne einer nicht vollständigen Erfassung der Leistungsfähigkeit des Hauptversicherten beruht nicht auf der zutreffenden Beurteilung des Einkommens des Familienmitgliedes im Rahmen der Feststellung der Familienversicherung, sondern ist der Gefahr einer falschen, zu niedrigen Feststellung des Einkommens durch die Finanzbehörden immanent. Sie kann sich – ganz unabhängig vom Vorhandensein eines (potentiell) Familienversicherten – realisieren. Für den vorliegenden Fall konkret entsteht eine Beitragsungerechtigkeit (auf Seiten des Ehemannes der Klägerin) schon deshalb nicht, weil der Ehemann der Klägerin auch unter Annahme des hälftigen Einkommens aus Vermietung und Verpachtung Beiträge zur gesetzlichen Kranken – und Pflegeversicherung nach der Beitragsbemessungsgrenze entrichtet hat. Auf der anderen Seite wäre bei von vornherein zutreffender Beurteilung der Einkommenszuordnung durch das Finanzamt (siehe hierzu sogleich 3.) zwischen den Beteiligten nicht in Streit geraten, dass die Klägerin familienversichert war. 55Wollte man umgekehrt dem zum Zeitpunkt der Überprüfung aktuellsten Einkommensteuerbescheid Tatbestandswirkung für die Beurteilung der Familienversicherung beimessen, stünde es den Versicherten frei, die Dauer des Bestehens der Familienversicherung durch ihre Mitwirkung im Verfahren der Steuerbescheidung zu beeinflussen. So kann der Familienversicherte schon die Fristen zur Steuererklärung gemäß § 149 Abs. 1, 3 Abgabenordnung (AO) – die mit Wirkung zum Steuerjahr 2018 (durch BestVModG v. 18.7.2016, BGBl. I 2016, 1679 [1694]) verlängert worden sind – ausschöpfen und durch eine ggfs. weiterhin erforderliche Mitwirkung weiter in die Länge ziehen, soweit er weiß, dass das Einkommen des Veranlagungsjahres nunmehr die Einkommensgrenzen für die Familienversicherung übersteigen wird, während er im umgekehrten Fall seine Steuererklärung möglichst frühzeitig und vollständig einreichen wird. Durch die prospektive Beurteilung der Familienversicherung als Statusentscheidung steht dem – im Gegensatz zum Verfahren nach § 240 Abs. 4 Buchst. a SGB V in der seit Januar 2018 gültigen Fassung – keine Möglichkeit der Korrektur im Rahmen einer endgültigen Entscheidung gegenüber. Ohnedies ist die Abbildung der Aktualität der Einkommensverhältnisse von den erheblich divergierenden Bearbeitungszeiten der Finanzämter abhängig. 563. Entfaltet nach diesen Grundsätzen (u. a.) die personelle Zuordnung des Einkommens des letzten Einkommenssteuerbescheides für die Zuordnung auch eines Einkommens aus Vermietung und Verpachtung keine Tatbestandswirkung für die Feststellung der Familienversicherung nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V, ist es nicht maßgeblich, dass die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011-2014 – auf Seiten der Klägerin Einkommen aus Vermietung und Verpachtung bebauter Grundstücke auswiesen, die die Einkommensgrenze deutlich überstiegen. 57Denn bei prognostischer Betrachtung auf Grundlage der tatsächlichen Verhältnisse bei Beginn des und zu jedem denkbaren Beurteilungszeitpunkt des streitgegenständlichen Zeitraumes erzielte die Klägerin keine Einkünfte i. S. d. Einkommensteuerrechts (vgl. § 16 SGB IV). Dies wird durch die Korrektur der bestandskräftigen Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2012-2014 mit Bescheiden vom 22.11.2017 durch das Finanzamt bestätigt. 58a) Unerheblich ist insoweit, ob die Voraussetzungen der Ermächtigungs–/Anspruchsgrundlage nach § 173 AO tatsächlich vorlagen, oder mit der Ansicht der Beklagten dies nicht der Fall war. Gleichwohl ist anzumerken, dass die Beklagte sich widersprüchlich verhält, soweit sie einerseits – ohne gesetzliche Legitimation - den (aktuellsten) Einkommensteuerbescheiden (zukunftsgerichtet) Tatbestandswirkung für die Beurteilung des Gesamteinkommens nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V beimessen möchte, sich andererseits dazu berufen sieht, die die Voraussetzungen des § 173 AO selbst zu prüfen und Einkommenssteuerbescheiden, die auf einer – aus ihrer Sicht - unzutreffenden Anwendung des § 173 AO basieren, offenbar grundsätzlich (auch zukunftsgerichtet) die Anerkennung versagen möchte. Die inkonsistente Praxis der Krankenkassen (vgl. III 2. c) spiegelt sich im Verhalten der Beklagten zudem insofern, als sie zunächst das Verfahren der Korrektur der Steuerbescheide als entscheidungserheblich beurteilte, diese Ansicht nach Erlass der Korrekturbescheide jedoch aufgegeben hat. 59b) In den Korrekturbescheiden findet jedenfalls zutreffend Ausdruck, dass die der Klägerin zunächst zugeordneten Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung einkommensteuerrechtlich tatsächlich Einnahmen ihres Ehemannes waren. 60Ehegatten, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht getrennt leben, können eine getrennte-, eine Zusammenveranlagung oder eine besondere Veranlagung wählen (§ 26 EStG). Dieses Wahlrecht besteht unabhängig von dem Güterstand der Ehegatten. Bei der Zusammenveranlagung werden die Ehegatten gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt (§ 26b EStG). Zunächst werden aber auch hier die Einkünfte für jeden der beiden Ehegatten gesondert festgestellt (s. 2. f). Für die Zuordnung der Einkünfte ist im Einzelfall entsprechend der jeweiligen Einkunftsart ggfs. zu prüfen, welche konkrete Verteilung die Ehegatten vereinbart haben (BSG, Urteil vom 10. November 1982 – 11 RK 1/82 –, BSGE 54, 173-176, SozR 5420 § 32 Nr 5 für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb) Fischer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 15 SGB IV, Rn. 72 f.). Die Erwerbsgemeinschaft der Ehe (i.d.R. Zugewinngemeinschaft (Gütertrennung mit Zugewinnausgleich bei Beendigung des Güterstandes), vorliegend Gütertrennung) hat keine unmittelbaren Folgen für die Zurechnung der Einkünfte (Kirchhof in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 2 EStG, Rn. 75) 61Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt nach Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, wer die rechtliche oder tatsächliche Macht hat, die Immobilie einem anderen gegen Entgelt zur Nutzung zu überlassen und der Träger der Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag ist. Dieser "erzielt" die Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Nicht maßgebend ist, ob ein Steuerpflichtiger rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer des Mietobjekts ist und wem letztlich das wirtschaftliche Ergebnis der Vermietung zugute kommt (BFH, Urteil vom 19. Februar 2013 – IX R 31/11 –, Rn. 15, juris; BFH vom 23. September 2003 IX R 26/99, BFH/NV 2003, 476; BFH vom 15. Dezember 2009 IX R 55/08, BFH/NV 2010, 863 m.w.N.; BFH vom 29. April 2008 VIII R 98/04, BStBl II 2008, 749, 751; BFH vom 5. Juni 2008 IV R 79/05, BStBl II 2009, 15, 20; BFH, Urteil vom 30. Juni 1999 – IX R 83/95 –, BFHE 190, 82, Rn. 11; Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 K 1628/10 –, juris; Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 K 1628/10 –, Rn. 28, juris; Kirchhof in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 2 EStG, Rn. 72). 62Miteigentümer (§§ 1008 ff., 741 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) oder Mitgesellschafter (z. B. § 705 BGB) können, müssen aber hiernach nicht gemeinschaftlich Einkünfte aus Vermietung erzielen. Es bleibt entscheidend, ob mehrere Personen in ihrer gemeinschaftlichen Verbundenheit den Tatbestand der Erzielung von Einkünften verwirklichen. Es reicht nicht aus, auf das ggf. nur intern wirkende Einverständnis eines Miteigentümers mit der Verwaltung durch den anderen abzustellen; maßgeblich ist, ob mehrere Miteigentümer durch den Mietvertrag berechtigt und verpflichtet werden (BFH, Urteil vom 25. Juni 2002 – IX R 55/99 –, Rn. 9, juris). Dies hat zur Folge, dass bei Miteigentum von Ehegatten nur dann gemeinschaftlich Einkünfte erzielt werden, wenn beide als Vermieter auftreten (Mellinghoff in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 21 EStG, Rn. 28). 63Zwar waren/sind die Klägerin und ihr Ehemann Miteigentümer der Immobilien, aus denen Einnahmen resultierten, die die Beklagte – entsprechend der unkorrigierten Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2011-2014 – der Klägerin zur Hälfte zuordnete. Jedoch "erzielte" allein der Ehemann der Klägerin die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im dargelegten Sinne des § 2 Absatz 1 S. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Er allein ist Vermieter der Wohnungen in den im Miteigentum der Klägerin stehenden Immobilien. Dies ist durch Vorlage der Mietverträge im Verfahren S 15 KR 45/18 ER belegt worden und unbestritten. Zudem fließen die Mietzahlungen auf ein Konto, dessen Inhaber allein der Ehemann der Klägerin war und ist. Selbst die Verwaltung der Gebäude oblag/obliegt alleine ihm. 64C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. | der bescheid vom 05.01.2017 in der fassung des bescheides vom 06.07.2017 in gestalt des widerspruchsbescheides vom 06.10.2017 wird aufgehoben. es wird festgestellt, dass die klägerin im zeitraum von januar 2013 bis einschließlich 07.02.2017 in der familienversicherung gesetzlich krankenversichert war. die beklagte trägt die außergerichtlichen kosten der klägerin dem grunde nach. 1 | 2die beteiligten streiten über die zugehörigkeit der klägerin zur gesetzlichen familienkrankenversicherung im zeitraum von januar 2013 bis 07.02.2017. 3der ehemann der klägerin ist bei der beklagten gesetzlich kranken– und pflegeversichert. er zahlte über den streitgegenständlichen zeiträume beiträge nach der beitragsbemessungsgrenze. das ehepaar lebt in gütertrennung. die eheleute sind miteigentümer mehrerer immobilien mit mietwohnungen. die mietverträge schloss/schließt allein der ehemann der klägerin. ihm oblag/obliegt die verwaltung der gebäude. die mietzahlungen werden und wurden auch im streitgegenständlichen zeitraum auf ein konto gezahlt, dessen inhaber allein der ehemann der klägerin war/ist. 4die im jahr 1960 geborene klägerin war bei der beklagten (seit eheschließung im februar 1989) in der familienversicherung gesetzlich kranken – und pflegeversichert, ohne dass dies durch verwaltungsakt festgestellt worden wäre. seit dem 08.02.2017 ist sie als rentenantragstellerin bzw. rentenbezieherin bei der beklagten kranken – (und pflegeversichert (bescheide vom 6. juni und 07.06.2017). über die höhe der beiträge als rentenantragstellerin wird in dem sozialgerichtlichen verfahren mit dem aktenzeichen s 15 kr 23/18 gestritten, in dem darüber hinaus die beitragsfestsetzungen für den hier streitgegenständlichen zeitraum streitgegenstand sind. 5im oktober 2015 begann die beklagte das fortbestehen der voraussetzungen für die familienversicherung der klägerin zu überprüfen. mit schreiben vom 06.10.2015 wies sie darauf hin, dass im falle einer eingetragenen gütergemeinschaft die erzielten einkünfte aus gewerbebetrieb, vermietung und verpachtung jedem ehegatten zur hälfte zuzurechnen seien. im rahmen der prüfung erklärte der ehemann der klägerin unter dem 04.10.2014, die klägerin erziele keine einkünfte. vorgelegt wurde der an die klägerin und deren ehemann gemeinsam gerichtete einkommensteuerbescheid für das jahr 2014 vom 21.10.2015. aus dem bescheid gingen einkünfte der klägerin aus vermietung und verpachtung bebauter grundstücke i.h.v. 28.268 eur hervor. 6mit schreiben vom 03.11.2016 wies die beklagte die klägerin darauf hin, dass nach den im einkommensteuerbescheid ausgewiesenen einnahmen die beitragsfreie familienversicherung beendet werden müsse, soweit die einnahmen aus vermietung und verpachtung nicht aus einem gemeinsam bewirtschafteten landwirtschaftlichen betrieb resultierten. 7unter dem 14.11.2016 führte der ehemann der klägerin aus, seine ehefrau habe während der gesamten ehezeit niemals eigene einnahmen gehabt. sie sei ausschließlich hausfrau und mutter. einnahmen aus vermietung und verpachtung habe lediglich er selbst. er alleine habe alle immobilien der familie erwirtschaftet und verwalte und vermiete diese. die einnahmen flössen sämtlich ausschließlich an ihn. sofern die klägerin miteigentümerin von immobilien geworden sei, sei dies nicht ausschlaggebend dafür, wem die einnahmen aus vermietung zuflössen. 8mit schreiben vom 22.11.2016 hörte die beklagte auf die klägerin zur absicht der beendigung der familienversicherung aufgrund des § 10 abs. 1 s. 1 nr. 5 sozialgesetzbuch fünftes buch - gesetzliche krankenversicherung (sgb v) mit wirkung zum 01.11.2015 an. das bundessozialgericht habe entschieden, dass auch im bereich der familienversicherung von den einkünften auszugehen sei, die nach einkommensteuerrechtlichen vorschriften ermittelt worden seien. entscheidend sei insofern das im einkommensteuerbescheid ausgewiesene einkommen. 9mit schreiben vom 06.12.2016 bezog sich die klägerin auf das schreiben ihres ehemannes vom 14.11.2016. es sei stetige rechtsprechung der sozial – und finanzgerichte, dass mieteinkünfte der person zuzuordnen seien, die die vermietertätigkeit ausübe. 10mit bescheid vom 05.01.2017 stellte die beklagte gegenüber der klägerin das ende der familienversicherung zum 31.10.2015 fest. anlass für diese beendigung sei die überschreitung der für die familienversicherung maßgebenden monatlichen einkommensgrenze (2015:415 eur, 2016:415 eur, 2017:425 eur). bei der feststellung des gesamteinkommens seien die einkünfte aus vermietung und verpachtung i.h.v. 2.355,67 eur (monatlich) berücksichtigt worden. maßgebend seien die einkünfte, die im einkommensteuerbescheid für das jahr 2014 vom 21.10.2015 ausgewiesen seien. 11hiergegen legte die klägerin anwaltlich vertreten am 20.01.2017 widerspruch ein. zwar sei die klägerin miteigentümerin zweier immobilien und habe hierdurch den entsprechenden teil der mieteinnahmen zu versteuern, sie habe diese jedoch nicht "erzielt". solche einkünfte erziele nur derjenige, der die rechtliche oder tatsächliche macht habe, eines der in § 21 abs. 1 einkommenssteuergesetz (estg) genannten wirtschaftsgüter anderen entgeltlich zu überlassen. 12nach beiziehung der einkommensteuerbescheide für die jahre 2011-2014 vom finanzamt der stadt b. und entsprechender anhörung vom 06.06.2017 "berichtigte" die beklagte mit bescheid vom 06.07.2017 ihren bescheid vom 05.01.2017 auf die feststellung des endes der familienversicherung zum 31.12.2012 unter hinweis auf § 45 abs. 2 s. 3 nr. 2 sozialgesetzbuch zehntes buch - sozialverwaltungsverfahren und sozialdatenschutz (sgb x). die klägerin habe bei den jährlichen überprüfungen der familienversicherung seit 2012 das vorhandensein von einkommen verneint. die nicht – anzeige der einkünfte aus vermietung und verpachtung sei zumindest als grob fahrlässig zu werten. 13mit bescheid vom 28.09.2017 teilte die beklagte mit, die klägerin werde für die zeit vom 01.01.2013 bis 07.02.2017 als freiwilliges mitglied geführt und setzte die beiträge zur gesetzlichen kranken – und pflegeversicherung fest. mit weiterem bescheid vom 13.11.2017 forderte die beklagte von der klägerin beiträge für den zeitraum von januar 2013 bis einschließlich dezember 2016 in höhe von knapp 20.000 eur. ein auf anordnung der aufschiebenden wirkung des hiergegen eingelegten widerspruches gerichtetes eilverfahren beim sozialgericht aachen (aktenzeichen s 15 kr 45/18 er) verlief für die klägerin erfolglos (ablehnender beschluss vom 18.05.2018). 14mit widerspruchsbescheid vom 06.10.2017 wies die beklagte den widerspruch gegen den bescheid vom 05.01.2017 in der fassung des bescheides vom 06.07.2017 als unbegründet zurück. der einkommensbegriff aus § 10 absatz 1 s. 1 nr. 5 sgb v stelle nach rechtsprechung des bsg über §§ 15 und 16 sozialgesetzbuch viertes buch – gemeinsame vorschriften für die sozialversicherung (sgb iv) volle parallelität von steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher einkommensermittlung her. im rahmen des – hinsichtlich der rücknahme des bescheides vom 05.01.2017 – auszuübenden ermessens, werde den interessen der versicherungsgemeinschaft höheres gewicht beigemessen. 15hiergegen hat die klägerin über ihre bevollmächtigte am 25.10.2017 klage erhoben. 16unter bezugnahme auf die begründung des widerspruches hat die klägerin korrigierte einkommenssteuerbescheide für die jahre 2012-2014 vom 22.11.2017 vorgelegt, nach denen sie keine einkünfte hatte. sämtliche mieteinnahmen sind hiernach dem ehemann der klägerin zugeordnet. 17die bevollmächtigte der klägerin beantragt, 1.den bescheid vom 05.01.2017 in der fassung des bescheides vom 06.07.2017 in gestalt des widerspruchsbescheides vom 06.10.2017 aufzuheben. 2.festzustellen, dass die klägerin im zeitraum von januar 2013 bis einschließlich 07.02.2017 in der familienversicherung gesetzlich krankenversichert war. 18der vertreter der beklagten beantragt, die klage abzuweisen. 19die beklagte ist der ansicht, die geänderten einkommensteuerbescheide vom 22.11.2017 könnten frühestens ab beginn des auf den erlass folgenden monates für die über das einkommen der klägerin anzustellende prognose herangezogen werden, also ab dem 01.12.2017. 20die beteiligten haben sich hinsichtlich des bestehens der familienversicherung der klägerin in der pflegeversicherung im streitgegenständlichen zeitraum dem ergebnis des vorliegenden verfahrens unterworfen. zudem haben sie sich hinsichtlich der streitgegenstände im verfahren s 15 kr 23/18 – hinsichtlich der frage, ob beiträge aufgrund eines einkommens der klägerin aus vermietung und verpachtung zu entrichten bleiben – dem ergebnis des vorliegenden verfahrens unterworfen. 21wegen der weiteren einzelheiten des sach – und streitverhältnisses wird auf die die gerichtsakte und die beigezogenen akten der beklagten, des finanzamtes h. und des eilverfahrens beim sozialgericht aachen mit dem aktenzeichen s 15 kr 45/18 er verwiesen. 22 | 23a. streitgegenstand des verfahrens ist allein die frage der zugehörigkeit der klägerin der gesetzlichen krankenversicherung (vgl. bsg, urteil vom 07. dezember 2000 – b 10 kr 3/99 r -, rn, juris, rn. 11; bsg, urteil vom 29. juni 2016 – b 12 kr 1/15 r –, sozr 4-2500 § 10 nr 12, rn. 11). 24b. die im wege der objektiven klagehäufung (§ 56 sozialgerichtsgesetz (sgg)) verfolgten klagebegehren sind zulässig. die statthaftigkeit des anfechtungsbegehrens folgt aus § 54 abs. 1 s. 1 alt. 1 sgg. der klageantrag zu 2) ist als feststellungsklage gemäß § 55 abs. 1 nr. 1 sgg statthaft. eine verpflichtungsklage ist nicht vorrangig. zwar hat der familienversicherte einen anspruch auf feststellung der familienversicherung gegenüber der krankenkasse. um die ablehnung eines entsprechenden antrages geht es jedoch vorliegend nicht. zudem besteht die familienversicherung kraft gesetzes (felix in: schlegel/voelzke, jurispk-sgb v, 3. aufl. 2016, § 10 sgb v, rn. 7). einer konstitutiven entscheidung der krankenversicherung bedarf es nicht. das erforderliche feststellungsinteresse ist bereits deshalb anzuerkennen, weil davon abhängt, ob - bei nichtbestehen der beitragsfreien familienversicherung - die (beitragspflichtige) freiwillige versicherung (vgl. § 188 abs. 4 sozialgesetzbuch fünftes buch - gesetzliche krankenversicherung (sgb v) aufrechterhalten wird und die festgesetzten beiträge zu entrichten bleiben. diesbezüglich (streitgegenstand im verfahren s 15 kr 23/18) haben sich die beteiligten dem ergebnis des vorliegenden rechtsstreites unterworfen (vgl. bsg, urteil vom 29. juni 1993 – 12 rk 48/91 –, bsge 72, 292-297, sozr 3-2500 § 10 nr 2, rn. 14; bsg, urteil vom 29. juni 2016 – b 12 kr 1/15 r –, sozr 4-2500 § 10 nr 12, rn. 11; bsg, urteil vom 29. juli 2003 – b 12 kr 16/02 r –, bsge 91, 190-197, sozr 4-2500 § 10 nr 3, rn. 15; schleswig-holsteinisches landessozialgericht, urteil vom 29. oktober 2009 – l 5 kr 109/08 –, juris). 25c. i. die klägerin, an die die streitgegenständlichen bescheide zutreffend gerichtet waren, ist rechtsinhaberin der familienversicherung (felix in: schlegel/voelzke, jurispk-sgb v, 3. aufl. 2016, § 10 sgb v, rn. 7). eine notwendigkeit ihren ehemann gemäß § 75 abs. 2 s. 1 alt. 1 sgg als stammversicherten beizuladen bestand insofern nicht (vgl. bsg, urteil vom 25. august 2004 – b 12 kr 36/03 r –, rn. 12, juris), da er gerade keine eigenen rechte und pflichten aus dem streitigen öffentlich-rechtlichen verhältnis zwischen den beteiligten hat. in seine rechtssphäre wird nicht eingegriffen (vgl. gall in: schlegel/voelzke, jurispk-sgg, 1. aufl. 2017, § 75 sgg, rn. 40, 45 m.w.n.) (a. a.: bsg, urteil vom 18. märz 1999 – b 12 kr 8/98 r –, sozr 3-1500 § 78 nr 3, sozr 3-2500 § 10 nr 15, rn. 20; felix a.a.o, rn. 56). 26ii. die klagen sind begründet. der bescheid vom 05.01.2017 in der fassung des bescheides vom 06.07.2017 in gestalt des widerspruchsbescheides vom 06.10.2017 ist rechtswidrig. im streitgegenständlichen zeitraum von januar 2013 bis 07.02.2017 bestand für die klägerin die familienversicherung der gesetzlichen krankenversicherung gemäß § 10 abs. 1 sozialgesetzbuch fünftes buch – gesetzliche krankenversicherung (sgb v). 27gemäß § 7 abs. 1 s. 1 des zweiten gesetzes über die krankenversicherung der landwirte (kvlg) gilt für die familienversicherung § 10 des fünften sozialgesetzbuches entsprechend. 28nach § 10 abs. 1 s. 1 sgb v sind in der familienversicherung versichert, u. a. der ehegatte eines mitgliedes der krankenversicherung, wenn er seinen wohnsitz oder gewöhnlichen aufenthalt im inland hat (nr. 1), nicht nach § 5 abs. 1 nr. 1, 2, 2 buchst. a, 3-8, 11-12 oder nicht freiwillig versichert ist (nr. 2), er nicht versicherungsfrei oder nicht von der versicherungspflicht befreit ist; dabei bleibt die versicherungsfreiheit nach § 7 außer betracht (nr. 3), nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist (nr. 4) und kein gesamteinkommen hat, das regelmäßig im monat 1/7 der monatlichen bezugsgröße nach § 18 des vierten buches überschreitet (nr. 5 1. hs). 29iii. während die voraussetzungen der nr. 1-4 bei der klägerin – deren ehemann (auch) im streitgegenständlichen zeitraum bei der beklagten gesetzlich krankenversichert war – nicht im zweifel stehen, ist die zwischen den beteiligten streitige erfüllung des negativtatbestandes des § 10 absatz 1 s. 1 nr. 5 1. hs sgb v im sinne der klägerin zu beantworten. 30die klägerin hatte kein gesamteinkommen, das regelmäßig im monat 1/7 der monatlichen bezugsgröße nach § 18 sozialgesetzbuch viertes buch – gemeinsame vorschriften über die sozialversicherung (sgb iv) überschritt. sie hatte vielmehr kein einkommen, da die einkünfte aus vermietung und verpachtung von wohnungen in im miteigentum der klägerin stehender immobilien allein einkommen ihres ehemannes darstellten. 31mit dem begriff des gesamteinkommens knüpft § 10 absatz 1 s. 1 nr. 5 1. hs sgb v an die definition in § 16 sgb iv. danach ist das gesamteinkommen die summe der einkünfte im sinne des einkommenssteuerrechts (bsg vom 25. januar 2006, b 12 kr 2/05 r = sozr 4-2500 § 10 nr. 6; gerlach, in: hauck/noftz, sgb v, § 10, rn. 134 m.w.nachw.; klattenhoff, in: hauck/noftz, sgb iv, § 16 rn. 8). hierzu gehören gemäß § 2 nr. 6, 21 einkommenssteuergesetz (estg) insbesondere auch einkünfte aus vermietung und verpachtung. 32wird die maßgebliche einkommensgrenze überschritten, so ist die krankenkasse berechtigt, festzustellen, dass ab einem in der vergangenheit liegenden zeitpunkt eine familienversicherung nicht mehr bestanden hat (bsg, urteil vom 25. august 2004 – b 12 kr 36/03 r –, rn. 25, juris; felix in: schlegel/voelzke, jurispk-sgb v, 3. aufl. 2016, § 10 sgb v, rn. 44 1 m.w.n.). 331. weitgehende einigkeit besteht zu recht zunächst insoweit, dass – auch bei einer in die vergangenheit greifenden feststellung des (nicht)bestehens der familienversicherung – wie bei statusentscheidungen im versicherungsrecht generell – bei der einkommensermittlung eine vorausschauende betrachtungsweise geboten ist. der betreffende muss beim entfallen der familienversicherung für eine anderweitige versicherung sorgen können und bei plötzlich auftretender krankheit zuverlässig wissen, wie und wo er versichert ist. dies erfordert eine prognose unter einbeziehung der mit hinreichender sicherheit zu erwartenden veränderungen. die auf dieser grundlage zu treffende statusentscheidung bleibt auch dann verbindlich, wenn die entwicklung später anders verläuft als angenommen. die entsprechende änderung (i. s. d. § 48 abs. 1 sozialgesetzbuch zehntes buch – sozialverwaltungsverfahren und sozialdatenschutz- sgb x) kann dann anlass für eine neue prüfung und – wiederum vorausschauende – beurteilung sein. hinsichtlich in die vergangenheit zurückwirkender entscheidungen bedeutet dies, dass für solche zeiträume keine familienversicherung bestand, zu deren beginn – gegebenenfalls anhand durchschnittlicher verhältnisse der noch davor liegenden zeit – bereits absehbar war, dass die insoweit geltenden voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt würden (so bsg, urteil vom 07. dezember 2000 – b 10 kr 3/99 r –, sozr 3-2500 § 10 nr 19, sozr 3-2400 § 15 nr 8, rn. 29 f. m.w.nachw.; landessozialgericht berlin-brandenburg, beschluss vom 05. september 2016 – l 1 kr 288/14 –, rn. 19; landessozialgericht rheinland-pfalz, urteil vom 15. september 2016 – l 5 kr 52/16 –, rn. 24, juris; a. a. landessozialgericht baden-württemberg, urteil vom 14. oktober 2013 – l 11 kr 1983/12 –, rn. 30, juris). 342. zu der frage, anhand welcher nachweise das einkommen (aus vermietung und verpachtung) im rahmen des § 10 absatz 1 s. 1 nr. 5 1. hs sgb v zu ermitteln ist, werden in der instanzrechtsprechung jedoch unterschiedliche auffassungen vertreten, die voneinander kaum notiz nehmen. 35a) zum teil wird vertreten, das im rahmen der feststellung der familienversicherung zu ermittelnde gesamteinkommen könne nur mit dem amtlichen einkommensteuerbescheid nachgewiesen werden. zur begründung wird die rechtsprechung des allein für angelegenheiten des beitragsrechts und mitgliedschaftsrechts der kranken- und pflegeversicherung zuständigen zwölften senates des bundessozialgerichts zur ermittlung des der beitragsbemessung freiwillig hauptberuflich selbstständig erwerbstätiger zu grunde zu legenden einkommens bzw. zur ermittlung der der beitragsfestsetzung zu grunde zu legenden einnahmen aus vermietung und verpachtung nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätiger freiwillig versicherter aufgegriffen (landessozialgericht berlin-brandenburg, beschluss vom 05. september 2016 – l 1 kr 288/14 –, rn. 20, 21, juris m.w.nachw. aus der eigenen rechtsprechung; landessozialgericht baden-württemberg, urteil vom 27. april 2016 – l 5 kr 3462/15 –, rn. 30 ff., juris; thüringer landessozialgericht, urteil vom 28. juli 2015 – l 6 kr 212/13 –, rn. 29, juris). 36b) nach anderer – aus sicht der erkennenden kammer vorzugswürdiger - ansicht besteht für eine derartige praxis der krankenkassen keine rechtliche grundlage (landessozialgericht rheinland-pfalz, urteil vom 15. september 2016 – l 5 kr 52/16 –, rn. 24, juris; sg karlsruhe, urteil vom 03. juni 2008 – s 7 kr 2483/07 –, juris; sg dresden, urteil vom 25. oktober 2017 – s 25 kr 293/14 –, rn. 22, juris; sg chemnitz, urteil vom 15. juni 2017 – s 10 kr 294/16 –, rn. 25, juris; vgl. auch sg aachen, urteil vom 14. april 2011 – s 2 kr 271/10 –, rn. 18 ff., juris). die kommentarliteratur schließt sich – soweit zur frage stellung bezogen wird – dieser ansicht an (zieglmaier, kass-komm, sgb v, § 15, rn. 31 m.w.nachw.; felix in: schlegel/voelzke, jurispk-sgb v, 3. aufl. 2016, § 10 sgb v, rn. 42 1; vgl. auch die ausführungen bei gerlach, hauck-noftz, sgb v, § 10, rn. 137 ff.). 37c) die praxis der gesetzlichen krankenkassen erscheint ebenso mäandernd wie die auffassung des spitzenverbandes der gesetzlichen krankenversicherung. nachdem das bundesversicherungsamt im rahmen der aufsichtsrechtlichen tätigkeit festgestellte, dass die krankenkassen (jedenfalls bei) der ermittlung des arbeitseinkommens von selbstständig tätigen bei anwendung des § 10 absatz 1 s. 1 nr. 5 sgb v und § 10 abs. 3 sgb v unterschiedlich verfahre, hat es den gkv – spitzenverband hierzu um eine positionierung gebeten und unter hinweis auf rechtsprechung der sozialgerichtsbarkeit angeregt darüber nachzudenken, ob der nachweis des arbeitseinkommens (gewinn aus selbständiger tätigkeit; § 15 abs. 1 s. 1 sgb iv) in bestimmten fallkonstellationen auch außerhalb des einkommensteuerbescheides geführt werden könne. die fachkonferenz beiträge hat mit ergebnisniederschrift vom 08.04.2014 (top 4) festgehalten, dass zur bestimmung des arbeitseinkommens im zusammenhang mit der feststellung des gesamteinkommens nach § 10 absatz 1 s. 1 nr. 5 und abs. 3 sgb v auf den letzten (aktuellen) einkommenssteuerbescheid zurückzugreifen sei und die daraus hervorgehenden angaben vom beginn des auf das bescheiddatum folgenden monats wirkung entfalteten. es werde (in anlehnung an § 6 abs. 3 buchst. a der einheitlichen grundsätze zur beitragsbemessung freiwilliger mitglieder der gesetzlichen krankenversicherung und weiterer mitgliedergruppen sowie zur zahlung und fälligkeit der von mitgliedern selbst zu entrichtenden beiträge – beitragsverfahrensgrundsätze selbstzahler in der bis zum 31.12.2017 gültigen fassung) für sachgerecht erachtet, hiervon ausnahmen zu machen, wenn das aktuell nachgewiesene arbeitseinkommen um mehr als ¼ des über den einkommensteuerbescheid des zuletzt festgestellten arbeitseinkommens reduziert sei. diesbezüglich komme ein vorauszahlungsbescheid oder ein anderer geeigneter nachweis des finanzamtes infrage. inwieweit dieses prozedere auch für andere einkommensarten gelten- und wie gegebenenfalls die unterschiedliche behandlung gerechtfertigt werden soll, bleibt offen. jedenfalls für einkommen aus nichtselbstständiger tätigkeit – das ebenso vom begriff des gesamteinkommens nach § 16 sgb iv erfasst wird – ist der kammer bekannt, dass die krankenkassen (auch) auf gehaltsabrechnungen o. ä. zurückgreifen. 38aus einem gemeinsamen rundschreiben vom 24.10.2008 geht demgegenüber die auffassung der krankenkassen hervor, dass die gewinnermittlung bei einkünften aus selbständiger tätigkeit im rahmen des gesamteinkommens nach § 16 sgb iv offenbar den kassen selbst obliegen soll (abgedruckt in: hauck/noftz, sgb v, anhang iii k § 10). 39auch die auf grundlage des § 10 abs. 6 s. 2 sgb v beruhenden einheitlichen grundsätze zum meldeverfahren bei durchführung der familienversicherung (fami-meldegrundsätze) des gkv- spitzenverbandes vom 28.06.2011 in der fassung vom 02.12.2015 korrespondieren dem ergebnis der fachkonferenz beiträge des gkv- spitzenverbandes vom 08.04.2014 nicht. zur prüfung der voraussetzungen des bestehens einer familienversicherung sind nach den vorschriften der fami-meldegrundsätze vordrucke nach deren anlagen zu verwenden. § 5 abs. 1 s. 2 nr. 1 der fami-grundsätze statuiert, dass bei ehegatten eine erklärung auf dem vordruck der anl. 1 oder anl. 2 als nachweis in betracht kommt. in anl. 1 (für die prüfung der aufnahme in die familienversicherung) wird – für die verschiedenen einkommensarten einheitlich – nach den aktuellen monatlichen verhältnissen bzw. seit (potentiellem) beginn der familienversicherung gefragt; anl. 2 (zur überprüfung der familienversicherung) fordert – wiederum für alle einkommensarten gleichermaßen – zur angabe des monatlichen einkommens ab dem überprüften zeitpunkt auf. nach abs. 3 des § 5 ist das "gesamteinkommen" (nach § 10 abs. 3 sgb v) durch "geeignete nachweise zu belegen". bei zweifeln, ob die voraussetzung für die durchführung der familienversicherung vorliegen, hat die krankenkasse gemäß § 5 abs. 6 fami-meldegrundsätze weitere beweismittel anzufordern. als solche kommen insbesondere einkommensnachweise oder sonstige unterlagen oder belege in betracht. insofern wird eine beschränkung des nachweises des gesamteinkommens im sinne des § 10 abs. 1 s. 1 nr. 5 hs 1, abs. 3 sgb v i.v.m. § 16 iv allein durch den letzten einkommensteuerbescheid gerade nicht statuiert. das gilt für einkommen aus selbständiger tätigkeit und einkommen aus vermietung und verpachtung ebenso wie für andere einkommensarten. 40d) für die ansicht, das im rahmen der feststellung der familienversicherung zu ermittelnde gesamteinkommen (aus vermietung und verpachtung/ arbeitseinkommen) könne nur mit dem amtlichen einkommensteuerbescheid nachgewiesen werden, spricht prima facie die rechtsprechung des zwölften senates des bsg zur feststellung des arbeits- bzw. gesamteinkommens für die beitragsfestsetzung selbstständig erwerbstätiger bzw. bei vermietern und verpächtern. 41aa) mit urteil vom 02. september 2009 (b 12 kr 21/08 r –, bsge 104, 153-160, sozr 4-2500 § 240 nr 12, rn. 15 ff.) entschied der zwölfte senat des bsg, dass bei der beitragsbemessung selbstständiger, die anknüpfung des § 240 abs. 4 s. 2 sgb v (in der bis zum 31.12.2017 gültigen fassung) über den begriff des arbeitseinkommens aus § 15 sgb iv an das steuerrecht es nahe lege, auch hinsichtlich der frage, wie die höhe dieser einnahmen nachgewiesen und in welchem umfang änderungen bei bereits verbindlich festgestellten einnahmen rechnung getragen werden könne, möglichst weitgehend mit den gegebenheiten des einkommensteuerrechts sowie mit dem verwaltungsverfahren der finanzverwaltung und dessen ergebnissen in übereinstimmung zu bringen. dies diene auch der kostensparenden verwaltungsvereinfachung der krankenkassen (grds.). die notwendigkeit, den einkommensteuerbescheid zugrundezulegen, folge hinsichtlich des nachweises der höhe der einnahmen schon aus den besonderheiten bei der ermittlung des gewinns als beitragspflichtiger einnahme. bei hauptberuflich selbstständigen könnten die tatsächlich erzielten einnahmen und insbesondere der gewinn, anders als bei arbeitnehmern, in der regel nur zeitversetzt zugrunde gelegt werden. erst mit diesem zeitpunkt stünden den krankenversicherungsträgern, die über keine eigenen ermittlungs- und feststellungsmöglichkeiten verfügten, daten zur verfügung, auf deren grundlage sie gegebenenfalls am beginn der berufslaufbahn zunächst vorläufig festgesetzte beträge endgültig feststellen könnten und auf die ausgehend von einer ihrerseits auf einer verlässlichen grundlage basierenden prognose im regelfall eine endgültige beitragsfestsetzung für die zukunft zulässig gestützt werden könne. dann könne für den nachweis einer änderung des gewinns als grundlage der beitragsbemessung nichts anderes gelten. auch eine änderung sei erst nachgewiesen, wenn sie aufgrund eines neuen einkommensteuerbescheides feststehe. vorauszahlungsbescheide könnten im beitragsrecht der sozialversicherung keine berücksichtigung finden. seine frühere rechtsprechung, wonach auch von einem wirtschaftsprüfer oder steuerberater aufgestellte gewinn- und verlustrechnungen oder bilanzen zur nachweisführung ausgereicht hatten (bsg, urteil vom 09. februar 1993 – 12 rk 69/92 –, sozr 3-2500 § 240 nr 14, rn. 19; bsg, urteil vom 27. november 1984 – 12 rk 70/82 –, bsge 57, 240-247, sozr 2200 § 180 nr 20, rn. 36) gab der zwölfte senat des bsg auf. diese seien im ergebnis nichts anderes als schätzungen, die allenfalls vorläufige beitragsfestsetzungen zuließen, die später aufgrund neuer erkenntnisse wiederholt werden müssten (bsg urteil vom 02. september 2009 (b 12 kr 21/08 r –, bsge 104, 153-160, sozr 4-2500 § 240 nr 12, rn. 17). soweit der erste senat für das leistungsrecht des krankengeldes (bsg, urteil vom 14. dezember 2006 – b 1 kr 11/06 r –, bsge 98, 43-48, sozr 4-2500 § 47 nr 7, rn. 11 ff.) einerseits nach den vorgaben des § 47 abs. 4 s. 2 sgb v entschieden habe, dass das für die leistungsbemessung maßgebliche regelentgelt bei freiwillig versicherten selbstständigen grundsätzlich und in aller regel der zuletzt maßgeblichen beitragsbemessungsgrundlage entspreche, deren höhe "verwaltungspraktikabel" durch den steuerbescheid nachgewiesen werde, andererseits ausnahmefälle, bei denen es konkrete anhaltspunkte dafür gebe, dass der zuletzt der beitragsbemessung zugrunde liegende betrag erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen situation des versicherten vor eintritt der arbeitsunfähigkeit entspreche und insofern die heranziehung weiterer beweismittel in erwägung ziehe, betreffe dies nur das leistungsrecht der krankenversicherung und nicht deren eigenständiges beitragsrecht (bsg urteil vom 02. september 2009 (b 12 kr 21/08 r –, bsge 104, 153-160, sozr 4-2500 § 240 nr 12, rn. 18). 42bei einer konsequenten orientierung an dieser rechtsprechung verstießen die einheitlichen grundsätze zur beitragsbemessung freiwilliger mitglieder der gesetzlichen krankenversicherung und weiterer mitgliedergruppen sowie zur zahlung und fälligkeit der von mitgliedern selbst entrichteten beiträge (beitragsverfahrensgrundsätze selbstzahler) (in der bis 31.12.2017 gültigen fassung; für die zeit ab.01.01.2018 siehe die siebte änderung der beitrags verfahrensgrundsätze selbstzahler vom 15.11.2017) - ohne dass dies vertreten würde - insoweit gegen formelles recht, als dort ausnahmen (zu gunsten des versicherten) bei "unverhältnismäßigen belastungen" zugelassen wurden (§ 7 abs. 7a i.v.m. § 6 abs. 3 nr. 1, abs. 3a). 43bb) mit urteil vom 30.10.2013 (b 12 kr 21/11 r –, sozr 4-2500 § 240 nr 19, rn. 21 ff.) erstreckte der zwölfte senat seine auffassung auf die beitragsbemessung bei einnahmen aus vermietung und verpachtung (nicht hauptberuflich selbstständiger). dem stehe die hervorhebung der nachweispflicht für hauptberuflich selbstständig tätige versicherte in § 240 abs. 4 s. 6 i.v.m. s. 2 sgb v (in der bis 31.12.2017 gültigen fassung) nicht entgegen. einnahmen aus vermietung und verpachtung seien dadurch gekennzeichnet, dass sie – ähnlich wie dies bei einnahmen selbstständig tätiger der fall sei - erheblichen schwankungen unterliegen könnten. ob, in welchem umfang und welcher person miet- und pachteinkünfte einschließlich darauf bezogener einkommensmindernder aufwendungen zuzurechnen seien, sei für zwecke der beitragsbemessung freiwillig versicherter zuverlässig allein dem die person des versicherten betreffenden einkommensteuerbescheid zu entnehmen. im falle gemeinsam veranlagter ehegatten ergäben sich nur aus dem einkommensteuerbescheid die jeweils maßgeblichen beträge. den krankenkassen fehle das instrumentarium zur ermittlung des für die beitragsbemessung maßgeblichen einkommens freiwillig versicherter, welches verwaltungsmäßig rechtssicher und dem grundsatz der gleichbehandlung rechnung tragend durchführbar wäre und welches ohne unzumutbare benachteiligung des personenkreises verwirklicht werden könnte. die alleinige maßgeblichkeit des einkommensteuerbescheides zum nachweis des aus vermietung und verpachtung folgenden gewinns ergebe sich auch aus der im gesetz angelegten parallelität von sozialversicherungs– und steuerrechtlicher einkommensermittlung. in den gesetzesmaterialien zu § 15 abs. 1 s. 2 sgb iv werde betont, dass der gewinn unverändert aus dem steuerbescheid zu entnehmen sei, um so eine verwaltungsvereinfachung zu erreichen (vgl. bt-drs.- 12/5700, s. 92; während bt-drs- 12/3937; s. 17 zu § 240 sgb v wo zum nachweis des arbeitseinkommens selbstständiger die vorlage eines einkommensteuerbescheides lediglich als ein beispiel angeführt wird: dies habe nach bsg, a.a.o., rn. 18 jedoch keinen niederschlag im gesetz gefunden). in bezug auf das gesamteinkommen im sinne des § 16 sgb iv könne nichts anderes gelten als hinsichtlich des arbeitseinkommens im sinne des § 15 (abs. 1) sgb iv. der nachweis des gesamteinkommens bzw. jedenfalls der darin enthaltenen einnahmen aus vermietung und verpachtung über den letzten einkommensteuerbescheid gewährleiste letztlich auch, dass verheiratete versicherte sich die im gegensatz zum sozialversicherungsrecht mögliche zusammenveranlagung mit der möglichkeit eines interpersonellen verlustausgleiches nicht dort zum vorteil machten, ohne hier die nachteile zu tragen. ein beitragsrechtlich unzulässiger vertikaler verlustausgleich läge vor, ließe man es zu, die bereits beim ehemann einer versicherten in dessen gewerbebetrieb anlässlich der hausmodernisierung anfallenden und bei ihm steuerrechtlich – denkbar sogar bereits im rahmen der bemessung seiner eigenen beiträge zur freiwilligen krankenversicherung – einkommensmindernd berücksichtigten aufwendungen anschließend "umzubewerten" und beitragsrechtlich bei der versicherten als aufwendungen im rahmen der einkünfte aus vermietung und verpachtung mindernd in ansatz zu bringen. 44nachdem der gesetzgeber mit wirkung zum 01.01.2018 für die festsetzung von beiträgen aus arbeitseinkommen (gewinn aus selbständigen tätigkeit) und einnahmen aus vermietung und verpachtung in § 240 abs. 4 buchst. a s. 1 hs 1, s. 3, 6 sgb v festgelegt hat, dass zunächst eine vorläufige entscheidung auf grundlage des letzten einkommensteuerbescheides zu erfolgen hat, bevor eine endgültige festsetzung für das kalenderjahr auf grundlage des für das jahr erlassenen einkommensteuerbescheides vorzunehmen ist (vgl. bt-drs. 18/11205, s. 71-73), verliert diese rechtsprechung zukünftig relevanz und ist die tatbestandswirkung des einkommenssteuerbescheides für die ermittlung des einkommens aus selbstständiger tätigkeit und vermietung und verpachtung freiwillig versicherter im beitragsrecht der gesetzlichen krankenversicherung gesetzlich angeordnet. allerdings gilt § 240 abs. 4 buchst. a s. 1 sgb v gem. § 46 kvlg in der krankenversicherung der landwirte nicht. 45e) auch wenn die argumentation – ausgehend vom auch im rahmen des § 10 abs. 1 s. 1 nr. 5 (und abs. 3) sgb v verwendeten begriff des gesamteinkommens (i.s.d. § 16 sgb iv) - zunächst dogmatisch übertragbar scheint, ist jedoch festzustellen, dass das bsg – auch der zwölfte senat - bezogen auf die feststellung der familienversicherung gerade abweichend verfahren ist. anders ist nicht zu erklären, dass das bsg rückwirkende feststellungen des entfalles der familienversicherung auch insoweit akzeptiert hat, als die feststellung zeiträume betraf, für die ein einkommenssteuerbescheid vorgelegt wurde und hierbei eine auswirkung des vorgelegten einkommensteuerbescheides – trotz der für erforderlich gehaltenen prognostischen betrachtung - jedoch nicht erst für die zukunft angenommen hat, sondern für das jeweilig beschiedene kalenderjahr (bsg, urteil vom 07. dezember 2000 – b 10 kr 3/99 r –, sozr 3-2500 § 10 nr 19, sozr 3-2400 § 15 nr 8, rn. 2 und 12 (einkommen aus kapitalvermögen); bsg, urteil vom 25. august 2004 – b 12 kr 36/03 r –, rn. 17, juris (einkommen aus nichtselbstständiger erwerbstätigkeit); vgl. auch: landessozialgericht baden-württemberg, urteil vom 14. oktober 2013 – l 11 kr 1983/12 –, rn. 2-4, 30, juris; felix in: schlegel/voelzke, jurispk-sgb v, 3. aufl. 2016, § 10 sgb v, rn. 42 mit fußnote 123). 46soweit die entscheidungen des bsg weder einen sachverhalt mit einkommen aus selbständiger erwerbstätigkeit noch aus vermietung und verpachtung betrafen, zeigt die fehlende aufgabe dieser rechtsprechung mit den entscheidungen des zwölften senates vom 02.09.2009 und 30.10.2013 (a.a.o.) gleichwohl zutreffend, dass die verbindung der begriffe des arbeitseikommens bzw. des gesamteinkommens über §§ 15 abs. 1 s. 1, 16 halbsatz 1 sgb iv mit dem einkommensteuerrecht eben nicht zwingend dem vom finanzamt insoweit bereits festgesetzten einkommen gleichsteht und der nachweis des prognostischen arbeits- bzw. gesamteinkommens nicht notwendigerweise nur über den letzten einkommensteuerbescheid möglich sein kann (schleswig-holsteinisches landessozialgericht, urteil vom 29. oktober 2009 – l 5 kr 109/08 –, rn. 22, juris). dies lässt sich insbesondere am wortlaut des § 16 sgb iv erkennen, wonach das gesamteinkommen schlicht als die summe der einkünfte im sinne des einkommensteuerrechts definiert wird, dass neben dem arbeitseinkommen (als einkommen aus selbstständiger erwerbstätigkeit – vgl. § 15 sgb iv) gleichermaßen insbesondere auch arbeitsentgelt, also einkommen aus nichtselbstständiger erwerbstätigkeit (§ 14 sgb iv) umschließt. eine rechtsdogmatische unterscheidung des arbeitseinkommens bzw. des ebenfalls erfassten einkommens aus vermietung und verpachtung einerseits und des arbeitsentgeltes o.ä. andererseits, die eine unterscheidung bei der ermittlung der höhe gebietet, besteht insofern nicht. 47§ 16 sgb iv nimmt eine verweisung auf das im einkommenssteuergesetz (estg) definierte und damit umschriebene einkommen vor. damit sind die einkunftsarten beschrieben und deren steuerliche behandlung, einschließlich steuerlicher vergünstigungen (bsg, urteil vom 22. mai 2003, b 12 kr 13/02 r = sozr 4-2500 § 10 nr. 2). dies führt dazu, dass für das sozialversicherungsrecht kein neuer einkommensbegriff definiert werden muss, sondern dass im steuerrecht und im sozialversicherungsrecht ein einheitlicher einkommensbegriff zugrunde gelegt wird (fischer in: schlegel/voelzke, jurispk-sgb iv, 3. aufl. 2016, § 16 sgb iv, rn. 13, 17). die regelung führt dazu, dass hinsichtlich der bedeutung des einkommens für die sozialversicherungspflicht, die familienversicherung oder die beitragshöhe keine eigenständige sozialversicherungsrechtliche betrachtung vorzunehmen ist, sondern dass insoweit das einkommenssteuerrecht und das sozialversicherungsrecht parallel kalibriert sind. die art und die höhe der einkünfte leiten sich aus dem steuerrecht ab und sollen für die frage der familienversicherung nicht neu ermittelt werden (bt-drucks. 12/ 5700 seite 92 zu art. 3 nr. 2 für das arbeitseinkommen nach § 15 sgb iv). 48diese parallelität zwischen steuerrecht und sozialversicherungsrecht geht jedoch nicht so weit, dass die festsetzungen der finanzbehörden für die tatbestände der sozialversicherung ohne ausdrückliche anordnung verbindlich wären (bsg, urteil vom 6. august 1997, 3 rk 25/86, sozr 2200 § 205 nr. 63; zieglmaier, kass-komm, sgb v, § 15, rn. 30 ff.). vielmehr ist § 16 sgb iv lediglich eine begriffsdefinition, die die einkunftsarten und deren umfang umschreibt, nicht aber eine konkrete zuordnung vornimmt. eine derartige zuordnung ist weder vom gesetzgeber gewollt gewesen (bt-drucks. 7/4122, s. 32 zum gesetzentwurf zum sgb iv vom 23. dezember 1976) noch ließe sie sich rechtsdogmatisch konstruieren. denn sie hätte zur voraussetzung, dass die steuerliche festsetzung eine tatbestandswirkung für die sozialversicherungsrechtlichen regelungen – hier den anspruch auf familienversicherung – entfaltet. eine derartige tatbestandswirkung muss jedoch – auch nach der höchstrichterlichen rechtsprechung - im gesetz selbst angelegt sein (bsg, urteil vom 30. september 1997 – 4 ra 122/95, nzs 1998, s. 182 (183); zieglmaier, kass-komm, sgb v, § 15, rn. 31 m.w.nachw.). dies ist bei § 16 sgb iv (und § 15 sgb iv) nicht der fall. allein die aussage, dass das gesamteinkommen die summe der einkünfte im sinne des einkommenssteuerrechts ist, sagt nichts darüber aus, dass den festsetzungen des finanzamtes hinsichtlich der höhe oder der personellen zuordnung des ermittelten einkommens vergangener zeiträume im sozialversicherungsrechtlichen zusammenhang feststellungswirkung für eine zukünftige prognose zukäme (schleswig-holsteinisches landessozialgericht, urteil vom 29. oktober 2009 – l 5 kr 109/08 –, rn. 22, juris; landessozialgericht rheinland-pfalz, urteil vom 15. september 2016 – l 5 kr 52/16 –, rn. 24, juris; sg aachen, urteil vom 14. april 2011 – s 2 kr 271/10 –, rn. 18 ff., juris; sg karlsruhe, urteil vom 03. juni 2008 – s 7 kr 2483/07 –, rn. 21, juris; zieglmaier, a.a.o.). dies zeigt sich – wie dargelegt – auch in der rechtsprechung des zwölften senates des bsg (a.a.o.). 49dies stellt nicht in abrede, dass den einkommenssteuerbescheiden eine herausragende indizwirkung (aber eben keine tatbestandswirkung) zukäme. soweit keine anhaltspunkte für eine änderung der (wirtschaftlichen) verhältnisse bestehen bzw. dem versicherten eine von der letzten feststellung im einkommensteuerbescheid konkret nachvollziehbar abweichende prognose nicht gelingt, ist es nicht zu beanstanden, die erfassung zukünftigen arbeitseinkommens bzw. einkommens aus vermietung und verpachtung (auch) bei statusentscheidungen auf den letzten einkommensteuerbescheid zu stützen (in diesem sinne bsg, urteil vom 04. juni 1981 – 3 rk 5/80 –, sozr 2200 § 205 nr 41, rn. 30 f.; bsg, urteil vom 30. september 1997 – 4 ra 122/95, nzs 1998, s. 182 (183); fischer in: schlegel/voelzke, jurispk-sgb iv, 3. aufl. 2016, § 15 sgb iv, rn. 55; zieglmaier, a.a.o., rn. 33). je älter der letzte einkommensteuerbescheid indes ist, desto mehr wird seine indizkraft dabei abnehmen. 50f) soweit die zugehörigkeit des arbeitsentgeltes und des arbeitseinkommens (im sinne des § 15 sgb iv) ohne differenzierung hinsichtlich der ermittlung dem gesamteinkommen zugeschrieben werden, hinsichtlich des arbeitsentgeltes (§ 14 sgb iv) eine tatbestandswirkung des letzten einkommensteuerbescheid aber nicht vertreten wird (vgl. nochmals beispielhaft bsg, urteil vom 25. august 2004 – b 12 kr 36/03 r –, rn. 17, juris), wird in diesem sinne verdeutlicht, dass keine rechtsdogmatischen, sondern im kern praktische gesichtspunkte für das (strikte) abstellen auf den letzten einkommensteuerbescheid bei der festsetzung und personellen zuordnung der beiträge aus arbeitseinkommen und einkommen aus vermietung und verpachtung sprechen und die oben dargestellte rechtsprechung des zwölften senates tragen; eine feststellungswirkung des letzten einkommensteuerbescheides für das prognostische arbeits– oder gesamteinkommen besteht nicht. 51aa) praktische gesichtspunkte können zwar für die rechtsanwendung insoweit bedeutsam werden, als eine umsetzung des rechts möglich bleiben muss, damit es geltung entfalten kann (vgl. bverfg, stattgebender kammerbeschluss vom 27. juni 2018 – 1 bvr 100/15 –, rn. 17, juris m.w.n. vgl. auch bsg 30.10.2013 - b 12 kr 21/11 r –, sozr 4-2500 § 240 nr 19, rn. 23). bei der ermittlung des einkommens aus selbständiger tätigkeit und vermietung und verpachtung bei der festsetzung von beiträgen nach § 240 sgb v (in der bis zum 31.12.2017 gültigen fassung) einerseits und bei statusfeststellungen (nach § 10 abs. 1 s. 1 nr. 5, abs. 3 sgb v) bestehen insoweit jedoch bedeutsame unterschiede. der zwölfte senat des bsg hat seine oben dargelegte (d) rechtsprechung insofern ausdrücklich auf das beitragsrecht begrenzt (urteil vom 02. september 2009 - b 12 kr 21/08 r –, bsge 104, 153-160, sozr 4-2500 § 240 nr 12, rn. 18). 52im rahmen des beitragsrechtes war/ist nach § 240 abs. 1 s. 2 sgb v sicherzustellen, dass die beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche leistungsfähigkeit des freiwilligen mitgliedes berücksichtigt. entsprechend hat der zwölfte senat seine auffassung, dass das einkommen aus selbständiger erwerbstätigkeit bei der beitragsbemessung nur anhand des letzten einkommensteuerbescheides festgesetzt werden kann damit begründet, dass gewinn – und verlustrechnungen, bilanzen oder vorauszahlungsbescheide letztlich nichts anderes als schätzungen seien, die allenfalls eine vorläufige beitragsfestsetzung zuließen (bsg, urteil vom 02. september 2009 – b 12 kr 21/08 r –, bsge 104, 153-160, sozr 4-2500 § 240 nr 12, rn. 17). hierzu in praktischem spannungsverhältnis stand die zur rechtslage bis zum 31.12.2017 vertretene auffassung, dass das gesetz (§ 240 abs. 4 s. 5 sgb v in der bis zum 31.12.2017 gültigen fassung) davon ausgehe, dass beitragsfestsetzungen zukunftsbezogen endgültig waren (vgl. bsg, a.a.o.). denn sind prospektive entwicklungen gerade beim einkommen aus selbstständiger erwerbstätigkeit und einkommen aus vermietung und verpachtung einerseits in besonderem maße von unsicherheiten geprägt, ist die (exakte) erfassung der gesamten wirtschaftlichen leistungsfähigkeit andererseits nicht möglich. dem gesetzesauftrag des § 240 abs. 1 s. 2 sgb v konnte/kann insoweit ohnehin nur zeitversetzt rechnung getragen werden (vgl. bsg a.a.o., rn. 16). dem trägt § 240 abs. 4 buchst. a sgb v in der seit 01.01.2018 gültigen fassung nunmehr durch eine vorläufige beitragsbemessung rechnung. dann aber lag es bereits vor der seit januar 2018 gültigen rechtslage zur praktikablen auflösung des spannungsverhältnisses nahe, sich in bezug auf die zu bildenden zeitabschnitte an den ermittlungen und entscheidungen der finanzämter zu orientieren und so einen doppelten verwaltungsaufwand (so bsg, a.a.o., rn. 17) zu vermeiden. 53bei feststellung der familienversicherung als statusentscheidung ist dem kontrastierend de lege lata gerade eine prognose zu treffen (bsg, urteil vom 25. august 2004 – b 12 kr 36/03 r –, rn. 25; vgl. hierzu iii. 1. m.w.n.). eine exakte bestimmung des gesamteinkommens (wie bei § 240 abs. 1 s. 2 sgb v) durch die krankenkassen ist hiernach von vorne herein nicht zu verlangen. unter praktischen gesichtspunkten weiterhin bedeutsam ist, dass selbst die abschätzung des gesamteinkommens auf keinen konkreten betrag zu validieren ist, weil es allein um die überschreitung eines grenzwertes geht. in einer großen zahl der fälle - auch im vorliegenden (siehe hierzu 3.) - wird das ergebnis offensichtlich sein (zur absoluten zahl der familienversicherten: fischer in: schlegel/voelzke, jurispk-sgb iv, 3. aufl. 2016, § 16 sgb iv, rn. 14). im falle des § 10 abs. 1 nr. 5, abs. 3 sgb v konkret ist allein die prognostische überschreitung einer überschaubaren einkommensgrenze nötig. der verwaltungsaufwand – gesteuert durch die ermittlungsregelungen der fami-meldegrundsätze und unter rückgriff auf die festsetzungen der letzten einkommenssteuerbescheide als gewichtigem indiz – ist danach in keiner weise mit der ermittlung des einkommens aus selbständiger erwerbstätigkeit und vermietung und verpachtung im beitragsrecht (auf grundlage der bis zum 31.12.2017 geltenden fassung des § 240 abs. 4 sgb v) zu vergleichen. 54bb) die unzulässigkeit eines vertikalen verlustausgleiches (bsg, urteil vom 30. oktober 2013 – b 12 kr 21/11 r –, sozr 4-2500 § 240 nr 19, rn. 28; bsg, urteil vom 23. februar 1995 – 12 rk 66/93 –, bsge 76, 34-39, sozr 3-2500 § 240 nr 19, rn. 14) kann bei der anzustellenden prognose ohne weiteres berücksichtigt werden. die gefahr der vertikalen "umbewertung" von einkommensmindernd zu berücksichtigen aufwendungen bei ehegatten besteht insoweit nicht, wie – auch im falle der gemeinsamen veranlagung nach § 26 buchst. b estg - der grundsatz der individualbesteuerung unberührt bleibt und das einkommen insofern grds. zunächst für jeden ehegatten gesondert ermittelt wird. dies verlangt im ausgangspunkt eine feststehende personelle zuordnung von einkommensmindernd zu berücksichtigenden aufwendungen (bfh v. 5.8.1986 - ix r 13/81, bstbl. ii 1987, 297 (300) = fr 1987, 268; seiler in: kirchhof, einkommensteuergesetz, 17. aufl. 2018, § 26b estg, rn. 3 f. m.w.n. zu einzelfällen der möglichkeit zu interpersonellen horizontalen und vertikalen verlustausgleichen; vgl. seer in: tipke/kruse, ao/fgo, 152. lieferung 04.2018, § 149 ao, rn. 6; fischer in: schlegel/voelzke, jurispk-sgb iv, 3. aufl. 2016, § 15 sgb iv, rn. 72). die gefahr, dass eine ungerechtigkeit entstünde, weil das beitragspflichtige einkommen aus selbständiger tätigkeit und/oder einkommen aus vermietung und verpachtung bei dem freiwillig gesetzlich versicherten dem einkommensteuerbescheid trotz personell falscher zuordnung zum ehegatten zu entnehmen ist, der sich andererseits im rahmen der feststellung der voraussetzungen für die familienversicherung von der tatbestandswirkung des einkommenssteuerbescheides lossagen könnte, spricht nicht generell gegen die – spätestens seit januar 2018 im gesetz angelegte - tatbestandswirkung hier und ihr fehlen dort. die gefahr einer ungerechtigkeit im sinne einer nicht vollständigen erfassung der leistungsfähigkeit des hauptversicherten beruht nicht auf der zutreffenden beurteilung des einkommens des familienmitgliedes im rahmen der feststellung der familienversicherung, sondern ist der gefahr einer falschen, zu niedrigen feststellung des einkommens durch die finanzbehörden immanent. sie kann sich – ganz unabhängig vom vorhandensein eines (potentiell) familienversicherten – realisieren. für den vorliegenden fall konkret entsteht eine beitragsungerechtigkeit (auf seiten des ehemannes der klägerin) schon deshalb nicht, weil der ehemann der klägerin auch unter annahme des hälftigen einkommens aus vermietung und verpachtung beiträge zur gesetzlichen kranken – und pflegeversicherung nach der beitragsbemessungsgrenze entrichtet hat. auf der anderen seite wäre bei von vornherein zutreffender beurteilung der einkommenszuordnung durch das finanzamt (siehe hierzu sogleich 3.) zwischen den beteiligten nicht in streit geraten, dass die klägerin familienversichert war. 55wollte man umgekehrt dem zum zeitpunkt der überprüfung aktuellsten einkommensteuerbescheid tatbestandswirkung für die beurteilung der familienversicherung beimessen, stünde es den versicherten frei, die dauer des bestehens der familienversicherung durch ihre mitwirkung im verfahren der steuerbescheidung zu beeinflussen. so kann der familienversicherte schon die fristen zur steuererklärung gemäß § 149 abs. 1, 3 abgabenordnung (ao) – die mit wirkung zum steuerjahr 2018 (durch bestvmodg v. 18.7.2016, bgbl. i 2016, 1679 [1694]) verlängert worden sind – ausschöpfen und durch eine ggfs. weiterhin erforderliche mitwirkung weiter in die länge ziehen, soweit er weiß, dass das einkommen des veranlagungsjahres nunmehr die einkommensgrenzen für die familienversicherung übersteigen wird, während er im umgekehrten fall seine steuererklärung möglichst frühzeitig und vollständig einreichen wird. durch die prospektive beurteilung der familienversicherung als statusentscheidung steht dem – im gegensatz zum verfahren nach § 240 abs. 4 buchst. a sgb v in der seit januar 2018 gültigen fassung – keine möglichkeit der korrektur im rahmen einer endgültigen entscheidung gegenüber. ohnedies ist die abbildung der aktualität der einkommensverhältnisse von den erheblich divergierenden bearbeitungszeiten der finanzämter abhängig. 563. entfaltet nach diesen grundsätzen (u. a.) die personelle zuordnung des einkommens des letzten einkommenssteuerbescheides für die zuordnung auch eines einkommens aus vermietung und verpachtung keine tatbestandswirkung für die feststellung der familienversicherung nach § 10 abs. 1 s. 1 nr. 5 sgb v, ist es nicht maßgeblich, dass die einkommensteuerbescheide für die jahre 2011-2014 – auf seiten der klägerin einkommen aus vermietung und verpachtung bebauter grundstücke auswiesen, die die einkommensgrenze deutlich überstiegen. 57denn bei prognostischer betrachtung auf grundlage der tatsächlichen verhältnisse bei beginn des und zu jedem denkbaren beurteilungszeitpunkt des streitgegenständlichen zeitraumes erzielte die klägerin keine einkünfte i. s. d. einkommensteuerrechts (vgl. § 16 sgb iv). dies wird durch die korrektur der bestandskräftigen einkommenssteuerbescheide für die jahre 2012-2014 mit bescheiden vom 22.11.2017 durch das finanzamt bestätigt. 58a) unerheblich ist insoweit, ob die voraussetzungen der ermächtigungs–/anspruchsgrundlage nach § 173 ao tatsächlich vorlagen, oder mit der ansicht der beklagten dies nicht der fall war. gleichwohl ist anzumerken, dass die beklagte sich widersprüchlich verhält, soweit sie einerseits – ohne gesetzliche legitimation - den (aktuellsten) einkommensteuerbescheiden (zukunftsgerichtet) tatbestandswirkung für die beurteilung des gesamteinkommens nach § 10 abs. 1 s. 1 nr. 5 sgb v beimessen möchte, sich andererseits dazu berufen sieht, die die voraussetzungen des § 173 ao selbst zu prüfen und einkommenssteuerbescheiden, die auf einer – aus ihrer sicht - unzutreffenden anwendung des § 173 ao basieren, offenbar grundsätzlich (auch zukunftsgerichtet) die anerkennung versagen möchte. die inkonsistente praxis der krankenkassen (vgl. iii 2. c) spiegelt sich im verhalten der beklagten zudem insofern, als sie zunächst das verfahren der korrektur der steuerbescheide als entscheidungserheblich beurteilte, diese ansicht nach erlass der korrekturbescheide jedoch aufgegeben hat. 59b) in den korrekturbescheiden findet jedenfalls zutreffend ausdruck, dass die der klägerin zunächst zugeordneten einnahmen aus vermietung und verpachtung einkommensteuerrechtlich tatsächlich einnahmen ihres ehemannes waren. 60ehegatten, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht getrennt leben, können eine getrennte-, eine zusammenveranlagung oder eine besondere veranlagung wählen (§ 26 estg). dieses wahlrecht besteht unabhängig von dem güterstand der ehegatten. bei der zusammenveranlagung werden die ehegatten gemeinsam als steuerpflichtiger behandelt (§ 26b estg). zunächst werden aber auch hier die einkünfte für jeden der beiden ehegatten gesondert festgestellt (s. 2. f). für die zuordnung der einkünfte ist im einzelfall entsprechend der jeweiligen einkunftsart ggfs. zu prüfen, welche konkrete verteilung die ehegatten vereinbart haben (bsg, urteil vom 10. november 1982 – 11 rk 1/82 –, bsge 54, 173-176, sozr 5420 § 32 nr 5 für die einkünfte aus gewerbebetrieb) fischer in: schlegel/voelzke, jurispk-sgb iv, 3. aufl. 2016, § 15 sgb iv, rn. 72 f.). die erwerbsgemeinschaft der ehe (i.d.r. zugewinngemeinschaft (gütertrennung mit zugewinnausgleich bei beendigung des güterstandes), vorliegend gütertrennung) hat keine unmittelbaren folgen für die zurechnung der einkünfte (kirchhof in: kirchhof, einkommensteuergesetz, 17. aufl. 2018, § 2 estg, rn. 75) 61einkünfte aus vermietung und verpachtung erzielt nach rechtsprechung des bundesfinanzhofes, wer die rechtliche oder tatsächliche macht hat, die immobilie einem anderen gegen entgelt zur nutzung zu überlassen und der träger der rechte und pflichten aus einem miet- oder pachtvertrag ist. dieser "erzielt" die einkünfte im sinne des § 2 abs. 1 s. 1, § 21 abs. 1 nr. 1 estg. nicht maßgebend ist, ob ein steuerpflichtiger rechtlicher oder wirtschaftlicher eigentümer des mietobjekts ist und wem letztlich das wirtschaftliche ergebnis der vermietung zugute kommt (bfh, urteil vom 19. februar 2013 – ix r 31/11 –, rn. 15, juris; bfh vom 23. september 2003 ix r 26/99, bfh/nv 2003, 476; bfh vom 15. dezember 2009 ix r 55/08, bfh/nv 2010, 863 m.w.n.; bfh vom 29. april 2008 viii r 98/04, bstbl ii 2008, 749, 751; bfh vom 5. juni 2008 iv r 79/05, bstbl ii 2009, 15, 20; bfh, urteil vom 30. juni 1999 – ix r 83/95 –, bfhe 190, 82, rn. 11; finanzgericht des saarlandes, urteil vom 18. dezember 2012 – 1 k 1628/10 –, juris; finanzgericht des saarlandes, urteil vom 18. dezember 2012 – 1 k 1628/10 –, rn. 28, juris; kirchhof in: kirchhof, einkommensteuergesetz, 17. aufl. 2018, § 2 estg, rn. 72). 62miteigentümer (§§ 1008 ff., 741 ff. bürgerliches gesetzbuch (bgb)) oder mitgesellschafter (z. b. § 705 bgb) können, müssen aber hiernach nicht gemeinschaftlich einkünfte aus vermietung erzielen. es bleibt entscheidend, ob mehrere personen in ihrer gemeinschaftlichen verbundenheit den tatbestand der erzielung von einkünften verwirklichen. es reicht nicht aus, auf das ggf. nur intern wirkende einverständnis eines miteigentümers mit der verwaltung durch den anderen abzustellen; maßgeblich ist, ob mehrere miteigentümer durch den mietvertrag berechtigt und verpflichtet werden (bfh, urteil vom 25. juni 2002 – ix r 55/99 –, rn. 9, juris). dies hat zur folge, dass bei miteigentum von ehegatten nur dann gemeinschaftlich einkünfte erzielt werden, wenn beide als vermieter auftreten (mellinghoff in: kirchhof, einkommensteuergesetz, 17. aufl. 2018, § 21 estg, rn. 28). 63zwar waren/sind die klägerin und ihr ehemann miteigentümer der immobilien, aus denen einnahmen resultierten, die die beklagte – entsprechend der unkorrigierten einkommenssteuerbescheide für die jahre 2011-2014 – der klägerin zur hälfte zuordnete. jedoch "erzielte" allein der ehemann der klägerin die einkünfte aus vermietung und verpachtung im dargelegten sinne des § 2 absatz 1 s. 1, § 21 abs. 1 nr. 1 estg. er allein ist vermieter der wohnungen in den im miteigentum der klägerin stehenden immobilien. dies ist durch vorlage der mietverträge im verfahren s 15 kr 45/18 er belegt worden und unbestritten. zudem fließen die mietzahlungen auf ein konto, dessen inhaber allein der ehemann der klägerin war und ist. selbst die verwaltung der gebäude oblag/obliegt alleine ihm. 64c. die kostenentscheidung beruht auf § 193 sgg. | Klaeger*in | 1 |
338,713 | 1 O 213/20 | 2021-06-16T00:00:00 | Teilurteil | Tenor Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.084.480,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.05.2020 zu zahlen. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar 1Tatbestand: 2Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche der Klägerin aus einem mit der Beklagten im Rahmen der COVID-19-Pandemie geschlossenen Vertrag über die Lieferung von Atemschutzmasken, wobei in diesem Teilurteil ausschließlich eine Entscheidung über die unter der Avis-Nr. $00001 gelieferten 576.000 Masken ergeht. 3Im Rahmen eines sog. Open House Verfahrens, bei dem der Auftraggeber nicht nur mit einem oder einer von Anfang an bestimmen Anzahl von Unternehmen einen Liefer- oder Dienstleistungsvertrag abschließt, sondern zu vorher vorgegebenen Konditionen mit allen interessierten Unternehmen kontrahieren will, veröffentlichte die Beklagte am 27.03.2020 die Auftragsbekanntmachung mit der Referenznummer 000-0000-0001 im „Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union“ für das europäische öffentliche Auftragswesen sowie in dessen Online-Version „Tenders Electronic Daily“ zur Beschaffung persönlicher Schutzausrüstung. Dessen Ziffer II.2.4) lautet wie folgt: 4„[…] Das Vertragssystem beginnt ab sofort zu laufen und endet mit Ablauf des 08.02.2020. Zu berücksichtigten ist jedoch, dass spätester Liefertermin der 30.04.2020 innerhalb der üblichen Geschäftszeiten der D […] ist.“ 5Am 08.04.2020 erfolgte zudem eine Berichtigung / Bekanntmachung über Änderungen oder zusätzliche Angaben. 6Beigefügt waren die Aufforderung zur Angebotsabgabe (Anl. K1), das Angebotsformular, das Vertragsformular über die Lieferung von Schutzausrüstung (Anl. K2), die Leistungsbeschreibung (Anl. K3), die Teilnahmebedingungen sowie die Hinweise zum Datenschutz (vgl. insgesamt Anlagenkonvolut B1). 7Auch die Aufforderung zur Angebotsabgabe und die Teilnahmebedingungen enthielten unter 3.1 bzw. III. jeweils einen Hinweis auf den genannten Liefertermin zum 30.04.2020. 8Der „Gegenstand des Vertrages“ ist in dem Vertragsformular über die Lieferung von Schutzausrüstung (Anl. K2), unter § 1 S. 1 zunächst wie folgt definiert: 9„Gegenstand des Vertrages ist die Lieferung von Produkten folgender Produktgruppe(n): 101. FFP2 Masken Menge in Stück: Klicken Sie hier, um Text einzugeben 112. OP-Masken Menge in Stück: Klicken Sie hier, um Text einzugeben 123. Schutzkittel Menge in Stück: Klicken Sie hier, um Text einzugeben“ 13Der Auftragnehmer konnte insoweit lediglich die zu liefernde Stückzahl eingeben. 14§ 2 Ziffer 2.1 lautet zudem unter der Überschrift „Vertragsbestandteile“ wie folgt: 15„Folgende Unterlagen und Bestimmungen sind in Ergänzungen der Regelungen dieses Vertrages Bestandteile des Vertragsverhältnisses: 16a. die Leistungsbeschreibung mit den Stückpreisen für die einzelnen Produktgruppen Anlage 1“ 17(einen entsprechenden Buchstaben b. weist das Vertragsdokument nicht auf) 18§ 3 Ziffer 3.1 lautet wie folgt: 19„Die von dem AN zu liefernden Produkte einer Produktgruppe i.S.d. § 1 dieses Vertrags werden durch die Leistungsbeschreibung (Anlage 1) näher bestimmt.“ 20In dieser Leistungsbeschreibung (Anl. K3, Bl. 21-22 d.A.) wurde hinsichtlich der Produktgruppen „FFP 2 Masken“, „OP-Masken“ und „Schutzkittel“ unterschieden. 21Hinsichtlich ersterer heißt es dort: 22„FFP2 Masken 23Beschreibung: 24Atmungsaktives Design, das nicht gegen den Mund zusammenfällt (z.B. Entenschnabel, becherförmig) Versehen mit einer Metallplatte an der Nasenspitze Kann wiederverwendbar* (aus robustem Material, das gereinigt und desinfiziert werden kann) oder Einwegartikel sein 25Normen/Standards: 26 Atemschutzgerät "N95" gemäß FDA Klasse II, unter 21 CFR 878.4040, und CDC NIOSH, oder "FFP2" gemäß EN 149 Verordnung 2016/425 Kategorie III 27oder gleichwertige Normen, auch KN95 (CHN)“ 28Weiter war in der Leistungsbeschreibung ein Preis pro Maske in Höhe von 4,50 € netto vorgesehen. 29Zudem finden sich in dem o.g. Vertragsformular insbesondere die folgenden weiteren Regelungen: 30In § 3 Ziffer 3.2 heißt es zur Lieferung: 31„Die Lieferung der Produkte hat an die D […] während der üblichen Geschäftszeiten zu erfolgen; […]. Die Lieferung ist der D in Textform mit einer Frist von mindestens drei Kalendertagen vor dem Liefertermin anzukündigen. Spätester Liefertermin ist der 30.04.2020 innerhalb der Geschäftszeiten gemäß S.1. Bei Nichteinhaltung des spätesten Liefertermins entfallen die gegenseitigen Pflichten der Vertragspartner; eine verspätete Lieferung stellt keine Erfüllung des Vertrages durch den AN dar (absolutes Fixgeschäft).“ 32§ 5 Ziffer 5.1. bestimmt in Bezug auf die Zahlung: 33„Der AG zahlt die vereinbarte Vergütung bargeldlos binnen einer Woche nach erfolgter Lieferung und Eingang einer den Vorschriften des Umsatzsteuerrechts entsprechenden Rechnung bei der D […] auf das von dem AN angegebene Konto.“ 34Unter § 6 und der Überschrift „Mängelansprüche“ finden sich in den Ziffern 6.1 und 6.2 die folgenden Regelungen: 35„6.1 Für Sach- und Rechtsmängelansprüche gelten die gesetzlichen Vorschriften, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist. 366.2 Eine Untersuchungs-/Rügeobliegenheit des AG beschränkt sich auf Mängel, die nach der Ablieferung unter äußerlicher Begutachtung offen zu Tage treten (z.B. Transportbeschädigungen, Falsch- und Minderlieferungen). Eine Rüge/Mängelanzeige gilt als unverzüglich und rechtzeitig, wenn sie innerhalb von sieben Kalendertagen beim AN eingeht.“ 37Ferner heißt es dort unter § 7 Ziffer 7.1 des Vertrages: 38„Der Vertrag tritt mit Zuschlagserteilung des AG auf das im Open-House-Verfahren abgegebene Angebot des AN in Kraft und endet mit Ablauf des 30.04.2020. Die durch eine innerhalb der Vertragslaufzeit erfolgte Lieferung begründeten Rechte und Pflichten […] bestehen [...] fort.“ 39Die Schutzmasken sollten im Anschluss an die Beschaffung durch die Beklagte an die Bundesländer und Kassenärztlichen Vereinigungen weitergegeben werden. 40Unter dem 31.03.2020 und 01.04.2020 unterbreitete die Klägerin der Beklagten jeweils ein Angebot über die Lieferung von 2.000.000 „FFP2 Masken“ und unter dem 06.04.2020 ein weiteres über die Lieferung weiterer 1.000.000 Masken. Für diese Angebote erhielt sie durch die Beklagte, vertreten durch die Generalzolldirektion, mit Schreiben vom 05.04.2020 und 08.04.2020 die Zuschläge (Anl. K4, K5). 41Die Anlieferungen der Masken wurden im Auftrag der Beklagten durch die 42D (nachfolgend "D") sowie die im fortgeschrittenen Stadium des Open House Verfahrens involvierte A GmbH (nachfolgend: „A“) koordiniert. Nach Ankündigung einer Anlieferung durch den Auftragnehmer wiesen die Logistiker der geplanten Anlieferung eine oder mehrere Avisierungsnummern zu und teilten die Lieferadresse mit. 43Eine Analyse der Vorankündigungen zeigte auf, dass für den Zeitraum zwischen dem 28.04.2020 und 30.04.2020 eine massive Anlieferungsspitze zu erwarten war, die trotz Einbindung von A und Inanspruchnahme der zusätzlich bereitgestellten Lagerflächen logistisch von der Beklagten nicht bewältigt werden konnte. Jedenfalls zur Entzerrung dieser Anlieferungsspitze erhielt eine größere Zahl von Auftragnehmern, unstreitig jedenfalls die, die ihre Lieferung pünktlich bis zum 27.04.2020 23:59 avisiert hatten, einen Anlieferslot für einen Zeitpunkt nach dem 30.04.2020. 44Die Klägerin kündigte die Lieferungen fristgerecht an, woraufhin die Beklagte ihr zunächst Lieferslots für den 27.04.2020 zuwies. Wegen befürchteter Ausfuhrprobleme aus China bat die Klägerin vorsorglich um eine Verschiebung des Lieferslots. Die A verschob daraufhin den Lieferslot zunächst auf den 30.04.2020, später auf den 04./05.05.2020 und schließlich auf den 05. und 07.05.2020 (Anl. K6, K7, K39). 45Während die Klägerin auf das erste Angebot keine Masken lieferte, stellt sie am 05.05.2020 eine erste Teillieferung zu, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob es sich um eine Anzahl von 2.027.200 (so die Beklagte) oder 2.027.560 (so die Klägerin) Masken handelte (Lieferscheine Anl. K8) und ob eine Entgegennahme zur Zeit der vorgesehenen Lieferslots erfolgt ist. Insoweit stellte die Klägerin zunächst eine Rechnung mit der Nr. 0000-0002 für 2.000.000 Masken über 10.710.000 € brutto aus (Anl. K9, Anl. B7), die der Beklagten am 07.05.2020 zuging. Auf diese Rechnung leistete die Beklagte am 22.05.2020 eine Teilzahlung in Höhe von 5.355.000,00 €, am 29.05.2020 in Höhe von weiteren 4.737.033,00 € sowie am 24.06.2020 zudem in Höhe von weiteren 535.000,00 €. Ein Betrag in Höhe von 82.467,00 € blieb hingegen zunächst offen. 46Auf das dritte Angebot lieferte die Klägerin sodann zu einem zwischen den Parteien streitigen Zeitpunkt insgesamt 1.000.000 Schutzmasken, davon 360.000 Schutzmasken vom Typ KN95 des Herstellers G und 64.000 Schutzmasken vom Typ KN95 des Herstellers F Co., LTD (Avis-Nr. $00001), sowie weitere 576.000 Schutzmasken vom Typ KN95 des Herstellers F Co., LTD (Avis-Nr. $00001). 47Für diese Lieferung stellte die Klägerin der Beklagten unter dem 30.04.2020 und der Nummer 0000-0004 (Anl. K19, Anl. B8) einen Betrag in Höhe von 5.355.000,00 € in Rechnung, die am 12.05.2020 bei der Beklagten einging. Auf diese Rechnung zahlte die Beklagte am 29.05.2020 einen Betrag in Höhe von 1.927.000,00 € für die 360.000 Masken des Herstellers G, 3.427.200,00 € blieben demgegenüber zunächst offen. 48Hintergrund der nicht erfolgten Zahlung durch die Beklagte war eine Prüfung der Ware, wobei das von der Beklagten durchgeführte Prüfungsverfahren vor den Hintergrund, dass es zur Zeit des Ausbruchs der COVID-Pandemie nicht genügend Schutzmasken gab, die das Konformitätsbewertungsverfahren vollständig durchlaufen hatten und auf dem deutschen Markt verkehrsfähig gewesen wären, wie folgt ablief: 49Die Zentralstelle der Länder (nachfolgend: „ZLS“) passte das von der europäischen Norm EN 149 vorgesehene Prüfverfahren auf Grundlage der am 13.03.2020 von der EU-Kommission herausgegebenen „Empfehlung der Europäischen Kommission 2020/403 über Konformitätsbewertungs- und Marktüberwachungsverfahren im Kontext der COVID-19-Bedrohung“ (Anl. B3) an und erstellte infolge dessen den Prüfgrundsatz für Corona SARS-Cov-2 Pandemie Atemschutzmasken (nachfolgend „CPA-Prüfgrundsatz“, Anl. B4). Da die im Rahmen des Open House Verfahrens gelieferten Schutzmasken für den Einsatz im medizinischen Bereich vorgesehen waren, entschied sich die Beklagte sodann, das Prüfverfahren auf Basis des CPA-Prüfgrundsatzes zu modifizieren und insbesondere auf diejenigen Kriterien zu beschränken, die ihrer Auffassung nach für die Verwendung der Schutzmasken insbesondere im medizinischen Bereich essentiell sind (nachfolgend „modifizierter CPA-Prüfgrundsatz“). Diese Modifikation erfolgte durch das BMG in Abstimmung mit dem Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte („BfArM"). Zur Durchführung der erforderlichen Prüfung benannte die Beklagte den TÜV einschließlich seiner Gruppengesellschaft der C GmbH & Co. KG (C). 50Die Beklagte führte im Rahmen dieses Prüfverfahrens nach dem von ihr entwickelten modifizierten CPA-Prüfgrundsatz zunächst eine Sensorikprüfung in Form einer sog. Sicht- und Anlegeprüfung durch, im Rahmen derer der TÜV u.a. Passform (Dichtsitz), Befestigung der Fixierbänder sowie Geruch begutachtete. Hieran schloss sich im Falle des Bestehens der Prüfung – an anderen Prüfexemplaren – eine Laborprüfung an, die neben Elementen, die bereits Gegenstand der Sensorikprüfung waren (z.B. Dichtsitz der Schutzmasken und Stabilität der Bänder im Rahmen einer sog. Anlegeprüfung) insbesondere die Prüfung des Atemwiderstandes und des Filterdurchlasses der Schutzmasken umfasste. 51Für die Zusammenstellung der zu prüfenden Stichprobe entnahm der TÜV bzw. die C grundsätzlich pro Avis-Nummer jeweils drei Verpackungseinheiten von unterschiedlichen Paletten, die abhängig vom Hersteller eine unterschiedliche Anzahl von Exemplaren enthielten. 52Mit E-Mail vom 25.06.2020 bestätigte die Beklagte die Lieferung von 3.017.200 Masken, wobei die Masken Klägerin zwar eine solche von 3.027.560 Masken behauptet, die entsprechende Mehrforderung jedoch mit der Klage nicht mehr weiter verfolgt. Zudem rügte die Beklagte in dieser E-Mail insgesamt 640.000 Masken als mangelhaft und erklärte insoweit und bezüglich der behaupteten Minderlieferung den Rücktritt vom Vertrag (Anl. K11). Der E-Mail waren zwei Testberichte des TÜV Nord in englischer Sprache beigefügt (Anl. K12, K13, B5, B6). 53Der Prüfbericht, der ausweislich des bestrittenen Beklagtenvortrags die von der Klägerin unter der Avis-Nr. $00001 gelieferten 576.000 Masken betreffen soll (Anl. K13, B6), wies hinsichtlich der behaupteten Mangelhaftigkeit die folgenden Formulierungen auf: 54(i) "The masks are from different mask type, when comparing the content of two different packages. (See picture in the annex)" 55(ii) "The printed mask picture on the package deviates to the masks that are included. (See picture in the annex)" 56Übersetzung des Beklagtenvertreters in die deutsche Sprache: 57(i) „Auf Grundlage eines Vergleichs des Inhalt zweier unterschiedlicher Verpackungen wurden unterschiedliche Maskentypen festgestellt. (Siehe Bild im Anhang)" 58(ii) „Das auf die Verpackung aufgedruckte Bild weicht vom Aussehen der in der Verpackung enthaltenen Masken ab. (Siehe Bild im Anhang)“ 59Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.06.2020 widersprach die Klägerin sowohl der Mängelrüge als auch der Erklärung des Rücktritts und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 03.07.2020 zur Zahlung der Kaufpreisdifferenz nebst Zinsen, vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und behaupteter Standkosten auf (Anl. K14). 60Am 01.07.2020 stellte die Klägerin der Beklagte zudem eine Rechnung unter der Nr. 0000-0001 über die bislang nicht abgerechneten verbleibenden 27.200 Masken in Höhe von 141.974,00 € brutto aus (Anl. K15, Anl. B9), die der Beklagten am 10.07.2020 zuging. Eine entsprechende Zahlung der Beklagten blieb zunächst aus. Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.07.2020 (Anl. K17 Bl. 19-20 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte auch insoweit zur Zahlung auf. 61Die von der Klägerin zunächst mit der hiesigen Klage geltend gemachten ausstehenden Restbeträge der Rechnungen Nr. 0000-0002 und 0000-0003 wurden von der Beklagten nach Klageerhebung am 14.09.2020 zur Zahlung angewiesen. Zudem zahlte die Beklagte unter dem 22.09.2020 Verzugszinsen in Höhe von 66.570,00 € (vgl. Berechnung Bl. 97 d.A.) sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 16.676,90 € für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zugunsten des Kontos der Prozessbevollmächtigten der Klägerin. 62Die Klägerin behauptet, die gelieferten Masken entsprächen dem Standard KN95 (Bl. 215-221 d.A.), jedenfalls seien etwaige Abweichungen nicht erheblich. Alle gelieferten Masken hätten derselben Art und Qualität entsprochen und seien aus denselben Materialien hergestellt worden. Etwaige Detailunterschiede in der Optik seien darauf zurückzuführen, dass der Hersteller der Klägerin nicht nur eine, sondern mehrere Maschinen genutzt habe und habe nutzen müssen, um in der von der Beklagten vorgegebenen kurzen Zeit die entsprechende Anzahl an Masken herzustellen (Bl. 370 f d.A., Schreiben des Herstellers, Anl. K62). Auch sei die C schon kein für die Prüfung von FFP2-Masken geeignetes Prüfinstitut (Anl. K31) und für die Durchführung von Tests nach GB 2626 sei im Mai 2020 überhaupt kein deutsches Testinstitut in der Lage gewesen. Zudem hätten die vorliegend behaupteten Mängel bereits vor Ort bei der Einlieferung festgestellt werden können (Anl. K38). 63Die Klägerin ist zudem der Auffassung, der Beklagten habe gemäß § 377 HGB eine Obliegenheit zur unverzüglichen Rüge oblegen und die Rüge sei verspätet erfolgt. Zur Erklärung des Rücktritts habe es zudem einer vorherigen Nachfristsetzung bedurft, da die Lieferfrist weder objektiv noch subjektiv wesentlich für die Beklagte gewesen sei (vgl. Bl. 179-182 d.A.). Auch sei die Vereinbarung der einer etwaigen Fixschuld vorliegend AGB-rechtlich unwirksam (vgl. Bl. 189-195 d.A.). Jedenfalls sei eine etwaige Fixabrede durch die Zuweisung der abweichenden Lieferslots sowie durch die Akzeptanz von Nachlieferungen anderer Lieferanten abbedungen worden (vgl. Bl. 154-158, 182- 187, 310 ff., 459 ff.d.A., Anl. K16, K20, K21-K28, K40-56, K64-68). Daher sei die Beklagte unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten verpflichtet, allen Lieferanten identische Konditionen anzubieten, hilfsweise liege in der Vertragsanpassung einiger Lieferanten ein konkludentes Angebot an alle übrigen Lieferanten, hilfsweise sei darin eine treuwidrige Rechtsausübung zu sehen. Wiederum hilfsweise stehe dem Kläger ein Schadensersatzanspruch wegen verweigerter Vertragsanpassung zu. Jedenfalls sei ein etwaiges Rücktrittsrecht der Beklagten verwirkt (Bl. 186 ff d.A.). Auch bestehe wegen der Verletzung einer jedenfalls nebenvertraglichen Rügeobliegenheit durch die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe. Hierbei hätten die Lieferanten nach dem üblicherweise zu erwartenden Geschehensablauf mindestens die im Open-House-Verfahren angesetzten Preise erzielen können. 64Mit der Klage vom 06.07.2020 hat die Klägerin zunächst einen Zahlbetrag in Höhe von 3.509.667,00 € sowie Zinsen aus 82.467,00 € seit dem 25.06.2020, aus 3.427.200,00 € seit dem 30.05.2020, sowie ausgerechnete Zinsen in Höhe von 53.462,70 € geltend gemacht und zudem die Freistellung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 18.666,60 € begehrt. Unter dem 20.07.2020 hat die Klägerin letzteren Betrag auf 19.345,20 € erhöht und die Klage zudem um einen weiteren Zahlbetrag in Höhe von 141.984,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.07.2020 erweitert. Mit Schriftsatz vom 13.01.2021 hat die Klägerin sodann die teilweise Erledigung der Klage über die folgenden Anträge hinaus erklärt, der sich die Beklagte unter Erklärung der Kostenübernahme angeschlossen hat. 65Die Klägerin beantragt zuletzt, 661. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.427.200,00 € zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.05.2020; 672. die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.440,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.07.2020 zu zahlen. 68Die Beklagte beantragt, 69 die Klage abzuweisen. 70Sie behauptet, die von der Klägerin gelieferten 64.000 und 576.000 Schutzmasken des Herstellers F Co., LTD hätten die durchgeführte Sensorikprüfung nicht bestanden (Bl. 93 d.A.). Hinsichtlich der am 12.05.2020 vorgenommenen Sensorikprüfung der von der Klägerin gelieferten 576.000 Masken seien auf der Grundlage eines Vergleichs des Inhalts zweier unterschiedlicher Verpackungen unterschiedliche Maskentypen festgestellt worden und das auf die Verpackung aufgedruckte Bild habe hinsichtlich des Aussehens von den in der Verpackung enthaltenen Masken, insbesondere hinsichtlich des aufgedruckten Atemventils, abgewichen, wobei letzteres zwischen den Parteien unstreitig ist (Prüfbericht Anl. B6, Übersetzung der Passage Bl. 95 d.A.). Dies führe zusätzlich zu erheblichen Zweifeln, dass die der Verpackung beigefügten Zertifikate auch auf die verpackten Schutzmasken ausgestellt worden seien. Sie ist der Auffassung, einen Verstoß gegen die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit stelle auch das Vorhandensein von Schutzmasken unterschiedlicher Typen dar, da sich im Rahmen der auf Basis einer Stichprobenziehung erfolgenden Testungen nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen lasse, dass die betroffenen Schutzmasken vollumfänglich die relevanten Anforderungen erfüllen (vgl. 103-105 d.A.). Zudem finde auf die Masken das Null-Toleranz-Prinzip der Anhänge VII und VIII PSA-Verordnung (EU) 2016/425 (Anl.konvolut B12) Anwendung. Dabei sei die Sortenunreinheit ist ein ungeschriebenes Beschaffenheitsmerkmal der zu liefernden Schutzausrüstung gewesen, denn das Null-Toleranz-Prinzip finde seinen Niederschlag auch in der Voraussetzung der Sortenreinheit pro Avise als Bestandteil der zwischen den Parteien vereinbarten kaufrechtlichen Soll-Beschaffenheit. Ein Konformitätsbewertungsverfahren oder auch nur eine Stichprobenprüfung sei allein dann sinnvoll, wenn der Abnehmer der Masken davon ausgehen dürfe, dass aufgrund der tatsächlich geprüften Masken eine sinnvolle Aussage über die Qualität der gesamten gelieferten Charge getroffen werden kann. Ohne die Sortenreinheit sei das Null-Toleranz-Prinzip deshalb nicht umsetzbar. Wolle man auf die Sortenreinheit verzichten, führe dies das festgelegte Prüfverfahren ad absurdum. Dem Käufer der Masken könne nicht aufgebürdet werden, eine Avise daraufhin zu überprüfen, ob sich nicht irgendwo ein anderer Maskentyp findet, der dann separat zu prüfen wäre, was praktisch nicht zu bewerkstelligen sei. Dem Erfordernis einer raschen Verfügbarkeit einer großen Zahl von Schutzmasken zur Pandemiebekämpfung liefe das Erfordernis zeitraubender Prüfungen auf Seiten der Beklagten demgegenüber zuwider. Die Verpflichtung zur sortenreinen Lieferung habe sich vorliegend daher aus der Eil- und Massenbeschaffung als vertraglicher Pflicht der Klägerin ergeben. Nur die Kombination aus Null-Toleranz-Prinzip und Sortenreinheit lasse nach einer Prüfung einen Rückschluss auf die Sicherheit der Masken zu. Daher handele es sich bei der Sortenreinheit um einen unverzichtbaren Bestandteil des Prüfsystems zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes. 71Eine Untersuchungs- und Rügeverpflichtung aus § 6 Ziffer 6.2 des Vertrages habe sie nicht verletzt, da es sich nicht um offene Mängel gehandelt habe, und eine solche gemäß § 377 HGB habe ihr in Ermangelung eines beiderseitigen Handelsgeschäfts nicht oblegen (Bl. 107-114 d.A.). Im Übrigen habe sie weder eine solche, noch eine vertragliche Nebenpflicht verletzt (Anl. B10, B11, Bl. 115-118 d.A.). Auch sei eine Verwirkung des Rücktrittsrechts nicht eingetreten, da es insbesondere bereits an einem Vertrauensmoment fehle (Bl. 278-281 d.A.). Auch sei eine Nachfristsetzung entbehrlich gewesen, da es sich vorliegend um ein relatives Fixgeschäft handele (Bl. 119 ff. d.A.), das nachträglich nicht abbedungen worden sei und auf das sie – die Beklagte - sich auch mangels widersprüchlichen Verhaltens weiterhin berufen dürfe (vgl. im Einzelnen Bl. 121, 520 ff. d.A.). 72Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und die diesen beigefügten Anlagen sowie auf das Protokoll zu den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.03.2021Bezug genommen. 73Entscheidungsgründe: 74Die zulässige Klage ist hinsichtlich der in dem Klageantrag zu 1. enthaltenen Kaufpreisforderung der Klägerin für die unter der Avis-Nr. $00001 gelieferten 576.000 Masken in Höhe von 3.084.480,00 € begründet. 75Dabei betrifft das vorliegende Teilurteil ausschließlich die genannte Kaufpreisforderung der Klägerin zzgl. der beantragten Zinsen. Eine Entscheidung über einen etwaigen weiteren Anspruch der Klägerin bezüglich des Kaufpreises hinsichtlich der unter der Avis-Nr. $00002 gelieferten 64.000 Masken zzgl. diesbezüglicher Zinsen sowie der unter dem Klageantrag zu 2 geltend gemachten Standkosten bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. 76Die Kammer erachtet insoweit das Vorgehen im Wege des Teilurteils als angemessen, weil der genannte Anspruch der Klägerin, im Gegensatz zu der Kaufpreisforderung hinsichtlich der unter der Avis-Nr. $00002 gelieferten 64.000 Masken zzgl. Zinsen (ebenfalls Klageantrag zu 1) sowie im Hinblick auf die mit dem Klageantrag zu 2 geltend gemachten Standkosten, ohne Beweisaufnahme zur Endentscheidung reif ist. Anders als die Beklagte meint, besteht nach Auffassung der Kammer auch keine Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung im Schlussurteil wegen der beide Lieferungen betreffenden Frage des Vorliegens eines Fixgeschäftes, da es hinsichtlich der dem Teilurteil zugrunde liegenden Kaufpreisforderung für die unter der Avis-Nr. $00001 gelieferten 576.000 Masken hierauf bereits gar nicht ankommt. 77Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in genannter Höhe aus dem zwischen den Parteien geschlossenen sog. Open House Vertrag i.V.m. § 433 Abs. 2 BGB zu. 78Mit dem zwischen den Parteien geschlossenen sog. Open House Vertrag hat die Beklagte sich zur Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 4,50 € netto pro Atemschutzmaske verpflichtet. Die Lieferung der 576.000 Schutzmasken ist unstreitig durch die Klägerin erfolgt. 79Die Beklagte ist insoweit nicht gemäß der §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 2 Nr. 2, 346, 433, 434 Abs. 1 BGB wirksam von dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag zurückgetreten. 80Die Beklagte hat zwar mit Schreiben vom 25.06.2020 den Rücktritt von dem Kaufvertrag nach § 349 BGB gegenüber der Klägerin erklärt. Allerdings liegen die Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt nicht vor. 81Denn es fehlt bereits an einer Mangelhaftigkeit der Masken im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB. 82Dabei kann die Kammer dahinstehen lassen, ob der der Rücktrittsbegründung zugrunde liegende Prüfbericht in der Anlage B6 tatsächlich die von der Klägerin angelieferten Schutzmasken betrifft. 83Denn ungeachtet dessen, dass die Klägerin auch nachvollziehbar dargelegt hat, etwaige optische Unterschiede der Masken seien der Stanzung mittels unterschiedlicher Maschinen des unstreitig identischen Herstellers geschuldet und hätten keine Auswirkungen auf die Eigenschaften der Masken, spricht bereits der im Übrigen bestrittene Vortrag der Beklagten weder gegen die zwischen den Parteien vertraglich vereinbarte Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB, noch den weiteren Mangelbegriff des § 434 Abs. 1 S. 2 BGB. 84Gemäß § 434 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (S. 2 Ziffer 1), sonst wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (S. 2 Ziffer 2). 85Die Parteien haben sich vorliegend vertraglich auf die Lieferung von „FFP2 Masken“ geeinigt und diese gemäß § 2 Ziffer 2.1 i.V.m. der Leistungsbeschreibung u.a. als solche des Standards „KN95 (CHN)“ definiert. Dieser Standard richtet sich nach der chinesischen Regelung GB 2626. 86Demgegenüber haben die Parteien eine ausdrückliche Vereinbarung über die Sortenreinheit der Masken nicht getroffen. Eine solche findet sich an keiner Stelle in den Vertragsdokumenten und insbesondere nicht in der Leistungsbeschreibung. Auch aus den in den Schriftsätzen der Beklagten enthaltenen auszugsweisen Übersetzungen der für den Standard KN95 relevanten Richtlinie GB2626, die die Beklagte der Kammer im Übrigen in der Anlage B2 ausschließlich in englischer Sprache vorgelegt hat, ergibt sich eine entsprechende Anforderung nicht. Insbesondere ist für die Kammer nicht erkennbar, woraus sich für die Beklagte ergibt, dass der genannte Standard einen „einheitlichen Produktionsprozess vor Augen hätte“. 87Soweit die Beklagte darüber hinaus die Auffassung vertritt, das Erfordernis der Sortenreinheit ergebe sich aus den besonderen Rahmenbedingungen der Ausschreibung mit Hilfe eines Open House-Verfahrens zwecks kurzfristiger Pandemiebekämpfung, die zu dem besonderen Bedürfnis einer schnellen Überprüfbarkeit der Masken führe, vermag die Kammer dieser Auffassung, jedenfalls in dieser Pauschalität, nicht zu folgen. Dabei kann dahinstehen, ob dieser öffentlich bekannte Vertragszweck der kurzfristigen Pandemiebekämpfung ggf. der Lieferung wahllos zusammengestellter Einzelmasken jeweils unterschiedlicher Hersteller und Eigenschaften zuwiderlaufen könnte, weil der Beklagten ggf. eine weitere Überprüfung der Masken weder wirtschaftlich noch vor dem Hintergrund der zu befürchtenden Kontaminierung zuzumuten wäre. Denn vorliegend gestaltete sich der Fall gerade anders. Aus dem Prüfprotokoll in der Anlage B6 sowie der beklagtenseits zur Verfügung gestellten Übersetzung ergibt sich, dass „auf der Grundlage eines Vergleichs des Inhalts zweier unterschiedlicher Verpackungen […] unterschiedliche Maskentypen festgestellt“ worden seien. Eine nähere Konkretisierung nimmt die Beklagte nicht vor. Auf den in dem Prüfbericht enthaltenden Lichtbildern ist lediglich zu erkennen, dass die beiden abgebildeten Masken offenbar eine sich unterscheidende Stanzung sowie einen voneinander abweichenden Aufdruck aufweisen. Jedoch handelte es sich unstreitig in beiden Fällen um Masken desselben Herstellers mit jedenfalls unterschiedlichen optischen Merkmalen, deren weitere Eigenschaften sodann von der Beklagten nicht mehr (labor)geprüft worden sind. Nach Auffassung der Kammer vermag jedenfalls die Feststellung lediglich zweier unterschiedlicher Maskenarten den dargestellten Vertragszweck nicht zu gefährden. Vielmehr ist der Kammer aus zahlreichen Parallelverfahren anderer Lieferanten bekannt, dass in solchen Fällen in der Regel sog. „Unter-Avis-Nrn.“ geschaffen wurden, auf die sich die Stichprobenziehung sodann bezog, und was in dem vorliegenden Fall demgegenüber offensichtlich unterblieben ist. Dies wäre der Beklagten aber jedenfalls bei der Feststellung lediglich zweier Modelle nach Auffassung der Kammer zumutbar gewesen und weder dem Vertragszweck, noch der Durchführbarkeit der Stichprobenziehung und Prüfung zuwider gelaufen. Dies gilt insbesondere aufgrund der gerügten Zahl der vorliegend gelieferten Masken. 88Soweit die Beklagte darüber hinaus anführt, auch würde das sog. „Nulltoleranzprinzip“ die Sortenreinheit der Masken erfordern und nur durch die Kombination dieser beider Voraussetzungen könne der vertraglich vorausgesetzte Zweck der kurzfristigen Pandemiebekämpfung erreicht werden, kann erneut dahinstehen, ob das sog. „Nulltoleranzprinzip“ auf den vorliegenden Fall überhaupt Anwendung findet, weil dieses aus den vorstehenden Gründen jedenfalls in dem vorliegenden konkreten Fall der Feststellung lediglich zweier unterschiedlicher Maskenmodelle ebenfalls nicht gefährdet wird. 89Auch gelten die vorstehenden Ausführungen gleichermaßen für die klägerseits gewählte Verpackung der Masken, die eine Abbildung eines von dem tatsächlichen Inhalt abweichenden Maskenmodells mit Atemventil zeigt. Denn weder in den Vertragsdokumenten, insbesondere der Leistungsbeschreibung, noch in den für das Gericht übersetzten Auszügen aus der chinesischen Richtlinie GB2626, die dem vereinbarten Standard KN95 zugrunde liegt, finden sich besondere Vorgaben im Hinblick auf die Bebilderung der Verpackung der Masken. Allein in der von der Beklagten auf Bl. 100 d.A. zitierten und von der Klägerin auf Bl. 219 d.A. auszugsweise wiedergegebenen und übersetzten Regelung des 7.2 der GB2626 finden sich Vorgaben zum „Packaging“ wie folgt: 90„In the smallest sales packaging, there should be at least clear and lasting Chinese indications, or the following information through transpararent packaging…“ 91Übersetzung in die deutsche Sprache durch den Klägervertreter: 92„Auf der kleinsten zum Verkauf gedachten Verpackungseinheit soll zumindest eine eindeutige chinesische Information, oder die folgenden Informationen durch transparente Verpackungen zu finden sein…“. 93Unabhängig davon, dass diese Regelung mit dem englischen Wort „should“ eingeleitet ist und damit nicht obligatorisch sein dürfte, ist nicht erkennbar, dass sich daraus auch Vorgaben zu der Bebilderung der Verpackung ergeben würden. Ausdrücklich behauptet dies auch die Beklagte nicht. Auf den dem Prüfbericht in der Anlage B6 beigefügten Lichtbildern ist zudem zu erkennen, dass unter der Abbildung der Masken mit Atemventil eine Information in chinesischer Sprache zu finden ist. Ob diese eindeutig ist, vermag die Kammer mangels Übersetzung nicht zu beurteilen. Abweichendes ergibt sich im Übrigen auch nicht aus den nicht übersetzten Vorgaben zu den „Product Markings“ unter Ziffer 7.1 der genannten Richtlinie. 94Da die Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt nach den §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 2 Nr. 2, 346, 433, 434 Abs. 1 BGB bereits aufgrund der fehlenden Mangelhaftigkeit der unter der Avis-Nr. $00001 gelieferten 576.000 Schutzmasken nicht vorliegen, kommt es auf die insoweit streitigen (Rechts-)Fragen der Entbehrlichkeit der Fristsetzung zur Nacherfüllung, einer etwaigen verspäteten Rüge oder einem etwaigen widersprüchlichen Verhalten der Beklagten nach § 242 BGB, sowie die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten nicht weiter an. 95Der Zinsanspruch folgt aus § 5 Ziffer 5.1. des Open House Vertrages in Verbindung mit den §§ 288 Abs. 1 S.1, Abs. 2, 286 BGB. 96Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 S. 1, 2 ZPO. | die beklagte wird verurteilt, an die klägerin 3.084.480,00 € nebst zinsen in höhe von 9 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 26.05.2020 zu zahlen. die kostenentscheidung bleibt dem schlussurteil vorbehalten das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 prozent des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar 1 | 2die parteien streiten um zahlungsansprüche der klägerin aus einem mit der beklagten im rahmen der covid-19-pandemie geschlossenen vertrag über die lieferung von atemschutzmasken, wobei in diesem teilurteil ausschließlich eine entscheidung über die unter der avis-nr. $00001 gelieferten 576.000 masken ergeht. 3im rahmen eines sog. open house verfahrens, bei dem der auftraggeber nicht nur mit einem oder einer von anfang an bestimmen anzahl von unternehmen einen liefer- oder dienstleistungsvertrag abschließt, sondern zu vorher vorgegebenen konditionen mit allen interessierten unternehmen kontrahieren will, veröffentlichte die beklagte am 27.03.2020 die auftragsbekanntmachung mit der referenznummer 000-0000-0001 im „supplement zum amtsblatt der europäischen union“ für das europäische öffentliche auftragswesen sowie in dessen online-version „tenders electronic daily“ zur beschaffung persönlicher schutzausrüstung. dessen ziffer ii.2.4) lautet wie folgt: 4„[…] das vertragssystem beginnt ab sofort zu laufen und endet mit ablauf des 08.02.2020. zu berücksichtigten ist jedoch, dass spätester liefertermin der 30.04.2020 innerhalb der üblichen geschäftszeiten der d […] ist.“ 5am 08.04.2020 erfolgte zudem eine berichtigung / bekanntmachung über änderungen oder zusätzliche angaben. 6beigefügt waren die aufforderung zur angebotsabgabe (anl. k1), das angebotsformular, das vertragsformular über die lieferung von schutzausrüstung (anl. k2), die leistungsbeschreibung (anl. k3), die teilnahmebedingungen sowie die hinweise zum datenschutz (vgl. insgesamt anlagenkonvolut b1). 7auch die aufforderung zur angebotsabgabe und die teilnahmebedingungen enthielten unter 3.1 bzw. iii. jeweils einen hinweis auf den genannten liefertermin zum 30.04.2020. 8der „gegenstand des vertrages“ ist in dem vertragsformular über die lieferung von schutzausrüstung (anl. k2), unter § 1 s. 1 zunächst wie folgt definiert: 9„gegenstand des vertrages ist die lieferung von produkten folgender produktgruppe(n): 101. ffp2 masken menge in stück: klicken sie hier, um text einzugeben 112. op-masken menge in stück: klicken sie hier, um text einzugeben 123. schutzkittel menge in stück: klicken sie hier, um text einzugeben“ 13der auftragnehmer konnte insoweit lediglich die zu liefernde stückzahl eingeben. 14§ 2 ziffer 2.1 lautet zudem unter der überschrift „vertragsbestandteile“ wie folgt: 15„folgende unterlagen und bestimmungen sind in ergänzungen der regelungen dieses vertrages bestandteile des vertragsverhältnisses: 16a. die leistungsbeschreibung mit den stückpreisen für die einzelnen produktgruppen anlage 1“ 17(einen entsprechenden buchstaben b. weist das vertragsdokument nicht auf) 18§ 3 ziffer 3.1 lautet wie folgt: 19„die von dem an zu liefernden produkte einer produktgruppe i.s.d. § 1 dieses vertrags werden durch die leistungsbeschreibung (anlage 1) näher bestimmt.“ 20in dieser leistungsbeschreibung (anl. k3, bl. 21-22 d.a.) wurde hinsichtlich der produktgruppen „ffp 2 masken“, „op-masken“ und „schutzkittel“ unterschieden. 21hinsichtlich ersterer heißt es dort: 22„ffp2 masken 23beschreibung: 24atmungsaktives design, das nicht gegen den mund zusammenfällt (z.b. entenschnabel, becherförmig) versehen mit einer metallplatte an der nasenspitze kann wiederverwendbar* (aus robustem material, das gereinigt und desinfiziert werden kann) oder einwegartikel sein 25normen/standards: 26 atemschutzgerät "n95" gemäß fda klasse ii, unter 21 cfr 878.4040, und cdc niosh, oder "ffp2" gemäß en 149 verordnung 2016/425 kategorie iii 27oder gleichwertige normen, auch kn95 (chn)“ 28weiter war in der leistungsbeschreibung ein preis pro maske in höhe von 4,50 € netto vorgesehen. 29zudem finden sich in dem o.g. vertragsformular insbesondere die folgenden weiteren regelungen: 30in § 3 ziffer 3.2 heißt es zur lieferung: 31„die lieferung der produkte hat an die d […] während der üblichen geschäftszeiten zu erfolgen; […]. die lieferung ist der d in textform mit einer frist von mindestens drei kalendertagen vor dem liefertermin anzukündigen. spätester liefertermin ist der 30.04.2020 innerhalb der geschäftszeiten gemäß s.1. bei nichteinhaltung des spätesten liefertermins entfallen die gegenseitigen pflichten der vertragspartner; eine verspätete lieferung stellt keine erfüllung des vertrages durch den an dar (absolutes fixgeschäft).“ 32§ 5 ziffer 5.1. bestimmt in bezug auf die zahlung: 33„der ag zahlt die vereinbarte vergütung bargeldlos binnen einer woche nach erfolgter lieferung und eingang einer den vorschriften des umsatzsteuerrechts entsprechenden rechnung bei der d […] auf das von dem an angegebene konto.“ 34unter § 6 und der überschrift „mängelansprüche“ finden sich in den ziffern 6.1 und 6.2 die folgenden regelungen: 35„6.1 für sach- und rechtsmängelansprüche gelten die gesetzlichen vorschriften, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist. 366.2 eine untersuchungs-/rügeobliegenheit des ag beschränkt sich auf mängel, die nach der ablieferung unter äußerlicher begutachtung offen zu tage treten (z.b. transportbeschädigungen, falsch- und minderlieferungen). eine rüge/mängelanzeige gilt als unverzüglich und rechtzeitig, wenn sie innerhalb von sieben kalendertagen beim an eingeht.“ 37ferner heißt es dort unter § 7 ziffer 7.1 des vertrages: 38„der vertrag tritt mit zuschlagserteilung des ag auf das im open-house-verfahren abgegebene angebot des an in kraft und endet mit ablauf des 30.04.2020. die durch eine innerhalb der vertragslaufzeit erfolgte lieferung begründeten rechte und pflichten […] bestehen [...] fort.“ 39die schutzmasken sollten im anschluss an die beschaffung durch die beklagte an die bundesländer und kassenärztlichen vereinigungen weitergegeben werden. 40unter dem 31.03.2020 und 01.04.2020 unterbreitete die klägerin der beklagten jeweils ein angebot über die lieferung von 2.000.000 „ffp2 masken“ und unter dem 06.04.2020 ein weiteres über die lieferung weiterer 1.000.000 masken. für diese angebote erhielt sie durch die beklagte, vertreten durch die generalzolldirektion, mit schreiben vom 05.04.2020 und 08.04.2020 die zuschläge (anl. k4, k5). 41die anlieferungen der masken wurden im auftrag der beklagten durch die 42d (nachfolgend "d") sowie die im fortgeschrittenen stadium des open house verfahrens involvierte a gmbh (nachfolgend: „a“) koordiniert. nach ankündigung einer anlieferung durch den auftragnehmer wiesen die logistiker der geplanten anlieferung eine oder mehrere avisierungsnummern zu und teilten die lieferadresse mit. 43eine analyse der vorankündigungen zeigte auf, dass für den zeitraum zwischen dem 28.04.2020 und 30.04.2020 eine massive anlieferungsspitze zu erwarten war, die trotz einbindung von a und inanspruchnahme der zusätzlich bereitgestellten lagerflächen logistisch von der beklagten nicht bewältigt werden konnte. jedenfalls zur entzerrung dieser anlieferungsspitze erhielt eine größere zahl von auftragnehmern, unstreitig jedenfalls die, die ihre lieferung pünktlich bis zum 27.04.2020 23:59 avisiert hatten, einen anlieferslot für einen zeitpunkt nach dem 30.04.2020. 44die klägerin kündigte die lieferungen fristgerecht an, woraufhin die beklagte ihr zunächst lieferslots für den 27.04.2020 zuwies. wegen befürchteter ausfuhrprobleme aus china bat die klägerin vorsorglich um eine verschiebung des lieferslots. die a verschob daraufhin den lieferslot zunächst auf den 30.04.2020, später auf den 04./05.05.2020 und schließlich auf den 05. und 07.05.2020 (anl. k6, k7, k39). 45während die klägerin auf das erste angebot keine masken lieferte, stellt sie am 05.05.2020 eine erste teillieferung zu, wobei zwischen den parteien streitig ist, ob es sich um eine anzahl von 2.027.200 (so die beklagte) oder 2.027.560 (so die klägerin) masken handelte (lieferscheine anl. k8) und ob eine entgegennahme zur zeit der vorgesehenen lieferslots erfolgt ist. insoweit stellte die klägerin zunächst eine rechnung mit der nr. 0000-0002 für 2.000.000 masken über 10.710.000 € brutto aus (anl. k9, anl. b7), die der beklagten am 07.05.2020 zuging. auf diese rechnung leistete die beklagte am 22.05.2020 eine teilzahlung in höhe von 5.355.000,00 €, am 29.05.2020 in höhe von weiteren 4.737.033,00 € sowie am 24.06.2020 zudem in höhe von weiteren 535.000,00 €. ein betrag in höhe von 82.467,00 € blieb hingegen zunächst offen. 46auf das dritte angebot lieferte die klägerin sodann zu einem zwischen den parteien streitigen zeitpunkt insgesamt 1.000.000 schutzmasken, davon 360.000 schutzmasken vom typ kn95 des herstellers g und 64.000 schutzmasken vom typ kn95 des herstellers f co., ltd (avis-nr. $00001), sowie weitere 576.000 schutzmasken vom typ kn95 des herstellers f co., ltd (avis-nr. $00001). 47für diese lieferung stellte die klägerin der beklagten unter dem 30.04.2020 und der nummer 0000-0004 (anl. k19, anl. b8) einen betrag in höhe von 5.355.000,00 € in rechnung, die am 12.05.2020 bei der beklagten einging. auf diese rechnung zahlte die beklagte am 29.05.2020 einen betrag in höhe von 1.927.000,00 € für die 360.000 masken des herstellers g, 3.427.200,00 € blieben demgegenüber zunächst offen. 48hintergrund der nicht erfolgten zahlung durch die beklagte war eine prüfung der ware, wobei das von der beklagten durchgeführte prüfungsverfahren vor den hintergrund, dass es zur zeit des ausbruchs der covid-pandemie nicht genügend schutzmasken gab, die das konformitätsbewertungsverfahren vollständig durchlaufen hatten und auf dem deutschen markt verkehrsfähig gewesen wären, wie folgt ablief: 49die zentralstelle der länder (nachfolgend: „zls“) passte das von der europäischen norm en 149 vorgesehene prüfverfahren auf grundlage der am 13.03.2020 von der eu-kommission herausgegebenen „empfehlung der europäischen kommission 2020/403 über konformitätsbewertungs- und marktüberwachungsverfahren im kontext der covid-19-bedrohung“ (anl. b3) an und erstellte infolge dessen den prüfgrundsatz für corona sars-cov-2 pandemie atemschutzmasken (nachfolgend „cpa-prüfgrundsatz“, anl. b4). da die im rahmen des open house verfahrens gelieferten schutzmasken für den einsatz im medizinischen bereich vorgesehen waren, entschied sich die beklagte sodann, das prüfverfahren auf basis des cpa-prüfgrundsatzes zu modifizieren und insbesondere auf diejenigen kriterien zu beschränken, die ihrer auffassung nach für die verwendung der schutzmasken insbesondere im medizinischen bereich essentiell sind (nachfolgend „modifizierter cpa-prüfgrundsatz“). diese modifikation erfolgte durch das bmg in abstimmung mit dem bundesamt für arzneimittel und medizinprodukte („bfarm"). zur durchführung der erforderlichen prüfung benannte die beklagte den tüv einschließlich seiner gruppengesellschaft der c gmbh & co. kg (c). 50die beklagte führte im rahmen dieses prüfverfahrens nach dem von ihr entwickelten modifizierten cpa-prüfgrundsatz zunächst eine sensorikprüfung in form einer sog. sicht- und anlegeprüfung durch, im rahmen derer der tüv u.a. passform (dichtsitz), befestigung der fixierbänder sowie geruch begutachtete. hieran schloss sich im falle des bestehens der prüfung – an anderen prüfexemplaren – eine laborprüfung an, die neben elementen, die bereits gegenstand der sensorikprüfung waren (z.b. dichtsitz der schutzmasken und stabilität der bänder im rahmen einer sog. anlegeprüfung) insbesondere die prüfung des atemwiderstandes und des filterdurchlasses der schutzmasken umfasste. 51für die zusammenstellung der zu prüfenden stichprobe entnahm der tüv bzw. die c grundsätzlich pro avis-nummer jeweils drei verpackungseinheiten von unterschiedlichen paletten, die abhängig vom hersteller eine unterschiedliche anzahl von exemplaren enthielten. 52mit e-mail vom 25.06.2020 bestätigte die beklagte die lieferung von 3.017.200 masken, wobei die masken klägerin zwar eine solche von 3.027.560 masken behauptet, die entsprechende mehrforderung jedoch mit der klage nicht mehr weiter verfolgt. zudem rügte die beklagte in dieser e-mail insgesamt 640.000 masken als mangelhaft und erklärte insoweit und bezüglich der behaupteten minderlieferung den rücktritt vom vertrag (anl. k11). der e-mail waren zwei testberichte des tüv nord in englischer sprache beigefügt (anl. k12, k13, b5, b6). 53der prüfbericht, der ausweislich des bestrittenen beklagtenvortrags die von der klägerin unter der avis-nr. $00001 gelieferten 576.000 masken betreffen soll (anl. k13, b6), wies hinsichtlich der behaupteten mangelhaftigkeit die folgenden formulierungen auf: 54(i) "the masks are from different mask type, when comparing the content of two different packages. (see picture in the annex)" 55(ii) "the printed mask picture on the package deviates to the masks that are included. (see picture in the annex)" 56übersetzung des beklagtenvertreters in die deutsche sprache: 57(i) „auf grundlage eines vergleichs des inhalt zweier unterschiedlicher verpackungen wurden unterschiedliche maskentypen festgestellt. (siehe bild im anhang)" 58(ii) „das auf die verpackung aufgedruckte bild weicht vom aussehen der in der verpackung enthaltenen masken ab. (siehe bild im anhang)“ 59mit anwaltlichem schreiben vom 29.06.2020 widersprach die klägerin sowohl der mängelrüge als auch der erklärung des rücktritts und forderte die beklagte unter fristsetzung bis zum 03.07.2020 zur zahlung der kaufpreisdifferenz nebst zinsen, vorgerichtlicher rechtsanwaltskosten und behaupteter standkosten auf (anl. k14). 60am 01.07.2020 stellte die klägerin der beklagte zudem eine rechnung unter der nr. 0000-0001 über die bislang nicht abgerechneten verbleibenden 27.200 masken in höhe von 141.974,00 € brutto aus (anl. k15, anl. b9), die der beklagten am 10.07.2020 zuging. eine entsprechende zahlung der beklagten blieb zunächst aus. mit anwaltlichem schreiben vom 10.07.2020 (anl. k17 bl. 19-20 d.a.) forderte die klägerin die beklagte auch insoweit zur zahlung auf. 61die von der klägerin zunächst mit der hiesigen klage geltend gemachten ausstehenden restbeträge der rechnungen nr. 0000-0002 und 0000-0003 wurden von der beklagten nach klageerhebung am 14.09.2020 zur zahlung angewiesen. zudem zahlte die beklagte unter dem 22.09.2020 verzugszinsen in höhe von 66.570,00 € (vgl. berechnung bl. 97 d.a.) sowie einen weiteren betrag in höhe von 16.676,90 € für vorgerichtliche rechtsanwaltskosten zugunsten des kontos der prozessbevollmächtigten der klägerin. 62die klägerin behauptet, die gelieferten masken entsprächen dem standard kn95 (bl. 215-221 d.a.), jedenfalls seien etwaige abweichungen nicht erheblich. alle gelieferten masken hätten derselben art und qualität entsprochen und seien aus denselben materialien hergestellt worden. etwaige detailunterschiede in der optik seien darauf zurückzuführen, dass der hersteller der klägerin nicht nur eine, sondern mehrere maschinen genutzt habe und habe nutzen müssen, um in der von der beklagten vorgegebenen kurzen zeit die entsprechende anzahl an masken herzustellen (bl. 370 f d.a., schreiben des herstellers, anl. k62). auch sei die c schon kein für die prüfung von ffp2-masken geeignetes prüfinstitut (anl. k31) und für die durchführung von tests nach gb 2626 sei im mai 2020 überhaupt kein deutsches testinstitut in der lage gewesen. zudem hätten die vorliegend behaupteten mängel bereits vor ort bei der einlieferung festgestellt werden können (anl. k38). 63die klägerin ist zudem der auffassung, der beklagten habe gemäß § 377 hgb eine obliegenheit zur unverzüglichen rüge oblegen und die rüge sei verspätet erfolgt. zur erklärung des rücktritts habe es zudem einer vorherigen nachfristsetzung bedurft, da die lieferfrist weder objektiv noch subjektiv wesentlich für die beklagte gewesen sei (vgl. bl. 179-182 d.a.). auch sei die vereinbarung der einer etwaigen fixschuld vorliegend agb-rechtlich unwirksam (vgl. bl. 189-195 d.a.). jedenfalls sei eine etwaige fixabrede durch die zuweisung der abweichenden lieferslots sowie durch die akzeptanz von nachlieferungen anderer lieferanten abbedungen worden (vgl. bl. 154-158, 182- 187, 310 ff., 459 ff.d.a., anl. k16, k20, k21-k28, k40-56, k64-68). daher sei die beklagte unter gleichbehandlungsgesichtspunkten verpflichtet, allen lieferanten identische konditionen anzubieten, hilfsweise liege in der vertragsanpassung einiger lieferanten ein konkludentes angebot an alle übrigen lieferanten, hilfsweise sei darin eine treuwidrige rechtsausübung zu sehen. wiederum hilfsweise stehe dem kläger ein schadensersatzanspruch wegen verweigerter vertragsanpassung zu. jedenfalls sei ein etwaiges rücktrittsrecht der beklagten verwirkt (bl. 186 ff d.a.). auch bestehe wegen der verletzung einer jedenfalls nebenvertraglichen rügeobliegenheit durch die beklagte ein schadensersatzanspruch in gleicher höhe. hierbei hätten die lieferanten nach dem üblicherweise zu erwartenden geschehensablauf mindestens die im open-house-verfahren angesetzten preise erzielen können. 64mit der klage vom 06.07.2020 hat die klägerin zunächst einen zahlbetrag in höhe von 3.509.667,00 € sowie zinsen aus 82.467,00 € seit dem 25.06.2020, aus 3.427.200,00 € seit dem 30.05.2020, sowie ausgerechnete zinsen in höhe von 53.462,70 € geltend gemacht und zudem die freistellung von rechtsanwaltskosten in höhe von 18.666,60 € begehrt. unter dem 20.07.2020 hat die klägerin letzteren betrag auf 19.345,20 € erhöht und die klage zudem um einen weiteren zahlbetrag in höhe von 141.984,00 € nebst zinsen in höhe von 9 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 09.07.2020 erweitert. mit schriftsatz vom 13.01.2021 hat die klägerin sodann die teilweise erledigung der klage über die folgenden anträge hinaus erklärt, der sich die beklagte unter erklärung der kostenübernahme angeschlossen hat. 65die klägerin beantragt zuletzt, 661. die beklagte zu verurteilen, an sie 3.427.200,00 € zu zahlen, nebst zinsen in höhe von 9 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 26.05.2020; 672. die beklagte zu verurteilen, an sie 4.440,00 € nebst zinsen in höhe von 9 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 04.07.2020 zu zahlen. 68die beklagte beantragt, 69 die klage abzuweisen. 70sie behauptet, die von der klägerin gelieferten 64.000 und 576.000 schutzmasken des herstellers f co., ltd hätten die durchgeführte sensorikprüfung nicht bestanden (bl. 93 d.a.). hinsichtlich der am 12.05.2020 vorgenommenen sensorikprüfung der von der klägerin gelieferten 576.000 masken seien auf der grundlage eines vergleichs des inhalts zweier unterschiedlicher verpackungen unterschiedliche maskentypen festgestellt worden und das auf die verpackung aufgedruckte bild habe hinsichtlich des aussehens von den in der verpackung enthaltenen masken, insbesondere hinsichtlich des aufgedruckten atemventils, abgewichen, wobei letzteres zwischen den parteien unstreitig ist (prüfbericht anl. b6, übersetzung der passage bl. 95 d.a.). dies führe zusätzlich zu erheblichen zweifeln, dass die der verpackung beigefügten zertifikate auch auf die verpackten schutzmasken ausgestellt worden seien. sie ist der auffassung, einen verstoß gegen die vertraglich vereinbarte beschaffenheit stelle auch das vorhandensein von schutzmasken unterschiedlicher typen dar, da sich im rahmen der auf basis einer stichprobenziehung erfolgenden testungen nicht mit der notwendigen sicherheit feststellen lasse, dass die betroffenen schutzmasken vollumfänglich die relevanten anforderungen erfüllen (vgl. 103-105 d.a.). zudem finde auf die masken das null-toleranz-prinzip der anhänge vii und viii psa-verordnung (eu) 2016/425 (anl.konvolut b12) anwendung. dabei sei die sortenunreinheit ist ein ungeschriebenes beschaffenheitsmerkmal der zu liefernden schutzausrüstung gewesen, denn das null-toleranz-prinzip finde seinen niederschlag auch in der voraussetzung der sortenreinheit pro avise als bestandteil der zwischen den parteien vereinbarten kaufrechtlichen soll-beschaffenheit. ein konformitätsbewertungsverfahren oder auch nur eine stichprobenprüfung sei allein dann sinnvoll, wenn der abnehmer der masken davon ausgehen dürfe, dass aufgrund der tatsächlich geprüften masken eine sinnvolle aussage über die qualität der gesamten gelieferten charge getroffen werden kann. ohne die sortenreinheit sei das null-toleranz-prinzip deshalb nicht umsetzbar. wolle man auf die sortenreinheit verzichten, führe dies das festgelegte prüfverfahren ad absurdum. dem käufer der masken könne nicht aufgebürdet werden, eine avise daraufhin zu überprüfen, ob sich nicht irgendwo ein anderer maskentyp findet, der dann separat zu prüfen wäre, was praktisch nicht zu bewerkstelligen sei. dem erfordernis einer raschen verfügbarkeit einer großen zahl von schutzmasken zur pandemiebekämpfung liefe das erfordernis zeitraubender prüfungen auf seiten der beklagten demgegenüber zuwider. die verpflichtung zur sortenreinen lieferung habe sich vorliegend daher aus der eil- und massenbeschaffung als vertraglicher pflicht der klägerin ergeben. nur die kombination aus null-toleranz-prinzip und sortenreinheit lasse nach einer prüfung einen rückschluss auf die sicherheit der masken zu. daher handele es sich bei der sortenreinheit um einen unverzichtbaren bestandteil des prüfsystems zur sicherstellung des gesundheitsschutzes. 71eine untersuchungs- und rügeverpflichtung aus § 6 ziffer 6.2 des vertrages habe sie nicht verletzt, da es sich nicht um offene mängel gehandelt habe, und eine solche gemäß § 377 hgb habe ihr in ermangelung eines beiderseitigen handelsgeschäfts nicht oblegen (bl. 107-114 d.a.). im übrigen habe sie weder eine solche, noch eine vertragliche nebenpflicht verletzt (anl. b10, b11, bl. 115-118 d.a.). auch sei eine verwirkung des rücktrittsrechts nicht eingetreten, da es insbesondere bereits an einem vertrauensmoment fehle (bl. 278-281 d.a.). auch sei eine nachfristsetzung entbehrlich gewesen, da es sich vorliegend um ein relatives fixgeschäft handele (bl. 119 ff. d.a.), das nachträglich nicht abbedungen worden sei und auf das sie – die beklagte - sich auch mangels widersprüchlichen verhaltens weiterhin berufen dürfe (vgl. im einzelnen bl. 121, 520 ff. d.a.). 72wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf die wechselseitigen schriftsätze der parteien und die diesen beigefügten anlagen sowie auf das protokoll zu den termin zur mündlichen verhandlung vom 24.03.2021bezug genommen. 73 | 74die zulässige klage ist hinsichtlich der in dem klageantrag zu 1. enthaltenen kaufpreisforderung der klägerin für die unter der avis-nr. $00001 gelieferten 576.000 masken in höhe von 3.084.480,00 € begründet. 75dabei betrifft das vorliegende teilurteil ausschließlich die genannte kaufpreisforderung der klägerin zzgl. der beantragten zinsen. eine entscheidung über einen etwaigen weiteren anspruch der klägerin bezüglich des kaufpreises hinsichtlich der unter der avis-nr. $00002 gelieferten 64.000 masken zzgl. diesbezüglicher zinsen sowie der unter dem klageantrag zu 2 geltend gemachten standkosten bleibt dem schlussurteil vorbehalten. 76die kammer erachtet insoweit das vorgehen im wege des teilurteils als angemessen, weil der genannte anspruch der klägerin, im gegensatz zu der kaufpreisforderung hinsichtlich der unter der avis-nr. $00002 gelieferten 64.000 masken zzgl. zinsen (ebenfalls klageantrag zu 1) sowie im hinblick auf die mit dem klageantrag zu 2 geltend gemachten standkosten, ohne beweisaufnahme zur endentscheidung reif ist. anders als die beklagte meint, besteht nach auffassung der kammer auch keine gefahr einer widersprüchlichen entscheidung im schlussurteil wegen der beide lieferungen betreffenden frage des vorliegens eines fixgeschäftes, da es hinsichtlich der dem teilurteil zugrunde liegenden kaufpreisforderung für die unter der avis-nr. $00001 gelieferten 576.000 masken hierauf bereits gar nicht ankommt. 77der klägerin steht gegen die beklagte ein anspruch auf zahlung des kaufpreises in genannter höhe aus dem zwischen den parteien geschlossenen sog. open house vertrag i.v.m. § 433 abs. 2 bgb zu. 78mit dem zwischen den parteien geschlossenen sog. open house vertrag hat die beklagte sich zur zahlung eines kaufpreises in höhe von 4,50 € netto pro atemschutzmaske verpflichtet. die lieferung der 576.000 schutzmasken ist unstreitig durch die klägerin erfolgt. 79die beklagte ist insoweit nicht gemäß der §§ 437 nr. 2, 323 abs. 2 nr. 2, 346, 433, 434 abs. 1 bgb wirksam von dem zwischen den parteien geschlossenen vertrag zurückgetreten. 80die beklagte hat zwar mit schreiben vom 25.06.2020 den rücktritt von dem kaufvertrag nach § 349 bgb gegenüber der klägerin erklärt. allerdings liegen die voraussetzungen für einen wirksamen rücktritt nicht vor. 81denn es fehlt bereits an einer mangelhaftigkeit der masken im sinne von § 434 abs. 1 bgb. 82dabei kann die kammer dahinstehen lassen, ob der der rücktrittsbegründung zugrunde liegende prüfbericht in der anlage b6 tatsächlich die von der klägerin angelieferten schutzmasken betrifft. 83denn ungeachtet dessen, dass die klägerin auch nachvollziehbar dargelegt hat, etwaige optische unterschiede der masken seien der stanzung mittels unterschiedlicher maschinen des unstreitig identischen herstellers geschuldet und hätten keine auswirkungen auf die eigenschaften der masken, spricht bereits der im übrigen bestrittene vortrag der beklagten weder gegen die zwischen den parteien vertraglich vereinbarte beschaffenheit im sinne von § 434 abs. 1 s. 1 bgb, noch den weiteren mangelbegriff des § 434 abs. 1 s. 2 bgb. 84gemäß § 434 abs. 1 s. 1 bgb ist die sache frei von sachmängeln, wenn sie bei gefahrübergang die vereinbarte beschaffenheit hat. soweit die beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die sache frei von sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem vertrag vorausgesetzte verwendung eignet (s. 2 ziffer 1), sonst wenn sie sich für die gewöhnliche verwendung eignet und eine beschaffenheit aufweist, die bei sachen der gleichen art üblich ist und die der käufer nach der art der sache erwarten kann (s. 2 ziffer 2). 85die parteien haben sich vorliegend vertraglich auf die lieferung von „ffp2 masken“ geeinigt und diese gemäß § 2 ziffer 2.1 i.v.m. der leistungsbeschreibung u.a. als solche des standards „kn95 (chn)“ definiert. dieser standard richtet sich nach der chinesischen regelung gb 2626. 86demgegenüber haben die parteien eine ausdrückliche vereinbarung über die sortenreinheit der masken nicht getroffen. eine solche findet sich an keiner stelle in den vertragsdokumenten und insbesondere nicht in der leistungsbeschreibung. auch aus den in den schriftsätzen der beklagten enthaltenen auszugsweisen übersetzungen der für den standard kn95 relevanten richtlinie gb2626, die die beklagte der kammer im übrigen in der anlage b2 ausschließlich in englischer sprache vorgelegt hat, ergibt sich eine entsprechende anforderung nicht. insbesondere ist für die kammer nicht erkennbar, woraus sich für die beklagte ergibt, dass der genannte standard einen „einheitlichen produktionsprozess vor augen hätte“. 87soweit die beklagte darüber hinaus die auffassung vertritt, das erfordernis der sortenreinheit ergebe sich aus den besonderen rahmenbedingungen der ausschreibung mit hilfe eines open house-verfahrens zwecks kurzfristiger pandemiebekämpfung, die zu dem besonderen bedürfnis einer schnellen überprüfbarkeit der masken führe, vermag die kammer dieser auffassung, jedenfalls in dieser pauschalität, nicht zu folgen. dabei kann dahinstehen, ob dieser öffentlich bekannte vertragszweck der kurzfristigen pandemiebekämpfung ggf. der lieferung wahllos zusammengestellter einzelmasken jeweils unterschiedlicher hersteller und eigenschaften zuwiderlaufen könnte, weil der beklagten ggf. eine weitere überprüfung der masken weder wirtschaftlich noch vor dem hintergrund der zu befürchtenden kontaminierung zuzumuten wäre. denn vorliegend gestaltete sich der fall gerade anders. aus dem prüfprotokoll in der anlage b6 sowie der beklagtenseits zur verfügung gestellten übersetzung ergibt sich, dass „auf der grundlage eines vergleichs des inhalts zweier unterschiedlicher verpackungen […] unterschiedliche maskentypen festgestellt“ worden seien. eine nähere konkretisierung nimmt die beklagte nicht vor. auf den in dem prüfbericht enthaltenden lichtbildern ist lediglich zu erkennen, dass die beiden abgebildeten masken offenbar eine sich unterscheidende stanzung sowie einen voneinander abweichenden aufdruck aufweisen. jedoch handelte es sich unstreitig in beiden fällen um masken desselben herstellers mit jedenfalls unterschiedlichen optischen merkmalen, deren weitere eigenschaften sodann von der beklagten nicht mehr (labor)geprüft worden sind. nach auffassung der kammer vermag jedenfalls die feststellung lediglich zweier unterschiedlicher maskenarten den dargestellten vertragszweck nicht zu gefährden. vielmehr ist der kammer aus zahlreichen parallelverfahren anderer lieferanten bekannt, dass in solchen fällen in der regel sog. „unter-avis-nrn.“ geschaffen wurden, auf die sich die stichprobenziehung sodann bezog, und was in dem vorliegenden fall demgegenüber offensichtlich unterblieben ist. dies wäre der beklagten aber jedenfalls bei der feststellung lediglich zweier modelle nach auffassung der kammer zumutbar gewesen und weder dem vertragszweck, noch der durchführbarkeit der stichprobenziehung und prüfung zuwider gelaufen. dies gilt insbesondere aufgrund der gerügten zahl der vorliegend gelieferten masken. 88soweit die beklagte darüber hinaus anführt, auch würde das sog. „nulltoleranzprinzip“ die sortenreinheit der masken erfordern und nur durch die kombination dieser beider voraussetzungen könne der vertraglich vorausgesetzte zweck der kurzfristigen pandemiebekämpfung erreicht werden, kann erneut dahinstehen, ob das sog. „nulltoleranzprinzip“ auf den vorliegenden fall überhaupt anwendung findet, weil dieses aus den vorstehenden gründen jedenfalls in dem vorliegenden konkreten fall der feststellung lediglich zweier unterschiedlicher maskenmodelle ebenfalls nicht gefährdet wird. 89auch gelten die vorstehenden ausführungen gleichermaßen für die klägerseits gewählte verpackung der masken, die eine abbildung eines von dem tatsächlichen inhalt abweichenden maskenmodells mit atemventil zeigt. denn weder in den vertragsdokumenten, insbesondere der leistungsbeschreibung, noch in den für das gericht übersetzten auszügen aus der chinesischen richtlinie gb2626, die dem vereinbarten standard kn95 zugrunde liegt, finden sich besondere vorgaben im hinblick auf die bebilderung der verpackung der masken. allein in der von der beklagten auf bl. 100 d.a. zitierten und von der klägerin auf bl. 219 d.a. auszugsweise wiedergegebenen und übersetzten regelung des 7.2 der gb2626 finden sich vorgaben zum „packaging“ wie folgt: 90„in the smallest sales packaging, there should be at least clear and lasting chinese indications, or the following information through transpararent packaging…“ 91übersetzung in die deutsche sprache durch den klägervertreter: 92„auf der kleinsten zum verkauf gedachten verpackungseinheit soll zumindest eine eindeutige chinesische information, oder die folgenden informationen durch transparente verpackungen zu finden sein…“. 93unabhängig davon, dass diese regelung mit dem englischen wort „should“ eingeleitet ist und damit nicht obligatorisch sein dürfte, ist nicht erkennbar, dass sich daraus auch vorgaben zu der bebilderung der verpackung ergeben würden. ausdrücklich behauptet dies auch die beklagte nicht. auf den dem prüfbericht in der anlage b6 beigefügten lichtbildern ist zudem zu erkennen, dass unter der abbildung der masken mit atemventil eine information in chinesischer sprache zu finden ist. ob diese eindeutig ist, vermag die kammer mangels übersetzung nicht zu beurteilen. abweichendes ergibt sich im übrigen auch nicht aus den nicht übersetzten vorgaben zu den „product markings“ unter ziffer 7.1 der genannten richtlinie. 94da die voraussetzungen für einen wirksamen rücktritt nach den §§ 437 nr. 2, 323 abs. 2 nr. 2, 346, 433, 434 abs. 1 bgb bereits aufgrund der fehlenden mangelhaftigkeit der unter der avis-nr. $00001 gelieferten 576.000 schutzmasken nicht vorliegen, kommt es auf die insoweit streitigen (rechts-)fragen der entbehrlichkeit der fristsetzung zur nacherfüllung, einer etwaigen verspäteten rüge oder einem etwaigen widersprüchlichen verhalten der beklagten nach § 242 bgb, sowie die verletzung von vertraglichen nebenpflichten nicht weiter an. 95der zinsanspruch folgt aus § 5 ziffer 5.1. des open house vertrages in verbindung mit den §§ 288 abs. 1 s.1, abs. 2, 286 bgb. 96die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 s. 1, 2 zpo. | Klaeger*in | 1 |
125,816 | 1 K 2243/12 L | 2016-03-03T00:00:00 | Urteil | Tenor Der Haftungsbescheid des Beklagten vom 28.05.2010 und die Einspruchsentscheidung vom 22.06.2012 werden aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs abwenden, wenn nicht zuvor der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides i.S. des § 191 Abs. 1 i.V. mit §§ 69 S. 1, 34 Abs. 1 Abgabeordnung (AO), mit dem das beklagte Finanzamt den Kläger als Geschäftsführer für Lohnsteuerschulden nebst Annexabgaben der Firma A-KG in Anspruch genommen hat. 3Die A-KG in XXX war Teil eines Unternehmens in der XXX-Branche unter dem Dach der A-GmbH in YYY. Das Unternehmen unterhielt am Hauptstandort in YYY, am Standort der KG in XXX sowie im Ausland mehrere Produktionsstätten und beschäftigte alleine im Inland mehrere Tausend Mitarbeiter. 4Die A-KG schuldet dem Land Nordrhein-Westfalen nach aktuellem Stand Lohnsteuer und Annexabgaben für den Zeitraum März 2009 i.H. von insgesamt 1.XXX.XXX,- EUR (Stand der letzten Berechnung des Beklagten über Lohnsteuer und Annexabgaben vom 15.11.2012; vom Insolvenzverwalter wurden dagegen zuletzt lediglich 9XX.XXX,- EUR angemeldet [Einspruchsverfahren des Insolvenzverwalters ist noch anhängig]). 5Über das Vermögen der A-GmbH in YYY sowie über das Vermögen der A-KG in XXX wurde im Jahr 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellten die Geschäftsführer am 08.04.2009. Am gleichen Tage bestellte das Amtsgericht YYY einen vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete an, dass Verfügungen der Insolvenzschuldnerinnen nur noch mit dessen Zustimmung wirksam erfolgen konnten (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Insolvenzordnung – InsO). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschloss das Amtsgericht YYY am 29.06.2009. 6Der Kläger war gemeinsam mit Herrn A Geschäftsführer der AA-GmbH, die wiederum zu 100% an der A-Verwaltungs-GmbH in XXX beteiligt war. Letztere war Komplementärin der A-KG. Zugleich waren der Kläger und Herr A zusammen mit Herrn C Geschäftsführer der A-GmbH in YYY. 7Die A-KG hatte ihren Geschäftsbetrieb mit Betriebspachtvertrag vom 24.09.1998 an die A-GmbH in YYY verpachtet. Aufgrund eines Betriebsführungsvertrages selben Datums übertrug die A-GmbH die Betriebsführung für den gepachteten Betrieb an die A-KG zurück. Gemäß § 2 Abs. 3 dieses Vertrages nahm die A-KG die Arbeitgeberfunktion wahr. Die Betriebsführung erfolgte im Namen der A-KG, jedoch auf Rechnung der A-GmbH. Sämtlich Kosten im Zusammenhang mit der Betriebsführung wurden der A-KG durch die A-GmbH erstattet (§ 3 des Vertrages). 8Die A-GmbH verfügte über mehrere Bankkonten, u.a. bei der D-Bank und bei der P-Bank. Das Konto bei der D-Bank war das zentrale Firmenkonto. Hinsichtlich der Transaktionen und der Entwicklung der Tagessalden im Zeitraum vom 25.03. bis zum 15.04.2009 wird auf die in der Gerichtsakte sowie in den Verwaltungsakten befindlichen Kontoauszüge verwiesen. 9Am 26.03.2009 zahlte die A-KG in XXX die Gehälter an ihre Angestellten für März 2009 in voller Höhe aus (die Löhne der „Arbeiter“ sollten erst später ausgezahlt werden). Mit Lohnsteueranmeldung vom 07.04.2009 meldete die A-KG für den Zeitraum März 2009 Lohnsteuer nebst Annexabgaben i.H. von 1.XXX.XXX,- EUR an. Die Lohnsteueranmeldung ging am 08.04.2009 beim Beklagten ein. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gab der Insolvenzverwalter mehrfach korrigierte Lohnsteueranmeldungen für den Streitzeitraum ab. 10Die Geschehnisse in den letzten Tagen vor der Insolvenzantragsstellung lassen sich nach dem (vom Beklagten nicht bestrittenen) Vortrag des Klägers unter Bezugnahme auf ein Gedächtnisprotokoll vom 09.04.2009 wie folgt zusammen fassen: 11Am 06.04.2009 fand eine Geschäftsführersitzung bei der A-GmbH statt. Daran nahmen neben den Geschäftsführern (Kläger, Herr A und Herr C) der Prokurist Herr Dr. Z (Leiter Abteilung Finanzen, Rechnungswesen und Steuern), dessen Mitarbeiter Herr M und Herr S (Treasury / Kasse), Frau L (Sachbearbeiterin Personal) sowie Herr O (anwaltlicher Berater aus der Kanzlei Dr. W und Partner) teil. Im Rahmen der Geschäftsführersitzung verschafften sich die Teilnehmer zunächst einen Überblick über die Liquiditätssituation des Unternehmens. Sodann wiesen die Geschäftsführer Herrn Dr. Z an, alle Mittel bei der D-Bank „aus Sicherheitsgründen“ auf das Konto bei der P-Bank zu überweisen und dort zu deponieren. Ferner fassten die Geschäftsführer den Entschluss, „auf jeden Fall“ die auf die bereits am 26.03.2009 ausgezahlten Gehälter der „Angestellten“ in XXX entfallende Lohnsteuer der A-KG zu zahlen. Die Entscheidung, ob darüber hinaus auch die Löhne für den Monat März 2009 an die „Arbeiter“ der Standorte YYY und XXX nebst darauf entfallender Lohnsteuer ausgezahlt oder „Kasse für den Insolvenzverwalter gehalten“ werden sollte, wurde auf den nächsten Tag (07.04.2009) verschoben. 12Noch am 06.04.2009 wurde ein Betrag i.H. von 4.200.000,- EUR vom Konto der D-Bank auf das Konto bei der P-Bank überwiesen. 13Am 07.04.2009 wurde ein weiterer Betrag i.H. von 450.000,- EUR vom Konto der D-Bank auf das Konto bei der P-Bank überwiesen. 14Ebenfalls am 07.04.2009 gegen 14.30 Uhr wies die Geschäftsführung den Leiter der Abteilung Finanzen, Rechnungslegung und Steuern (Herrn Dr. Z) an, folgende Überweisungen vorzunehmen: 15Löhne A-GmbH YYY 3.XXX.XXX,- EUR 16Löhne A-KG XXX „Arbeiter“ 5XX.XXX,- EUR 17Lohnsteuer A-KG XXX 1.XXX.XXX,- EUR 18Zahlung „…“ 3XX.XXX,- EUR 19Zahlung „…“ 3XX.XXX,- EUR 20 5.8XX.XXX,- EUR 21Am späten Nachmittag des 07.04.2009 (16.15 Uhr) ordneten Herr Dr. Z und sein Mitarbeiter, Herr M, ohne Rücksprache mit bzw. Information der Geschäftsführung an, das bei der P-Bank vorhandene Guthaben i.H. von 4.650.000,- EUR wieder auf das Konto bei der D-Bank zurück zu überweisen. Der Betrag ist am 08.04.2009 auf dem Konto bei der D-Bank gutgeschrieben worden. Hintergrund dieser Rückübertragung soll gewesen sein, dass die Überweisung der Löhne technisch vom Konto der D-Bank habe wesentlich einfacher bewerkstelligt werden können, und zwar durch Nutzung einer nur dort bestehenden elektronischen Zahlungsverkehrsverbindung in Gestalt eines SAP-Entgeltabrechnungs- und Überweisungsverfahrens (die Lohnauszahlung machte zahlreiche Einzelüberweisungen nötig, etwa in Form der Löhne an die Arbeitnehmer, der Sozialversicherungsbeiträge an die Sozialversicherungsträger und vermögenswirksamer Leistungen an die Bankinstitute). 22Am Morgen des 08.04.2009 (8.14 Uhr) erteilte Herr S (Mitarbeiter der A-GmbH in dem von Herrn Dr. Z geleiteten Bereich Finanzen, Rechnungswesen und Steuern, zuständig für den Zahlungsverkehr [„Treasury“]) der D-Bank den Auftrag, die Lohnsteuer für März 2009 i.H. von 1.XXX.XXX,- EUR zugunsten des beklagten Finanzamts zu überweisen. Ferner wurde die D-Bank angewiesen, die von der Geschäftsführung angeordneten weiteren Überweisungsvorgänge auszuführen (Löhne XXX und YYY, Zahlungen an Auslandsunternehmen). Der Habensaldo auf dem Konto bei der D-Bank belief sich zu Beginn des Tages auf 2.2XX.XXX,- EUR. Nach dem Eingang des vom P-Bank-Konto überwiesenen Betrages i.H. von 4.650.000,- EUR und weiteren Zugängen betrug der Habensaldo am Schluss des Tages 7.9XX.XXX,- EUR. In einer E-Mail vom 08.04.2009 übersandte Herr S der Controlling-Abteilung der A-GmbH eine aktuelle Liquiditätsübersicht und unterrichtete die Controlling-Abteilung über die der D-Bank zuvor von ihm erteilten Überweisungsaufträge. 23Die D-Bank führte ab dem 08.04.2009 keine Überweisungen mehr aus, auch nicht den erteilten Auftrag zur Überweisung der streitgegenständlichen Lohnsteuer. Sie hielt das auf dem Konto befindliche Guthaben zurück und leitete die Angelegenheit an die interne Abteilung „Risk Management“ weiter, um die Absicherung etwaiger eigener Ansprüche gegen die A-GmbH zu prüfen. Nach erfolgter Überprüfung stellte die D-Bank einen Großteil des Kapitals dem Unternehmen später wieder zur Verfügung; sie transferierte am 01.07.2009 einen Betrag i.H. von 5.5XX.000,- EUR auf das Konto des vorläufigen Insolvenzverwalters. 24Ebenfalls am 08.04.2009 widerrief die A-KG nach telefonischer Vorankündigung vom selben Tage gegenüber dem beklagten Finanzamt die bisher für Betriebssteuern gültigen Einzugsermächtigungen und bat um schriftliche Bestätigung. 25Am 08.04.2009 stellten der Kläger und seine Mitgeschäftsführer beim Amtsgericht YYY Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die A-GmbH in YYY sowie für die A-KG in XXX. Um 9.50 Uhr (A-GmbH) und um 11.00 Uhr (A-KG) ordnete das Insolvenzgericht die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Insolvenzschuldnerinnen an und bestellte insofern einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Gleichzeitig ordnete das Gericht an, dass Verfügungen der Insolvenzschuldnerinnen nur noch mit dessen Zustimmung wirksam erfolgen konnten. 26Nachdem der Kläger und sein Mitgeschäftsführer den Insolvenzverwalter zunächst mündlich erfolglos um Überweisung der Lohnsteuer März 2009 gebeten hatten, forderten sie ihn am 04.05.2009 schriftlich auf, die rückständige Lohnsteuer nebst Annexabgaben an das beklagte Finanzamt zu zahlen. Mit Schreiben vom 12.05.2009 lehnte der Insolvenzverwalter eine Zahlung mit der Begründung ab, dass der Lohnsteueranmeldungszeitraum vor Insolvenzeröffnung liege, es sich bei der Lohnsteuer damit um eine „normale Insolvenzforderung“ handele und er sich im Falle einer Zahlung möglicherweise wegen Gläubigerbenachteiligung strafbar machen würde. 27Nach erfolgter Anhörung erließ der Beklagte mit Datum vom 28.05.2010 jeweils einen Haftungsbescheid i.S. des § 191 Abs. 1 i.V. mit §§ 69 S. 1, 34 Abs. 1 AO sowohl gegenüber dem Kläger als auch gegenüber dessen Mitgeschäftsführer. Beide Geschäftsführer wurden in Bezug auf die zum Fälligkeitstag am 14.04.2009 durch die A-KG nicht entrichtete Lohnsteuer nebst Annexabgaben für den Voranmeldungszeitraum März 2009 i.H. von insgesamt 1.XXX.XXX,- EUR zuzüglich Säumniszuschlägen i.H. von 1XX.XXX,- EUR persönlich und unbeschränkt in Haftung genommen. 28Zur Begründung des Haftungsbescheides führte der Beklagte aus, dass Personen i.S. der §§ 34 und 35 AO gemäß § 69 S. 1 AO als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden könnten, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Sorgfaltspflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt würden. Als Geschäftsführer der A-Verwaltungs-GmbH in XXX habe den Kläger die Pflicht getroffen, für die rechtzeitige Anmeldung und Abführung der Lohnsteuern der A-KG als Arbeitgeberin Sorge zu tragen. Die Lohnsteuer für den Voranmeldungszeitraum März 2009 sei zwar fristgerecht bis zum 14.04.2009 angemeldet, nicht jedoch abgeführt worden. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A-KG sei mit einer Entrichtung der Lohnsteuer durch bzw. für die A-KG nicht mehr zu rechnen. 29Der Kläger habe seine steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer zum einen dadurch verletzt, dass er nicht für eine wirksame und rechtzeitige Entrichtung der Lohnsteuer gesorgt habe. Zahlungsschwierigkeiten einer Gesellschaft änderten grundsätzlich weder etwas an der Pflicht des Geschäftsführers zur Abführung der Lohnsteuer noch schlössen sie ein Verschulden bei Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten aus. Reichten die zur Verfügung stehenden Mittel zur Befriedigung der arbeitsrechtlich geschuldeten Löhne einschließlich des enthaltenen Steueranteils nicht aus, so dürfe der Geschäftsführer die Löhne nur entsprechend gekürzt auszahlen und müsse aus den dadurch übrig bleibenden Mitteln die auf die gekürzten Nettolöhne entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen. Bereits das Unterlassen, die auf die auszuzahlenden Löhne entfallende Lohnsteuer durch eine entsprechend Kürzung der Löhne einzubehalten und den gekürzten Betrag für die Errichtung zum Fälligkeitszeitpunkt bereitzuhalten, könne eine eigenständige Pflichtverletzung darstellen und den Haftungstatbestand des § 69 S. 1 AO auslösen. 30Zwar habe die A-GmbH im Lohnzahlungszeitpunkt noch über liquide Mittel verfügt, die der Höhe nach auch zur Begleichung der Lohnsteuer für die A-KG ausgereicht hätten und zu diesem Zweck verwendet werden sollten. Alleine diese Tatsache könne den Kläger aber nicht von der Haftung befreien. Da sich die Gesellschaft nur wenige Tage vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit bereits seit Längerem in der Krise befunden habe, hätten die Geschäftsführer in Bezug auf die Lohnsteuerentrichtung erhöhte Sorgfaltspflichten getroffen. Sie hätten bereits zum Lohnzahlungszeitpunkt, also zum 26.03.2009, sicherstellen müssen, dass die auf die ausgezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer tatsächlich pünktlich an das Finanzamt gezahlt werde. Dies hätten die Geschäftsführer etwa durch vorherige Gespräche mit Verantwortlichen der überweisenden Bank bewirken können. Aufgrund der bestehenden finanziellen Krisensituation und der im Raum stehenden Insolvenz hätten sich die Geschäftsführer nicht einfach darauf verlassen dürfen, dass die Banken einen Überweisungsauftrag wenige Stunden vor der Insolvenzantragsstellung noch ausführen werden. 31Eine weitere Pflichtverletzung des Klägers sei darin zu sehen, dass dieser nicht auf die D-Bank eingewirkt und auf die Ausführung des Überweisungsauftrags bestanden habe. Der Überweisungsauftrag sei mit Zugang bei der Bank und damit vor der Insolvenzantragsstellung wirksam geworden (vgl. § 676a Abs. 1 S. 1 alte Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB a.F.). Die Voraussetzungen für eine Kündigung des Überweisungsauftrags durch die Bank hätten nicht vorgelegen. Gemäß § 676a Abs. 3 BGB a.F. dürfe ein Auftrag nach Beginn der Überweisungsfrist i.S. des § 676a Abs. 2 BGB a.F. nur gekündigt werden, wenn das Insolvenzverfahren bereits eröffnet worden sei. Der Überweisungsauftrag sei über § 116 S. 3 InsO auch insolvenzbeständig gewesen. Demzufolge hätte der Kläger auf die D-Bank einwirken und auf die Durchführung des rechtswirksam und insolvenzbeständig erteilten Überweisungsauftrags bestehen müssen. Das Unterlassen einer solchen Einwirkung sei als Pflichtverletzung zu werten. Bei dem Einwirken habe es sich nicht um eine Verfügung gehandelt, die nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters möglich gewesen wäre. Im Übrigen bleibe die Verpflichtung der Geschäftsführer, die Lohnsteuer bis zum Fälligkeitstag zu entrichten, auch nach der Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich bestehen. 32Sein Ermessen beim Erlass des Haftungsbescheides begründete der Beklagte wie folgt: Eine vorherige Inanspruchnahme der Arbeitnehmer als Steuerschuldner sei unbillig, weil die Steuerabzugsbeträge bei der Auszahlung der Gehälter von der A-KG einbehalten worden seien. Die Inanspruchnahme der A-KG sei nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr erfolgversprechend. Es sei ermessensgerecht, sowohl den Kläger als auch den weiteren Mitgeschäftsführer der Komplementärin der A-KG als für die Nichtzahlung der Lohnsteuer jeweils verantwortliche Personen in voller Höhe in Anspruch zu nehmen. Die Haftung umfasse auch die infolge der Pflichtverletzung entstandenen Säumniszuschläge. 33Gegen den Haftungsbescheid legte der Kläger am 22.06.2010 Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig seine steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer verletzt habe. In der ungekürzten Auszahlung der Gehälter sei keine Pflichtverletzung zu erkennen. Die ungekürzte Auszahlung von Löhnen stelle nur dann eine Pflichtverletzung dar, wenn der Geschäftsführer befürchten müsse, dass zum Fälligkeitszeitpunkt nicht genügend Mittel zur Begleichung der Lohnsteuer vorhanden seien. Vorliegend hätten aber sowohl im Zeitpunkt der Lohnauszahlung als auch bei Insolvenzantragsstellung und auch noch im Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuer ausreichende Mittel zur Begleichung der Steuerschuld bereit gestanden. Zunächst sei entsprechendes Kapital auf das P-Bank-Konto transferiert und von der Geschäftsführung u.a. zur Begleichung der Lohnsteuer vorgesehen worden. Auch bei Erteilung des Zahlungsauftrags an die D-Bank am Morgen des 08.04.2009 sei genügend Liquidität vorhanden gewesen. Der Kontostand bei der D-Bank habe sich immerhin auf über 7.XXX.XXX,- EUR belaufen. Ihren Mittelvorsorge- und Sorgfaltspflichten seien die Geschäftsführer also ausreichend nachgekommen. Für eine gekürzte Auszahlung der Gehälter im März 2009 habe daher keine Veranlassung bestanden. 34Der Kläger führte weiter aus, dass ihm auch die Nichtzahlung der Lohnsteuer im Fälligkeitszeitpunkt nicht vorgeworfen werden dürfe. Dieser Umstand beruhe nicht auf einem Fehlverhalten seinerseits, sondern zum einen auf der Nichtausführung des erteilten Überweisungsauftrags durch die D-Bank sowie zum anderen auf der späteren Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters und dem damit verbundenen Verlust der freien Verfügungsbefugnis über das Vermögen der A-GmbH. Die Geschäftsführer hätten noch deutlich vor Fälligkeit und im Hinblick auf die drohende Bestellung eines Insolvenzverwalters alles daran gesetzt, die vorhandene Liquidität zur Entrichtung der Lohnsteuer einzusetzen. Dass der gegenüber der D-Bank noch vor Stellung des Insolvenzantrags erteilte Überweisungsauftrag nicht ausgeführt worden sei, könne ihnen nicht angelastet werden. Die D-Bank habe diesem Auftrag, wie sich später herausgestellt habe, zu Unrecht die Ausführung versagt. Die bankinterne Abteilung „Risk Management“ habe entschieden, den Überweisungsauftrag nicht auszuführen und stattdessen etwaige Zurückbehaltungsansprüche in Bezug auf das vorhandene Kapital geprüft. Später habe sich durch die Rücküberweisung der Beträge an den Insolvenzverwalter gezeigt, dass dieses Vorgehen nicht gerechtfertigt gewesen sei. Dieses Verschulden der D-Bank könne aber nicht den Geschäftsführern angelastet werden; eine entsprechende Zurechnung von Drittverschulden finde im Anwendungsbereich des § 69 AO gerade nicht statt. Auch sei für die Geschäftsführung nicht vorhersehbar gewesen, dass die D-Bank den Überweisungsauftrag nicht ausführen werde. Nach der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters seien eigenmächtige Verfügungen für die Geschäftsführer nicht mehr möglich gewesen. Die steuerliche Pflichtenstellung habe sich insofern auf ein Einwirken auf den Insolvenzverwalter beschränkt. Dieser Verpflichtung seien die Geschäftsführer nachgekommen, indem sie den Insolvenzverwalter zur Zahlung der Lohnsteuer aufgefordert hätten. Dieses Zahlungsverlangen habe der Insolvenzverwalter aus Gründen der Gläubigergleichbehandlung aber abgelehnt. 35Der im Haftungsbescheid enthaltene Hinweis des Finanzamts, die Geschäftsführer hätten angesichts der Auszahlung der vollen Löhne frühzeitig eine Vereinbarung mit der Bank über die sichere Ausführung eines Überweisungsauftrags zur Entrichtung der Lohnsteuer treffen müssen, sei nicht zielführend. Sowohl zur P-Bank als auch zur D-Bank habe ein ganz normales Geschäftsbesorgungsverhältnis (Kontoführungsvertrag) bestanden. In Anbetracht dessen sei nicht davon auszugehen, dass sich die Banken überhaupt auf eine Vereinbarung dergestalt eingelassen hätten. Es sei nicht zu erwarten, dass irgendeine Bank entsprechende Vereinbarungen zu eigenen Lasten treffe. Denn die Banken hätten für den Fall der Zahlungsunfähigkeit bzw. der Insolvenzantragsstellung damit rechnen müssen, dass die Belastung des Kontos später an der erforderlichen Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters gescheitert wäre. Insofern hätte auch ein Gespräch mit Vertretern der Bank nicht weiter geführt. 36Darüber hinaus verneinte der Kläger auch ein schuldhaftes Handeln i.S. des Haftungstatbestandes. Dabei wies er ausdrücklich auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 05.06.2007 (VII R 19/06, juris) hin, wonach den Geschäftsführern einer GmbH die Kontosperrung durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter nicht haftungsbegründend anzulasten sei. Gemessen an den dort niedergelegten Grundsätzen höchstrichterlicher Rechtsprechung hätten sich die Geschäftsführer im Streitfall sogar überobligatorisch verhalten, indem sie noch vor Fälligkeit und vor Insolvenzantragsstellung die Anweisung zur Überweisung der Lohnsteuer erteilt hätten. 37Schließlich führte der Kläger aus, dass es auch an der für eine Haftung notwendigen Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden fehle. Der BFH habe im Urteil vom 17.11.1992 (VII R 13/92, juris) festgestellt, dass die Inanspruchnahme eines Geschäftsführers in dem Fall, dass noch vor dem Fälligkeitstag ein starker Insolvenzverwalter bestellt werde, nicht mehr kausal für den Steuerausfall sei. Im vorliegenden Fall sei zwar zunächst kein starker Insolvenzverwalter bestellt worden. Der Zustimmungsvorbehalt des schwachen Insolvenzverwalters habe aber de facto die gleiche Wirkung. Die fristgerechte Zahlung sei den Geschäftsführern seit der Bestellung des schwachen Insolvenzverwalters verwehrt gewesen, eine etwaige Pflichtverletzung für die Nichtentrichtung der Lohnsteuer zum Fälligkeitszeitpunkt sei daher nicht mehr kausal. 38Der Beklagte half dem Einspruch des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 22.06.2012 teilweise ab, indem die Säumniszuschläge um die Hälfte von 1XX.XXX,- EUR auf 6X.XXX,- EUR reduziert wurden. Im Übrigen (in Bezug auf die eigentliche Haftungsschuld) wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. 39Zur Herabsetzung der Säumniszuschläge führte der Beklagte aus, insofern sei eine Teilrücknahme des Haftungsbescheides gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 AO geboten. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sei die Heranziehung eines Steuerschuldners ab dem Zeitpunkt des Eintritts der nachweislichen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit teilweise unzulässig (Verweis auf BFH, Urteil v. 26.07.1988, VII R 83/87, juris). Daraus folge für den Streitfall, dass die Haftung insoweit aufzuheben sei, als sie den Zeitraum zwischen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (29.06.2009) und dem Erlass des Haftungsbescheides (28.05.2010) beträfe. Aus diesem Grunde werde die Haftungssumme um die Hälfte der verwirkten Säumniszuschläge reduziert. 40Im Übrigen sei der Haftungsbescheid aber rechtmäßig und damit aufrecht zu erhalten. Den Kläger habe aufgrund seiner gesetzlichen Stellung als Geschäftsführer der A-Verwaltungs-GmbH in XXX die Pflicht getroffen, für die Abführung der auf die im März 2009 durch die A-KG ausgezahlten Gehälter entfallende Lohnsteuer nebst Annexabgaben zu sorgen (vgl. § 34 Abs. 1 AO i.V. mit § 41a Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz – EStG). Dieser Pflicht sei der Kläger nicht nachgekommen. Die entsprechenden Steuerschulden seien bis zum heutigen Tage nicht entrichtet worden. 41Nach ständiger finanzgerichtlicher Rechtsprechung stelle die Nichtabführung einzubehaltender und abzuführender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten regelmäßig eine, wenn nicht vorsätzliche, so zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflichten eines Geschäftsführers dar. Die in der Nichtentrichtung liegende objektive Pflichtwidrigkeit indiziere den Schuldvorwurf (Hinweis auf BFH, Urteil v. 04.12.2007, VII R 18/06, juris; Beschluss v. 25.07.2003, VII B 240/03, juris). Durch die Auszahlung des Bruttolohnes nehme der Geschäftsführer ein Haftungsrisiko auf sich, mit der Folge, dass bei Ausbleiben der Erfüllung seiner auf die entsprechende Lohnsteuer bezogenen Entrichtungsschuld die Haftungsfolge des § 69 S. 1 AO eintrete. Diesen strengen Verschuldensmaßstab leite die Rechtsprechung aus den einkommensteuerrechtlichen Regelungen zum Lohnsteuerabzug her (§ 38 Abs. 2 und Abs. 3, § 41a Abs. 1 Nr. 2 EStG). Danach fungiere der Arbeitgeber als Entrichtungsschuldner. Für den Arbeitgeber handele es sich insoweit um eine fremde Schuld. Ihn treffe kraft Gesetzes die Pflicht, die Lohnsteuer treuhänderisch zu verwalten und für ihre Entrichtung aus den verwalteten Mitteln der Gesellschaft Sorge zu tragen (Verweis auf BFH, Beschlüsse v. 08.05.2001, VII B 252/00, juris; v. 06.07.2005, VII B 296/04, juris; FG München, Urteil v. 15.12.2008, 15 K 4118/07, juris). Diese steuerrechtliche Verpflichtung sei eine „Grundpflicht“ bzw. „Garantenpflicht“ des Geschäftsführers. Dieser gebe mit voller Auszahlung der Löhne quasi eine „Garantie“ ab, die darauf entfallende Lohnsteuer bis zum Fälligkeitstag auch tatsächlich zu entrichten. Die eingegangene Verpflichtung beinhalte – da es sich bei der Lohnsteuer um fremde Gelder handele – nicht nur, dass der Geschäftsführer für eine entsprechende Kontodeckung am Fälligkeitstag zu sorgen habe. Darüber hinaus müsse der Geschäftsführer einen wirksamen Zahlungsauftrag erteilen und damit letztlich sicherstellen, dass die Lohnsteuer auch tatsächlich beim Finanzamt ankomme, mithin dass eine Entrichtung (Erfüllung) der Steuerschuld i.S. des § 224 Abs. 1 AO bis zum Fälligkeitstag erfolge (vgl. BFH, Beschluss v. 19.03.1999, VII B 158/98, juris). 42Der Umstand, dass vor dem Fälligkeitstag ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt werde, ändere an den besagten Mittelvorsorge- und Garantiepflichten eines Geschäftsführers nichts. Gleiches gelte für die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters. Dadurch werde der Geschäftsführer nicht in seiner Verfügungsbefugnis eingeschränkt; er sei rechtlich nicht daran gehindert, Steuern für die Gesellschaft zu entrichten. Die Verpflichtung eines Geschäftsführers zur Abführung einbehaltener Lohnsteuer bestehe solange fort, bis ihm die Verfügungsbefugnis endgültig entzogen werde (Verweis auf BFH, Urteil v. 23.09.2008, VII R 27/07, juris). 43Auf der Grundlage dieser Maßstäbe sei der Kläger seinen Pflichten als Geschäftsführer in mehrfacher Hinsicht nicht nachgekommen. Zum einen habe er gegen die Mittelvorsorge- und Garantiepflicht zur Entrichtung der Lohnsteuer verstoßen. Die Gehälter für die Angestellten am Standort der A-KG in XXX seien auf Veranlassung des Klägers am 26.03.2009 in voller Höhe ausgezahlt worden. Damit habe der Kläger sich verpflichtet, die einbehaltene Lohnsteuer bis zum Fälligkeitszeitpunkt am 14.04.2009 an das Finanzamt abzuführen. Der Kläger hätte also dafür Sorge tragen müssen, wirksame Maßnahmen zur Tilgung (Erfüllung) der Lohnsteuer zu ergreifen. Derartige Maßnahmen seien vom Kläger und dessen Mitgeschäftsführer aber nicht getroffen worden. Die Anweisung der Geschäftsführung an ihre Mitarbeiter, entsprechende Mittel auf das Konto bei der P-Bank zu überweisen und von dort aus eine Überweisung der Lohnsteuer an das Finanzamt vorzunehmen, sei lediglich geeignet gewesen, potentiell eine pünktliche Zahlung zu bewirken (§ 224 Abs. 2 AO). Die Erfüllung der Steuerschuld sei dadurch aber nicht eingetreten. Gleiches gelte für den wenige Stunden vor Insolvenzantragsstellung gegenüber der D-Bank abgegebenen Überweisungsauftrag. Beide Maßnahmen hätten letztlich nicht zu einer erfolgreichen Tilgung der Lohnsteuer geführt. 44Darüber hinaus sei der Kläger seinen Überwachungsaufgaben als Geschäftsführer nicht hinreichend nachgekommen. Die hundertprozentige Auszahlung der Löhne gehe mit gesteigerten Überwachungspflichten einher. Der Kläger habe die Erfüllung der Steuerschuld durch geeignete Überwachungsmaßnahmen sicherstellen müssen. Gerade aufgrund des Umstandes, dass der Kläger mit dem Eingang seines Insolvenzantrages und der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters am 08.04.2009 habe rechnen müssen, sei er zu einer gesteigerten Überwachung aufgerufen gewesen. Auch sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der zunächst erfolgten Überweisung der Gelder vom Konto der D-Bank auf das Konto bei der P-Bank sowie bei dem weiteren Plan, die Lohnsteuer dann von dort aus an das Finanzamt abzuführen, um eine „außergewöhnliche Vorgehensweise“ gehandelt habe (abweichend von der bisherigen Übung der Steuerentrichtung im Lastschrifteinzugsverfahren). In Anbetracht dessen hätte der Kläger die Umsetzung der erteilten Aufträge besonders sorgfältig überwachen müssen. Dies habe er offensichtlich nicht getan. Der Vortrag des Klägers, er habe den Leiter der Finanzabteilung nicht kontrollieren müssen, weil es sich bei Herrn Dr. Z um eine stets zuverlässige Person gehandelt habe, die ihren Aufgaben in der Vergangenheit immer zur Zufriedenheit der Geschäftsführung nachgekommen sei, könne weder als Rechtfertigungs- noch als Entschuldigungsgrund herangezogen werden. Wenn der Kläger einen typischen Arbeitsauftrag erteilt hätte, dann habe er davon ausgehen können, dass die beauftragten Personen diesen gewohnt zuverlässig erledigen werden. Im Streitfall gelte aber etwas anderes. Vorliegend sei ein atypischer Zahlungsweg gewählt worden. Angesichts der drohenden Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters sei zudem alles davon abhängig gewesen, dass den Banken noch vor dem 08.04.2009 ein wirksamer Zahlungsauftrag erteilt werde. Diese Besonderheiten hätten es erforderlich gemacht, die beauftragten Mitarbeiter genau zu überwachen und damit für die Erfüllung des Zahlungsauftrags Sorge zu tragen. Auch der BFH gehe davon aus, dass an die Überwachungsmaßnahmen eines Geschäftsführers umso größere Anforderungen gestellt werden müssten, je weniger dieser sich ein auf Tatsachen gegründetes Urteil bilden könne, ob hinzugezogene Personen die notwendige Gewähr der zuverlässigen Erfüllung steuerlicher Angelegenheiten der Gesellschaft bieten würden (Verweis auf BFH, Beschluss v. 05.03.1998, VII B 36/97, juris). Bei Anwendung dieser Grundsätze habe der Kläger die Ausführung des Auftrags zur Überweisung der Lohnsteuer durch seine Mitarbeiter im Streitfall intensiver überwachen müssen, denn er habe keine Kenntnisse darüber gehabt, ob seine Mitarbeiter der Ausnahmesituation (atypische Zahlungsweise und drohende Insolvenz) gewachsen gewesen seien. 45Die gleichzeitige Inanspruchnahme des Klägers und seines Mitgeschäftsführers sei auch ermessensgerecht. Dagegen sei der dritte Geschäftsführer der A-GmbH, Herr C, nicht in Haftung genommen worden, weil er nicht auch gleichzeitig Geschäftsführer der A-Verwaltungs-GmbH in XXX und damit nicht zur Abführung der Lohnsteuer der A-KG verpflichtet gewesen sei. 46Der Kläger hat am 04.07.2012 die vorliegende Klage erhoben und begehrt weiter die Aufhebung des streitgegenständlichen Haftungsbescheides. Das parallele Klageverfahren des Mitgeschäftsführers wird unter dem Aktenzeichen 1 K 2245/12 L geführt. 47Zur Begründung seiner Klage führt der Kläger wie folgt aus: Seine steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer habe er nicht verletzt. Die ungekürzte Auszahlung der Gehälter für den streitbefangenen Zeitraum stelle keine Pflichtverletzung dar, denn zum Zeitpunkt der Gehaltsauszahlung sei hinreichend Liquidität für die Begleichung der Lohnsteuer März 2009 vorhanden gewesen. Eine Pflichtverletzung bestehe nach der Rechtsprechung des BFH nur, wenn zu befürchten sei, dass zum Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr genügend Mittel zur Begleichung der Steuerschuld vorhanden seien (Hinweis auf BFH, Urteil v. 26.07.1988, VII R 83/87, juris; Beschluss v. 21.12.1998, VII B 175/98, juris). Es habe also gar keine Veranlassung zu einer Kürzung der Löhne bestanden. Auch zum gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt der Lohnsteuer habe die A-GmbH noch über ausreichend Liquidität verfügt. Die Nichtzahlung der Lohnsteuer zum Fälligkeitszeitpunkt sei nicht auf eine Pflichtverletzung der Geschäftsführung (etwa zur Mittelvorsorge), sondern auf die nicht vorhersehbare Ablehnung des Überweisungsauftrags durch die D-Bank sowie die Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters und den damit verbundenen Verlust der Verfügungsmacht der Geschäftsführer zurückzuführen. Ursächlich für den Steuerausfall seien letztlich alleine die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters und dessen verweigerte Zustimmung zur Zahlung der Lohnsteuer gewesen. Das Unvermögen eines Geschäftsführers, am Fälligkeitstag die Lohnsteuerschulden ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters zu begleichen, begründe keine Pflichtverletzung (Hinweis auf BFH, Urteil v. 17.11.1992, VII R 13/92, juris). Auch unter dem Aspekt des Verschuldens scheide insofern eine Haftung aus (Hinweis auf BFH, Urteil v. 05.06.2007, VII R 19/06, juris). Unter den gegebenen Umständen sei auch nicht zu erwarten gewesen, dass ein Einwirken auf die D-Bank, den erteilten Überweisungsauftrag durchzuführen, erfolgreich gewesen wäre. Ohne die spätere Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Belastung des Kontos hätte die Bank eine Belastungsbuchung sowieso gar nicht vornehmen dürfen (Hinweis auf BGH, Urteil v. 05.02.2009, IX ZR 78/07, juris). 48Darüber hinaus ist der Kläger der Ansicht, eine Pflichtverletzung scheide bereits aus dem Grund aus, dass die Lohnsteuer am 08.04.2009 (bei Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters) noch gar nicht fällig gewesen sei. Es habe demnach bis zu diesem Tage noch gar keine Pflicht zur Zahlung der Lohnsteuer bestanden. Demzufolge könne ihm auch nicht der Vorwurf einer (Überwachungs-)Pflichtverletzung gemacht werden. Der Kläger führt weiter aus, er habe sich sogar überobligatorisch verhalten, indem er gegenüber seinen Mitarbeitern veranlasst habe, dass die Lohnsteuer noch vor dem Fälligkeitstag an das Finanzamt überwiesen werden sollte. Bei der angedachten Abwicklung über das P-Bank-Konto habe es sich insofern um eine zusätzliche „Vorsichtsmaßnahme“ gehandelt, die weit über das hinausgegangen sei, was von einem Geschäftsführer berechtigterweise zu erwarten sei. Dass die D-Bank die Überweisung letztendlich nicht ausgeführt habe, könne ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden. Er dürfe insofern nicht schlechter stehen, als er stünde, wenn überhaupt kein Versuch zur vorzeitigen Entrichtung der Lohnsteuer unternommen worden wäre. 49Der Kläger meint in diesem Zusammenhang weiter: Die Ansicht des Beklagten, die Lohnsteuer sei jedenfalls so rechtzeitig zu zahlen, dass die Erfüllung am 14.04.2009 in jedem Fall gewährleistet gewesen wäre, gehe fehl. Zwar sei es grundsätzlich richtig, dass der Geschäftsführer für die pünktliche Abführung der Lohnsteuer verantwortlich zeichne. Der Beklagte verkenne jedoch den Unterschied zwischen der gesetzlich angeordneten „Haftung für schuldhaft nicht abgeführte Lohnsteuer“ einerseits und einer „Garantiehaftung“ andererseits. Die Ausführungen des Beklagten in der Einspruchsentscheidung und in den im finanzgerichtlichen Verfahren ausgetauschten Schriftsätzen liefen darauf hinaus, dass mit jeder Lohnauszahlung eine verschuldensunabhängige Garantenpflicht für die Abführung der Lohnsteuer übernommen werde. Eine solche Auslegung finde jedoch im Gesetz keine Stütze, sondern verkehre den Haftungstatbestand des § 69 S. 1 AO in sein Gegenteil. Er (der Kläger) sei damit weder am 08.04.2009 noch an einem sonstigen vor dem Fälligkeitszeitpunkt liegenden Tage verpflichtet gewesen, die Lohnsteuer an das Finanzamt zu überweisen. Die Tatsache, dass die Geschäftsführer dies gleichwohl versucht hätten, könne ihnen im Nachhinein unter keinen Umständen als schuldhafte Pflichtverletzung vorgehalten werden. 50Weiter führt der Kläger aus, dass eine Haftung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Zurechnung des Verhaltens der D-Bank oder der Mitarbeiter der A-GmbH in Betracht komme. Im Anwendungsbereich des § 69 S. 1 AO finde eine Zurechnung von Drittverschulden nicht statt (Hinweis auf BFH, Urteile v. 30.08.1994, VII R 101/92, juris; v. 30.06.1995, VII R 85/94, juris). 51Im Übrigen hätten sich in Bezug auf die Zuverlässigkeit der Mitarbeiter keine Bedenken ergeben. Anlass zu der Vermutung, dass die Mitarbeiter die Lohnsteuer nicht (wie besprochen) vom Konto bei der P-Bank an das Finanzamt überweisen und damit von den eindeutigen Anweisungen der Geschäftsführung abweichen würden, habe nicht bestanden. Die für die Überweisung zuständigen Mitarbeiter seien im Rahmen dieser Geschäftsführersitzung anwesend gewesen und hätten die Anweisungen der Geschäftsführer bestätigt. Bei dem mit der Überweisung beauftragten Leiter der Abteilung Finanzen, Rechnungslegung und Steuern, Herrn Dr. Z, habe es sich zudem um einen kompetenten und berufserfahrenen Mitarbeiter gehandelt, der selbst mehrere Jahre in einer Großbank tätig gewesen sei. Der Vorwurf des Beklagten, es habe sich bei der Überweisung der Lohnsteuer vom Konto bei der P-Bank um einen derart komplexen Vorgang gehandelt, dass die Geschäftsführer ihre Mitarbeiter bei der Ausführung quasi hätten begleiten müssen, sei insofern entschieden zurückzuweisen. Zum einen sei die Anweisung einer Überweisung ein ganz alltäglicher Vorgang. Zum anderen verkenne der Beklagte bei seiner Argumentation, dass es sich bei der A-Unternehmensgruppe um einen Großkonzern und nicht um einen Kleinbetrieb gehandelt habe. Die vom Beklagten eingeforderte persönliche Kontrolle der Mitarbeiter durch die Geschäftsführung sei weder angemessen noch realitätsgerecht. Erst Recht seien die Geschäftsführer eines Konzernunternehmens nicht verpflichtet, entsprechende Überweisungen selbst auszuführen. Im Übrigen merkt der Kläger noch an, dass er sich im Vorfeld der Insolvenzantragsstellung der besonderen Sachkunde einer renommierten Sanierungs- und Insolvenzkanzlei bedient habe. Insgesamt hätten er und sein Mitgeschäftsführer „alles Menschenmögliche“ getan, um die Überweisung der streitbefangenen Lohnsteuer sicherzustellen. 52Der Kläger vertritt die Ansicht, dass sich seine steuerlichen Pflichten alleine darauf beschränkt hätten, auf den vorläufigen Insolvenzverwalter einzuwirken und diesen um die Zahlung der offenen Lohnsteuer anzuhalten. Dieser Pflicht seien die Geschäftsführer nachgekommen. Dass der Insolvenzverwalter der Aufforderung letztlich nicht gefolgt sei, falle nicht in die Pflichtensphäre der Geschäftsführer. Rechtliche Schritte der Geschäftsführer gegenüber dem Insolvenzverwalter seien nicht zu erwarten gewesen (Hinweis auf BFH, Beschluss v. 03.12.2004, VII B 178/04, juris). 53Schließlich macht der Kläger geltend, dass selbst bei der vom Beklagten eingeforderten Überwachung der Mitarbeiter und bei einer erfolgten Entrichtung der Lohnsteuer ebenfalls ein Schaden entstanden wäre. Denn es sei davon auszugehen, dass der Insolvenzverwalter die Zahlung gemäß § 130 Abs. 1 InsO angefochten hätte. Folglich wäre eine unterstellte Pflichtverletzung der Geschäftsführer für die Nichtentrichtung der Lohnsteuer nicht ursächlich geworden. 54Was die Höhe der Haftungsschuld angeht, so trägt der Kläger wie folgt vor: Der in der Lohnsteueranmeldung ausgewiesene Betrag i.H. von 1.XXX.XXX,- EUR berücksichtige neben der Lohnsteuer, die auf die am 26.09.2009 ausgezahlten Gehälter der Angestellten entfalle, auch die Lohnsteuer, die für die Nettolöhne der Arbeiter einzubehalten und abzuführen gewesen wäre. Da diese Gehälter aber gar nicht mehr ausgezahlt worden seien, scheide eine Haftung von vorneherein aus. 55Schließlich führt der Kläger hilfsweise aus, dass die Reduzierung der Säumniszuschläge auf den hälftigen Betrag rechtswidrig sei. Die Säumniszuschläge hätten aufgrund der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der A-KG bzw. der A-GmbH ihren Zweck als Druckmittel verloren. Dementsprechend seien sie in voller Höhe aus Gründen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen. Dies gelte nicht nur für die Hauptschuld, sondern aufgrund der Akzessorietät auch für die Haftungsschuld. Darüber hinaus gelte für die Säumniszuschläge der Grundsatz der anteiligen Tilgung. Die allgemeine Tilgungsquote bei der A-GmbH bzw. bei der A-KG liege jedoch keinesfalls bei 100%. 56Der Kläger beantragt, 57den Haftungsbescheid vom 28.05.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.06.2012 aufzuheben, 58 hilfsweise die Revision zuzulassen. 59Der Beklagte beantragt, 60 die Klage abzuweisen, 61 hilfsweise die Revision zuzulassen. 62Der Beklagte nimmt im Rahmen seiner Gegenäußerung Bezug auf die Einspruchsentscheidung. Vertiefend und ergänzend weist er darauf hin, dass der Kläger sich nicht lediglich darauf berufen könne, entsprechende Mittel zur Begleichung der streitbefangenen Lohnsteuer bereit gehalten zu haben. Vielmehr habe eine faktische Entrichtungsverpflichtung bestanden. Gerade der erfolglose Zahlungsversuch vom 08.04.2009 zeige, dass der Kläger für die besondere Krisensituation eben keine hinreichenden Vorkehrungen zur Erfüllung der Lohnsteuerschuld getroffen habe. Die Geschäftsführer hätten es beispielsweise versäumt, die für die Lohnsteuerzahlung eingeplanten und auf das Konto bei der P-Bank transferierten Gelder mit einer entsprechenden Verfügungsbeschränkung zu versehen und von den anderen Geldern zu trennen. 63Der Kläger könne sich auch nicht mit dem Fehlverhalten seiner Mitarbeiter entschuldigen. Durch die unterlassene fortgesetzte Kontrolle seiner Mitarbeiter habe sich der Kläger pflichtwidrig verhalten. Dies gelte umso mehr, als es im Streitfall entscheidend darauf angekommen sei, dass bis zum Zeitpunkt der Insolvenzantragsstellung gezahlt werde. Dem Kläger sei bewusst gewesen, dass er aufgrund des selbst gestellten Insolvenzantrages nur bis spätestens zum 08.04.2009 die alleinige Verfügungsmacht über die Konten der A-GmbH inne gehabt habe. Um die Erfüllung der Lohnsteuerschuld bis zu diesem Zeitpunkt zu gewährleisten, hätte der Zahlungsvorgang deshalb in besonderem Maße überwacht und begleitet werden müssen. Die Geschäftsführer dagegen seien am Morgen des 08.04.2009 mit der festen Überzeugung zum Insolvenzgericht gegangen, dass die Lohnsteuer bereits am 07.04.2009 vom „sicheren“ P-Bank-Konto entrichtet worden sei. Diese Überzeugung hätten sie aber nur haben dürfen, wenn die Einhaltung der erteilten Weisung zur Lohnsteuerzahlung zuvor kontrolliert worden wäre. Die Geschäftsführer hätten den Insolvenzantrag also letztlich gestellt, ohne die tatsächliche Zahlung der Lohnsteuer zuvor geprüft zu haben. Gerade darin sei die Pflichtverletzung zu sehen. In diesem Zusammenhang führt der Beklagte nochmals explizit aus, dass grundsätzlich zwar keine Pflicht zur Leistung von Steuerschulden vor dem gesetzlichen Fälligkeitstermin bestehe. Im Streitfall hätten die Geschäftsführer der A-GmbH den Fälligkeitszeitpunkt jedoch selbst bewusst „vorverlegt“, indem sie den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hätten. Durch den damit verbundenen Verlust der alleinigen Verfügungsmacht über das Vermögen der Gesellschaft sei es den Geschäftsführern nunmehr nicht mehr möglich gewesen, ihren steuerlichen Pflichten nachzukommen. Über die Pflichterfüllung in Form der Lohnsteuerzahlung hätten sie sich vorher Gewissheit verschaffen müssen. Im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei insofern anerkannt, dass die gesetzlich ohnehin bestehende Lohnsteuerentrichtungspflicht in Zeiten wirtschaftlicher Krisen nochmals mit einer besonderen (gesteigerten) Sorgfaltspflicht einhergehe (Verweis auf BFH, Urteile v. 26.04.1984, V R 128/79, juris; v. 11.11.2008, VII R 19/08, juris). 64Im Zusammenhang mit dem Verhalten der Geschäftsführer rund um den P-Bank-Überweisungsauftrag weist der Beklagte ferner auf einen weiteren Aspekt hin: Die Anweisung der Mitarbeiter, von dem P-Bank-Konto insgesamt die streitgegenständliche Lohnsteuer, die Löhne der Arbeiter in YYY und XXX sowie jeweils 3XX.XXX,- EUR an verbundene ausländische Unternehmen zu zahlen, hätte insgesamt ein Kapital von 5.8XX.XXX,- EUR erforderlich gemacht. Auf dem Konto bei der P-Bank hätten sich aufgrund der beiden Transfers vom 06. und 07.04.2009 aber nur 4.650.000,- EUR befunden. Bereits in der untauglichen Zahlungsanweisung sei eine Pflichtverletzung der Geschäftsführer zu sehen. Die Geschäftsführer wären in der außergewöhnlichen Situation aber verpflichtet gewesen, durch konkrete Maßnahmen sicherzustellen, dass jedenfalls die streitbefangene Lohnsteuer noch vor der Insolvenzantragsstellung aus den bei der P-Bank deponierten Mitteln beglichen werde. Da sie die konkrete Umsetzung des untauglichen Auftrags anderen Personen überließen, seien sie bewusst das Risiko der Nichterfüllung des Auftrags eingegangen. Die späteren Bemühungen der Geschäftsführer, auf den vorläufigen Insolvenzverwalter einzuwirken und diesen zur Zahlung der Lohnsteuer aufzufordern, seien insofern nicht mehr erheblich. 65Der erkennende Senat hat am 03.03.2016 mündlich in der Sache verhandelt. Dabei ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung des Zeugen Dr. Z. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des übrigen Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. 66Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. 67Entscheidungsgründe: 68Die Klage ist zulässig und begründet. 69Der Haftungsbescheid vom 28.05.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.06.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in dessen Rechten. Der Haftungsbescheid war daher aufzuheben (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). 70Der Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung sind bereits deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte dem Grunde nach zu Unrecht von einer Haftung des Klägers auf der Grundlage des § 69 S. 1 AO ausgegangen ist (dazu nachfolgend unter I.). 71Darüber hinaus sind die Ausführungen des Beklagten im Hinblick auf die Inanspruchnahme weiterer potentieller Haftungsschuldner unvollständig. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ausübung des Auswahlermessens i.S. des § 191 Abs. 1 S. 1 AO werden insoweit nicht erfüllt. Aufgrund dieses Begründungsmangels ist der Haftungsbescheid (formell) rechtswidrig und ebenfalls aufzuheben (dazu nachfolgend unter II.). 72Schließlich ist der Haftungsbescheid noch in Bezug auf die erhobenen Säumniszuschläge rechtswidrig (dazu nachfolgend unter III.) 73I. Die materiellen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme des Klägers gemäß § 69 S. 1 i.V. mit § 34 Abs. 1 AO liegen schon dem Grunde nach nicht vor. Der Kläger hat in seiner Funktion als gesetzlicher Vertreter der A-KG weder die Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der streitgegenständlichen Lohnsteuer nebst Annexabgaben schuldhaft verletzt (dazu näher unter 1.) noch gegen die Verpflichtung zur sog. Vermögens- und Mittelvorsorge verstoßen (dazu näher unter 2.). Ob der Kläger über die reine Vermögens- und Mittelvorsorge hinaus verpflichtet war, geeignete Maßnahmen zur Abführung der Lohnsteuer noch vor der Insolvenzantragsstellung und damit vor dem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt zu ergreifen, braucht der erkennende Senat nicht abschließend zu entscheiden. Denn der Kläger hat aus der Sicht des Gerichts entsprechende Maßnahmen eingeleitet und sich auch insofern nicht pflichtwidrig verhalten (dazu näher unter 3.). Dem Kläger kann auch nicht der Vorwurf einer unterlassenen oder pflichtwidrigen Überwachung seiner Mitarbeiter gemacht werden. Im Übrigen wäre eine Überwachungspflichtverletzung auch nicht kausal für den eingetretenen Haftungsschaden (dazu unter 4.). Schließlich kann dem Kläger auch ansonsten kein schuldhaftes pflichtwidriges Verhalten angelastet werden, etwa in Form eines unterlassenen Einwirkens auf die D-Bank (dazu unter 5.). 741. Den Kläger traf als gesetzlicher Vertreter der A-KG zwar grundsätzlich die Pflicht, die von der Gesellschaft als Arbeitgeberin im Zusammenhang mit der Auszahlung der Gehälter für den Monat März 2009 geschuldete Lohnsteuer aus den von ihm verwalteten Mitteln spätestens bis zum gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt zu entrichten. Die in der Nichtentrichtung liegende objektive Pflichtwidrigkeit ist dem Kläger aber in subjektiver Hinsicht nicht vorzuwerfen. Er hat in Bezug auf die Nichtabführung der Lohnsteuer im Streitfall weder vorsätzlich noch grob fahrlässig und damit insgesamt nicht schuldhaft gehandelt. 75a. Gemäß § 191 Abs. 1 S. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Gemäß § 69 S. 1 AO haften die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Zu den potentiellen Haftungsschuldner gehören u.a. die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen sowie die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen (§ 34 Abs. 1 AO). Die Geschäfte einer Kommanditgesellschaft werden grundsätzlich durch die Komplementär-GmbH geführt. Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist deren Geschäftsführer (§§ 6, 35 GmbHG). Im Falle einer mit der Geschäftsführung betrauten Komplementär-GmbH ist der Geschäftsführer in dieser Funktion auch dazu verpflichtet, die steuerlichen Pflichten der KG zu erfüllen (vgl. BFH, Urteile v. 26.07.1988, VII R 83/87, juris; v. 27.06.1989, VIII R 73/84, juris; Rüsken in Klein, AO-Kommentar12, München 2014, § 34 AO Rz. 8). 76Gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 AO haben die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Gemäß § 34 Abs. 1 S. 2 AO haben sie insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass die Steuern aus den von ihnen verwalteten Mitteln entrichtet werden. Bezogen auf das Lohnsteuerabzugsverfahren bedeutet dies, dass der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH diejenigen lohnsteuerrechtlichen Pflichten zu erfüllen hat, die der von ihm vertretenen KG als Arbeitgeberin obliegen, insbesondere die auf § 38 Abs. 3 und § 41a Abs. 1 EStG beruhende Pflicht, bei jeder Lohn- und Gehaltszahlung die darauf entfallende Lohnsteuer für die Arbeitnehmer und Angestellten der Gesellschaft einzubehalten und zum gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt an das Finanzamt abzuführen. 77Die Haftung gemäß § 69 S. 1 AO setzt neben einem (für den eingetretenen Haftungsschaden ursächlichen) objektiv pflichtwidrigen Verhalten der in den §§ 34 und 35 AO genannten Personen in subjektiver Hinsicht entweder Vorsatz oder zumindest grobe Fahrlässigkeit voraus. Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich großem Maße verletzt. Dazu gehört, dass er unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen oder die einfachsten, ganz nahe liegenden Überlegungen nicht anstellt. Eine Haftung kommt demnach nur bei „gravierenden Sorgfaltspflichtverletzungen“ in Betracht (vgl. BFH, Urteil v. 23.09.2008, VII R 27/07, juris; Beschluss v. 03.12.2004, VII B 178/04 juris; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Tz. 23 ff., 26 m.w.N.; Rüsken in Klein, AO-Kommentar12, § 69 AO Rz. 32). 78Nach ständiger Rechtsprechung des BFH stellt die Nichtabführung einzubehaltender und abzuführender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten im Regelfall eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers dar. Die in der Nichtabführung der Lohnsteuer liegende objektive Pflichtverletzung indiziert im Allgemeinen den subjektiven Schuldvorwurf (vgl. BFH, Urteile v. 26.07.1988, VII R 83/87, juris; v. 29.05.1990, VII R 81/89, juris; v. 27.02.2007, VII R 67/05, juris; v. 23.09.2008, VII R 27/07, juris; v. 19.09.2007, VII R 39/05, juris; Beschlüsse v. 21.12.1998, VII B 175/98, juris; v. 25.07.2003, VII B 240/02, juris; FG Köln, Urteil v. 25.02.2014, 10 K 2954/10, juris; s.a. Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Tz. 40). 79Zahlungsschwierigkeiten oder Zahlungsunfähigkeit ändern nach dieser Rechtsprechung weder etwas an der Pflicht des gesetzlichen Vertreters zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer noch schließen sie sein Verschulden bei Nichterfüllung dieser steuerlichen Pflichten aus. Reichen die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Befriedigung der arbeitsrechtlich geschuldeten Löhne und Gehälter einschließlich des darin enthaltenen Steueranteils nicht aus, so darf der gesetzliche Vertreter die Löhne und Gehälter nur entsprechend gekürzt auszahlen und muss aus den dadurch übrig bleibenden Mitteln die auf die gekürzten (Netto-)Löhne bzw. (Netto-)Gehälter entfallende Lohnsteuer an den Fiskus abführen (vgl. BFH, Urteile v. 20.04.1982, VII R 96/79, juris; v. 26.07.1988, VII R 83/87, juris; v. 23.09.2008, VII R 27/07, juris; Beschluss v. 21.12.1998, VII B 175/98, juris; Rüsken in Klein, AO-Kommentar12, § 69 AO Rz. 71 ff.). 80Die bloße Erwartung, Lohnsteuerrückstände später durch Kredite eines privaten Kreditgebers, durch Realisierung von Außenständen, durch öffentliche Fördermittel oder durch eine Aufrechnung mit vermeintlichen Steuerguthaben ausgleichen zu können, vermag den gesetzlichen Vertreter nicht von seiner grundsätzlichen Verpflichtung zur Lohnsteuerentrichtung bzw. von dem Erfordernis einer entsprechenden Lohn- und Gehaltskürzung zu befreien. Die bloße Wahrscheinlichkeit des Eingangs weiterer Geldmittel reicht insofern zum Ausschluss eines Verschuldens nicht aus. Allenfalls eine plötzliche und unvorhersehbare Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft kann im Einzelfall zu einer Exkulpation des gesetzlichen Vertreters führen (vgl. BFH, Beschlüsse v. 01.02.2000, VII B 256/99, juris; v. 24.03.2004, VII B 317/03, juris; v. 06.07.2005, VII B 296/04, juris; s.a. FG Köln, Urteil v. 25.02.2014, 10 K 2954/10, juris; FG München, Urteil v. 15.12.2008, 15 K 4118/07, juris). 81Nach alledem ist der gesetzliche Vertreter einer KG auch bzw. gerade während des Bestehens einer wirtschaftlichen Krise (bei Liquiditätsschwierigkeiten) verpflichtet, die aus einer Lohn- und Gehaltsauszahlung resultierenden Steuern und Annexabgaben pünktlich an die Staatskasse zu entrichten. Die Pflicht erschöpft sich dabei nicht in der bloßen Hingabe eines Schecks oder der Erteilung einer Einzugsermächtigung. Vielmehr hat der gesetzliche Vertreter darüber hinaus auch sicherzustellen, dass ein hingegebener Scheck tatsächlich eingelöst bzw. die Steuerschuld aufgrund einer Einzugsermächtigung tatsächlich eingezogen werden kann; er hat mithin regelmäßig dafür Sorge zu tragen, dass die Steuerschuld i.S. des § 224 Abs. 1 AO de facto getilgt wird (vgl. BFH, Beschluss v. 19.03.1999, VII B 158/98, juris). 82Diesen strengen Haftungsmaßstab leitet der BFH zu Recht aus den einkommensteuerlichen Regelungen zur Vornahme des Lohnsteuerabzugs her. Die Pflicht zum Einbehalt und zur Abführung der Lohnsteuer obliegt dem Arbeitgeber, im Streitfall also der A-KG. Sowohl aus der Sicht der A-KG als Arbeitgeber als auch aus der Sicht des geschäftsführenden Klägers handelt es sich bei dem einbehaltenen Anteil des Bruttoarbeitslohns um eine fremde Schuld, für deren treuhänderische Verwaltung und spätere ordnungsgemäße Abführung Sorge zu tragen ist (vgl. BFH, Urteile v. 26.07.1988, VII R 83/87, juris; v. 15.04.1987, VII R 160/83, juris; v. 12.07.1988, VII R 108-109/87, juris; Beschlüsse v. 08.05.2001, VII B 252/00, juris; v. 06.07.2005, VII B 296/04, juris; s.a. Rüsken in Klein, AO-Kommentar, § 69 AO Rz. 71). 83Der aufgezeigte strenge Haftungsmaßstab bei der Lohnsteuer schließt es jedoch nicht aus, dass besondere, vom gesetzlichen Vertreter glaubhaft zu machende Gründe die in der Nichtentrichtung der Lohnsteuer liegende objektive Pflichtverletzung entschuldigen oder nur den Vorwurf leichter Fahrlässigkeit rechtfertigen können. Dies folgt schon aus dem gesetzlichen Charakter des § 69 S. 1 AO, der keinen Erfüllungstatbestand, sondern lediglich einen Haftungstatbestand darstellt. Die Haftung setzt in subjektiver Hinsicht die schuldhafte Verletzung einer steuergesetzlich definierten Pflicht voraus, d.h. der gesetzliche Vertreter i.S. des § 34 Abs. 1 AO kann sich im Einzelfall exkulpieren (vgl. BFH, Urteile v. 17.11.1992, VII R 13/92, juris; v. 23.09.2008, VII R 27/07, juris; Beschlüsse v. 21.12.1998, VII B 175/98, juris; v. 03.12.2004, VII B 178/04, juris; v. 06.07.2005, VII B 296/04, juris; s.a. FG Köln, Urteil v. 25.02.2014, 10 K 2954/10, juris). 84b. Gemessen an diesen Grundsätzen höchstrichterlicher Rechtsprechung hat der Kläger nach Ansicht des erkennenden Senats mit der Nichtabführung der Lohnsteuer zum gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt zwar objektiv eine Pflichtverletzung begangen, allerdings subjektiv nicht schuldhaft gehandelt. 85Der Kläger war in seiner Funktion als Geschäftsführer der A-Verwaltungs-GmbH in XXX (Komplementärin der KG) im Grundsatz dazu verpflichtet, die steuerlichen Angelegenheiten der KG zu besorgen und die Steuern für die Gesellschaft aus den von ihm verwalteten Mitteln zu entrichten. Der zwischen der A-KG und der A-GmbH in YYY geschlossene Betriebspachtvertrag vom 24.09.1998 hat im Ergebnis keinen negativen Einfluss auf diese grundsätzliche Pflichtenstellung des Klägers. Denn gleichzeitig mit der Verpachtung des Betriebes der A-KG an die A-GmbH ist mit Betriebsführungsvertrag vom selben Tage die Betriebsführung an die A-KG zurück übertragen worden (folglich übte die A-KG gegenüber den in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern die Arbeitgeberfunktion aus). Die zur Betriebsführung notwendigen Aufwendungen waren der A-KG von der A-GmbH (an deren Geschäftsführung der Kläger ebenfalls beteiligt war) zu erstatten. Demnach hätte der Kläger als (mit-)verantwortlicher Geschäftsführer der A-KG nötigenfalls auf die A-GmbH tatsächlich und rechtlich einwirken müssen, um seiner Verpflichtung zur Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten der A-KG ordnungsgemäß nachzukommen. 86Der Kläger war insbesondere dazu verpflichtet, die auf die Auszahlung der Gehälter für den Monat März 2009 durch die A-KG als Arbeitgeberin entfallende Lohnsteuer nebst Annexabgaben bis zum 14.04.2009 als gesetzlichem Fälligkeitszeitpunkt an das Finanzamt abzuführen (der eigentliche gesetzliche Fälligkeitstermin am 10.04.2009 fiel auf den Karfreitag, die Frist des § 41a Abs. 1 S. 1 EStG endete daher erst am Dienstag, den 14.04.2009, als dem nächstfolgendem Werktag, vgl. § 108 Abs. 3 AO). 87Dieser Verpflichtung ist der Kläger objektiv weder fristgerecht noch überhaupt nachgekommen. Die streitgegenständliche Lohnsteuer ist weiterhin offen. Die Nichtabführung der Lohnsteuer durch den Kläger erfolgte jedoch nicht schuldhaft. Sie beruht vielmehr auf zwei äußeren Umständen tatsächlicher bzw. rechtlicher Natur, auf die der Kläger keinen Einfluss hatte bzw. die ihm unter dem Aspekt des Verschuldens nicht zugerechnet werden können. Dies sind zum einen die Nichtausführung des vom Kläger und dessen Mitgeschäftsführer vor Insolvenzantragsstellung veranlassten Auftrags zur (fristgerechten) Überweisung der Lohnsteuer durch die D-Bank am 08.04.2009 (dazu weiter unter aa.) sowie zum anderen der Umstand, dass der am selben Tage eingesetzte vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt, aufgrund dessen Bestellung der Kläger seine Befugnis, über das Vermögen der A-KG und der A-GmbH uneingeschränkt zu verfügen, verloren hatte, einer Abführung der Lohnsteuer in der Folgezeit widersprochen hat (dazu weiter unter bb.). 88aa. Seiner Pflicht zur Abführung der streitgegenständlichen Lohnsteuer wollte der Kläger dadurch nachkommen, dass er den Mitarbeitern des Bereichs Finanzen, Rechnungswesen und Steuern der A-GmbH die Anweisung erteilte, die Lohnsteuer aus vorhandenen Mitteln der A-GmbH noch vor der Stellung des Insolvenzantrags an das Finanzamt zu überweisen. Der genaue Inhalt der Anweisung (Überweisung vom P-Bank-Konto, Überweisung vom Konto bei der D-Bank oder Überweisung ohne nähere Bestimmung) ist für die (Vor-)Frage, ob der Kläger in subjektiver Hinsicht überhaupt die Bereitschaft hatte, die arbeitgeberrechtlichen Pflichten der A-KG im Lohnsteuerabzugsverfahren zu erfüllen, nicht entscheidend (zur Frage der Geeignetheit der klägerischen Anweisung vgl. Gliederungspunkt I.3.). Die Mitarbeiter der A-GmbH haben der klägerischen Anweisung dem Grunde nach Folge geleistet und der D-Bank am Morgen des 08.04.2009 um 8.14 Uhr (mithin noch vor der Stellung des Insolvenzantrags) einen konkreten Überweisungsauftrag zur Zahlung der Lohnsteuer erteilt. Hätte die D-Bank diesen Auftrag weisungsgemäß ausgeführt, wäre es zu einer rechtzeitigen Tilgung der Lohnsteuerschulden gekommen. Der Kläger durfte auch davon ausgehen, dass eine solche Tilgung eintreten wird, denn die A-GmbH verfügte im Anweisungszeitpunkt über die entsprechenden Mittel zur Lohnsteuerzahlung und konnte – jedenfalls bis zur Insolvenzantragsstellung – in rechtlicher Hinsicht auch noch uneingeschränkt über diese Mittel verfügen (die Guthaben auf den Konten bei der P-Bank und bei der D-Bank beliefen sich am Abend des 07.04.2009 addiert auf ca. 7.XXX.XXX,- EUR). Dass es letztlich nicht zu der beabsichtigten Entrichtung der Lohnsteuer kam, hat seinen Grund in der Entscheidung der D-Bank, den durch die A-GmbH erteilten Überweisungsauftrag nicht (mehr) auszuführen. Die Anweisung des Klägers zur Zahlung der Lohnsteuer ist damit zunächst durch äußere Umstände, hier das tatsächliche Verhalten eines Dritten (der D-Bank), vereitelt worden. Für das Handeln dritter Personen (Hilfspersonen) muss der gesetzliche Vertreter i.S. des § 34 Abs. 1 AO aber nicht ohne weiteres einstehen. Es ist ihm unter dem Aspekt des Verschuldens nicht zuzurechnen. Auf den Rechtsgedanke des § 278 BGB kann im Anwendungsbereich des § 69 S. 1 AO nicht zurückgegriffen werden (zutreffend Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Tz. 27). 89Von der Nichtausführung des Überweisungsauftrags durch die D-Bank verbunden mit der gleichzeitigen „Einziehung des Guthabens“ durch die bankinterne Abteilung „Risk Management“ hat der Kläger nach seinem glaubhaftem und seitens des Beklagten nicht bestrittenen Vortrag erst nach der Stellung des Insolvenzantrages erfahren (bei der Rückkehr vom Insolvenzgericht in das Unternehmen im Laufe des 08.04.2009). Zu diesem Zeitpunkt hatte das Insolvenzgericht allerdings bereits die vorläufige Verwaltung des Vermögens der A-KG und der A-GmbH angeordnet und bestimmt, dass Verfügungen beider Gesellschaften nur noch mit Zustimmung des mit sofortiger Wirkung bestellten vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. 90bb. Ab dem Zeitpunkt der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters war der Kläger sodann durch eine rechtliche Barriere an der Entrichtung der streitgegenständlichen Lohnsteuer gehindert. Zwar hat das Insolvenzgericht bezogen auf die A-KG und die A-GmbH kein allgemeines Verfügungsverbot ausgesprochen, wodurch die alleinige Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter übergegangen wäre (Fall des sog. „starken Insolvenzverwalters“). Das Insolvenzgericht hat aber einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt (sog. „schwacher Insolvenzverwalter“). Diesen vorläufigen Insolvenzverwalter hat es im Wege der Einzelanordnung mit einem sog. Zustimmungsvorbehalt ausgestattet (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO). Gleichzeitig hat es weitere Maßnahmen ergriffen und den vorläufigen Insolvenzverwalter etwa zur Einziehung von Forderungen, zur Sicherung und Erhaltung des Vermögens sowie zur Fortführung des Unternehmens (gemeinsam mit den Antragstellern) ermächtigt (§ 22 Abs. 2 InsO). Die Wirksamkeit von Verfügungen der Insolvenzschuldnerinnen (A-KG und A-GmbH) war von diesem Zeitpunkt an von der Zustimmung eben dieses vorläufigen Insolvenzverwalters abhängig. Durch die diversen Einzelanordnungen des Insolvenzgerichts ist die Verwaltungs- und Verfügungsmacht des Klägers in seiner Funktion als Geschäftsführer bezogen sowohl auf die A-KG als auch auf die A-GmbH erheblich eingeschränkt worden. Praktisch wurde die Verwaltungs- und Verfügungsmacht im Hinblick auf den Geschäftsbetrieb und das Vermögen der beiden Gesellschaften auf den Insolvenzverwalter übertragen, denn dem Insolvenzverwalter war eine Stellung eingeräumt, die ihn in die Lage versetzte, die Zugriffsmöglichkeiten der Geschäftsführer auf noch vorhandene Mittel der Gesellschaften wesentlich einzuschränken (Form des sog. „halbstarken Insolvenzverwalters“). Folgerichtig wird ein entsprechender Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Insolvenzverwalters dem allgemeinen Verfügungsverbot in der zivilrechtlichen Praxis weitgehend gleichgestellt (vgl. Uhlenbrock, Insolvenzordnung14, München 2015, § 21 InsO Rz. 24). 91Der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt ist vor allem berechtigt, die Genehmigung von Überweisungsaufträgen und von Belastungsbuchungen im Einzugsermächtigungsverfahren zu verhindern (vgl. BGH, Urteil v. 04.11.2004, IX ZR 22/03, juris; v. 05.02.2009, IX ZR 78/07, juris). Von dieser Befugnis hat der vorläufige Insolvenzverwalter auch im Streitfall Gebrauch gemacht. Der mehrfachen Aufforderung des Klägers und seines Mitgeschäftsführers zur Entrichtung der streitgegenständlichen Lohnsteuer ist er nicht nachgekommen. Die Bemühungen der beiden Geschäftsführer, den vorläufigen Insolvenzverwalter zur Zahlung der offenen Lohnsteuer anzuhalten, sind im Ergebnis erfolglos geblieben. Nach Auffassung des Senats kann dem Kläger in dieser Situation nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe die Abführung der Lohnsteuer grob fahrlässig unterlassen. Denn auch wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters die Verwaltungs- und Verfügungsmacht des gesetzlichen Vertreters einer KG bzw. einer GmbH nicht vollständig einschränken, wären entsprechende Überweisungsaufträge des Klägers und seines Mitgeschäftsführers zum Zwecke der Entrichtung der offenen Lohnsteuer nach dem Ergehen der Beschlüsse des Insolvenzgerichts in Anbetracht des Zustimmungsvorbehalts zunächst schwebend und ab dem Zeitpunkt der endgültigen Verweigerung der Zustimmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter dann absolut unwirksam gewesen. Angesichts dieser rechtlichen Wirkungen ist in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Haftung des Geschäftsführer einer GmbH für rückständige Lohnsteuern i.S. des § 69 S. 1 AO nicht nur in Fällen eines allgemeinen Verfügungsverbotes ausgeschlossen ist (vgl. dazu BFH, Urteil v. 17.11.1992, VII R 13/92, juris), sondern jedenfalls auch dann nicht in Betracht kommt, wenn die Verfügungen der von ihm vertretenen Gesellschaft unter dem Vorbehalt der Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters stehen und Letzterer einer entsprechenden Anweisung zur Zahlung der Lohnsteuer durch den Geschäftsführer nicht zustimmt (vgl. BFH, Urteil v. 05.06.2007, VII R 19/06, juris; Beschluss v. 03.12.2004, VII B 178/04, juris; FG Schleswig Holstein, Beschluss v. 25.05.2004, 5 V 85/04, juris; s.a. Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Tz. 12 und 43a). 92Aus der Sicht des Senats kann dem Kläger auch nicht der Vorwurf gemacht werden, den vorläufigen Insolvenzverwalter schriftlich erst am 24.05.2009 und damit nach dem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt zur Tilgung der streitgegenständlichen Lohnsteuer aufgefordert zu haben. Denn zum einen haben der Kläger und sein Mitgeschäftsführer den vorläufigen Insolvenzverwalter zuvor bereits mündlich erfolglos um Überweisung der Lohnsteuer gebeten (davon geht auch das beklagte Finanzamt aus, vgl. Aktenvermerk v. 24.05.2011 und vom 07.06.2011, Bl. 120 ff. und 129 ff. der Rechtsbehelfsakte). Zum anderen hat der vorläufige Insolvenzverwalter das schriftliche Ersuchen der Geschäftsführer mit Schreiben vom 12.05.2009 mit Nachdruck abgelehnt (und zwar mit dem Argument, dass der Lohnsteueranmeldungszeitraum März 2009 vor der Insolvenzantragsstellung liege und er sich im Falle der Zustimmung der Gläubigerbegünstigung strafbar machen würde). In Anbetracht dessen muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass auch eine vor dem Fälligkeitszeitpunkt erteilte schriftliche Aufforderung der Geschäftsführer zur Lohnsteuerzahlung durch den Insolvenzverwalter negativ beschieden worden wäre. Ein entsprechendes pflichtwidriges Verhalten des Klägers wäre insofern jedenfalls nicht kausal für den Eintritt des Haftungsschadens. 93Dem Kläger kann auch nicht vorgeworfen werden, nicht weiter auf den vorläufigen Insolvenzverwalter eingewirkt bzw. keine rechtlichen Schritte ihm gegenüber ergriffen zu haben. Der gesetzliche Vertreter, der eine durch den vorläufigen Insolvenzverwalter ausgesprochene Zustimmungsverweigerung (zunächst) akzeptiert, verletzt nach der Rechtsprechung des BFH seine Pflichten im Regelfall gerade nicht grob fahrlässig (vgl. BFH, Urteil v. 03.12.2004, VII B 178/04, juris; Beschluss v. 19.10.2010, VII B 190/09, juris; s.a. FG Münster, Urteil v. 02.07.2009, 10 K 1549/08, juris). Etwas anderes kann nur gelten, wenn das Verhalten des vorläufigen Insolvenzverwalters offensichtlich geltendem Recht widerspricht. Dafür bietet der Streitfall jedoch keine Anhaltspunkte. 94Ein anderes Ergebnis folgt schließlich auch nicht aus den Entscheidungen des BFH vom 23.09.2008 (VII R 27/07, juris) und des Finanzgerichts Köln vom 25.02.2014 (10 K 2954/10, juris). Zwar wird in den Leitsätzen beider Entscheidungen ausdrücklich betont, dass alleine der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt den Geschäftsführer einer GmbH nicht von der Lohnsteuerhaftung befreien. Bei genauer Betrachtung sind die entschiedenen Sachverhalte aber mit dem Streitfall nicht vergleichbar. Dem Urteil des BFH vom 23.09.2008 lag zugrunde, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erst am Tag der Fälligkeit der Lohnsteuer gestellt und der vorläufige Insolvenzverwalter erst nach dem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt (einen Monat später) bestellt worden ist. Folgerichtig musste der Geschäftsführer im Urteilsfall haften, da ihm die Verfügungsmacht über die Mittel der Gesellschaft bis zum Fälligkeitstermin gerade nicht entzogen war. In der Entscheidung des Finanzgerichts Köln vom 25.02.2014 war der vorläufige Insolvenzverwalter bereits zum Zeitpunkt der Lohnzahlung bestellt worden, so dass dem Geschäftsführer jedenfalls der Vorwurf zu machen war, er habe unter diesen Umständen gar keine Löhne mehr auszahlen dürfen. 95c. Das beklagte Finanzamt scheint dagegen sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Rahmen des finanzgerichtlichen Verfahrens von einer „faktischen Entrichtungspflicht“ des Klägers in Bezug auf die rückständige Lohnsteuer der A-KG für März 2009 auszugehen. Dies wird aus der argumentativen Verwendung von Begriffen wie „Grundpflicht“, „Garantenstellung“, „Garantenpflicht“ und „Garantiepflicht“ sowie aus dem Umstand deutlich, dass dem Kläger vorgehalten worden ist, er habe gerade keinen „wirksamen Zahlungsauftrag“ erteilt und „alleine die Vorsorge für eine Kontodeckung am Fälligkeitstag reiche nicht aus, wenn die Erfüllung der Pflicht nicht zur Tilgung der Steuerschuld führe“. Aus der Sicht des Senats verkennt das Finanzamt insofern den rechtlichen Charakter des Haftungstatbestandes. Die Haftung gemäß § 69 S. 1 AO knüpft nicht an den objektiv fehlenden Erfolgseintritt (die Nichtentrichtung einer Steuer), sondern an eine subjektiv vorwerfbare Pflichtverletzung an. Der Haftungstatbestand ist seinem Wesen nach gerade nicht als „Garantiehaftung“, sondern verschuldensabhängig ausgestaltet. Nichts anderes folgt aus der seitens des Beklagten mehrfach in Bezug genommenen Entscheidung des BFH vom 19.03.1999 (VII B 158/98, juris). Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt weicht schon insofern ganz entscheidend vom Streitfall ab, als die Fälligkeit der rückständigen Lohnsteuer im Urteilsfall bereits vor dem Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens lag. Der Geschäftsführer musste im Urteilsfall haften, weil er schon seiner Verpflichtung zur pünktlichen Entrichtung der Lohnsteuer nicht nachgekommen war. Dass darüber hinaus der hingegebene Scheck später „platzte“, mithin endgültig nicht zu einer Befriedigung des Finanzamts geführt hat, kam ergänzend hinzu. Im vorliegenden Fall dagegen war die rückständige Lohnsteuer erst zum 14.04.2009 fällig. Der Verlust der alleinigen Verwaltungs- und Verfügungsmacht des Klägers durch die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt ist bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten. Daher kann dem Kläger in Bezug auf die Nichtentrichtung der Lohnsteuer zum Fälligkeitszeitpunkt kein Verschulden zur Last gelegt werden. 962. Der Kläger ist seiner allgemein anerkannten Verpflichtung zur Vermögens- und Mittelvorsorge in ausreichendem Umfang nachgekommen. Ein haftungsbegründendes Verhalten ist aus der Sicht des Senats insoweit nicht erkennbar. 97a. Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen haben gemäß § 34 Abs. 1 S. 2 AO für die fristgerechte Entrichtung von Steuern aus von ihnen verwalteten Mitteln Sorge zu tragen. Sie trifft insofern zwar keine „echte Garantie“ zur Erfüllung des staatlichen Steueranspruchs, aber eine sog. Vermögens- und Mittelvorsorgepflicht. Nach ständiger Rechtsprechung kann von den gesetzlichen Vertretern bereits vor Fälligkeit einer Steuer verlangt werden, vorausschauend zu planen und - insbesondere in Zeiten der Krise – die notwendigen finanziellen Mittel zur Entrichtung der geschuldeten Steuern bereitzuhalten (vgl. BFH, Urteile v. 26.04.1984, V R 128/79, juris; v. 26.07.1988, VII R 83/87, juris; v. 09.01.1997, VII R 51/96, juris; v. 28.06.2005, I R 2/04, juris; v. 19.09.2007, VII R 39/05, juris; v. 20.05.2014, VII R 12/12, juris; Beschluss v. 11.11.2015, VII B 74/15, juris; FG Berlin, Beschluss v. 12.09.2003, 9 B 9470/02, juris; FG Münster, Urteil v. 03.05.2000, 5 K 2907/99, juris; FG Köln, Urteil v. 17.06.2009, 11 K 3017/05, juris; FG Saarland, Urteil v. 14.12.2011, 2 K 1564/09, juris; FG München, Urteile v. 22.05.2012, 2 K 3459/09, juris; v. 22.02.2010, 14 K 3114/08, juris; FG Hamburg, Urteil v. 16.07.2014, 3 K 240/13, juris; Sächsisches FG, Urteil v. 24.09.2014, 8 K 1883/12, juris; aus dem Schrifttum: Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Tz. 34 ff., 37 und 40; Jatzke in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 69 AO Tz. 27 f.). 98Die Pflicht zur Vermögens- und Mittelvorsorge hat im Lohnsteuerrecht eine besondere Ausprägung gefunden. Die gesetzlichen Vertreter haben grundsätzlich (mit Ausnahmen besonderer, nicht vorhersehbarer bzw. nicht verschuldeter Ereignisse) dafür Sorge zu tragen, dass die auf ausgezahlte Löhne und Gehälter entfallende Lohnsteuer nebst Annexabgaben aus treuhänderisch verwalteten Mitteln der von ihnen vertretenen Arbeitgeber spätestens im Fälligkeitszeitpunkt entrichtet werden. Die gesetzliche Konstruktion des Lohnsteuerabzugsverfahrens, die darin besteht, die Lohnsteuer bereits mit der Auszahlung der Löhne und Gehälter einzubehalten und erst später - zum gesetzlichen Fälligkeitstermin - an das Finanzamt abzuführen ist (zeitliches Auseinanderfallen zwischen Einbehaltung und Abführung), sowie der besondere Umstand, dass es sich bei dem vom Arbeitslohn einbehaltene Steueranteil um fremdes Kapital der Arbeitnehmer handelt, lassen die Anforderungen an die Vermögens- und Mittelvorsorge steigen. Daher bemisst sich die Haftungsquote bei der Lohnsteuer nicht nach dem möglichen Umfang einer anteiligen Befriedigung aller Gläubiger (Grundsatz der anteiligen Tilgung), sondern nach der auf die tatsächlich ausgezahlten (Netto-)Löhne und (Netto-)Gehälter entfallenden Lohnsteuer (vgl. BFH, Urteil v. 26.07.1988, VII R 83/87, juris; Rüsken in Klein, AO-Kommentar12, § 69 AO Rz. 55 ff., 71). 99Von den gesetzlichen Vertretern der Arbeitgeber kann daher im Einzelfall eine realistische Prognoseentscheidung sowie eine darauf basierende treuhänderische Vermögensverwaltung dahingehend erwartet werden, ob und dass ihnen ausreichende Mittel für die Abführung der mit den ausgezahlten Löhnen und Gehältern korrespondierenden Lohnsteuer und Annexabgaben im Fälligkeitszeitpunkt zur Verfügung stehen werden. Fällt diese Prognose negativ aus, dürfen die Löhne und Gehälter nur anteilig ausgezahlt werden. Dabei wird man gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Krise (Liquiditätsschwierigkeiten, Zahlungsengpässe, drohende Zahlungsunfähigkeit, bevorstehende Insolvenz etc.) erhöhte Anforderungen an die Begründetheit einer solchen Finanzplanung (Prognose und Mittelvorsorge) stellen müssen. 100b. Im Streitfall sind aus der Sicht des Senats keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Kläger und sein Mitgeschäftsführer gegen die skizzierte Verpflichtung zur Vermögens- und Mittelvorsorge verstoßen haben. Die A-GmbH, die der A-KG auf der Grundlage des Betriebsführungsvertrages vom 24.09.1998 zum Ausgleich ihrer Aufwendungen verpflichtet war, verfügte ausweislich der Gerichts- und Verwaltungsakten sowohl im Zeitpunkt der Auszahlung der Gehälter für März 2009 an die Angestellten der A-KG (26.03.2009) als auch im Folgezeitraum bis zur Stellung des Insolvenzantrags (08.04.2009) und sogar im gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt (14.04.2009) noch über die erforderlichen Mittel, um die gegenüber dem Finanzamt angemeldete Lohnsteuer nebst Annexabgaben i.H. von 1.XXX.XXX,- EUR zu entrichten (Verweis auf die Kontoauszüge der D-Bank, Bl. 87 ff. der Haftungsakte). Am Tage der Insolvenzantragsstellung belief sich der Habensaldo auf dem Konto bei der D-Bank auf über 7.9XX.XXX,- EUR. Gleiches gilt für den Habensaldo am Tage der Fälligkeit der Lohnsteuer. Nicht erforderlich ist nach Auffassung des Senats dagegen, dass entsprechende Mittel für die Lohnsteuerzahlung zu jeder Zeit zwischen der Auszahlung der Gehälter am 26.03.2009 und dem Fälligkeitszeitpunkt am 14.04.2009 hätten vorhanden sein müssen. Insofern ist es unschädlich, dass die Habensalden auf dem Konto bei der D-Bank an einzelnen Tagen dieses Zeitraums die Lohnsteuerschuld nicht abgedeckt hätten. Entscheidend ist lediglich, dass im Zeitpunkt der Zahlungsanweisung durch die Geschäftsführung (erfolgloser Zahlungsversuch) und im Fälligkeitszeitpunkt ausreichende Mittel zur Tilgung der Lohnsteuerschuld vorhanden waren. Denn daraus lässt sich ableiten, dass die von dem Kläger und seinem Mitgeschäftsführer in Bezug auf die Auszahlung der Gehälter März 2009 sowie die Abführung der korrespondierenden Lohnsteuer ursprünglich (im Auszahlungszeitpunkt) angestellte Prognoseentscheidung realistisch war und dass die Finanzplanung (Mittelvorsorge, geplante Entrichtung der Lohnsteuer bis zum Fälligkeitszeitpunkt) abgesehen von in tatsächlicher Hinsicht unvorhersehbaren Ereignissen (Nichtausführung des Überweisungsauftrags durch die D-Bank vor Insolvenzantragsstellung) sowie bei in rechtlicher Hinsicht fortbestehender uneingeschränkter Verwaltungs- und Verfügungsmacht (ohne die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt und dessen ausdrücklicher Weigerung zur Zahlung der Lohnsteuer) im positiven Sinne aufgegangen wäre. In Anbetracht dessen kann dem Kläger und seinem Mitgeschäftsführer auch nicht der Vorwurf gemacht werden, die Gehälter der Angestellten der A-KG für März 2009 ungekürzt ausgezahlt zu haben. Vielmehr deckten die im Unternehmensverbund vorhandenen Mittel auch in der Folgezeit (bis zum Fälligkeitszeitpunkt) die auf die volle Gehaltsauszahlung entfallende Lohnsteuer nebst Annexabgaben ab. 1013. Ob der Kläger bereits vor der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens - also noch unter der Ägide seiner unbeschränkten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis - verpflichtet war, nicht nur adäquate Vermögens- und Mittelvorsorge zu betreiben, sondern darüber hinaus auch geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die eigentlich erst später fällig werdende Lohnsteuer an das Finanzamt abzuführen, braucht der Senat im Ergebnis nicht zu entscheiden. Denn der Kläger hat solche Maßnahmen im Rahmen des rechtlich Zumutbaren tatsächlich ergriffen. Dass die entsprechenden Bemühungen letztlich nicht zum Erfolg (Entrichtung der Lohnsteuer) geführt haben, kann dem Kläger nicht als schuldhaftes Handeln vorgehalten werden. 102a. Die Pflicht der gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und der Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen zur Entrichtung von Steuern aus von ihnen zu verwaltenden Mitteln wird in temporärer Hinsicht regelmäßig durch die gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkte konkretisiert. Im Grundsatz besteht keine Verpflichtung zu einer Steuerentrichtung vor Fälligkeit. Die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis richtet sich nach den Vorschriften der Einzelsteuergesetze (§ 220 Abs. 1 AO). Für die Lohnsteuer ist insofern in § 41a Abs. 1 EStG normiert, dass der Arbeitgeber sie spätestens am zehnten Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums an das Finanzamt abzuführen hat. Bezogen auf den Streitfall bedeutet dies, dass die Lohnsteuer für März 2009 erst am 14.04.2009 fällig war. 103Da die gesetzlichen Vertreter der A-KG nach der Stellung des Antrags auf Insolvenzeröffnung und im Anschluss an die vom Insolvenzgericht ergriffenen Maßnahmen bereits ab dem 08.04.2009 in ihrer Verwaltungs- und Verfügungsmacht erheblich beschränkt waren und der vorläufige Insolvenzverwalter seine Zustimmung zur Zahlung der Lohnsteuer in der Folgezeit auch ausdrücklich verweigerte, kann die Nichtentrichtung der Lohnsteuer dem Kläger jedenfalls ab diesem Zeitpunkt nicht (mehr) als schuldhaftes Verhalten zugerechnet werden. Eine weitergehende Pflichtverletzung des Klägers und damit eine Haftungsinanspruchnahme i.S. des § 69 S. 1 AO kämen dann nur noch in Betracht, wenn man den Pflichtenkreis der gesetzlichen Vertreter im Streitfall dahingehend definieren (erweitern) würde, dass sie bereits vor der Insolvenzantragsstellung und damit auch vor dem genannten Fälligkeitstermin geeignete Maßnahmen zur Tilgung der Lohnsteuer hätten ergreifen müssen, was de facto allerdings einer Vorverlagerung des gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkts gleichkäme. 104Das beklagte Finanzamt geht im Streitfall von einer entsprechenden Verpflichtung des Klägers zur Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Tilgung der streitgegenständlichen Lohnsteuer bereits vor Insolvenzantragsstellung und damit vor dem eigentlichen Fälligkeitstermin aus. Es führt insofern aus, der Kläger und sein Mitgeschäftsführer seien mit der Gehaltsauszahlung eine abschließende Verpflichtung eingegangen, die korrespondierende Lohnsteuer spätestens bis zum Fälligkeitszeitpunkt an das Finanzamt abzuführen. Aufgrund des Umstandes, dass die Geschäftsführer der A-KG und der A-GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens selber beantragt hätten, sei die Beschränkung der Verwaltungs- und Verfügungsmacht aus ihrer Sicht nicht etwa überraschend gekommen, sondern absehbar gewesen. Aufgrund dieser Besonderheit sei es im Streitfall gerechtfertigt, den Geschäftsführern über die bloße Vermögens- und Mittelvorsorge hinaus weitergehende Pflichten aufzuerlegen, d.h. die Einleitung von adäquaten Maßnahmen mit Blick auf eine wirksame Tilgung der Lohnsteuer spätestens zum Fälligkeitszeitpunkt einzufordern. 105Der Kläger tritt diesem Standpunkt des Finanzamts entschieden entgegen und sieht darin eine unzulässige Erweiterung seines Pflichtenkreises als gesetzlicher Vertreter der A-KG. Er bezeichnet Maßnahmen, die über eine bloße Vermögens- und Mittelvorsorge hinausgehen, als „überobligatorisch“. Die Ansicht des beklagten Finanzamts führe zu einer unzulässigen Vorverlagerung der gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkte. Ferner laufe sie auf eine Art „Garantiehaftung“ hinaus, die mit dem Charakter des § 69 S. 1 AO und auch mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 AO) im Ergebnis nicht vereinbar sei. 106Gemäß § 34 Abs. 1 AO haben die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen sowie die Geschäftsführer nichtrechtsfähiger Personenvereinigungen ganz allgemein die steuerlichen Pflichten der Vertretenen zu erfüllen und insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass Steuern aus von ihnen verwalteten Mitteln entrichtet werden. Die Frage, welche konkreten Maßnahmen von einem gesetzlichen Vertreter zur ordnungsgemäßen Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Vertretenen einzufordern sind, beantwortet sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. BFH, Urteile v. 20.05.2014, VII R 12/12, juris; v. 11.03.2004, VII R 19/02, juris; Beschluss v. 25.04.2013, VII B 245/12, juris; Rüsken in Klein, AO-Kommentar12, § 69 AO Rz. 46). 107In der Rechtsprechung ist jedenfalls dem Grunde nach anerkannt, dass die Pflicht der gesetzlichen Vertreter, Steuern aus den von ihnen verwalteten Mitteln zu entrichten, in temporärer Hinsicht nicht erst bei Fälligkeit besteht, sondern darüber hinaus auch ein bestimmtes (pflichtgemäßes) Verhalten schon für vorgelagerte Zeiträume erforderlich machen kann (vgl. BFH, Urteile v. 26.04.1984, V R 128/79, juris; v. 09.01.1997, VII R 51/96, juris). Gerade der in der Rechtsprechung herausgebildete Grundsatz der Vermögens- und Mittelvorsorge basiert auf dem Gedanken, dass die spätere Tilgung der Steuern im Fälligkeitszeitpunkt bereits im Vorfeld mit gewissen Anforderungen (Vorkehrungen) einhergeht, mithin der Pflichtenkreis der gesetzlicher Vertreter auch Zeiträume vor Fälligkeit erfasst (Verweis auf die unter I.2.a. zitierte Rechtsprechung). In besonderen Konstellationen kann ein bestimmtes pflichtgemäßes Verhalten der gesetzlichen Vertreter sogar noch früher, nämlich schon vor der Entstehung des Steueranspruchs an sich geboten sein (vgl. BFH, Urteile v. 09.01.1997, VII R 51/96, juris; v. 11.03.2004, VII R 19/02, juris; v. 20.05.2014, VII R 12/12, juris; Beschluss v. 25.04.2013, VII B 245/12, juris; Rüsken in Klein, AO-Kommentar12, § 69 AO Rz. 46 ff. mit Beispielen). 108Was die inhaltliche Ausgestaltung des Pflichtenkreises angeht, so wird in singulären Entscheidungen zudem angedeutet, dass sich die Pflichten der gesetzlichen Vertreter vor Fälligkeit nicht nur auf die Vermögens- und Mittelvorsorge beschränken, sondern auch darüber hinaus gehen können (vgl. etwa BFH, Beschluss v. 18.02.2008, VII B 97/07, juris: Vergewisserung, ob die Bank einen an das Finanzamt gerichteten Überweisungsauftrag auch tatsächlich durchführen wird; BFH, Urteil v. 19.09.2007, VII R 39/05, juris: Geschäftsführer einer in Zahlungsschwierigkeiten geratenen GmbH hat Lohnsteuer zum Zwecke der fristgerechten Befriedigung des Finanzamts bereitzuhalten und abzusondern). 109Mit der Frage, welche über die bloße Vermögens- und Mittelvorsorgepflicht hinausgehenden Maßnahmen von einem gesetzlichen Vertreter erwartet werden können, wenn die Stellung eines Insolvenzantrags unmittelbar bevorsteht und mit einer Beschränkung der Verwaltungs- und Verfügungsmacht in absehbarer Zeit zu rechnen ist, hatte sich der BFH in seinem Urteil vom 05.06.2007 (VII R 19/06, juris) zu befassen. Dort führte das Gericht aus, der GmbH-Geschäftsführer sei nicht verpflichtet, für eine Abführung von Lohnsteuer noch vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu sorgen und es hieße, seine Pflichten zu überspannen, wollte man von ihm verlangen, den zu erwartenden Maßnahmen des Insolvenzgerichts vorausschauend entgegenzuwirken. Diese Entscheidung deutet darauf hin, den Pflichtenkreis der gesetzlichen Vertreter in entsprechenden Konstellationen eher restriktiv zu definieren und weitestgehend auf die reine Vermögens- und Mittelvorsorge zu beschränken, zumal die Insolvenzantragsstellung im Urteilsfall erst nach dem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt erfolgte. Allerdings lag dem Urteilsfall im Vergleich zum Streitfall auch insofern ein abweichender Sachverhalt zugrunde, als im Zeitpunkt der Fälligkeit eine Einzugsermächtigung vorlag, so dass der Geschäftsführer davon ausgehen durfte, das Finanzamt werde davon Gebrauch machen und die offene Lohnsteuer auch ohne ein weiteres Zutun seinerseits einziehen. 110Aus der Sicht des Senats bietet der Streitfall durchaus Anhaltspunkte, die dafür sprechen, den Pflichtenkreis des Klägers dahingehend zu definieren, dass bereits vor der Insolvenzantragsstellung und des damit verbundenen Verlusts der uneingeschränkten Verwaltungs- und Verfügungsmacht sowie über die bloße Vermögens- und Mittelvorsorge hinaus geeignete Maßnahmen zu ergreifen gewesen wären, um auf die Entrichtung der streitbefangenen Lohnsteuer noch vor dem eigentlichen Fälligkeitstermin hinzuwirken. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass angesichts der Größe und Bedeutung des Unternehmensverbundes unmittelbar nach der Stellung des Insolvenzantrages damit zu rechnen war, dass das Insolvenzgericht Maßnahmen ergreifen wird, die die Verwaltungs- und Verfügungsmacht des Klägers und seines Mitgeschäftsführers jedenfalls erheblich einschränken werden. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die gesetzlichen Vertreter den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst gestellt haben und damit den Zeitpunkt des voraussichtlichen Verlustes der uneingeschränkten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis jedenfalls in einem gewissen Maß noch beeinflussen konnten. Vor allem aber sind hier die Besonderheiten des Lohnsteuerabzugsverfahrens und in diesem Zusammenhang die wirtschaftliche Situation sowohl der A-KG als auch der A-GmbH zu berücksichtigen. Der Kläger und sein Mitgeschäftsführer sind mit der (vollen) Auszahlung der Gehälter für den Monat März 2009 die Verpflichtung und damit auch das Risiko eingegangen, die darauf entfallende Lohnsteuer nebst Annexabgaben spätestens zum Fälligkeitszeitpunkt an das Finanzamt abzuführen. Nach eigenen Aussagen des Klägers und seines Mitgeschäftsführers in der mündlichen Verhandlung befanden sich die A-KG und die A-GmbH bereits seit längerer Zeit in einer wirtschaftlich schwierigen Situation (Krise hatte bereits im Jahr 2007 begonnen). Dafür spricht auch, dass die Unternehmen seit geraumer Zeit sowohl im Aufsichtsrat als auch im operativen Geschäft von auf Sanierungen und Insolvenzen spezialisierten Fachkräften unterstützt worden sind. Zwar stand eine Zahlungsunfähigkeit möglicherweise nicht unmittelbar bevor, zumal sich die Geschäftsführung noch in (aus ihrer Sicht erfolgversprechenden) Gesprächen mit potentiellen Investoren und Auftragsgebern befand. Eine latente Insolvenzgefahr bestand aber bereits seit geraumer Zeit, denn nach der Aussage des Zeugen Dr. Z in der mündlichen Verhandlung gab es bereits seit mehreren Wochen den Plan, im Falle einer Insolvenz ein gewisses „Startkapital“ für den Insolvenzverwalter bereit zu halten. Darüber hinaus war die finanzielle Lage des Unternehmensverbundes nach Aussage des Klägers und seines Mitgeschäftsführers bereits zum Zeitpunkt der Auszahlung der Gehälter am 26.03.2009 jedenfalls so prekär, dass die Frage, ob die Gehälter überhaupt ausgezahlt werden sollten, im Unternehmen intensiv diskutiert worden ist. Neben dieser kritischen Ausgangssituation ist der weitere Verlauf des Geschehens zu berücksichtigen. Die Hoffnungen der Geschäftsführung, die Fortführung der Unternehmen durch neue Aufträge, potentielle Geldgeber und Investoren bzw. eine Landesbürgschaft sichern zu können, haben sich in den folgenden Tagen immer mehr zerschlagen. Die wirtschaftliche Situation wurde zunehmend schwieriger. Die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit wurde größer und die damit verbundene Notwendigkeit einer eigenen Insolvenzantragsstellung wurde immer wahrscheinlicher. In entsprechendem Maße stieg auch das mit der Auszahlung der Gehälter ursprünglich seitens der Geschäftsführung eingegangene Risiko, die Lohnsteuer nicht nur fristgerecht, sondern überhaupt noch ordnungsgemäß an den Fiskus abführen zu können. Dem Kläger und seinem Mitgeschäftsführer war dieses Risiko durchaus bewusst (das folgt bereits aus dem Gedächtnisprotokoll v. 09.04.2009 über die Geschäftsführersitzung am 06.04.2009; zudem hat der Zeuge Dr. Z glaubhaft ausgesagt, es habe mehrere Hinweise in Bezug auf das Haftungsrisiko durch den auf Sanierungen und Insolvenzen spezialisierten Berater, Herrn Rechtsanwalt O, gegeben). Sie konnten mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es trotz einer bis zum jetzigen Zeitpunkt ausreichenden Vermögens- und Mittelvorsorge mit der Insolvenzantragsstellung zu einem Steuerausfall kommen wird, wenn nicht zuvor geeignete Maßnahmen zur (vorzeitigen) Abführung der Lohnsteuer ergriffen werden. In einer solchen Situation spricht gerade der Umstand, dass noch ausreichendes Kapital zur Entrichtung der Lohnsteuer der A-KG bei der A-GmbH vorhanden war, dafür, vom Kläger und dessen Mitgeschäftsführer vor der drohenden Beschränkung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und damit auch vor der eigentlichen Fälligkeit der Lohnsteuer entsprechende Maßnahmen zur Tilgung der Steuerschuld einzufordern. Mit einer solchen Sichtweise wäre entgegen der Ansicht des Klägers keine unzulässige Erweiterung des Haftungstatbestandes oder ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung verbunden. Vielmehr dürfte es sich um eine die konkreten Umstände des Einzelfalles beachtende vertretbare Definition bzw. Ausdeutung des Pflichtenkreises der gesetzlichen Vertreter auf der Grundlage anerkannter Rechtsprechungsgrundsätze handeln. 111Letztlich kann der Senat die aufgeworfene Frage, ob die gesetzlichen Vertreter der A-KG bereits im Vorfeld der Insolvenzantragsstellung überhaupt dazu verpflichtet waren, über die Vermögens- und Mittelvorsorge hinaus gehende Maßnahmen zur vorzeitigen Zahlung der streitbefangenen Lohnsteuer zu ergreifen, aber dahinstehen lassen. Denn aus der Sicht des Gerichts haben der Kläger und sein Mitgeschäftsführer entsprechende Maßnahmen im Streitfall tatsächlich ergriffen. Im Ergebnis sind sie damit ihren Geschäftsführerpflichten in ausreichendem Maße nachgekommen. 112b. Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass an die Beurteilung der Geeignetheit von über die Vermögens- und Mittelvorsorge hinausgehenden Maßnahmen zur Tilgung der Lohnsteuer noch vor dem Fälligkeitszeitpunkt kein allzu hoher Maßstab angelegt werden darf. Dies folgt bereits aus dem Wesen des § 69 S. 1 AO als verschuldensabhängigem Haftungstatbestand, der gerade keine „Garantiehaftung“ (Haftung bei ausbleibendem Erfolg = Steuerentrichtung) statuiert, sondern eine Inanspruchnahme gesetzlicher Vertreter nur und erst ab der Schwelle der grob fahrlässigen Pflichtverletzung, mithin bei gravierenden Verstößen gegen die persönlichen Sorgfaltspflichten vorsieht. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die situationsbedingte Definition (Ausdeutung) des Pflichtenkreises über eine bloße Vermögens- und Mittelvorsorge hinaus bereits mit erhöhten Anforderungen an die persönliche Sorgfalt der Geschäftsführer im Einzelfall einhergeht. In Anbetracht dessen kann es aus der Sicht des Gerichts lediglich darauf ankommen, ob die von den gesetzlichen Vertretern der A-KG bzw. der A-GmbH zum damaligen Zeitpunkt ergriffenen Maßnahmen unter normalen Umständen (bei typischem Verlauf der Dinge) potentiell geeignet waren, die Abführung der streitgegenständlichen Lohnsteuer zu bewirken. Nicht entscheidend ist dagegen, ob ein alternatives Vorgehen möglicherweise „besser“ geeignet gewesen wäre, also mit größerer Wahrscheinlichkeit zu einer Entrichtung der Lohnsteuer geführt hätte. Eine entsprechende (Vergleichs-)Betrachtung, erst Recht aus nachträglicher Sicht (ex post) und unter Einbeziehung jetziger Erkenntnisse, würde die Reichweite des Haftungstatbestandes deutlich überspannen. 113c. Auf der Grundlage des aufgezeigten Maßstabs kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Kläger und sein Mitgeschäftsführer ihren gesteigerten Pflichten über die bloße Vermögens- und Mittelvorsorge hinaus hinreichend nachgekommen sind. Der Vorwurf eines grob fahrlässigen Handelns kann ihnen auch im Zeitpunkt vor der Insolvenzantragsstellung in Bezug auf die Abführung der Lohnsteuer nicht gemacht werden. 114aa. Der Senat hat zunächst aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger und sein Mitgeschäftsführer sehr wohl den Willen hatten, die streitbehaftete Lohnsteuer noch vor der Insolvenzantragsstellung zu entrichten. Das Handeln des Klägers war subjektiv zweifelsohne auf eine ordnungsgemäße Pflichterfüllung gerichtet. Der Kläger war sich bereits im Zeitpunkt der Auszahlung der Gehälter für März 2009 über seine Verpflichtung zur Abführung der korrespondierenden Lohnsteuer bewusst. Von dem in das operative Geschäft der A-GmbH eingebundenen Berater für Sanierungen und Insolvenzen, Herrn Rechtsanwalt O, ist der Kläger mehrfach auf das mit der vollen Auszahlung der Gehälter verbundene Haftungsrisiko hingewiesen worden. Die Verpflichtung zur Zahlung der Lohnsteuer war zwischen dem Tag der Gehaltsauszahlung (26.03.2009) und dem Tag des Antrags auf Insolvenzeröffnung (08.04.2009) mehrfach Gegenstand von unternehmensinternen Besprechungen (etwa der Geschäftsführersitzung am 06.04.2009 sowie dem Gespräch der Geschäftsführer mit dem Leiter der Abteilung Finanzen, Rechnungswesen und Steuern, dem Zeugen Dr. Z, am 07.04.2009). Ausweislich des von den drei Geschäftsführern der A-GmbH erstellten Gedächtnisprotokolls vom 09.04.2009 genoss die Tilgung der Lohnsteuer im Rahmen der Finanzplanung einen prioritären Status. Die Liquiditätsplanung der A-KG bzw. der A-GmbH war darauf ausgerichtet, die Lohnsteuer an das Finanzamt pflichtgemäß abzuführen (vgl. nur Ziffern 1., 2c. und 3. des Gedächtnisprotokolls). Auch der Zeuge Dr. Z hat im Rahmen seiner Aussage den Willen der Geschäftsführer zur Entrichtung der Lohnsteuer mehrfach betont und glaubhaft versichert. Schließlich belegt auch das Verhalten der Geschäftsführer nach der Stellung des Insolvenzantrags in Gestalt des Einwirkens auf den vorläufigen Insolvenzverwalter die grundsätzliche Bereitschaft zur Abführung der Lohnsteuer. Im Übrigen ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass die Geschäftsführung etwaige Vorteile aus der Nichtentrichtung der Lohnsteuer hatte (das Geld kam letztlich der Insolvenzmasse zu Gute). 115bb. Auch in objektiver Hinsicht haben die gesetzlichen Vertreter der A-KG zur Überzeugung des Senats geeignete und damit ausreichende Maßnahmen ergriffen, um die streitgegenständliche Lohnsteuer bereits vor der Insolvenzantragsstellung an das Finanzamt abzuführen. Der Kläger und sein Mitgeschäftsführer tragen insofern vor, die zuständigen Mitarbeiter der Abteilung Finanzen, Rechnungslegung und Steuern der A-GmbH zur Überweisung der Lohnsteuer vom Konto bei der P-Bank angewiesen zu haben. Dieser Vortrag wird vom beklagten Finanzamt nicht bestritten. Auch der Beklagte geht nach Aktenlage davon aus, dass der Kläger und sein Mitgeschäftsführer ihre Mitarbeiter mit der Überweisung der Lohnsteuer vom P-Bank-Konto beauftragt haben. 116Ein entsprechender Auftrag war auch potentiell geeignet, für eine Tilgung der offenen Lohnsteuer zu sorgen. Auf dem Konto bei der P-Bank befanden sich am 07.04.2009 insgesamt 4.650.000,- EUR (nachdem am 06.04.2009 zunächst 4.200.000,- und am Morgen des 07.04.2009 dann nochmals 450.000,- EUR vom Konto bei der D-Bank auf das Konto bei der P-Bank transferiert wurden). Dass dieses Geld ursprünglich mit einem anderen Verwendungszweck belegt war und als „Startkapital“ bzw. „Kasse“ für den Insolvenzverwalter dienen sollte, ist nicht entscheidungserheblich. Ausweislich des Gedächtnisprotokolls vom 09.04.2009 stand bereits im Rahmen der Geschäftsführersitzung am 06.04.2009 dem Grunde nach fest, dass jedenfalls die offene Lohnsteuer noch aus diesem bei der P-Bank „deponierten“ Kapital entrichtet werden sollte. Die Entscheidung über die Anweisung weiterer Zahlungen war dagegen abhängig von der kurzfristigen Liquiditätsentwicklung und wurde auf den darauffolgenden Tag verschoben (vgl. Ziffern 1. u. 2c. des Gedächtnisprotokolls). Am frühen Nachmittag des 07.04.2009 haben der Kläger und sein Mitgeschäftsführer dem Zeugen Dr. Z als Leiter der zuständigen Abteilung Finanzen, Rechnungswesen und Steuern dann die konkrete Anweisung zur Lohnsteuerzahlung sowie weitere Zahlungsanweisungen erteilt (in der Besprechung um 14.30 Uhr, vgl. Ziffer 3. des Gedächtnisprotokolls). 117Hätten die Mitarbeiter der A-GmbH den Auftrag weisungsgemäß ausgeführt und insbesondere die Lohnsteuer vom Konto bei der P-Bank an das Finanzamt abgeführt, wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Tilgung der Steuerschuld noch vor der Insolvenzantragsstellung gekommen. Dies wird auch vom Beklagten nicht in Frage gestellt. Der Rücktransfer des Kapitals vom Konto bei der P-Bank auf das Konto bei der D-Bank sowie die weitere Ausführung der erteilten Zahlungsanweisungen (u.a. Überweisung der Lohnsteuer) von dort aus erfolgten nach dem Inhalt der Akten und dem Prozessstoff aus der mündlichen Verhandlung gerade nicht auf Veranlassung der Geschäftsführung, sondern eigenmächtig durch den Leiter und die Mitarbeiter des Bereichs Finanzen, Rechnungswesen und Steuern. Unabhängig von der Frage, ob es für den Rücktransfer des Kapitals zur D-Bank sachliche Gründe gab (der Zeuge Dr. Z hat insofern vorgetragen, dass insbesondere die technischen Gegebenheiten in Bezug auf die angedachten Lohnauszahlungen sowie Vereinfachungsaspekte ausschlaggebend für die Rücküberweisung der Gelder gewesen wären), kann ein im Ergebnis weisungswidriges Vorgehen der Mitarbeiter den Geschäftsführern letztlich nicht als schuldhaftes Handeln zugerechnet werden. 118cc. Der Senat sieht hilfsweise aber auch eine solche Anweisung der Mitarbeiter des Bereichs Finanzen, Rechnungswesen und Steuern als objektiv geeignete Maßnahme zur Lohnsteuerabführung an, bei der die Geschäftsführung eine direkte Überweisung vom Konto bei der D-Bank angeordnet oder alternativ offen gelassen hätte, ob die Zahlung vom Konto bei der P-Bank oder vom Konto bei der D-Bank erfolgen soll. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die gesetzlichen Vertreter bei Erteilung der Anweisung nicht mehr davon ausgehen durften, dass die D-Bank eine entsprechende Überweisung vor Insolvenzantragsstellung überhaupt noch ausführen würde. Der Senat sieht dafür aber weder hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte noch hält er eine Haftungsinanspruchnahme unter diesem Gesichtspunkt für rechtlich zulässig. 119Schon in tatsächlicher Hinsicht dürfte fraglich sein, ob der Kläger und sein Mitgeschäftsführer davon ausgehen mussten, dass die D-Bank noch vor der Insolvenzantragsstellung Überweisungsaufträge nicht mehr ausführen und stattdessen vorhandene Guthaben „einfrieren“ werde (wie letztlich durch die Weigerung zur Durchführung der Überweisungsaufträge und die Weiterleitung von Geldmitteln an die Abteilung „Risk Management“ am 08.04.2009 geschehen). Zwar war die D-Bank als „Hausbank“ und Gläubigerin über die finanzielle Situation der Unternehmensgruppe im Bilde (das wird auch vom Kläger nicht bestritten). Auch dürfte sie insofern von der bevorstehenden Insolvenz gewusst haben (selbst wenn die Geschäftsführung die D-Bank über den genauen Zeitpunkt der Insolvenzantragsstellung nach eigener Aussage nicht informiert hatte). Ferner war es in der letzten Zeit zu einer Beschränkung der zuvor bestehenden Kreditlinie der A-GmbH gekommen (vgl. dazu das in der mündlichen Verhandlung überreichte Schreiben vom 05.03.2009). Dennoch reichen diese Aspekte zur Überzeugung des Senats nicht aus, um in tatsächlicher Hinsicht von einem hinreichenden Verdacht der gesetzlichen Vertreter der A-KG bzw. der A-GmbH in Bezug auf ein Einziehen („Konfiszieren“) von Guthaben durch die D-Bank auszugehen. Ein entsprechendes Verhalten war aus der Sicht der Geschäftsführung schon deshalb nicht zu befürchten, weil die D-Bank in der Vergangenheit sämtliche Überweisungsaufträge auftragsgemäß ausgeführt hatte, nicht zuletzt auch noch am 06.04. und am 07.04.2009 (vgl. etwa die Überweisungen von 4.200.000,- EUR und 450.000,- EUR an die P-Bank, die Ausführung einer Lastschrift i.H. von 11.XXX,- EUR und die Einlösung eines Barschecks von 5X.XXX,- EUR). Darüber hinaus hat der Zeuge Dr. Z im Rahmen der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass jedenfalls aus der Sicht der von ihm geleiteten Abteilung Finanzen, Rechnungslegung und Steuern keinerlei Veranlassung bestanden habe, einen Zugriff der D-Bank auf die liquiden Mittel der A-GmbH zu befürchten. Genau zu dieser Frage habe man sich auch sehr intensiv durch Herrn Rechtsanwalt O als auf Sanierungen und Insolvenzen spezialisiertem Fachmann beraten lassen. Ferner dürfte für den Fall, dass die Geschäftsführung tatsächlich ernsthafte Anhaltspunkte für einen Zugriff der D-Bank auf die Guthaben der A-GmbH noch vor Insolvenzantragsstellung gehabt hätte, mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sein, dass eine entsprechende Vermutung innerhalb des Unternehmens dann auch gegenüber allen Entscheidungsträgern kommuniziert worden wäre (jedenfalls bis in die untere Leitungsebene). Unter dieser Prämisse ist es aber erst Recht unverständlich, dass sowohl der Leiter als auch mehrere Mitarbeiter der Abteilung Finanzen, Rechnungslegung und Steuern ohne entsprechendes Problembewusstsein eine Rücküberweisung der bei der P-Bank abgesonderten Gelder zur D-Bank veranlasst und vollzogen haben. In diesem Kontext ist schließlich auch die am 08.04.2009 versuchte abermalige Rücküberweisung eines Betrages von 1.XXX.XXX,- EUR vom Konto bei der D-Bank auf das Konto bei der P-Bank in den Blick zu nehmen. Wäre eine Beschränkung des Zahlungsverkehrs ernsthaft befürchtet worden, hätten die Mitarbeiter der Abteilung Finanzen, Rechnungslegung und Steuern das bei der P-Bank vermeintlich sicher „geparkte“ Kapital wohl nicht erst wieder an die D-Bank überwiesen, um dann einen Tag später den Versuch zu unternehmen, einen Teil des Geldes erneut zur P-Bank zu transferieren. 120Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass die Separierung des Kapitals auf dem Konto bei der P-Bank nach eigener Aussage der Geschäftsführung „aus Sicherheitsgründen“ erfolgt ist (vgl. Gedächtnisprotokoll vom 09.04.2009, Ziffer 2c.). Welche Sachverhalte im Einzelnen von dieser Formulierung erfasst waren, lässt sich zur vollen Überzeugung des Gerichts nicht sagen. Mit dem Begriff können mehrere unterschiedliche Szenarien verbunden gewesen sein. Ein unmittelbarer Bezug zu einem Verhalten der D-Bank lässt sich den Aussagen der Geschäftsführung jedenfalls nicht entnehmen. Erst Recht haben der Kläger und sein Mitgeschäftsführer nicht die konkrete Vermutung geäußert, die D-Bank würde Überweisungen nicht mehr ausführen oder sogar vorhandene Guthaben „konfiszieren“. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung haben beide Geschäftsführer vielmehr glaubhaft zum Ausdruck gebracht, dass sie das Verhältnis zur D-Bank als „vertrauensvoll“ eingestuft haben und von dem Verhalten der D-Bank letztlich überrascht worden sind. 121Erst Recht mussten der Kläger und sein Mitgeschäftsführer aber in rechtlicher Hinsicht nicht mit dem in Rede stehenden Verhalten der D-Bank (Einzug des Guthabens der A-GmbH noch vor Insolvenzantragsstellung) rechnen und es in ihre Handlungsoptionen im Rahmen der Abführung der Lohnsteuer einbeziehen. Unabhängig von der teilweisen Existenz aufrechenbarer Gegenansprüche zu Gunsten der D-Bank ist der Großteil des „eingefrorenen“ Kapitals (mehr als 5.000.000,- EUR) später an den Insolvenzverwalter der A-GmbH wieder ausgezahlt worden. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die Einziehung der Guthaben noch vor der Insolvenzantragsstellung jedenfalls überwiegend zivilrechtlich unbegründet war. Zwar war die D-Bank rechtlich nicht verpflichtet, die am 08.04.2009 erteilten Überweisungsaufträge durchzuführen, denn dazu bedurfte es ihrer Zustimmung zu einem entsprechenden Überweisungsvertrag (vgl. dazu noch unter Gliederungspunkt I.5.). Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, wem die Verwaltungs- und Verfügungsmacht über das auf dem Konto bei der D-Bank vorhandene Guthaben zustand. Jedenfalls bis zur Einleitung von verfügungsbeschränkenden Maßnahmen durch das Insolvenzgericht lag die Verwaltungs- und Verfügungsmacht bei der A-GmbH als Kontoinhaberin. Die D-Bank dagegen war zur Einziehung der Guthaben – wie die spätere Freigabe der Guthaben gegenüber dem Insolvenzverwalter zeigt – im Wesentlichen nicht berechtigt. Ein entsprechendes rechtlich zweifelhaftes Verhalten brauchten der Kläger und sein Mitgeschäftsführer aber nicht vorhersehen. Keinesfalls kann ihnen insofern aus der Sicht des Senats der Vorwurf grob fahrlässigen Handelns gemacht werden. 122Der Umstand, dass die gesetzlichen Vertreter der A-KG weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht eine Beschränkung in Bezug auf die Verwendung des bei der D-Bank vorhandenen Kapitals befürchten mussten, hat folgende weitere Konsequenzen für die Beurteilung des Sach- und Streitstandes: 123Es kommt zum einen nicht darauf an, ob das Gericht der Aussage des Zeugen Dr. Z Glauben schenkt, die Geschäftsführung habe ihn und seine Mitarbeiter lediglich zur Überweisung der streitgegenständlichen Lohnsteuer angewiesen, darüber hinaus aber nicht ausdrücklich bestimmt, dass diese Überweisung von dem bei der P-Bank separierten Kapital erfolgen sollte. Die Richtigkeit dieser Behauptung kann dahingestellt bleiben, denn auch ein der D-Bank vor Insolvenzantragsstellung erteilter Auftrag hätte nach dem vorstehend Gesagten eine objektiv geeignete Maßnahme zur Abführung der Lohnsteuer dargestellt. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass er die Aussage des Zeugen Dr. Z in diesem Punkt als bloße Schutzbehauptung wertet. Denn im Falle des ausdrücklichen Eingeständnisses eines eigenen Fehlverhaltens (nicht ordnungsgemäße Ausführung der seitens der Geschäftsführung ausdrücklich erteilten Anweisung, die Überweisung der Lohnsteuer direkt vom P-Bank-Konto vorzunehmen) hätte sich der Zeuge möglicherweise selbst etwaigen Haftungs- und/oder Schadenersatzansprüchen ausgesetzt. 124Zum anderen ist es nicht entscheidungserheblich, dass das am 07.04.2009 seitens der Geschäftsführung erteilte Bündel an Zahlungsanweisungen in einem Gesamtvolumen von 5.8XX.XXX,- EUR (Löhne YYY und XXX = 4.XXX.XXX,- EUR, offene Lohnsteuer Gehälter A-KG = 1.XXX.XXX,- EUR, Zahlung „…“= 3XX.XXX,- EUR und Zahlung „…“= 3XX.XXX,- EUR) nicht vollständig aus den bei der P-Bank „geparkten“ Mitteln i.H. von 4.650.000,- EUR hätte beglichen werden können. Denn der erforderliche Differenzbetrag stand als Guthaben auf dem Konto bei der D-Bank zur Verfügung und eine Einziehung („Konfiszierung“) des Guthabens vor Insolvenzantragsstellung war – wie erläutert – weder aus der Sicht des Klägers tatsächlich zu befürchten und vor allem rechtlich nicht gerechtfertigt. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang aber auch zu berücksichtigen, dass die Begleichung der offenen Lohnsteuer (in Bezug auf die bereits ausgezahlten Gehälter in XXX) nach dem eindeutigen Willen der Geschäftsführung Priorität genießen sollte. Dieser Aspekt ist mehrfach gegenüber den Mitarbeitern der Abteilung Finanzen, Rechnungslegung und Steuern kommuniziert worden (vgl. etwa Ziffer 2c. des Gedächtnisprotokolls vom 09.04.2009; „… wobei auf jeden Fall Lohnsteuer für die am 26.03.2009 gezahlten Gehälter XXX bezahlt werden sollte.“). Nach der Aussage des Zeugen Dr. Z hatten die Mitarbeiter der A-KG bzw. der A-GmbH die Bedeutung der Lohnsteuerzahlung aus der Sicht der Geschäftsführung angesichts des damit verbundenen Haftungsrisikos sehr wohl verinnerlicht. Insofern war auch die Sammelanweisung der Geschäftsführung bei objektiver Betrachtung dahingehend zu verstehen, dass der Lohnsteuerzahlung vom P-Bank-Konto jedenfalls der Vorrang hätte eingeräumt werden müssen. 125dd. Aus der Sicht des Senats kommt es schließlich nicht darauf an, dass es für den Kläger und seinen Mitgeschäftsführer auch andere (gegebenenfalls sogar besser geeignete) Wege gegeben hätte, um die Abführung der streitgegenständlichen Lohnsteuer tatsächlich zu bewirken. Ob – wie der Beklagte meint – insofern die Einrichtung eines Treuhandkontos wirksamer gewesen wäre, darf bezweifelt werden. Denn auch ein solches Treuhandkonto hätte nach der Insolvenzantragsstellung der durch den vorläufigen Insolvenzverwalter beschränkten Verwaltungs- und Verfügungsmacht unterlegen (Zurechnung zur Insolvenzmasse). Allenfalls durch eine in zeitlicher Hinsicht frühere Zahlungsanweisung hätten die Geschäftsführer die tatsächliche Abführung der offenen Lohnsteuer mit einem höheren Wahrscheinlichkeitsgrad bewirken können (etwa durch die Entrichtung der Lohnsteuer unmittelbar mit oder kurz nach Auszahlung der Gehälter). Dies würde aber eine unzulässige Verengung der aus objektiver Sicht bestehenden Alternativen für ein potentiell pflichtgemäßen Handelns der gesetzlichen Vertreter auf ganz bestimmte (ex post betrachtet wirksame) Maßnahmen und damit letztlich einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Geschäftsbetrieb der Steuerschuldnerin bzw. in die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit der Geschäftsführer bedeuten. Im Übrigen lässt der Charakter des § 69 S. 1 AO als verschuldensabhängiger Haftungstatbestand, der eine Haftung erst ab dem erhöhten Verschuldensmaßstab der groben Fahrlässigkeit vorsieht, eine solche Betrachtung nicht zu. 1264. Der Kläger hat auch seine im Zusammenhang mit der Überwachung von Mitarbeitern bestehenden Pflichten ordnungsgemäß erfüllt. Ihn trifft aus der Sicht des Gerichts kein sog. Überwachungsverschulden. Dafür sind folgende Gründe ausschlaggebend: 127a. Der Senat weist zunächst darauf hin, dass ein Überwachungsverschulden bezogen auf die Einschaltung von Mitarbeitern in den Vorgang der Lohnsteuerabführung ohnehin lediglich dann in Betracht käme, wenn der Kläger überhaupt verpflichtet gewesen wäre, die Lohnsteuer bereits vor der Insolvenzantragsstellung (bis zum Verlust der uneingeschränkten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis) an das Finanzamt zu entrichten. Nur unter der Bedingung, dass die Pflichten des gesetzlichen Vertreters inhaltlich über den Grundsatz der reinen Vermögens- und Mittelvorsorge hinaus definiert sowie in temporärer Hinsicht auf den Zeitpunkt vor Insolvenzantragsstellung (und damit auch vor Fälligkeit) vorverlagert werden, stellt sich das Problem einer Überwachungspflichtverletzung. Der Senat braucht die aufgeworfenen Fragen zur Reichweite des Pflichtenkreises aber auch an dieser Stelle nicht zu entscheiden, da eine etwaige vorwerfbare Verletzung von Überwachungspflichten durch den Kläger bereits an weiteren Aspekten scheitert. 128b. Der Senat hat bereits ausgeführt, dass der Kläger und sein Mitgeschäftsführer aus tatsächlichen, vor allem aber aus rechtlichen Gründen nicht davon ausgehen mussten, in der Verwendung von Guthaben der A-GmbH sowohl bei der P-Bank als auch bei der D-Bank noch vor der Insolvenzantragsstellung überhaupt beschränkt zu sein. Vielmehr konnten die gesetzlichen Vertreter darauf vertrauen, bis zur Anordnung konkreter Maßnahmen durch das Insolvenzgericht, die Verwaltungs- und Verfügungsmacht über das Vermögen der A-KG bzw. der A-GmbH uneingeschränkt ausüben zu können (vgl. dazu bereits die Ausführungen unter Gliederungspunkt I.3.c.). Vor diesem Hintergrund war das geplante Verhalten der Geschäftsführung, Gelder auf dem Konto bei der P-Bank zu separieren, um von dort aus die noch offene Lohnsteuer an das Finanzamt abzuführen, zur ordnungsgemäßen Erfüllung der steuerlichen Pflichten gar nicht erforderlich, sondern überobligatorisch. Konsequenter Weise darf dem Kläger dann aber nicht der Vorwurf einer schuldhaften Verletzung von Überwachungspflichten gemacht werden, denn durch ein überobligatorisches Handeln kann ein gesetzlicher Vertreter die in §§ 69 S. 1 i.V. mit 34 Abs. 1 AO normierten Pflichten nach Auffassung des Gerichts gerade nicht verletzen. 129c. Der Senat vertritt darüber hinaus die Ansicht, dass eine etwaige Verletzung von Überwachungspflichten nicht kausal für den eingetretenen Haftungsschaden war. Auch wenn sich die Geschäftsführer der A-KG zeitnah (also noch am selben Nachmittag) darüber vergewissert hätten, ob der von ihnen am 07.04.2009 um 14.30 Uhr gegenüber dem Zeugen Dr. Z erteilte Auftrag, die Lohnsteuer vom Konto bei der P-Bank an das Finanzamt abzuführen, weisungsgemäß ausgeführt wurde, wäre es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls zum Steuerausfall gekommen. Denn dann hätten die Geschäftsführer feststellen müssen, dass das auf dem P-Bank-Konto separierte Kapital weisungswidrig auf das Konto bei der D-Bank zurück transferiert worden war. Ihnen wäre also selbst nur die Möglichkeit verblieben, den Eingang des Geldes bei der D-Bank abzuwarten und die Abführung der Lohnsteuer nun von diesem Konto aus anzuweisen. Eine entsprechende Anweisung hätte die D-Bank aber mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls nicht mehr ausgeführt (ähnlich dem durch die Mitarbeiter der A-GmbH am frühen Morgen des 08.04.2009 um 8.14 Uhr erfolglos erteilten Überweisungsauftrag). Da die zurücktransferierten Gelder erst am 08.04.2009 auf dem Konto bei der D-Bank eingingen, wäre die Entrichtung der Lohnsteuer auch bei entsprechend enger Überwachung der Mitarbeiter durch die Geschäftsführer nicht mehr, erst Recht nicht zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen. Gleiches dürfte für den Fall gelten, dass die Geschäftsführer die Mitarbeiter der Abteilung Finanzen, Rechungslegung und Steuern nicht aktiv kontrolliert, sondern von ihnen eine Bestätigung der weisungsgerechten Ausführung des erteilten Zahlungsauftrags eingefordert hätten. Da sich die Gelder nach der durch den Zeugen Dr. Z und seinen Mitarbeiter, Herrn M, veranlassten Rücküberweisung nicht mehr auf dem P-Bank-Konto befanden, wäre auch in diesem Fall letztlich nur eine Überweisung der Gelder vom Konto bei der D-Bank möglich gewesen, und zwar nach deren dortigem Eingang. Eine solche Überweisung ist jedoch am Morgen des 08.04.2009 gerade gescheitert. Im Ergebnis hätten die Geschäftsführer also auch bei entsprechend zeitnaher Überwachung keine Chance mehr gehabt, das vermeintliche Fehlverhalten ihrer Mitarbeiter erfolgreich zu korrigieren. 130d. Schließlich geht der Senat davon aus, dass der Kläger und sein Mitgeschäftsführer ihren Überwachungspflichten auch inhaltlich zutreffend nachgekommen sind. 131In ständiger Rechtsprechung ist anerkannt, dass die gesetzlichen Vertreter i.S. des § 34 Abs. 1 AO nicht verpflichtet sind, die steuerlichen Angelegenheiten der von ihnen vertretenen natürlichen und juristischen Personen sowie Personenvereinigungen selbst zu erledigen. Vielmehr sind sie berechtigt und bei mangelnder Sachkunde sogar verpflichtet, die vollständige oder teilweise Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten auch anderen Personen (Dritten) zu übertragen. Für ein Fehlverhalten der beauftragten Hilfspersonen müssen die gesetzlichen Vertreter nicht ohne weiteres einstehen. Der allgemeine Rechtsgedanke der verschuldensunabhängigen Zurechnung fremden Handelns (wie er etwa in § 278 BGB zum Ausdruck kommt) ist im Rahmen der Vertreter-Haftung des § 69 S. 1 AO gerade nicht anwendbar (vgl. BFH, Urteil v. 30.08.1994, VII R 101/92, juris in Abgrenzung zum FG München, Urteil v. 18.03.1992, 3 K 3164/87, juris; s.a. Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Tz. 27 m.w.N.). 132Allerdings sind die gesetzlichen Vertreter stets verpflichtet, diejenigen Personen, denen sie die Erledigung der ihnen als Vertreter des Steuerpflichtigen auferlegten steuerlichen Pflichten übertragen haben, laufend und sorgfältig zu überwachen, insbesondere sich so eingehend über den Geschäftsgang zu unterrichten, dass unter normalen Umständen mit der ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfts gerechnet werden kann bzw. dass ihnen ein Fehlverhalten des beauftragten Dritten rechtzeitig erkennbar wird. Auf die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung durch dritte Personen darf nicht blind vertraut werden. Mangelhaftes Überwachen der zur Pflichterfüllung herangezogenen Personen stellt regelmäßig eine grob fahrlässige Pflichtverletzung dar („Überwachungsverschulden“). Welche Überwachungsmaßnahmen von einem Geschäftsführer zu treffen sind, wenn er die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten Mitarbeitern überträgt, ist dabei weitgehend von den Umständen des Einzelfalles abhängig (vgl. BFH, Urteile v. 05.03.1985, VII R 134/80, juris; v. 16.04.1985, VII R 132/80, juris; v. 07.05.1985, VII R 111/78, juris; v. 11.11.1986, VII R 201/83, juris; v. 02.07.1987, VII R 162/84, juris; v. 10.05.1988, VII R 24/85, juris; v. 29.05.1990, VII R 81/89, juris; v. 30.08.1994, VII R 101/92, juris; v. 23.06.1998, VII R 4/98, juris; Beschlüsse v. 05.03.1998, VII B 36/97, juris; v. 21.08.2000, VII B 260/99, juris). 133Gesteigerte Überwachungspflichten bestehen immer dann, wenn entweder die besondere Situation der Gesellschaft oder die handelnden Personen zu einer intensiveren Kontrolle Anlass geben. Dies ist etwa der Fall, wenn sich die Gesellschaft in einer wirtschaftlichen Krise befindet, mithin bei Liquiditätsschwierigkeiten, sich abzeichnender Zahlungsunfähigkeit oder einem bevorstehendem Insolvenzantrag (vgl. BFH, Urteil v. 26.04.1984, V R 128/79, juris; v. 23.06.1998, VII R 4/98, juris; Beschlüsse v. 04.03.1986, VII S 33/85, juris; 21.08.2000, VII B 260/99, juris; v. 12.05.2009, VII B 266/08, juris; v. 06.07.2005, VII B 296/04, juris; v. 20.04.2006, VII B 280/05, juris; FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 10.12.2013, 3 K 1632/12, juris; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Tz. 31 u. 32). 134Eine grob fahrlässige Überwachungspflichtverletzung zu Lasten des Klägers kann das Gericht anhand der soeben skizzierten allgemeinen Maßstäbe im Streitfall nicht erkennen: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Sachverhalt keine Anhaltspunkte für ein etwaiges (Personal-)Auswahlverschulden des Klägers und seines Mitgeschäftsführers in Bezug auf die von ihnen beauftragten Mitarbeiter bietet. Bei den in die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten der A-KG und der A-GmbH eingeschalteten Personen handelte es sich nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens um gut ausgebildetes und sehr erfahrenes Personal. Dies gilt vor allem für den Leiter der Abteilung Finanzen, Rechnungswesen und Steuern, den Zeugen Dr. Z, der aufgrund seiner juristischen Ausbildung, seiner langjährigen Tätigkeit im Bankensektor und seinen diversen Einsätzen in der freien Wirtschaft (u.a. bei Großunternehmen) sowie in Anbetracht seiner steuerrechtlichen Kenntnisse als hoch qualifizierter Mitarbeiter einzustufen war. 135Auch für ein Organisationsverschulden des Klägers und seines Mitgeschäftsführers gibt der Streitfall letztlich nichts her. Innerhalb der mit der Abführung der streitbefangenen Lohnsteuer beauftragten Abteilung Finanzen, Rechnungswesen und Steuern der A-GmbH wurde der Zahlungsverkehr von mehreren Mitarbeitern untereinander überwacht (sog. Zwei- oder Mehr-Augenprinzip). So erfolgte beispielsweise die Überweisung der zunächst bei der P-Bank separierten Gelder zurück auf das Konto bei der D-Bank auf Anweisung (mit Unterschrift) sowohl des Leiters der Abteilung als auch eines weiteren Mitarbeiters (der Überweisungsträger wurde von Herrn Dr. Z und von Herrn M unterzeichnet). Darüber hinaus verfügte die A-GmbH über eine eigene Controlling-Abteilung, die ebenfalls mit in die Überwachung des Zahlungsverkehrs eingeschaltet war. Das von den Geschäftsführern am 07.04.2009 erteilte Bündel an Zahlungsanweisungen ist nach dem Eingang des notwendigen Kapitals bei der D-Bank unmittelbar am frühen Morgen des 08.04.2009 ausgeführt worden. Der Vollzug der Aufträge ist der Controlling-Abteilung kurze Zeit später (noch am selben Tag) bestätigt worden. 136Darüber hinaus weist der Senat darauf hin, dass sich der Unternehmensverbund A seit geraumer Zeit sowohl im Aufsichtsrat als auch im operativen Geschäft durch auf Sanierungen und Insolvenzen spezialisierte Fachleute hat beraten und unterstützen lassen. Sowohl aus dem Gedächtnisprotokoll vom 09.04.2009 als auch auf der Grundlage der Aussage des Zeugen Dr. Z ergibt sich, dass der im operativen Geschäft tätige Berater (Herr Rechtsanwalt O) nicht nur sehr eng in die Liquiditäts- und Finanzplanung des Unternehmens eingebunden, sondern auch mit der Frage der ordnungsgemäßen Erfüllung der steuerlichen Angelegenheiten durch die Geschäftsführung befasst war (in dieser Eigenschaft hat er mehrfach auf die Notwendigkeit der Lohnsteuerabführung und das damit zusammenhängende Haftungsrisiko hingewiesen). 137Was die konkrete Überwachung der Umsetzung des am 07.04.2009 durch die Geschäftsführung erteilten Bündels an Überweisungsaufträgen inklusive der Lohnsteuerzahlung angeht, so weist der Senat auf Folgendes hin: Es geht dabei nicht um die Erledigung von steuerlichen Angelegenheiten im Allgemeinen, die dem Grunde nach von der Geschäftsführung zu überwachen war und de facto auch überwacht worden ist (so haben die Geschäftsführer in den letzten Tagen vor der Insolvenzantragsstellung im Beisein ihrer Mitarbeiter mehrfach darauf hingewiesen, dass die Zahlung der offenen Lohnsteuer aus ihrer Sicht hohe Priorität genießt; außerdem haben die Geschäftsführer noch die Abgabe einer entsprechenden Lohnsteuervoranmeldung für den Monat März 2009 veranlasst; schließlich haben die Geschäftsführer für die notwendige Vermögens- und Mittelvorsorge zur Abführung der Lohnsteuer ausreichend Sorge getragen). Es geht vielmehr um die Ausführung einer durch die Geschäftsführung erteilten singulären Zahlungsanweisung mit wenigen Unterpositionen (Löhne XXX und YYY, Lohnsteuer Gehälter XXX, Zahlung „…“ und Zahlung“…“) und damit lediglich um die technische Umsetzung der dem Grunde nach beabsichtigten steuerlichen Pflichterfüllung. Die Ausführung einer solchen Zahlungsanweisung ist gemessen am Maßstab des allgemeinen wirtschaftlichen Verkehrs ein normaler, eher einfacher Vorgang, erst Recht wenn man bedenkt, dass mit der Anweisung mehrere Mitarbeiter eines Großunternehmens betraut waren, welches über eine eigene Abteilung „Finanzen, Rechnungslegung und Steuern“ mit funktionierenden Kontrollmechanismen verfügte. Angesichts dessen konnten der Kläger und sein Mitgeschäftsführer zur Überzeugung des Gerichts erwarten, dass die erteilte Zahlungsanweisung - auch ohne eine weitere Überwachung des Überweisungsvorgangs durch die Geschäftsführer selbst - erfolgreich ausgeführt wird. Der gegenteiligen Auffassung des beklagten Finanzamts, es handele sich insbesondere aufgrund der zeitlichen Nähe zum Insolvenzantrag und aufgrund der Abweichung vom bisherigen Lastschrifteneinzugsverfahren um einen „atypischen Vorgang“, der besondere (gesteigerte) Überwachungspflichten ausgelöst habe, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Umsetzung einer entsprechenden Zahlungsanweisung durch geschulte und erfahrene Mitarbeiter ist auch unter einem verstärkten zeitlichen Druck nicht außergewöhnlich, sondern reines Alltagsgeschäft. Im Zusammenhang mit den an den Kläger und dessen Mitgeschäftsführer gestellten Überwachungsanforderungen sind auch die Struktur und die Größe des Unternehmens sowie die besondere Situation, in der sich der Unternehmensverbund zur damaligen Zeit befand, zu berücksichtigen. Die Geschäftsführer waren wegen der wirtschaftlichen Krise und der bevorstehenden Insolvenz verstärkt dazu aufgerufen, den Bestand des Unternehmens überhaupt zu retten. Zu diesem Zweck fanden in viele Richtungen Gespräche mit potentiellen Auftraggebern und Investoren, mit Gläubigern und auch mit der öffentlichen Hand (in Bezug auf eine Landesbürgschaft) statt. Diese äußeren Gegebenheiten entbinden die Geschäftsführung zwar nicht von der grundlegenden Verpflichtung, für eine ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Angelegenheiten der von ihnen vertretenen Unternehmen zu sorgen. Dennoch ist es aus der Sicht des Senats unter den gegebenen Umständen aber praxisfern, unzumutbar und im Ergebnis nicht gerechtfertigt, von den Geschäftsführern eine derart intensive und genaue, mitunter sogar pedantische Überwachung der technischen (nicht rechtlichen) Umsetzung einzelner Zahlungsanweisungen zu verlangen, wie dies letztlich vom beklagten Finanzamt einfordert wird. 138d. Der Senat folgt auch nicht dem Vortrag des Beklagten aus der mündlichen Verhandlung, dass die Anweisung zur Überweisung der Lohnsteuer bereits ausdrücklich und unbedingt am 06.04.2009 erfolgt sei und sich die gesetzlichen Vertreter damit spätestens ab dem Mittag des nächsten Tages (07.04.2009) zu einer verstärkten Überwachung hätten aufgefordert fühlen müssen, nachdem der Überweisungsauftrag bis zu diesem Zeitpunkt durch die Mitarbeiter offensichtlich noch nicht ausgeführt worden war. Nach Aktenlage ist nicht ersichtlich, dass der endgültige Auftrag zur Überweisung der Lohnsteuer vom Konto bei der P-Bank bereits am 06.04.2009 erteilt worden ist. Aus dem Inhalt des Gedächtnisprotokolls vom 09.04.2009 lässt sich vielmehr schließen, dass die Entscheidung zur Zahlung der Lohnsteuer aus dem bei der P-Bank „geparkten“ Kapital zwar bereits während der Geschäftsführersitzung am 06.04.2009 angedacht und auch dem Grunde nach gefallen war, die konkrete Zahlungsanweisung aber erst am darauf folgenden Tag in der Besprechung der Geschäftsführung mit dem Zeugen Dr. Z erteilt wurde, und zwar zusammen mit den bis dato aufgeschobenen weiteren Mittelverwendungsentscheidungen. Darüber hinaus hat der Kläger eine vermeintlich widersprechende Darstellung seiner im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens eingereichten Schriftsätze im Rahmen der mündlichen Verhandlung nochmals klar gestellt. 1395. Dem Kläger kann unter keinem anderen Gesichtspunkt eine schuldhafte Verletzung seiner Pflichten als gesetzlicher Vertreter der A-KG vorgeworfen werden. Insbesondere war er entgegen den anders lautenden Ausführungen in der Begründung des Haftungsbescheides nicht verpflichtet, auf die D-Bank einzuwirken und ihr gegenüber die Ausführung des noch vor Insolvenzantragsstellung erteilten Auftrags zur Überweisung der streitgegenständlichen Lohnsteuer an das Finanzamt durchzusetzen. 140a. Eine entsprechende Pflicht zur Einwirkung auf die D-Bank scheitert schon daran, dass diese die Ausführung des von der A-GmbH erteilten Überweisungsauftrags rechtlich betrachtet ablehnen durfte (davon zu unterscheiden ist die Frage der rechtlichen Befugnis zur Einziehung von Guthaben). Bei dem Überweisungsauftrag handelt es sich um das Angebot zum Abschluss eines sog. Überweisungsvertrages. Eine korrespondierende Annahme hat die D-Bank aber weder ausdrücklich noch konkludent erklärt (§§ 145 ff. BGB). Sie hat vielmehr noch am selben Tage die Kreditlinie der A-GmbH gekündigt und damit zumindest konkludent zu erkennen gegeben, dass sie weitere Überweisungen nicht ausführen wird. 141Im Übrigen konnte ein Kreditinstitut nach der damaligen Fassung des § 676a Abs. 3 S. 1 BGB einen Überweisungsauftrag auch ohne die Angabe von Gründen kündigen, solange die Ausführungsfrist noch nicht begonnen hatte. Die Ausführungsfrist begann gemäß § 676a Abs. 2 S. 3 BGB a.F. grundsätzlich (soweit nichts anderes vereinbart war) mit Ablauf des Tages, an dem der Name des Begünstigten, sein Konto, sein Kreditinstitut und die sonst zur Ausführung des Überweisungsauftrags erforderlichen Angaben dem überweisenden Kreditinstitut vorlagen und ein zur Ausführung der Überweisung ausreichendes Guthaben vorhanden oder ein ausreichender Kredit eingeräumt war. Da der Überweisungsauftrag erst am frühen Morgen des 08.04.2009 (um 8.14 Uhr) bei der D-Bank eingegangen war, lief die Ausführungsfrist noch bis zum Ablauf eben dieses Tages. Die D-Bank konnte die Ausführung des Überweisungsauftrags also auch unter diesem Aspekt noch verweigern. 142b. Ein Einwirken des Klägers auf die D-Bank unter dem Gesichtspunkt, dass diese die Guthaben der A-GmbH größtenteils unberechtigter Weise eingezogen („eingefroren“) hatte, hätte ebenfalls nicht zur Abführung der Lohnsteuer geführt. Denn unmittelbar nachdem der Kläger und sein Mitgeschäftsführer Kenntnis von der Nichtausführung des Überweisungsauftrags erlangt hatten, bestellte das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt, so dass den Geschäftsführern nunmehr die uneingeschränkte Verwaltungs- und Verfügungsmacht entzogen war. Zwar hätten sie möglicherweise die Bank noch zu einer Auskehrung der Guthaben veranlassen können. Die Bank hätte bei einer entsprechenden Verwendungsbestimmung die Guthaben aber nur noch zu Gunsten des vorläufigen Insolvenzverwalters auszahlen dürfen (vgl. entsprechend dem Rechtsgedanken des BGH, Urteil v. 05.02.2009, IX ZR 78/07, juris). Dieser hatte die Überweisung der noch offenen Lohnsteuer aber gerade verweigert. 143c. Wie der Senat im Laufe der Urteilsgründe bereits ausgeführt hat, kann eine grob fahrlässige Pflichtverletzung zu Lasten des Klägers auch nicht durch das bloße Hervorheben von alternativen Maßnahmen zur Tilgung der Lohnsteuer begründet werden, etwa der Einrichtung eines Treuhandkontos, dem Verhängen einer Verfügungsbeschränkung, der Schließung von auf die Überweisung der Lohnsteuer gerichteten Vereinbarungen mit den Banken oder der Zahlung der Lohnsteuer zu früheren Zeitpunkten. Die Diskussion entsprechender Alternativmaßnahmen zur Lohnsteuertilgung bedeutet einen unzulässigen Eingriff in die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit der für die A-KG sowie die A-GmbH handelnden gesetzlichen Vertreter und führt zu einer Umdeutung der verschuldensabhängigen Vertreter-Haftung des § 69 S. 1 AO in eine Erfüllungs- bzw. Garantiehaftung. Auch eine zeitliche Verschiebung („Hinauszögern“) der Insolvenzantragsstellung durfte man von dem Kläger und seinem Mitgeschäftsführer aus entgegenstehenden zivilrechtlichen (Gläubigerbevorzugung) und strafrechtlichen Aspekten (Insolvenzverschleppung) nicht erwarten. 144II. Der Haftungsbescheid ist darüber hinaus rechtswidrig, weil die Anforderungen an die Begründung von Ermessensentscheidungen nicht eingehalten worden sind. 1451. Bei der Inanspruchnahme eines gesetzlichen Vertreters nach den §§ 69 S. 1 i.V. mit 34 Abs. 1 AO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (§ 191 Abs. 1 S. 1 AO), die vom Gericht nach § 102 FGO darauf zu überprüfen ist, ob das Finanzamt die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Wegen der Befugnis und Verpflichtung des Gerichts zur Überprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen, die dem Gericht keinen Raum für eigene Ermessenserwägungen lässt, muss die Ermessensentscheidung der Verwaltung im Haftungsbescheid, spätestens aber in der Einspruchsentscheidung begründet werden (§ 121 Abs. 1 i.V. mit § 126 Abs. 1 und 2 AO). Dabei müssen die bei der Ausübung des Verwaltungsermessens angestellten Erwägungen – die Abwägung des Für und Wider der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners – aus der Entscheidung erkennbar sein (vgl. BFH, Urteile v. 13.04.1978, V R 109/75, juris; v. 03.02.1981, VII R 86/78, juris; v. 07.04.1992, VII R 104/90, juris). Dies gilt im Übrigen nicht nur aus dem Blickwinkel des Gerichts, sondern vor allem auch aus der Perspektive des in Anspruch genommenen Haftungsschuldners. Mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und den Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) muss der Haftungsschuldner spätestens mit der Einspruchsentscheidung die Gründe kennen, von denen sich das Finanzamt bei der Entscheidung über den Erlass des Haftungsbescheides hat leiten lassen, um diese Gründe prüfen und etwaige Rechtsschutzüberlegungen daran ausrichten zu können. 146Im Rahmen der Begründung ihrer Ermessensentscheidung muss die Behörde insbesondere zum Ausdruck bringen, warum sie den Haftungsschuldner anstatt des Steuerschuldners oder anstelle anderer ebenfalls für die Haftung in Betracht kommender Personen in Anspruch nimmt (sog. Auswahlermessen). Diese Begründungspflicht besteht nicht erst dann, wenn tatsächlich und rechtlich sicher feststeht, ob weitere Haftungsschuldner in Betracht kommen, sondern bereits dann, wenn die Inanspruchnahme weitere potentieller Haftungsschuldner nur möglich erscheint. Fehlt eine entsprechende Begründung, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Finanzamt überhaupt keine Erwägungen zur Inanspruchnahme weiterer potentieller Haftungsschuldner angestellt und damit wesentliche Umstände des Sach- und Streitstandes außer Acht gelassen hat (vgl. BFH, Urteil v. 07.04.1992, VII R 104/90, juris; s.a. Rüsken in Klein, AO-Kommentar12, § 191 AO Rz. 58). 1472. Den soeben skizzierten Anforderungen an die Begründung von Ermessensentscheidungen genügen der angefochtene Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung nicht. Der Beklagte hat es versäumt, im Rahmen des Auswahlermessens auf eine mögliche Haftungsinanspruchnahme des Zeugen Dr. Z einzugehen. 148Der Zeuge Dr. Z war im Zeitpunkt der haftungsbegründenden Ereignisse als Prokurist für die A-GmbH tätig. Er war in der jüngeren Vergangenheit auch als Prokurist der A-KG in XXX bestellt. Darüber hinaus war der Zeuge Dr. Z als Leiter der Abteilung Finanzen, Rechnungslegung und Steuern der A-GmbH im Innen- und Außenverhältnis mit den steuerlichen Angelegenheiten des Unternehmensverbundes betraut. Gegenüber dem beklagten Finanzamt ist er in seiner Eigenschaft als Prokurist und Leiter der Steuerabteilung in der Vergangenheit auch mehrfach in Erscheinung getreten (sowohl schriftlich als auch fernmündlich). 149Aufgrund dieses Sachverhaltes geht das Gericht davon aus, dass eine Haftungsinanspruchnahme des Zeugen Dr. Z jedenfalls potentiell möglich war und hätte geprüft werden müssen. Der Prokurist eines Unternehmens kommt grundsätzlich neben den gesetzlichen Vertretern i.S. des § 34 Abs. 1 AO als Haftungsschuldner in Betracht, vgl. § 35 AO (zu den Voraussetzungen der Haftungsinanspruchnahme eines Prokuristen s.a. BFH, Beschluss v. 23.04.2007, VII B 92/06, juris). Im Streitfall kommt hinzu, dass der Zeuge Dr. Z rein tatsächlich betrachtet in entscheidendem Maße in den haftungsbegründenden Sachverhalt involviert war (u.a. in den Geldtransfer zwischen der D-Bank und der P-Bank sowie in die Entscheidung, die streitgegenständliche Lohnsteuer nicht vom Konto bei der P-Bank, sondern vom Konto bei der D-Bank an das Finanzamt abzuführen). In Anbetracht dieser Umstände wäre der Beklagte jedenfalls verpflichtet gewesen, eine Haftungsinanspruchnahme (auch) des Zeugen Dr. Z zu erwägen und das Ergebnis seiner Prüfung im Rahmen des Auswahlermessens darzulegen. Dabei ist unerheblich, ob die materiellen Voraussetzungen für eine Haftung letztlich vorgelegen haben oder nicht (etwa weil die Prokura des Zeugen Dr. Z bezogen auf die A-KG bereits im Jahr 2008 erloschen war). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter des beklagten Finanzamts selbst zugestanden, sich Gedanken über eine entsprechende Inanspruchnahme des Zeugen Dr. Z als Haftungsschuldner gemacht zu haben. Wenn aber der Beklagte selbst von der (dem Grunde nach nicht fernliegenden) Möglichkeit der Existenz weitere Haftungsschuldner ausgeht, erscheint es aus der Sicht des Gerichts notwendig, diesen Überlegungen auch im Rahmen der Ermessensentscheidung Ausdruck zu verleihen, nicht zuletzt um die Rechtsschutzmöglichkeiten der tatsächlich in Anspruch genommenen Haftungsschuldner nicht unangemessen zu verkürzen. 150Dafür spricht auch das weitere Vorgehen des Beklagten, der in der Einspruchsentscheidung Ausführungen zu einer potentiellen Haftung (auch) des dritten Geschäftsführers der A-GmbH (Herr C) gemacht und eine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner mit der Begründung verneint hat, dieser sei nicht zugleich auch Geschäftsführer der A-KG und damit schon gar nicht zur Abführung der streitgegenständlichen Lohnsteuer verpflichtet gewesen. Auch insofern hat also lediglich die Möglichkeit einer Inanspruchnahme ausgereicht, um den Beklagten zu einer entsprechenden Prüfung und zu einer Verschriftlichung seines Prüfungsergebnisses zu veranlassen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verständlich, warum dies in Bezug auf die Person des ehemaligen Prokuristen Dr. Z anders gehandhabt wurde. 151III. Der Haftungsbescheid ist schließlich insofern rechtswidrig, als die Haftung des Klägers für Säumniszuschläge betroffen ist (§ 69 S. 2 AO). 1521. Der Senat hat in Bezug auf die Säumniszuschläge schon Bedenken an der inhaltlichen Bestimmtheit des Haftungsbescheides und der Einspruchsentscheidung. 153Der Haftungsbescheid muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO). Die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Haftungsbescheides sind aus § 191 Abs. 1 AO herzuleiten. Danach müssen nicht nur die erlassende Finanzbehörde, der Haftungsschuldner und der zu zahlende Gesamtbetrag erkennbar sein, sondern auch für welche Steuer und Nebenabgaben der Haftungsschuldner in Anspruch genommen wird. Die Finanzbehörde muss die Steuer und folglich auch die Nebenabgaben nach Art, Schuldner und Erhebungszeitraum angeben (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 191 AO Tz. 83 ff.). Für den erkennenden Senat folgt daraus, dass auch in Bezug auf die Nebenabgaben ein Erhebungszeitraum anzugeben ist. Bei einer Haftung für Säumniszuschläge setzt dies voraus, dass der Zeitraum der Säumnis genau zu bezeichnen ist (§ 240 Abs. 1 AO). 154Entsprechende Angaben fehlen sowohl im Haftungsbescheid als auch in der Einspruchsentscheidung. Die Säumniszuschläge bezogen auf die Hauptschuld (Lohnsteuer 2009) sind dort lediglich in einer Summe ausgewiesen. Die Berechnungsgrundlagen, insbesondere der Zeitraum der Säumnis, werden nicht angegeben. 1552. Darüber hinaus enthält die Einspruchsentscheidung in Bezug auf die Reduzierung der Säumniszuschläge ebenfalls ein Ermessensdefizit. 156Der Beklagte hat die im Haftungsbescheid ausgewiesenen Säumniszuschläge i.H. von 1XX.XXX,- EUR im Rahmen der Einspruchsentscheidung um die Hälfte reduziert. Er hat sich dabei auf die Rechtsprechung des BFH zum Erlass von Säumniszuschlägen im Falle der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit berufen, die grundsätzlich auch auf Haftungsschuldner anwendbar ist (vgl. BFH, Urteil v. 26.07.1988, VII R 83/87, juris). Danach ist die Erhebung von Säumniszuschlägen sachlich unbillig, wenn dem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuer wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unmöglich ist und deshalb die Ausübung von Druck zur Zahlung ihren Sinn verliert. Darüber hinaus sind Säumniszuschläge nach den Wertungen des Gesetzgebers aber auch als Gegenleistung für das Hinausschieben der Fälligkeit anzusehen und dienen zur Abgeltung des Verwaltungsaufwandes (der Beklagte spricht dagegen missverständlich davon, dass der Säumniszuschlag den Schuldner zur künftig pünktlichen Zahlung anregen soll). 157In Anbetracht dieser gesetzgeberischen Wertungen kommt bei Säumniszuschlägen, wenn sie ihren eigentlichen Zweck als Druckmittel verloren haben, im Fall der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit in der Regel nur ein Teilerlass in Betracht (vgl. BFH Urteil v. 16.07.1997, XI R 32/96, juris; kritisch Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Tz. 36 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Der BFH geht aber davon aus, dass im Einzelfall auch ein weitergehender Erlass von Säumniszuschlägen nicht ausgeschlossen ist. Der Erlass der vollen Säumniszuschläge kann insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen dann gerechtfertigt sein, wenn die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Festsetzung von Stundungszinsen i.S. des § 234 Abs. 2 AO erfüllt gewesen wären (vgl. BFH Urteil v. 16.07.1997, XI R 32/96, juris). Zu einer entsprechenden Unbilligkeit der Erhebung von Säumniszuschlägen im Streitfall (weitergehender Erlass) verhält sich die Einspruchsentscheidung nicht. Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte diesen weiteren Erlassgesichtspunkt nicht gesehen und sein Ermessen insoweit gar nicht ausgeübt hat. 1583. Schließlich hat der Beklagte im Zusammenhang mit der Haftung des Klägers für Säumniszuschläge nicht dazu Stellung genommen, inwieweit der Höhe nach eine uneingeschränkte oder mit Blick auf den Grundsatz der anteiligen Tilgung nur eine beschränkte Haftung in Betracht kommt (vgl. dazu BFH, Urteil v. 01.08.2001, VII R 110/99, juris; Rüsken in Klein, AO-Kommentar12, § 69 AO Rz. 15 f.). Auch insoweit leiden der Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung nach Ansicht des Senats an einem Begründungs- und damit Ermessenausfall. 159IV. Da dem Antrag des Klägers auf Aufhebung des Haftungsbescheides und der Einspruchsentscheidung bereits aus den oben genannten Gründen stattzugeben war, brauchte der Senat sich mit etwaigen Fragen zur Höhe der Haftungsschuld nicht zu befassen (etwa in Bezug auf die Entscheidung des FG Niedersachsen, Urteil v. 15.01.2015, 14 K 91/13, juris). Insofern war es auch unerheblich, dass in Bezug auf die Hauptschuld (Lohnsteuer März 2009) noch ein Einspruchsverfahren beim beklagten Finanzamt anhängig ist. 160V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. 161VI. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs. Es handelt sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung herausgebildeten Grundsätze und Maßstäbe. | der haftungsbescheid des beklagten vom 28.05.2010 und die einspruchsentscheidung vom 22.06.2012 werden aufgehoben. der beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der vollstreckungsschuldner kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des kostenerstattungsanspruchs abwenden, wenn nicht zuvor der vollstreckungsgläubiger sicherheit in entsprechender höhe leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1 | 2streitig ist die rechtmäßigkeit eines haftungsbescheides i.s. des § 191 abs. 1 i.v. mit §§ 69 s. 1, 34 abs. 1 abgabeordnung (ao), mit dem das beklagte finanzamt den kläger als geschäftsführer für lohnsteuerschulden nebst annexabgaben der firma a-kg in anspruch genommen hat. 3die a-kg in xxx war teil eines unternehmens in der xxx-branche unter dem dach der a-gmbh in yyy. das unternehmen unterhielt am hauptstandort in yyy, am standort der kg in xxx sowie im ausland mehrere produktionsstätten und beschäftigte alleine im inland mehrere tausend mitarbeiter. 4die a-kg schuldet dem land nordrhein-westfalen nach aktuellem stand lohnsteuer und annexabgaben für den zeitraum märz 2009 i.h. von insgesamt 1.xxx.xxx,- eur (stand der letzten berechnung des beklagten über lohnsteuer und annexabgaben vom 15.11.2012; vom insolvenzverwalter wurden dagegen zuletzt lediglich 9xx.xxx,- eur angemeldet [einspruchsverfahren des insolvenzverwalters ist noch anhängig]). 5über das vermögen der a-gmbh in yyy sowie über das vermögen der a-kg in xxx wurde im jahr 2009 das insolvenzverfahren eröffnet. den antrag auf eröffnung des insolvenzverfahrens stellten die geschäftsführer am 08.04.2009. am gleichen tage bestellte das amtsgericht yyy einen vorläufigen insolvenzverwalter und ordnete an, dass verfügungen der insolvenzschuldnerinnen nur noch mit dessen zustimmung wirksam erfolgen konnten (§ 21 abs. 2 nr. 2 insolvenzordnung – inso). die eröffnung des insolvenzverfahrens beschloss das amtsgericht yyy am 29.06.2009. 6der kläger war gemeinsam mit herrn a geschäftsführer der aa-gmbh, die wiederum zu 100% an der a-verwaltungs-gmbh in xxx beteiligt war. letztere war komplementärin der a-kg. zugleich waren der kläger und herr a zusammen mit herrn c geschäftsführer der a-gmbh in yyy. 7die a-kg hatte ihren geschäftsbetrieb mit betriebspachtvertrag vom 24.09.1998 an die a-gmbh in yyy verpachtet. aufgrund eines betriebsführungsvertrages selben datums übertrug die a-gmbh die betriebsführung für den gepachteten betrieb an die a-kg zurück. gemäß § 2 abs. 3 dieses vertrages nahm die a-kg die arbeitgeberfunktion wahr. die betriebsführung erfolgte im namen der a-kg, jedoch auf rechnung der a-gmbh. sämtlich kosten im zusammenhang mit der betriebsführung wurden der a-kg durch die a-gmbh erstattet (§ 3 des vertrages). 8die a-gmbh verfügte über mehrere bankkonten, u.a. bei der d-bank und bei der p-bank. das konto bei der d-bank war das zentrale firmenkonto. hinsichtlich der transaktionen und der entwicklung der tagessalden im zeitraum vom 25.03. bis zum 15.04.2009 wird auf die in der gerichtsakte sowie in den verwaltungsakten befindlichen kontoauszüge verwiesen. 9am 26.03.2009 zahlte die a-kg in xxx die gehälter an ihre angestellten für märz 2009 in voller höhe aus (die löhne der „arbeiter“ sollten erst später ausgezahlt werden). mit lohnsteueranmeldung vom 07.04.2009 meldete die a-kg für den zeitraum märz 2009 lohnsteuer nebst annexabgaben i.h. von 1.xxx.xxx,- eur an. die lohnsteueranmeldung ging am 08.04.2009 beim beklagten ein. nach der eröffnung des insolvenzverfahrens gab der insolvenzverwalter mehrfach korrigierte lohnsteueranmeldungen für den streitzeitraum ab. 10die geschehnisse in den letzten tagen vor der insolvenzantragsstellung lassen sich nach dem (vom beklagten nicht bestrittenen) vortrag des klägers unter bezugnahme auf ein gedächtnisprotokoll vom 09.04.2009 wie folgt zusammen fassen: 11am 06.04.2009 fand eine geschäftsführersitzung bei der a-gmbh statt. daran nahmen neben den geschäftsführern (kläger, herr a und herr c) der prokurist herr dr. z (leiter abteilung finanzen, rechnungswesen und steuern), dessen mitarbeiter herr m und herr s (treasury / kasse), frau l (sachbearbeiterin personal) sowie herr o (anwaltlicher berater aus der kanzlei dr. w und partner) teil. im rahmen der geschäftsführersitzung verschafften sich die teilnehmer zunächst einen überblick über die liquiditätssituation des unternehmens. sodann wiesen die geschäftsführer herrn dr. z an, alle mittel bei der d-bank „aus sicherheitsgründen“ auf das konto bei der p-bank zu überweisen und dort zu deponieren. ferner fassten die geschäftsführer den entschluss, „auf jeden fall“ die auf die bereits am 26.03.2009 ausgezahlten gehälter der „angestellten“ in xxx entfallende lohnsteuer der a-kg zu zahlen. die entscheidung, ob darüber hinaus auch die löhne für den monat märz 2009 an die „arbeiter“ der standorte yyy und xxx nebst darauf entfallender lohnsteuer ausgezahlt oder „kasse für den insolvenzverwalter gehalten“ werden sollte, wurde auf den nächsten tag (07.04.2009) verschoben. 12noch am 06.04.2009 wurde ein betrag i.h. von 4.200.000,- eur vom konto der d-bank auf das konto bei der p-bank überwiesen. 13am 07.04.2009 wurde ein weiterer betrag i.h. von 450.000,- eur vom konto der d-bank auf das konto bei der p-bank überwiesen. 14ebenfalls am 07.04.2009 gegen 14.30 uhr wies die geschäftsführung den leiter der abteilung finanzen, rechnungslegung und steuern (herrn dr. z) an, folgende überweisungen vorzunehmen: 15löhne a-gmbh yyy 3.xxx.xxx,- eur 16löhne a-kg xxx „arbeiter“ 5xx.xxx,- eur 17lohnsteuer a-kg xxx 1.xxx.xxx,- eur 18zahlung „…“ 3xx.xxx,- eur 19zahlung „…“ 3xx.xxx,- eur 20 5.8xx.xxx,- eur 21am späten nachmittag des 07.04.2009 (16.15 uhr) ordneten herr dr. z und sein mitarbeiter, herr m, ohne rücksprache mit bzw. information der geschäftsführung an, das bei der p-bank vorhandene guthaben i.h. von 4.650.000,- eur wieder auf das konto bei der d-bank zurück zu überweisen. der betrag ist am 08.04.2009 auf dem konto bei der d-bank gutgeschrieben worden. hintergrund dieser rückübertragung soll gewesen sein, dass die überweisung der löhne technisch vom konto der d-bank habe wesentlich einfacher bewerkstelligt werden können, und zwar durch nutzung einer nur dort bestehenden elektronischen zahlungsverkehrsverbindung in gestalt eines sap-entgeltabrechnungs- und überweisungsverfahrens (die lohnauszahlung machte zahlreiche einzelüberweisungen nötig, etwa in form der löhne an die arbeitnehmer, der sozialversicherungsbeiträge an die sozialversicherungsträger und vermögenswirksamer leistungen an die bankinstitute). 22am morgen des 08.04.2009 (8.14 uhr) erteilte herr s (mitarbeiter der a-gmbh in dem von herrn dr. z geleiteten bereich finanzen, rechnungswesen und steuern, zuständig für den zahlungsverkehr [„treasury“]) der d-bank den auftrag, die lohnsteuer für märz 2009 i.h. von 1.xxx.xxx,- eur zugunsten des beklagten finanzamts zu überweisen. ferner wurde die d-bank angewiesen, die von der geschäftsführung angeordneten weiteren überweisungsvorgänge auszuführen (löhne xxx und yyy, zahlungen an auslandsunternehmen). der habensaldo auf dem konto bei der d-bank belief sich zu beginn des tages auf 2.2xx.xxx,- eur. nach dem eingang des vom p-bank-konto überwiesenen betrages i.h. von 4.650.000,- eur und weiteren zugängen betrug der habensaldo am schluss des tages 7.9xx.xxx,- eur. in einer e-mail vom 08.04.2009 übersandte herr s der controlling-abteilung der a-gmbh eine aktuelle liquiditätsübersicht und unterrichtete die controlling-abteilung über die der d-bank zuvor von ihm erteilten überweisungsaufträge. 23die d-bank führte ab dem 08.04.2009 keine überweisungen mehr aus, auch nicht den erteilten auftrag zur überweisung der streitgegenständlichen lohnsteuer. sie hielt das auf dem konto befindliche guthaben zurück und leitete die angelegenheit an die interne abteilung „risk management“ weiter, um die absicherung etwaiger eigener ansprüche gegen die a-gmbh zu prüfen. nach erfolgter überprüfung stellte die d-bank einen großteil des kapitals dem unternehmen später wieder zur verfügung; sie transferierte am 01.07.2009 einen betrag i.h. von 5.5xx.000,- eur auf das konto des vorläufigen insolvenzverwalters. 24ebenfalls am 08.04.2009 widerrief die a-kg nach telefonischer vorankündigung vom selben tage gegenüber dem beklagten finanzamt die bisher für betriebssteuern gültigen einzugsermächtigungen und bat um schriftliche bestätigung. 25am 08.04.2009 stellten der kläger und seine mitgeschäftsführer beim amtsgericht yyy anträge auf eröffnung des insolvenzverfahrens für die a-gmbh in yyy sowie für die a-kg in xxx. um 9.50 uhr (a-gmbh) und um 11.00 uhr (a-kg) ordnete das insolvenzgericht die vorläufige verwaltung des vermögens der insolvenzschuldnerinnen an und bestellte insofern einen vorläufigen insolvenzverwalter. gleichzeitig ordnete das gericht an, dass verfügungen der insolvenzschuldnerinnen nur noch mit dessen zustimmung wirksam erfolgen konnten. 26nachdem der kläger und sein mitgeschäftsführer den insolvenzverwalter zunächst mündlich erfolglos um überweisung der lohnsteuer märz 2009 gebeten hatten, forderten sie ihn am 04.05.2009 schriftlich auf, die rückständige lohnsteuer nebst annexabgaben an das beklagte finanzamt zu zahlen. mit schreiben vom 12.05.2009 lehnte der insolvenzverwalter eine zahlung mit der begründung ab, dass der lohnsteueranmeldungszeitraum vor insolvenzeröffnung liege, es sich bei der lohnsteuer damit um eine „normale insolvenzforderung“ handele und er sich im falle einer zahlung möglicherweise wegen gläubigerbenachteiligung strafbar machen würde. 27nach erfolgter anhörung erließ der beklagte mit datum vom 28.05.2010 jeweils einen haftungsbescheid i.s. des § 191 abs. 1 i.v. mit §§ 69 s. 1, 34 abs. 1 ao sowohl gegenüber dem kläger als auch gegenüber dessen mitgeschäftsführer. beide geschäftsführer wurden in bezug auf die zum fälligkeitstag am 14.04.2009 durch die a-kg nicht entrichtete lohnsteuer nebst annexabgaben für den voranmeldungszeitraum märz 2009 i.h. von insgesamt 1.xxx.xxx,- eur zuzüglich säumniszuschlägen i.h. von 1xx.xxx,- eur persönlich und unbeschränkt in haftung genommen. 28zur begründung des haftungsbescheides führte der beklagte aus, dass personen i.s. der §§ 34 und 35 ao gemäß § 69 s. 1 ao als haftungsschuldner in anspruch genommen werden könnten, soweit ansprüche aus dem steuerschuldverhältnis in folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger verletzung der ihnen auferlegten sorgfaltspflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt würden. als geschäftsführer der a-verwaltungs-gmbh in xxx habe den kläger die pflicht getroffen, für die rechtzeitige anmeldung und abführung der lohnsteuern der a-kg als arbeitgeberin sorge zu tragen. die lohnsteuer für den voranmeldungszeitraum märz 2009 sei zwar fristgerecht bis zum 14.04.2009 angemeldet, nicht jedoch abgeführt worden. nach der eröffnung des insolvenzverfahrens über das vermögen der a-kg sei mit einer entrichtung der lohnsteuer durch bzw. für die a-kg nicht mehr zu rechnen. 29der kläger habe seine steuerlichen pflichten als geschäftsführer zum einen dadurch verletzt, dass er nicht für eine wirksame und rechtzeitige entrichtung der lohnsteuer gesorgt habe. zahlungsschwierigkeiten einer gesellschaft änderten grundsätzlich weder etwas an der pflicht des geschäftsführers zur abführung der lohnsteuer noch schlössen sie ein verschulden bei nichterfüllung der steuerlichen pflichten aus. reichten die zur verfügung stehenden mittel zur befriedigung der arbeitsrechtlich geschuldeten löhne einschließlich des enthaltenen steueranteils nicht aus, so dürfe der geschäftsführer die löhne nur entsprechend gekürzt auszahlen und müsse aus den dadurch übrig bleibenden mitteln die auf die gekürzten nettolöhne entfallende lohnsteuer an das finanzamt abführen. bereits das unterlassen, die auf die auszuzahlenden löhne entfallende lohnsteuer durch eine entsprechend kürzung der löhne einzubehalten und den gekürzten betrag für die errichtung zum fälligkeitszeitpunkt bereitzuhalten, könne eine eigenständige pflichtverletzung darstellen und den haftungstatbestand des § 69 s. 1 ao auslösen. 30zwar habe die a-gmbh im lohnzahlungszeitpunkt noch über liquide mittel verfügt, die der höhe nach auch zur begleichung der lohnsteuer für die a-kg ausgereicht hätten und zu diesem zweck verwendet werden sollten. alleine diese tatsache könne den kläger aber nicht von der haftung befreien. da sich die gesellschaft nur wenige tage vor der eröffnung des insolvenzverfahrens und damit bereits seit längerem in der krise befunden habe, hätten die geschäftsführer in bezug auf die lohnsteuerentrichtung erhöhte sorgfaltspflichten getroffen. sie hätten bereits zum lohnzahlungszeitpunkt, also zum 26.03.2009, sicherstellen müssen, dass die auf die ausgezahlten löhne entfallende lohnsteuer tatsächlich pünktlich an das finanzamt gezahlt werde. dies hätten die geschäftsführer etwa durch vorherige gespräche mit verantwortlichen der überweisenden bank bewirken können. aufgrund der bestehenden finanziellen krisensituation und der im raum stehenden insolvenz hätten sich die geschäftsführer nicht einfach darauf verlassen dürfen, dass die banken einen überweisungsauftrag wenige stunden vor der insolvenzantragsstellung noch ausführen werden. 31eine weitere pflichtverletzung des klägers sei darin zu sehen, dass dieser nicht auf die d-bank eingewirkt und auf die ausführung des überweisungsauftrags bestanden habe. der überweisungsauftrag sei mit zugang bei der bank und damit vor der insolvenzantragsstellung wirksam geworden (vgl. § 676a abs. 1 s. 1 alte fassung des bürgerlichen gesetzbuches – bgb a.f.). die voraussetzungen für eine kündigung des überweisungsauftrags durch die bank hätten nicht vorgelegen. gemäß § 676a abs. 3 bgb a.f. dürfe ein auftrag nach beginn der überweisungsfrist i.s. des § 676a abs. 2 bgb a.f. nur gekündigt werden, wenn das insolvenzverfahren bereits eröffnet worden sei. der überweisungsauftrag sei über § 116 s. 3 inso auch insolvenzbeständig gewesen. demzufolge hätte der kläger auf die d-bank einwirken und auf die durchführung des rechtswirksam und insolvenzbeständig erteilten überweisungsauftrags bestehen müssen. das unterlassen einer solchen einwirkung sei als pflichtverletzung zu werten. bei dem einwirken habe es sich nicht um eine verfügung gehandelt, die nur mit zustimmung des vorläufigen insolvenzverwalters möglich gewesen wäre. im übrigen bleibe die verpflichtung der geschäftsführer, die lohnsteuer bis zum fälligkeitstag zu entrichten, auch nach der stellung eines antrags auf eröffnung des insolvenzverfahrens grundsätzlich bestehen. 32sein ermessen beim erlass des haftungsbescheides begründete der beklagte wie folgt: eine vorherige inanspruchnahme der arbeitnehmer als steuerschuldner sei unbillig, weil die steuerabzugsbeträge bei der auszahlung der gehälter von der a-kg einbehalten worden seien. die inanspruchnahme der a-kg sei nach der eröffnung des insolvenzverfahrens nicht mehr erfolgversprechend. es sei ermessensgerecht, sowohl den kläger als auch den weiteren mitgeschäftsführer der komplementärin der a-kg als für die nichtzahlung der lohnsteuer jeweils verantwortliche personen in voller höhe in anspruch zu nehmen. die haftung umfasse auch die infolge der pflichtverletzung entstandenen säumniszuschläge. 33gegen den haftungsbescheid legte der kläger am 22.06.2010 einspruch ein. zur begründung führte er aus, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig seine steuerlichen pflichten als geschäftsführer verletzt habe. in der ungekürzten auszahlung der gehälter sei keine pflichtverletzung zu erkennen. die ungekürzte auszahlung von löhnen stelle nur dann eine pflichtverletzung dar, wenn der geschäftsführer befürchten müsse, dass zum fälligkeitszeitpunkt nicht genügend mittel zur begleichung der lohnsteuer vorhanden seien. vorliegend hätten aber sowohl im zeitpunkt der lohnauszahlung als auch bei insolvenzantragsstellung und auch noch im zeitpunkt der fälligkeit der lohnsteuer ausreichende mittel zur begleichung der steuerschuld bereit gestanden. zunächst sei entsprechendes kapital auf das p-bank-konto transferiert und von der geschäftsführung u.a. zur begleichung der lohnsteuer vorgesehen worden. auch bei erteilung des zahlungsauftrags an die d-bank am morgen des 08.04.2009 sei genügend liquidität vorhanden gewesen. der kontostand bei der d-bank habe sich immerhin auf über 7.xxx.xxx,- eur belaufen. ihren mittelvorsorge- und sorgfaltspflichten seien die geschäftsführer also ausreichend nachgekommen. für eine gekürzte auszahlung der gehälter im märz 2009 habe daher keine veranlassung bestanden. 34der kläger führte weiter aus, dass ihm auch die nichtzahlung der lohnsteuer im fälligkeitszeitpunkt nicht vorgeworfen werden dürfe. dieser umstand beruhe nicht auf einem fehlverhalten seinerseits, sondern zum einen auf der nichtausführung des erteilten überweisungsauftrags durch die d-bank sowie zum anderen auf der späteren einsetzung des vorläufigen insolvenzverwalters und dem damit verbundenen verlust der freien verfügungsbefugnis über das vermögen der a-gmbh. die geschäftsführer hätten noch deutlich vor fälligkeit und im hinblick auf die drohende bestellung eines insolvenzverwalters alles daran gesetzt, die vorhandene liquidität zur entrichtung der lohnsteuer einzusetzen. dass der gegenüber der d-bank noch vor stellung des insolvenzantrags erteilte überweisungsauftrag nicht ausgeführt worden sei, könne ihnen nicht angelastet werden. die d-bank habe diesem auftrag, wie sich später herausgestellt habe, zu unrecht die ausführung versagt. die bankinterne abteilung „risk management“ habe entschieden, den überweisungsauftrag nicht auszuführen und stattdessen etwaige zurückbehaltungsansprüche in bezug auf das vorhandene kapital geprüft. später habe sich durch die rücküberweisung der beträge an den insolvenzverwalter gezeigt, dass dieses vorgehen nicht gerechtfertigt gewesen sei. dieses verschulden der d-bank könne aber nicht den geschäftsführern angelastet werden; eine entsprechende zurechnung von drittverschulden finde im anwendungsbereich des § 69 ao gerade nicht statt. auch sei für die geschäftsführung nicht vorhersehbar gewesen, dass die d-bank den überweisungsauftrag nicht ausführen werde. nach der bestellung des vorläufigen insolvenzverwalters seien eigenmächtige verfügungen für die geschäftsführer nicht mehr möglich gewesen. die steuerliche pflichtenstellung habe sich insofern auf ein einwirken auf den insolvenzverwalter beschränkt. dieser verpflichtung seien die geschäftsführer nachgekommen, indem sie den insolvenzverwalter zur zahlung der lohnsteuer aufgefordert hätten. dieses zahlungsverlangen habe der insolvenzverwalter aus gründen der gläubigergleichbehandlung aber abgelehnt. 35der im haftungsbescheid enthaltene hinweis des finanzamts, die geschäftsführer hätten angesichts der auszahlung der vollen löhne frühzeitig eine vereinbarung mit der bank über die sichere ausführung eines überweisungsauftrags zur entrichtung der lohnsteuer treffen müssen, sei nicht zielführend. sowohl zur p-bank als auch zur d-bank habe ein ganz normales geschäftsbesorgungsverhältnis (kontoführungsvertrag) bestanden. in anbetracht dessen sei nicht davon auszugehen, dass sich die banken überhaupt auf eine vereinbarung dergestalt eingelassen hätten. es sei nicht zu erwarten, dass irgendeine bank entsprechende vereinbarungen zu eigenen lasten treffe. denn die banken hätten für den fall der zahlungsunfähigkeit bzw. der insolvenzantragsstellung damit rechnen müssen, dass die belastung des kontos später an der erforderlichen zustimmung des vorläufigen insolvenzverwalters gescheitert wäre. insofern hätte auch ein gespräch mit vertretern der bank nicht weiter geführt. 36darüber hinaus verneinte der kläger auch ein schuldhaftes handeln i.s. des haftungstatbestandes. dabei wies er ausdrücklich auf die entscheidung des bundesfinanzhofs (bfh) vom 05.06.2007 (vii r 19/06, juris) hin, wonach den geschäftsführern einer gmbh die kontosperrung durch einen vorläufigen insolvenzverwalter nicht haftungsbegründend anzulasten sei. gemessen an den dort niedergelegten grundsätzen höchstrichterlicher rechtsprechung hätten sich die geschäftsführer im streitfall sogar überobligatorisch verhalten, indem sie noch vor fälligkeit und vor insolvenzantragsstellung die anweisung zur überweisung der lohnsteuer erteilt hätten. 37schließlich führte der kläger aus, dass es auch an der für eine haftung notwendigen kausalität zwischen pflichtverletzung und schaden fehle. der bfh habe im urteil vom 17.11.1992 (vii r 13/92, juris) festgestellt, dass die inanspruchnahme eines geschäftsführers in dem fall, dass noch vor dem fälligkeitstag ein starker insolvenzverwalter bestellt werde, nicht mehr kausal für den steuerausfall sei. im vorliegenden fall sei zwar zunächst kein starker insolvenzverwalter bestellt worden. der zustimmungsvorbehalt des schwachen insolvenzverwalters habe aber de facto die gleiche wirkung. die fristgerechte zahlung sei den geschäftsführern seit der bestellung des schwachen insolvenzverwalters verwehrt gewesen, eine etwaige pflichtverletzung für die nichtentrichtung der lohnsteuer zum fälligkeitszeitpunkt sei daher nicht mehr kausal. 38der beklagte half dem einspruch des klägers mit einspruchsentscheidung vom 22.06.2012 teilweise ab, indem die säumniszuschläge um die hälfte von 1xx.xxx,- eur auf 6x.xxx,- eur reduziert wurden. im übrigen (in bezug auf die eigentliche haftungsschuld) wies der beklagte den einspruch als unbegründet zurück. 39zur herabsetzung der säumniszuschläge führte der beklagte aus, insofern sei eine teilrücknahme des haftungsbescheides gemäß § 130 abs. 1 s. 1 ao geboten. nach ständiger höchstrichterlicher rechtsprechung sei die heranziehung eines steuerschuldners ab dem zeitpunkt des eintritts der nachweislichen überschuldung oder zahlungsunfähigkeit teilweise unzulässig (verweis auf bfh, urteil v. 26.07.1988, vii r 83/87, juris). daraus folge für den streitfall, dass die haftung insoweit aufzuheben sei, als sie den zeitraum zwischen der eröffnung des insolvenzverfahrens (29.06.2009) und dem erlass des haftungsbescheides (28.05.2010) beträfe. aus diesem grunde werde die haftungssumme um die hälfte der verwirkten säumniszuschläge reduziert. 40im übrigen sei der haftungsbescheid aber rechtmäßig und damit aufrecht zu erhalten. den kläger habe aufgrund seiner gesetzlichen stellung als geschäftsführer der a-verwaltungs-gmbh in xxx die pflicht getroffen, für die abführung der auf die im märz 2009 durch die a-kg ausgezahlten gehälter entfallende lohnsteuer nebst annexabgaben zu sorgen (vgl. § 34 abs. 1 ao i.v. mit § 41a abs. 1 nr. 2 einkommensteuergesetz – estg). dieser pflicht sei der kläger nicht nachgekommen. die entsprechenden steuerschulden seien bis zum heutigen tage nicht entrichtet worden. 41nach ständiger finanzgerichtlicher rechtsprechung stelle die nichtabführung einzubehaltender und abzuführender lohnsteuer zu den gesetzlichen fälligkeitszeitpunkten regelmäßig eine, wenn nicht vorsätzliche, so zumindest grob fahrlässige verletzung der pflichten eines geschäftsführers dar. die in der nichtentrichtung liegende objektive pflichtwidrigkeit indiziere den schuldvorwurf (hinweis auf bfh, urteil v. 04.12.2007, vii r 18/06, juris; beschluss v. 25.07.2003, vii b 240/03, juris). durch die auszahlung des bruttolohnes nehme der geschäftsführer ein haftungsrisiko auf sich, mit der folge, dass bei ausbleiben der erfüllung seiner auf die entsprechende lohnsteuer bezogenen entrichtungsschuld die haftungsfolge des § 69 s. 1 ao eintrete. diesen strengen verschuldensmaßstab leite die rechtsprechung aus den einkommensteuerrechtlichen regelungen zum lohnsteuerabzug her (§ 38 abs. 2 und abs. 3, § 41a abs. 1 nr. 2 estg). danach fungiere der arbeitgeber als entrichtungsschuldner. für den arbeitgeber handele es sich insoweit um eine fremde schuld. ihn treffe kraft gesetzes die pflicht, die lohnsteuer treuhänderisch zu verwalten und für ihre entrichtung aus den verwalteten mitteln der gesellschaft sorge zu tragen (verweis auf bfh, beschlüsse v. 08.05.2001, vii b 252/00, juris; v. 06.07.2005, vii b 296/04, juris; fg münchen, urteil v. 15.12.2008, 15 k 4118/07, juris). diese steuerrechtliche verpflichtung sei eine „grundpflicht“ bzw. „garantenpflicht“ des geschäftsführers. dieser gebe mit voller auszahlung der löhne quasi eine „garantie“ ab, die darauf entfallende lohnsteuer bis zum fälligkeitstag auch tatsächlich zu entrichten. die eingegangene verpflichtung beinhalte – da es sich bei der lohnsteuer um fremde gelder handele – nicht nur, dass der geschäftsführer für eine entsprechende kontodeckung am fälligkeitstag zu sorgen habe. darüber hinaus müsse der geschäftsführer einen wirksamen zahlungsauftrag erteilen und damit letztlich sicherstellen, dass die lohnsteuer auch tatsächlich beim finanzamt ankomme, mithin dass eine entrichtung (erfüllung) der steuerschuld i.s. des § 224 abs. 1 ao bis zum fälligkeitstag erfolge (vgl. bfh, beschluss v. 19.03.1999, vii b 158/98, juris). 42der umstand, dass vor dem fälligkeitstag ein antrag auf eröffnung des insolvenzverfahrens gestellt werde, ändere an den besagten mittelvorsorge- und garantiepflichten eines geschäftsführers nichts. gleiches gelte für die bestellung eines vorläufigen insolvenzverwalters. dadurch werde der geschäftsführer nicht in seiner verfügungsbefugnis eingeschränkt; er sei rechtlich nicht daran gehindert, steuern für die gesellschaft zu entrichten. die verpflichtung eines geschäftsführers zur abführung einbehaltener lohnsteuer bestehe solange fort, bis ihm die verfügungsbefugnis endgültig entzogen werde (verweis auf bfh, urteil v. 23.09.2008, vii r 27/07, juris). 43auf der grundlage dieser maßstäbe sei der kläger seinen pflichten als geschäftsführer in mehrfacher hinsicht nicht nachgekommen. zum einen habe er gegen die mittelvorsorge- und garantiepflicht zur entrichtung der lohnsteuer verstoßen. die gehälter für die angestellten am standort der a-kg in xxx seien auf veranlassung des klägers am 26.03.2009 in voller höhe ausgezahlt worden. damit habe der kläger sich verpflichtet, die einbehaltene lohnsteuer bis zum fälligkeitszeitpunkt am 14.04.2009 an das finanzamt abzuführen. der kläger hätte also dafür sorge tragen müssen, wirksame maßnahmen zur tilgung (erfüllung) der lohnsteuer zu ergreifen. derartige maßnahmen seien vom kläger und dessen mitgeschäftsführer aber nicht getroffen worden. die anweisung der geschäftsführung an ihre mitarbeiter, entsprechende mittel auf das konto bei der p-bank zu überweisen und von dort aus eine überweisung der lohnsteuer an das finanzamt vorzunehmen, sei lediglich geeignet gewesen, potentiell eine pünktliche zahlung zu bewirken (§ 224 abs. 2 ao). die erfüllung der steuerschuld sei dadurch aber nicht eingetreten. gleiches gelte für den wenige stunden vor insolvenzantragsstellung gegenüber der d-bank abgegebenen überweisungsauftrag. beide maßnahmen hätten letztlich nicht zu einer erfolgreichen tilgung der lohnsteuer geführt. 44darüber hinaus sei der kläger seinen überwachungsaufgaben als geschäftsführer nicht hinreichend nachgekommen. die hundertprozentige auszahlung der löhne gehe mit gesteigerten überwachungspflichten einher. der kläger habe die erfüllung der steuerschuld durch geeignete überwachungsmaßnahmen sicherstellen müssen. gerade aufgrund des umstandes, dass der kläger mit dem eingang seines insolvenzantrages und der bestellung eines vorläufigen insolvenzverwalters am 08.04.2009 habe rechnen müssen, sei er zu einer gesteigerten überwachung aufgerufen gewesen. auch sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der zunächst erfolgten überweisung der gelder vom konto der d-bank auf das konto bei der p-bank sowie bei dem weiteren plan, die lohnsteuer dann von dort aus an das finanzamt abzuführen, um eine „außergewöhnliche vorgehensweise“ gehandelt habe (abweichend von der bisherigen übung der steuerentrichtung im lastschrifteinzugsverfahren). in anbetracht dessen hätte der kläger die umsetzung der erteilten aufträge besonders sorgfältig überwachen müssen. dies habe er offensichtlich nicht getan. der vortrag des klägers, er habe den leiter der finanzabteilung nicht kontrollieren müssen, weil es sich bei herrn dr. z um eine stets zuverlässige person gehandelt habe, die ihren aufgaben in der vergangenheit immer zur zufriedenheit der geschäftsführung nachgekommen sei, könne weder als rechtfertigungs- noch als entschuldigungsgrund herangezogen werden. wenn der kläger einen typischen arbeitsauftrag erteilt hätte, dann habe er davon ausgehen können, dass die beauftragten personen diesen gewohnt zuverlässig erledigen werden. im streitfall gelte aber etwas anderes. vorliegend sei ein atypischer zahlungsweg gewählt worden. angesichts der drohenden bestellung eines vorläufigen insolvenzverwalters sei zudem alles davon abhängig gewesen, dass den banken noch vor dem 08.04.2009 ein wirksamer zahlungsauftrag erteilt werde. diese besonderheiten hätten es erforderlich gemacht, die beauftragten mitarbeiter genau zu überwachen und damit für die erfüllung des zahlungsauftrags sorge zu tragen. auch der bfh gehe davon aus, dass an die überwachungsmaßnahmen eines geschäftsführers umso größere anforderungen gestellt werden müssten, je weniger dieser sich ein auf tatsachen gegründetes urteil bilden könne, ob hinzugezogene personen die notwendige gewähr der zuverlässigen erfüllung steuerlicher angelegenheiten der gesellschaft bieten würden (verweis auf bfh, beschluss v. 05.03.1998, vii b 36/97, juris). bei anwendung dieser grundsätze habe der kläger die ausführung des auftrags zur überweisung der lohnsteuer durch seine mitarbeiter im streitfall intensiver überwachen müssen, denn er habe keine kenntnisse darüber gehabt, ob seine mitarbeiter der ausnahmesituation (atypische zahlungsweise und drohende insolvenz) gewachsen gewesen seien. 45die gleichzeitige inanspruchnahme des klägers und seines mitgeschäftsführers sei auch ermessensgerecht. dagegen sei der dritte geschäftsführer der a-gmbh, herr c, nicht in haftung genommen worden, weil er nicht auch gleichzeitig geschäftsführer der a-verwaltungs-gmbh in xxx und damit nicht zur abführung der lohnsteuer der a-kg verpflichtet gewesen sei. 46der kläger hat am 04.07.2012 die vorliegende klage erhoben und begehrt weiter die aufhebung des streitgegenständlichen haftungsbescheides. das parallele klageverfahren des mitgeschäftsführers wird unter dem aktenzeichen 1 k 2245/12 l geführt. 47zur begründung seiner klage führt der kläger wie folgt aus: seine steuerlichen pflichten als geschäftsführer habe er nicht verletzt. die ungekürzte auszahlung der gehälter für den streitbefangenen zeitraum stelle keine pflichtverletzung dar, denn zum zeitpunkt der gehaltsauszahlung sei hinreichend liquidität für die begleichung der lohnsteuer märz 2009 vorhanden gewesen. eine pflichtverletzung bestehe nach der rechtsprechung des bfh nur, wenn zu befürchten sei, dass zum fälligkeitszeitpunkt nicht mehr genügend mittel zur begleichung der steuerschuld vorhanden seien (hinweis auf bfh, urteil v. 26.07.1988, vii r 83/87, juris; beschluss v. 21.12.1998, vii b 175/98, juris). es habe also gar keine veranlassung zu einer kürzung der löhne bestanden. auch zum gesetzlichen fälligkeitszeitpunkt der lohnsteuer habe die a-gmbh noch über ausreichend liquidität verfügt. die nichtzahlung der lohnsteuer zum fälligkeitszeitpunkt sei nicht auf eine pflichtverletzung der geschäftsführung (etwa zur mittelvorsorge), sondern auf die nicht vorhersehbare ablehnung des überweisungsauftrags durch die d-bank sowie die einsetzung des vorläufigen insolvenzverwalters und den damit verbundenen verlust der verfügungsmacht der geschäftsführer zurückzuführen. ursächlich für den steuerausfall seien letztlich alleine die bestellung des vorläufigen insolvenzverwalters und dessen verweigerte zustimmung zur zahlung der lohnsteuer gewesen. das unvermögen eines geschäftsführers, am fälligkeitstag die lohnsteuerschulden ohne zustimmung des insolvenzverwalters zu begleichen, begründe keine pflichtverletzung (hinweis auf bfh, urteil v. 17.11.1992, vii r 13/92, juris). auch unter dem aspekt des verschuldens scheide insofern eine haftung aus (hinweis auf bfh, urteil v. 05.06.2007, vii r 19/06, juris). unter den gegebenen umständen sei auch nicht zu erwarten gewesen, dass ein einwirken auf die d-bank, den erteilten überweisungsauftrag durchzuführen, erfolgreich gewesen wäre. ohne die spätere zustimmung des vorläufigen insolvenzverwalters zur belastung des kontos hätte die bank eine belastungsbuchung sowieso gar nicht vornehmen dürfen (hinweis auf bgh, urteil v. 05.02.2009, ix zr 78/07, juris). 48darüber hinaus ist der kläger der ansicht, eine pflichtverletzung scheide bereits aus dem grund aus, dass die lohnsteuer am 08.04.2009 (bei einsetzung des vorläufigen insolvenzverwalters) noch gar nicht fällig gewesen sei. es habe demnach bis zu diesem tage noch gar keine pflicht zur zahlung der lohnsteuer bestanden. demzufolge könne ihm auch nicht der vorwurf einer (überwachungs-)pflichtverletzung gemacht werden. der kläger führt weiter aus, er habe sich sogar überobligatorisch verhalten, indem er gegenüber seinen mitarbeitern veranlasst habe, dass die lohnsteuer noch vor dem fälligkeitstag an das finanzamt überwiesen werden sollte. bei der angedachten abwicklung über das p-bank-konto habe es sich insofern um eine zusätzliche „vorsichtsmaßnahme“ gehandelt, die weit über das hinausgegangen sei, was von einem geschäftsführer berechtigterweise zu erwarten sei. dass die d-bank die überweisung letztendlich nicht ausgeführt habe, könne ihm nicht zum vorwurf gemacht werden. er dürfe insofern nicht schlechter stehen, als er stünde, wenn überhaupt kein versuch zur vorzeitigen entrichtung der lohnsteuer unternommen worden wäre. 49der kläger meint in diesem zusammenhang weiter: die ansicht des beklagten, die lohnsteuer sei jedenfalls so rechtzeitig zu zahlen, dass die erfüllung am 14.04.2009 in jedem fall gewährleistet gewesen wäre, gehe fehl. zwar sei es grundsätzlich richtig, dass der geschäftsführer für die pünktliche abführung der lohnsteuer verantwortlich zeichne. der beklagte verkenne jedoch den unterschied zwischen der gesetzlich angeordneten „haftung für schuldhaft nicht abgeführte lohnsteuer“ einerseits und einer „garantiehaftung“ andererseits. die ausführungen des beklagten in der einspruchsentscheidung und in den im finanzgerichtlichen verfahren ausgetauschten schriftsätzen liefen darauf hinaus, dass mit jeder lohnauszahlung eine verschuldensunabhängige garantenpflicht für die abführung der lohnsteuer übernommen werde. eine solche auslegung finde jedoch im gesetz keine stütze, sondern verkehre den haftungstatbestand des § 69 s. 1 ao in sein gegenteil. er (der kläger) sei damit weder am 08.04.2009 noch an einem sonstigen vor dem fälligkeitszeitpunkt liegenden tage verpflichtet gewesen, die lohnsteuer an das finanzamt zu überweisen. die tatsache, dass die geschäftsführer dies gleichwohl versucht hätten, könne ihnen im nachhinein unter keinen umständen als schuldhafte pflichtverletzung vorgehalten werden. 50weiter führt der kläger aus, dass eine haftung auch nicht unter dem gesichtspunkt der zurechnung des verhaltens der d-bank oder der mitarbeiter der a-gmbh in betracht komme. im anwendungsbereich des § 69 s. 1 ao finde eine zurechnung von drittverschulden nicht statt (hinweis auf bfh, urteile v. 30.08.1994, vii r 101/92, juris; v. 30.06.1995, vii r 85/94, juris). 51im übrigen hätten sich in bezug auf die zuverlässigkeit der mitarbeiter keine bedenken ergeben. anlass zu der vermutung, dass die mitarbeiter die lohnsteuer nicht (wie besprochen) vom konto bei der p-bank an das finanzamt überweisen und damit von den eindeutigen anweisungen der geschäftsführung abweichen würden, habe nicht bestanden. die für die überweisung zuständigen mitarbeiter seien im rahmen dieser geschäftsführersitzung anwesend gewesen und hätten die anweisungen der geschäftsführer bestätigt. bei dem mit der überweisung beauftragten leiter der abteilung finanzen, rechnungslegung und steuern, herrn dr. z, habe es sich zudem um einen kompetenten und berufserfahrenen mitarbeiter gehandelt, der selbst mehrere jahre in einer großbank tätig gewesen sei. der vorwurf des beklagten, es habe sich bei der überweisung der lohnsteuer vom konto bei der p-bank um einen derart komplexen vorgang gehandelt, dass die geschäftsführer ihre mitarbeiter bei der ausführung quasi hätten begleiten müssen, sei insofern entschieden zurückzuweisen. zum einen sei die anweisung einer überweisung ein ganz alltäglicher vorgang. zum anderen verkenne der beklagte bei seiner argumentation, dass es sich bei der a-unternehmensgruppe um einen großkonzern und nicht um einen kleinbetrieb gehandelt habe. die vom beklagten eingeforderte persönliche kontrolle der mitarbeiter durch die geschäftsführung sei weder angemessen noch realitätsgerecht. erst recht seien die geschäftsführer eines konzernunternehmens nicht verpflichtet, entsprechende überweisungen selbst auszuführen. im übrigen merkt der kläger noch an, dass er sich im vorfeld der insolvenzantragsstellung der besonderen sachkunde einer renommierten sanierungs- und insolvenzkanzlei bedient habe. insgesamt hätten er und sein mitgeschäftsführer „alles menschenmögliche“ getan, um die überweisung der streitbefangenen lohnsteuer sicherzustellen. 52der kläger vertritt die ansicht, dass sich seine steuerlichen pflichten alleine darauf beschränkt hätten, auf den vorläufigen insolvenzverwalter einzuwirken und diesen um die zahlung der offenen lohnsteuer anzuhalten. dieser pflicht seien die geschäftsführer nachgekommen. dass der insolvenzverwalter der aufforderung letztlich nicht gefolgt sei, falle nicht in die pflichtensphäre der geschäftsführer. rechtliche schritte der geschäftsführer gegenüber dem insolvenzverwalter seien nicht zu erwarten gewesen (hinweis auf bfh, beschluss v. 03.12.2004, vii b 178/04, juris). 53schließlich macht der kläger geltend, dass selbst bei der vom beklagten eingeforderten überwachung der mitarbeiter und bei einer erfolgten entrichtung der lohnsteuer ebenfalls ein schaden entstanden wäre. denn es sei davon auszugehen, dass der insolvenzverwalter die zahlung gemäß § 130 abs. 1 inso angefochten hätte. folglich wäre eine unterstellte pflichtverletzung der geschäftsführer für die nichtentrichtung der lohnsteuer nicht ursächlich geworden. 54was die höhe der haftungsschuld angeht, so trägt der kläger wie folgt vor: der in der lohnsteueranmeldung ausgewiesene betrag i.h. von 1.xxx.xxx,- eur berücksichtige neben der lohnsteuer, die auf die am 26.09.2009 ausgezahlten gehälter der angestellten entfalle, auch die lohnsteuer, die für die nettolöhne der arbeiter einzubehalten und abzuführen gewesen wäre. da diese gehälter aber gar nicht mehr ausgezahlt worden seien, scheide eine haftung von vorneherein aus. 55schließlich führt der kläger hilfsweise aus, dass die reduzierung der säumniszuschläge auf den hälftigen betrag rechtswidrig sei. die säumniszuschläge hätten aufgrund der überschuldung und zahlungsunfähigkeit der a-kg bzw. der a-gmbh ihren zweck als druckmittel verloren. dementsprechend seien sie in voller höhe aus gründen sachlicher unbilligkeit zu erlassen. dies gelte nicht nur für die hauptschuld, sondern aufgrund der akzessorietät auch für die haftungsschuld. darüber hinaus gelte für die säumniszuschläge der grundsatz der anteiligen tilgung. die allgemeine tilgungsquote bei der a-gmbh bzw. bei der a-kg liege jedoch keinesfalls bei 100%. 56der kläger beantragt, 57den haftungsbescheid vom 28.05.2010 in gestalt der einspruchsentscheidung vom 22.06.2012 aufzuheben, 58 hilfsweise die revision zuzulassen. 59der beklagte beantragt, 60 die klage abzuweisen, 61 hilfsweise die revision zuzulassen. 62der beklagte nimmt im rahmen seiner gegenäußerung bezug auf die einspruchsentscheidung. vertiefend und ergänzend weist er darauf hin, dass der kläger sich nicht lediglich darauf berufen könne, entsprechende mittel zur begleichung der streitbefangenen lohnsteuer bereit gehalten zu haben. vielmehr habe eine faktische entrichtungsverpflichtung bestanden. gerade der erfolglose zahlungsversuch vom 08.04.2009 zeige, dass der kläger für die besondere krisensituation eben keine hinreichenden vorkehrungen zur erfüllung der lohnsteuerschuld getroffen habe. die geschäftsführer hätten es beispielsweise versäumt, die für die lohnsteuerzahlung eingeplanten und auf das konto bei der p-bank transferierten gelder mit einer entsprechenden verfügungsbeschränkung zu versehen und von den anderen geldern zu trennen. 63der kläger könne sich auch nicht mit dem fehlverhalten seiner mitarbeiter entschuldigen. durch die unterlassene fortgesetzte kontrolle seiner mitarbeiter habe sich der kläger pflichtwidrig verhalten. dies gelte umso mehr, als es im streitfall entscheidend darauf angekommen sei, dass bis zum zeitpunkt der insolvenzantragsstellung gezahlt werde. dem kläger sei bewusst gewesen, dass er aufgrund des selbst gestellten insolvenzantrages nur bis spätestens zum 08.04.2009 die alleinige verfügungsmacht über die konten der a-gmbh inne gehabt habe. um die erfüllung der lohnsteuerschuld bis zu diesem zeitpunkt zu gewährleisten, hätte der zahlungsvorgang deshalb in besonderem maße überwacht und begleitet werden müssen. die geschäftsführer dagegen seien am morgen des 08.04.2009 mit der festen überzeugung zum insolvenzgericht gegangen, dass die lohnsteuer bereits am 07.04.2009 vom „sicheren“ p-bank-konto entrichtet worden sei. diese überzeugung hätten sie aber nur haben dürfen, wenn die einhaltung der erteilten weisung zur lohnsteuerzahlung zuvor kontrolliert worden wäre. die geschäftsführer hätten den insolvenzantrag also letztlich gestellt, ohne die tatsächliche zahlung der lohnsteuer zuvor geprüft zu haben. gerade darin sei die pflichtverletzung zu sehen. in diesem zusammenhang führt der beklagte nochmals explizit aus, dass grundsätzlich zwar keine pflicht zur leistung von steuerschulden vor dem gesetzlichen fälligkeitstermin bestehe. im streitfall hätten die geschäftsführer der a-gmbh den fälligkeitszeitpunkt jedoch selbst bewusst „vorverlegt“, indem sie den antrag auf eröffnung des insolvenzverfahrens gestellt hätten. durch den damit verbundenen verlust der alleinigen verfügungsmacht über das vermögen der gesellschaft sei es den geschäftsführern nunmehr nicht mehr möglich gewesen, ihren steuerlichen pflichten nachzukommen. über die pflichterfüllung in form der lohnsteuerzahlung hätten sie sich vorher gewissheit verschaffen müssen. im rahmen der höchstrichterlichen rechtsprechung sei insofern anerkannt, dass die gesetzlich ohnehin bestehende lohnsteuerentrichtungspflicht in zeiten wirtschaftlicher krisen nochmals mit einer besonderen (gesteigerten) sorgfaltspflicht einhergehe (verweis auf bfh, urteile v. 26.04.1984, v r 128/79, juris; v. 11.11.2008, vii r 19/08, juris). 64im zusammenhang mit dem verhalten der geschäftsführer rund um den p-bank-überweisungsauftrag weist der beklagte ferner auf einen weiteren aspekt hin: die anweisung der mitarbeiter, von dem p-bank-konto insgesamt die streitgegenständliche lohnsteuer, die löhne der arbeiter in yyy und xxx sowie jeweils 3xx.xxx,- eur an verbundene ausländische unternehmen zu zahlen, hätte insgesamt ein kapital von 5.8xx.xxx,- eur erforderlich gemacht. auf dem konto bei der p-bank hätten sich aufgrund der beiden transfers vom 06. und 07.04.2009 aber nur 4.650.000,- eur befunden. bereits in der untauglichen zahlungsanweisung sei eine pflichtverletzung der geschäftsführer zu sehen. die geschäftsführer wären in der außergewöhnlichen situation aber verpflichtet gewesen, durch konkrete maßnahmen sicherzustellen, dass jedenfalls die streitbefangene lohnsteuer noch vor der insolvenzantragsstellung aus den bei der p-bank deponierten mitteln beglichen werde. da sie die konkrete umsetzung des untauglichen auftrags anderen personen überließen, seien sie bewusst das risiko der nichterfüllung des auftrags eingegangen. die späteren bemühungen der geschäftsführer, auf den vorläufigen insolvenzverwalter einzuwirken und diesen zur zahlung der lohnsteuer aufzufordern, seien insofern nicht mehr erheblich. 65der erkennende senat hat am 03.03.2016 mündlich in der sache verhandelt. dabei ist beweis erhoben worden durch vernehmung des zeugen dr. z. hinsichtlich des ergebnisses der beweisaufnahme und des übrigen inhalts der mündlichen verhandlung wird auf die sitzungsniederschrift bezug genommen. 66hinsichtlich des weiteren sach- und streitstandes wird auf die gerichtsakte und die beigezogenen verwaltungsvorgänge verwiesen. 67 | 68die klage ist zulässig und begründet. 69der haftungsbescheid vom 28.05.2010 in gestalt der einspruchsentscheidung vom 22.06.2012 ist rechtswidrig und verletzt den kläger in dessen rechten. der haftungsbescheid war daher aufzuheben (§ 100 abs. 1 s. 1 fgo). 70der haftungsbescheid und die einspruchsentscheidung sind bereits deshalb rechtswidrig, weil der beklagte dem grunde nach zu unrecht von einer haftung des klägers auf der grundlage des § 69 s. 1 ao ausgegangen ist (dazu nachfolgend unter i.). 71darüber hinaus sind die ausführungen des beklagten im hinblick auf die inanspruchnahme weiterer potentieller haftungsschuldner unvollständig. die anforderungen an eine ordnungsgemäße ausübung des auswahlermessens i.s. des § 191 abs. 1 s. 1 ao werden insoweit nicht erfüllt. aufgrund dieses begründungsmangels ist der haftungsbescheid (formell) rechtswidrig und ebenfalls aufzuheben (dazu nachfolgend unter ii.). 72schließlich ist der haftungsbescheid noch in bezug auf die erhobenen säumniszuschläge rechtswidrig (dazu nachfolgend unter iii.) 73i. die materiellen voraussetzungen für eine haftungsinanspruchnahme des klägers gemäß § 69 s. 1 i.v. mit § 34 abs. 1 ao liegen schon dem grunde nach nicht vor. der kläger hat in seiner funktion als gesetzlicher vertreter der a-kg weder die pflicht zur einbehaltung und abführung der streitgegenständlichen lohnsteuer nebst annexabgaben schuldhaft verletzt (dazu näher unter 1.) noch gegen die verpflichtung zur sog. vermögens- und mittelvorsorge verstoßen (dazu näher unter 2.). ob der kläger über die reine vermögens- und mittelvorsorge hinaus verpflichtet war, geeignete maßnahmen zur abführung der lohnsteuer noch vor der insolvenzantragsstellung und damit vor dem gesetzlichen fälligkeitszeitpunkt zu ergreifen, braucht der erkennende senat nicht abschließend zu entscheiden. denn der kläger hat aus der sicht des gerichts entsprechende maßnahmen eingeleitet und sich auch insofern nicht pflichtwidrig verhalten (dazu näher unter 3.). dem kläger kann auch nicht der vorwurf einer unterlassenen oder pflichtwidrigen überwachung seiner mitarbeiter gemacht werden. im übrigen wäre eine überwachungspflichtverletzung auch nicht kausal für den eingetretenen haftungsschaden (dazu unter 4.). schließlich kann dem kläger auch ansonsten kein schuldhaftes pflichtwidriges verhalten angelastet werden, etwa in form eines unterlassenen einwirkens auf die d-bank (dazu unter 5.). 741. den kläger traf als gesetzlicher vertreter der a-kg zwar grundsätzlich die pflicht, die von der gesellschaft als arbeitgeberin im zusammenhang mit der auszahlung der gehälter für den monat märz 2009 geschuldete lohnsteuer aus den von ihm verwalteten mitteln spätestens bis zum gesetzlichen fälligkeitszeitpunkt zu entrichten. die in der nichtentrichtung liegende objektive pflichtwidrigkeit ist dem kläger aber in subjektiver hinsicht nicht vorzuwerfen. er hat in bezug auf die nichtabführung der lohnsteuer im streitfall weder vorsätzlich noch grob fahrlässig und damit insgesamt nicht schuldhaft gehandelt. 75a. gemäß § 191 abs. 1 s. 1 ao kann durch haftungsbescheid in anspruch genommen werden, wer kraft gesetzes für eine steuer haftet. gemäß § 69 s. 1 ao haften die in den §§ 34 und 35 ao bezeichneten personen, soweit ansprüche aus dem steuerschuldverhältnis in folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger verletzung der ihnen auferlegten pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. zu den potentiellen haftungsschuldner gehören u.a. die gesetzlichen vertreter natürlicher und juristischer personen sowie die geschäftsführer von nicht rechtsfähigen personenvereinigungen (§ 34 abs. 1 ao). die geschäfte einer kommanditgesellschaft werden grundsätzlich durch die komplementär-gmbh geführt. gesetzlicher vertreter einer gmbh ist deren geschäftsführer (§§ 6, 35 gmbhg). im falle einer mit der geschäftsführung betrauten komplementär-gmbh ist der geschäftsführer in dieser funktion auch dazu verpflichtet, die steuerlichen pflichten der kg zu erfüllen (vgl. bfh, urteile v. 26.07.1988, vii r 83/87, juris; v. 27.06.1989, viii r 73/84, juris; rüsken in klein, ao-kommentar12, münchen 2014, § 34 ao rz. 8). 76gemäß § 34 abs. 1 s. 1 ao haben die gesetzlichen vertreter natürlicher und juristischer personen und die geschäftsführer von nicht rechtsfähigen personenvereinigungen deren steuerliche pflichten zu erfüllen. gemäß § 34 abs. 1 s. 2 ao haben sie insbesondere dafür sorge zu tragen, dass die steuern aus den von ihnen verwalteten mitteln entrichtet werden. bezogen auf das lohnsteuerabzugsverfahren bedeutet dies, dass der geschäftsführer einer komplementär-gmbh diejenigen lohnsteuerrechtlichen pflichten zu erfüllen hat, die der von ihm vertretenen kg als arbeitgeberin obliegen, insbesondere die auf § 38 abs. 3 und § 41a abs. 1 estg beruhende pflicht, bei jeder lohn- und gehaltszahlung die darauf entfallende lohnsteuer für die arbeitnehmer und angestellten der gesellschaft einzubehalten und zum gesetzlichen fälligkeitszeitpunkt an das finanzamt abzuführen. 77die haftung gemäß § 69 s. 1 ao setzt neben einem (für den eingetretenen haftungsschaden ursächlichen) objektiv pflichtwidrigen verhalten der in den §§ 34 und 35 ao genannten personen in subjektiver hinsicht entweder vorsatz oder zumindest grobe fahrlässigkeit voraus. grob fahrlässig handelt, wer die sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen kenntnissen und fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich großem maße verletzt. dazu gehört, dass er unbeachtet lässt, was im gegebenen fall jedem hätte einleuchten müssen oder die einfachsten, ganz nahe liegenden überlegungen nicht anstellt. eine haftung kommt demnach nur bei „gravierenden sorgfaltspflichtverletzungen“ in betracht (vgl. bfh, urteil v. 23.09.2008, vii r 27/07, juris; beschluss v. 03.12.2004, vii b 178/04 juris; loose in tipke/kruse, ao/fgo, § 69 ao tz. 23 ff., 26 m.w.n.; rüsken in klein, ao-kommentar12, § 69 ao rz. 32). 78nach ständiger rechtsprechung des bfh stellt die nichtabführung einzubehaltender und abzuführender lohnsteuer zu den gesetzlichen fälligkeitszeitpunkten im regelfall eine zumindest grob fahrlässige verletzung der pflichten eines gmbh-geschäftsführers dar. die in der nichtabführung der lohnsteuer liegende objektive pflichtverletzung indiziert im allgemeinen den subjektiven schuldvorwurf (vgl. bfh, urteile v. 26.07.1988, vii r 83/87, juris; v. 29.05.1990, vii r 81/89, juris; v. 27.02.2007, vii r 67/05, juris; v. 23.09.2008, vii r 27/07, juris; v. 19.09.2007, vii r 39/05, juris; beschlüsse v. 21.12.1998, vii b 175/98, juris; v. 25.07.2003, vii b 240/02, juris; fg köln, urteil v. 25.02.2014, 10 k 2954/10, juris; s.a. loose in tipke/kruse, ao/fgo, § 69 ao tz. 40). 79zahlungsschwierigkeiten oder zahlungsunfähigkeit ändern nach dieser rechtsprechung weder etwas an der pflicht des gesetzlichen vertreters zur einbehaltung und abführung der lohnsteuer noch schließen sie sein verschulden bei nichterfüllung dieser steuerlichen pflichten aus. reichen die ihm zur verfügung stehenden mittel zur befriedigung der arbeitsrechtlich geschuldeten löhne und gehälter einschließlich des darin enthaltenen steueranteils nicht aus, so darf der gesetzliche vertreter die löhne und gehälter nur entsprechend gekürzt auszahlen und muss aus den dadurch übrig bleibenden mitteln die auf die gekürzten (netto-)löhne bzw. (netto-)gehälter entfallende lohnsteuer an den fiskus abführen (vgl. bfh, urteile v. 20.04.1982, vii r 96/79, juris; v. 26.07.1988, vii r 83/87, juris; v. 23.09.2008, vii r 27/07, juris; beschluss v. 21.12.1998, vii b 175/98, juris; rüsken in klein, ao-kommentar12, § 69 ao rz. 71 ff.). 80die bloße erwartung, lohnsteuerrückstände später durch kredite eines privaten kreditgebers, durch realisierung von außenständen, durch öffentliche fördermittel oder durch eine aufrechnung mit vermeintlichen steuerguthaben ausgleichen zu können, vermag den gesetzlichen vertreter nicht von seiner grundsätzlichen verpflichtung zur lohnsteuerentrichtung bzw. von dem erfordernis einer entsprechenden lohn- und gehaltskürzung zu befreien. die bloße wahrscheinlichkeit des eingangs weiterer geldmittel reicht insofern zum ausschluss eines verschuldens nicht aus. allenfalls eine plötzliche und unvorhersehbare verschlechterung der wirtschaftlichen situation der gesellschaft kann im einzelfall zu einer exkulpation des gesetzlichen vertreters führen (vgl. bfh, beschlüsse v. 01.02.2000, vii b 256/99, juris; v. 24.03.2004, vii b 317/03, juris; v. 06.07.2005, vii b 296/04, juris; s.a. fg köln, urteil v. 25.02.2014, 10 k 2954/10, juris; fg münchen, urteil v. 15.12.2008, 15 k 4118/07, juris). 81nach alledem ist der gesetzliche vertreter einer kg auch bzw. gerade während des bestehens einer wirtschaftlichen krise (bei liquiditätsschwierigkeiten) verpflichtet, die aus einer lohn- und gehaltsauszahlung resultierenden steuern und annexabgaben pünktlich an die staatskasse zu entrichten. die pflicht erschöpft sich dabei nicht in der bloßen hingabe eines schecks oder der erteilung einer einzugsermächtigung. vielmehr hat der gesetzliche vertreter darüber hinaus auch sicherzustellen, dass ein hingegebener scheck tatsächlich eingelöst bzw. die steuerschuld aufgrund einer einzugsermächtigung tatsächlich eingezogen werden kann; er hat mithin regelmäßig dafür sorge zu tragen, dass die steuerschuld i.s. des § 224 abs. 1 ao de facto getilgt wird (vgl. bfh, beschluss v. 19.03.1999, vii b 158/98, juris). 82diesen strengen haftungsmaßstab leitet der bfh zu recht aus den einkommensteuerlichen regelungen zur vornahme des lohnsteuerabzugs her. die pflicht zum einbehalt und zur abführung der lohnsteuer obliegt dem arbeitgeber, im streitfall also der a-kg. sowohl aus der sicht der a-kg als arbeitgeber als auch aus der sicht des geschäftsführenden klägers handelt es sich bei dem einbehaltenen anteil des bruttoarbeitslohns um eine fremde schuld, für deren treuhänderische verwaltung und spätere ordnungsgemäße abführung sorge zu tragen ist (vgl. bfh, urteile v. 26.07.1988, vii r 83/87, juris; v. 15.04.1987, vii r 160/83, juris; v. 12.07.1988, vii r 108-109/87, juris; beschlüsse v. 08.05.2001, vii b 252/00, juris; v. 06.07.2005, vii b 296/04, juris; s.a. rüsken in klein, ao-kommentar, § 69 ao rz. 71). 83der aufgezeigte strenge haftungsmaßstab bei der lohnsteuer schließt es jedoch nicht aus, dass besondere, vom gesetzlichen vertreter glaubhaft zu machende gründe die in der nichtentrichtung der lohnsteuer liegende objektive pflichtverletzung entschuldigen oder nur den vorwurf leichter fahrlässigkeit rechtfertigen können. dies folgt schon aus dem gesetzlichen charakter des § 69 s. 1 ao, der keinen erfüllungstatbestand, sondern lediglich einen haftungstatbestand darstellt. die haftung setzt in subjektiver hinsicht die schuldhafte verletzung einer steuergesetzlich definierten pflicht voraus, d.h. der gesetzliche vertreter i.s. des § 34 abs. 1 ao kann sich im einzelfall exkulpieren (vgl. bfh, urteile v. 17.11.1992, vii r 13/92, juris; v. 23.09.2008, vii r 27/07, juris; beschlüsse v. 21.12.1998, vii b 175/98, juris; v. 03.12.2004, vii b 178/04, juris; v. 06.07.2005, vii b 296/04, juris; s.a. fg köln, urteil v. 25.02.2014, 10 k 2954/10, juris). 84b. gemessen an diesen grundsätzen höchstrichterlicher rechtsprechung hat der kläger nach ansicht des erkennenden senats mit der nichtabführung der lohnsteuer zum gesetzlichen fälligkeitszeitpunkt zwar objektiv eine pflichtverletzung begangen, allerdings subjektiv nicht schuldhaft gehandelt. 85der kläger war in seiner funktion als geschäftsführer der a-verwaltungs-gmbh in xxx (komplementärin der kg) im grundsatz dazu verpflichtet, die steuerlichen angelegenheiten der kg zu besorgen und die steuern für die gesellschaft aus den von ihm verwalteten mitteln zu entrichten. der zwischen der a-kg und der a-gmbh in yyy geschlossene betriebspachtvertrag vom 24.09.1998 hat im ergebnis keinen negativen einfluss auf diese grundsätzliche pflichtenstellung des klägers. denn gleichzeitig mit der verpachtung des betriebes der a-kg an die a-gmbh ist mit betriebsführungsvertrag vom selben tage die betriebsführung an die a-kg zurück übertragen worden (folglich übte die a-kg gegenüber den in ihrem betrieb beschäftigten arbeitnehmern die arbeitgeberfunktion aus). die zur betriebsführung notwendigen aufwendungen waren der a-kg von der a-gmbh (an deren geschäftsführung der kläger ebenfalls beteiligt war) zu erstatten. demnach hätte der kläger als (mit-)verantwortlicher geschäftsführer der a-kg nötigenfalls auf die a-gmbh tatsächlich und rechtlich einwirken müssen, um seiner verpflichtung zur erledigung der steuerlichen angelegenheiten der a-kg ordnungsgemäß nachzukommen. 86der kläger war insbesondere dazu verpflichtet, die auf die auszahlung der gehälter für den monat märz 2009 durch die a-kg als arbeitgeberin entfallende lohnsteuer nebst annexabgaben bis zum 14.04.2009 als gesetzlichem fälligkeitszeitpunkt an das finanzamt abzuführen (der eigentliche gesetzliche fälligkeitstermin am 10.04.2009 fiel auf den karfreitag, die frist des § 41a abs. 1 s. 1 estg endete daher erst am dienstag, den 14.04.2009, als dem nächstfolgendem werktag, vgl. § 108 abs. 3 ao). 87dieser verpflichtung ist der kläger objektiv weder fristgerecht noch überhaupt nachgekommen. die streitgegenständliche lohnsteuer ist weiterhin offen. die nichtabführung der lohnsteuer durch den kläger erfolgte jedoch nicht schuldhaft. sie beruht vielmehr auf zwei äußeren umständen tatsächlicher bzw. rechtlicher natur, auf die der kläger keinen einfluss hatte bzw. die ihm unter dem aspekt des verschuldens nicht zugerechnet werden können. dies sind zum einen die nichtausführung des vom kläger und dessen mitgeschäftsführer vor insolvenzantragsstellung veranlassten auftrags zur (fristgerechten) überweisung der lohnsteuer durch die d-bank am 08.04.2009 (dazu weiter unter aa.) sowie zum anderen der umstand, dass der am selben tage eingesetzte vorläufige insolvenzverwalter mit zustimmungsvorbehalt, aufgrund dessen bestellung der kläger seine befugnis, über das vermögen der a-kg und der a-gmbh uneingeschränkt zu verfügen, verloren hatte, einer abführung der lohnsteuer in der folgezeit widersprochen hat (dazu weiter unter bb.). 88aa. seiner pflicht zur abführung der streitgegenständlichen lohnsteuer wollte der kläger dadurch nachkommen, dass er den mitarbeitern des bereichs finanzen, rechnungswesen und steuern der a-gmbh die anweisung erteilte, die lohnsteuer aus vorhandenen mitteln der a-gmbh noch vor der stellung des insolvenzantrags an das finanzamt zu überweisen. der genaue inhalt der anweisung (überweisung vom p-bank-konto, überweisung vom konto bei der d-bank oder überweisung ohne nähere bestimmung) ist für die (vor-)frage, ob der kläger in subjektiver hinsicht überhaupt die bereitschaft hatte, die arbeitgeberrechtlichen pflichten der a-kg im lohnsteuerabzugsverfahren zu erfüllen, nicht entscheidend (zur frage der geeignetheit der klägerischen anweisung vgl. gliederungspunkt i.3.). die mitarbeiter der a-gmbh haben der klägerischen anweisung dem grunde nach folge geleistet und der d-bank am morgen des 08.04.2009 um 8.14 uhr (mithin noch vor der stellung des insolvenzantrags) einen konkreten überweisungsauftrag zur zahlung der lohnsteuer erteilt. hätte die d-bank diesen auftrag weisungsgemäß ausgeführt, wäre es zu einer rechtzeitigen tilgung der lohnsteuerschulden gekommen. der kläger durfte auch davon ausgehen, dass eine solche tilgung eintreten wird, denn die a-gmbh verfügte im anweisungszeitpunkt über die entsprechenden mittel zur lohnsteuerzahlung und konnte – jedenfalls bis zur insolvenzantragsstellung – in rechtlicher hinsicht auch noch uneingeschränkt über diese mittel verfügen (die guthaben auf den konten bei der p-bank und bei der d-bank beliefen sich am abend des 07.04.2009 addiert auf ca. 7.xxx.xxx,- eur). dass es letztlich nicht zu der beabsichtigten entrichtung der lohnsteuer kam, hat seinen grund in der entscheidung der d-bank, den durch die a-gmbh erteilten überweisungsauftrag nicht (mehr) auszuführen. die anweisung des klägers zur zahlung der lohnsteuer ist damit zunächst durch äußere umstände, hier das tatsächliche verhalten eines dritten (der d-bank), vereitelt worden. für das handeln dritter personen (hilfspersonen) muss der gesetzliche vertreter i.s. des § 34 abs. 1 ao aber nicht ohne weiteres einstehen. es ist ihm unter dem aspekt des verschuldens nicht zuzurechnen. auf den rechtsgedanke des § 278 bgb kann im anwendungsbereich des § 69 s. 1 ao nicht zurückgegriffen werden (zutreffend loose in tipke/kruse, ao/fgo, § 69 ao tz. 27). 89von der nichtausführung des überweisungsauftrags durch die d-bank verbunden mit der gleichzeitigen „einziehung des guthabens“ durch die bankinterne abteilung „risk management“ hat der kläger nach seinem glaubhaftem und seitens des beklagten nicht bestrittenen vortrag erst nach der stellung des insolvenzantrages erfahren (bei der rückkehr vom insolvenzgericht in das unternehmen im laufe des 08.04.2009). zu diesem zeitpunkt hatte das insolvenzgericht allerdings bereits die vorläufige verwaltung des vermögens der a-kg und der a-gmbh angeordnet und bestimmt, dass verfügungen beider gesellschaften nur noch mit zustimmung des mit sofortiger wirkung bestellten vorläufigen insolvenzverwalters wirksam sind. 90bb. ab dem zeitpunkt der bestellung des vorläufigen insolvenzverwalters war der kläger sodann durch eine rechtliche barriere an der entrichtung der streitgegenständlichen lohnsteuer gehindert. zwar hat das insolvenzgericht bezogen auf die a-kg und die a-gmbh kein allgemeines verfügungsverbot ausgesprochen, wodurch die alleinige verwaltungs- und verfügungsbefugnis auf den insolvenzverwalter übergegangen wäre (fall des sog. „starken insolvenzverwalters“). das insolvenzgericht hat aber einen vorläufigen insolvenzverwalter bestellt (sog. „schwacher insolvenzverwalter“). diesen vorläufigen insolvenzverwalter hat es im wege der einzelanordnung mit einem sog. zustimmungsvorbehalt ausgestattet (§ 21 abs. 2 nr. 2 inso). gleichzeitig hat es weitere maßnahmen ergriffen und den vorläufigen insolvenzverwalter etwa zur einziehung von forderungen, zur sicherung und erhaltung des vermögens sowie zur fortführung des unternehmens (gemeinsam mit den antragstellern) ermächtigt (§ 22 abs. 2 inso). die wirksamkeit von verfügungen der insolvenzschuldnerinnen (a-kg und a-gmbh) war von diesem zeitpunkt an von der zustimmung eben dieses vorläufigen insolvenzverwalters abhängig. durch die diversen einzelanordnungen des insolvenzgerichts ist die verwaltungs- und verfügungsmacht des klägers in seiner funktion als geschäftsführer bezogen sowohl auf die a-kg als auch auf die a-gmbh erheblich eingeschränkt worden. praktisch wurde die verwaltungs- und verfügungsmacht im hinblick auf den geschäftsbetrieb und das vermögen der beiden gesellschaften auf den insolvenzverwalter übertragen, denn dem insolvenzverwalter war eine stellung eingeräumt, die ihn in die lage versetzte, die zugriffsmöglichkeiten der geschäftsführer auf noch vorhandene mittel der gesellschaften wesentlich einzuschränken (form des sog. „halbstarken insolvenzverwalters“). folgerichtig wird ein entsprechender zustimmungsvorbehalt des vorläufigen insolvenzverwalters dem allgemeinen verfügungsverbot in der zivilrechtlichen praxis weitgehend gleichgestellt (vgl. uhlenbrock, insolvenzordnung14, münchen 2015, § 21 inso rz. 24). 91der vorläufige insolvenzverwalter mit zustimmungsvorbehalt ist vor allem berechtigt, die genehmigung von überweisungsaufträgen und von belastungsbuchungen im einzugsermächtigungsverfahren zu verhindern (vgl. bgh, urteil v. 04.11.2004, ix zr 22/03, juris; v. 05.02.2009, ix zr 78/07, juris). von dieser befugnis hat der vorläufige insolvenzverwalter auch im streitfall gebrauch gemacht. der mehrfachen aufforderung des klägers und seines mitgeschäftsführers zur entrichtung der streitgegenständlichen lohnsteuer ist er nicht nachgekommen. die bemühungen der beiden geschäftsführer, den vorläufigen insolvenzverwalter zur zahlung der offenen lohnsteuer anzuhalten, sind im ergebnis erfolglos geblieben. nach auffassung des senats kann dem kläger in dieser situation nicht der vorwurf gemacht werden, er habe die abführung der lohnsteuer grob fahrlässig unterlassen. denn auch wenn der antrag auf eröffnung des insolvenzverfahrens bzw. die bestellung eines vorläufigen insolvenzverwalters die verwaltungs- und verfügungsmacht des gesetzlichen vertreters einer kg bzw. einer gmbh nicht vollständig einschränken, wären entsprechende überweisungsaufträge des klägers und seines mitgeschäftsführers zum zwecke der entrichtung der offenen lohnsteuer nach dem ergehen der beschlüsse des insolvenzgerichts in anbetracht des zustimmungsvorbehalts zunächst schwebend und ab dem zeitpunkt der endgültigen verweigerung der zustimmung durch den vorläufigen insolvenzverwalter dann absolut unwirksam gewesen. angesichts dieser rechtlichen wirkungen ist in der finanzgerichtlichen rechtsprechung anerkannt, dass die haftung des geschäftsführer einer gmbh für rückständige lohnsteuern i.s. des § 69 s. 1 ao nicht nur in fällen eines allgemeinen verfügungsverbotes ausgeschlossen ist (vgl. dazu bfh, urteil v. 17.11.1992, vii r 13/92, juris), sondern jedenfalls auch dann nicht in betracht kommt, wenn die verfügungen der von ihm vertretenen gesellschaft unter dem vorbehalt der zustimmung eines vorläufigen insolvenzverwalters stehen und letzterer einer entsprechenden anweisung zur zahlung der lohnsteuer durch den geschäftsführer nicht zustimmt (vgl. bfh, urteil v. 05.06.2007, vii r 19/06, juris; beschluss v. 03.12.2004, vii b 178/04, juris; fg schleswig holstein, beschluss v. 25.05.2004, 5 v 85/04, juris; s.a. loose in tipke/kruse, ao/fgo, § 69 ao tz. 12 und 43a). 92aus der sicht des senats kann dem kläger auch nicht der vorwurf gemacht werden, den vorläufigen insolvenzverwalter schriftlich erst am 24.05.2009 und damit nach dem gesetzlichen fälligkeitszeitpunkt zur tilgung der streitgegenständlichen lohnsteuer aufgefordert zu haben. denn zum einen haben der kläger und sein mitgeschäftsführer den vorläufigen insolvenzverwalter zuvor bereits mündlich erfolglos um überweisung der lohnsteuer gebeten (davon geht auch das beklagte finanzamt aus, vgl. aktenvermerk v. 24.05.2011 und vom 07.06.2011, bl. 120 ff. und 129 ff. der rechtsbehelfsakte). zum anderen hat der vorläufige insolvenzverwalter das schriftliche ersuchen der geschäftsführer mit schreiben vom 12.05.2009 mit nachdruck abgelehnt (und zwar mit dem argument, dass der lohnsteueranmeldungszeitraum märz 2009 vor der insolvenzantragsstellung liege und er sich im falle der zustimmung der gläubigerbegünstigung strafbar machen würde). in anbetracht dessen muss mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass auch eine vor dem fälligkeitszeitpunkt erteilte schriftliche aufforderung der geschäftsführer zur lohnsteuerzahlung durch den insolvenzverwalter negativ beschieden worden wäre. ein entsprechendes pflichtwidriges verhalten des klägers wäre insofern jedenfalls nicht kausal für den eintritt des haftungsschadens. 93dem kläger kann auch nicht vorgeworfen werden, nicht weiter auf den vorläufigen insolvenzverwalter eingewirkt bzw. keine rechtlichen schritte ihm gegenüber ergriffen zu haben. der gesetzliche vertreter, der eine durch den vorläufigen insolvenzverwalter ausgesprochene zustimmungsverweigerung (zunächst) akzeptiert, verletzt nach der rechtsprechung des bfh seine pflichten im regelfall gerade nicht grob fahrlässig (vgl. bfh, urteil v. 03.12.2004, vii b 178/04, juris; beschluss v. 19.10.2010, vii b 190/09, juris; s.a. fg münster, urteil v. 02.07.2009, 10 k 1549/08, juris). etwas anderes kann nur gelten, wenn das verhalten des vorläufigen insolvenzverwalters offensichtlich geltendem recht widerspricht. dafür bietet der streitfall jedoch keine anhaltspunkte. 94ein anderes ergebnis folgt schließlich auch nicht aus den entscheidungen des bfh vom 23.09.2008 (vii r 27/07, juris) und des finanzgerichts köln vom 25.02.2014 (10 k 2954/10, juris). zwar wird in den leitsätzen beider entscheidungen ausdrücklich betont, dass alleine der antrag auf eröffnung des insolvenzverfahrens und die bestellung eines vorläufigen insolvenzverwalters mit zustimmungsvorbehalt den geschäftsführer einer gmbh nicht von der lohnsteuerhaftung befreien. bei genauer betrachtung sind die entschiedenen sachverhalte aber mit dem streitfall nicht vergleichbar. dem urteil des bfh vom 23.09.2008 lag zugrunde, dass der antrag auf eröffnung des insolvenzverfahrens erst am tag der fälligkeit der lohnsteuer gestellt und der vorläufige insolvenzverwalter erst nach dem gesetzlichen fälligkeitszeitpunkt (einen monat später) bestellt worden ist. folgerichtig musste der geschäftsführer im urteilsfall haften, da ihm die verfügungsmacht über die mittel der gesellschaft bis zum fälligkeitstermin gerade nicht entzogen war. in der entscheidung des finanzgerichts köln vom 25.02.2014 war der vorläufige insolvenzverwalter bereits zum zeitpunkt der lohnzahlung bestellt worden, so dass dem geschäftsführer jedenfalls der vorwurf zu machen war, er habe unter diesen umständen gar keine löhne mehr auszahlen dürfen. 95c. das beklagte finanzamt scheint dagegen sowohl im verwaltungsverfahren als auch im rahmen des finanzgerichtlichen verfahrens von einer „faktischen entrichtungspflicht“ des klägers in bezug auf die rückständige lohnsteuer der a-kg für märz 2009 auszugehen. dies wird aus der argumentativen verwendung von begriffen wie „grundpflicht“, „garantenstellung“, „garantenpflicht“ und „garantiepflicht“ sowie aus dem umstand deutlich, dass dem kläger vorgehalten worden ist, er habe gerade keinen „wirksamen zahlungsauftrag“ erteilt und „alleine die vorsorge für eine kontodeckung am fälligkeitstag reiche nicht aus, wenn die erfüllung der pflicht nicht zur tilgung der steuerschuld führe“. aus der sicht des senats verkennt das finanzamt insofern den rechtlichen charakter des haftungstatbestandes. die haftung gemäß § 69 s. 1 ao knüpft nicht an den objektiv fehlenden erfolgseintritt (die nichtentrichtung einer steuer), sondern an eine subjektiv vorwerfbare pflichtverletzung an. der haftungstatbestand ist seinem wesen nach gerade nicht als „garantiehaftung“, sondern verschuldensabhängig ausgestaltet. nichts anderes folgt aus der seitens des beklagten mehrfach in bezug genommenen entscheidung des bfh vom 19.03.1999 (vii b 158/98, juris). der dieser entscheidung zugrunde liegende sachverhalt weicht schon insofern ganz entscheidend vom streitfall ab, als die fälligkeit der rückständigen lohnsteuer im urteilsfall bereits vor dem zeitpunkt des antrags auf eröffnung des konkursverfahrens lag. der geschäftsführer musste im urteilsfall haften, weil er schon seiner verpflichtung zur pünktlichen entrichtung der lohnsteuer nicht nachgekommen war. dass darüber hinaus der hingegebene scheck später „platzte“, mithin endgültig nicht zu einer befriedigung des finanzamts geführt hat, kam ergänzend hinzu. im vorliegenden fall dagegen war die rückständige lohnsteuer erst zum 14.04.2009 fällig. der verlust der alleinigen verwaltungs- und verfügungsmacht des klägers durch die bestellung des vorläufigen insolvenzverwalters mit zustimmungsvorbehalt ist bereits zu einem früheren zeitpunkt eingetreten. daher kann dem kläger in bezug auf die nichtentrichtung der lohnsteuer zum fälligkeitszeitpunkt kein verschulden zur last gelegt werden. 962. der kläger ist seiner allgemein anerkannten verpflichtung zur vermögens- und mittelvorsorge in ausreichendem umfang nachgekommen. ein haftungsbegründendes verhalten ist aus der sicht des senats insoweit nicht erkennbar. 97a. die gesetzlichen vertreter natürlicher und juristischer personen und die geschäftsführer von nicht rechtsfähigen personenvereinigungen haben gemäß § 34 abs. 1 s. 2 ao für die fristgerechte entrichtung von steuern aus von ihnen verwalteten mitteln sorge zu tragen. sie trifft insofern zwar keine „echte garantie“ zur erfüllung des staatlichen steueranspruchs, aber eine sog. vermögens- und mittelvorsorgepflicht. nach ständiger rechtsprechung kann von den gesetzlichen vertretern bereits vor fälligkeit einer steuer verlangt werden, vorausschauend zu planen und - insbesondere in zeiten der krise – die notwendigen finanziellen mittel zur entrichtung der geschuldeten steuern bereitzuhalten (vgl. bfh, urteile v. 26.04.1984, v r 128/79, juris; v. 26.07.1988, vii r 83/87, juris; v. 09.01.1997, vii r 51/96, juris; v. 28.06.2005, i r 2/04, juris; v. 19.09.2007, vii r 39/05, juris; v. 20.05.2014, vii r 12/12, juris; beschluss v. 11.11.2015, vii b 74/15, juris; fg berlin, beschluss v. 12.09.2003, 9 b 9470/02, juris; fg münster, urteil v. 03.05.2000, 5 k 2907/99, juris; fg köln, urteil v. 17.06.2009, 11 k 3017/05, juris; fg saarland, urteil v. 14.12.2011, 2 k 1564/09, juris; fg münchen, urteile v. 22.05.2012, 2 k 3459/09, juris; v. 22.02.2010, 14 k 3114/08, juris; fg hamburg, urteil v. 16.07.2014, 3 k 240/13, juris; sächsisches fg, urteil v. 24.09.2014, 8 k 1883/12, juris; aus dem schrifttum: loose in tipke/kruse, ao/fgo, § 69 ao tz. 34 ff., 37 und 40; jatzke in beermann/gosch, ao/fgo, § 69 ao tz. 27 f.). 98die pflicht zur vermögens- und mittelvorsorge hat im lohnsteuerrecht eine besondere ausprägung gefunden. die gesetzlichen vertreter haben grundsätzlich (mit ausnahmen besonderer, nicht vorhersehbarer bzw. nicht verschuldeter ereignisse) dafür sorge zu tragen, dass die auf ausgezahlte löhne und gehälter entfallende lohnsteuer nebst annexabgaben aus treuhänderisch verwalteten mitteln der von ihnen vertretenen arbeitgeber spätestens im fälligkeitszeitpunkt entrichtet werden. die gesetzliche konstruktion des lohnsteuerabzugsverfahrens, die darin besteht, die lohnsteuer bereits mit der auszahlung der löhne und gehälter einzubehalten und erst später - zum gesetzlichen fälligkeitstermin - an das finanzamt abzuführen ist (zeitliches auseinanderfallen zwischen einbehaltung und abführung), sowie der besondere umstand, dass es sich bei dem vom arbeitslohn einbehaltene steueranteil um fremdes kapital der arbeitnehmer handelt, lassen die anforderungen an die vermögens- und mittelvorsorge steigen. daher bemisst sich die haftungsquote bei der lohnsteuer nicht nach dem möglichen umfang einer anteiligen befriedigung aller gläubiger (grundsatz der anteiligen tilgung), sondern nach der auf die tatsächlich ausgezahlten (netto-)löhne und (netto-)gehälter entfallenden lohnsteuer (vgl. bfh, urteil v. 26.07.1988, vii r 83/87, juris; rüsken in klein, ao-kommentar12, § 69 ao rz. 55 ff., 71). 99von den gesetzlichen vertretern der arbeitgeber kann daher im einzelfall eine realistische prognoseentscheidung sowie eine darauf basierende treuhänderische vermögensverwaltung dahingehend erwartet werden, ob und dass ihnen ausreichende mittel für die abführung der mit den ausgezahlten löhnen und gehältern korrespondierenden lohnsteuer und annexabgaben im fälligkeitszeitpunkt zur verfügung stehen werden. fällt diese prognose negativ aus, dürfen die löhne und gehälter nur anteilig ausgezahlt werden. dabei wird man gerade in zeiten der wirtschaftlichen krise (liquiditätsschwierigkeiten, zahlungsengpässe, drohende zahlungsunfähigkeit, bevorstehende insolvenz etc.) erhöhte anforderungen an die begründetheit einer solchen finanzplanung (prognose und mittelvorsorge) stellen müssen. 100b. im streitfall sind aus der sicht des senats keine anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der kläger und sein mitgeschäftsführer gegen die skizzierte verpflichtung zur vermögens- und mittelvorsorge verstoßen haben. die a-gmbh, die der a-kg auf der grundlage des betriebsführungsvertrages vom 24.09.1998 zum ausgleich ihrer aufwendungen verpflichtet war, verfügte ausweislich der gerichts- und verwaltungsakten sowohl im zeitpunkt der auszahlung der gehälter für märz 2009 an die angestellten der a-kg (26.03.2009) als auch im folgezeitraum bis zur stellung des insolvenzantrags (08.04.2009) und sogar im gesetzlichen fälligkeitszeitpunkt (14.04.2009) noch über die erforderlichen mittel, um die gegenüber dem finanzamt angemeldete lohnsteuer nebst annexabgaben i.h. von 1.xxx.xxx,- eur zu entrichten (verweis auf die kontoauszüge der d-bank, bl. 87 ff. der haftungsakte). am tage der insolvenzantragsstellung belief sich der habensaldo auf dem konto bei der d-bank auf über 7.9xx.xxx,- eur. gleiches gilt für den habensaldo am tage der fälligkeit der lohnsteuer. nicht erforderlich ist nach auffassung des senats dagegen, dass entsprechende mittel für die lohnsteuerzahlung zu jeder zeit zwischen der auszahlung der gehälter am 26.03.2009 und dem fälligkeitszeitpunkt am 14.04.2009 hätten vorhanden sein müssen. insofern ist es unschädlich, dass die habensalden auf dem konto bei der d-bank an einzelnen tagen dieses zeitraums die lohnsteuerschuld nicht abgedeckt hätten. entscheidend ist lediglich, dass im zeitpunkt der zahlungsanweisung durch die geschäftsführung (erfolgloser zahlungsversuch) und im fälligkeitszeitpunkt ausreichende mittel zur tilgung der lohnsteuerschuld vorhanden waren. denn daraus lässt sich ableiten, dass die von dem kläger und seinem mitgeschäftsführer in bezug auf die auszahlung der gehälter märz 2009 sowie die abführung der korrespondierenden lohnsteuer ursprünglich (im auszahlungszeitpunkt) angestellte prognoseentscheidung realistisch war und dass die finanzplanung (mittelvorsorge, geplante entrichtung der lohnsteuer bis zum fälligkeitszeitpunkt) abgesehen von in tatsächlicher hinsicht unvorhersehbaren ereignissen (nichtausführung des überweisungsauftrags durch die d-bank vor insolvenzantragsstellung) sowie bei in rechtlicher hinsicht fortbestehender uneingeschränkter verwaltungs- und verfügungsmacht (ohne die bestellung eines vorläufigen insolvenzverwalters mit zustimmungsvorbehalt und dessen ausdrücklicher weigerung zur zahlung der lohnsteuer) im positiven sinne aufgegangen wäre. in anbetracht dessen kann dem kläger und seinem mitgeschäftsführer auch nicht der vorwurf gemacht werden, die gehälter der angestellten der a-kg für märz 2009 ungekürzt ausgezahlt zu haben. vielmehr deckten die im unternehmensverbund vorhandenen mittel auch in der folgezeit (bis zum fälligkeitszeitpunkt) die auf die volle gehaltsauszahlung entfallende lohnsteuer nebst annexabgaben ab. 1013. ob der kläger bereits vor der stellung des antrags auf eröffnung des insolvenzverfahrens - also noch unter der ägide seiner unbeschränkten verwaltungs- und verfügungsbefugnis - verpflichtet war, nicht nur adäquate vermögens- und mittelvorsorge zu betreiben, sondern darüber hinaus auch geeignete maßnahmen zu ergreifen, um die eigentlich erst später fällig werdende lohnsteuer an das finanzamt abzuführen, braucht der senat im ergebnis nicht zu entscheiden. denn der kläger hat solche maßnahmen im rahmen des rechtlich zumutbaren tatsächlich ergriffen. dass die entsprechenden bemühungen letztlich nicht zum erfolg (entrichtung der lohnsteuer) geführt haben, kann dem kläger nicht als schuldhaftes handeln vorgehalten werden. 102a. die pflicht der gesetzlichen vertreter natürlicher und juristischer personen und der geschäftsführer von nicht rechtsfähigen personenvereinigungen zur entrichtung von steuern aus von ihnen zu verwaltenden mitteln wird in temporärer hinsicht regelmäßig durch die gesetzlichen fälligkeitszeitpunkte konkretisiert. im grundsatz besteht keine verpflichtung zu einer steuerentrichtung vor fälligkeit. die fälligkeit von ansprüchen aus dem steuerschuldverhältnis richtet sich nach den vorschriften der einzelsteuergesetze (§ 220 abs. 1 ao). für die lohnsteuer ist insofern in § 41a abs. 1 estg normiert, dass der arbeitgeber sie spätestens am zehnten tag nach ablauf des voranmeldungszeitraums an das finanzamt abzuführen hat. bezogen auf den streitfall bedeutet dies, dass die lohnsteuer für märz 2009 erst am 14.04.2009 fällig war. 103da die gesetzlichen vertreter der a-kg nach der stellung des antrags auf insolvenzeröffnung und im anschluss an die vom insolvenzgericht ergriffenen maßnahmen bereits ab dem 08.04.2009 in ihrer verwaltungs- und verfügungsmacht erheblich beschränkt waren und der vorläufige insolvenzverwalter seine zustimmung zur zahlung der lohnsteuer in der folgezeit auch ausdrücklich verweigerte, kann die nichtentrichtung der lohnsteuer dem kläger jedenfalls ab diesem zeitpunkt nicht (mehr) als schuldhaftes verhalten zugerechnet werden. eine weitergehende pflichtverletzung des klägers und damit eine haftungsinanspruchnahme i.s. des § 69 s. 1 ao kämen dann nur noch in betracht, wenn man den pflichtenkreis der gesetzlichen vertreter im streitfall dahingehend definieren (erweitern) würde, dass sie bereits vor der insolvenzantragsstellung und damit auch vor dem genannten fälligkeitstermin geeignete maßnahmen zur tilgung der lohnsteuer hätten ergreifen müssen, was de facto allerdings einer vorverlagerung des gesetzlichen fälligkeitszeitpunkts gleichkäme. 104das beklagte finanzamt geht im streitfall von einer entsprechenden verpflichtung des klägers zur ergreifung geeigneter maßnahmen zur tilgung der streitgegenständlichen lohnsteuer bereits vor insolvenzantragsstellung und damit vor dem eigentlichen fälligkeitstermin aus. es führt insofern aus, der kläger und sein mitgeschäftsführer seien mit der gehaltsauszahlung eine abschließende verpflichtung eingegangen, die korrespondierende lohnsteuer spätestens bis zum fälligkeitszeitpunkt an das finanzamt abzuführen. aufgrund des umstandes, dass die geschäftsführer der a-kg und der a-gmbh die eröffnung des insolvenzverfahrens selber beantragt hätten, sei die beschränkung der verwaltungs- und verfügungsmacht aus ihrer sicht nicht etwa überraschend gekommen, sondern absehbar gewesen. aufgrund dieser besonderheit sei es im streitfall gerechtfertigt, den geschäftsführern über die bloße vermögens- und mittelvorsorge hinaus weitergehende pflichten aufzuerlegen, d.h. die einleitung von adäquaten maßnahmen mit blick auf eine wirksame tilgung der lohnsteuer spätestens zum fälligkeitszeitpunkt einzufordern. 105der kläger tritt diesem standpunkt des finanzamts entschieden entgegen und sieht darin eine unzulässige erweiterung seines pflichtenkreises als gesetzlicher vertreter der a-kg. er bezeichnet maßnahmen, die über eine bloße vermögens- und mittelvorsorge hinausgehen, als „überobligatorisch“. die ansicht des beklagten finanzamts führe zu einer unzulässigen vorverlagerung der gesetzlichen fälligkeitszeitpunkte. ferner laufe sie auf eine art „garantiehaftung“ hinaus, die mit dem charakter des § 69 s. 1 ao und auch mit dem grundsatz der gesetzmäßigkeit der besteuerung (§ 85 ao) im ergebnis nicht vereinbar sei. 106gemäß § 34 abs. 1 ao haben die gesetzlichen vertreter natürlicher und juristischer personen sowie die geschäftsführer nichtrechtsfähiger personenvereinigungen ganz allgemein die steuerlichen pflichten der vertretenen zu erfüllen und insbesondere dafür sorge zu tragen, dass steuern aus von ihnen verwalteten mitteln entrichtet werden. die frage, welche konkreten maßnahmen von einem gesetzlichen vertreter zur ordnungsgemäßen erfüllung der steuerlichen pflichten des vertretenen einzufordern sind, beantwortet sich jeweils nach den umständen des einzelfalles (vgl. bfh, urteile v. 20.05.2014, vii r 12/12, juris; v. 11.03.2004, vii r 19/02, juris; beschluss v. 25.04.2013, vii b 245/12, juris; rüsken in klein, ao-kommentar12, § 69 ao rz. 46). 107in der rechtsprechung ist jedenfalls dem grunde nach anerkannt, dass die pflicht der gesetzlichen vertreter, steuern aus den von ihnen verwalteten mitteln zu entrichten, in temporärer hinsicht nicht erst bei fälligkeit besteht, sondern darüber hinaus auch ein bestimmtes (pflichtgemäßes) verhalten schon für vorgelagerte zeiträume erforderlich machen kann (vgl. bfh, urteile v. 26.04.1984, v r 128/79, juris; v. 09.01.1997, vii r 51/96, juris). gerade der in der rechtsprechung herausgebildete grundsatz der vermögens- und mittelvorsorge basiert auf dem gedanken, dass die spätere tilgung der steuern im fälligkeitszeitpunkt bereits im vorfeld mit gewissen anforderungen (vorkehrungen) einhergeht, mithin der pflichtenkreis der gesetzlicher vertreter auch zeiträume vor fälligkeit erfasst (verweis auf die unter i.2.a. zitierte rechtsprechung). in besonderen konstellationen kann ein bestimmtes pflichtgemäßes verhalten der gesetzlichen vertreter sogar noch früher, nämlich schon vor der entstehung des steueranspruchs an sich geboten sein (vgl. bfh, urteile v. 09.01.1997, vii r 51/96, juris; v. 11.03.2004, vii r 19/02, juris; v. 20.05.2014, vii r 12/12, juris; beschluss v. 25.04.2013, vii b 245/12, juris; rüsken in klein, ao-kommentar12, § 69 ao rz. 46 ff. mit beispielen). 108was die inhaltliche ausgestaltung des pflichtenkreises angeht, so wird in singulären entscheidungen zudem angedeutet, dass sich die pflichten der gesetzlichen vertreter vor fälligkeit nicht nur auf die vermögens- und mittelvorsorge beschränken, sondern auch darüber hinaus gehen können (vgl. etwa bfh, beschluss v. 18.02.2008, vii b 97/07, juris: vergewisserung, ob die bank einen an das finanzamt gerichteten überweisungsauftrag auch tatsächlich durchführen wird; bfh, urteil v. 19.09.2007, vii r 39/05, juris: geschäftsführer einer in zahlungsschwierigkeiten geratenen gmbh hat lohnsteuer zum zwecke der fristgerechten befriedigung des finanzamts bereitzuhalten und abzusondern). 109mit der frage, welche über die bloße vermögens- und mittelvorsorgepflicht hinausgehenden maßnahmen von einem gesetzlichen vertreter erwartet werden können, wenn die stellung eines insolvenzantrags unmittelbar bevorsteht und mit einer beschränkung der verwaltungs- und verfügungsmacht in absehbarer zeit zu rechnen ist, hatte sich der bfh in seinem urteil vom 05.06.2007 (vii r 19/06, juris) zu befassen. dort führte das gericht aus, der gmbh-geschäftsführer sei nicht verpflichtet, für eine abführung von lohnsteuer noch vor dem antrag auf eröffnung des insolvenzverfahrens zu sorgen und es hieße, seine pflichten zu überspannen, wollte man von ihm verlangen, den zu erwartenden maßnahmen des insolvenzgerichts vorausschauend entgegenzuwirken. diese entscheidung deutet darauf hin, den pflichtenkreis der gesetzlichen vertreter in entsprechenden konstellationen eher restriktiv zu definieren und weitestgehend auf die reine vermögens- und mittelvorsorge zu beschränken, zumal die insolvenzantragsstellung im urteilsfall erst nach dem gesetzlichen fälligkeitszeitpunkt erfolgte. allerdings lag dem urteilsfall im vergleich zum streitfall auch insofern ein abweichender sachverhalt zugrunde, als im zeitpunkt der fälligkeit eine einzugsermächtigung vorlag, so dass der geschäftsführer davon ausgehen durfte, das finanzamt werde davon gebrauch machen und die offene lohnsteuer auch ohne ein weiteres zutun seinerseits einziehen. 110aus der sicht des senats bietet der streitfall durchaus anhaltspunkte, die dafür sprechen, den pflichtenkreis des klägers dahingehend zu definieren, dass bereits vor der insolvenzantragsstellung und des damit verbundenen verlusts der uneingeschränkten verwaltungs- und verfügungsmacht sowie über die bloße vermögens- und mittelvorsorge hinaus geeignete maßnahmen zu ergreifen gewesen wären, um auf die entrichtung der streitbefangenen lohnsteuer noch vor dem eigentlichen fälligkeitstermin hinzuwirken. zunächst ist zu berücksichtigen, dass angesichts der größe und bedeutung des unternehmensverbundes unmittelbar nach der stellung des insolvenzantrages damit zu rechnen war, dass das insolvenzgericht maßnahmen ergreifen wird, die die verwaltungs- und verfügungsmacht des klägers und seines mitgeschäftsführers jedenfalls erheblich einschränken werden. darüber hinaus ist zu bedenken, dass die gesetzlichen vertreter den antrag auf eröffnung des insolvenzverfahrens selbst gestellt haben und damit den zeitpunkt des voraussichtlichen verlustes der uneingeschränkten verwaltungs- und verfügungsbefugnis jedenfalls in einem gewissen maß noch beeinflussen konnten. vor allem aber sind hier die besonderheiten des lohnsteuerabzugsverfahrens und in diesem zusammenhang die wirtschaftliche situation sowohl der a-kg als auch der a-gmbh zu berücksichtigen. der kläger und sein mitgeschäftsführer sind mit der (vollen) auszahlung der gehälter für den monat märz 2009 die verpflichtung und damit auch das risiko eingegangen, die darauf entfallende lohnsteuer nebst annexabgaben spätestens zum fälligkeitszeitpunkt an das finanzamt abzuführen. nach eigenen aussagen des klägers und seines mitgeschäftsführers in der mündlichen verhandlung befanden sich die a-kg und die a-gmbh bereits seit längerer zeit in einer wirtschaftlich schwierigen situation (krise hatte bereits im jahr 2007 begonnen). dafür spricht auch, dass die unternehmen seit geraumer zeit sowohl im aufsichtsrat als auch im operativen geschäft von auf sanierungen und insolvenzen spezialisierten fachkräften unterstützt worden sind. zwar stand eine zahlungsunfähigkeit möglicherweise nicht unmittelbar bevor, zumal sich die geschäftsführung noch in (aus ihrer sicht erfolgversprechenden) gesprächen mit potentiellen investoren und auftragsgebern befand. eine latente insolvenzgefahr bestand aber bereits seit geraumer zeit, denn nach der aussage des zeugen dr. z in der mündlichen verhandlung gab es bereits seit mehreren wochen den plan, im falle einer insolvenz ein gewisses „startkapital“ für den insolvenzverwalter bereit zu halten. darüber hinaus war die finanzielle lage des unternehmensverbundes nach aussage des klägers und seines mitgeschäftsführers bereits zum zeitpunkt der auszahlung der gehälter am 26.03.2009 jedenfalls so prekär, dass die frage, ob die gehälter überhaupt ausgezahlt werden sollten, im unternehmen intensiv diskutiert worden ist. neben dieser kritischen ausgangssituation ist der weitere verlauf des geschehens zu berücksichtigen. die hoffnungen der geschäftsführung, die fortführung der unternehmen durch neue aufträge, potentielle geldgeber und investoren bzw. eine landesbürgschaft sichern zu können, haben sich in den folgenden tagen immer mehr zerschlagen. die wirtschaftliche situation wurde zunehmend schwieriger. die gefahr der zahlungsunfähigkeit wurde größer und die damit verbundene notwendigkeit einer eigenen insolvenzantragsstellung wurde immer wahrscheinlicher. in entsprechendem maße stieg auch das mit der auszahlung der gehälter ursprünglich seitens der geschäftsführung eingegangene risiko, die lohnsteuer nicht nur fristgerecht, sondern überhaupt noch ordnungsgemäß an den fiskus abführen zu können. dem kläger und seinem mitgeschäftsführer war dieses risiko durchaus bewusst (das folgt bereits aus dem gedächtnisprotokoll v. 09.04.2009 über die geschäftsführersitzung am 06.04.2009; zudem hat der zeuge dr. z glaubhaft ausgesagt, es habe mehrere hinweise in bezug auf das haftungsrisiko durch den auf sanierungen und insolvenzen spezialisierten berater, herrn rechtsanwalt o, gegeben). sie konnten mit großer wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es trotz einer bis zum jetzigen zeitpunkt ausreichenden vermögens- und mittelvorsorge mit der insolvenzantragsstellung zu einem steuerausfall kommen wird, wenn nicht zuvor geeignete maßnahmen zur (vorzeitigen) abführung der lohnsteuer ergriffen werden. in einer solchen situation spricht gerade der umstand, dass noch ausreichendes kapital zur entrichtung der lohnsteuer der a-kg bei der a-gmbh vorhanden war, dafür, vom kläger und dessen mitgeschäftsführer vor der drohenden beschränkung der verwaltungs- und verfügungsbefugnis und damit auch vor der eigentlichen fälligkeit der lohnsteuer entsprechende maßnahmen zur tilgung der steuerschuld einzufordern. mit einer solchen sichtweise wäre entgegen der ansicht des klägers keine unzulässige erweiterung des haftungstatbestandes oder ein verstoß gegen den grundsatz der gesetzmäßigkeit der besteuerung verbunden. vielmehr dürfte es sich um eine die konkreten umstände des einzelfalles beachtende vertretbare definition bzw. ausdeutung des pflichtenkreises der gesetzlichen vertreter auf der grundlage anerkannter rechtsprechungsgrundsätze handeln. 111letztlich kann der senat die aufgeworfene frage, ob die gesetzlichen vertreter der a-kg bereits im vorfeld der insolvenzantragsstellung überhaupt dazu verpflichtet waren, über die vermögens- und mittelvorsorge hinaus gehende maßnahmen zur vorzeitigen zahlung der streitbefangenen lohnsteuer zu ergreifen, aber dahinstehen lassen. denn aus der sicht des gerichts haben der kläger und sein mitgeschäftsführer entsprechende maßnahmen im streitfall tatsächlich ergriffen. im ergebnis sind sie damit ihren geschäftsführerpflichten in ausreichendem maße nachgekommen. 112b. der senat weist ausdrücklich darauf hin, dass an die beurteilung der geeignetheit von über die vermögens- und mittelvorsorge hinausgehenden maßnahmen zur tilgung der lohnsteuer noch vor dem fälligkeitszeitpunkt kein allzu hoher maßstab angelegt werden darf. dies folgt bereits aus dem wesen des § 69 s. 1 ao als verschuldensabhängigem haftungstatbestand, der gerade keine „garantiehaftung“ (haftung bei ausbleibendem erfolg = steuerentrichtung) statuiert, sondern eine inanspruchnahme gesetzlicher vertreter nur und erst ab der schwelle der grob fahrlässigen pflichtverletzung, mithin bei gravierenden verstößen gegen die persönlichen sorgfaltspflichten vorsieht. ferner ist zu berücksichtigen, dass die situationsbedingte definition (ausdeutung) des pflichtenkreises über eine bloße vermögens- und mittelvorsorge hinaus bereits mit erhöhten anforderungen an die persönliche sorgfalt der geschäftsführer im einzelfall einhergeht. in anbetracht dessen kann es aus der sicht des gerichts lediglich darauf ankommen, ob die von den gesetzlichen vertretern der a-kg bzw. der a-gmbh zum damaligen zeitpunkt ergriffenen maßnahmen unter normalen umständen (bei typischem verlauf der dinge) potentiell geeignet waren, die abführung der streitgegenständlichen lohnsteuer zu bewirken. nicht entscheidend ist dagegen, ob ein alternatives vorgehen möglicherweise „besser“ geeignet gewesen wäre, also mit größerer wahrscheinlichkeit zu einer entrichtung der lohnsteuer geführt hätte. eine entsprechende (vergleichs-)betrachtung, erst recht aus nachträglicher sicht (ex post) und unter einbeziehung jetziger erkenntnisse, würde die reichweite des haftungstatbestandes deutlich überspannen. 113c. auf der grundlage des aufgezeigten maßstabs kommt der senat zu dem ergebnis, dass der kläger und sein mitgeschäftsführer ihren gesteigerten pflichten über die bloße vermögens- und mittelvorsorge hinaus hinreichend nachgekommen sind. der vorwurf eines grob fahrlässigen handelns kann ihnen auch im zeitpunkt vor der insolvenzantragsstellung in bezug auf die abführung der lohnsteuer nicht gemacht werden. 114aa. der senat hat zunächst aus dem gesamtergebnis des verfahrens die überzeugung gewonnen, dass der kläger und sein mitgeschäftsführer sehr wohl den willen hatten, die streitbehaftete lohnsteuer noch vor der insolvenzantragsstellung zu entrichten. das handeln des klägers war subjektiv zweifelsohne auf eine ordnungsgemäße pflichterfüllung gerichtet. der kläger war sich bereits im zeitpunkt der auszahlung der gehälter für märz 2009 über seine verpflichtung zur abführung der korrespondierenden lohnsteuer bewusst. von dem in das operative geschäft der a-gmbh eingebundenen berater für sanierungen und insolvenzen, herrn rechtsanwalt o, ist der kläger mehrfach auf das mit der vollen auszahlung der gehälter verbundene haftungsrisiko hingewiesen worden. die verpflichtung zur zahlung der lohnsteuer war zwischen dem tag der gehaltsauszahlung (26.03.2009) und dem tag des antrags auf insolvenzeröffnung (08.04.2009) mehrfach gegenstand von unternehmensinternen besprechungen (etwa der geschäftsführersitzung am 06.04.2009 sowie dem gespräch der geschäftsführer mit dem leiter der abteilung finanzen, rechnungswesen und steuern, dem zeugen dr. z, am 07.04.2009). ausweislich des von den drei geschäftsführern der a-gmbh erstellten gedächtnisprotokolls vom 09.04.2009 genoss die tilgung der lohnsteuer im rahmen der finanzplanung einen prioritären status. die liquiditätsplanung der a-kg bzw. der a-gmbh war darauf ausgerichtet, die lohnsteuer an das finanzamt pflichtgemäß abzuführen (vgl. nur ziffern 1., 2c. und 3. des gedächtnisprotokolls). auch der zeuge dr. z hat im rahmen seiner aussage den willen der geschäftsführer zur entrichtung der lohnsteuer mehrfach betont und glaubhaft versichert. schließlich belegt auch das verhalten der geschäftsführer nach der stellung des insolvenzantrags in gestalt des einwirkens auf den vorläufigen insolvenzverwalter die grundsätzliche bereitschaft zur abführung der lohnsteuer. im übrigen ist für den senat auch nicht erkennbar, dass die geschäftsführung etwaige vorteile aus der nichtentrichtung der lohnsteuer hatte (das geld kam letztlich der insolvenzmasse zu gute). 115bb. auch in objektiver hinsicht haben die gesetzlichen vertreter der a-kg zur überzeugung des senats geeignete und damit ausreichende maßnahmen ergriffen, um die streitgegenständliche lohnsteuer bereits vor der insolvenzantragsstellung an das finanzamt abzuführen. der kläger und sein mitgeschäftsführer tragen insofern vor, die zuständigen mitarbeiter der abteilung finanzen, rechnungslegung und steuern der a-gmbh zur überweisung der lohnsteuer vom konto bei der p-bank angewiesen zu haben. dieser vortrag wird vom beklagten finanzamt nicht bestritten. auch der beklagte geht nach aktenlage davon aus, dass der kläger und sein mitgeschäftsführer ihre mitarbeiter mit der überweisung der lohnsteuer vom p-bank-konto beauftragt haben. 116ein entsprechender auftrag war auch potentiell geeignet, für eine tilgung der offenen lohnsteuer zu sorgen. auf dem konto bei der p-bank befanden sich am 07.04.2009 insgesamt 4.650.000,- eur (nachdem am 06.04.2009 zunächst 4.200.000,- und am morgen des 07.04.2009 dann nochmals 450.000,- eur vom konto bei der d-bank auf das konto bei der p-bank transferiert wurden). dass dieses geld ursprünglich mit einem anderen verwendungszweck belegt war und als „startkapital“ bzw. „kasse“ für den insolvenzverwalter dienen sollte, ist nicht entscheidungserheblich. ausweislich des gedächtnisprotokolls vom 09.04.2009 stand bereits im rahmen der geschäftsführersitzung am 06.04.2009 dem grunde nach fest, dass jedenfalls die offene lohnsteuer noch aus diesem bei der p-bank „deponierten“ kapital entrichtet werden sollte. die entscheidung über die anweisung weiterer zahlungen war dagegen abhängig von der kurzfristigen liquiditätsentwicklung und wurde auf den darauffolgenden tag verschoben (vgl. ziffern 1. u. 2c. des gedächtnisprotokolls). am frühen nachmittag des 07.04.2009 haben der kläger und sein mitgeschäftsführer dem zeugen dr. z als leiter der zuständigen abteilung finanzen, rechnungswesen und steuern dann die konkrete anweisung zur lohnsteuerzahlung sowie weitere zahlungsanweisungen erteilt (in der besprechung um 14.30 uhr, vgl. ziffer 3. des gedächtnisprotokolls). 117hätten die mitarbeiter der a-gmbh den auftrag weisungsgemäß ausgeführt und insbesondere die lohnsteuer vom konto bei der p-bank an das finanzamt abgeführt, wäre es mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit zu einer tilgung der steuerschuld noch vor der insolvenzantragsstellung gekommen. dies wird auch vom beklagten nicht in frage gestellt. der rücktransfer des kapitals vom konto bei der p-bank auf das konto bei der d-bank sowie die weitere ausführung der erteilten zahlungsanweisungen (u.a. überweisung der lohnsteuer) von dort aus erfolgten nach dem inhalt der akten und dem prozessstoff aus der mündlichen verhandlung gerade nicht auf veranlassung der geschäftsführung, sondern eigenmächtig durch den leiter und die mitarbeiter des bereichs finanzen, rechnungswesen und steuern. unabhängig von der frage, ob es für den rücktransfer des kapitals zur d-bank sachliche gründe gab (der zeuge dr. z hat insofern vorgetragen, dass insbesondere die technischen gegebenheiten in bezug auf die angedachten lohnauszahlungen sowie vereinfachungsaspekte ausschlaggebend für die rücküberweisung der gelder gewesen wären), kann ein im ergebnis weisungswidriges vorgehen der mitarbeiter den geschäftsführern letztlich nicht als schuldhaftes handeln zugerechnet werden. 118cc. der senat sieht hilfsweise aber auch eine solche anweisung der mitarbeiter des bereichs finanzen, rechnungswesen und steuern als objektiv geeignete maßnahme zur lohnsteuerabführung an, bei der die geschäftsführung eine direkte überweisung vom konto bei der d-bank angeordnet oder alternativ offen gelassen hätte, ob die zahlung vom konto bei der p-bank oder vom konto bei der d-bank erfolgen soll. etwas anderes könnte nur gelten, wenn die gesetzlichen vertreter bei erteilung der anweisung nicht mehr davon ausgehen durften, dass die d-bank eine entsprechende überweisung vor insolvenzantragsstellung überhaupt noch ausführen würde. der senat sieht dafür aber weder hinreichende tatsächliche anhaltspunkte noch hält er eine haftungsinanspruchnahme unter diesem gesichtspunkt für rechtlich zulässig. 119schon in tatsächlicher hinsicht dürfte fraglich sein, ob der kläger und sein mitgeschäftsführer davon ausgehen mussten, dass die d-bank noch vor der insolvenzantragsstellung überweisungsaufträge nicht mehr ausführen und stattdessen vorhandene guthaben „einfrieren“ werde (wie letztlich durch die weigerung zur durchführung der überweisungsaufträge und die weiterleitung von geldmitteln an die abteilung „risk management“ am 08.04.2009 geschehen). zwar war die d-bank als „hausbank“ und gläubigerin über die finanzielle situation der unternehmensgruppe im bilde (das wird auch vom kläger nicht bestritten). auch dürfte sie insofern von der bevorstehenden insolvenz gewusst haben (selbst wenn die geschäftsführung die d-bank über den genauen zeitpunkt der insolvenzantragsstellung nach eigener aussage nicht informiert hatte). ferner war es in der letzten zeit zu einer beschränkung der zuvor bestehenden kreditlinie der a-gmbh gekommen (vgl. dazu das in der mündlichen verhandlung überreichte schreiben vom 05.03.2009). dennoch reichen diese aspekte zur überzeugung des senats nicht aus, um in tatsächlicher hinsicht von einem hinreichenden verdacht der gesetzlichen vertreter der a-kg bzw. der a-gmbh in bezug auf ein einziehen („konfiszieren“) von guthaben durch die d-bank auszugehen. ein entsprechendes verhalten war aus der sicht der geschäftsführung schon deshalb nicht zu befürchten, weil die d-bank in der vergangenheit sämtliche überweisungsaufträge auftragsgemäß ausgeführt hatte, nicht zuletzt auch noch am 06.04. und am 07.04.2009 (vgl. etwa die überweisungen von 4.200.000,- eur und 450.000,- eur an die p-bank, die ausführung einer lastschrift i.h. von 11.xxx,- eur und die einlösung eines barschecks von 5x.xxx,- eur). darüber hinaus hat der zeuge dr. z im rahmen der mündlichen verhandlung glaubhaft dargelegt, dass jedenfalls aus der sicht der von ihm geleiteten abteilung finanzen, rechnungslegung und steuern keinerlei veranlassung bestanden habe, einen zugriff der d-bank auf die liquiden mittel der a-gmbh zu befürchten. genau zu dieser frage habe man sich auch sehr intensiv durch herrn rechtsanwalt o als auf sanierungen und insolvenzen spezialisiertem fachmann beraten lassen. ferner dürfte für den fall, dass die geschäftsführung tatsächlich ernsthafte anhaltspunkte für einen zugriff der d-bank auf die guthaben der a-gmbh noch vor insolvenzantragsstellung gehabt hätte, mit hoher wahrscheinlichkeit davon auszugehen sein, dass eine entsprechende vermutung innerhalb des unternehmens dann auch gegenüber allen entscheidungsträgern kommuniziert worden wäre (jedenfalls bis in die untere leitungsebene). unter dieser prämisse ist es aber erst recht unverständlich, dass sowohl der leiter als auch mehrere mitarbeiter der abteilung finanzen, rechnungslegung und steuern ohne entsprechendes problembewusstsein eine rücküberweisung der bei der p-bank abgesonderten gelder zur d-bank veranlasst und vollzogen haben. in diesem kontext ist schließlich auch die am 08.04.2009 versuchte abermalige rücküberweisung eines betrages von 1.xxx.xxx,- eur vom konto bei der d-bank auf das konto bei der p-bank in den blick zu nehmen. wäre eine beschränkung des zahlungsverkehrs ernsthaft befürchtet worden, hätten die mitarbeiter der abteilung finanzen, rechnungslegung und steuern das bei der p-bank vermeintlich sicher „geparkte“ kapital wohl nicht erst wieder an die d-bank überwiesen, um dann einen tag später den versuch zu unternehmen, einen teil des geldes erneut zur p-bank zu transferieren. 120nichts anderes ergibt sich aus dem umstand, dass die separierung des kapitals auf dem konto bei der p-bank nach eigener aussage der geschäftsführung „aus sicherheitsgründen“ erfolgt ist (vgl. gedächtnisprotokoll vom 09.04.2009, ziffer 2c.). welche sachverhalte im einzelnen von dieser formulierung erfasst waren, lässt sich zur vollen überzeugung des gerichts nicht sagen. mit dem begriff können mehrere unterschiedliche szenarien verbunden gewesen sein. ein unmittelbarer bezug zu einem verhalten der d-bank lässt sich den aussagen der geschäftsführung jedenfalls nicht entnehmen. erst recht haben der kläger und sein mitgeschäftsführer nicht die konkrete vermutung geäußert, die d-bank würde überweisungen nicht mehr ausführen oder sogar vorhandene guthaben „konfiszieren“. im rahmen der mündlichen verhandlung haben beide geschäftsführer vielmehr glaubhaft zum ausdruck gebracht, dass sie das verhältnis zur d-bank als „vertrauensvoll“ eingestuft haben und von dem verhalten der d-bank letztlich überrascht worden sind. 121erst recht mussten der kläger und sein mitgeschäftsführer aber in rechtlicher hinsicht nicht mit dem in rede stehenden verhalten der d-bank (einzug des guthabens der a-gmbh noch vor insolvenzantragsstellung) rechnen und es in ihre handlungsoptionen im rahmen der abführung der lohnsteuer einbeziehen. unabhängig von der teilweisen existenz aufrechenbarer gegenansprüche zu gunsten der d-bank ist der großteil des „eingefrorenen“ kapitals (mehr als 5.000.000,- eur) später an den insolvenzverwalter der a-gmbh wieder ausgezahlt worden. daraus lässt sich schlussfolgern, dass die einziehung der guthaben noch vor der insolvenzantragsstellung jedenfalls überwiegend zivilrechtlich unbegründet war. zwar war die d-bank rechtlich nicht verpflichtet, die am 08.04.2009 erteilten überweisungsaufträge durchzuführen, denn dazu bedurfte es ihrer zustimmung zu einem entsprechenden überweisungsvertrag (vgl. dazu noch unter gliederungspunkt i.5.). davon zu unterscheiden ist jedoch die frage, wem die verwaltungs- und verfügungsmacht über das auf dem konto bei der d-bank vorhandene guthaben zustand. jedenfalls bis zur einleitung von verfügungsbeschränkenden maßnahmen durch das insolvenzgericht lag die verwaltungs- und verfügungsmacht bei der a-gmbh als kontoinhaberin. die d-bank dagegen war zur einziehung der guthaben – wie die spätere freigabe der guthaben gegenüber dem insolvenzverwalter zeigt – im wesentlichen nicht berechtigt. ein entsprechendes rechtlich zweifelhaftes verhalten brauchten der kläger und sein mitgeschäftsführer aber nicht vorhersehen. keinesfalls kann ihnen insofern aus der sicht des senats der vorwurf grob fahrlässigen handelns gemacht werden. 122der umstand, dass die gesetzlichen vertreter der a-kg weder in tatsächlicher noch in rechtlicher hinsicht eine beschränkung in bezug auf die verwendung des bei der d-bank vorhandenen kapitals befürchten mussten, hat folgende weitere konsequenzen für die beurteilung des sach- und streitstandes: 123es kommt zum einen nicht darauf an, ob das gericht der aussage des zeugen dr. z glauben schenkt, die geschäftsführung habe ihn und seine mitarbeiter lediglich zur überweisung der streitgegenständlichen lohnsteuer angewiesen, darüber hinaus aber nicht ausdrücklich bestimmt, dass diese überweisung von dem bei der p-bank separierten kapital erfolgen sollte. die richtigkeit dieser behauptung kann dahingestellt bleiben, denn auch ein der d-bank vor insolvenzantragsstellung erteilter auftrag hätte nach dem vorstehend gesagten eine objektiv geeignete maßnahme zur abführung der lohnsteuer dargestellt. im übrigen weist der senat darauf hin, dass er die aussage des zeugen dr. z in diesem punkt als bloße schutzbehauptung wertet. denn im falle des ausdrücklichen eingeständnisses eines eigenen fehlverhaltens (nicht ordnungsgemäße ausführung der seitens der geschäftsführung ausdrücklich erteilten anweisung, die überweisung der lohnsteuer direkt vom p-bank-konto vorzunehmen) hätte sich der zeuge möglicherweise selbst etwaigen haftungs- und/oder schadenersatzansprüchen ausgesetzt. 124zum anderen ist es nicht entscheidungserheblich, dass das am 07.04.2009 seitens der geschäftsführung erteilte bündel an zahlungsanweisungen in einem gesamtvolumen von 5.8xx.xxx,- eur (löhne yyy und xxx = 4.xxx.xxx,- eur, offene lohnsteuer gehälter a-kg = 1.xxx.xxx,- eur, zahlung „…“= 3xx.xxx,- eur und zahlung „…“= 3xx.xxx,- eur) nicht vollständig aus den bei der p-bank „geparkten“ mitteln i.h. von 4.650.000,- eur hätte beglichen werden können. denn der erforderliche differenzbetrag stand als guthaben auf dem konto bei der d-bank zur verfügung und eine einziehung („konfiszierung“) des guthabens vor insolvenzantragsstellung war – wie erläutert – weder aus der sicht des klägers tatsächlich zu befürchten und vor allem rechtlich nicht gerechtfertigt. darüber hinaus ist in diesem zusammenhang aber auch zu berücksichtigen, dass die begleichung der offenen lohnsteuer (in bezug auf die bereits ausgezahlten gehälter in xxx) nach dem eindeutigen willen der geschäftsführung priorität genießen sollte. dieser aspekt ist mehrfach gegenüber den mitarbeitern der abteilung finanzen, rechnungslegung und steuern kommuniziert worden (vgl. etwa ziffer 2c. des gedächtnisprotokolls vom 09.04.2009; „… wobei auf jeden fall lohnsteuer für die am 26.03.2009 gezahlten gehälter xxx bezahlt werden sollte.“). nach der aussage des zeugen dr. z hatten die mitarbeiter der a-kg bzw. der a-gmbh die bedeutung der lohnsteuerzahlung aus der sicht der geschäftsführung angesichts des damit verbundenen haftungsrisikos sehr wohl verinnerlicht. insofern war auch die sammelanweisung der geschäftsführung bei objektiver betrachtung dahingehend zu verstehen, dass der lohnsteuerzahlung vom p-bank-konto jedenfalls der vorrang hätte eingeräumt werden müssen. 125dd. aus der sicht des senats kommt es schließlich nicht darauf an, dass es für den kläger und seinen mitgeschäftsführer auch andere (gegebenenfalls sogar besser geeignete) wege gegeben hätte, um die abführung der streitgegenständlichen lohnsteuer tatsächlich zu bewirken. ob – wie der beklagte meint – insofern die einrichtung eines treuhandkontos wirksamer gewesen wäre, darf bezweifelt werden. denn auch ein solches treuhandkonto hätte nach der insolvenzantragsstellung der durch den vorläufigen insolvenzverwalter beschränkten verwaltungs- und verfügungsmacht unterlegen (zurechnung zur insolvenzmasse). allenfalls durch eine in zeitlicher hinsicht frühere zahlungsanweisung hätten die geschäftsführer die tatsächliche abführung der offenen lohnsteuer mit einem höheren wahrscheinlichkeitsgrad bewirken können (etwa durch die entrichtung der lohnsteuer unmittelbar mit oder kurz nach auszahlung der gehälter). dies würde aber eine unzulässige verengung der aus objektiver sicht bestehenden alternativen für ein potentiell pflichtgemäßen handelns der gesetzlichen vertreter auf ganz bestimmte (ex post betrachtet wirksame) maßnahmen und damit letztlich einen unverhältnismäßigen eingriff in den geschäftsbetrieb der steuerschuldnerin bzw. in die wirtschaftliche dispositionsfreiheit der geschäftsführer bedeuten. im übrigen lässt der charakter des § 69 s. 1 ao als verschuldensabhängiger haftungstatbestand, der eine haftung erst ab dem erhöhten verschuldensmaßstab der groben fahrlässigkeit vorsieht, eine solche betrachtung nicht zu. 1264. der kläger hat auch seine im zusammenhang mit der überwachung von mitarbeitern bestehenden pflichten ordnungsgemäß erfüllt. ihn trifft aus der sicht des gerichts kein sog. überwachungsverschulden. dafür sind folgende gründe ausschlaggebend: 127a. der senat weist zunächst darauf hin, dass ein überwachungsverschulden bezogen auf die einschaltung von mitarbeitern in den vorgang der lohnsteuerabführung ohnehin lediglich dann in betracht käme, wenn der kläger überhaupt verpflichtet gewesen wäre, die lohnsteuer bereits vor der insolvenzantragsstellung (bis zum verlust der uneingeschränkten verwaltungs- und verfügungsbefugnis) an das finanzamt zu entrichten. nur unter der bedingung, dass die pflichten des gesetzlichen vertreters inhaltlich über den grundsatz der reinen vermögens- und mittelvorsorge hinaus definiert sowie in temporärer hinsicht auf den zeitpunkt vor insolvenzantragsstellung (und damit auch vor fälligkeit) vorverlagert werden, stellt sich das problem einer überwachungspflichtverletzung. der senat braucht die aufgeworfenen fragen zur reichweite des pflichtenkreises aber auch an dieser stelle nicht zu entscheiden, da eine etwaige vorwerfbare verletzung von überwachungspflichten durch den kläger bereits an weiteren aspekten scheitert. 128b. der senat hat bereits ausgeführt, dass der kläger und sein mitgeschäftsführer aus tatsächlichen, vor allem aber aus rechtlichen gründen nicht davon ausgehen mussten, in der verwendung von guthaben der a-gmbh sowohl bei der p-bank als auch bei der d-bank noch vor der insolvenzantragsstellung überhaupt beschränkt zu sein. vielmehr konnten die gesetzlichen vertreter darauf vertrauen, bis zur anordnung konkreter maßnahmen durch das insolvenzgericht, die verwaltungs- und verfügungsmacht über das vermögen der a-kg bzw. der a-gmbh uneingeschränkt ausüben zu können (vgl. dazu bereits die ausführungen unter gliederungspunkt i.3.c.). vor diesem hintergrund war das geplante verhalten der geschäftsführung, gelder auf dem konto bei der p-bank zu separieren, um von dort aus die noch offene lohnsteuer an das finanzamt abzuführen, zur ordnungsgemäßen erfüllung der steuerlichen pflichten gar nicht erforderlich, sondern überobligatorisch. konsequenter weise darf dem kläger dann aber nicht der vorwurf einer schuldhaften verletzung von überwachungspflichten gemacht werden, denn durch ein überobligatorisches handeln kann ein gesetzlicher vertreter die in §§ 69 s. 1 i.v. mit 34 abs. 1 ao normierten pflichten nach auffassung des gerichts gerade nicht verletzen. 129c. der senat vertritt darüber hinaus die ansicht, dass eine etwaige verletzung von überwachungspflichten nicht kausal für den eingetretenen haftungsschaden war. auch wenn sich die geschäftsführer der a-kg zeitnah (also noch am selben nachmittag) darüber vergewissert hätten, ob der von ihnen am 07.04.2009 um 14.30 uhr gegenüber dem zeugen dr. z erteilte auftrag, die lohnsteuer vom konto bei der p-bank an das finanzamt abzuführen, weisungsgemäß ausgeführt wurde, wäre es mit sehr hoher wahrscheinlichkeit ebenfalls zum steuerausfall gekommen. denn dann hätten die geschäftsführer feststellen müssen, dass das auf dem p-bank-konto separierte kapital weisungswidrig auf das konto bei der d-bank zurück transferiert worden war. ihnen wäre also selbst nur die möglichkeit verblieben, den eingang des geldes bei der d-bank abzuwarten und die abführung der lohnsteuer nun von diesem konto aus anzuweisen. eine entsprechende anweisung hätte die d-bank aber mit großer wahrscheinlichkeit ebenfalls nicht mehr ausgeführt (ähnlich dem durch die mitarbeiter der a-gmbh am frühen morgen des 08.04.2009 um 8.14 uhr erfolglos erteilten überweisungsauftrag). da die zurücktransferierten gelder erst am 08.04.2009 auf dem konto bei der d-bank eingingen, wäre die entrichtung der lohnsteuer auch bei entsprechend enger überwachung der mitarbeiter durch die geschäftsführer nicht mehr, erst recht nicht zu einem früheren zeitpunkt möglich gewesen. gleiches dürfte für den fall gelten, dass die geschäftsführer die mitarbeiter der abteilung finanzen, rechungslegung und steuern nicht aktiv kontrolliert, sondern von ihnen eine bestätigung der weisungsgerechten ausführung des erteilten zahlungsauftrags eingefordert hätten. da sich die gelder nach der durch den zeugen dr. z und seinen mitarbeiter, herrn m, veranlassten rücküberweisung nicht mehr auf dem p-bank-konto befanden, wäre auch in diesem fall letztlich nur eine überweisung der gelder vom konto bei der d-bank möglich gewesen, und zwar nach deren dortigem eingang. eine solche überweisung ist jedoch am morgen des 08.04.2009 gerade gescheitert. im ergebnis hätten die geschäftsführer also auch bei entsprechend zeitnaher überwachung keine chance mehr gehabt, das vermeintliche fehlverhalten ihrer mitarbeiter erfolgreich zu korrigieren. 130d. schließlich geht der senat davon aus, dass der kläger und sein mitgeschäftsführer ihren überwachungspflichten auch inhaltlich zutreffend nachgekommen sind. 131in ständiger rechtsprechung ist anerkannt, dass die gesetzlichen vertreter i.s. des § 34 abs. 1 ao nicht verpflichtet sind, die steuerlichen angelegenheiten der von ihnen vertretenen natürlichen und juristischen personen sowie personenvereinigungen selbst zu erledigen. vielmehr sind sie berechtigt und bei mangelnder sachkunde sogar verpflichtet, die vollständige oder teilweise erledigung der steuerlichen angelegenheiten auch anderen personen (dritten) zu übertragen. für ein fehlverhalten der beauftragten hilfspersonen müssen die gesetzlichen vertreter nicht ohne weiteres einstehen. der allgemeine rechtsgedanke der verschuldensunabhängigen zurechnung fremden handelns (wie er etwa in § 278 bgb zum ausdruck kommt) ist im rahmen der vertreter-haftung des § 69 s. 1 ao gerade nicht anwendbar (vgl. bfh, urteil v. 30.08.1994, vii r 101/92, juris in abgrenzung zum fg münchen, urteil v. 18.03.1992, 3 k 3164/87, juris; s.a. loose in tipke/kruse, ao/fgo, § 69 ao tz. 27 m.w.n.). 132allerdings sind die gesetzlichen vertreter stets verpflichtet, diejenigen personen, denen sie die erledigung der ihnen als vertreter des steuerpflichtigen auferlegten steuerlichen pflichten übertragen haben, laufend und sorgfältig zu überwachen, insbesondere sich so eingehend über den geschäftsgang zu unterrichten, dass unter normalen umständen mit der ordnungsgemäßen erledigung der geschäfts gerechnet werden kann bzw. dass ihnen ein fehlverhalten des beauftragten dritten rechtzeitig erkennbar wird. auf die ordnungsgemäße aufgabenerledigung durch dritte personen darf nicht blind vertraut werden. mangelhaftes überwachen der zur pflichterfüllung herangezogenen personen stellt regelmäßig eine grob fahrlässige pflichtverletzung dar („überwachungsverschulden“). welche überwachungsmaßnahmen von einem geschäftsführer zu treffen sind, wenn er die erledigung der steuerlichen angelegenheiten mitarbeitern überträgt, ist dabei weitgehend von den umständen des einzelfalles abhängig (vgl. bfh, urteile v. 05.03.1985, vii r 134/80, juris; v. 16.04.1985, vii r 132/80, juris; v. 07.05.1985, vii r 111/78, juris; v. 11.11.1986, vii r 201/83, juris; v. 02.07.1987, vii r 162/84, juris; v. 10.05.1988, vii r 24/85, juris; v. 29.05.1990, vii r 81/89, juris; v. 30.08.1994, vii r 101/92, juris; v. 23.06.1998, vii r 4/98, juris; beschlüsse v. 05.03.1998, vii b 36/97, juris; v. 21.08.2000, vii b 260/99, juris). 133gesteigerte überwachungspflichten bestehen immer dann, wenn entweder die besondere situation der gesellschaft oder die handelnden personen zu einer intensiveren kontrolle anlass geben. dies ist etwa der fall, wenn sich die gesellschaft in einer wirtschaftlichen krise befindet, mithin bei liquiditätsschwierigkeiten, sich abzeichnender zahlungsunfähigkeit oder einem bevorstehendem insolvenzantrag (vgl. bfh, urteil v. 26.04.1984, v r 128/79, juris; v. 23.06.1998, vii r 4/98, juris; beschlüsse v. 04.03.1986, vii s 33/85, juris; 21.08.2000, vii b 260/99, juris; v. 12.05.2009, vii b 266/08, juris; v. 06.07.2005, vii b 296/04, juris; v. 20.04.2006, vii b 280/05, juris; fg rheinland-pfalz, urteil v. 10.12.2013, 3 k 1632/12, juris; loose in tipke/kruse, ao/fgo, § 69 ao tz. 31 u. 32). 134eine grob fahrlässige überwachungspflichtverletzung zu lasten des klägers kann das gericht anhand der soeben skizzierten allgemeinen maßstäbe im streitfall nicht erkennen: zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der sachverhalt keine anhaltspunkte für ein etwaiges (personal-)auswahlverschulden des klägers und seines mitgeschäftsführers in bezug auf die von ihnen beauftragten mitarbeiter bietet. bei den in die erledigung der steuerlichen angelegenheiten der a-kg und der a-gmbh eingeschalteten personen handelte es sich nach dem gesamtergebnis des verfahrens um gut ausgebildetes und sehr erfahrenes personal. dies gilt vor allem für den leiter der abteilung finanzen, rechnungswesen und steuern, den zeugen dr. z, der aufgrund seiner juristischen ausbildung, seiner langjährigen tätigkeit im bankensektor und seinen diversen einsätzen in der freien wirtschaft (u.a. bei großunternehmen) sowie in anbetracht seiner steuerrechtlichen kenntnisse als hoch qualifizierter mitarbeiter einzustufen war. 135auch für ein organisationsverschulden des klägers und seines mitgeschäftsführers gibt der streitfall letztlich nichts her. innerhalb der mit der abführung der streitbefangenen lohnsteuer beauftragten abteilung finanzen, rechnungswesen und steuern der a-gmbh wurde der zahlungsverkehr von mehreren mitarbeitern untereinander überwacht (sog. zwei- oder mehr-augenprinzip). so erfolgte beispielsweise die überweisung der zunächst bei der p-bank separierten gelder zurück auf das konto bei der d-bank auf anweisung (mit unterschrift) sowohl des leiters der abteilung als auch eines weiteren mitarbeiters (der überweisungsträger wurde von herrn dr. z und von herrn m unterzeichnet). darüber hinaus verfügte die a-gmbh über eine eigene controlling-abteilung, die ebenfalls mit in die überwachung des zahlungsverkehrs eingeschaltet war. das von den geschäftsführern am 07.04.2009 erteilte bündel an zahlungsanweisungen ist nach dem eingang des notwendigen kapitals bei der d-bank unmittelbar am frühen morgen des 08.04.2009 ausgeführt worden. der vollzug der aufträge ist der controlling-abteilung kurze zeit später (noch am selben tag) bestätigt worden. 136darüber hinaus weist der senat darauf hin, dass sich der unternehmensverbund a seit geraumer zeit sowohl im aufsichtsrat als auch im operativen geschäft durch auf sanierungen und insolvenzen spezialisierte fachleute hat beraten und unterstützen lassen. sowohl aus dem gedächtnisprotokoll vom 09.04.2009 als auch auf der grundlage der aussage des zeugen dr. z ergibt sich, dass der im operativen geschäft tätige berater (herr rechtsanwalt o) nicht nur sehr eng in die liquiditäts- und finanzplanung des unternehmens eingebunden, sondern auch mit der frage der ordnungsgemäßen erfüllung der steuerlichen angelegenheiten durch die geschäftsführung befasst war (in dieser eigenschaft hat er mehrfach auf die notwendigkeit der lohnsteuerabführung und das damit zusammenhängende haftungsrisiko hingewiesen). 137was die konkrete überwachung der umsetzung des am 07.04.2009 durch die geschäftsführung erteilten bündels an überweisungsaufträgen inklusive der lohnsteuerzahlung angeht, so weist der senat auf folgendes hin: es geht dabei nicht um die erledigung von steuerlichen angelegenheiten im allgemeinen, die dem grunde nach von der geschäftsführung zu überwachen war und de facto auch überwacht worden ist (so haben die geschäftsführer in den letzten tagen vor der insolvenzantragsstellung im beisein ihrer mitarbeiter mehrfach darauf hingewiesen, dass die zahlung der offenen lohnsteuer aus ihrer sicht hohe priorität genießt; außerdem haben die geschäftsführer noch die abgabe einer entsprechenden lohnsteuervoranmeldung für den monat märz 2009 veranlasst; schließlich haben die geschäftsführer für die notwendige vermögens- und mittelvorsorge zur abführung der lohnsteuer ausreichend sorge getragen). es geht vielmehr um die ausführung einer durch die geschäftsführung erteilten singulären zahlungsanweisung mit wenigen unterpositionen (löhne xxx und yyy, lohnsteuer gehälter xxx, zahlung „…“ und zahlung“…“) und damit lediglich um die technische umsetzung der dem grunde nach beabsichtigten steuerlichen pflichterfüllung. die ausführung einer solchen zahlungsanweisung ist gemessen am maßstab des allgemeinen wirtschaftlichen verkehrs ein normaler, eher einfacher vorgang, erst recht wenn man bedenkt, dass mit der anweisung mehrere mitarbeiter eines großunternehmens betraut waren, welches über eine eigene abteilung „finanzen, rechnungslegung und steuern“ mit funktionierenden kontrollmechanismen verfügte. angesichts dessen konnten der kläger und sein mitgeschäftsführer zur überzeugung des gerichts erwarten, dass die erteilte zahlungsanweisung - auch ohne eine weitere überwachung des überweisungsvorgangs durch die geschäftsführer selbst - erfolgreich ausgeführt wird. der gegenteiligen auffassung des beklagten finanzamts, es handele sich insbesondere aufgrund der zeitlichen nähe zum insolvenzantrag und aufgrund der abweichung vom bisherigen lastschrifteneinzugsverfahren um einen „atypischen vorgang“, der besondere (gesteigerte) überwachungspflichten ausgelöst habe, vermag der senat nicht zu folgen. die umsetzung einer entsprechenden zahlungsanweisung durch geschulte und erfahrene mitarbeiter ist auch unter einem verstärkten zeitlichen druck nicht außergewöhnlich, sondern reines alltagsgeschäft. im zusammenhang mit den an den kläger und dessen mitgeschäftsführer gestellten überwachungsanforderungen sind auch die struktur und die größe des unternehmens sowie die besondere situation, in der sich der unternehmensverbund zur damaligen zeit befand, zu berücksichtigen. die geschäftsführer waren wegen der wirtschaftlichen krise und der bevorstehenden insolvenz verstärkt dazu aufgerufen, den bestand des unternehmens überhaupt zu retten. zu diesem zweck fanden in viele richtungen gespräche mit potentiellen auftraggebern und investoren, mit gläubigern und auch mit der öffentlichen hand (in bezug auf eine landesbürgschaft) statt. diese äußeren gegebenheiten entbinden die geschäftsführung zwar nicht von der grundlegenden verpflichtung, für eine ordnungsgemäße erfüllung der steuerlichen angelegenheiten der von ihnen vertretenen unternehmen zu sorgen. dennoch ist es aus der sicht des senats unter den gegebenen umständen aber praxisfern, unzumutbar und im ergebnis nicht gerechtfertigt, von den geschäftsführern eine derart intensive und genaue, mitunter sogar pedantische überwachung der technischen (nicht rechtlichen) umsetzung einzelner zahlungsanweisungen zu verlangen, wie dies letztlich vom beklagten finanzamt einfordert wird. 138d. der senat folgt auch nicht dem vortrag des beklagten aus der mündlichen verhandlung, dass die anweisung zur überweisung der lohnsteuer bereits ausdrücklich und unbedingt am 06.04.2009 erfolgt sei und sich die gesetzlichen vertreter damit spätestens ab dem mittag des nächsten tages (07.04.2009) zu einer verstärkten überwachung hätten aufgefordert fühlen müssen, nachdem der überweisungsauftrag bis zu diesem zeitpunkt durch die mitarbeiter offensichtlich noch nicht ausgeführt worden war. nach aktenlage ist nicht ersichtlich, dass der endgültige auftrag zur überweisung der lohnsteuer vom konto bei der p-bank bereits am 06.04.2009 erteilt worden ist. aus dem inhalt des gedächtnisprotokolls vom 09.04.2009 lässt sich vielmehr schließen, dass die entscheidung zur zahlung der lohnsteuer aus dem bei der p-bank „geparkten“ kapital zwar bereits während der geschäftsführersitzung am 06.04.2009 angedacht und auch dem grunde nach gefallen war, die konkrete zahlungsanweisung aber erst am darauf folgenden tag in der besprechung der geschäftsführung mit dem zeugen dr. z erteilt wurde, und zwar zusammen mit den bis dato aufgeschobenen weiteren mittelverwendungsentscheidungen. darüber hinaus hat der kläger eine vermeintlich widersprechende darstellung seiner im laufe des finanzgerichtlichen verfahrens eingereichten schriftsätze im rahmen der mündlichen verhandlung nochmals klar gestellt. 1395. dem kläger kann unter keinem anderen gesichtspunkt eine schuldhafte verletzung seiner pflichten als gesetzlicher vertreter der a-kg vorgeworfen werden. insbesondere war er entgegen den anders lautenden ausführungen in der begründung des haftungsbescheides nicht verpflichtet, auf die d-bank einzuwirken und ihr gegenüber die ausführung des noch vor insolvenzantragsstellung erteilten auftrags zur überweisung der streitgegenständlichen lohnsteuer an das finanzamt durchzusetzen. 140a. eine entsprechende pflicht zur einwirkung auf die d-bank scheitert schon daran, dass diese die ausführung des von der a-gmbh erteilten überweisungsauftrags rechtlich betrachtet ablehnen durfte (davon zu unterscheiden ist die frage der rechtlichen befugnis zur einziehung von guthaben). bei dem überweisungsauftrag handelt es sich um das angebot zum abschluss eines sog. überweisungsvertrages. eine korrespondierende annahme hat die d-bank aber weder ausdrücklich noch konkludent erklärt (§§ 145 ff. bgb). sie hat vielmehr noch am selben tage die kreditlinie der a-gmbh gekündigt und damit zumindest konkludent zu erkennen gegeben, dass sie weitere überweisungen nicht ausführen wird. 141im übrigen konnte ein kreditinstitut nach der damaligen fassung des § 676a abs. 3 s. 1 bgb einen überweisungsauftrag auch ohne die angabe von gründen kündigen, solange die ausführungsfrist noch nicht begonnen hatte. die ausführungsfrist begann gemäß § 676a abs. 2 s. 3 bgb a.f. grundsätzlich (soweit nichts anderes vereinbart war) mit ablauf des tages, an dem der name des begünstigten, sein konto, sein kreditinstitut und die sonst zur ausführung des überweisungsauftrags erforderlichen angaben dem überweisenden kreditinstitut vorlagen und ein zur ausführung der überweisung ausreichendes guthaben vorhanden oder ein ausreichender kredit eingeräumt war. da der überweisungsauftrag erst am frühen morgen des 08.04.2009 (um 8.14 uhr) bei der d-bank eingegangen war, lief die ausführungsfrist noch bis zum ablauf eben dieses tages. die d-bank konnte die ausführung des überweisungsauftrags also auch unter diesem aspekt noch verweigern. 142b. ein einwirken des klägers auf die d-bank unter dem gesichtspunkt, dass diese die guthaben der a-gmbh größtenteils unberechtigter weise eingezogen („eingefroren“) hatte, hätte ebenfalls nicht zur abführung der lohnsteuer geführt. denn unmittelbar nachdem der kläger und sein mitgeschäftsführer kenntnis von der nichtausführung des überweisungsauftrags erlangt hatten, bestellte das insolvenzgericht einen vorläufigen insolvenzverwalter mit zustimmungsvorbehalt, so dass den geschäftsführern nunmehr die uneingeschränkte verwaltungs- und verfügungsmacht entzogen war. zwar hätten sie möglicherweise die bank noch zu einer auskehrung der guthaben veranlassen können. die bank hätte bei einer entsprechenden verwendungsbestimmung die guthaben aber nur noch zu gunsten des vorläufigen insolvenzverwalters auszahlen dürfen (vgl. entsprechend dem rechtsgedanken des bgh, urteil v. 05.02.2009, ix zr 78/07, juris). dieser hatte die überweisung der noch offenen lohnsteuer aber gerade verweigert. 143c. wie der senat im laufe der urteilsgründe bereits ausgeführt hat, kann eine grob fahrlässige pflichtverletzung zu lasten des klägers auch nicht durch das bloße hervorheben von alternativen maßnahmen zur tilgung der lohnsteuer begründet werden, etwa der einrichtung eines treuhandkontos, dem verhängen einer verfügungsbeschränkung, der schließung von auf die überweisung der lohnsteuer gerichteten vereinbarungen mit den banken oder der zahlung der lohnsteuer zu früheren zeitpunkten. die diskussion entsprechender alternativmaßnahmen zur lohnsteuertilgung bedeutet einen unzulässigen eingriff in die wirtschaftliche dispositionsfreiheit der für die a-kg sowie die a-gmbh handelnden gesetzlichen vertreter und führt zu einer umdeutung der verschuldensabhängigen vertreter-haftung des § 69 s. 1 ao in eine erfüllungs- bzw. garantiehaftung. auch eine zeitliche verschiebung („hinauszögern“) der insolvenzantragsstellung durfte man von dem kläger und seinem mitgeschäftsführer aus entgegenstehenden zivilrechtlichen (gläubigerbevorzugung) und strafrechtlichen aspekten (insolvenzverschleppung) nicht erwarten. 144ii. der haftungsbescheid ist darüber hinaus rechtswidrig, weil die anforderungen an die begründung von ermessensentscheidungen nicht eingehalten worden sind. 1451. bei der inanspruchnahme eines gesetzlichen vertreters nach den §§ 69 s. 1 i.v. mit 34 abs. 1 ao handelt es sich um eine ermessensentscheidung (§ 191 abs. 1 s. 1 ao), die vom gericht nach § 102 fgo darauf zu überprüfen ist, ob das finanzamt die gesetzlichen grenzen des ermessens überschritten oder von dem ermessen in einer dem zweck der ermächtigung nicht entsprechenden weise gebrauch gemacht hat. wegen der befugnis und verpflichtung des gerichts zur überprüfung behördlicher ermessensentscheidungen, die dem gericht keinen raum für eigene ermessenserwägungen lässt, muss die ermessensentscheidung der verwaltung im haftungsbescheid, spätestens aber in der einspruchsentscheidung begründet werden (§ 121 abs. 1 i.v. mit § 126 abs. 1 und 2 ao). dabei müssen die bei der ausübung des verwaltungsermessens angestellten erwägungen – die abwägung des für und wider der inanspruchnahme des haftungsschuldners – aus der entscheidung erkennbar sein (vgl. bfh, urteile v. 13.04.1978, v r 109/75, juris; v. 03.02.1981, vii r 86/78, juris; v. 07.04.1992, vii r 104/90, juris). dies gilt im übrigen nicht nur aus dem blickwinkel des gerichts, sondern vor allem auch aus der perspektive des in anspruch genommenen haftungsschuldners. mit blick auf das rechtsstaatsprinzip (art. 20 abs. 3 gg) und den grundsatz effektiven rechtsschutzes (art. 19 abs. 4 gg) muss der haftungsschuldner spätestens mit der einspruchsentscheidung die gründe kennen, von denen sich das finanzamt bei der entscheidung über den erlass des haftungsbescheides hat leiten lassen, um diese gründe prüfen und etwaige rechtsschutzüberlegungen daran ausrichten zu können. 146im rahmen der begründung ihrer ermessensentscheidung muss die behörde insbesondere zum ausdruck bringen, warum sie den haftungsschuldner anstatt des steuerschuldners oder anstelle anderer ebenfalls für die haftung in betracht kommender personen in anspruch nimmt (sog. auswahlermessen). diese begründungspflicht besteht nicht erst dann, wenn tatsächlich und rechtlich sicher feststeht, ob weitere haftungsschuldner in betracht kommen, sondern bereits dann, wenn die inanspruchnahme weitere potentieller haftungsschuldner nur möglich erscheint. fehlt eine entsprechende begründung, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das finanzamt überhaupt keine erwägungen zur inanspruchnahme weiterer potentieller haftungsschuldner angestellt und damit wesentliche umstände des sach- und streitstandes außer acht gelassen hat (vgl. bfh, urteil v. 07.04.1992, vii r 104/90, juris; s.a. rüsken in klein, ao-kommentar12, § 191 ao rz. 58). 1472. den soeben skizzierten anforderungen an die begründung von ermessensentscheidungen genügen der angefochtene haftungsbescheid und die einspruchsentscheidung nicht. der beklagte hat es versäumt, im rahmen des auswahlermessens auf eine mögliche haftungsinanspruchnahme des zeugen dr. z einzugehen. 148der zeuge dr. z war im zeitpunkt der haftungsbegründenden ereignisse als prokurist für die a-gmbh tätig. er war in der jüngeren vergangenheit auch als prokurist der a-kg in xxx bestellt. darüber hinaus war der zeuge dr. z als leiter der abteilung finanzen, rechnungslegung und steuern der a-gmbh im innen- und außenverhältnis mit den steuerlichen angelegenheiten des unternehmensverbundes betraut. gegenüber dem beklagten finanzamt ist er in seiner eigenschaft als prokurist und leiter der steuerabteilung in der vergangenheit auch mehrfach in erscheinung getreten (sowohl schriftlich als auch fernmündlich). 149aufgrund dieses sachverhaltes geht das gericht davon aus, dass eine haftungsinanspruchnahme des zeugen dr. z jedenfalls potentiell möglich war und hätte geprüft werden müssen. der prokurist eines unternehmens kommt grundsätzlich neben den gesetzlichen vertretern i.s. des § 34 abs. 1 ao als haftungsschuldner in betracht, vgl. § 35 ao (zu den voraussetzungen der haftungsinanspruchnahme eines prokuristen s.a. bfh, beschluss v. 23.04.2007, vii b 92/06, juris). im streitfall kommt hinzu, dass der zeuge dr. z rein tatsächlich betrachtet in entscheidendem maße in den haftungsbegründenden sachverhalt involviert war (u.a. in den geldtransfer zwischen der d-bank und der p-bank sowie in die entscheidung, die streitgegenständliche lohnsteuer nicht vom konto bei der p-bank, sondern vom konto bei der d-bank an das finanzamt abzuführen). in anbetracht dieser umstände wäre der beklagte jedenfalls verpflichtet gewesen, eine haftungsinanspruchnahme (auch) des zeugen dr. z zu erwägen und das ergebnis seiner prüfung im rahmen des auswahlermessens darzulegen. dabei ist unerheblich, ob die materiellen voraussetzungen für eine haftung letztlich vorgelegen haben oder nicht (etwa weil die prokura des zeugen dr. z bezogen auf die a-kg bereits im jahr 2008 erloschen war). im rahmen der mündlichen verhandlung haben die vertreter des beklagten finanzamts selbst zugestanden, sich gedanken über eine entsprechende inanspruchnahme des zeugen dr. z als haftungsschuldner gemacht zu haben. wenn aber der beklagte selbst von der (dem grunde nach nicht fernliegenden) möglichkeit der existenz weitere haftungsschuldner ausgeht, erscheint es aus der sicht des gerichts notwendig, diesen überlegungen auch im rahmen der ermessensentscheidung ausdruck zu verleihen, nicht zuletzt um die rechtsschutzmöglichkeiten der tatsächlich in anspruch genommenen haftungsschuldner nicht unangemessen zu verkürzen. 150dafür spricht auch das weitere vorgehen des beklagten, der in der einspruchsentscheidung ausführungen zu einer potentiellen haftung (auch) des dritten geschäftsführers der a-gmbh (herr c) gemacht und eine inanspruchnahme als haftungsschuldner mit der begründung verneint hat, dieser sei nicht zugleich auch geschäftsführer der a-kg und damit schon gar nicht zur abführung der streitgegenständlichen lohnsteuer verpflichtet gewesen. auch insofern hat also lediglich die möglichkeit einer inanspruchnahme ausgereicht, um den beklagten zu einer entsprechenden prüfung und zu einer verschriftlichung seines prüfungsergebnisses zu veranlassen. vor diesem hintergrund ist es nicht verständlich, warum dies in bezug auf die person des ehemaligen prokuristen dr. z anders gehandhabt wurde. 151iii. der haftungsbescheid ist schließlich insofern rechtswidrig, als die haftung des klägers für säumniszuschläge betroffen ist (§ 69 s. 2 ao). 1521. der senat hat in bezug auf die säumniszuschläge schon bedenken an der inhaltlichen bestimmtheit des haftungsbescheides und der einspruchsentscheidung. 153der haftungsbescheid muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 abs. 1 ao). die anforderungen an die bestimmtheit eines haftungsbescheides sind aus § 191 abs. 1 ao herzuleiten. danach müssen nicht nur die erlassende finanzbehörde, der haftungsschuldner und der zu zahlende gesamtbetrag erkennbar sein, sondern auch für welche steuer und nebenabgaben der haftungsschuldner in anspruch genommen wird. die finanzbehörde muss die steuer und folglich auch die nebenabgaben nach art, schuldner und erhebungszeitraum angeben (vgl. loose in tipke/kruse, ao/fgo, § 191 ao tz. 83 ff.). für den erkennenden senat folgt daraus, dass auch in bezug auf die nebenabgaben ein erhebungszeitraum anzugeben ist. bei einer haftung für säumniszuschläge setzt dies voraus, dass der zeitraum der säumnis genau zu bezeichnen ist (§ 240 abs. 1 ao). 154entsprechende angaben fehlen sowohl im haftungsbescheid als auch in der einspruchsentscheidung. die säumniszuschläge bezogen auf die hauptschuld (lohnsteuer 2009) sind dort lediglich in einer summe ausgewiesen. die berechnungsgrundlagen, insbesondere der zeitraum der säumnis, werden nicht angegeben. 1552. darüber hinaus enthält die einspruchsentscheidung in bezug auf die reduzierung der säumniszuschläge ebenfalls ein ermessensdefizit. 156der beklagte hat die im haftungsbescheid ausgewiesenen säumniszuschläge i.h. von 1xx.xxx,- eur im rahmen der einspruchsentscheidung um die hälfte reduziert. er hat sich dabei auf die rechtsprechung des bfh zum erlass von säumniszuschlägen im falle der überschuldung und zahlungsunfähigkeit berufen, die grundsätzlich auch auf haftungsschuldner anwendbar ist (vgl. bfh, urteil v. 26.07.1988, vii r 83/87, juris). danach ist die erhebung von säumniszuschlägen sachlich unbillig, wenn dem steuerpflichtigen die rechtzeitige zahlung der steuer wegen überschuldung und zahlungsunfähigkeit unmöglich ist und deshalb die ausübung von druck zur zahlung ihren sinn verliert. darüber hinaus sind säumniszuschläge nach den wertungen des gesetzgebers aber auch als gegenleistung für das hinausschieben der fälligkeit anzusehen und dienen zur abgeltung des verwaltungsaufwandes (der beklagte spricht dagegen missverständlich davon, dass der säumniszuschlag den schuldner zur künftig pünktlichen zahlung anregen soll). 157in anbetracht dieser gesetzgeberischen wertungen kommt bei säumniszuschlägen, wenn sie ihren eigentlichen zweck als druckmittel verloren haben, im fall der überschuldung und zahlungsunfähigkeit in der regel nur ein teilerlass in betracht (vgl. bfh urteil v. 16.07.1997, xi r 32/96, juris; kritisch loose in tipke/kruse, ao/fgo, § 69 ao tz. 36 m.w.n. aus der rechtsprechung). der bfh geht aber davon aus, dass im einzelfall auch ein weitergehender erlass von säumniszuschlägen nicht ausgeschlossen ist. der erlass der vollen säumniszuschläge kann insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen lage des steuerpflichtigen dann gerechtfertigt sein, wenn die voraussetzungen für einen verzicht auf die festsetzung von stundungszinsen i.s. des § 234 abs. 2 ao erfüllt gewesen wären (vgl. bfh urteil v. 16.07.1997, xi r 32/96, juris). zu einer entsprechenden unbilligkeit der erhebung von säumniszuschlägen im streitfall (weitergehender erlass) verhält sich die einspruchsentscheidung nicht. vor diesem hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass der beklagte diesen weiteren erlassgesichtspunkt nicht gesehen und sein ermessen insoweit gar nicht ausgeübt hat. 1583. schließlich hat der beklagte im zusammenhang mit der haftung des klägers für säumniszuschläge nicht dazu stellung genommen, inwieweit der höhe nach eine uneingeschränkte oder mit blick auf den grundsatz der anteiligen tilgung nur eine beschränkte haftung in betracht kommt (vgl. dazu bfh, urteil v. 01.08.2001, vii r 110/99, juris; rüsken in klein, ao-kommentar12, § 69 ao rz. 15 f.). auch insoweit leiden der haftungsbescheid und die einspruchsentscheidung nach ansicht des senats an einem begründungs- und damit ermessenausfall. 159iv. da dem antrag des klägers auf aufhebung des haftungsbescheides und der einspruchsentscheidung bereits aus den oben genannten gründen stattzugeben war, brauchte der senat sich mit etwaigen fragen zur höhe der haftungsschuld nicht zu befassen (etwa in bezug auf die entscheidung des fg niedersachsen, urteil v. 15.01.2015, 14 k 91/13, juris). insofern war es auch unerheblich, dass in bezug auf die hauptschuld (lohnsteuer märz 2009) noch ein einspruchsverfahren beim beklagten finanzamt anhängig ist. 160v. die kostenentscheidung folgt aus § 135 abs. 1 fgo. 161vi. die revision war nicht zuzulassen. die sache hat weder grundsätzliche bedeutung noch erfordern die fortbildung des rechts oder die sicherung einer einheitlichen rechtsprechung eine entscheidung des bundesfinanzhofs. es handelt sich vielmehr um eine einzelfallentscheidung auf der grundlage der in der höchstrichterlichen rechtsprechung herausgebildeten grundsätze und maßstäbe. | Klaeger*in | 1 |
341,032 | 1 K 3022/20 | 2021-09-16T00:00:00 | Urteil | Tenor Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung L. vom 20. Mai 2020 verpflichtet, dem Kläger die beantragte Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz für die Teilnahme am Vorbereitungslehrgang zum Zertifizierten Berufsbetreuer – Curator de Jure – an der Technischen Hochschule E. in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet. Die Berufung wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Der Kläger, der beruflich als Betreuer tätig ist, absolvierte vom 21. Oktober 2019 bis 31. Juli 2021 an der Technischen Hochschule (TH) E. die Weiterbildung zum „Zertifizierten Berufsbetreuer – Curator de Jure“. 3Unter dem 29. März 2020 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Förderung der Fortbildung zum „Curator der Jure“ für den oben genannten Zeitraum in Teilzeitform. Er begehrte die Förderung des Maßnahmebeitrages in Höhe von 18.440,62 Euro, bestehend aus einer Verwaltungsgebühr von 1.150,00 Euro und 17.290,62 Euro Kursgebühren. Dem Förderungsantrag fügte der Kläger einen mit der Fortbildungsstätte geschlossenen Vertrag zur Durchführung der Weiterbildung mit dem angestrebten Abschluss eines Hochschulzertifikats „Zertifizierter Berufsbetreuer – Curator de Jure“ bei. Danach war die Weiterbildung auf vier Semester angelegt. Zudem reichte der Kläger eine Bescheinigung über den Besuch der Fortbildungsstätte (Formblatt B) ein, in der die Fortbildungsstätte angab, dass die Maßnahme in Abschnitten stattfinde und insgesamt 670 Unterrichtsstunden umfasse. Ferner legte der Kläger eine Bestätigung der Zulassungsvoraussetzungen (Formblatt Z) nebst Vorlesungsplan, Modulübersicht und Prüfungsordnung der Weiterbildung vom 20. Oktober 2014 vor. Nach der Prüfungsordnung ist wesentliches Ausbildungsmerkmal die Kombination aus der Vermittlung theoretischer Inhalte und der konkreten Anwendung in der Praxis. In § 1 Satz 2 der Prüfungsordnung wird die Ausbildung als Zertifikatsausbildung mit einem Hochschulzertifikat bezeichnet. Vorrangiges Ziel des Weiterbildungsangebots ist nach § 1 Satz 4 der Prüfungsordnung die Schaffung eines eigenen Berufsbildes des gerichtlich bestellten Betreuers sowie dessen Professionalisierung. Durch die Weiterbildungsmaßnahme sollen die gerichtlich zu bestellenden Betreuer bestmöglich auf ihre beruflichen Herausforderungen vorbereitet werden und wissenschaftlich fundierte Handlungskompetenzen auf Hochschulniveau erlangen, §§ 1 Satz 6, 2 Abs. 4 der Prüfungsordnung. Zulassungsvoraussetzung ist nach § 3 Satz 1 der Prüfungsordnung alternativ eine abgeschlossene Berufsausbildung oder die Hochschul- bzw. Fachhochschulreife sowie eine mindestens zweijährige Berufserfahrung als Betreuer. Nach § 5 Abs. 1 der Prüfungsordnung ist die Zertifikatsausbildung erfolgreich abgeschlossen, wenn alle Modulprüfungen, die Abschlussarbeit und das halbstündige Abschlusskolloquium mit einer Note von mindestens „ausreichend“ bewertet wurden. Die Abschlussarbeit soll sich dabei „vom wissenschaftlichen und von der praxisrelevanten Durchdringung auf dem Niveau einer Masterarbeit“ bewegen, § 5 Abs. 3 Satz 1 der Prüfungsordnung. 4Mit Bescheid vom 20. Mai 2020 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, dass es sich bei der Ausbildung zum zertifizierten Berufsbetreuer nicht um eine nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz förderfähige Maßnahme handele. Die zum Erwerb des Abschlusses abzulegende Prüfung richte sich nach einer internen Prüfungsordnung, weshalb ein öffentlich-rechtlich geregelter Fortbildungsabschluss im Sinne des § 2 Abs. 1 AFBG nicht gegeben sei. 5Der Kläger hat am 5. Juni 2020 Klage erhoben und führt zur Begründung aus, dass es sich bei dem angestrebten Zertifikat um einen gleichwertigen Fortbildungsabschluss nach bundes- oder landesrechtlichen Regelungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFBG handele und die Weiterbildung deshalb förderfähig sei. Das Ausbildungszertifikat werde durch die Prüfungsordnung der TH E. geregelt, welche ihrerseits auf Grundlage des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG) erlassen worden sei, und unterliege damit landesrechtlichen Vorschriften. Der Fortbildungsabschluss sei außerdem auch gleichwertig mit den in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFBG genannten Abschlüssen, da das Zertifikat den Absolventen zur Erledigung verantwortungsvollerer Aufgaben als zuvor befähige sowie ihm ein höheres Einkommen in Aussicht stelle. Insoweit verweist der Kläger auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 12. April 2017 – XII ZB 86/16 –, nach welchem das an der TH E. zu erwerbende Ausbildungszertifikat „Zertifizierter Berufsbetreuer – Curator de jure“ eine erhöhte Vergütung des Betreuers rechtfertige und die Fortbildung mit einer Ausbildung an einer Hochschule vergleichbar sei. Weiterhin beruft sich der Kläger auf Urteile des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 16. Juni 2020 – 17 K 5932/19 – und des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 9. März 2021 – RN 12 K 19.2444 –, in welchen in gleich gelagerten Fällen die Förderfähigkeit der Weiterbildung zum zertifizierten Berufsbetreuer an der TH E. nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz anerkannt worden sei. In den Urteilen sei insbesondere klargestellt worden, dass es sich bei der Weiterbildung nicht um ein die Förderfähigkeit ausschließendes Studium handele, da weder eine Immatrikulation erforderlich sei noch ein akademischer Abschluss vermittelt werde. 6Der Kläger beantragt, 7den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides der Bezirksregierung L. vom 20. Mai 2020 zu verpflichten, ihm die beantragte Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz für die Teilnahme am Vorbereitungslehrgang zum Zertifizierten Berufsbetreuer ‑ Curator de Jure – an der Technischen Hochschule E. in gesetzlicher Höhe zu gewähren. 8Der Beklagte beantragt, 9die Klage abzuweisen. 10Zur Begründung wiederholt und vertieft er die im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Gründe. Ergänzend trägt er vor, dass die Weiterbildung zum zertifizierten Berufsbetreuer an der TH E. keine berufliche, sondern eine akademische Fortbildung sei. Als solche sei die Maßnahme, wie sich aus der Gesetzesbegründung sowie dem Gesetzeszweck ergebe, nicht nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz förderfähig. Gegen das vom Kläger angeführte Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg sei Antrag auf Zulassung der Berufung erhoben worden. In der Begründung des Berufungszulassungsantrags, die er sich zu Eigen mache, sei im Wesentlichen geltend gemacht worden, das Vorliegen einer nicht förderfähigen akademischen Weiterbildung werde bereits dadurch deutlich, dass die Weiterbildung an einer Hochschule stattfinde und auf einer von der Hochschule verabschiedeten Prüfungsordnung basiere. Ferner heiße es in der Prüfungsordnung in § 5 Abs. 2, dass sich die Abschlussarbeit vom wissenschaftlichen und von der praxisrelevanten Durchdringung auf dem Niveau einer Masterarbeit bewege. Entsprechend sei nach einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Mai 2010 – 12 BV 09.2090 – ein Förderanspruch für eine Fortbildungsmaßnahme eines Steuerfachangestellten zum Steuerberater abgelehnt worden, weil der Beruf des Steuerberaters als akademische Qualifizierung erfolge. Aus § 2 Abs. 4 der Prüfungsordnung ergebe sich überdies, dass es sich um eine Maßnahme auf Hochschulniveau handele. Die TH E. sei zudem nicht berechtigt mittels Satzung eine Prüfungsordnung für eine Weiterbildungsmaßnahme zu erlassen, die den Anforderungen einer beruflichen Weiterbildung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz entspreche. Der TH E. sei nach dem Bayerischen Hochschulgesetz nur erlaubt, für ein Studium Hochschulprüfungsordnungen auf Grund von Satzungen zu erlassen. Unter „Studium“ könnten hingegen nur die gerade nicht vom Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz erfassten akademischen Bildungsmaßnahmen verstanden werden. Diese Auslegung werde durch § 2 Abs. 1 des Hochschulrahmengesetzes gestützt, welches die Aufgaben von Hochschulen beschreibe und deutlich mache, dass diese gerade nicht für die berufliche Bildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes zuständig seien, sondern für die akademische Bildung. Es liege auch kein Fall eines vergleichbaren Abschlusses nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFBG vor, da der Abschluss lediglich zu einem Zertifikat und nicht zu einem staatlich anerkannten Beruf führe. Des Weiteren seien nach dem Sinn des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes nur solche Maßnahmen förderfähig, die zielgerichtet zu einem höherwertigen Abschluss führen und damit eine eigenständige höherwertige Qualifikation vermitteln. Bei der streitgegenständlichen Weiterbildung gehe es hingegen um die Vertiefung und Vermittlung zusätzlicher berufsbezogener Kompetenzen, um die bereits ausgeübte berufliche Tätigkeit besser ausüben zu können. Es fehle damit das Erfordernis eines höherwertigen Abschlusses im Bereich der beruflichen Bildung. Zudem werde das Erreichen der für eine Förderung erforderlichen Fortbildungsdichte der Weiterbildung in Zweifel gezogen, weil nur einmal im Monat ganztägig von Montag bis Donnerstag Präsenzveranstaltungen stattfinden würden. 11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen. 12Entscheidungsgründe: 13Die Klage hat Erfolg. 14Die als Verpflichtungsklage zulässige Klage ist begründet. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 20. Mai 2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf die begehrte Förderung. 15Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Aufstiegsfortbildungsförderung sind nach der Übergangsvorschrift des § 30 Abs. 2 AFBG der aktuellen Fassung die §§ 1, 2, 6 und 10 ff. des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes in der bis zum 31. Juli 2020 geltenden Fassung (AFBG), da der Kläger die Fortbildung vor dem 31. Juli 2020 begonnen, aber noch nicht abgeschlossen hatte. 16Die §§ 1, 2, 6 und 10 ff. AFBG vermitteln den Teilnehmern förderfähiger Fortbildungsmaßnahmen einen Anspruch auf Förderungsleistungen im gesetzlich bestimmten Umfang. 17Die Anspruchsvoraussetzungen liegen vor. 18Der Kläger hat formell ordnungsgemäß nach § 19 Abs. 1 Satz 2 AFBG die Förderungsleistung vor dem Ende der Weiterbildungsmaßnahme beantragt. Insbesondere ist für seinen Förderungsanspruch unschädlich, dass die Maßnahme bereits im Oktober 2019 begonnen, er den Antrag hingegen erst im März 2020 gestellt hat. 19Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 AFBG muss der Maßnahmebeitrag spätestens bis zum Ende der Maßnahme, bei mehreren in sich selbstständigen Abschnitten bis zum Ende des jeweiligen Maßnahmeabschnitts beantragt werden. Nach § 2 Abs. 5 AFBG können Maßnahmen aus mehreren selbstständigen Abschnitten (Maßnahmeabschnitte) bestehen. Ein Maßnahmeabschnitt liegt insbesondere dann vor, wenn er auf eine eigenständige Prüfung vorbereitet oder mit seinem Ende eine verbindliche Versetzungsentscheidung erfolgt. 20Der Antrag des Klägers ging bei der Beklagten vor dem Ende der Maßnahme im Juli 2021 ein. Die Semester und Module der Weiterbildung stellen auch keine Maßnahmeabschnitte dar, vor deren jeweiligem Ende der Kläger einen Antrag hätte stellen müssen. Zwar gibt die Fortbildungsstätte im Formblatt B an, dass die Maßnahme in Abschnitten stattfindet und verweist auf die Modulübersicht. Bei der Beurteilung des Vorliegens von Maßnahmeabschnitten kommt es hingegen nicht auf die Bezeichnung durch die Fortbildungsstätte, sondern auf die Ausgestaltung der Maßnahme an. 21Danach spricht der vorgelegte Vorlesungsplan für eine zusammenhängende Maßnahme. Denn die Module bauen aufeinander auf und stehen in einem engen zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang. Die Module finden regelmäßig semesterübergreifend statt. Zudem bereitet weder ein Semester noch ein Modul auf eine eigenständige Prüfung vor. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass nach jedem Modul eine Prüfungsleistung in Form einer schriftlichen Prüfung oder Prüfungsstudienarbeit abzulegen ist. Denn diese stellen letztlich Bestandteile der Gesamtabschlussnote dar. 22Es liegen auch die materiellen Anspruchsvoraussetzungen vor. 23Die vom Kläger absolvierte Weiterbildung zum zertifizierten Berufsbetreuer ist eine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFBG förderfähige Maßnahme. 24Förderfähig ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AFBG die Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen öffentlicher und privater Träger, die in einer fachlichen Richtung gezielt vorbereiten auf eines der in den Nummern 1 bis 3 aufgeführten Fortbildungsziele, nämlich im Einzelnen: 25261. Fortbildungsabschlüsse zu öffentlich-rechtlich geregelten Prüfungen auf der Grundlage 27a) der §§ 53 und 54 des Berufsbildungsgesetzes oder 28b) der §§ 42, 42a, 45, 51a und 122 der Handwerksordnung, 29302. gleichwertige Fortbildungsabschlüsse nach bundes- oder landesrechtlichen Regelungen, 313. gleichwertige Fortbildungsabschlüsse an anerkannten Ergänzungsschulen auf der Grundlage staatlich genehmigter Prüfungsordnungen. 32Die streitgegenständliche Maßnahme stellt zwar keine Fortbildung dar, die auf die Vorbereitung auf Fortbildungsabschlüsse auf Grundlage des Berufsbildungsgesetzes oder der Handwerksordnung abzielt. Allerdings bereitet sie auf einen gleichwertigen Fortbildungsabschluss nach landesrechtlichen Regelungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFBG vor. 33Die TH E. ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts tauglicher öffentlicher Träger der Fortbildungsmaßnahme, § 2a Satz 2 Var. 1 AFBG. 34Der mit der Fortbildungsmaßnahme angestrebte Abschluss ist auch landesrechtlich geregelt. Die im Rahmen der streitgegenständlichen Fortbildungsmaßnahme für einen Abschluss zu erbringenden Prüfungsleistungen sind in der Prüfungsordnung der TH E. vom 20. Oktober 2014 geregelt. Die Prüfungsordnung stellt eine landesrechtliche Regelung dar, da sie aufgrund der Art. 13 Abs. 2 Satz 2, Art. 58 Abs. 1 und Art. 61 Abs. 2 Satz 1 BayHSchG durch die TH E. als Körperschaft des öffentlichen Rechts in Form einer Satzung erlassen wurde. 35Die TH E. ist auch berechtigt, mittels Satzung eine Prüfungsordnung für eine Weiterbildungsmaßnahme zu erlassen, die, wie die streitgegenständliche Fortbildung, zu keinem akademischen Grad führt. Die Satzungskompetenz der TH E. ist nicht ausschließlich auf die Planung und Regelung akademischer Bildungsmaßnahmen, deren Fortbildungsziel ein Hochschulabschluss ist, beschränkt. Eine derartige Einschränkung der Satzungskompetenz bei dem Erlass von Studien- und Prüfungsordnungen lässt sich dem Bayerischen Hochschulgesetz nicht entnehmen. Vielmehr folgt aus Art. 56 Abs. 6 BayHSchG, dass die Hochschule zum Erwerb von wissenschaftlichen oder beruflichen Teilqualifikationen auch sonstige Studien, insbesondere „spezielle weiterbildende Studien“ (Nr. 3) anbieten kann. Sonstige weiterbildende Studien stehen neben Bewerbern mit abgeschlossenem Hochschulstudium und anschließender Berufserfahrung auch solchen Bewerbern mit Berufserfahrung offen, die die für die Teilnahme erforderliche Eignung im Beruf oder auf andere Weise erworben haben. Die weitere Ausgestaltung der Weiterbildung kann die Hochschule durch Satzung regeln, in der auch die Erteilung eines Zertifikats geregelt werden kann. Fortbildungsmaßnahmen in diesem Sinne führen dabei zu keinem eigenen Hochschulabschluss und entsprechend zu keinem eigenen akademischen Grad, 36vgl. BeckOK Hochschulrecht Bayern/Aulehner, 2021, Art. 56 BayHSchG, Rn. 40. 37Der streitgegenständliche Fortbildungsabschluss zum zertifizierten Berufsbetreuer ist auch gleichwertig im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFBG zu den nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFBG geförderten Abschlüssen. 38In formaler Hinsicht setzt die Gleichwertigkeit zunächst einen in Rechtsvorschriften geregelten Abschluss mit einer öffentlich-rechtlichen Prüfung nach Bundes-, Landes- oder Kammerrecht voraus. Nicht in solchen Rechtsvorschriften geregelte Abschlüsse, wie etwa Zertifikate privater Bildungsträger, erfüllen diese Voraussetzung nicht. 39Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2020 – 12 A 3003/19 –, juris, Rn. 41; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 8. Mai 2006 – 7 S 1666/05 –, juris, Rn. 22; Schubert/Schaumberg, AFBG, Stand November 2020, § 2 Anm. 2.3. 40Für den hier streitgegenständlichen Abschluss ist eine solche Prüfung erforderlich. Die Zertifikatsausbildung ist nach § 5 Abs. 1 der Prüfungsordnung erfolgreich abgeschlossen, wenn die Modulprüfungen, die Abschlussarbeit und das halbstündige Abschlusskolloquium mit einer Note von mindestens „ausreichend“ bewertet wurden. Die schriftlichen Prüfungs- und Studienarbeiten entsprechen nach § 5 Abs. 2 der Prüfungsordnung in der Regel einer wissenschaftspraktischen Falldokumentation und werden von dem jeweiligen Fachreferenten als Organ des Prüfungsausschusses bewertet. Die Abschlussarbeit bewegt sich nach Absatz 3 der Regelung von der wissenschaftlichen und praxisrelevanten Durchdringung auf dem Niveau einer Masterarbeit. Zudem müssen die Teilnehmer, die die gesamte Zertifikatsausbildung durchlaufen haben, gemäß § 6 der Prüfungsordnung im Abschlusskolloquium die Fähigkeiten nachweisen, dass sie die erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten auf komplexe Aufgabenstellungen aus der Praxis selbstständig anwenden können. 41Inhaltlich setzt die Gleichwertigkeit voraus, dass der angestrebte Fortbildungsabschluss mit den in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFBG genannten Abschlüssen nach dem Berufsbildungsgesetz oder der Handwerksordnung vergleichbar ist. Ausdrücklich genanntes gesetzgeberisches Ziel der Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz ist die Heranbildung künftiger Meister, Techniker und mittlerer Führungskräfte. Eine förderfähige Maßnahme muss deshalb eine eigenständige und höherwertige Qualifikation vermitteln. Dabei muss der angestrebte Abschluss inhaltlich oberhalb des Niveaus einer Facharbeiter-, Gesellen-, Gehilfenprüfung oder eines Berufsfachschulabschlusses einzuordnen sein. Von der Förderung ausgeschlossen sind daher bloße Anpassungsfortbildungen auf dem Niveau der Erstausbildung. 42Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2020 – 12 A 3003/19 – juris, Rn. 45 f.; OVG NRW, Beschluss vom 20. September 2010 – 12 E 570/10 – juris, Rn. 7 ff.; BT-Drucks. 13/3698, S. 2. 43Mit Abschluss der Weiterbildung zum zertifizierten Berufsbetreuer ist eine solche eigenständige Qualifikation gegeben. Die streitgegenständliche Weiterbildungsmaßnahme ist ausweislich der zugrundeliegenden Prüfungsordnung darauf ausgelegt, Berufsbetreuer in theoretischer und praktischer Hinsicht zu schulen, um das Berufsbild des Betreuers durch das Ausbildungszertifikat auf einen professionalisierten Standard zu heben. Die mit der Weiterbildung vermittelte Qualifikation ist auch höherwertig. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung anerkannt, dass die Fortbildung zum „Zertifizierten Berufsbetreuer – Curator de jure“ an der TH E. eine Vergütung des Betreuers nach der höchsten Stufe des § 4 Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG) rechtfertigt. Dies hat er damit begründet, dass die Maßnahme besondere Kenntnisse vermittele, die den Betreuer in die Lage versetzten, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen, und daher mit einer Hochschulausbildung vergleichbar sei. 44Vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 2017 – XII ZB 86/16 – juris, Rn. 12 ff. 45Der angestrebte Abschluss bietet den Absolventen sowohl vielseitigere Einsatzmöglichkeiten in komplexeren und schwierigeren Betreuungsfällen als auch die Aussicht auf eine erhöhte Vergütung. Dadurch ist die Maßnahme mit einem beruflichen Aufstieg verbunden, der inhaltlich das nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFBG erforderliche Niveau erreicht. 46So auch VG Hamburg, Urteil vom 16. Juni 2020 – 17 K 5937/19 – juris, Rn. 21; VG Regensburg, Urteil vom 9. März 2021 – RN 12 K 19.2444 –, n.V. 47Der Annahme eines höherwertigen Abschlusses steht auch nicht entgegen, dass das streitgegenständliche Ausbildungszertifikat den Absolventen keine neuen Berufsfelder eröffnet, sondern die Maßnahme sich auf die Weiterbildung hinsichtlich des auch ohne das Zertifikat ausübbaren Berufs des rechtlichen Betreuers beschränkt. Weder dem Sinn und Zweck des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes noch dem Wortlaut des § 2 AFBG ist zu entnehmen, dass die Förderfähigkeit einer Maßnahme die Erschließung neuer Berufsfelder voraussetzt. Wie insbesondere auch der Blick auf die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFBG förderfähigen Fortbildungsabschlüsse nach dem Berufsbildungsgesetz bzw. der Handwerksordnung zeigt, ist es für die berufliche Höherqualifizierung im Sinne des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes vielmehr typisch, dass sich die angestrebte Höherqualifikation auf die bereits zuvor ausgeübte Berufstätigkeit der Absolventen bezieht. 48Das in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFBG vorausgesetzte Fortbildungsniveau wird durch die streitgegenständliche Maßnahme – anders als etwa im Falle einer Weiterbildung zum Steuerberater – auch nicht überschritten, 49vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. Mai 2010 – 12 BV 09.2090 – juris, Rn. 16 ff. 50Nach der vom Beklagten angeführten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Mai 2010 ist das Weiterbildungsziel Steuerberater nicht im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFBG förderfähig, weil es sich um einen Abschluss oberhalb des Niveaus der Meisterebene handelt, der normalerweise nur über ein Studium erreicht wird. Die Erwägungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sind auf das vorliegende Verfahren hingegen nicht übertragbar. Denn das von dem Kläger angestrebte Fortbildungsniveau liegt nicht oberhalb des Niveaus der Meisterebene. Das Niveau der vom Kläger absolvierten Weiterbildung ist bei einer Gesamtbetrachtung des zeitlichen Umfangs und des Aufbaus, wie auch der Bundesgerichtshof angenommen hat, vergleichbar mit einem Bachelor-Studiengang, 51vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 2017 – XII ZB 86/16 – juris, Rn. 15. 52Der akademische Bachelortitel und der handwerkliche Meistertitel sind nach dem Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) gleichwertig und werden jeweils dem Niveau 6 zugeordnet. 53Vgl. https://www.dqr.de/media/content/Liste_der_zugeordneten_Qualifikationen_31_03_2014_bf.pdf. 54An der Annahme, dass damit auch der Abschluss zum zertifizierten Berufsbetreuer auf Niveau 6 der DQR liegt, ändert auch das in der Prüfungsordnung vorgesehene Niveau der Abschlussarbeit auf dem einer Masterarbeit nichts. Dass einzelne während der streitgegenständlichen Weiterbildung zu absolvierende Prüfungsleistungen über dem durch den Abschluss insgesamt vermittelten Niveau liegen, vermag an der Zuordnung des Abschlusses nach der DQR nichts zu ändern, zumal diese höhere Anforderung bei der Abschlussarbeit eine Kompensation des im Vergleich zu einem Bachelor-Studiengang geringeren zeitlichen Umfangs der Weiterbildung darstellt. 55Der Förderfähigkeit der Maßnahme nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFBG steht außerdem nicht entgegen, dass es sich bei ihr, wie der Beklagte meint, um eine akademische Weiterbildung handelt. Akademische Fortbildungsmaßnahmen, deren Ausbildungsziel die Erlangung eines Hochschulabschlusses ist, sind nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz grundsätzlich nicht förderfähig, da sie keine Maßnahmen der beruflichen Fortbildung im Sinne des Gesetzes darstellen. 56Vgl. BT Drucks. 18/7055, S. 37 f.; BT-Drucks. 13/3698, S. 2; Schubert/Schaumberg, AFBG, Kommentar, 2020, § 2 Anm. 2.3. 57Insoweit bedarf es der qualitativen Betrachtung, ob die Maßnahme grundsätzlich auf die Erlangung eines akademischen Grades gerichtet ist, und keiner, von dem Beklagten angenommenen, formalen Betrachtung, nach der eine die Förderung ausschließende akademische Fortbildung bereits dann vorliegt, wenn eine Weiterbildung an einer Hochschule aufgrund einer von dieser erlassenen Prüfungsordnung angestrebt wird. Eine solche formale Abgrenzung zwischen beruflicher und akademischer Weiterbildung ergibt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut, nach dem für die Förderfähigkeit lediglich eine hier vorliegende Fortbildungsmaßnahme bei einem öffentlichen Träger sowie eine öffentlich-rechtlich geregelte Prüfung erforderlich sind, noch aus der Gesetzesbegründung. Vielmehr liegt bei Betrachtung des in der Gesetzesbegründung dargestellten Ziels des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes der Stärkung der Gleichwertigkeit des beruflichen mit dem akademischen Qualifizierungsweg, 58vgl. BT Drucks. 18/7055, S. 18.; BT-Drucks. 13/3698, S. 13, 59nahe, dass die zum Ausschluss einer Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz führende akademische Weiterbildung nicht schon dann vorliegen soll, wenn eine Fortbildung von einer Hochschule veranstaltet wird, sondern erst, wenn mit der Maßnahme auch eine akademische Qualifizierung erreicht werden kann. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung vom 6. Februar 1996 – BT-Drucks. 13/3698 –, nach welcher der Besuch von Hochschulen oder Fachhochschulen nicht förderungsfähig sei, da es sich hierbei nicht um eine berufliche Fortbildung im Sinne des Gesetzes handele. Zwar wird insoweit undifferenziert auf einen Hochschulbesuch verwiesen, jedoch lässt sich daraus angesichts der dargestellten, diesen Ausführungen vorangestellten Zielsetzung des Gesetzes kein genereller Förderungsausschluss von Weiterbildung an Hochschulen herleiten. Ein Ausschluss der Förderungsfähigkeit der auf Grundlage des seit 2006 geltenden Bayerischen Hochschulgesetzes geregelten Zertifikatsfortbildung der TH E. kann der aus dem Jahre 1996 stammenden Gesetzesbegründung darüber hinaus nicht entnommen werden, da der Gesetzgeber diese Art der bei Hochschulen angesiedelten Fortbildungen in seine den Förderausschluss tragenden Erwägungen ersichtlich nicht mit einbezogen hat. 60Nach diesen Maßstäben ist die Fortbildung zum zertifizierten Berufsbetreuer an der TH E. nicht als akademische Weiterbildung zu qualifizieren. Zwar wird die Maßnahme von einer Technischen Hochschule angeboten. Gegen die Annahme eines Hochschulstudiums spricht aber bereits in formeller Hinsicht, dass die Teilnahme an der Weiterbildung zum zertifizierten Berufsbetreuer nicht die Hochschulmitgliedschaft aufgrund einer Immatrikulation des Teilnehmers voraussetzt, sondern die Weiterbildung aufgrund einer gesonderten vertraglichen Ausbildungsvereinbarung erfolgt. 61Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 16. Juni 2020 – 17 K 5937/19 – juris, Rn. 24; VG Regensburg, Urteil vom 9. März 2021 – RN 12 K 19.2444 –, n.V. 62Auch bei der gewichtigeren materiellen Betrachtung ist die Maßnahme nicht als akademische Weiterbildung zu qualifizieren. Denn das zu erwerbende Zertifikat ist unbeschadet der Bezeichnung als Hochschulzertifikat kein Hochschulabschluss, sondern verbrieft lediglich, dass der Teilnehmer die Maßnahme nach den Vorgaben der Prüfungsordnung erfolgreich absolviert und die vermittelten Kompetenzen erworben hat. Der streitgegenständliche Fortbildungsabschluss führt zu keinem eigenen akademischen Grad und eröffnet gerade nicht den Zugang zu einem bestimmten Beruf oder Berufsfeld, was für einen akademischen Abschluss jedoch prägend ist. Die Weiterbildung bezweckt vielmehr, wie für eine berufliche Fortbildungsmaßnahme grundsätzlich üblich, die Höherqualifizierung hinsichtlich der schon zuvor ausgeübten Tätigkeit der Teilnehmer, hier als Berufsbetreuer. 63Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 16. Juni 2020 – 17 K 5937/19 – juris, Rn. 25 f.; VG Regensburg, Urteil vom 9. März 2021 – RN 12 K 19.2444 –, n.V. 64Nichts anderes ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der die Ausbildung zum zertifizierten Berufsbetreuer an der TH E. als mit einem Hochschulstudium vergleichbar anzusehen ist. Denn der Bundesgerichtshof hat hinsichtlich der Maßnahme gerade nicht die Tatbestandsvariante der „abgeschlossenen Ausbildung an einer Hochschule“, sondern lediglich die der „vergleichbaren abgeschlossenen Ausbildung“ bei der Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG a.F. bejaht. 65Vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 2017 – XII ZB 86/16 – juris, Rn. 8 ff. 66Eine Hochschulausbildung ist demnach ausdrücklich nicht gegeben. Dass das streitgegenständliche Ausbildungszertifikat nach dieser Rechtsprechung als mit einer Hochschulausbildung gleichwertig anzusehen ist, steht der Förderfähigkeit im Übrigen nicht entgegen, da gerade auch die Förderung besonders wertiger Höherqualifizierungen, jedenfalls solange sie nicht oberhalb des Niveaus der Meisterebene liegen, dem Zweck des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes entspricht. 67So auch VG Hamburg, Urteil vom 16. Juni 2020 – 17 K 5937/19 – juris, Rn. 27; VG Regensburg, Urteil vom 9. März 2021 – RN 12 K 19.2444 –, n.V. 68Auch die weiteren Anspruchsvoraussetzungen liegen vor. 69Insbesondere bestehen keine Zweifel an der für eine Förderung erforderlichen Fortbildungsdichte. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AFBG sind Maßnahmen in Teilzeitform förderfähig, wenn sie mindestens 400 Unterrichtsstunden umfassen, sie innerhalb von 48 Kalendermonaten abgeschlossen werden und im Durchschnitt mindestens 18 Unterrichtsstunden je Monat stattfinden. Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 AFBG gelten jeweils 45 Minuten einer Lehrveranstaltung als Unterrichtsstunde. Die vom Kläger absolvierte Weiterbildung umfasste ausweislich des von der Fortbildungsstätte ausgefüllten Formblattes B 670 Unterrichtsstunden und war planmäßig in weniger als 24 Monaten abgeschlossen. Bereits bei einer Berücksichtigung dieser Stundenanzahl und der Fortbildungsdauer fanden im Monat durchschnittlich 27 Unterrichtsstunden statt. Dies wird auch durch den vom Kläger eingereichten Vorlesungsplan bestätigt. Aus diesem ergibt sich zwar, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, dass nur einmal im Monat von Montag bis Donnerstag Unterrichtseinheiten stattfanden. Allerdings folgt aus dem Vorlesungsplan, dass in diesen vier Tagen mindestens 20 und regelmäßig bis zu 40 Unterrichtsstunden abgehalten wurden. Dem Erreichen der Fortbildungsdichte steht auch nicht entgegen, dass in zwei Monaten (August und Dezember) kein Unterricht stattfand, da das durchschnittliche Erreichen der geforderten monatlichen 18 Unterrichtsstunden dadurch nicht in Frage gestellt wird. 70Der Kläger hat ferner die regelmäßige Teilnahme an der Fortbildung nachgewiesen. 71Gemäß § 9a AFBG hat der Teilnehmer regelmäßig an der geförderten Maßnahme teilzunehmen. Die Leistungen des Teilnehmers müssen erwarten lassen, dass er die Maßnahme erfolgreich abschließt. Dies wird in der Regel angenommen, solange er die Maßnahme zügig und ohne Unterbrechung absolviert und er sich um einen erfolgreichen Abschluss bemüht. Eine regelmäßige Teilnahme liegt vor, wenn die Teilnahme an 70 % der Präsenzstunden nachgewiesen wird. Die Förderung wird hinsichtlich der regelmäßigen Teilnahme an der Maßnahme unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung geleistet. 72Ausweislich des vorgelegten Teilnahmenachweises vom 31. August 2021 hat der Kläger an allen Stunden der Fortbildung teilgenommen. 73Keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob die Verwaltungsgebühr Teil der Lehrgangsgebühr und damit förderfähig ist, da der Kläger eine Förderung in der gesetzlichen Höhe beantragt hat und der Anspruch auf Förderung der Lehrgangs- und Prüfungsgebühren gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFBG nur bis zu einem Betrag von 15.000,00 Euro besteht. Dieser Betrag wird bereits durch die förderfähigen Kursgebühren erreicht. 74Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordung. 75Die Berufung war zuzulassen, da der obergerichtlich bislang unbeantworteten Frage der Förderungsfähigkeit von Zertifikatsfortbildungen an Hochschulen grundsätzliche Bedeutung zukommt, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. 76Rechtsmittelbelehrung: 77Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Berufung eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 78Die Berufung kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden. 79Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. 80Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). 81Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 82Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. | der beklagte wird unter aufhebung des bescheides der bezirksregierung l. vom 20. mai 2020 verpflichtet, dem kläger die beantragte förderung nach dem aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz für die teilnahme am vorbereitungslehrgang zum zertifizierten berufsbetreuer – curator de jure – an der technischen hochschule e. in gesetzlicher höhe zu bewilligen. der beklagte trägt die kosten des verfahrens, für das gerichtskosten nicht erhoben werden. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des auf grund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der kläger vor der vollstreckung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages sicherheit leistet. die berufung wird zugelassen. 1 | 2der kläger, der beruflich als betreuer tätig ist, absolvierte vom 21. oktober 2019 bis 31. juli 2021 an der technischen hochschule (th) e. die weiterbildung zum „zertifizierten berufsbetreuer – curator de jure“. 3unter dem 29. märz 2020 beantragte der kläger bei dem beklagten die förderung der fortbildung zum „curator der jure“ für den oben genannten zeitraum in teilzeitform. er begehrte die förderung des maßnahmebeitrages in höhe von 18.440,62 euro, bestehend aus einer verwaltungsgebühr von 1.150,00 euro und 17.290,62 euro kursgebühren. dem förderungsantrag fügte der kläger einen mit der fortbildungsstätte geschlossenen vertrag zur durchführung der weiterbildung mit dem angestrebten abschluss eines hochschulzertifikats „zertifizierter berufsbetreuer – curator de jure“ bei. danach war die weiterbildung auf vier semester angelegt. zudem reichte der kläger eine bescheinigung über den besuch der fortbildungsstätte (formblatt b) ein, in der die fortbildungsstätte angab, dass die maßnahme in abschnitten stattfinde und insgesamt 670 unterrichtsstunden umfasse. ferner legte der kläger eine bestätigung der zulassungsvoraussetzungen (formblatt z) nebst vorlesungsplan, modulübersicht und prüfungsordnung der weiterbildung vom 20. oktober 2014 vor. nach der prüfungsordnung ist wesentliches ausbildungsmerkmal die kombination aus der vermittlung theoretischer inhalte und der konkreten anwendung in der praxis. in § 1 satz 2 der prüfungsordnung wird die ausbildung als zertifikatsausbildung mit einem hochschulzertifikat bezeichnet. vorrangiges ziel des weiterbildungsangebots ist nach § 1 satz 4 der prüfungsordnung die schaffung eines eigenen berufsbildes des gerichtlich bestellten betreuers sowie dessen professionalisierung. durch die weiterbildungsmaßnahme sollen die gerichtlich zu bestellenden betreuer bestmöglich auf ihre beruflichen herausforderungen vorbereitet werden und wissenschaftlich fundierte handlungskompetenzen auf hochschulniveau erlangen, §§ 1 satz 6, 2 abs. 4 der prüfungsordnung. zulassungsvoraussetzung ist nach § 3 satz 1 der prüfungsordnung alternativ eine abgeschlossene berufsausbildung oder die hochschul- bzw. fachhochschulreife sowie eine mindestens zweijährige berufserfahrung als betreuer. nach § 5 abs. 1 der prüfungsordnung ist die zertifikatsausbildung erfolgreich abgeschlossen, wenn alle modulprüfungen, die abschlussarbeit und das halbstündige abschlusskolloquium mit einer note von mindestens „ausreichend“ bewertet wurden. die abschlussarbeit soll sich dabei „vom wissenschaftlichen und von der praxisrelevanten durchdringung auf dem niveau einer masterarbeit“ bewegen, § 5 abs. 3 satz 1 der prüfungsordnung. 4mit bescheid vom 20. mai 2020 lehnte der beklagte den antrag ab. zur begründung führte er aus, dass es sich bei der ausbildung zum zertifizierten berufsbetreuer nicht um eine nach dem aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz förderfähige maßnahme handele. die zum erwerb des abschlusses abzulegende prüfung richte sich nach einer internen prüfungsordnung, weshalb ein öffentlich-rechtlich geregelter fortbildungsabschluss im sinne des § 2 abs. 1 afbg nicht gegeben sei. 5der kläger hat am 5. juni 2020 klage erhoben und führt zur begründung aus, dass es sich bei dem angestrebten zertifikat um einen gleichwertigen fortbildungsabschluss nach bundes- oder landesrechtlichen regelungen im sinne des § 2 abs. 1 satz 1 nr. 2 afbg handele und die weiterbildung deshalb förderfähig sei. das ausbildungszertifikat werde durch die prüfungsordnung der th e. geregelt, welche ihrerseits auf grundlage des bayerischen hochschulgesetzes (bayhschg) erlassen worden sei, und unterliege damit landesrechtlichen vorschriften. der fortbildungsabschluss sei außerdem auch gleichwertig mit den in § 2 abs. 1 satz 1 nr. 1 afbg genannten abschlüssen, da das zertifikat den absolventen zur erledigung verantwortungsvollerer aufgaben als zuvor befähige sowie ihm ein höheres einkommen in aussicht stelle. insoweit verweist der kläger auf einen beschluss des bundesgerichtshofs vom 12. april 2017 – xii zb 86/16 –, nach welchem das an der th e. zu erwerbende ausbildungszertifikat „zertifizierter berufsbetreuer – curator de jure“ eine erhöhte vergütung des betreuers rechtfertige und die fortbildung mit einer ausbildung an einer hochschule vergleichbar sei. weiterhin beruft sich der kläger auf urteile des verwaltungsgerichts hamburg vom 16. juni 2020 – 17 k 5932/19 – und des verwaltungsgerichts regensburg vom 9. märz 2021 – rn 12 k 19.2444 –, in welchen in gleich gelagerten fällen die förderfähigkeit der weiterbildung zum zertifizierten berufsbetreuer an der th e. nach dem aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz anerkannt worden sei. in den urteilen sei insbesondere klargestellt worden, dass es sich bei der weiterbildung nicht um ein die förderfähigkeit ausschließendes studium handele, da weder eine immatrikulation erforderlich sei noch ein akademischer abschluss vermittelt werde. 6der kläger beantragt, 7den beklagten unter aufhebung des ablehnungsbescheides der bezirksregierung l. vom 20. mai 2020 zu verpflichten, ihm die beantragte förderung nach dem aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz für die teilnahme am vorbereitungslehrgang zum zertifizierten berufsbetreuer ‑ curator de jure – an der technischen hochschule e. in gesetzlicher höhe zu gewähren. 8der beklagte beantragt, 9die klage abzuweisen. 10zur begründung wiederholt und vertieft er die im verwaltungsverfahren vorgebrachten gründe. ergänzend trägt er vor, dass die weiterbildung zum zertifizierten berufsbetreuer an der th e. keine berufliche, sondern eine akademische fortbildung sei. als solche sei die maßnahme, wie sich aus der gesetzesbegründung sowie dem gesetzeszweck ergebe, nicht nach dem aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz förderfähig. gegen das vom kläger angeführte urteil des verwaltungsgerichts hamburg sei antrag auf zulassung der berufung erhoben worden. in der begründung des berufungszulassungsantrags, die er sich zu eigen mache, sei im wesentlichen geltend gemacht worden, das vorliegen einer nicht förderfähigen akademischen weiterbildung werde bereits dadurch deutlich, dass die weiterbildung an einer hochschule stattfinde und auf einer von der hochschule verabschiedeten prüfungsordnung basiere. ferner heiße es in der prüfungsordnung in § 5 abs. 2, dass sich die abschlussarbeit vom wissenschaftlichen und von der praxisrelevanten durchdringung auf dem niveau einer masterarbeit bewege. entsprechend sei nach einer entscheidung des bayerischen verwaltungsgerichtshofs vom 20. mai 2010 – 12 bv 09.2090 – ein förderanspruch für eine fortbildungsmaßnahme eines steuerfachangestellten zum steuerberater abgelehnt worden, weil der beruf des steuerberaters als akademische qualifizierung erfolge. aus § 2 abs. 4 der prüfungsordnung ergebe sich überdies, dass es sich um eine maßnahme auf hochschulniveau handele. die th e. sei zudem nicht berechtigt mittels satzung eine prüfungsordnung für eine weiterbildungsmaßnahme zu erlassen, die den anforderungen einer beruflichen weiterbildung nach dem aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz entspreche. der th e. sei nach dem bayerischen hochschulgesetz nur erlaubt, für ein studium hochschulprüfungsordnungen auf grund von satzungen zu erlassen. unter „studium“ könnten hingegen nur die gerade nicht vom aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz erfassten akademischen bildungsmaßnahmen verstanden werden. diese auslegung werde durch § 2 abs. 1 des hochschulrahmengesetzes gestützt, welches die aufgaben von hochschulen beschreibe und deutlich mache, dass diese gerade nicht für die berufliche bildung im sinne des berufsbildungsgesetzes zuständig seien, sondern für die akademische bildung. es liege auch kein fall eines vergleichbaren abschlusses nach § 2 abs. 1 satz 1 nr. 2 afbg vor, da der abschluss lediglich zu einem zertifikat und nicht zu einem staatlich anerkannten beruf führe. des weiteren seien nach dem sinn des aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes nur solche maßnahmen förderfähig, die zielgerichtet zu einem höherwertigen abschluss führen und damit eine eigenständige höherwertige qualifikation vermitteln. bei der streitgegenständlichen weiterbildung gehe es hingegen um die vertiefung und vermittlung zusätzlicher berufsbezogener kompetenzen, um die bereits ausgeübte berufliche tätigkeit besser ausüben zu können. es fehle damit das erfordernis eines höherwertigen abschlusses im bereich der beruflichen bildung. zudem werde das erreichen der für eine förderung erforderlichen fortbildungsdichte der weiterbildung in zweifel gezogen, weil nur einmal im monat ganztägig von montag bis donnerstag präsenzveranstaltungen stattfinden würden. 11wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird ergänzend auf den inhalt der gerichtsakte sowie des beigezogenen verwaltungsvorgangs des beklagten bezug genommen. 12 | 13die klage hat erfolg. 14die als verpflichtungsklage zulässige klage ist begründet. der ablehnungsbescheid des beklagten vom 20. mai 2020 ist rechtswidrig und verletzt den kläger in seinen rechten, § 113 abs. 5 satz 1 der verwaltungsgerichtsordnung (vwgo). der kläger hat gegen den beklagten einen anspruch auf die begehrte förderung. 15rechtsgrundlage für die vom kläger begehrte aufstiegsfortbildungsförderung sind nach der übergangsvorschrift des § 30 abs. 2 afbg der aktuellen fassung die §§ 1, 2, 6 und 10 ff. des aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes in der bis zum 31. juli 2020 geltenden fassung (afbg), da der kläger die fortbildung vor dem 31. juli 2020 begonnen, aber noch nicht abgeschlossen hatte. 16die §§ 1, 2, 6 und 10 ff. afbg vermitteln den teilnehmern förderfähiger fortbildungsmaßnahmen einen anspruch auf förderungsleistungen im gesetzlich bestimmten umfang. 17die anspruchsvoraussetzungen liegen vor. 18der kläger hat formell ordnungsgemäß nach § 19 abs. 1 satz 2 afbg die förderungsleistung vor dem ende der weiterbildungsmaßnahme beantragt. insbesondere ist für seinen förderungsanspruch unschädlich, dass die maßnahme bereits im oktober 2019 begonnen, er den antrag hingegen erst im märz 2020 gestellt hat. 19gemäß § 19 abs. 1 satz 2 afbg muss der maßnahmebeitrag spätestens bis zum ende der maßnahme, bei mehreren in sich selbstständigen abschnitten bis zum ende des jeweiligen maßnahmeabschnitts beantragt werden. nach § 2 abs. 5 afbg können maßnahmen aus mehreren selbstständigen abschnitten (maßnahmeabschnitte) bestehen. ein maßnahmeabschnitt liegt insbesondere dann vor, wenn er auf eine eigenständige prüfung vorbereitet oder mit seinem ende eine verbindliche versetzungsentscheidung erfolgt. 20der antrag des klägers ging bei der beklagten vor dem ende der maßnahme im juli 2021 ein. die semester und module der weiterbildung stellen auch keine maßnahmeabschnitte dar, vor deren jeweiligem ende der kläger einen antrag hätte stellen müssen. zwar gibt die fortbildungsstätte im formblatt b an, dass die maßnahme in abschnitten stattfindet und verweist auf die modulübersicht. bei der beurteilung des vorliegens von maßnahmeabschnitten kommt es hingegen nicht auf die bezeichnung durch die fortbildungsstätte, sondern auf die ausgestaltung der maßnahme an. 21danach spricht der vorgelegte vorlesungsplan für eine zusammenhängende maßnahme. denn die module bauen aufeinander auf und stehen in einem engen zeitlichen und inhaltlichen zusammenhang. die module finden regelmäßig semesterübergreifend statt. zudem bereitet weder ein semester noch ein modul auf eine eigenständige prüfung vor. dies gilt auch vor dem hintergrund, dass nach jedem modul eine prüfungsleistung in form einer schriftlichen prüfung oder prüfungsstudienarbeit abzulegen ist. denn diese stellen letztlich bestandteile der gesamtabschlussnote dar. 22es liegen auch die materiellen anspruchsvoraussetzungen vor. 23die vom kläger absolvierte weiterbildung zum zertifizierten berufsbetreuer ist eine gemäß § 2 abs. 1 satz 1 nr. 2 afbg förderfähige maßnahme. 24förderfähig ist nach § 2 abs. 1 satz 1 afbg die teilnahme an fortbildungsmaßnahmen öffentlicher und privater träger, die in einer fachlichen richtung gezielt vorbereiten auf eines der in den nummern 1 bis 3 aufgeführten fortbildungsziele, nämlich im einzelnen: 25261. fortbildungsabschlüsse zu öffentlich-rechtlich geregelten prüfungen auf der grundlage 27a) der §§ 53 und 54 des berufsbildungsgesetzes oder 28b) der §§ 42, 42a, 45, 51a und 122 der handwerksordnung, 29302. gleichwertige fortbildungsabschlüsse nach bundes- oder landesrechtlichen regelungen, 313. gleichwertige fortbildungsabschlüsse an anerkannten ergänzungsschulen auf der grundlage staatlich genehmigter prüfungsordnungen. 32die streitgegenständliche maßnahme stellt zwar keine fortbildung dar, die auf die vorbereitung auf fortbildungsabschlüsse auf grundlage des berufsbildungsgesetzes oder der handwerksordnung abzielt. allerdings bereitet sie auf einen gleichwertigen fortbildungsabschluss nach landesrechtlichen regelungen im sinne des § 2 abs. 1 satz 1 nr. 2 afbg vor. 33die th e. ist als körperschaft des öffentlichen rechts tauglicher öffentlicher träger der fortbildungsmaßnahme, § 2a satz 2 var. 1 afbg. 34der mit der fortbildungsmaßnahme angestrebte abschluss ist auch landesrechtlich geregelt. die im rahmen der streitgegenständlichen fortbildungsmaßnahme für einen abschluss zu erbringenden prüfungsleistungen sind in der prüfungsordnung der th e. vom 20. oktober 2014 geregelt. die prüfungsordnung stellt eine landesrechtliche regelung dar, da sie aufgrund der art. 13 abs. 2 satz 2, art. 58 abs. 1 und art. 61 abs. 2 satz 1 bayhschg durch die th e. als körperschaft des öffentlichen rechts in form einer satzung erlassen wurde. 35die th e. ist auch berechtigt, mittels satzung eine prüfungsordnung für eine weiterbildungsmaßnahme zu erlassen, die, wie die streitgegenständliche fortbildung, zu keinem akademischen grad führt. die satzungskompetenz der th e. ist nicht ausschließlich auf die planung und regelung akademischer bildungsmaßnahmen, deren fortbildungsziel ein hochschulabschluss ist, beschränkt. eine derartige einschränkung der satzungskompetenz bei dem erlass von studien- und prüfungsordnungen lässt sich dem bayerischen hochschulgesetz nicht entnehmen. vielmehr folgt aus art. 56 abs. 6 bayhschg, dass die hochschule zum erwerb von wissenschaftlichen oder beruflichen teilqualifikationen auch sonstige studien, insbesondere „spezielle weiterbildende studien“ (nr. 3) anbieten kann. sonstige weiterbildende studien stehen neben bewerbern mit abgeschlossenem hochschulstudium und anschließender berufserfahrung auch solchen bewerbern mit berufserfahrung offen, die die für die teilnahme erforderliche eignung im beruf oder auf andere weise erworben haben. die weitere ausgestaltung der weiterbildung kann die hochschule durch satzung regeln, in der auch die erteilung eines zertifikats geregelt werden kann. fortbildungsmaßnahmen in diesem sinne führen dabei zu keinem eigenen hochschulabschluss und entsprechend zu keinem eigenen akademischen grad, 36vgl. beckok hochschulrecht bayern/aulehner, 2021, art. 56 bayhschg, rn. 40. 37der streitgegenständliche fortbildungsabschluss zum zertifizierten berufsbetreuer ist auch gleichwertig im sinne des § 2 abs. 1 satz 1 nr. 2 afbg zu den nach § 2 abs. 1 satz 1 nr. 1 afbg geförderten abschlüssen. 38in formaler hinsicht setzt die gleichwertigkeit zunächst einen in rechtsvorschriften geregelten abschluss mit einer öffentlich-rechtlichen prüfung nach bundes-, landes- oder kammerrecht voraus. nicht in solchen rechtsvorschriften geregelte abschlüsse, wie etwa zertifikate privater bildungsträger, erfüllen diese voraussetzung nicht. 39vgl. ovg nrw, beschluss vom 30. juni 2020 – 12 a 3003/19 –, juris, rn. 41; vgh bad.-württ., urteil vom 8. mai 2006 – 7 s 1666/05 –, juris, rn. 22; schubert/schaumberg, afbg, stand november 2020, § 2 anm. 2.3. 40für den hier streitgegenständlichen abschluss ist eine solche prüfung erforderlich. die zertifikatsausbildung ist nach § 5 abs. 1 der prüfungsordnung erfolgreich abgeschlossen, wenn die modulprüfungen, die abschlussarbeit und das halbstündige abschlusskolloquium mit einer note von mindestens „ausreichend“ bewertet wurden. die schriftlichen prüfungs- und studienarbeiten entsprechen nach § 5 abs. 2 der prüfungsordnung in der regel einer wissenschaftspraktischen falldokumentation und werden von dem jeweiligen fachreferenten als organ des prüfungsausschusses bewertet. die abschlussarbeit bewegt sich nach absatz 3 der regelung von der wissenschaftlichen und praxisrelevanten durchdringung auf dem niveau einer masterarbeit. zudem müssen die teilnehmer, die die gesamte zertifikatsausbildung durchlaufen haben, gemäß § 6 der prüfungsordnung im abschlusskolloquium die fähigkeiten nachweisen, dass sie die erworbenen kenntnisse und fertigkeiten auf komplexe aufgabenstellungen aus der praxis selbstständig anwenden können. 41inhaltlich setzt die gleichwertigkeit voraus, dass der angestrebte fortbildungsabschluss mit den in § 2 abs. 1 satz 1 nr. 1 afbg genannten abschlüssen nach dem berufsbildungsgesetz oder der handwerksordnung vergleichbar ist. ausdrücklich genanntes gesetzgeberisches ziel der förderung nach dem aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz ist die heranbildung künftiger meister, techniker und mittlerer führungskräfte. eine förderfähige maßnahme muss deshalb eine eigenständige und höherwertige qualifikation vermitteln. dabei muss der angestrebte abschluss inhaltlich oberhalb des niveaus einer facharbeiter-, gesellen-, gehilfenprüfung oder eines berufsfachschulabschlusses einzuordnen sein. von der förderung ausgeschlossen sind daher bloße anpassungsfortbildungen auf dem niveau der erstausbildung. 42vgl. ovg nrw, beschluss vom 30. juni 2020 – 12 a 3003/19 – juris, rn. 45 f.; ovg nrw, beschluss vom 20. september 2010 – 12 e 570/10 – juris, rn. 7 ff.; bt-drucks. 13/3698, s. 2. 43mit abschluss der weiterbildung zum zertifizierten berufsbetreuer ist eine solche eigenständige qualifikation gegeben. die streitgegenständliche weiterbildungsmaßnahme ist ausweislich der zugrundeliegenden prüfungsordnung darauf ausgelegt, berufsbetreuer in theoretischer und praktischer hinsicht zu schulen, um das berufsbild des betreuers durch das ausbildungszertifikat auf einen professionalisierten standard zu heben. die mit der weiterbildung vermittelte qualifikation ist auch höherwertig. der bundesgerichtshof hat in seiner rechtsprechung anerkannt, dass die fortbildung zum „zertifizierten berufsbetreuer – curator de jure“ an der th e. eine vergütung des betreuers nach der höchsten stufe des § 4 vormünder- und betreuervergütungsgesetzes (vbvg) rechtfertigt. dies hat er damit begründet, dass die maßnahme besondere kenntnisse vermittele, die den betreuer in die lage versetzten, seine aufgaben zum wohl des betreuten besser und effektiver zu erfüllen, und daher mit einer hochschulausbildung vergleichbar sei. 44vgl. bgh, beschluss vom 12. april 2017 – xii zb 86/16 – juris, rn. 12 ff. 45der angestrebte abschluss bietet den absolventen sowohl vielseitigere einsatzmöglichkeiten in komplexeren und schwierigeren betreuungsfällen als auch die aussicht auf eine erhöhte vergütung. dadurch ist die maßnahme mit einem beruflichen aufstieg verbunden, der inhaltlich das nach § 2 abs. 1 satz 1 nr. 2 afbg erforderliche niveau erreicht. 46so auch vg hamburg, urteil vom 16. juni 2020 – 17 k 5937/19 – juris, rn. 21; vg regensburg, urteil vom 9. märz 2021 – rn 12 k 19.2444 –, n.v. 47der annahme eines höherwertigen abschlusses steht auch nicht entgegen, dass das streitgegenständliche ausbildungszertifikat den absolventen keine neuen berufsfelder eröffnet, sondern die maßnahme sich auf die weiterbildung hinsichtlich des auch ohne das zertifikat ausübbaren berufs des rechtlichen betreuers beschränkt. weder dem sinn und zweck des aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes noch dem wortlaut des § 2 afbg ist zu entnehmen, dass die förderfähigkeit einer maßnahme die erschließung neuer berufsfelder voraussetzt. wie insbesondere auch der blick auf die nach § 2 abs. 1 satz 1 nr. 1 afbg förderfähigen fortbildungsabschlüsse nach dem berufsbildungsgesetz bzw. der handwerksordnung zeigt, ist es für die berufliche höherqualifizierung im sinne des aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes vielmehr typisch, dass sich die angestrebte höherqualifikation auf die bereits zuvor ausgeübte berufstätigkeit der absolventen bezieht. 48das in § 2 abs. 1 satz 1 nr. 2 afbg vorausgesetzte fortbildungsniveau wird durch die streitgegenständliche maßnahme – anders als etwa im falle einer weiterbildung zum steuerberater – auch nicht überschritten, 49vgl. bay. vgh, urteil vom 20. mai 2010 – 12 bv 09.2090 – juris, rn. 16 ff. 50nach der vom beklagten angeführten entscheidung des bayerischen verwaltungsgerichtshofs vom 20. mai 2010 ist das weiterbildungsziel steuerberater nicht im sinne von § 2 abs. 1 satz 1 nr. 2 afbg förderfähig, weil es sich um einen abschluss oberhalb des niveaus der meisterebene handelt, der normalerweise nur über ein studium erreicht wird. die erwägungen des bayerischen verwaltungsgerichtshofs sind auf das vorliegende verfahren hingegen nicht übertragbar. denn das von dem kläger angestrebte fortbildungsniveau liegt nicht oberhalb des niveaus der meisterebene. das niveau der vom kläger absolvierten weiterbildung ist bei einer gesamtbetrachtung des zeitlichen umfangs und des aufbaus, wie auch der bundesgerichtshof angenommen hat, vergleichbar mit einem bachelor-studiengang, 51vgl. bgh, beschluss vom 12. april 2017 – xii zb 86/16 – juris, rn. 15. 52der akademische bachelortitel und der handwerkliche meistertitel sind nach dem deutschen qualifikationsrahmen (dqr) gleichwertig und werden jeweils dem niveau 6 zugeordnet. 53vgl. https://www.dqr.de/media/content/liste_der_zugeordneten_qualifikationen_31_03_2014_bf.pdf. 54an der annahme, dass damit auch der abschluss zum zertifizierten berufsbetreuer auf niveau 6 der dqr liegt, ändert auch das in der prüfungsordnung vorgesehene niveau der abschlussarbeit auf dem einer masterarbeit nichts. dass einzelne während der streitgegenständlichen weiterbildung zu absolvierende prüfungsleistungen über dem durch den abschluss insgesamt vermittelten niveau liegen, vermag an der zuordnung des abschlusses nach der dqr nichts zu ändern, zumal diese höhere anforderung bei der abschlussarbeit eine kompensation des im vergleich zu einem bachelor-studiengang geringeren zeitlichen umfangs der weiterbildung darstellt. 55der förderfähigkeit der maßnahme nach § 2 abs. 1 satz 1 nr. 2 afbg steht außerdem nicht entgegen, dass es sich bei ihr, wie der beklagte meint, um eine akademische weiterbildung handelt. akademische fortbildungsmaßnahmen, deren ausbildungsziel die erlangung eines hochschulabschlusses ist, sind nach dem aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz grundsätzlich nicht förderfähig, da sie keine maßnahmen der beruflichen fortbildung im sinne des gesetzes darstellen. 56vgl. bt drucks. 18/7055, s. 37 f.; bt-drucks. 13/3698, s. 2; schubert/schaumberg, afbg, kommentar, 2020, § 2 anm. 2.3. 57insoweit bedarf es der qualitativen betrachtung, ob die maßnahme grundsätzlich auf die erlangung eines akademischen grades gerichtet ist, und keiner, von dem beklagten angenommenen, formalen betrachtung, nach der eine die förderung ausschließende akademische fortbildung bereits dann vorliegt, wenn eine weiterbildung an einer hochschule aufgrund einer von dieser erlassenen prüfungsordnung angestrebt wird. eine solche formale abgrenzung zwischen beruflicher und akademischer weiterbildung ergibt sich weder aus dem gesetzeswortlaut, nach dem für die förderfähigkeit lediglich eine hier vorliegende fortbildungsmaßnahme bei einem öffentlichen träger sowie eine öffentlich-rechtlich geregelte prüfung erforderlich sind, noch aus der gesetzesbegründung. vielmehr liegt bei betrachtung des in der gesetzesbegründung dargestellten ziels des aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes der stärkung der gleichwertigkeit des beruflichen mit dem akademischen qualifizierungsweg, 58vgl. bt drucks. 18/7055, s. 18.; bt-drucks. 13/3698, s. 13, 59nahe, dass die zum ausschluss einer förderung nach dem aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz führende akademische weiterbildung nicht schon dann vorliegen soll, wenn eine fortbildung von einer hochschule veranstaltet wird, sondern erst, wenn mit der maßnahme auch eine akademische qualifizierung erreicht werden kann. etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der begründung zum entwurf des gesetzes zur förderung der beruflichen aufstiegsfortbildung vom 6. februar 1996 – bt-drucks. 13/3698 –, nach welcher der besuch von hochschulen oder fachhochschulen nicht förderungsfähig sei, da es sich hierbei nicht um eine berufliche fortbildung im sinne des gesetzes handele. zwar wird insoweit undifferenziert auf einen hochschulbesuch verwiesen, jedoch lässt sich daraus angesichts der dargestellten, diesen ausführungen vorangestellten zielsetzung des gesetzes kein genereller förderungsausschluss von weiterbildung an hochschulen herleiten. ein ausschluss der förderungsfähigkeit der auf grundlage des seit 2006 geltenden bayerischen hochschulgesetzes geregelten zertifikatsfortbildung der th e. kann der aus dem jahre 1996 stammenden gesetzesbegründung darüber hinaus nicht entnommen werden, da der gesetzgeber diese art der bei hochschulen angesiedelten fortbildungen in seine den förderausschluss tragenden erwägungen ersichtlich nicht mit einbezogen hat. 60nach diesen maßstäben ist die fortbildung zum zertifizierten berufsbetreuer an der th e. nicht als akademische weiterbildung zu qualifizieren. zwar wird die maßnahme von einer technischen hochschule angeboten. gegen die annahme eines hochschulstudiums spricht aber bereits in formeller hinsicht, dass die teilnahme an der weiterbildung zum zertifizierten berufsbetreuer nicht die hochschulmitgliedschaft aufgrund einer immatrikulation des teilnehmers voraussetzt, sondern die weiterbildung aufgrund einer gesonderten vertraglichen ausbildungsvereinbarung erfolgt. 61vgl. vg hamburg, urteil vom 16. juni 2020 – 17 k 5937/19 – juris, rn. 24; vg regensburg, urteil vom 9. märz 2021 – rn 12 k 19.2444 –, n.v. 62auch bei der gewichtigeren materiellen betrachtung ist die maßnahme nicht als akademische weiterbildung zu qualifizieren. denn das zu erwerbende zertifikat ist unbeschadet der bezeichnung als hochschulzertifikat kein hochschulabschluss, sondern verbrieft lediglich, dass der teilnehmer die maßnahme nach den vorgaben der prüfungsordnung erfolgreich absolviert und die vermittelten kompetenzen erworben hat. der streitgegenständliche fortbildungsabschluss führt zu keinem eigenen akademischen grad und eröffnet gerade nicht den zugang zu einem bestimmten beruf oder berufsfeld, was für einen akademischen abschluss jedoch prägend ist. die weiterbildung bezweckt vielmehr, wie für eine berufliche fortbildungsmaßnahme grundsätzlich üblich, die höherqualifizierung hinsichtlich der schon zuvor ausgeübten tätigkeit der teilnehmer, hier als berufsbetreuer. 63vgl. vg hamburg, urteil vom 16. juni 2020 – 17 k 5937/19 – juris, rn. 25 f.; vg regensburg, urteil vom 9. märz 2021 – rn 12 k 19.2444 –, n.v. 64nichts anderes ergibt sich aus der rechtsprechung des bundesgerichtshofs, nach der die ausbildung zum zertifizierten berufsbetreuer an der th e. als mit einem hochschulstudium vergleichbar anzusehen ist. denn der bundesgerichtshof hat hinsichtlich der maßnahme gerade nicht die tatbestandsvariante der „abgeschlossenen ausbildung an einer hochschule“, sondern lediglich die der „vergleichbaren abgeschlossenen ausbildung“ bei der anwendung des § 4 abs. 1 satz 2 nr. 2 vbvg a.f. bejaht. 65vgl. bgh, beschluss vom 12. april 2017 – xii zb 86/16 – juris, rn. 8 ff. 66eine hochschulausbildung ist demnach ausdrücklich nicht gegeben. dass das streitgegenständliche ausbildungszertifikat nach dieser rechtsprechung als mit einer hochschulausbildung gleichwertig anzusehen ist, steht der förderfähigkeit im übrigen nicht entgegen, da gerade auch die förderung besonders wertiger höherqualifizierungen, jedenfalls solange sie nicht oberhalb des niveaus der meisterebene liegen, dem zweck des aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes entspricht. 67so auch vg hamburg, urteil vom 16. juni 2020 – 17 k 5937/19 – juris, rn. 27; vg regensburg, urteil vom 9. märz 2021 – rn 12 k 19.2444 –, n.v. 68auch die weiteren anspruchsvoraussetzungen liegen vor. 69insbesondere bestehen keine zweifel an der für eine förderung erforderlichen fortbildungsdichte. nach § 2 abs. 3 satz 1 nr. 2 afbg sind maßnahmen in teilzeitform förderfähig, wenn sie mindestens 400 unterrichtsstunden umfassen, sie innerhalb von 48 kalendermonaten abgeschlossen werden und im durchschnitt mindestens 18 unterrichtsstunden je monat stattfinden. nach § 2 abs. 4 satz 1 afbg gelten jeweils 45 minuten einer lehrveranstaltung als unterrichtsstunde. die vom kläger absolvierte weiterbildung umfasste ausweislich des von der fortbildungsstätte ausgefüllten formblattes b 670 unterrichtsstunden und war planmäßig in weniger als 24 monaten abgeschlossen. bereits bei einer berücksichtigung dieser stundenanzahl und der fortbildungsdauer fanden im monat durchschnittlich 27 unterrichtsstunden statt. dies wird auch durch den vom kläger eingereichten vorlesungsplan bestätigt. aus diesem ergibt sich zwar, worauf der beklagte zutreffend hinweist, dass nur einmal im monat von montag bis donnerstag unterrichtseinheiten stattfanden. allerdings folgt aus dem vorlesungsplan, dass in diesen vier tagen mindestens 20 und regelmäßig bis zu 40 unterrichtsstunden abgehalten wurden. dem erreichen der fortbildungsdichte steht auch nicht entgegen, dass in zwei monaten (august und dezember) kein unterricht stattfand, da das durchschnittliche erreichen der geforderten monatlichen 18 unterrichtsstunden dadurch nicht in frage gestellt wird. 70der kläger hat ferner die regelmäßige teilnahme an der fortbildung nachgewiesen. 71gemäß § 9a afbg hat der teilnehmer regelmäßig an der geförderten maßnahme teilzunehmen. die leistungen des teilnehmers müssen erwarten lassen, dass er die maßnahme erfolgreich abschließt. dies wird in der regel angenommen, solange er die maßnahme zügig und ohne unterbrechung absolviert und er sich um einen erfolgreichen abschluss bemüht. eine regelmäßige teilnahme liegt vor, wenn die teilnahme an 70 % der präsenzstunden nachgewiesen wird. die förderung wird hinsichtlich der regelmäßigen teilnahme an der maßnahme unter dem vorbehalt der einstellung und rückforderung geleistet. 72ausweislich des vorgelegten teilnahmenachweises vom 31. august 2021 hat der kläger an allen stunden der fortbildung teilgenommen. 73keiner entscheidung bedarf die frage, ob die verwaltungsgebühr teil der lehrgangsgebühr und damit förderfähig ist, da der kläger eine förderung in der gesetzlichen höhe beantragt hat und der anspruch auf förderung der lehrgangs- und prüfungsgebühren gemäß § 12 abs. 1 satz 1 nr. 1 afbg nur bis zu einem betrag von 15.000,00 euro besteht. dieser betrag wird bereits durch die förderfähigen kursgebühren erreicht. 74die kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 abs. 1, 188 satz 2 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 abs. 1 und 2 vwgo i. v. m. §§ 708 nr. 11, 709 satz 2, 711 der zivilprozessordung. 75die berufung war zuzulassen, da der obergerichtlich bislang unbeantworteten frage der förderungsfähigkeit von zertifikatsfortbildungen an hochschulen grundsätzliche bedeutung zukommt, § 124 abs. 2 nr. 3 vwgo. 76rechtsmittelbelehrung: 77gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich berufung eingelegt werden. die berufung muss das angefochtene urteil bezeichnen. 78die berufung kann auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer rechtsverkehr-verordnung – ervv) eingelegt werden. 79die berufung ist innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils zu begründen. die begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der einlegung der berufung erfolgt, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich oder als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der ervv einzureichen. 80die begründungsfrist kann auf einen vor ihrem ablauf gestellten antrag von dem vorsitzenden des senats verlängert werden. die begründung muss einen bestimmten antrag enthalten sowie die im einzelnen anzuführenden gründe der anfechtung (berufungsgründe). 81im berufungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 82die berufungsschrift und die berufungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. | Klaeger*in | 1 |
126,326 | L 11 KR 94/15 | 2016-02-15T00:00:00 | Beschluss | Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.12.2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Der 1987 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger begehrt die Erstattung der Kosten einer selbstbeschafften Magenbandoperation. 3Am 11.05.2010 beantragte er bei der Beklagten die Übernahme der Kosten einer adipositaschirurgischen Maßnahme. In Auswertung der Angaben des Klägers und der von ihm eingereichten Unterlagen gelangte Dr. E, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Nordrhein - MDK -, in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 17.09.2010 zu dem Ergebnis, dass die Adipositaschirugie nicht zu empfehlen sei, weil die konservativen Therapiemöglichkeiten nicht ausreichend genutzt worden seien. Es bestehe ein behandlungsbedürftiges Übergewicht der Klasse III nach WHO ohne manifeste Folgeerkrankungen. Dieses Übergewicht erfordere ein multimodales Therapiekonzept mit simultaner Beeinflussung der Lebensführung mittels Ernährungsberatung, Bewegungstherapie und psychotherapeutischer Begleitung. Das Konzept solle minimal über sechs, besser sechs bis zwölf Monate konsequent durchgeführt werden. Eigenständige Therapieversuche seien nicht ausreichend, um die frustrane konservative Therapie zu belegen. 4Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 28.09.2010 die Übernahme der Kosten der geplanten Adipositaschirugie mit der Begründung ab, die konservativen Behandlungsmethoden seien noch nicht ausgeschöpft. 5Mit seinem Widerspruch reichte der Kläger ein Attest des Internisten Dr. P ein, trotz diätischer Maßnahmen, mehrerer psychologischer Therapieversuche und professioneller Diätberatungen sei keine Gewichtsabnahme erfolgt. 6Unter dem 07.01.2011 führte der Arzt C, MDK, in seinem sozialmedizinischen Gutachten aus, dass die Kostenübernahme für die angestrebte Operation nicht empfohlen werden könne. Das vorrangig zu fordernde konservative multimodale Konzept sei nicht nachvollziehbar durchgeführt worden, schwerwiegende adipositas-induzierte Folgeerkrankungen lägen bei dem Kläger bisher nicht vor, die Situation einer Ultima Ratio sei nicht erkennbar. 7Nachfolgend überreichte der Kläger eine Rechnung der St. N-Krankenhaus GmbH über 4.950,00 EUR für eine in der Zeit vom 22. bis 25.11.2010 durchgeführte stationäre Behandlung, in deren Rahmen eine Magenbandoperation durchgeführt worden war. Er verwies darauf, anhand unzähliger konservativer Maßnahmen in Eigenregie sein Gewicht zu reduzieren versucht zu haben; er habe auch versucht, der Adipositas durch Sport in einem Fitnessstudio und durch regelmäßiges Joggen Einhalt zu gebieten. Zwar sei immer wieder eine Gewichtsreduktion gelungen, durch den eintretenden Jo-Jo-Effekt habe sich sein Gewicht aber "hochgeschaukelt." Deshalb habe er sich zu der Operation entschlossen. 8Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2011 zurück, die konservativen Maßnahmen seien nicht ausgeschöpft worden. 9Mit seiner Klage vom 14.11.2011 hat der Kläger vorgetragen, die zwischenzeitlich durchgeführte Operation sei für ihn die Ultima Ratio gewesen; deshalb habe er Anspruch auf Erstattung der vorverauslagten Kosten. Er habe in Eigenregie intensiv Sport betrieben und anhand von herkömmlichen Diäten versucht, sein Gewicht zu reduzieren. Eine Ernährungsberatung, eine Verhaltenstherapie sowie eine angewandte medikamentöse Therapie habe nicht stattgefunden. 10Der Kläger hat beantragt, 11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2011 zu verurteilen, an ihn 4.950,00 EUR zu zahlen. 12Die Beklagte hat beantragt, 13die Klage abzuweisen. 14Sie hat die Auffassung vertreten, dass die ambulanten Möglichkeiten vor einer Ultima Ratio durchzuführenden magenchirurgischen Operation nicht ausgeschöpft worden, insbesondere elementare Versorgungen mittels Ernährungsberatung und Verhaltenstherapie nicht erfolgt seien. 15Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden und die Klage mit am 19.01.2015 zugestelltem Urteil vom 19.12.2014 abgewiesen. Die von dem Kläger angefochtene Entscheidung der Beklagten sei rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der von ihm selbstbeschafften Magenbandoperation. § 12 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch gebe vor, dass die den Versicherten zu gewährenden Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssten und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürften. Dabei sei vorliegend zu berücksichtigen, dass ein chirurgischer Eingriff in ein gesundes Körperorgan streitig sei. Die Implantation eines Magenbandes komme nur als Ultima Ratio und nur dann in Betracht, wenn die konservativen Behandlungsmöglichkeiten (diätische Therapie, Bewegungstherapie, medikamentöse Therapie, Psychotherapie) ausgeschöpft worden seien. Dies sei hier nicht der Fall. Nach der zugrunde zu legenden evidenzbasierten Leitlinie "Prävention und Therapie der Adipositas", Version 2007 der Deutschen Adipositasgesellschaft, Deutschen Diabetesgesellschaft, Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin sei Grundlage jedes Gewichtsmanagements ein Basisprogramm, das die Komponenten Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie umfasse und zwei Phasen, nämlich die Gewichtsreduktion und die Gewichtserhaltung mit langfristiger Ernährungsumstellung, beinhalte. Vor Indikationsstellung für eine chirugische Therapie solle wenigstens eine sechs- bis zwölfmonatige konservative Behandlung nach den im Einzelnen definierten Qualitätskriterien stattgefunden haben. Auch in der "S 3 Leitlinie Chirurgie der Adipositas, Version Juni 2010 der chirurgischen Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie" werde für die Indikation zur Operation ein Versagen einer intensiven konservativen Therapie vorausgesetzt. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten seien nach der Leitlinie dann erschöpft, wenn durch eine multimodale konservative Therapie von sechs bis zwölf Monaten das Therapieziel nicht erreicht und gehalten worden sei. Der Kläger habe ein solches mutlimodales Therapiekonzept unstreitig nicht durchgeführt. Insbesondere habe keine koordinierte, geleitete und dokumentierte Langzeitbehandlung stattgefunden. 16Mit seiner Berufung vom 17.02.2015 hat der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft. Dr. P habe bescheinigt, dass er mehrere diätische Maßnahmen, mehrere psychologische Therapieversuche sowie professionelle Diätberatung durchgeführt habe. Dr. L habe darauf verwiesen, dass durch die Gewichtszunahme verschiedene gesundheitliche Probleme entstanden seien. Dr. I habe dargelegt, dass die Gewichtsreduktion auf konservativem Weg keinen langfristigen Erfolg versprochen habe. Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, 17die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.12.2014 entsprechend seinem erstinstanzlichen Antrag zu verurteilen. 18Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß, 19die Berufung des Klägers zurückzuweisen. 20Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 13.07.2015 und 19.11.2015 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. 21Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die Streitakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. 22Entscheidungsgründe: 23Der Senat kann die Berufung durch Beschluss zurückweisen, da die Berufsrichter sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGG). 24Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht im Sinn des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der von ihm selbstbeschafften Magenbandoperation. 25Hierzu verweist der Senat in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht, und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. 26Auch das Vorbringen des Klägers zur Begründung seiner Berufung führt zu keiner abweichenden Entscheidung, denn es besteht im Wesentlichen in einer Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens, das jedoch bereits umfassend gewürdigt wurde. 27Lediglich ergänzend wird ausgeführt: 28Der Kläger hat zwar, wie er auf Befragen des SG ausdrücklich ausgeführt hat, in Eigenregie intensiv Sport getrieben und in Eigenregie diverse herkömmliche Diäten nebst Akupunktur durchgeführt. Dies wird auch weitgehend von den behandelnden Ärzten bestätigt, reicht aber nicht aus, um die chirurgische Behandlung als notwendige und wirtschaftliche Maßnahme anzuerkennen. Denn der Kläger hat, wie vom MDK zutreffend festgestellt, und im Übrigen auch gar nicht streitig, bisher keine wenigstens sechs Monate dauernde ärztlich begleitete Maßnahme der Gewichtsreduktion durchlaufen, die durch ein Konzept der psychologischen Begleitung und Ernährungsberatung sowie Bewegungsanregung begleitet wurde (multimodales Konzept). Diese alternative ambulante und im Vergleich mit der Magenbandoperation auch wegen der dort erforderlichen lebenslangen Nachbetreuung wirtschaftlichere Maßnahme genießt Vorrang vor dem streitigen Eingriff. 29Soweit der Kläger behauptet, Dr. I habe in seinem Attest vom 14.05.2010 dargelegt, dass die Gewichtsreduktion auf konservativem Weg keinen langfristigen Erfolg versprochen habe, ist diese Behauptung unrichtig. Dr. I hat in seinem Attest ausgeführt "Konservative diätische Massnahmen wurden von meinem o.g. Patienten mehrfach durchgeführt, sie bleiben jedoch ohne anhaltenden Erfolg." Er belegt damit die o.a. Voraussetzung der Durchführung eines multimodalen Konzepts, weil nur dieses, nicht aber die von dem Kläger in Eigenregie durchgeführten Maßnahmen überhaupt Erfolg versprechen. 30Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. 31Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). | die berufung des klägers gegen das urteil des sozialgerichts düsseldorf vom 19.12.2014 wird zurückgewiesen. kosten sind nicht zu erstatten. die revision wird nicht zugelassen. 1 | 2der 1987 geborene und bei der beklagten krankenversicherte kläger begehrt die erstattung der kosten einer selbstbeschafften magenbandoperation. 3am 11.05.2010 beantragte er bei der beklagten die übernahme der kosten einer adipositaschirurgischen maßnahme. in auswertung der angaben des klägers und der von ihm eingereichten unterlagen gelangte dr. e, medizinischer dienst der krankenversicherung nordrhein - mdk -, in seinem sozialmedizinischen gutachten vom 17.09.2010 zu dem ergebnis, dass die adipositaschirugie nicht zu empfehlen sei, weil die konservativen therapiemöglichkeiten nicht ausreichend genutzt worden seien. es bestehe ein behandlungsbedürftiges übergewicht der klasse iii nach who ohne manifeste folgeerkrankungen. dieses übergewicht erfordere ein multimodales therapiekonzept mit simultaner beeinflussung der lebensführung mittels ernährungsberatung, bewegungstherapie und psychotherapeutischer begleitung. das konzept solle minimal über sechs, besser sechs bis zwölf monate konsequent durchgeführt werden. eigenständige therapieversuche seien nicht ausreichend, um die frustrane konservative therapie zu belegen. 4die beklagte lehnte daraufhin mit bescheid vom 28.09.2010 die übernahme der kosten der geplanten adipositaschirugie mit der begründung ab, die konservativen behandlungsmethoden seien noch nicht ausgeschöpft. 5mit seinem widerspruch reichte der kläger ein attest des internisten dr. p ein, trotz diätischer maßnahmen, mehrerer psychologischer therapieversuche und professioneller diätberatungen sei keine gewichtsabnahme erfolgt. 6unter dem 07.01.2011 führte der arzt c, mdk, in seinem sozialmedizinischen gutachten aus, dass die kostenübernahme für die angestrebte operation nicht empfohlen werden könne. das vorrangig zu fordernde konservative multimodale konzept sei nicht nachvollziehbar durchgeführt worden, schwerwiegende adipositas-induzierte folgeerkrankungen lägen bei dem kläger bisher nicht vor, die situation einer ultima ratio sei nicht erkennbar. 7nachfolgend überreichte der kläger eine rechnung der st. n-krankenhaus gmbh über 4.950,00 eur für eine in der zeit vom 22. bis 25.11.2010 durchgeführte stationäre behandlung, in deren rahmen eine magenbandoperation durchgeführt worden war. er verwies darauf, anhand unzähliger konservativer maßnahmen in eigenregie sein gewicht zu reduzieren versucht zu haben; er habe auch versucht, der adipositas durch sport in einem fitnessstudio und durch regelmäßiges joggen einhalt zu gebieten. zwar sei immer wieder eine gewichtsreduktion gelungen, durch den eintretenden jo-jo-effekt habe sich sein gewicht aber "hochgeschaukelt." deshalb habe er sich zu der operation entschlossen. 8die beklagte wies den widerspruch des klägers mit widerspruchsbescheid vom 18.10.2011 zurück, die konservativen maßnahmen seien nicht ausgeschöpft worden. 9mit seiner klage vom 14.11.2011 hat der kläger vorgetragen, die zwischenzeitlich durchgeführte operation sei für ihn die ultima ratio gewesen; deshalb habe er anspruch auf erstattung der vorverauslagten kosten. er habe in eigenregie intensiv sport betrieben und anhand von herkömmlichen diäten versucht, sein gewicht zu reduzieren. eine ernährungsberatung, eine verhaltenstherapie sowie eine angewandte medikamentöse therapie habe nicht stattgefunden. 10der kläger hat beantragt, 11die beklagte unter aufhebung des bescheides vom 28.09.2010 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 18.10.2011 zu verurteilen, an ihn 4.950,00 eur zu zahlen. 12die beklagte hat beantragt, 13die klage abzuweisen. 14sie hat die auffassung vertreten, dass die ambulanten möglichkeiten vor einer ultima ratio durchzuführenden magenchirurgischen operation nicht ausgeschöpft worden, insbesondere elementare versorgungen mittels ernährungsberatung und verhaltenstherapie nicht erfolgt seien. 15das sozialgericht (sg) düsseldorf hat im einverständnis mit den beteiligten ohne mündliche verhandlung entschieden und die klage mit am 19.01.2015 zugestelltem urteil vom 19.12.2014 abgewiesen. die von dem kläger angefochtene entscheidung der beklagten sei rechtmäßig. der kläger habe keinen anspruch auf erstattung der kosten der von ihm selbstbeschafften magenbandoperation. § 12 fünftes buch sozialgesetzbuch gebe vor, dass die den versicherten zu gewährenden leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssten und das maß des notwendigen nicht überschreiten dürften. dabei sei vorliegend zu berücksichtigen, dass ein chirurgischer eingriff in ein gesundes körperorgan streitig sei. die implantation eines magenbandes komme nur als ultima ratio und nur dann in betracht, wenn die konservativen behandlungsmöglichkeiten (diätische therapie, bewegungstherapie, medikamentöse therapie, psychotherapie) ausgeschöpft worden seien. dies sei hier nicht der fall. nach der zugrunde zu legenden evidenzbasierten leitlinie "prävention und therapie der adipositas", version 2007 der deutschen adipositasgesellschaft, deutschen diabetesgesellschaft, deutschen gesellschaft für ernährung, deutschen gesellschaft für ernährungsmedizin sei grundlage jedes gewichtsmanagements ein basisprogramm, das die komponenten ernährungs-, bewegungs- und verhaltenstherapie umfasse und zwei phasen, nämlich die gewichtsreduktion und die gewichtserhaltung mit langfristiger ernährungsumstellung, beinhalte. vor indikationsstellung für eine chirugische therapie solle wenigstens eine sechs- bis zwölfmonatige konservative behandlung nach den im einzelnen definierten qualitätskriterien stattgefunden haben. auch in der "s 3 leitlinie chirurgie der adipositas, version juni 2010 der chirurgischen arbeitsgemeinschaft für adipositastherapie" werde für die indikation zur operation ein versagen einer intensiven konservativen therapie vorausgesetzt. die konservativen behandlungsmöglichkeiten seien nach der leitlinie dann erschöpft, wenn durch eine multimodale konservative therapie von sechs bis zwölf monaten das therapieziel nicht erreicht und gehalten worden sei. der kläger habe ein solches mutlimodales therapiekonzept unstreitig nicht durchgeführt. insbesondere habe keine koordinierte, geleitete und dokumentierte langzeitbehandlung stattgefunden. 16mit seiner berufung vom 17.02.2015 hat der kläger sein erstinstanzliches vorbringen vertieft. dr. p habe bescheinigt, dass er mehrere diätische maßnahmen, mehrere psychologische therapieversuche sowie professionelle diätberatung durchgeführt habe. dr. l habe darauf verwiesen, dass durch die gewichtszunahme verschiedene gesundheitliche probleme entstanden seien. dr. i habe dargelegt, dass die gewichtsreduktion auf konservativem weg keinen langfristigen erfolg versprochen habe. der kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, 17die beklagte unter abänderung des urteils des sozialgerichts düsseldorf vom 19.12.2014 entsprechend seinem erstinstanzlichen antrag zu verurteilen. 18die beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß, 19die berufung des klägers zurückzuweisen. 20der senat hat die beteiligten mit schreiben vom 13.07.2015 und 19.11.2015 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die berufung durch beschluss gemäß § 153 abs. 4 sozialgerichtsgesetz (sgg) zurückzuweisen. 21hinsichtlich der weiteren einzelheiten des sach-und streitstandes wird auf die streitakte und die beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten bezug genommen. 22 | 23der senat kann die berufung durch beschluss zurückweisen, da die berufsrichter sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche verhandlung nicht für erforderlich halten. die beteiligten sind hierzu gehört worden (§ 153 abs. 4 satz 1 und 2 sgg). 24die zulässige berufung des klägers ist unbegründet. das sg hat die klage zu recht abgewiesen, denn der kläger ist durch den angefochtenen bescheid nicht im sinn des § 54 abs. 2 satz 1 sgg beschwert. der kläger hat keinen anspruch auf erstattung der kosten der von ihm selbstbeschafften magenbandoperation. 25hierzu verweist der senat in entsprechender anwendung von § 153 abs. 2 sgg auf die zutreffenden gründe der erstinstanzlichen entscheidung, die er sich nach prüfung der sach- und rechtslage zu eigen macht, und sieht zur vermeidung von wiederholungen von einer weiteren darstellung der entscheidungsgründe ab. 26auch das vorbringen des klägers zur begründung seiner berufung führt zu keiner abweichenden entscheidung, denn es besteht im wesentlichen in einer wiederholung seines erstinstanzlichen vorbringens, das jedoch bereits umfassend gewürdigt wurde. 27lediglich ergänzend wird ausgeführt: 28der kläger hat zwar, wie er auf befragen des sg ausdrücklich ausgeführt hat, in eigenregie intensiv sport getrieben und in eigenregie diverse herkömmliche diäten nebst akupunktur durchgeführt. dies wird auch weitgehend von den behandelnden ärzten bestätigt, reicht aber nicht aus, um die chirurgische behandlung als notwendige und wirtschaftliche maßnahme anzuerkennen. denn der kläger hat, wie vom mdk zutreffend festgestellt, und im übrigen auch gar nicht streitig, bisher keine wenigstens sechs monate dauernde ärztlich begleitete maßnahme der gewichtsreduktion durchlaufen, die durch ein konzept der psychologischen begleitung und ernährungsberatung sowie bewegungsanregung begleitet wurde (multimodales konzept). diese alternative ambulante und im vergleich mit der magenbandoperation auch wegen der dort erforderlichen lebenslangen nachbetreuung wirtschaftlichere maßnahme genießt vorrang vor dem streitigen eingriff. 29soweit der kläger behauptet, dr. i habe in seinem attest vom 14.05.2010 dargelegt, dass die gewichtsreduktion auf konservativem weg keinen langfristigen erfolg versprochen habe, ist diese behauptung unrichtig. dr. i hat in seinem attest ausgeführt "konservative diätische massnahmen wurden von meinem o.g. patienten mehrfach durchgeführt, sie bleiben jedoch ohne anhaltenden erfolg." er belegt damit die o.a. voraussetzung der durchführung eines multimodalen konzepts, weil nur dieses, nicht aber die von dem kläger in eigenregie durchgeführten maßnahmen überhaupt erfolg versprechen. 30die kostenentscheidung beruht auf § 193 sgg. 31die voraussetzungen für die zulassung der revision liegen nicht vor (§ 160 abs. 2 sgg). | Verklagte*r | 0 |
165,015 | 4 Ca 358/14 | 2015-06-03T00:00:00 | Urteil | Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. 3. Der Streitwert beträgt 4.825,89 Euro. 1Tatbestand: 2Die Parteien streiten über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und dessen Beendigung durch eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung. 3Unter dem 08.07.2013 bzw. 10.07.2013 schlossen die Parteien einen mit „Handelsvertretervertrag“ überschriebenen Vertrag. 4In diesem Vertag regelten die Parteien u.a. Folgendes: 5„§ 1 Rechtliche Stellung des Handelsvertreters 6Der Handelsvertreter ist ab dem 05.08.2013 als selbständiger Handelsvertreter für den Unternehmer tätig. Das Gebiet des Handelsvertreters erstreckt sich auf Deutschland. Das Recht des Unternehmers, in diesem Gebiet selbst oder durch Dritte tätig zu werden, bleibt unberührt. 7(…) 8§ 3 Pflichten des Handelsvertreters 9(…) 104. Der Handelsvertreter wird seinen Aufgaben entsprechend den Weisungen des Unternehmers nachkommen. Bei Weisungen des Unternehmers an den Handelsvertreter ist seine Stellung als selbständiger Gewerbebetreibender zu berücksichtigen. 115. Die Vertretung wird dem Handelsvertreter persönlich übertragen. Er ist nicht berechtigt, die Handelsvertretung ohne ausdrückliche Zustimmung des Unternehmers auf einen Dritten zu übertragen oder die Handelsvertretung durch einen Dritten stillschweigend zu dulden; er kann aber zur Ausübung seiner Handelsvertretertätigkeit Hilfspersonen heranziehen. Diese beabsichtigte Beschäftigung eines Untervertreters ist dem Unternehmen schriftlich mitzuteilen und vom Unternehmer schriftlich zu genehmigen. (…) 12(…) 13§ 8 Arbeitsverhinderung, Krankheit, Urlaub des Handelsvertreters, nachfolgend Tätigkeitsunterbrechung 141. Der Handelsvertreter hat den Unternehmer unverzüglich schriftlich zu unterrichten, wenn er aus krankheitsbedingten oder sonstigen Gründen an der Ausübung seiner Tätigkeit gehindert ist. 152. Der Handelsvertreter sollte seinen Urlaub nach Möglichkeit in die geschäftsarme Zeit legen. Urlaub unter einer Woche ist 14 Tage im Voraus abzustimmen. Längere Urlaube sollten möglichst 8 Wochen vor Urlaubsantritt mit dem Unternehmer abgestimmt werden. Entsprechendes gilt auch bezüglich anderer vorübergehender Tätigkeitsunterbrechungen.“ 16Bei der Beklagten gibt es mehrere Möglichkeiten, nach denen die Handelsvertreter ihre Vorgehensweise wählen können. Zum einen gibt es die Möglichkeit, auf Messen tätig zu werden, zum anderen gibt es aber auch die Möglichkeit, dass der Handelsvertreter seine Kunden vollständig selbst akquiriert. Zudem betreibt die Beklagte ein Callcenter, in welchem sich Produktinteressent telefonisch melden können. Das Callcenter verabredet mit dem Interessenten dann einen Termin für einen Handelsvertreter in der Nähe des Interessenten. Handelsvertreter haben die Möglichkeit an diesem Callcenter-System teilzunehmen, mit der Folge, dass solche Termine auch für sie festgesetzt werden. Die gesetzten Termine werden per Computersoftware weiterverarbeitet und zu einem Wochenterminplan zusammengestellt. Wird ein Termin in diesem Terminplan frei, so wird er automatisch im Terminplan gestrichen und es kann zu einer Nachbelegung durch das Callcenter kommen. Die an diesem System teilnehmenden Handelsvertreter sind gehalten, vom Zeitplan abweichende Abläufe mindestens 21 Tage zuvor mitzuteilen. Dies erfolgt dahingehend, dass der Handelsvertreter in dem Terminplan eine so genannte Belegt-Mitteilung anzeigen kann und dadurch festlegen kann, an welchen bestimmten Tagen er keine Termine wahrnehmen will. 17Die Klägerin nahm an diesem Callcenter-System teilt. 18Für den 03.10.2014 vergab die Beklagte für die Klägerin Termine. Die Klägerin machte sodann den Projektleiter, Herrn S, durch eine Belegt-Mitteilung vom 23.09.2013 darauf aufmerksam, dass es sich dabei um einen bundeseinheitlichen Feiertag handele. Desweiteren wies die Klägerin die Beklagte mit E-Mail vom 24.09.2013 darauf hin, dass sie an Feiertagen nicht arbeiten wolle. 19Der Projektleiter der Beklagten, Herr S antwortete darauf mit einer E-Mail, dass man grundsätzlich an allen Tagen Termine buche, außer an Sonntagen. Er wies darauf hin, dass eine Belegt-Mitteilung nicht mehr möglich sei. Zugleich forderte er die Klägerin auf, ihre Zeit bis zum Jahresende zu planen, damit solche Terminsabsagen vermieden werden könnten. 20Zum Zeitpunkt der Klageerhebung hatte die Klägerin folgende Nettoprovisionen bekommen: 21August 2013 1.008,40 € 22September 2013 1.716,52 € 23Oktober 2013 651,26 € 24November 2013 2.133,97 € 25Dezember 2013 924,37 € 26für den Monat Februar 0,00 €. 27Mit Schreiben vom 05.02.2014 kündigte die Beklagte den Vertrag mit der Klägerin außerordentlich, hilfsweise ordentlich, innerhalb der Probezeit. Die Kündigung ging der Klägerin am 06.02.2014 zu. 28Mit der am 27.02.2014 beim Arbeitsgericht Paderborn eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestehe und wehrt sich gegen die oben genannte Kündigung. 29Die Klägerin ist der Auffassung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis begründet worden sei. 30Sie behauptet, sie habe keinerlei Möglichkeiten gehabt, eigene Termine zu vergeben, da die Terminvergabe ausschließlich über das Callcenter der Beklagten erfolgt sei. Sie habe 3-4 Kundentermine pro Tag wahrnehmen müssen, wobei ein Kundentermin einen Zeitumfang von 2 Stunden beinhalte, aber durchaus auch mal über 3 Stunden dauern könne. Zu beachten sei, dass zu diesem zeitlichen Umfang jeweils noch die Fahrzeit hinzugerechnet werden müsse. 31Sie habe zudem die Weisung gehabt, die automatisch nachgerückten Termine im Falle einer Absage wahrzunehmen. Dadurch sei ihre Zeiteinteilung durch die Beklagte bestimmt worden. Die Beklagte habe deutlich gemacht, dass sie Belegt-Mitteilungen von der Klägerin nicht akzeptieren werde. Dadurch sei die Klägerin in ihrer Zeiteinteilung nicht selbstständig, sondern durch die Beklagte und ihren Betriebsablauf bestimmt. Eine Flexibilität der Klägerin bestünde nicht. Deutlich werde dies insbesondere durch die Belegung von Terminen am 03.10.2013 und der Reaktion der Beklagten auf die Belegt-Mitteilung der Klägerin vom 23.09.2013. Zudem habe die Klägerin im Dezember 2013 für zwei Wochen eine Belegt-Mitteilung eingestellt. Daraufhin sei sie von der Beklagten gefragt worden, ob sie das wirklich so wolle. Generell seien Belegt-Mitteilungen von der Beklagten nicht gerne gesehen worden. Es sei im Anschluss an solche Mitteilungen häufig zu Kündigungen gekommen. Das zeige sich auch in dem Fall der Klägerin. Auch ein Ausstieg aus dem Callcenter-System der Beklagten sei nicht erwünscht gewesen. 32Durch die Einbindung in die Organisationsstruktur und die von der Beklagten vorgegebenen Termine, habe für die Klägerin kein Spielraum bestanden, auch für andere Unternehmen tätig zu werden. Sie sei allein im Dienste der Beklagten tätig gewesen. 33Die Klägerin habe zudem von der Beklagten Dienstkleidung kaufen müssen. Dies sei ihr bei einer Einarbeitungsveranstaltung so vorgegeben worden. Bei dieser Veranstaltung sei gegenüber der Klägerin gesagt worden, wer erfolgreich sein wolle, der müsse diese Dienstkleidung tragen. 34Die Klägerin habe auch keine Möglichkeit gehabt, ihren Urlaub frei zu planen. Dies habe sie vielmehr mit der Beklagten absprechen, und von dieser genehmigen lassen müssen. 35Ursprünglich hat die Klägerin auch beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen hinaus fortbesteht. Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 03.06.2015 erklärt hat, dass weitere Beendigungstatbestände nicht bestünden, hat die Klägerin den Antrag insoweit zurückgenommen. 36Sie beantragt nunmehr noch, 37 381. festzustellen, dass zwischen der klägerischen und beklagten Partei seit dem 05.08.2013 ein Arbeitsverhältnis besteht, 39 402. a) 41festzustellen, dass das gemäß Antrag zu Ziffer 1. bestehende Arbeitsverhältnis der Klägerin weder durch die schriftliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 05.02.2014, zugegangen am 06.02.2014, beendet worden ist, 42b) 43festzustellen, dass das gemäß Antrag zu Ziffer 1. bestehende Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten vom 05.02.2014, zugegangen am 06.02.2014, nicht aufgelöst worden ist, 44 453. sollte die Beklagte im Gütetermin nicht zu Protokoll des Gerichts erklären, 46dass sie die Klägerin weiterbeschäftigen wird, sofern ein der Klage stattgebendes Urteil ergeht, 47a) 48wird weiter beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 2. zu den folgenden Arbeitsbedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen: 49 Vertragsparteien sind die Parteien dieses Rechtsstreits 50 das Arbeitsverhältnis beginnt am 05.08.2013 51 der Arbeitsort erstreckt sich auf einen Umkreis von ca. 80 km um den Wohnsitz Paderborn der Klägerin 52 die Tätigkeit der Klägerin erstreckt sich auf den im Außendienst zu erbringenden Vertrieb, der von der Beklagten vertriebenen Produkte, welche zum Produktions- und Verkaufsprogramm gehören 53 die Höhe des regelmäßigen monatlichen Bruttoarbeitsentgeltes beträgt 2.250,00 Euro und ist zum Ende eines jeden Monats zur Zahlung fällig 54 die Arbeitszeit beträgt 40 Stunden pro Woche 55 die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubes beträgt 24 Werktage 56 eine Kündigung ist für beide Parteien nur unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen zulässig; verlängert sich die Kündigungsfrist aus tariflichen oder gesetzlichen Gründen, gilt diese Verlängerung auch für beide Parteien 57Hilfsweise hierzu wird beantragt, 58b) 59die Klägerin für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 2. zu den in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag vom 05.08.2013 geregelten Bedingungen als Arbeitnehmer bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen. 60Die Beklagte beantragt, 61 die Klage abzuweisen. 62Die Beklagte ist der Ansicht, dass zwischen den Parteien kein abhängiges Arbeitsverhältnis bestehe. 63Die Klägerin habe bislang bei der Beklagten weder eine Krankenversicherung mitgeteilt noch eine Gehaltsabrechnung gefordert und die erteilten Provisionsabrechnungen auch nie zurückgewiesen. 64In die Organisation der Beklagten sei die Klägerin nicht eingegliedert worden. Es habe keine Zeiterfassung stattgefunden, wie es bei den Angestellten der Beklagten der Fall sei. Sie sei in der Einteilung ihrer Arbeitszeit völlig frei gewesen. Darüber hinaus habe sie auch selbstständig Termine vereinbaren können. Insbesondere hätte sie über die Teilnahme am Callcenter hinaus auch bei Messen oder Verkaufsveranstaltungen Termine wahrnehmen können. Das System des Callcenters sei lediglich ein Angebot an die Handelsvertreter. Diese können daran teilnehmen, wenn sie dies wollen, oder es aber auch sein lassen. Es sei jedoch immer auch möglich, neben diesem System auch selbstständig in ganz Deutschland Termine zu vereinbaren. Es sei lediglich als Hilfestellung gedacht, um einen Einstieg zu erleichtern. Diesbezüglich sei es der Beklagten am liebsten, die Handelsvertreter würden vollständig in eigener Initiative tätig werden und neue Kunden aquirieren. Da die Klägerin mit einer Terminvergabe durch das Callcenter einverstanden gewesen sei, sei sie auch absprachegemäß gebeten worden, Zeiträume mitzuteilen, zu welchen sie keinen Termin wahrnehmen könne. In den Zeiträumen, in denen sich die Klägerin bereit erklärt habe, an der Terminvergabe teilzunehmen, seien auch Termine vergeben worden. Die Beklagte habe generell darauf geachtet, diese Zeiten nach Möglichkeit auch auszuschöpfen. Insofern sei es nur sinnvoll gewesen, dass auch abgesagte Termine nachbelegt worden seien. 65Da es sich um eine vollautomatische Terminierung und Organisationen handele, sei es auch so, dass Kunden nicht von heute auf morgen Termine vereinbaren würden, sondern dass eine Vorlaufzeit von mindestens drei Wochen zu berücksichtigen sei und der Handelsvertreter daher für den entsprechenden Zeitraum im Voraus mitteilen solle und müsse, wenn er keine Zeit habe bzw. für welche Zeiträume er keine Termine wahrnehmen wolle. Grundsätzlich vergebe die Beklagte auch Termine an Sonn- und Feiertagen, was darauf zurückzuführen sei, dass sie auf vielen Verkaufsveranstaltungen und Messen tätig sei, die selbst verständlich auch an solchen Tagen stattfinden würden. Dass Urlaubszeiten abzusprechen seien, sei selbstverständlich. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Beklagte dafür Sorge tragen müsse, dass nicht alle Handelsvertreter zeitgleich in den Urlaub gehen würden. Es sei aber nicht so, dass die Klägerin Urlaubsanträge habe stellen und diese von der Geschäftsleitung habe genehmigen lassen müssen. 66Ebenso unzutreffend sei, dass für die Klägerin keine Möglichkeit bestanden habe, für andere Unternehmen tätig zu werden. Die Beklagte habe dies zu keinem Zeitpunkt verboten. 67Dienstkleidung sei der Klägerin von der Beklagten zwar zur Verfügung gestellt worden. Es habe jedoch zu keiner Zeit ein Zwang bestanden, die gestellten Kleidungsstücke auch zu tragen. Die Handelsvertreter seien lediglich gebeten worden, möglichst einheitlich bei den Kunden aufzutreten. Ob der Handelsvertreter dies tue, sei aber ihm selbst überlassen. Es könne sowieso nicht durch die Beklagte kontrolliert werden. 68Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. 69Entscheidungsgründe: 70Die zulässige Klage ist unbegründet. 71 72I. 73Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis. Die Klägerin ist nicht Arbeitnehmerin der Beklagten. 74 751. 76Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Dabei ist das Arbeitsverhältnis ein auf den Austausch von Arbeitsleistung und Vergütung gerichtetes Dauerschuldverhältnis. Die vertraglich geschuldete Leistung ist im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen, wobei sich die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation insbesondere darin zeigt, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners unterliegt. Arbeitnehmer ist derjenige, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Für den Fall, dass sich die vertragliche Gestaltung und die tatsächliche Durchführung des Vertrages widersprechen, ist die tatsächliche Durchführung maßgeblich (BAG, Urteil vom 11.06.2003 -5 AZR 43/02- NZA 2003, 1163). 77In Abgrenzung dazu ist selbstständig gemäß § 84 Abs. 1 S. 2 HGB, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. 78 792. 80Bei der Beurteilung, ob eine Weisungsgebundenheit vorliegt, sind alle Umstände des Falles in Betracht zu ziehen und zu würdigen. Danach kann im vorliegenden Fall von einer Weisungsgebundenheit nicht ausgegangen werden. 81Die Klägerin leitet ihre Arbeitnehmereigenschaft im Wesentlichen davon ab, dass sie hinsichtlich der Terminvergabe weisungsgebunden gegenüber der Beklagten gewesen sei, sie Arbeitskleidung habe tragen müssen und Urlaub habe genehmigt werden müssen. 82a) 83Die Klägerin war in der Einteilung ihrer Arbeitszeit im Wesentlichen frei. Etwas anderes ergibt sich schon nicht aus dem Vortrag der Klägerin selbst. Sie behauptet zwar, sie habe Weisungen erhalten, Termine wahrzunehmen und habe nicht die Möglichkeit gehabt, eigene Termine zu vereinbaren. Daraus ergibt sich aber nicht, dass eine tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit dahingehend bestanden hat, dass sie keine anderweitigen Termine wahrnehmen konnte. Die Klägerin trägt selbst nicht vor, dass die Beklagte es ihr untersagt habe, eigenständig Termine zu vereinbaren. Zwar hat sich die Klägerin durch die Teilnahme an dem Callcenter-System einer Terminvergabe durch die Beklagte unterworfen. Es ist aber so, dass die Klägerin selbst durch Belegt-Mitteilungen, die sie in ihrem Kalender eintragen konnte, selbst bestimmen konnte, an welchen Tagen sie Termine wahrnehmen wolle und an welchen nicht. Es stand ihr zudem frei, nicht mehr an dem Callcenter-System der Beklagten teilzunehmen. An dieser Tatsache ändert auch ihr Vortrag nichts, dies sei von der Beklagten nicht erwünscht gewesen. Sie hat insoweit nicht schlüssig vorgetragen, aufgrund welchen Verhaltens durch die Beklagte sie zu diesem Schluss gekommen ist. Zudem konnte sie keinen konkreten Vorfall und keine konkrete Aussage der Beklagten in dieser Richtung benennen. 84Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass es bezüglich des 03.10.2013 eine Diskussion über die vergebenen Termine gegeben hat. Für die Planbarkeit der Beklagten war vorgegeben, dass die Klägerin die Belegt-Mitteilung 21 Tage vor dem Termin einträgt. Das hat sie jedoch mit ihrer Mitteilung vom 24.09.2013 für den 03.10.2013 nicht getan. Ob die Klägerin die Termine am 3. Oktober dann tatsächlich wahrgenommen hat, wusste sie auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung selbst nicht mehr zu beantworten. Aus der Antwort der Beklagten lässt sich jedoch schließen, dass die Termine entsprechend der Belegt-Mitteilung der Klägerin abgesagt worden sind. In ihrer E-Mail führt die Beklagte nämlich insoweit aus, dass in Zukunft durch die rechtzeitige Belegt-Mitteilung solche Termin absagen vermieden werden sollen. 85Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin vorträgt, Belegt-Mitteilungen seien von der Beklagten nicht gewünscht gewesen. Insoweit konnte die Klägerin nicht deutlich machen, wann genau die Beklagte ihr gegenüber geäußert haben soll, dass eine Belegt-Mitteilung nicht akzeptiert werde. Auch der Vorfall bzgl. einer Belegt-Mitteilung aus Dezember 2013 lässt keinen anderen Schluss zu. Allein die Nachfrage der Beklagten, ob die Klägerin tatsächlich eine Belegt-Mitteilung für zwei Wochen machen wolle, bedeutet noch nicht, dass die Beklagte es der Klägerin nicht gestattet hat. Es lag vielmehr allein in der Entscheidung der Klägerin, ob sie es bei dieser Mitteilung belassen wolle, oder nicht. 86Die Klägerin konnte auch lediglich allgemeine Aussagen dahingehend treffen, dass in dem Fall, in dem eine Belegt-Mitteilung vorgenommen werden würde, die Beklagte mit einer Kündigung reagiert hätte. Dies ist schon vor dem Hintergrund nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin mit der Beklagten über Belegt-Mitteilungen bezüglich des 03.10.2013 gesprochen hatte. Auch bzgl. der Belegt-Mitteilung für Dezember 2013 hat es bereits Unterhaltungen zwischen der Klägerin und der Beklagten darüber gegeben. Eine Kündigung erfolgte jedoch erst im Februar 2014, so dass ein Zusammenhang nicht gesehen werden kann. 87Mit Ausnahme des 03.10.2013 konnte die Klägerin auch keine Situation nennen, in der Belegt-Meldungen konkret abgelehnt worden seien. Der Vorfall vom 03.10.2013 kann für die Beurteilung an dieser Stelle jedoch schon deshalb nicht herangezogen werden, da die Klägerin in diesem Fall die Belegt-Mitteilung nicht in der gewünschten Ankündigungsfrist von 21 Tagen geschaltet hatte. 88Insgesamt ergibt sich daraus, dass die Klägerin in der Gestaltung ihrer Arbeitszeit frei war. Sie konnte durch die Belegt-Mitteilungen selbst entscheiden, an welchen Tagen sie Termine wahrnehmen wollte und an welchen nicht. Das ist ein gravierender Unterschied zu einem abhängigen Arbeitnehmer. Diesem steht es grundsätzlich nicht frei, selbst zu entscheiden, an welchen Tagen er arbeiten möchten und an welchen nicht. Die Vorgabe der Beklagten, die Belegt-Mitteilung bereits 21 Tage vorher anzumelden bzw. einzutragen, ändert daran ebenfalls nichts. Durch die Belegt-Mitteilungen kann die Klägerin die Grenzen ihrer Tätigkeit gegenüber der Beklagten selbst bestimmen. Dass es einer gewissen Planungssicherheit bedarf, steht dem nicht entgegen. Es ist nicht nur für die Beklagte, sondern ebenso auch für die Klägerin sinnvoll, Termine frühzeitig festzulegen. Wie lange im Voraus sie die Termine festlegen bzw. blocken muss, hat auf die Weisungsfreiheit keine Auswirkungen. Die Klägerin konnte für die Zukunft ihre Terminstage frei bestimmen. 89b) 90Eine Weisungsgebundenheit ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin behauptet, der Urlaub habe genehmigt werden müssen. Die Klägerin hat schon nicht konkret vorgetragen, wann sie Urlaub beantragt habe, welcher dann im Einzelnen von der Beklagten genehmigt oder sogar abgelehnt worden sei. 91Zwar ist in dem Vertrag aufgeführt worden, dass der Urlaub mit der Beklagten abgestimmt werden muss. Die Klägerin kann aber auch hier am Ende durch die Belegt-Mitteilungen gewährleisten, dass sie den Urlaub frei gestalten kann. Einen konkreten Genehmigungsvorbehalt enthält der Arbeitsvertrag nicht. Die Klägerin muss danach lediglich ihren Urlaub anzeigen. Dies ist vor dem Hintergrund der Planbarkeit jedoch auch nicht dahingehend auszulegen, dass eine Weisungsgebundenheit und daher eine Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin vorliegt. 92c) 93Auch das Tragen von Dienstkleidung, lässt nicht auf eine Weisungsgebundenheit oder eine Einbindung in die Arbeitsorganisation der Beklagten schließen. Eine tatsächliche Verpflichtung zum Tragen der Dienstkleidung ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag. Darüber hinaus hat die Klägerin auch hier nicht angegeben, wer ihr wann und wo diese Anweisungen genau gegeben haben will. Soweit sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, auf einer Schulungsveranstaltung sei ihr gegenüber geäußert worden, wer Erfolg haben wolle, müsse die Dienstkleidung tragen, lässt auch das keinen Schluss darauf zu, dass sie zum Tragen von Dienstkleidung verpflichtet gewesen ist. Vielmehr deutet das nur darauf hin, dass durch das Tragen der Dienstkleidung eine Zuordnung zu dem Betrieb der Beklagten hergestellt werden könne, was gegebenenfalls dazu führen könne, dass der Verkauf der Produkte der Beklagten leichter durchzuführen sei. Eine Verpflichtung der Klägerin ist darin jedenfalls nicht zu sehen. 94Im Ergebnis ist daher eine persönliche Abhängigkeit der Klägerin hier nicht erkennbar. 95 96II. 97Da zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis begründet worden ist, war auch nicht festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten nicht beendet worden ist. Es bestand schon gar kein Arbeitsverhältnis, das hätte beendet werden können, sodass eine inhaltliche Prüfung der Kündigung der Beklagten vom 05.02.2014 nicht durchzuführen war. 98 99III. 100Da schon kein Arbeitsverhältnis bestand, hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. 101 102IV. 103Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Als unterlegene Partei hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 104 105V. 106Der Streitwert war gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Gemäß § 42 Abs. 2 S. 1 GKG war für die Kündigungsschutzanträge das dreifache Bruttomonatsgehalt zu berücksichtigen. Für den Weiterbeschäftigungsantrag ist ein Bruttomonatsgehalt berücksichtigt worden. Da es vorliegend kein Bruttomonatsgehalt gibt, ist als Wert eines solchen Gehaltes der Durchschnitt der durch die Beklagte gezahlten Provisionszahlungen zugrunde gelegt worden. | 1. die klage wird abgewiesen. 2. die kosten des rechtsstreits trägt die klägerin. 3. der streitwert beträgt 4.825,89 euro. 1 | 2die parteien streiten über das bestehen eines arbeitsverhältnisses und dessen beendigung durch eine fristlose, hilfsweise fristgerechte kündigung. 3unter dem 08.07.2013 bzw. 10.07.2013 schlossen die parteien einen mit „handelsvertretervertrag“ überschriebenen vertrag. 4in diesem vertag regelten die parteien u.a. folgendes: 5„§ 1 rechtliche stellung des handelsvertreters 6der handelsvertreter ist ab dem 05.08.2013 als selbständiger handelsvertreter für den unternehmer tätig. das gebiet des handelsvertreters erstreckt sich auf deutschland. das recht des unternehmers, in diesem gebiet selbst oder durch dritte tätig zu werden, bleibt unberührt. 7(…) 8§ 3 pflichten des handelsvertreters 9(…) 104. der handelsvertreter wird seinen aufgaben entsprechend den weisungen des unternehmers nachkommen. bei weisungen des unternehmers an den handelsvertreter ist seine stellung als selbständiger gewerbebetreibender zu berücksichtigen. 115. die vertretung wird dem handelsvertreter persönlich übertragen. er ist nicht berechtigt, die handelsvertretung ohne ausdrückliche zustimmung des unternehmers auf einen dritten zu übertragen oder die handelsvertretung durch einen dritten stillschweigend zu dulden; er kann aber zur ausübung seiner handelsvertretertätigkeit hilfspersonen heranziehen. diese beabsichtigte beschäftigung eines untervertreters ist dem unternehmen schriftlich mitzuteilen und vom unternehmer schriftlich zu genehmigen. (…) 12(…) 13§ 8 arbeitsverhinderung, krankheit, urlaub des handelsvertreters, nachfolgend tätigkeitsunterbrechung 141. der handelsvertreter hat den unternehmer unverzüglich schriftlich zu unterrichten, wenn er aus krankheitsbedingten oder sonstigen gründen an der ausübung seiner tätigkeit gehindert ist. 152. der handelsvertreter sollte seinen urlaub nach möglichkeit in die geschäftsarme zeit legen. urlaub unter einer woche ist 14 tage im voraus abzustimmen. längere urlaube sollten möglichst 8 wochen vor urlaubsantritt mit dem unternehmer abgestimmt werden. entsprechendes gilt auch bezüglich anderer vorübergehender tätigkeitsunterbrechungen.“ 16bei der beklagten gibt es mehrere möglichkeiten, nach denen die handelsvertreter ihre vorgehensweise wählen können. zum einen gibt es die möglichkeit, auf messen tätig zu werden, zum anderen gibt es aber auch die möglichkeit, dass der handelsvertreter seine kunden vollständig selbst akquiriert. zudem betreibt die beklagte ein callcenter, in welchem sich produktinteressent telefonisch melden können. das callcenter verabredet mit dem interessenten dann einen termin für einen handelsvertreter in der nähe des interessenten. handelsvertreter haben die möglichkeit an diesem callcenter-system teilzunehmen, mit der folge, dass solche termine auch für sie festgesetzt werden. die gesetzten termine werden per computersoftware weiterverarbeitet und zu einem wochenterminplan zusammengestellt. wird ein termin in diesem terminplan frei, so wird er automatisch im terminplan gestrichen und es kann zu einer nachbelegung durch das callcenter kommen. die an diesem system teilnehmenden handelsvertreter sind gehalten, vom zeitplan abweichende abläufe mindestens 21 tage zuvor mitzuteilen. dies erfolgt dahingehend, dass der handelsvertreter in dem terminplan eine so genannte belegt-mitteilung anzeigen kann und dadurch festlegen kann, an welchen bestimmten tagen er keine termine wahrnehmen will. 17die klägerin nahm an diesem callcenter-system teilt. 18für den 03.10.2014 vergab die beklagte für die klägerin termine. die klägerin machte sodann den projektleiter, herrn s, durch eine belegt-mitteilung vom 23.09.2013 darauf aufmerksam, dass es sich dabei um einen bundeseinheitlichen feiertag handele. desweiteren wies die klägerin die beklagte mit e-mail vom 24.09.2013 darauf hin, dass sie an feiertagen nicht arbeiten wolle. 19der projektleiter der beklagten, herr s antwortete darauf mit einer e-mail, dass man grundsätzlich an allen tagen termine buche, außer an sonntagen. er wies darauf hin, dass eine belegt-mitteilung nicht mehr möglich sei. zugleich forderte er die klägerin auf, ihre zeit bis zum jahresende zu planen, damit solche terminsabsagen vermieden werden könnten. 20zum zeitpunkt der klageerhebung hatte die klägerin folgende nettoprovisionen bekommen: 21august 2013 1.008,40 € 22september 2013 1.716,52 € 23oktober 2013 651,26 € 24november 2013 2.133,97 € 25dezember 2013 924,37 € 26für den monat februar 0,00 €. 27mit schreiben vom 05.02.2014 kündigte die beklagte den vertrag mit der klägerin außerordentlich, hilfsweise ordentlich, innerhalb der probezeit. die kündigung ging der klägerin am 06.02.2014 zu. 28mit der am 27.02.2014 beim arbeitsgericht paderborn eingegangenen klage begehrt die klägerin die feststellung, dass zwischen den parteien ein arbeitsverhältnis bestehe und wehrt sich gegen die oben genannte kündigung. 29die klägerin ist der auffassung, dass zwischen den parteien ein arbeitsverhältnis begründet worden sei. 30sie behauptet, sie habe keinerlei möglichkeiten gehabt, eigene termine zu vergeben, da die terminvergabe ausschließlich über das callcenter der beklagten erfolgt sei. sie habe 3-4 kundentermine pro tag wahrnehmen müssen, wobei ein kundentermin einen zeitumfang von 2 stunden beinhalte, aber durchaus auch mal über 3 stunden dauern könne. zu beachten sei, dass zu diesem zeitlichen umfang jeweils noch die fahrzeit hinzugerechnet werden müsse. 31sie habe zudem die weisung gehabt, die automatisch nachgerückten termine im falle einer absage wahrzunehmen. dadurch sei ihre zeiteinteilung durch die beklagte bestimmt worden. die beklagte habe deutlich gemacht, dass sie belegt-mitteilungen von der klägerin nicht akzeptieren werde. dadurch sei die klägerin in ihrer zeiteinteilung nicht selbstständig, sondern durch die beklagte und ihren betriebsablauf bestimmt. eine flexibilität der klägerin bestünde nicht. deutlich werde dies insbesondere durch die belegung von terminen am 03.10.2013 und der reaktion der beklagten auf die belegt-mitteilung der klägerin vom 23.09.2013. zudem habe die klägerin im dezember 2013 für zwei wochen eine belegt-mitteilung eingestellt. daraufhin sei sie von der beklagten gefragt worden, ob sie das wirklich so wolle. generell seien belegt-mitteilungen von der beklagten nicht gerne gesehen worden. es sei im anschluss an solche mitteilungen häufig zu kündigungen gekommen. das zeige sich auch in dem fall der klägerin. auch ein ausstieg aus dem callcenter-system der beklagten sei nicht erwünscht gewesen. 32durch die einbindung in die organisationsstruktur und die von der beklagten vorgegebenen termine, habe für die klägerin kein spielraum bestanden, auch für andere unternehmen tätig zu werden. sie sei allein im dienste der beklagten tätig gewesen. 33die klägerin habe zudem von der beklagten dienstkleidung kaufen müssen. dies sei ihr bei einer einarbeitungsveranstaltung so vorgegeben worden. bei dieser veranstaltung sei gegenüber der klägerin gesagt worden, wer erfolgreich sein wolle, der müsse diese dienstkleidung tragen. 34die klägerin habe auch keine möglichkeit gehabt, ihren urlaub frei zu planen. dies habe sie vielmehr mit der beklagten absprechen, und von dieser genehmigen lassen müssen. 35ursprünglich hat die klägerin auch beantragt, festzustellen, dass das arbeitsverhältnis nicht durch andere beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten bedingungen hinaus fortbesteht. nachdem die beklagte in der mündlichen verhandlung vom 03.06.2015 erklärt hat, dass weitere beendigungstatbestände nicht bestünden, hat die klägerin den antrag insoweit zurückgenommen. 36sie beantragt nunmehr noch, 37 381. festzustellen, dass zwischen der klägerischen und beklagten partei seit dem 05.08.2013 ein arbeitsverhältnis besteht, 39 402. a) 41festzustellen, dass das gemäß antrag zu ziffer 1. bestehende arbeitsverhältnis der klägerin weder durch die schriftliche fristlose kündigung der beklagten vom 05.02.2014, zugegangen am 06.02.2014, beendet worden ist, 42b) 43festzustellen, dass das gemäß antrag zu ziffer 1. bestehende arbeitsverhältnis der klägerin durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche kündigung der beklagten vom 05.02.2014, zugegangen am 06.02.2014, nicht aufgelöst worden ist, 44 453. sollte die beklagte im gütetermin nicht zu protokoll des gerichts erklären, 46dass sie die klägerin weiterbeschäftigen wird, sofern ein der klage stattgebendes urteil ergeht, 47a) 48wird weiter beantragt, die beklagte zu verurteilen, die klägerin für den fall des obsiegens mit dem feststellungsantrag zu ziffer 2. zu den folgenden arbeitsbedingungen bis zu einer rechtskräftigen entscheidung über den feststellungsantrag weiter zu beschäftigen: 49 vertragsparteien sind die parteien dieses rechtsstreits 50 das arbeitsverhältnis beginnt am 05.08.2013 51 der arbeitsort erstreckt sich auf einen umkreis von ca. 80 km um den wohnsitz paderborn der klägerin 52 die tätigkeit der klägerin erstreckt sich auf den im außendienst zu erbringenden vertrieb, der von der beklagten vertriebenen produkte, welche zum produktions- und verkaufsprogramm gehören 53 die höhe des regelmäßigen monatlichen bruttoarbeitsentgeltes beträgt 2.250,00 euro und ist zum ende eines jeden monats zur zahlung fällig 54 die arbeitszeit beträgt 40 stunden pro woche 55 die dauer des jährlichen erholungsurlaubes beträgt 24 werktage 56 eine kündigung ist für beide parteien nur unter einhaltung der gesetzlichen kündigungsfristen zulässig; verlängert sich die kündigungsfrist aus tariflichen oder gesetzlichen gründen, gilt diese verlängerung auch für beide parteien 57hilfsweise hierzu wird beantragt, 58b) 59die klägerin für den fall des obsiegens mit dem feststellungsantrag zu ziffer 2. zu den in dem zwischen den parteien geschlossenen vertrag vom 05.08.2013 geregelten bedingungen als arbeitnehmer bis zu einer rechtskräftigen entscheidung über den feststellungsantrag weiter zu beschäftigen. 60die beklagte beantragt, 61 die klage abzuweisen. 62die beklagte ist der ansicht, dass zwischen den parteien kein abhängiges arbeitsverhältnis bestehe. 63die klägerin habe bislang bei der beklagten weder eine krankenversicherung mitgeteilt noch eine gehaltsabrechnung gefordert und die erteilten provisionsabrechnungen auch nie zurückgewiesen. 64in die organisation der beklagten sei die klägerin nicht eingegliedert worden. es habe keine zeiterfassung stattgefunden, wie es bei den angestellten der beklagten der fall sei. sie sei in der einteilung ihrer arbeitszeit völlig frei gewesen. darüber hinaus habe sie auch selbstständig termine vereinbaren können. insbesondere hätte sie über die teilnahme am callcenter hinaus auch bei messen oder verkaufsveranstaltungen termine wahrnehmen können. das system des callcenters sei lediglich ein angebot an die handelsvertreter. diese können daran teilnehmen, wenn sie dies wollen, oder es aber auch sein lassen. es sei jedoch immer auch möglich, neben diesem system auch selbstständig in ganz deutschland termine zu vereinbaren. es sei lediglich als hilfestellung gedacht, um einen einstieg zu erleichtern. diesbezüglich sei es der beklagten am liebsten, die handelsvertreter würden vollständig in eigener initiative tätig werden und neue kunden aquirieren. da die klägerin mit einer terminvergabe durch das callcenter einverstanden gewesen sei, sei sie auch absprachegemäß gebeten worden, zeiträume mitzuteilen, zu welchen sie keinen termin wahrnehmen könne. in den zeiträumen, in denen sich die klägerin bereit erklärt habe, an der terminvergabe teilzunehmen, seien auch termine vergeben worden. die beklagte habe generell darauf geachtet, diese zeiten nach möglichkeit auch auszuschöpfen. insofern sei es nur sinnvoll gewesen, dass auch abgesagte termine nachbelegt worden seien. 65da es sich um eine vollautomatische terminierung und organisationen handele, sei es auch so, dass kunden nicht von heute auf morgen termine vereinbaren würden, sondern dass eine vorlaufzeit von mindestens drei wochen zu berücksichtigen sei und der handelsvertreter daher für den entsprechenden zeitraum im voraus mitteilen solle und müsse, wenn er keine zeit habe bzw. für welche zeiträume er keine termine wahrnehmen wolle. grundsätzlich vergebe die beklagte auch termine an sonn- und feiertagen, was darauf zurückzuführen sei, dass sie auf vielen verkaufsveranstaltungen und messen tätig sei, die selbst verständlich auch an solchen tagen stattfinden würden. dass urlaubszeiten abzusprechen seien, sei selbstverständlich. dies sei darauf zurückzuführen, dass die beklagte dafür sorge tragen müsse, dass nicht alle handelsvertreter zeitgleich in den urlaub gehen würden. es sei aber nicht so, dass die klägerin urlaubsanträge habe stellen und diese von der geschäftsleitung habe genehmigen lassen müssen. 66ebenso unzutreffend sei, dass für die klägerin keine möglichkeit bestanden habe, für andere unternehmen tätig zu werden. die beklagte habe dies zu keinem zeitpunkt verboten. 67dienstkleidung sei der klägerin von der beklagten zwar zur verfügung gestellt worden. es habe jedoch zu keiner zeit ein zwang bestanden, die gestellten kleidungsstücke auch zu tragen. die handelsvertreter seien lediglich gebeten worden, möglichst einheitlich bei den kunden aufzutreten. ob der handelsvertreter dies tue, sei aber ihm selbst überlassen. es könne sowieso nicht durch die beklagte kontrolliert werden. 68wegen weiterer einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die wechselseitigen schriftsätze der parteien nebst anlagen bezug genommen. 69 | 70die zulässige klage ist unbegründet. 71 72i. 73zwischen den parteien besteht kein arbeitsverhältnis. die klägerin ist nicht arbeitnehmerin der beklagten. 74 751. 76arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen vertrages im dienste eines anderen zur leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter arbeit in persönlicher abhängigkeit verpflichtet ist. dabei ist das arbeitsverhältnis ein auf den austausch von arbeitsleistung und vergütung gerichtetes dauerschuldverhältnis. die vertraglich geschuldete leistung ist im rahmen einer von dritten bestimmten arbeitsorganisation zu erbringen, wobei sich die eingliederung in die fremde arbeitsorganisation insbesondere darin zeigt, dass der beschäftigte einem weisungsrecht seines vertragspartners unterliegt. arbeitnehmer ist derjenige, der nicht im wesentlichen frei seine tätigkeit gestalten und seine arbeitszeit bestimmen kann. für den fall, dass sich die vertragliche gestaltung und die tatsächliche durchführung des vertrages widersprechen, ist die tatsächliche durchführung maßgeblich (bag, urteil vom 11.06.2003 -5 azr 43/02- nza 2003, 1163). 77in abgrenzung dazu ist selbstständig gemäß § 84 abs. 1 s. 2 hgb, wer im wesentlichen frei seine tätigkeit gestalten und seine arbeitszeit bestimmen kann. 78 792. 80bei der beurteilung, ob eine weisungsgebundenheit vorliegt, sind alle umstände des falles in betracht zu ziehen und zu würdigen. danach kann im vorliegenden fall von einer weisungsgebundenheit nicht ausgegangen werden. 81die klägerin leitet ihre arbeitnehmereigenschaft im wesentlichen davon ab, dass sie hinsichtlich der terminvergabe weisungsgebunden gegenüber der beklagten gewesen sei, sie arbeitskleidung habe tragen müssen und urlaub habe genehmigt werden müssen. 82a) 83die klägerin war in der einteilung ihrer arbeitszeit im wesentlichen frei. etwas anderes ergibt sich schon nicht aus dem vortrag der klägerin selbst. sie behauptet zwar, sie habe weisungen erhalten, termine wahrzunehmen und habe nicht die möglichkeit gehabt, eigene termine zu vereinbaren. daraus ergibt sich aber nicht, dass eine tatsächliche oder rechtliche unmöglichkeit dahingehend bestanden hat, dass sie keine anderweitigen termine wahrnehmen konnte. die klägerin trägt selbst nicht vor, dass die beklagte es ihr untersagt habe, eigenständig termine zu vereinbaren. zwar hat sich die klägerin durch die teilnahme an dem callcenter-system einer terminvergabe durch die beklagte unterworfen. es ist aber so, dass die klägerin selbst durch belegt-mitteilungen, die sie in ihrem kalender eintragen konnte, selbst bestimmen konnte, an welchen tagen sie termine wahrnehmen wolle und an welchen nicht. es stand ihr zudem frei, nicht mehr an dem callcenter-system der beklagten teilzunehmen. an dieser tatsache ändert auch ihr vortrag nichts, dies sei von der beklagten nicht erwünscht gewesen. sie hat insoweit nicht schlüssig vorgetragen, aufgrund welchen verhaltens durch die beklagte sie zu diesem schluss gekommen ist. zudem konnte sie keinen konkreten vorfall und keine konkrete aussage der beklagten in dieser richtung benennen. 84eine andere bewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass es bezüglich des 03.10.2013 eine diskussion über die vergebenen termine gegeben hat. für die planbarkeit der beklagten war vorgegeben, dass die klägerin die belegt-mitteilung 21 tage vor dem termin einträgt. das hat sie jedoch mit ihrer mitteilung vom 24.09.2013 für den 03.10.2013 nicht getan. ob die klägerin die termine am 3. oktober dann tatsächlich wahrgenommen hat, wusste sie auf nachfrage in der mündlichen verhandlung selbst nicht mehr zu beantworten. aus der antwort der beklagten lässt sich jedoch schließen, dass die termine entsprechend der belegt-mitteilung der klägerin abgesagt worden sind. in ihrer e-mail führt die beklagte nämlich insoweit aus, dass in zukunft durch die rechtzeitige belegt-mitteilung solche termin absagen vermieden werden sollen. 85etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die klägerin vorträgt, belegt-mitteilungen seien von der beklagten nicht gewünscht gewesen. insoweit konnte die klägerin nicht deutlich machen, wann genau die beklagte ihr gegenüber geäußert haben soll, dass eine belegt-mitteilung nicht akzeptiert werde. auch der vorfall bzgl. einer belegt-mitteilung aus dezember 2013 lässt keinen anderen schluss zu. allein die nachfrage der beklagten, ob die klägerin tatsächlich eine belegt-mitteilung für zwei wochen machen wolle, bedeutet noch nicht, dass die beklagte es der klägerin nicht gestattet hat. es lag vielmehr allein in der entscheidung der klägerin, ob sie es bei dieser mitteilung belassen wolle, oder nicht. 86die klägerin konnte auch lediglich allgemeine aussagen dahingehend treffen, dass in dem fall, in dem eine belegt-mitteilung vorgenommen werden würde, die beklagte mit einer kündigung reagiert hätte. dies ist schon vor dem hintergrund nicht nachvollziehbar, dass die klägerin mit der beklagten über belegt-mitteilungen bezüglich des 03.10.2013 gesprochen hatte. auch bzgl. der belegt-mitteilung für dezember 2013 hat es bereits unterhaltungen zwischen der klägerin und der beklagten darüber gegeben. eine kündigung erfolgte jedoch erst im februar 2014, so dass ein zusammenhang nicht gesehen werden kann. 87mit ausnahme des 03.10.2013 konnte die klägerin auch keine situation nennen, in der belegt-meldungen konkret abgelehnt worden seien. der vorfall vom 03.10.2013 kann für die beurteilung an dieser stelle jedoch schon deshalb nicht herangezogen werden, da die klägerin in diesem fall die belegt-mitteilung nicht in der gewünschten ankündigungsfrist von 21 tagen geschaltet hatte. 88insgesamt ergibt sich daraus, dass die klägerin in der gestaltung ihrer arbeitszeit frei war. sie konnte durch die belegt-mitteilungen selbst entscheiden, an welchen tagen sie termine wahrnehmen wollte und an welchen nicht. das ist ein gravierender unterschied zu einem abhängigen arbeitnehmer. diesem steht es grundsätzlich nicht frei, selbst zu entscheiden, an welchen tagen er arbeiten möchten und an welchen nicht. die vorgabe der beklagten, die belegt-mitteilung bereits 21 tage vorher anzumelden bzw. einzutragen, ändert daran ebenfalls nichts. durch die belegt-mitteilungen kann die klägerin die grenzen ihrer tätigkeit gegenüber der beklagten selbst bestimmen. dass es einer gewissen planungssicherheit bedarf, steht dem nicht entgegen. es ist nicht nur für die beklagte, sondern ebenso auch für die klägerin sinnvoll, termine frühzeitig festzulegen. wie lange im voraus sie die termine festlegen bzw. blocken muss, hat auf die weisungsfreiheit keine auswirkungen. die klägerin konnte für die zukunft ihre terminstage frei bestimmen. 89b) 90eine weisungsgebundenheit ergibt sich auch nicht daraus, dass die klägerin behauptet, der urlaub habe genehmigt werden müssen. die klägerin hat schon nicht konkret vorgetragen, wann sie urlaub beantragt habe, welcher dann im einzelnen von der beklagten genehmigt oder sogar abgelehnt worden sei. 91zwar ist in dem vertrag aufgeführt worden, dass der urlaub mit der beklagten abgestimmt werden muss. die klägerin kann aber auch hier am ende durch die belegt-mitteilungen gewährleisten, dass sie den urlaub frei gestalten kann. einen konkreten genehmigungsvorbehalt enthält der arbeitsvertrag nicht. die klägerin muss danach lediglich ihren urlaub anzeigen. dies ist vor dem hintergrund der planbarkeit jedoch auch nicht dahingehend auszulegen, dass eine weisungsgebundenheit und daher eine arbeitnehmereigenschaft der klägerin vorliegt. 92c) 93auch das tragen von dienstkleidung, lässt nicht auf eine weisungsgebundenheit oder eine einbindung in die arbeitsorganisation der beklagten schließen. eine tatsächliche verpflichtung zum tragen der dienstkleidung ergibt sich nicht aus dem arbeitsvertrag. darüber hinaus hat die klägerin auch hier nicht angegeben, wer ihr wann und wo diese anweisungen genau gegeben haben will. soweit sie in der mündlichen verhandlung vorgetragen hat, auf einer schulungsveranstaltung sei ihr gegenüber geäußert worden, wer erfolg haben wolle, müsse die dienstkleidung tragen, lässt auch das keinen schluss darauf zu, dass sie zum tragen von dienstkleidung verpflichtet gewesen ist. vielmehr deutet das nur darauf hin, dass durch das tragen der dienstkleidung eine zuordnung zu dem betrieb der beklagten hergestellt werden könne, was gegebenenfalls dazu führen könne, dass der verkauf der produkte der beklagten leichter durchzuführen sei. eine verpflichtung der klägerin ist darin jedenfalls nicht zu sehen. 94im ergebnis ist daher eine persönliche abhängigkeit der klägerin hier nicht erkennbar. 95 96ii. 97da zwischen den parteien kein arbeitsverhältnis begründet worden ist, war auch nicht festzustellen, dass das arbeitsverhältnis durch die kündigung der beklagten nicht beendet worden ist. es bestand schon gar kein arbeitsverhältnis, das hätte beendet werden können, sodass eine inhaltliche prüfung der kündigung der beklagten vom 05.02.2014 nicht durchzuführen war. 98 99iii. 100da schon kein arbeitsverhältnis bestand, hat die klägerin auch keinen anspruch auf weiterbeschäftigung. 101 102iv. 103die kostenentscheidung beruht auf § 46 abs. 2 s. 1 arbgg, § 91 abs. 1 s. 1 zpo. als unterlegene partei hat die klägerin die kosten des rechtsstreits zu tragen. 104 105v. 106der streitwert war gem. § 61 abs. 1 arbgg im urteil festzusetzen. gemäß § 42 abs. 2 s. 1 gkg war für die kündigungsschutzanträge das dreifache bruttomonatsgehalt zu berücksichtigen. für den weiterbeschäftigungsantrag ist ein bruttomonatsgehalt berücksichtigt worden. da es vorliegend kein bruttomonatsgehalt gibt, ist als wert eines solchen gehaltes der durchschnitt der durch die beklagte gezahlten provisionszahlungen zugrunde gelegt worden. | Verklagte*r | 0 |
143,544 | 27 K 7686/14 | 2015-11-10T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet. Die Berufung wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Rundfunkbeiträgen. Unter der Geltung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages war er nicht als Rundfunkteilnehmer gemeldet. Seit Inkrafttreten des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages - RBStV – wird er vom Beklagten als Inhaber einer Wohnung am K. 14 in O. zu Rundfunkbeiträgen unter der Teilnehmernummer 000 000 000 herangezogen. 3Nachdem der Kläger die Rundfunkbeiträge trotz Erinnerung nicht zahlte, setzte der Beklagte mit Bescheid vom 1. August 2014 Rundfunkbeiträge für den Zeitraum von Januar 2013 bis März 2014 in Höhe von 277,70 Euro einschließlich eines Säumniszuschlags in Höhe von 8 Euro fest. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger unter dem 28. August 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er darauf, es handele sich nicht um einen Bescheid. Das Schreiben enthalte weder eine Unterschrift noch irgendeinen Namen. Außerdem sei der Beitragsservice keine Behörde. 4Mit weiterem Bescheid vom 1. September 2014 – zur Post aufgegeben am 8. September 2014 - setzte der Beklagte Rundfunkbeiträge für den Zeitraum von April bis Juni 2014 in Höhe von 61,94 Euro einschließlich eines Säumniszuschlags in Höhe von 8 Euro fest. Gegen diesen Bescheid wandte sich der Kläger unter Hinweis auf seine Urlaubsabwesenheit zunächst mit einer E-Mail vom 30. September 2014, der er ein nicht unterschriebenes Widerspruchsschreiben vom 30. September 2014 als PDF Datei beifügte. Dieses Widerspruchsschreiben reichte er sodann mit Unterschrift am 16. Oktober 2014 mittels Fax und am 20. Oktober 2014 mittels Einschreiben erneut ein. 5Der Beklagte wies beide Widersprüche des Klägers mit Bescheid vom 20. Oktober 2014 zurück und führte zur Begründung aus: Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 1. September 2014 sei nicht zulässig. Die E-Mail vom 30. September 2014 sei nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen gewesen, so dass der Widerspruch nicht zulässig gewesen sei. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 1. August 2014 sei zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid sei formell rechtmäßig und von der zuständigen Stelle erlassen worden. Die Bescheide vom 1. August 2014 und 1. September 2014 seien auch jeweils materiell rechtmäßig. Seit dem 1. Januar 2013 und dem Inkrafttreten des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages komme es auf das Bereithalten von Rundfunkgeräten nicht mehr an, da nach § 2 Abs. 1 RBStV die Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung anknüpfe. Das Beitragskonto seiner Ehefrau mit der Beitragsnummer 000 000 000 sei zum Abmeldedatum Januar 2013 abgemeldet worden. 6Der Kläger hat am 20. November 2014 unter Wiederholung seines Vorbringens aus dem Widerspruchsverfahren Klage erhoben. Er trägt ergänzend vor: Soweit sein Widerspruch gegen den Bescheid vom 1. September 2014 als unzulässig zurückgewiesen werde, sei dies fehlerhaft. Er habe den Widerspruch am 30. September 2014 per Mail mit angehängter PDF Datei verschickt. Eine Eingangsbestätigung habe er erhalten. Er habe in der Mail ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er in Spanien keine Möglichkeit habe, zu drucken oder zu faxen. Nach seiner Rückkehr habe er am 16. Oktober die PDF Dateien gedruckt, unterschrieben und per Einwurf Einschreiben verschickt. Als er am 9. September 2014 in Urlaub gefahren sei, sei der Bescheid vom 1. September 2014 noch nicht in seinem Briefkasten gewesen. Am 26. September 2014 habe ihn sein Sohn in Spanien besucht und das Schriftstück ungeöffnet mitgebracht. Die Frist der Bekanntgabe beginne also mit dem 26. September 2014, so dass sein Widerspruch vom 16. Oktober 2014 fristgerecht gewesen sei. Falls dies nicht so sei, beantragte er Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Im Übrigen seien beide Bescheide rechtswidrig. Der Vorhalt, er sei mit einer Wohnung als Beitragsschuldner angemeldet, sei nicht tragfähig, man möge ihm seine Unterschrift zeigen. Es gebe keinen rechtsgültigen Vertrag nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Auch fehlten in den Bescheiden die nach § 37 Abs. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz geforderten Angaben. Insoweit sei auf die Entscheidung des Landgerichts Tübingen zu verweisen. Auch könne ein Säumniszuschlag erst verlangt werden, wenn ein Festsetzungsbescheid ergangen sei. Ergänzend sei auf die zwischenzeitlich vorliegenden diversen Gutachten, so von Koblenzer, Degenhart, Geuer, Hilker, Terschüren, Waldhoff, Exner und Seifarth sowie schließlich die schriftliche Stellungnahme von Professor Ingo von Münch vom 25. März 2011 zu verweisen. Alle bestätigten die Verfassungswidrigkeit. Ferner liege zwischenzeitlich ein Gutachten des Bundesfinanzministeriums vor. Auch sei das ZDF nicht frei von politischem Einfluss und des Weiteren stellten zwei annähernd gleiche Sendergruppen wie ARD und ZDF eine unzumutbare Auslegung des Grundgesetzes bezüglich einer Grundversorgung mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk dar. Die eingenommenen Gelder würden straflos verschwendet für überzogene Gehälter, horrende Gagen und sinnfreie teure Sendezeitverschwendung. Dadurch werde sein Grundrecht auf Informationsfreiheit verletzt. Deswegen begehre er Beitragsbefreiung nach § 4 Abs. 6 S. 1 RBStV aus Gewissensgründen wegen eines besonderen Härtefalls. Der Zugang zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk sei auch nicht mehr zeitgemäß. Gerade die Frage der Nutzung des Internetangebots der öffentlich-rechtlichen Sender könne jederzeit über Benutzer Passworte geregelt werden; als bezahlte Option gestaffelt nach sozialen Kriterien. Das Programmangebot könne problemlos mit elektronischen Mitteln auf ein kostenpflichtiges Angebot für diejenigen, die es annehmen wollen, eingeschränkt werden. Die Höhe des Rundfunkbeitrags sei nicht nach dem Einkommen und der Leistungsfähigkeit der Haushalte ausgerichtet und stelle eine grobe finanzielle Benachteiligung von Haushalten mit geringem Jahreseinkommen dar. Zudem sei der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag europarechtswidrig und zwar wegen des Vorrangs des EU Rechts. Darüber hinaus folge die Europarechtswidrigkeit daraus, dass es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine neue Beihilfe handle. 7Der Kläger beantragt, 8die Beitragsbescheide des Beklagten vom 1. August 2014 und 1. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2014 aufzuheben. 9Der Beklagte beantragt, 10die Klage abzuweisen. 11Zur Begründung wiederholt und vertieft er die im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Gründe und trägt ergänzend vor, der Kläger habe gegen beide Bescheide fristgerecht Widerspruch eingelegt, die zurückgewiesen worden seien. Die Klage sei als unbegründet abzuweisen. Die Bescheide vom 1. August und 1. September 2014 seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Die ab dem 1. Januar 2013 geltende Rundfunkbeitragspflicht nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sei verfassungskonform. 12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der dazu beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. 13Entscheidungsgründe: 14Die Klage hat keinen Erfolg. 15Die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 2 VwGO ist zulässig. Zulässig ist sie insbesondere auch in Bezug auf den Bescheid vom 1. September 2014. Zwar genügt die Widerspruchseinlegung mittels E-Mail hier nicht den Anforderungen an einen schriftlichen Widerspruch. Der Kläger hat den Widerspruch allerdings unter Darlegung seiner Hinderungsgründe schriftlich nachgereicht. Insbesondere hat der Beklagte angesichts dessen in seiner Klageerwiderung den Widerspruch ausdrücklich als zulässig erachtet und ausschließlich die Abweisung in der Sache begehrt. 16Vgl. hierzu z.B. BVerwG, Urteil vom 2. September 1983 – 7 C 97/81 -, juris. 17Die Klage ist aber unbegründet. Die Beitragsbescheide des Beklagten vom 1. August 2014 und 1. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Der Beklagte hat den Kläger mit diesen Bescheiden zu Recht für die Zeiträume von Januar 2013 bis März 2014 in Höhe von 277,70 Euro einschließlich eines Säumniszuschlags in Höhe von 8 Euro und von April bis Juni 2014 in Höhe von 61,94 Euro einschließlich eines Säumniszuschlags in Höhe von 8 Euro herangezogen. 18Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Sie genügen insbesondere hinsichtlich Bestimmtheit und Form den Anforderungen des nicht unmittelbar (vgl. § 2 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land NRW – VwVfG NRW), aber entsprechend anwendbaren § 37 VwVfG NRW. Der hierzu unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Landgerichts Tübingen 19Beschluss vom 19. Mai 2014 – 5 T 81/14 –, juris und vom 8. Januar 2015 – 5 T 296/14 –, juris 20erhobene Einwand des Klägers, die angefochtenen Bescheid ließen nicht, wie in § 37 Abs. 3 VwVfG NRW vorgegeben, die erlassende Behörde erkennen und enthielten weder die Unterschrift noch die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten, greift nicht durch. Hierzu wird eingewandt, nach dem Gesamteindruck des Bescheides werde bei dem Adressaten der Eindruck erweckt, der ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice - als nach § 10 Abs. 7 S. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) nicht rechtsfähige öffentlich-rechtliche Verwaltungsgemeinschaft - habe den Verwaltungsakt erlassen. Dass dieser im Beitragsbescheid genannt wird, entspricht aber der Vorgabe des § 10 Abs. 7 RBStV. Danach nimmt jede Landesrundfunkanstalt die ihr nach dem Staatsvertrag zugewiesenen Aufgaben – wozu die Beitragsfestsetzung zählt – ganz oder teilweise durch die Verwaltungsgemeinschaft selbst wahr. Es handelt sich bei der Verwaltungsgemeinschaft um einen Teil der Rundfunkanstalt, der lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen aus dem normalen Betrieb am Sitz jeder Anstalt örtlich ausgelagert ist. 21Vgl. Tucholke, in: Beck´scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, § 10 RBStV Rn. 59; so auch zur GEZ: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 30. April 2009 – 8 E 1377/08 –, Rechtsprechungsdatenbank NRWE (www.nrwe.de); zum Beitragsservice: Sächsisches OVG, Beschluss vom 28. März 2014 – 3 D 7/14 – , juris (Rn. 13). 22Der in Bezug genommene Beschluss des LG Tübingen vom 19. Mai 2014 – 5 T 81/14 – ist im Übrigen zwischenzeitlich aufgehoben worden durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11. Juni 2015 – I ZB 64/14 - (juris). 23Dies zugrunde legend geht der Beklagte als „erlassende Behörde“ im Sinne des § 37 Abs. 3 VwVfG NRW mit für den Adressaten hinreichender Deutlichkeit aus den angefochtenen Ausgangsbescheiden hervor. Zwar wird der ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice mit seinen Zugangsdaten im rechten oberen Teil des Briefkopfes aufgeführt. Im linken Teil wird aber der Beklagte mit seiner Postadresse genannt. Auch endet der Text mit der Absendergrußformel: „Mit freundlichen Grüßen Ihr Westdeutschen Rundfunk“. Schließlich ist auch der Widerspruchsbescheid bezeichnet als „Widerspruchsbescheid des Westdeutschen Rundfunks“ und auch dieser schließt mit „freundlichen Grüßen“ des Beklagten. Da die Beitragsbescheide des Beklagten auch mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen werden, bedurfte es gemäß § 37 Abs. 5 S. 1 VwVfG NRW nicht der in Absatz 3 der Vorschrift vorgesehenen Unterschrift oder Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten. 24Die Heranziehung des Klägers zum Rundfunkbeitrag findet (in materieller Hinsicht) ihre Rechtsgrundlage in § 2 Abs. 1 und 2, § 7 Abs. 1, 2 und 3 sowie § 10 Abs. 5 S. 1 des am 1. Januar 2013 als Art. 1 des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages in Kraft getretenen Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV), dem der Landtag in seiner Sitzung am 8. Dezember 2011 gemäß Art. 66 S. 2 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen zugestimmt (GV. NRW. S. 675 ff.) und dadurch den zwischen allen Bundesländern abgeschlossenen Staatsvertrag in geltendes Landesrecht im Rang eines Gesetzes überführt hat. Vor diesem Hintergrund geht die Einschätzung des Klägers, es handele sich beim Rundfunkbeitragsstaatsvertrag um einen privatrechtlichen Vertrag zulasten Dritter, fehl. 25Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung in diesem Sinne ist gemäß § 2 Abs. 2 RBStV jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt (S. 1), wobei als Inhaber jede Person vermutet wird, die 1. dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder 2. im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (S. 2). Nach § 7 Abs. 1 S. 1 RBStV beginnt die Pflicht zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags mit dem Ersten des Monats, in dem der Beitragsschuldner erstmals die Wohnung innehat. Gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 RBStV endet sie mit dem Ablauf des Monats, in dem das Innehaben der Wohnung endet, jedoch nicht vor dem Ablauf des Monats, in dem dies der zuständigen Landesrundfunkanstalt angezeigt worden ist. § 7 Abs. 3 RBStV sieht vor, dass der Rundfunkbeitrag monatlich geschuldet und in der Mitte eines Dreimonatszeitraums jeweils für drei Monate zu leisten ist. Gemäß § 10 Abs. 5 S. 1 RBStV werden rückständige Rundfunkbeiträge durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt. 26Danach lagen die Voraussetzungen für die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen für den gesamten streitbefangenen Zeitraum von Januar 2013 bis Juni 2014 gegenüber dem Kläger vor. Der Kläger war im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages zum 1. Januar 2013 Inhaber der Wohnung unter der Anschrift Am K. in O. und hatte diese Wohnung auch noch bei Ablauf des Monats Juni 2014 inne. Bis zur Festsetzung mit den angefochtenen Bescheiden hatte der Kläger die angefallenen Rundfunkbeiträge nicht geleistet. 27Entgegen der Einschätzung des Klägers verstoßen die seiner Heranziehung zu Grunde liegenden Vorschriften des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages auch nicht gegen höherrangiges Recht, was zwischenzeitlich auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) in seinen Urteilen vom 12. März 2015 – 2 A 2311/14, 2 A 2422/14 und 2 A 2423/14 – (jeweils juris und abrufbar unter http://www.nrwe.de) bestätigt hat. 28So auch: Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz (VerfGH RP), Urteil vom 13. Mai 2014 – VGH B 35/12 –, juris; Bayerischer Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH), Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 19. Juni 2015 – 7 BV 14.1707 –, juris; VG Köln, Urteil vom 16. Oktober 2014 – 6 K 7041/13 –, juris; VG Arnsberg, Urteil vom 20. Oktober 2014 – 8 K 3353/13 –, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 14 K 395/14 –, juris; VG Minden, Urteil vom 19. November 2014 – 11 K 3920/13 –, juris; VG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 –, juris; VG Potsdam, Urteil vom 19. August 2014 – 11 K 4160/13 –, juris; VG Bremen, Urteil vom 20. Dezember 2013 – 2 K 570/13 –, juris; Kube, Der Rundfunkbeitrag – Rundfunk- und finanzverfassungsrechtliche Einordnung – Rechtsgutachten, Juni 2013; Bosman, Paradigmenwechsel in der Rundfunkfinanzierung: Von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag, K&R 2012, 5 ff.; vgl. auch Kirchhof, Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, April 2010. 29A.A. Degenhart, Verfassungsfragen des Betriebsstättenbeitrags nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – Rechtsgutachten, K&R Beihefter 1/2013, 1 ff.; ders., Verfassungsrechtliche Zweifelsfragen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, ZUM 2011, 193 ff.; Terschüren, Zur Rechtsnatur des Rundfunkbeitrags – Warum der Rundfunkbeitrag eine verfassungswidrige Zwecksteuer darstellt, CR 2013, 702 ff.; Koblenzer/Günther, Abgabenrechtliche Qualifizierung des neuen Rundfunkbeitrags und finanzverfassungsrechtliche Konsequenzen, Handelsblatt-Online 2013; Korioth/Koemm, Gut gemeint, doch schlecht gemacht: Die neue Rundfunkabgabe ist verfassungswidrig!, DStR 2013, 833 ff.; Exner/Seifarth, Der neue „Rundfunkbeitrag“ – Eine verfassungswidrige Reform, NVwZ 2013, 1569 ff. 30Weder verstößt die Rundfunkbeitragspflicht gegen die von Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte allgemeine Handlungsfreiheit (1.) noch wird mit der tatbestandlichen Anknüpfung dieser Pflicht an die Inhaberschaft einer Wohnung der allgemeine Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG oder das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG verletzt (2.). Des weiteren stellt die Rundfunkbeitragspflicht keine Verletzung sonstiger Grundrechte dar, insbesondere nicht der Rechte aus Art. 5 Abs. 1, 4 Abs. 1, 12, 13 und 14 GG (3.). Auch verstoßen die Vorschriften der §§ 8, 9 Abs. 1 und 14 Abs. 9 RBStV zur Anzeigepflicht, zum Auskunftsrecht sowie zum einmaligen Datenabgleich mit den Meldebehörden bei Inkrafttreten des RBStV, deren Anwendung im Einzelfall zur Heranziehung eines Wohnungsinhabers geführt hat, nicht gegen das von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung (4). Schließlich ist kein Verstoß gegen europarechtliche Normen ersichtlich (5.). 31Hierzu hat die Kammer in ihrem Urteil vom 3. März 2015 – 27 K 9590/13 – (juris und abrufbar unter http://www.nrwe.de) ausgeführt: 321. Die in § 2 Abs. 1 RBStV vorgesehene Rundfunkbeitragspflicht des Inhabers jeder Wohnung verletzt nicht die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit. 33Als Auferlegung einer Geldleistungspflicht stellt die Erhebung des Rundfunkbeitrags zwar einen Eingriff in die persönliche Freiheitsentfaltung im vermögensrechtlichen Bereich als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit dar. 34Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 25. Juni 2014 – 1 BvR 668 und 2104/10 –, juris (Rn. 37); BVerfG, Beschluss vom 25. September 1992 – 2 BvL 5,8 und 14/91 –, juris (Rn. 64). 35Dieser Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Denn der Rundfunkbeitrag beruht auf einem formell und materiell verfassungsmäßigen Gesetz und gehört damit zur verfassungsmäßigen Ordnung als Schranke der allgemeinen Handlungsfreiheit. Er ist als nichtsteuerliche Abgabe mit Gegenleistungscharakter (a) gerechtfertigt, für die das Land Nordrhein-Westfalen mangels Bundeskompetenz zur Gesetzgebung befugt war (b) und die den Anforderungen genügt, die sich zum einen aus der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung an solche Abgaben (c), zum anderen aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben (d). 36a) Der Rundfunkbeitrag nach § 2 Abs. 1 RBStV ist keine Steuer, sondern eine nichtsteuerliche Abgabe in Form einer Vorzugslast. 37Maßgeblich für die Qualifizierung einer Abgabe als Steuer oder nichtsteuerliche Abgabe ist die Ausgestaltung des betreffenden Gesetzes. Die Einordnung der Abgabe richtet sich nicht nach ihrer gesetzlichen Bezeichnung, sondern nach ihrem tatbestandlich bestimmten, materiellen Gehalt. 38Steuern sind öffentliche Abgaben, die als Gemeinlast ohne individuelle Gegenleistung („voraussetzungslos“) zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben werden. 39Abgaben mit Gegenleistungscharakter sollen dagegen einen Sondervorteil ausgleichen. Sie stellen sich als Vorzugslasten dar. Darunter fallen Gebühren und Beiträge. Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken. Das gilt entsprechend für Beiträge, die im Unterschied zu Gebühren schon für die potentielle Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Leistung erhoben werden. Der Gedanke der Gegenleistung, also des Ausgleichs von Vorteilen und Lasten, ist der den Beitrag im abgabenrechtlichen Sinn legitimierende Gesichtspunkt. Während bei den Zwecksteuern die Ausgaben- und die Einnahmenseite voneinander abgekoppelt sind, werden bei den nichtsteuerlichen Abgaben in Form von Beiträgen die Rechtfertigung und die Höhe der Abgabe gerade durch den öffentlichen Aufwand vorgegeben. 40Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 1 BvR 668 und 2104/10 –, juris (Rn. 40 ff.). 41Ob eine Wechselbezüglichkeit von staatlichen Leistungen und Abgabenlast besteht, bestimmt sich unter Berücksichtigung der die Abgrenzung notwendig machenden Kriterien anhand einer wertenden Betrachtung. 42Vgl. VerfGH RP, Urteil vom 13. Mai 2014 – VGH B 35/12 –, juris (Rn. 89). 43Danach ist der Rundfunkbeitrag nach § 2 Abs. 1 RBStV keine Steuer, sondern eine nichtsteuerliche Abgabe in Form einer Vorzugslast. Das hierfür maßgebliche Wechselseitigkeitsverhältnis wird durch die normative Ausgestaltung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages, der zufolge der Beitrag die Möglichkeit des Empfangs öffentlich-rechtlichen Rundfunks abdeckt (aa), sowie dadurch begründet, dass die Abgabenbelastung wie auch die Verwendung der Einkünfte nach Grund und Höhe durch ihre Funktion zur Finanzierung (allein) des Rundfunks bedingt sind (bb). 44Vgl. VerfGH RP, Urteil vom 13. Mai 2014 – VGH B 35/12 –, juris (Rn. 86 ff.); BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris (Rn. 71 ff.). 45Die Kammer schließt sich insoweit der Einschätzung des Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz an, der in seinem Urteil vom 13. Mai 2014 – VGH B 35/12 – (juris (Rn. 92 ff.)) ausgeführt hat: 46aa) „Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag knüpft die Abgabenpflicht gemäß § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1 RBStV an das Innehaben einer Wohnung im privaten sowie einer Betriebsstätte im nicht privaten Bereich an. Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll hierdurch die Möglichkeit, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen, abgegolten werden. Insoweit hat der Gesetzgeber der Regelung unter Rückgriff auf statistische Angaben die Annahme zugrunde gelegt, dass die Bürger heutzutage nahezu ausnahmslos über empfangsfähige Geräte verfügen und diese daher – zumal angesichts des andernfalls notwendigen Kontrollaufwands – kein für eine Abgabenpflicht geeignetes Abgrenzungsmerkmal (mehr) darstellen. Auch wenn danach ein Rundfunkempfang oftmals ortsunabhängig ist, beruht die Maßgeblichkeit der Wohnung oder Betriebsstätte auf der Annahme, dort liege der Schwerpunkt der Rundfunknutzung, wie auch auf dem Umstand, dass dies eine den gesellschaftlichen Gegebenheiten entsprechende Zusammenfassung mehrerer Rundfunknutzer zu einer Empfangs- und damit Beitragsgemeinschaft ermöglicht. (…) 47Damit steht nach der normativen Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags die Abgabenpflicht in einem Wechselseitigkeitsverhältnis zur Einräumung der Möglichkeit der Rundfunknutzung als Vorteil. Seine Entsprechung findet dies darin, dass taubblinde Menschen – denen eine Rundfunknutzung objektiv unmöglich ist – gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV von der Beitragspflicht befreit sind; Bürger, die das Rundfunkangebot nur eingeschränkt nutzen können – blinde und hörgeschädigte Menschen, § 4 Abs. 2 RBStV –, zahlen nur einen verringerten Beitrag. Darüber hinaus sieht § 4 Abs. 6 RBStV eine Beitragsbefreiung in einem besonderen Härtefall vor, welcher u. a. dann vorliegt, wenn es einem Rundfunkbeitragsschuldner objektiv unmöglich ist, Rundfunk zu empfangen (LT-Drucks. 16/188, S. 23).“ 48bb) „Die Konnexität von Abgabenlast und besonderer staatlicher Leistung und damit die Qualifizierung als nichtsteuerliche Abgabe folgt zudem daraus, dass die Abgabenbelastung wie auch die Verwendung der Einkünfte nach Grund und Höhe durch ihre Funktion zur Finanzierung (allein) des Rundfunks bedingt, d. h. unauflösbar miteinander verbunden sind. 49Ein zur Qualifizierung als nichtsteuerliche Abgabe führendes Gegenseitigkeitsverhältnis kann auch dadurch hergestellt werden, dass der Umfang der Abgabenbelastung durch die Höhe der staatlichen Aufwendungen für den abgabenfinanzierten Zweck bzw. durch diesen selbst rechtlich begrenzt sind. Denn den Steuern ist, da sie voraussetzungslos sind und der Gewinnung der Mittel für den allgemeinen Finanzbedarf dienen, gerade zu Eigen, dass ihre Höhe (verfassungs-)rechtlich nicht durch die mit ihnen finanzierten staatlichen Aufgaben, sondern durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bürger begrenzt ist (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1976 – 1 BvR 150/75 –, BVerfGE 43, 108 [118 ff.]; Urteil vom 3. November 1982 – 1 BvR 620/78 u.a. –, BVerfGE 61, 319 [344 ff.]; Beschlüsse vom 22. Februar 1984 – 1 BvL 10/80 –, BVerfGE 66, 214 [222 ff.], und vom 29. Mai 1990 – 1 BvL 20/84 u.a. –, BVerfGE 82, 60 [86]). Rechtmäßigkeitskriterium für Gebühren und Beiträge hingegen, die für die tatsächliche oder die potenzielle Inanspruchnahme staatlicher Einrichtungen erhoben werden, sind die mit ihnen verfolgten legitimen Abgabenzwecke, wobei dem Kostendeckungs- und dem Äquivalenzprinzip kein Verfassungsrang zukommen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 6. Februar 1979 – 2 BvL 5/76 –, BVerfGE 50, 217 [227]; vom 9. Mai 1989 – 1 BvL 35/86 –, BVerfGE 80, 103 [107]; vom 12. Februar 1992 – 1 BvL 1/89 –, BVerfGE 85, 337 [346], und vom 10. März 1998 – 1 BvR 178/97 –, BVerfGE 97, 332 [344 f.]; Urteil vom 5. November 2002 – 2 BvL 9/98 u.a. –, BVerfGE 108, 1 [18]). Eine Abgabenerhebung grundsätzlich ohne Rücksicht auf die allgemeine steuerliche Leistungsfähigkeit steht daher einer materiell-rechtlichen Einordnung als Steuer ebenso entgegen wie die tatbestandliche Verknüpfung des Grundes und der Höhe der Abgabenpflicht mit der Erledigung einer speziellen Aufgabe (BVerfG, Beschlüsse vom 24. Januar 1995 – 1 BvL 18/93 u.a. –, BVerfGE 92, 91 [114], und vom 18. Mai 2004 – 2 BvR 2374/99 –, BVerfGE 110, 370 [384]). 50Eine solche Verknüpfung von Abgabenlast und Abgabenzweck folgt vorliegend daraus, dass unter Zugrundelegung des derzeitigen Rundfunksystems die Höhe der Rundfunkabgabe von Verfassungs wegen durch den Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht nur bestimmt, sondern zugleich auch begrenzt ist. Vertraut der Gesetzgeber im Interesse der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung die Rundfunkveranstaltung ganz oder zum Teil öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an, so folgt aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG seine Pflicht zu einer funktionsgerechten Finanzierung dieser Anstalten. Deren Funktion begründet jedoch nicht nur, sondern begrenzt zugleich zum Schutz der Abgabenpflichtigen die finanzielle Gewährleistungspflicht. Der Gesetzgeber ist daher nicht nur nicht verpflichtet, jede Programmentscheidung, welche die Rundfunkanstalten in Wahrnehmung ihrer Programmfreiheit treffen, finanziell zu honorieren; er ist vielmehr daran gehindert, soweit die daraus folgende Geldleistungspflicht der Abgabenschuldner das zur Funktionserfüllung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gebotene Maß überschreitet. Er muss, darf aber auch nur die Finanzierung der zur Wahrnehmung der spezifischen Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erforderlichen Programme ermöglichen (BVerfG, Urteil vom 4. November 1986 – 1 BvF 1/84 –, BVerfGE 73, 118 [158]; Beschlüsse vom 24. März 1987 – 1 BvR 147/86 u.a. –, BVerfGE 74, 297 [342], und vom 6. Oktober 1992 – 1 BvR 1586/89 u.a. –, BVerfGE 87, 181 [198, 200 ff.]; Urteile vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 –, BVerfGE 90, 60 [90, 92 f., 102 ff.], und vom 11. September 2007 – 1 BvR 2270/05 u.a. –, BVerfGE 119, 181 [219]). Ungeachtet des Umstands, dass der Umfang der Finanzierungspflicht seitens der Verfassung nicht betragsmäßig, sondern nur verfahrenstechnisch durch Einbindung einer unabhängigen Institution bestimmbar ist, handelt es sich hierbei um keine politische oder um eine Ermessens-, sondern innerhalb der rundfunkverfassungsrechtlichen Grenzen um eine gebundene fachliche Entscheidung (BVerfG, Urteile vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 –, BVerfGE 90, 60 [95, 103 f.], und vom 11. September 2007 – 1 BvR 2270/05 u.a. –, BVerfGE 119, 181 [219]). 51Diese in der Natur der Rundfunkfinanzierung wurzelnde verfassungsrechtliche Begrenzung des Tatbestands der Abgabenlast durch den Abgabenzweck bei gleichzeitiger entsprechender Verwendungsbindung begründet deren Konnexität. Hierin unterscheidet sie sich insbesondere von der (Finanzierungs-)Zwecksteuer, bei welcher lediglich die Verwendung der Mittel, nicht jedoch zugleich deren Erhebung rechtlich beschränkt bzw. bedingt ist (§ 8 Satz 2 Bundeshaushaltsordnung; § 8 Satz 2 Landeshaushaltsordnung). Zwar dürfen etwaige Überschüsse aus Zwecksteuern nicht für die Finanzierung anderer Aufgaben verwendet werden, sondern unterliegen, sofern sie am Ende der Haushaltsperiode nicht verausgabt wurden, weiter ihrem beschränkten Verwendungszweck. Die Bindung erfasst jedoch nur die Verwendung der Einnahmen; sie steht zudem – innerhalb der (verfassungs-)rechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer solchen Zweckbindung – im politischen Ermessen des Gesetzgebers, der sich hiervon folglich auch wieder lösen kann. Zudem ist bei der Zwecksteuer der Kreis der Abgabepflichtigen nicht streng mit dem Kreis der Vorteilsempfänger identisch (Waldhoff, StuW 2002, 285 [298, 303]). Schließlich spricht für den Charakter als nichtsteuerliche Abgabe nicht nur der Umstand, dass der Beitrag einem speziellen – nicht dem allgemeinen – Finanzbedarf gewidmet ist, sondern zusätzlich hierzu, dass das Abgabenaufkommen nicht in den allgemeinen Landeshaushalt einfließt, sondern der eigenständigen Verwaltung der Rundfunkanstalten unterliegt (vgl. BVerfG, Urteil vom 06. Juli 2005 – 2 BvR 2335/95 u.a. –, BVerfGE 113, 128 [146]).“ 52Die hohe Zahl der Rundfunkbeitragspflichtigen steht der Einordnung als nichtsteuerliche Abgabe nicht entgegen. Die Qualifizierung als Entgelt scheitert allgemein nicht an der Größe des Adressatenkreises des staatlichen Leistungsangebots. Entscheidend ist alleine der Gegenleistungscharakter der Abgabe, d.h. die Art des Belastungsgrundes dem einzelnen gegenüber, nicht aber die Zahl paralleler Belastungen. 53Vgl. Kube, Der Rundfunkbeitrag – Rundfunk- und finanzverfassungsrechtliche Einordnung – Rechtsgutachten, Juni 2013, S. 33. 54Im Fall des Rundfunkbeitrags korrespondiert die Breite der Finanzierungsverantwortung mit der Größe des Adressatenkreises, an den sich das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks richtet, ohne dass dies etwas an dem tatbestandlich bestimmten Gegenleistungsverhältnis zur einzelnen Person ändert. 55Vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris (Rn. 75). 56Dementsprechend hat auch der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz im bereits oben zitierten Urteil vom 13. Mai 2014 (Rn. 103) insoweit ausgeführt: 57„Soweit hinsichtlich der staatlichen Leistungen, deren Finanzierung die Abgabe bezweckt, ein „besonderer“ Vorteil erforderlich ist, ist Bezugsrahmen für die Feststellung einer derartigen Besonderheit nicht die Stellung des Abgabepflichtigen im Vergleich zur restlichen Bevölkerung, sondern die Abgrenzung der zu finanzierenden Aufgabe gegenüber den Gemeinlasten, d.h. den allgemeinen staatlichen Aufgaben. Von diesen unterscheidet sich die Veranstaltung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks ungeachtet der Pflicht des Staates zu dessen funktionsgerechter Finanzierung jedoch grundlegend.“ 58Unter Verweis auf genau diese Ausführungen hat schließlich auch das Bundesverfassungsgericht jüngst noch einmal festgestellt, dass nicht ausgeschlossen ist, „dass eine unbestimmte Vielzahl von Bürgern zu Beiträgen herangezogen werden, sofern ihnen jeweils ein Sondervorteil individuell-konkret zugerechnet werden kann.“ 59BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 1 BvR 668 und 2104/10 –, juris (Rn. 52). 60Dass letzeres hier der Fall ist, wurde bereits oben gezeigt. 61b) Für die Erhebung des Rundfunkbeitrags als nichtsteuerliche Abgabe mit Gegenleistungscharakter hat das Land Nordrhein-Westfalen dem Grunde nach die Gesetzgebungskompetenz. 62Für öffentlich-rechtliche Abgaben, die keine Steuern sind, richtet sich die Gesetzgebungskompetenz nach den allgemeinen Regeln über die Sachgesetzgebungskompetenzen (Art. 70 ff. GG). 63Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 1 BvR 668 und 2104/10 –, juris (Rn. 45). 64Die Gesetzgebungskompetenz für den Rundfunk liegt gemäß Art. 70 Abs. 1 GG bei den Ländern, was auch die Regelung in Art. 23 Abs. 6 S. 1 GG bestätigt. Sie schließt die Kompetenz zur Regelung der Rundfunkfinanzierung ein. 65Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 22. August 2012 – 1 BvR 199/11 – , juris (Rn. 16); BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 – <8. Rundfunkurteil / Kabelgroschen>, juris (Rn. 191). 66c) Das Land Nordrhein-Westfalen hat auch die Grenzen seiner Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich des Rundfunkbeitrags nicht überschritten, die sich für nichtsteuerliche Abgaben aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung des Grundgesetzes (Art. 104a ff. GG) ergeben. 67Das Grundgesetz enthält keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgabentypen. Im Rahmen der Finanzverfassung regelt es neben den Zöllen und Finanzmonopolen im Wesentlichen die bundesstaatliche Verteilung der Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenzen nur für das Finanzierungsmittel der Steuer. Das schließt die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben zwar nicht aus. Die grundgesetzliche Finanzverfassung verlöre aber ihren Sinn und ihre Funktion, wenn der Gesetzgeber unter Rückgriff auf seine Kompetenzen aus Art. 70 ff. GG den Bürger unter Umgehung der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln mit beliebigen nichtsteuerlichen Abgaben belegen könnte. 68Sie bedürfen daher insbesondere – über die Einnahmeerzielung hinaus oder an deren Stelle – einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Zwar bestehen danach gegen die Erhebung von Vorzugslasten, die zu den „klassischen“ Abgabenarten und zum tradierten Bestand staatlicher Tätigkeit gehören, keine grundsätzlichen Bedenken. Sie sind dem Grunde nach bereits durch ihre Ausgleichsfunktion sachlich besonders gerechtfertigt. Jedoch kann ihre konkrete gesetzliche Ausgestaltung mit der Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung kollidieren. Ihre Erhebung bedarf daher nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich ihrer konkreten Ausgestaltung, insbesondere ihrer Höhe einer im Verhältnis zur Steuer besonderen, unterscheidungskräftigen Legitimation. 69Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2004 – 2 BvR 2374/99 – , juris (Rn. 85 ff.); BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 – 2 BvL 9-12/98 – < Rückmeldegebühr Baden-Württemberg>, juris (Rn. 48 ff.); VerfGH RP, Urteil vom 13. Mai 2014 – VGH B 35/12 –, juris (Rn. 106). 70Diesen Anforderungen genügt die Regelung der Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich sowohl hinsichtlich der Erhebung des Beitrags dem Grunde nach (aa) als auch hinsichtlich seiner Höhe (bb). 71aa) Der Rundfunkbeitrag ist dem Grunde nach im Verhältnis zur Steuer bundesverfassungsrechtlich durch seine Ausgleichsfunktion ( (1) ) und die Finanzierungsgarantie ( (2) ) zu Gunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks besonders sachlich gerechtfertigt. 72Vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris (Rn. 80); VerfGH RP, Urteil vom 13. Mai 2014 – VGH B 35/12 –, juris (Rn. 108 ff.). 73Die Kammer schließt sich insoweit den folgenden Ausführungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – (juris (Rn. 80 ff.)) an: 74(1) „Der Vorteilsausgleich dient nach den Vorstellungen des Normgebers zwei ineinandergreifenden Zwecken: Zum einen soll er den Vorteil abgelten, der daraus entsteht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in besonderem Maß die Grundlagen der Informationsgesellschaft fördert und einen wichtigen Beitrag zur Integration und Teilhabe an demokratischen, kulturellen und wirtschaftlichen Prozessen leistet (LT-Drs. 16/7001 S. 11); insoweit ist grundsätzlich jede Person im Einwirkungsbereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an der Finanzierungsverantwortung zu beteiligen, weil sie einen gleichsam strukturellen Vorteil aus dessen Wirken zieht. Zum anderen wird ein Entgelt für die Möglichkeit individueller Nutzung verlangt, von der bei typisierender Betrachtung in den gesetzlich bestimmten Raumeinheiten üblicherweise Gebrauch gemacht wird (vgl. etwa LT-Drs. 16/7001 S. 12 f., 17). Beide Gründe rechtfertigen jeweils für sich die Erhebung des Rundfunkbeitrags neben den Steuern (vgl. P. Kirchhof, Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2010, S. 59 f.).“ 75(2) „Die Rechtfertigung für die im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag gewählte Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags folgt aus der grundgesetzlichen Finanzierungsgarantie zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einschließlich seiner bedarfsgerechten Finanzierung. Der Gesetzgeber hat Vorsorge dafür zu treffen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Funktion unbeeinflusst von jeglicher Indienstnahme für außerpublizistische Zwecke, seien sie politischer oder ökonomischer Natur, erfüllen kann (BVerfGE 119, 181/214 ff. m. w. N.; BVerfG vom 25.3.2014 – 1 BvF 1/11 u. a. – juris Rn. 33 ff.). Auch wenn das Grundgesetz keine bestimmte Finanzierungsregelung vorschreibt, so ist doch eine Finanzierung erforderlich, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Stand setzt, die ihm zukommende Funktion im gegenwärtigen System des (…) Nebeneinanders von öffentlich-rechtlichem und privatwirtschaftlichem Rundfunk zu erfüllen, und die ihn zugleich wirksam davor schützt, dass die Entscheidung über die Finanzausstattung zu politischen Einflussnahmen auf das Programm genutzt wird. Die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemäße Art der Finanzierung ist deshalb, wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt hervorgehoben hat, die „Gebührenfinanzierung“; sie erlaubt es ihm, unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen ein Programm anzubieten, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht (BVerfG vom 22.2.1994 BVerfGE 90, 60/90; 119, 181/219; vgl. auch VerfGH vom 15.12.2005 VerfGHE 58, 277/285). Damit ist die Rundfunkfinanzierung allerdings nicht auf das Modell der früheren gerätebezogenen Rundfunkgebühr eingeengt, sondern lediglich der verfassungsrechtliche Rahmen für eine vorrangige Finanzierung durch Vorzugslasten umschrieben, die eine staatsferne (deshalb keine Steuer) und zugleich quotenunabhängige (deshalb kein rein nutzungsbezogenes Entgelt) Deckung des Finanzbedarfs durch diejenigen sicherstellt, denen der Rundfunk zugutekommt. Hieraus bezieht der Rundfunkbeitrag in seiner staatsvertraglich begründeten Gestalt sowohl für den privaten als auch für den nicht privaten Bereich eine besondere sachliche Legitimation, die ihn von der Steuer hinreichend deutlich unterscheidet.“ 76bb) Auch die Bemessung des Rundfunkbeitrags ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Denn seine Höhe ist durch zulässige Zwecke ( (1) ), die der Gesetzgeber bei der tatbestandlichen Ausgestaltung erkennbar verfolgt ( (2) ), legitimiert. 77Vgl. zu diesen Anforderungen an Vorzugslasten in Bezug auf eine Gebühr: BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 – 2 BvL 9-12/98 – , juris (Rn. 55). 78(1) Der Rundfunkbeitrag ist der Höhe nach kompetenzrechtlich im Verhältnis zur Steuer gerechtfertigt durch die anerkannten Zwecke der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs, ohne dass der Gesetzgeber bei der Abgabenbemessung den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten hat. 79Der Rundfunkbeitrag ist seiner Zweckbestimmung nach darauf beschränkt sicherzustellen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Funktion im Rahmen der bestehenden dualen Rundfunkordnung zur Gewährleistung der von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geforderten Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk erfüllen kann. Diese besteht darin, als Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen Entscheidungsrationalität als der der marktwirtschaftlichen Anreize im Hinblick auf Einschaltquoten und Werbeaufträgen folgt und damit eigene Möglichkeiten der Programmgestaltung eröffnet, ohne dabei inhaltlich auf eine Mindestversorgung oder ein Ausfüllen von Lücken und Nischen und auch technisch nicht auf einen bestimmten Entwicklungsstand beschränkt zu sein. 80Vgl. BVerfG, Urteil vom 25. März 2014 – 1 BvF 1 und 4/11 –, juris (Rn. 33 ff.); BVerfG, Urteil vom 11. September 2007 – 1 BvR 2270/05 sowie 809 und 830/06 – , juris (Rn. 121 ff.). 81Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind verpflichtet, sich im Rahmen dieses Rundfunkauftrags zu halten und im Einklang mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit den Finanzbedarf zu ermitteln, der sich auf dieser Grundlage aus ihren im Übrigen autonom getroffenen Programmentscheidungen ergibt. Die Einhaltung dieser Verpflichtung unterliegt ihrerseits einer externen Kontrolle, wie sie in § 14 Abs. 1-3 des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV) vom 31. August 1991 sowie im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag (RFinStV) vom 26. November 1996, jeweils in der Fassung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 13. Dezember 2011 (GV. NRW. S. 675 ff.) im Einzelnen ausgestaltet ist. Danach wird der Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks regelmäßig alle zwei Jahre entsprechend den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, einschließlich der damit verbundenen Rationalisierungspotentiale, auf der Grundlage von Bedarfsanmeldungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch die unabhängige Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) geprüft und ermittelt (vgl. §§ 14 Abs. 1 RStV, 3 Abs. 1-3 RFinStV). Auf der Grundlage der überprüften und gegebenenfalls korrigierten Bedarfsanmeldungen der Rundfunkanstalten erfolgt sodann auf einer dritten Stufe die abschließende Festsetzung des Rundfunkbeitrags durch einen Staatsvertrag der Länder (vgl. §§ 14 Abs. 5 RStV, 7 RFinStV), wobei Abweichungen von der Bedarfsfeststellung zwar nicht zu programmlichen oder medienpolitischen Zwecken, wohl aber insbesondere zur Wahrung der Vermögensinteressen der Rundfunkteilnehmer, das heißt zur Beschränkung auf eine angemessene Belastung möglich sind. 82Vgl. zu alledem: BVerfG, Urteil vom 11. September 2007 – 1 BvR 2270/05 sowie 809 und 830/06 – , juris (Rn. 141 ff.) BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 – <8. Rundfunkurteil / Kabelgroschen>, juris (Rn. 156 ff.); BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris (Rn. 83 f.). 83Dass der Gesetzgeber bei der Bemessung des Rundfunkbeitrags zur Deckung der Kosten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf der einen Seite und zum Ausgleich des in ihrem Rundfunkangebot liegenden Vorteils auf der anderen Seite den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten hat, ist nicht ersichtlich. Eine Beitragsbemessung ist unter diesem Gesichtspunkt verfassungsrechtlich nur dann sachlich nicht gerechtfertigt, wenn sie in einem „groben Missverhältnis“ zu den verfolgten legitimen Zwecken steht. Denn die verfassungsrechtliche Kontrolle der gesetzgeberischen Bemessung einer Abgabe, die ihrerseits komplexe Kalkulationen, Bewertungen, Einschätzungen und Prognosen voraussetzt, darf nicht überspannt werden, insbesondere wenn sie – wie hier – in Massenverfahren erhoben wird. 84Vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 – 2 BvL 9-12/98 – , juris (Rn. 62). 85Für ein derartiges grobes Missverhältnis zwischen dem in § 8 RFinStV derzeit auf monatlich 17,98 Euro festgesetzten Rundfunkbeitrag und den Zwecken der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs liegen keine Anhaltspunkte vor. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass dieser Betrag der Summe der auf der Grundlage des früheren Rundfunkgebührenstaatsvertrages erhobenen und seit Januar 2009 unveränderten Grund- und Fernsehgebühr entspricht. Zudem ist insoweit zu berücksichtigen, dass aufgrund der Umstellung von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr auf den geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag zwangsläufig erhebliche Unsicherheiten bei der Prognose des Beitragsaufkommens bestanden und die KEF im Dezember 2011 für den Planungszeitraum 2013-2016 selbst auf der Grundlage ihrer Schätzung eines Einnahmeplus noch einen ungedeckten Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von über 300 Millionen Euro feststellte. Daher musste der Gesetzgeber bei der Beitragsbemessung nicht davon ausgehen, dass die zu erwartenden Einnahmen den Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beachtlich und auf Dauer übersteigen würden. 86Vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris (Rn. 85); 18. KEF-Bericht aus Dezember 2011 (Tz. 1 ff. und 325 ff.). 87Im Übrigen wird einer etwaigen Kostenüberdeckung dadurch begegnet, dass gemäß § 3 Abs. 2 S. 3 RFinStV Überschüsse am Ende einer Beitragsperiode vom Finanzbedarf für die folgende Periode abgezogen werden. 88Vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris (Rn. 85). 89Die Funktionstüchtigkeit dieses dreistufigen Bemessungsverfahrens zeigt sich auch daran, dass anknüpfend an den 19. KEF-Bericht aus Februar 2014 inzwischen eine Reduzierung des Rundfunkbeitrags ab dem 1. April 2015 auf 17,50 EUR beschlossen worden ist (vgl. Art. 1 Nr. 1 des 16. Rundfunkänderungsstaatsvertrages, dem der nordrhein-westfälische Landtag mit Gesetz vom 18. Dezember 2014 zugestimmt hat (GV.NRW. S. 71)). 90(2) Die dargestellten legitimen Beitragszwecke werden nach der tatbestandlichen Ausgestaltung der konkreten Beitragsregelung auch von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen, so dass der Beitragspflichtige erkennen kann, für welche öffentliche Leistung die Abgabe erhoben wird und welche Zwecke der Gesetzgeber mit ihrer Bemessung verfolgt. 91Vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 – 2 BvL 9-12/98 – , juris (Rn. 63). 92Den einschlägigen rundfunkverfassungsrechtlichen Vorschriften lässt sich ohne weiteres entnehmen, dass der Rundfunkbeitrag der zumindest überwiegenden Deckung der Kosten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dient. Dementsprechend stellt § 1 RBStV unter der Überschrift „Zweck des Rundfunkbeitrags“ insoweit unmissverständlich fest, dass der Rundfunkbeitrag – abgesehen von dem lediglich knapp zwei-prozentigen Anteil der Landesmedienanstalten zur Finanzierung der Aufgaben nach § 40 RStV (vgl. § 10 RFinStV) – der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne von § 12 Abs. 1 RStV dient, der seinerseits bestimmt, dass diese Finanzausstattung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die Lage zu versetzen hat, seine verfassungsmäßigen und gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen, und insbesondere den Bestand und die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu gewährleisten hat. Nach § 13 S. 1 RStV finanziert sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk zwar neben Rundfunkbeiträgen auch durch Einnahmen aus Rundfunkwerbung und sonstigen Einnahmen; vorrangige Finanzierungsquelle ist jedoch der Rundfunkbeitrag. 93Der weitere Zweck des Vorteilsausgleichs deutet sich tatbestandlich hinreichend am Begriff des Beitrags als einer Vorzugslast sowie der Anknüpfung an die Inhaberschaft einer Raumeinheit, insbesondere einer Wohnung in § 2 RBStV an. Die insoweit ergänzend heranzuziehenden Gesetzesmaterialien, 94vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 – 2 BvL 9-12/98 – , juris (Rn. 77), 95namentlich die Begründung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages führen in diesem Zusammenhang aus, dass die Beitragspflicht an die theoretische Möglichkeit der Rundfunknutzung anknüpft, ohne dass in der Wohnung die für einen Empfang erforderlichen Einrichtungen vorhanden sein müssen. 96LT-Drs. 15/1303, S. 34. 97Außerdem nimmt die Gesetzesbegründung ausdrücklich auf das Gutachten von Kirchhof Bezug, 98LT-Drs. 15/1303, S. 33, 99in dem der betreffende Vorteilsausgleich als Belastungsgrund ausdrücklich angeführt wird. 100Vgl. Kirchhof, Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, April 2010, S. 59 f. 101d) Schließlich wahrt die Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 102Insoweit schließt sich die Kammer den folgenden Ausführungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – (juris (Rn. 98 f.)) an: 103„Die mit dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag verfolgten Zwecke der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs stellen legitime Ziele dar, die einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit rechtfertigen können. Der Gesetzgeber durfte die Vorschriften des § 2 Abs. 1 und des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV für geeignet und erforderlich halten, um diese Zwecke zu erreichen; ein milderes, aber gleich wirksames Mittel zur Rundfunkfinanzierung ist nicht ersichtlich. Die Erforderlichkeit ist mit Blick auf den bezweckten Vorteilsausgleich insbesondere für die Inhaber solcher Raumeinheiten im privaten und nicht privaten Bereich zu bejahen, in denen sich keine Rundfunkempfangsgeräte befinden. Denn auch diesen bietet bereits das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Vorteile, auf deren Abgeltung der Rundfunkbeitrag ausgerichtet ist. Ob sie das Angebot tatsächlich nutzen (wollen), ist dem Abgabentyp des Beitrags entsprechend unerheblich. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwingt den Gesetzgeber nicht dazu, eine Befreiungsmöglichkeit für Personen vorzusehen, die von der ihnen eröffneten Nutzungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen wollen. 104Der Rundfunkbeitrag ist im Verhältnis zu den verfolgten Zwecken und der gebotenen Leistung auch nicht unangemessen hoch. Er ist auf den Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschränkt. Die Belastung für die betroffenen Beitragsschuldner hält sich im Rahmen des Zumutbaren. Im privaten Bereich entspricht der für jede Wohnung zu entrichtende Rundfunkbeitrag von monatlich 17,98 € der Summe von Grundgebühr und Fernsehgebühr, die nach Maßgabe des Rundfunkgebührenstaatsvertrags bis zum 31. Dezember 2012 zu zahlen waren. Angesichts der weiten Verbreitung von Empfangsgeräten dürfte sich damit die finanzielle Belastung für die Abgabenschuldner durch den Wechsel zum geräteunabhängigen einheitlichen Rundfunkbeitrag in aller Regel nicht erhöht haben. Sie bleibt auch mit Blick auf diejenigen Personen, die das Programmangebot nicht nutzen (wollen) und früher mangels Empfangsgeräts überhaupt keine Rundfunkgebühr zahlen mussten, in einer moderaten Höhe, die durch die Ausgleichsfunktion gerechtfertigt ist. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass zwischen der Abgabe und dem Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als abzugeltendem Vorteil ein dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zuwiderlaufendes (vgl. VerfGHE 60, 80/91 f.) grobes Missverhältnis bestehen könnte. Bei fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit oder in sonstigen Härtefällen sieht § 4 RBStV im Übrigen zur Vermeidung von unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen Befreiungs- und Ermäßigungstatbestände vor.“ 1052. Die in § 2 Abs. 1 RBStV vorgesehene Rundfunkbeitragspflicht des Inhabers jeder Wohnung verletzt nicht den in Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten allgemeinen Gleichheitssatz. Gemessen an den sich aus dieser Vorschrift unter Berücksichtigung des bei der Ordnung von Massenerscheinungen für den Gesetzgeber bestehenden Typisierungsspielraums ergebenden Vorgaben (a) liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz weder in Bezug auf Beitragsschuldner vor, in deren Wohnung kein Rundfunkempfangsgerät genutzt wird (b) noch hinsichtlich solcher Personen, die nur ein bestimmtes Rundfunkempfangsgerät (z. B. lediglich ein Radio) nutzen (c). Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet keine Unterscheidung bei der Beitragserhebung nach der Zahl der Bewohner einer Wohnung oder nach der Zahl der Wohnungen, die ein Beitragsschuldner innehat (d). Ebenfalls die unterschiedliche Beitragserhebung für Kraftfahrzeuge im privaten und nicht privaten Bereich steht mit Art. 3 GG im Einklang (e). Schließlich ist auch keine Verletzung der speziellen Ausprägung des Gleichheitssatzes in Form des Verbotes der Benachteiligung behinderter Menschen gemäß Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG ersichtlich (f). 106a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Bei der Anwendung des Gleichheitssatzes ist daher zunächst zu fragen, ob eine Person oder Gruppe durch die als gleichheitswidrig angegriffene Vorschrift anders (schlechter) gestellt wird als eine andere Personengruppe, die man ihr als vergleichbar gegenüberstellt. Art. 3 GG schließt nicht jede Differenzierung aus und ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. 107Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 –, juris (Rn. 34) unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 30. November 2011 – 1 BvR 3269/08 u. a. –, juris (Rn. 14 f.) m. w. N., zur Gleichbehandlung bei der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. 108Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Der Grundsatz der Typengerechtigkeit ist grundsätzlich geeignet, die hiermit verbundene Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte zu rechtfertigen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings auf eine möglichst breite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung aufbauen. Insbesondere darf der Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen. 109Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 –, juris (Rn. 35) unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 9. Dezember 2008 – 2 BvL 1/07 u. a. –, juris (Rn. 60); BVerfG, Beschluss vom 21.Juni 2006 – 2 BvL 2/99 –, juris (Rn. 75); BVerfG, Beschluss vom 10. April 1997 – 2 BvL 77/92 –, juris (Rn. 24 f.), jeweils m. w. N. 110Weiter setzt eine zulässige Typisierung voraus, dass damit verbundene Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. 111Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 –, juris (Rn. 35) unter Hinweis auf die st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts: BVerfG, Beschluss von 30. November 2011 – 1 BvR 3269/08 u. a. –, juris (Rn. 17); BVerfG, Beschluss vom 28. September 2010 – 1 BvR 1660/08 –, juris (Rn. 10); BVerfG, Urteil vom 28. April 1999 – 1 BvL 11/94 u. a. –, juris (Rn. 130), jeweils m. w. N. 112Mit diesen Anforderungen steht § 2 Abs. 1 RBStV im Einklang. 113Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 –, juris (Rn. 36); BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris (Rn. 101 ff), zu Art. 118 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung (BV); ferner: VG Bremen, Urteil vom 20. Dezember 2013 – 2 K 570/13 –, juris (Rn. 19 ff); VG Potsdam, Urteil vom 18. Dezember 2013 – 11 K 2724/13 –, juris (Rn. 33 ff.); Terschüren, Die Reform der Rundfunkfinanzierung in Deutschland, 2013, S. 99 ff., 123, hinsichtlich der Abgabenpflicht im privaten Bereich; a. A. Degenhart, K&R Beihefter 1/2013, S. 17 f. 114b) Die Regelung in § 2 Abs. 1 RBStV verstößt nicht deshalb gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, weil diese nicht danach unterscheidet, ob in der Wohnung Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden oder ob dies nicht der Fall ist. In diesem Zusammengang hat das Verwaltungsgericht Hamburg in seinem Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 – (juris, Rn. 38 ff) ausgeführt: 115„Durch die Regelung in § 2 Abs. 1 RBStV werden ungleiche Sachverhalte, nämlich Haushalte mit und ohne Rundfunkempfangsgeräte, bei der Beitragserhebung gleich behandelt. Diese mit der Pauschalierung verbundene Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte ist sachlich gerechtfertigt: Die pauschalierende Regelung in § 2 Abs. 1 RBStV beruht angesichts der großen Anzahl der zu verwaltenden Vorgänge und im Hinblick auf die verfolgten gesetzlichen Zwecke (Verwaltungsvereinfachung, Beseitigung von Vollzugsdefiziten, keine Eingriffe in die Privatsphäre durch Betreten der Wohnung) auf sachlichen, nicht willkürlichen Erwägungen: Derzeit bestehen im Geltungsbereich des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags rund 40,6 Millionen Haushalte (vgl. Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Haushalte und Familien – Ergebnisse des Mikrozensus, 2012, auch abrufbar unter www.destatis.de). Eine effektive Verwaltung der Beitragsschuldnerverhältnisse ist daher nur über eine typisierende und pauschalierende Regelung des Abgabentatbestands angemessen zu realisieren. Diese führt darüber hinaus zu einer höheren Gleichheit beim Vollzug der Abgabenpflicht. Sie erfasst auch solche Wohnungsinhaber, die zwar Rundfunkempfangsgeräte bereithalten, dies aber bislang nicht angezeigt hatten. Damit steht der Ungleichbehandlung auf der Ebene des Abgabentatbestands eine erhöhte Gleichbehandlung auf der Ebene des Abgabenvollzugs gegenüber (vgl. zu beiden Seiten von Art. 3 Abs. 1 GG bei der Abgabenerhebung: BVerfG, Beschl. v. 10.4.1997, 2 BvL 77/92, juris Rn. 24 f.). Schließlich hat die pauschalierende Erhebung des Rundfunkbeitrags für jede Wohnung zur Folge, dass anders als bislang ein Betreten der Wohnung zur Feststellung der Abgabenpflicht nicht mehr erforderlich ist. 116Der Gesetzgeber hat die oben genannten Grenzen zulässiger Typisierung nicht überschritten. 117Er hat in § 2 Abs. 1 i. V. m. § 3 RBStV einen realitätsgerechten Anknüpfungspunkt für die Beitragspflicht gewählt. Die Erhebung des Rundfunkbeitrags knüpft nach § 2 Abs. 1 RBStV an das Innehaben einer Wohnung im Sinne von § 3 RBStV an. Der durch den Rundfunkbeitrag abzugeltende Vorteil – die Nutzungsmöglichkeit des öffentlich-rechtlichen Programmangebots – wird hierdurch angemessen erfasst. Dem Abgabentatbestand liegt die durch statistische Angaben gestützte Erwägung zugrunde, dass die Nutzung des öffentlich-rechtlichen Programmangebots im privaten Bereich jedenfalls auch und nach wie vor im Schwerpunkt in der Wohnung erfolgt. Nach den Angaben des Statistischen Bundesamts verfügten im Jahr 2012 96,4 % aller Haushalte über mindestens ein Fernsehgerät (2011: 96,2 %). Daneben verfügten im Jahr 2012 insgesamt 83,5 % der Haushalte über mindestens einen Personalcomputer (PC) (2011: 82,0 %) und 79,4 % aller Haushalte über einen Internetzugang (2011: 75,9 %) (Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2013, S. 169, 198; Statistisches Jahrbuch 2012, S. 174, 204, auch abrufbar unter www.destatis.de). Der Ausstattungsgrad der Haushalte mit internetfähigen PCs war dabei in den letzten Jahren deutlich steigend. So verfügten im Jahr 2005 rund 58 % aller Haushalts über einen Internetzugang, im Jahr 2008 waren es 69 % und im Jahr 2010 bereits 77 % (Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2011, S. 114, auch abrufbar unter www.destatis.de). Angesichts dieser Entwicklung dürfte davon auszugehen sein, dass der Ausstattungsgrad der Haushalte mit neuartigen, internetfähigen Rundfunkempfangsgeräten auch in Zukunft weiter steigen wird. Mit Blick auf die bereits für die einzelnen Gerätetypen erreichten Ausstattungsgrade dürfte der Anteil der Haushalte, die weder über ein Fernsehgerät, ein Radio noch über ein neuartiges Rundfunkempfangsgerät (PC, Tablet-PC, Smartphone etc.) verfügen, sehr gering sein und im deutlich einstelligen Prozentbereich liegen. Dem vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 RBStV gewählten Abgabentatbestand (Innehaben der Wohnung) steht dabei nicht entgegen, dass das öffentlich-rechtliche Programmangebot auch und zunehmend über mobile Geräte außerhalb der Wohnung genutzt werden kann. Der Gesetzgeber durfte bei der Regelung des Abgabentatbestands gestützt auf die oben genannten statistischen Angaben davon ausgehen, dass die Nutzung des öffentlich-rechtlichen Programmangebots im privaten Bereich derzeit jedenfalls auch und im Schwerpunkt noch innerhalb der Wohnung erfolgt, die mobile Nutzung lediglich ergänzend hinzutritt und die Vorteile des öffentlich-rechtlichen Programmangebots somit über das Merkmal der Wohnung nach wie vor angemessen erfasst werden (vgl. BayVerfGH, Urt. v. 15.5.2014, Vf. 8-VII-12 u. a., juris Rn. 113). Schließlich liegt dem Abgabentatbestand auch die realitätsgerechte Erwägung zugrunde, dass einerseits die mit dem Merkmal der Wohnung umfasste Personengruppe eines Haushalts – etwa eine Familie oder eine Wohngemeinschaft – hinsichtlich der Rundfunknutzung eine Gemeinschaft bildet und sich andererseits die unterschiedlichen Nutzungsarten oder -gewohnheiten innerhalb dieser sozialen Gruppe ausgleichen (BayVerfGH, Urt. v. 15.5.2014, Vf. 8-VII-12 u. a., juris Rn. 108, mit Verweis auf die Gesetzesbegründung des bayerischen Landesgesetzgebers, BayLT-Drs 16/7001, S. 12 f.). 118Die mit der Pauschalierung verbundenen Härten wären nur mit Schwierigkeiten zu vermeiden. Eine Härte im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – die nicht notwendig gleichzusetzen ist mit einem Härtefall im Sinne von § 4 Abs. 6 RBStV – liegt vor, wenn die typisierende Annahme des Gesetzgebers (hier die Annahme, dass in der Wohnung regelmäßig Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden und Rundfunk empfangen werden kann) nicht zutrifft, der Einzelfall also nicht dem gesetzlichen Typ entspricht. Das ist hier der Fall, wenn in der Wohnung eines Beitragsschuldners im Einzelfall keine Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden. Eine solche Härte könnte im System des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags nicht dadurch vermieden werden, dass die unwiderlegliche gesetzliche Vermutung des § 2 Abs. 1 RBStV als widerleglich ausgestaltet, dem Beitragsschuldner also die Möglichkeit eröffnet würde, darzulegen und zu beweisen, dass sich im Einzelfall keine Rundfunkempfangsgeräte in seiner Wohnung befinden. Denn die wesentlichen Ziele der gesetzlichen Regelung (Verwaltungsvereinfachung, Beseitigung von Vollzugsdefiziten, keine Eingriffe in die Privatsphäre durch Betreten der Wohnung) könnten bei einer solchen Ausnahme nur noch ansatzweise und unter Aufgabe des Grundprinzips der Beitragserhebung im privaten Bereich erreicht werden: Die Möglichkeit eines Gegenbeweises würde dazu führen, dass das Bereithalten von Rundfunkempfangsgeräten und nicht das Innehaben einer Wohnung maßgebliche Tatbestandsvoraussetzung für die Abgabenpflicht bliebe. Im Unterschied zu den bisherigen Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrags würden lediglich die Darlegungs- und Beweislast für das Bereithalten des Rundfunkempfangsgeräts von der Rundfunkanstalt auf den Beitragsschuldner verlagert. Damit müssten bei einem entsprechenden Beweisantritt (z. B. durch Benennen von Zeugen oder Vorlage von Unterlagen) wie bislang teils aufwändige Ermittlungen im privaten Bereich durchgeführt werden. Die Kammer hat in diesem Zusammenhang nicht zu entscheiden, ob und in welchen Fällen das fehlende Bereithalten von Rundfunkempfangsgeräten – bei Hinzutreten weiterer Umstände – in Einzelfällen einen besonderen Härtefall im Sinne § 4 Abs. 6 RBStV begründen kann. Eine generell widerlegliche Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags ist durch Art. 3 Abs. 1 GG dagegen nicht geboten.“ 119Dem schließt sich die Kammer an. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Ausstattung von Privathaushalten mit Rundfunkempfangsgeräten jüngst weiter zugenommen hat. Im Jahr 2014 verfügten 97,5 % der Privathaushalte in Deutschland über einen Fernseher und 87 % über einen PC. 120Abrufbar unter: www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/AusstattungGebrauchsguetern/AusstattungGebrauchsguetern.html. 121Die Kammer folgt in diesem Zusammenhang ebenso wie das Verwaltungsgericht Köln nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts Osnabrück, 122vgl. Urteil vom 1. April 2010 – 1 A 182/13 –, juris (Rn. 25 ff.), 123wonach dem Wohnungsinhaber die Möglichkeit einer Befreiung eingeräumt werden müsse, wenn er nachweise, dass er nicht über Geräte verfüge. Eine derartige Entlastungsmöglichkeit würde den mit dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag intendierten Verzicht auf Ermittlungen im persönlichen Lebensumfeld des Betroffenen wieder umkehren. 124Vgl. VG Köln, Urteil vom 23. Oktober 2013 – 6 K 5899/13 –, juris (Rn. 49 ff.). 125Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwingt den Gesetzgeber nicht dazu, eine Befreiungsmöglichkeit für Personen vorzusehen, die von der ihnen eröffneten Nutzungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen wollen. 126Vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris (Rn. 98). 127Die mit der Typisierung verbundenen Härten betreffen nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen. Dabei ist der Grundsatz der Typengerechtigkeit regelmäßig geeignet, die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte zu rechtfertigen, solange nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fälle dem Typ widersprechen, also wenigstens 90 % dem Typ entsprechen. 128Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 –, juris (Rn. 42) unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 19. September 1983 – 8 N 1/83 –, juris (Rn. 9), zur Bemessung von Entwässerungsbeiträgen, wobei es sich nicht um eine starre Grenze handelt und die Art und Bemessung des jeweils maßgeblichen Beitrags zu berücksichtigen sind (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 14. Januar 2004 – 1 Bs 94/03 –, juris (Rn. 19), zur Bemessung von Sielbaubeiträgen). 129Die als Richtwert zugrunde zu legende Grenze von 10 % wird hier deutlich unterschritten. Vorliegend ist nach den oben angeführten statistischen Angaben davon auszugehen, dass der Anteil der Haushalte, die über keine Rundfunkempfangsgeräte verfügen, im unteren einstelligen Prozentbereich liegt: Nach den Angaben des statistischen Bundesamts verfügten im Jahr 2012 lediglich 3,8 % und im Jahr 2014 nur noch 2,5 % der Haushalte über kein Fernsehgerät. Der Anteil der Haushalte, die darüber hinaus auch über keine weiteren Rundfunkempfangsgeräte (Radio, internetfähiger PC, mobile internetfähige Geräte) verfügen, dürfte nochmals deutlich geringer sein und mit dem zunehmenden Ausstattungsgrad der Haushalte auch in der Zukunft noch weiter sinken. 130Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 –, juris (Rn. 58 f.). 131Die typisierende Gleichbehandlung in § 2 Abs. 1 RBStV führt auch nicht zu intensiven, unzumutbaren Beeinträchtigungen. Die Belastung durch den monatlichen Rundfunkbeitrag in Höhe von derzeit 17,98 Euro ist wirtschaftlich noch zumutbar, zumal nicht leistungsfähige Beitragsschuldner nach Maßgabe von § 4 RBStV von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien sind. 132Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 –, juris (Rn. 43) unter Hinweis auf BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris (Rn. 110). 133In den wenigen Ausnahmefällen, in denen keinerlei Empfangsgeräte bereit gehalten werden, muss das Interesse des Wohnungsinhabers, nicht zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks herangezogen zu werden, hinter das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zurücktreten. 134Vgl. VG Köln, Urteil vom 23. Oktober 2013 – 6 K 5899/13 –, juris (Rn. 52 f.); VG Potsdam, Urteil vom 30. Juli 2013 – 11 K 1090/13 –, juris (Rn. 56) mit Verweis auf die vergleichbare Interessenabwägung bei der sog. „Computergebühr" nach dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag; VG Bremen, Urteil vom 20. Dezember 2013 – 2 K 570/13 –, juris (Rn. 26). 135c) Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist nicht dadurch verletzt, dass die Regelung in § 2 Abs. 1 RBStV nicht nach Art und Anzahl der Rundfunkempfangsgeräte je Haushalt unterscheidet. Es ist mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG insbesondere nicht zu beanstanden, dass Wohnungsinhaber, die ausschließlich ein Radio und keine weiteren Rundfunkempfangsgeräte bereithalten, den einheitlichen Rundfunkbeitrag (derzeit 17,98 Euro) zahlen müssen und nicht mehr – wie bislang nach § 2 Abs. 2 S. 1 RGebStV – lediglich eine geringere Grundgebühr (zuletzt 5,76 Euro). 136Der Grundsatz der Gleichbehandlung gebietet es nicht, den Rundfunkbeitrag nach einzelnen Geräteklassen (Fernsehgerät, Radio, stationärer PC, mobile internetfähige Geräte) zu staffeln bzw. einen Grund- und einen Zusatzbeitrag vorzusehen. Vielmehr rechtfertigt es der Grundsatz der Typengerechtigkeit im privaten Bereich einen für alle Wohnungen einheitlichen Rundfunkbeitrag festzusetzen. Soweit es nach den obigen Ausführungen mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG zulässig ist, einen einheitlichen Rundfunkbeitrag zu erheben, wenn in der Wohnung im Einzelfall keine Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden, gilt dies auch und umso mehr dann, wenn in der Wohnung im Einzelfall nur bestimmte, nicht fernsehtaugliche Rundfunkempfangsgeräte (z. B. nur ein Radio) bereitgehalten werden. Die typisierende Regelung eines einheitlichen Rundfunkbeitrags ist auch insoweit durch die legitimen gesetzgeberischen Ziele gerechtfertigt. Insbesondere wäre ein Verzicht auf Ermittlungen in der Privatsphäre der Beitragsschuldner nicht möglich, wenn die Höhe des Rundfunkbeitrags nach Art und Anzahl der Rundfunkempfangsgeräte gestaffelt würde. In diesem Fall müssten im Zweifel Nachforschungen über Art und Zahl der in der Wohnung vorhandenen Geräte durchgeführt werden. Hinzu kommt, dass eine Unterscheidung nach einzelnen Geräteklassen durch die technische Entwicklung (Multifunktionalität der Endgeräte, Konvergenz der Medien) zunehmend fraglich und teilweise überholt ist. Dem hat der Gesetzgeber durch die Neuregelung des Rundfunkabgabenrechts Rechnung getragen. Dabei kann offen bleiben, ob eine Unterscheidung nach Geräteklassen angesichts der technischen Entwicklung noch realitätsgerecht und zulässig wäre. Eine solche Unterscheidung ist jedenfalls nicht durch Art. 3 Abs. 1 GG geboten. 137Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 –, juris (Rn. 44 ff.). 138d) Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist auch nicht dadurch verletzt, dass die Regelung in § 2 Abs. 1 i. V. m. § 3 RBStV zum einen nicht zwischen Haupt- und Zweitwohnungen und zum anderen nicht zwischen Ein- und Mehrpersonenhaushalten unterscheidet, sondern für jede Wohnung ein einheitlicher Rundfunkbeitrag anfällt. Die Wohnung ist als Nutzungseinheit einer oder mehrerer Personen ein realitätsgerechter Anknüpfungspunkt für die Beitragspflicht. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht, den Rundfunkbeitrag nach der Zahl der Personen in der Wohnung (Ein- und Mehrpersonenhaushalte) oder der Zahl der Wohnungen (Erst- und Zweitwohnungen) weiter abzustufen oder Ausnahmen vorzusehen. 139Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 –, juris (Rn. 47) unter Hinweis auf BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris (Rn. 116); a. A. Korioth/Koemm, DStR 2013, 833 (837). 140Auch insoweit ist die typisierende Erhebung des Rundfunkbeitrags durch die legitimen Ziele des Gesetzgebers gerechtfertigt, das Verwaltungsverfahren effektiv und einfach zu gestalten, Vollzugsdefizite durch Missbrauch zu verhindern und Ermittlungen in der Privatsphäre zu vermeiden. Der Gesetzgeber kann insbesondere wegen der großen Anzahl der zu erfassenden Wohnungen bzw. Beitragsschuldner einen Beitragstatbestand vorsehen, der Ermittlungen zur Zahl der jeweils in einer Wohnung lebenden Personen oder Feststellungen zum Erst- und Zweitwohnsitz entbehrlich macht. 141Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 –, juris (Rn. 47). 142Der Gesetzgeber hat auch insoweit nicht die durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkretisierten Grenzen der zulässigen Typisierung überschritten. Es ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass der einheitliche Rundfunkbeitrag nach § 2 Abs. 1 RBStV für Einpersonenhaushalte oder für Inhaber von Zweitwohnungen generell zu Härten führt, die ohne Schwierigkeiten zu vermeiden wären. Dabei ist bereits nicht anzunehmen, dass der einheitliche Rundfunkbeitrag in den genannten Fällen generell zu einer Härte führt. Denn die der pauschalierenden Regelung in § 2 Abs. 1 RBStV zugrunde liegende gesetzliche Annahme, dass in der Wohnung typischerweise Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden und daher die Nutzungsmöglichkeit besteht, trifft für Einpersonenhaushalte wie auch für Zweitwohnungen grundsätzlich zu. Die genannten Fallgruppen entsprechen somit – anders als im Fall von Haushalten, die über keinerlei Geräte verfügen – dem gesetzlichen Typ. Eine unzulässige Gleich- bzw. Ungleichbehandlung kann allenfalls darin liegen, dass etwaige graduelle Unterschiede bei der Nutzungsintensität nicht durch Ausnahmen oder Abstufungen des Rundfunkbeitrags erfasst werden. Die insoweit bestehende Gleich- bzw. Ungleichbehandlung ist jedoch die regelmäßige Folge einer pauschalierenden Abgabenregelung, die alle Beitragsschuldner, deren Nutzungsverhalten im Einzelnen stark voneinander abweichen kann, trifft. Diese Folgen ließen sich in den genannten Fallgruppen auch nicht ohne größere Schwierigkeiten vermeiden. Zwar könnte der Gesetzgeber weitere Befreiungen, Ermäßigungen oder Abstufungen des Rundfunkbeitrags nach der Zahl der Bewohner (Ein- und Mehrpersonenhaushalte) oder nach der Zahl der Wohnungen (Erst- und Zweitwohnungen) vorsehen: Die Einführung solcher Ausnahmen würde jedoch jeweils weitere Ermittlungen zur Zahl der Personen in einer Wohnung und zum Haupt- und Nebenwohnsitz erforderlich machen. Damit einher ginge eine erhöhte Gefahr, dass die Beitragspflicht durch unzutreffende oder unvollständige Angaben – etwa durch die unzutreffende Ausweisung einer Wohnung als Zweitwohnung eines Familienmitglieds – umgangen werden könnte. Bereits nach dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag waren Befreiungen oder Ermäßigungen für diese Fallgruppen nicht vorgesehen (vgl. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Halbs. 2 RGebStV). Diese sind auch unter der Geltung des neuen Rundfunkbeitragsstaatsvertrags nicht geboten. 143Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 –, juris (Rn. 48). 144e) Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung liegt auch nicht vor, soweit für die Inhaber von Kraftfahrzeugen im privaten Bereich kein zusätzlicher Rundfunkbeitrag anfällt, während im nicht privaten Bereich Rundfunkbeiträge nach Maßgabe von § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 2 RBStV zu zahlen sind. Die Unterscheidung zwischen der Nutzung von Kraftfahrzeugen im privaten und nicht privaten Bereich beruht auf nachvollziehbaren Erwägungen des Gesetzgebers: Dieser hat in § 5 Abs. 2 RBStV berücksichtigt, dass bei Kraftfahrzeugen, die zu gewerblichen Zwecken, zur selbständigen Erwerbstätigkeit oder zu gemeinnützen Zwecken genutzt werden, eine neue Nutzungssituation entsteht, die sich von der privaten Nutzung eines Kraftfahrzeugs unterscheidet. Weiter kann das gewerblich genutzte Kraftfahrzeug dort, wo keine weitere feste Betriebstätte besteht, eine eigenständige Nutzungseinheit darstellen, die allein durch die Regelung in § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 RBStV erfasst ist. Schließlich kann der Gesetzgeber auch berücksichtigen, dass im nicht privaten Bereich die Zahl der Kraftfahrzeuge die der Betriebsstätten häufig um ein Vielfaches übersteigt, während dies im privaten Bereich die Ausnahme ist. 145Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 –, juris (Rn. 51) unter Hinweis auf VerfGH RP, Urteil vom 13. Mai 2014 – VGH B 35/12 –, juris (Rn. 147 ff.). 146Selbst wenn die unterschiedlichen Regelungen zur Rundfunkbeitragspflicht für Inhaber von Kraftfahrzeugen im privaten und im nicht privaten Bereich gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen sollten, würde dies nicht zur Nichtigkeit der Regelungen in § 2 Abs. 1 RBStV insgesamt führen (vgl. § 82 Abs. 1 i. V. m. § 78 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes – BVerfGG). Bei der Rundfunkbeitragspflicht für Kraftfahrzeuge handelt es sich um einen von der Rundfunkbeitragspflicht für Wohnungen abtrennbaren Teil der Beitragspflicht. Ein Gleichheitsverstoß bei der Beitragspflicht für Kraftfahrzeuge könnte daher dazu führen, dass diese im privaten Bereich eingeführt oder für den nicht privaten Bereich abgeschafft würde. Die Beitragspflicht für die Inhaber von Wohnungen nach § 2 Abs. 1 RBStV bliebe hiervon in beiden Fällen unberührt. 147Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 –, juris (Rn. 52). 148f) Der besondere Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG wird nicht dadurch verletzt, dass Personen mit Behinderung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Abs. 1 RBStV nicht generell ausgenommen sind, sondern Befreiungen oder Ermäßigungen nur unter den in § 4 RBStV im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen erhalten. 149Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG verbietet die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen. Die Bestimmungen über die Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich enthalten indes weder unmittelbar noch mittelbar nachteilige Ungleichbehandlungen, die an eine Behinderung anknüpfen. Menschen nutzen in der Regel unabhängig von Behinderungen das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. 150Vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Juni 2000 – B 9 SB 2/00 R – , NJW 2001, 1966. 151Nur soweit eine Nutzungsmöglichkeit aus gesundheitlichen Gründen ausgeschlossen oder wesentlich gemindert ist, das Programmangebot den Einzelnen also nicht oder nur deutlich eingeschränkt erreichen kann, ist systembedingt mangels beitragsrelevantem Vorteil eine Ausnahme oder Vergünstigung angezeigt. Dem trägt der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag dadurch Rechnung, dass aus gesundheitlichen Gründen – unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit – insbesondere taubblinde Menschen und Empfänger von Blindenhilfe nach § 72 SGB XII von der Beitragspflicht befreit werden (§ 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV) und der Rundfunkbeitrag für blinde, hörgeschädigte und behinderte Menschen unter den in § 4 Abs. 2 S. 1 RBStV genannten Voraussetzungen auf ein Drittel ermäßigt wird. Sollten diese grundsätzlich ausreichenden Typisierungen nicht jeden Einzelfall erfassen, in dem es an einem Vorteil aus dem Programmangebot fehlt, kann dem durch eine Einzelfallprüfung im Rahmen der Härteregelung des § 4 Abs. 6 RBStV Rechnung getragen werden. 152BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris (Rn. 129 ff.) zu der entsprechenden Problematik in Art. 118a S. 1 BV. 153Das Fehlen von generellen Beitragsvergünstigungen für behinderte Menschen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Staat hat bei der Umsetzung des in Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG niedergelegten Schutz- und Fördergebots einen weiten Gestaltungsspielraum. Er ist nicht verpflichtet, bei Erhebung des vorteilsausgleichenden Rundfunkbeitrags Menschen mit Behinderung finanziell zu entlasten. Das gilt umso mehr, als eine unabhängig von Einkommen und Vermögen gewährte Ermäßigung oder Freistellung zugunsten weiterer Personenkreise ihrerseits dem Gebot der gleichmäßigen Belastung aller Vorteilsempfänger zuwiderliefe. 154BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris (Rn. 29 ff.) zu der entsprechenden Problematik in Art. 118a S. 1 BV. 1553. Die Rundfunkbeitragspflicht stellt keine Verletzung sonstiger Grundrechte dar, insbesondere nicht der Rechte aus Art. 5 Abs. 1, 4 Abs. 1, 12, 13 und 14 GG. 156a) Eine Verletzung des Grundrechts auf allgemeine Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG liegt nicht vor. 157Dies gilt zunächst im Hinblick auf das aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG fließende Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten (positive Informationsfreiheit). Das Grundrecht auf Informationsfreiheit eröffnet grundsätzlich keinen Anspruch auf kostenlosen Zugang zu Informationen. Staatlich festgesetzte Entgelte für Rundfunk könnten nur dann das Grundrecht auf Informationsfreiheit verletzen, wenn sie darauf zielen oder wegen ihrer Höhe objektiv dazu geeignet wären, Interessenten von Informationen aus bestimmten Quellen abzuhalten. Dies ist hinsichtlich der Höhe des Rundfunkbeitrages ersichtlich nicht der Fall. 158Vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris (Rn. 64) zu Art. 112 Abs. 2 BV, wobei die Ausführungen auf Art. 5 Abs. 1 GG übertragbar sind. 159Auch das ebenfalls aus Art. 5 Abs. 1 GG resultierende Recht auf negative Informationsfreiheit ist nicht verletzt. Dieses Grundrecht gibt jedermann das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten; was auch das Recht umfasst, sich aus den genannten Quellen nicht zu unterrichten (negative Informationsfreiheit). Dementsprechend ist mit der Zahlung des Rundfunkbeitrages kein Zwang verbunden, den öffentlichen Rundfunk überhaupt zu nutzen. 160Vgl. VG Potsdam, Urteil vom 19. August 2014 – 11 K 4160/13 –, juris, (Rn. 51); VG Bremen, Urteil vom 20. Dezember 2013 – 2 K 570/13 –, juris (Rn. 24); vgl. VG Köln, Urteil vom 16. Oktober 2014 – 6 K 7041/13 –, juris (Rn. 60). 161b) Die Erhebung des Rundfunkbeitrags verletzt auch nicht die Glaubensfreiheit in Art. 4 Abs. 1 GG. 162Dieses Grundrecht garantiert die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sowie das Recht der ungestörten Religionsausübung. Es schützt sowohl die positive wie auch die negative Äußerungsform der Glaubensfreiheit. 163BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 – 2 BvR 1436/02 –, juris (Rn. 37, 46) und Beschluss vom 16. Mai 1995 – 1 BvR 1087/91 –, juris (Rn. 34). 164Durch die Erhebung des Rundfunkbeitrags wird der Schutzbereich der Glaubensfreiheit indes nicht berührt. Die Zahlung einer Abgabe – hier des Rundfunkbeitrags – ist als solche nicht mit der Äußerung eines weltanschaulichen oder religiösen Bekenntnisses verbunden. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch Sendungen mit religiösen Inhalten enthält. Die Glaubensfreiheit wird durch die Zahlung einer Abgabe nur berührt, soweit diese gerade die Finanzierung einer Glaubensgemeinschaft oder eines religiösen Bekenntnisses bezweckt. Die allgemeine Pflicht zur Zahlung einer Abgabe ohne eine solche Zweckbindung berührt regelmäßig nicht den Schutzbereich der Glaubensfreiheit des Abgabenschuldners. 165Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 2003 – 2 BvR 1775/02 –, juris (Rn. 3) und Beschluss vom 26. August 1992 – 2 BvR 478/92 –, juris (Rn. 3): Die Pflicht zur Steuerzahlung berührt nicht Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 GG. 166Der Rundfunkbeitrag bezweckt allgemein die funktionsgerechte Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Eine weitergehende, inhaltliche Zweckbindung ist mit dem Rundfunkbeitrag nicht verbunden. Der Rundfunkbeitrag dient insbesondere nicht der Förderung bestimmter religiöser Glaubensgemeinschaften. Vielmehr hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk aufgrund seines öffentlichen Auftrags die Vielfalt der Meinungen im Rundfunk möglichst vollständig widerzuspiegeln. Hierzu gehört auch, dass religiöse Inhalte gesellschaftlich relevanter Glaubensgemeinschaften angemessenen Ausdruck finden. 167So VG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 –, juris (Rn. 58 f.); ebenso VG Köln, Urteil vom 16. Oktober 2014 – 6 K 7041/13 –, juris (Rn. 62). 168c) Die Erhebung des Rundfunkbeitrags gemäß § 2 Abs. 1 RBStV verletzt auch nicht die Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 Abs. 1 GG. Das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG schützt die räumliche Lebenssphäre der Person. 169BVerfG, Beschluss vom 13. März 2014 – 2 BvR 974/12 –, juris (Rn. 16). 170Durch die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags wird die räumliche Lebenssphäre der Beitragsschuldner nicht berührt. 171So VG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2014 – 3 K 5371/13 –, juris (Rn. 62); ebenso VG Köln, Urteil vom 16. Oktober 2014 – 6 K 7041/13 –, juris (Rn. 66). 172d) Ebenso wenig verstößt, wie von einzelnen Beitragspflichtigen gerügt, die Beitragspflicht gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG sowie das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG. Weder sind Zugang zu bzw. Ausübung von bestimmten Berufen beeinträchtigt noch knüpft die Beitragspflicht an den Hinzuerwerb von Eigentum oder den Bestand des Hinzuerworbenen an. 173VG Köln, Urteil vom 16. Oktober 2014 – 6 K 7041/13 –, juris (Rn. 66). 1744. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag verletzt zudem nicht das ebenfalls von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG erfasste Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch hier rechtfertigen überwiegende Allgemeininteressen den Eingriff. 175a) Zunächst erweisen sich die Bestimmungen zum einmaligen Meldedatenabgleich nach § 14 Abs. 9 RBStV als rechtmäßig. Dieser zum Zwecke der Bestands- und Ersterfassung vorgenommene einmalige stichtagsbezogene automatisierte Datenabgleich mit den Daten der Einwohnermeldeämter ist erforderlich, um den Systemwechsel von der geräteabhängigen Gebührenpflicht zur wohnungsbezogenen Beitragspflicht zu bewerkstelligen. Der einmalige Abgleich des Namens, Doktorgrades, Familienstandes, Geburtstages, der gegenwärtigen und letzten Anschriften von Haupt- und Nebenwohnung sowie Einzugstermine führt - gerade auch in Ansehung der Zweckbindung (Aktualisierung und Ergänzung des vorhandenen Datenbestandes) - nicht zu einer schwerwiegenden Belastung des Beitragspflichtigen. Die übermittelten Daten sind sämtlich zur einwandfreien Identifizierung der Beitragspflichtigen sowie der Feststellung der Erfüllung des Beitragstatbestandes erforderlich. Entgegen vereinzelt vertretener Auffassung dient der Meldedatenabgleich nicht der Schaffung eines „zentralen Melderegisters", sondern nicht benötigte Daten sind unverzüglich und nicht überprüfte Daten spätestens nach zwölf Monaten zu löschen. Der für den Beitragspflichtigen weitgehend belastungsfreie Abgleich stellt sich im Verhältnis zur Vor-Ort-Erfassung der Daten damit als milderes Mittel dar. 176Vgl. VG Köln, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 6 K 5899/13 –, juris (Rn. 68); Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 10. September 2013 – 4 ME 204/13 –, juris; BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris (Rn. 156 ff.) zu der entsprechenden Problematik in Art. 100, 101 BV. 177b) Ebenfalls nicht zu beanstanden sind die Anzeigepflichten nach § 8 RBStV. Der mit der Auskunftspflicht verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist gerechtfertigt. 178Die Mitteilungspflichten sind verhältnismäßig. Sämtliche der nach § 8 Abs. 4 und 5 RBStV abgefragten Daten dienen der zweifelsfreien Identifizierung des Beitragspflichtigen sowie der Feststellung der abgabebegründenden Tatbestände. Soweit in § 8 Abs. 5 Nr. 2 RBStV die Mitteilung des die Abmeldung begründenden Lebenssachverhalts gefordert wird, ist allerdings eine einschränkende Auslegung dahingehend vorzunehmen, dass allein eine Angabe in typisierter Form, wie etwa "Wohnungsaufgabe" oder "Umzug ins Ausland" gemeint ist, nicht aber persönliche Details wie Ehescheidung oder ähnliches. Vor dem Hintergrund, dass der Grundrechtseingriff nicht intensiv ist, die Datenerhebung strikt zweckgebunden erfolgt und die Anzeigepflichten Gemeinwohlbelangen von hohem Gewicht dienen, liegt hier ein gerechtfertigter Eingriff vor. 179VG Köln, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 6 K 5899/13 –, juris (Rn. 71 f); BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris (Rn. 138 ff.). 180c) Schließlich stellt sich, unabhängig von der hier nicht ersichtlichen unmittelbaren Betroffenheit des jeweiligen Rundfunkteilnehmers auch der in § 9 Abs. 1 RBStV geregelte Auskunftsanspruch der Landesrundfunkanstalt gegenüber Dritten ebenfalls als gerechtfertigter Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Auch dieser Eingriff ist verhältnismäßig. Das in dieser Norm vorgesehene Auskunftsrecht kommt erst zum Tragen, wenn eine mutmaßlich beitragspflichtige Person ihrer Mitteilungspflicht nach § 8 RBStV nicht oder nicht hinreichend nachgekommen ist oder eine Anfrage bei ihr nach § 9 Abs. 1 S. 1 RBStV oder eine Anfrage bei der Meldebehörde oder dem maßgeblichen öffentlichen Register nicht möglich oder erfolglos geblieben ist. Dieser Eingriff ist gerechtfertigt, um die zur Herstellung einer Beitragsgerechtigkeit erforderliche gleichmäßige Belastung aller Beitragspflichtigen sicherzustellen. 181VG Köln, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 6 K 5899/13 –, juris (Rn. 73); BayVerfGH, Urteil vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 –, juris (Rn. 149 ff.). 1825. Des weiteren ist kein Verstoß gegen europarechtliche Normen ersichtlich, insbesondere steht die Erhebung des Rundfunkbeitrags nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag nicht im Widerspruch zum Beihilferecht der Europäischen Union (Art. 107 ff. AEUV). Der Rundfunkbeitrag stellt keine neue Beihilfe im Sinne von Art. 108 AEUV dar, die erst nach Prüfung durch die Kommission zulässig wäre. Da der Rundfunkbeitrag die bestehende Gebühr vollumfänglich ersetzt, handelt es sich um eine bestehende Beihilfe, die keiner erneuten Notifizierung bedarf. Die Kammer folgt insoweit den Ausführungen in der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – (juris, Rn. 87 ff.). Dieser hat hierzu ausgeführt: 183„[89] Es sprechen entgegen der Sichtweise des Antragstellers im Verfahren Vf. 8-VII-12 keine beachtlichen Gründe dafür, dass die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags der Kommission als beabsichtigte Beihilfe zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV vorab hätten gemeldet werden müssen. Die Anmeldepflicht betrifft nur neue Beihilfen, die damit einem präventiven Verbot mit Genehmigungsvorbehalt unterworfen werden. Bestehende Beihilfen, also solche, die bereits bei Inkrafttreten des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gewährt oder nach seinem Inkrafttreten vertragskonform eingeführt wurden, werden hingegen gemäß Art. 108 Abs. 1 AEUV in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten fortlaufend überprüft; sie unterfallen mithin repressiver Kontrolle. Die Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV umfasst demnach alle Beihilfen, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschließlich der Änderungen bestehender Beihilfen (vgl. Art. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22.3.1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 93 des EG-Vertrags, ABl vom 27.3.1999 L 83 S. 1). 184[90] Die Kommission ist bei einer Überprüfung der früheren Gebührenfinanzierung mit Entscheidung vom 24. April 2007 Az. K(2007) 1761 zu der Auffassung gelangt, dass es sich bei den Finanzierungsregelungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk um eine bestehende staatliche Beihilfe handle (Rn. 191, 216) und dass die Bedenken in Bezug auf die Unvereinbarkeit mit dem gemeinsamen Markt durch die von Deutschland im Rahmen des Überprüfungsverfahrens eingegangenen Verpflichtungen (Rn. 322 ff.) ausgeräumt seien (Rn. 396). Es ist jedenfalls nicht offensichtlich, dass die Änderungen des Finanzierungssystems durch den Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag als Umwandlung in eine neue Beihilfe zu werten wären. Denn das wird nur für den Fall angenommen, dass die ursprüngliche Regelung durch die Änderung in ihrem Kern betroffen wird (vgl. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ABl vom 27.10.2009 C 257 S. 1 unter Rn. 31). Durch die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags werden indes weder die Art des Vorteils oder die Finanzierungsquelle noch das Ziel der Beihilfe, der Kreis der Begünstigten oder deren Tätigkeitsbereiche wesentlich verändert. Auch mit Blick auf zu erwartende Mehreinnahmen aus dem Rundfunkbeitrag ist keine gegenüber dem früheren Gebührensystem beachtliche Änderung zu erkennen. Denn es ist, wie oben ausgeführt (vgl. VI. A. 2. a) bb) (2), auch normativ durch § 3 Abs. 2 Satz 3 RFinStV abgesichert, dass keine Mehreinnahmen erzielt werden, die den extern geprüften und ermittelten Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf Dauer überschreiten.“ 185An dieser Rechtsprechung hält die Kammer weiterhin fest. Ergänzend ist in Bezug auf den Vortrag des Klägers folgendes auszuführen: 186Mit seinen Einwänden zur fehlenden Staatsferne und journalistischen Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie zur Einflussnahme der Politik über die Besetzung zentraler Positionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf die Berichterstattung rügt der Kläger im Kern die Nichterfüllung des verfassungsrechtlich determinierten Programmauftrags durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (vgl. auch § 11 RStV) sowie in der Sache u.a. einen Verstoß gegen § 10 RStV, wonach Berichterstattung und Informationssendungen den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen haben sowie unabhängig und sachlich sein müssen. Dies zu überprüfen ist indes nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags. 187Vgl. VG München, Urteil vom 24. September 2014 – M 6b K 14.1933 -, juris, Rn.41. 188Das Programmkontrollrecht obliegt nach den rundfunkverfassungsrechtlichen Vorgaben vielmehr den rundfunkrechtlichen Gremien, insbesondere den pluralistisch besetzten Rundfunkräten (vgl. z.B. § 15 WDR-Gesetz). Es ist zunächst Aufgabe dieses Gremiums, das die Interessen der Allgemeinheit (und damit auch die Interessen des Einzelnen) vertritt (vgl. z.B. § 16 WDR-Gesetz) über die Erfüllung der gesetzlich bestimmten Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu wachen und erforderlichenfalls entsprechend Einfluss auf die Programmgestaltung zu nehmen. Es besteht keine Rechtsgrundlage, aufgrund derer ein Zuschauer die Arbeit dieser Gremien einer gerichtlichen Kontrolle zuführen könnte. Die in den rundfunkrechtlichen Normen wie §§ 10 und 11 RStV festgeschriebenen Programmgrundsätze dienen nur den Interessen der Allgemeinheit; sie begünstigen keinen von ihr hinreichend abgrenzbaren Personenkreis. Dem einzelnen Bürger bleibt insoweit lediglich die Möglichkeit, sich mit Eingaben, Beschwerden und Anregungen an die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt und ihre Organe und dabei insbesondere den Rundfunkrat (vgl. z.B. § 10 WDR-Gesetz) oder an die aufsichtführende Stelle (nach § 54 WDR-Gesetz die Ministerpräsidentin) zu wenden. 189Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 7. Oktober 2003 – 8 A 90/03 –, juris, Rn. 13; VG Köln, Urteil vom 8. November 2007 – 6 K 2/07 –, juris, Rn. 29 und Gerichtsbescheid vom 26. Oktober 2011 – 6 K 3799/11 –, juris Rn 35. 190Vor diesem Hintergrund greift auch der Einwand des Klägers nicht durch, er könne es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, dieses Vorgehen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch Zahlung des Rundfunkbeitrags zu finanzieren. Daraus folgend kann der Kläger keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aus Gewissensgründen herleiten. Die Zahlung des Rundfunkbeitrags ist bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen verpflichtend und nicht in die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen gestellt. Der gesetzlich eröffnete Befreiungsgrund der besonderen Härte in § 4 Abs. 6 RBStV – insoweit müsste zudem zunächst vor gerichtlicher Geltendmachung ein Antrag bei dem Beklagten gestellt werden - regelt diese Konstellation ebenfalls nicht. Diese Härtefallregelung erfasst lediglich Fälle der objektiven Unmöglichkeit des Rundfunkempfangs, nicht hingegen Sachverhalte, in denen auf der Grundlage einer individuellen Entscheidung von der Möglichkeit des Empfangs von Rundfunk in der Wohnung abgesehen wird. 191Vgl. hierzu Urteil der Kammer vom 25. Juni 2015 – 27 K 2886/14 -. 192Auch folgt nicht, wie der Kläger meint, aus dem Vorrang des EU Rechts eine Europarechtswidrigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrag. Ein Verstoß gegen die vom Kläger genannten Bestimmungen und Richtlinien liegt nicht vor. Insbesondere handelt es sich bei dem Rundfunkbeitrag nicht, wie oben bereits ausgeführt, um eine neue Beihilfe. 193Schließlich begegnet auch die Höhe der in den angefochtenen Bescheiden für den Zeitraum von Januar 2013 bis einschließlich Juni 2014 festgesetzten Rundfunkbeiträge ebenso wie die Erhebung der Säumniszuschläge keinen Bedenken. Die Höhe des Rundfunkbeitrags ergibt sich aus § 8 RFinStV in der Fassung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages. Der Säumniszuschlag von jeweils 8 Euro findet seine Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 1 der Satzung des Beklagten über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (WDR-Beitragssatzung) vom 10. Dezember 2012 (GV. NRW. S. 662), die gemäß § 9 Abs. 2 RBStV mit Genehmigung der Ministerpräsidentin als Rechtsaufsichtsbehörde (vgl. § 54 Abs. 1 S. 1 des WDR-Gesetzes) erlassen wurde. 194Da sich die Fälligkeit der Rundfunkbeiträge unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (vgl. § 7 Abs. 3 S. 2 RBStV) und damit kraft Gesetzes eintritt, durften die Rundfunkbeiträge mit dem Säumniszuschlag zusammen festgesetzt werden. 195Die Entscheidung des LG Tübingen im Beschluss vom 19. Mai 2014 – 5 T 81/14 –, juris, wonach es vor Festsetzung des Säumniszuschlages der Herbeiführung der Fälligkeit der Rundfunkbeiträge durch Erlass eines Ausgangsbescheides („primären Beitragsbescheides“) bedarf, ist zwischenzeitlich aufgehoben worden durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11. Juni 2015 – I ZB 64/14 –, juris. 196Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 und 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung. 197Die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 S. 1 VwGO. Der Rechtssache kommt angesichts der höchstrichterlich noch nicht geklärten Fragen der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages grundsätzliche Bedeutung zu. 198Beschluss 199Der Streitwert wird auf die unterste Wertstufe von bis zu 500,00 Euro festgesetzt. 200Gründe: 201Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes erfolgt. | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 v. h. des vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung in höhe von 110 v. h. des jeweils zu vollstreckenden betrages sicherheit leistet. die berufung wird zugelassen. 1 | 2der kläger wendet sich gegen die erhebung von rundfunkbeiträgen. unter der geltung des rundfunkgebührenstaatsvertrages war er nicht als rundfunkteilnehmer gemeldet. seit inkrafttreten des rundfunkbeitragsstaatsvertrages - rbstv – wird er vom beklagten als inhaber einer wohnung am k. 14 in o. zu rundfunkbeiträgen unter der teilnehmernummer 000 000 000 herangezogen. 3nachdem der kläger die rundfunkbeiträge trotz erinnerung nicht zahlte, setzte der beklagte mit bescheid vom 1. august 2014 rundfunkbeiträge für den zeitraum von januar 2013 bis märz 2014 in höhe von 277,70 euro einschließlich eines säumniszuschlags in höhe von 8 euro fest. gegen diesen bescheid legte der kläger unter dem 28. august 2014 widerspruch ein. zur begründung verwies er darauf, es handele sich nicht um einen bescheid. das schreiben enthalte weder eine unterschrift noch irgendeinen namen. außerdem sei der beitragsservice keine behörde. 4mit weiterem bescheid vom 1. september 2014 – zur post aufgegeben am 8. september 2014 - setzte der beklagte rundfunkbeiträge für den zeitraum von april bis juni 2014 in höhe von 61,94 euro einschließlich eines säumniszuschlags in höhe von 8 euro fest. gegen diesen bescheid wandte sich der kläger unter hinweis auf seine urlaubsabwesenheit zunächst mit einer e-mail vom 30. september 2014, der er ein nicht unterschriebenes widerspruchsschreiben vom 30. september 2014 als pdf datei beifügte. dieses widerspruchsschreiben reichte er sodann mit unterschrift am 16. oktober 2014 mittels fax und am 20. oktober 2014 mittels einschreiben erneut ein. 5der beklagte wies beide widersprüche des klägers mit bescheid vom 20. oktober 2014 zurück und führte zur begründung aus: der widerspruch gegen den bescheid vom 1. september 2014 sei nicht zulässig. die e-mail vom 30. september 2014 sei nicht mit einer qualifizierten elektronischen signatur versehen gewesen, so dass der widerspruch nicht zulässig gewesen sei. der widerspruch gegen den bescheid vom 1. august 2014 sei zulässig, aber unbegründet. der bescheid sei formell rechtmäßig und von der zuständigen stelle erlassen worden. die bescheide vom 1. august 2014 und 1. september 2014 seien auch jeweils materiell rechtmäßig. seit dem 1. januar 2013 und dem inkrafttreten des rundfunkbeitragsstaatsvertrages komme es auf das bereithalten von rundfunkgeräten nicht mehr an, da nach § 2 abs. 1 rbstv die beitragspflicht an das innehaben einer wohnung anknüpfe. das beitragskonto seiner ehefrau mit der beitragsnummer 000 000 000 sei zum abmeldedatum januar 2013 abgemeldet worden. 6der kläger hat am 20. november 2014 unter wiederholung seines vorbringens aus dem widerspruchsverfahren klage erhoben. er trägt ergänzend vor: soweit sein widerspruch gegen den bescheid vom 1. september 2014 als unzulässig zurückgewiesen werde, sei dies fehlerhaft. er habe den widerspruch am 30. september 2014 per mail mit angehängter pdf datei verschickt. eine eingangsbestätigung habe er erhalten. er habe in der mail ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er in spanien keine möglichkeit habe, zu drucken oder zu faxen. nach seiner rückkehr habe er am 16. oktober die pdf dateien gedruckt, unterschrieben und per einwurf einschreiben verschickt. als er am 9. september 2014 in urlaub gefahren sei, sei der bescheid vom 1. september 2014 noch nicht in seinem briefkasten gewesen. am 26. september 2014 habe ihn sein sohn in spanien besucht und das schriftstück ungeöffnet mitgebracht. die frist der bekanntgabe beginne also mit dem 26. september 2014, so dass sein widerspruch vom 16. oktober 2014 fristgerecht gewesen sei. falls dies nicht so sei, beantragte er wiedereinsetzung in den vorherigen stand. im übrigen seien beide bescheide rechtswidrig. der vorhalt, er sei mit einer wohnung als beitragsschuldner angemeldet, sei nicht tragfähig, man möge ihm seine unterschrift zeigen. es gebe keinen rechtsgültigen vertrag nach dem bürgerlichen gesetzbuch. auch fehlten in den bescheiden die nach § 37 abs. 3 verwaltungsverfahrensgesetz geforderten angaben. insoweit sei auf die entscheidung des landgerichts tübingen zu verweisen. auch könne ein säumniszuschlag erst verlangt werden, wenn ein festsetzungsbescheid ergangen sei. ergänzend sei auf die zwischenzeitlich vorliegenden diversen gutachten, so von koblenzer, degenhart, geuer, hilker, terschüren, waldhoff, exner und seifarth sowie schließlich die schriftliche stellungnahme von professor ingo von münch vom 25. märz 2011 zu verweisen. alle bestätigten die verfassungswidrigkeit. ferner liege zwischenzeitlich ein gutachten des bundesfinanzministeriums vor. auch sei das zdf nicht frei von politischem einfluss und des weiteren stellten zwei annähernd gleiche sendergruppen wie ard und zdf eine unzumutbare auslegung des grundgesetzes bezüglich einer grundversorgung mit öffentlich-rechtlichem rundfunk dar. die eingenommenen gelder würden straflos verschwendet für überzogene gehälter, horrende gagen und sinnfreie teure sendezeitverschwendung. dadurch werde sein grundrecht auf informationsfreiheit verletzt. deswegen begehre er beitragsbefreiung nach § 4 abs. 6 s. 1 rbstv aus gewissensgründen wegen eines besonderen härtefalls. der zugang zum öffentlich-rechtlichen rundfunk sei auch nicht mehr zeitgemäß. gerade die frage der nutzung des internetangebots der öffentlich-rechtlichen sender könne jederzeit über benutzer passworte geregelt werden; als bezahlte option gestaffelt nach sozialen kriterien. das programmangebot könne problemlos mit elektronischen mitteln auf ein kostenpflichtiges angebot für diejenigen, die es annehmen wollen, eingeschränkt werden. die höhe des rundfunkbeitrags sei nicht nach dem einkommen und der leistungsfähigkeit der haushalte ausgerichtet und stelle eine grobe finanzielle benachteiligung von haushalten mit geringem jahreseinkommen dar. zudem sei der rundfunkbeitragsstaatsvertrag europarechtswidrig und zwar wegen des vorrangs des eu rechts. darüber hinaus folge die europarechtswidrigkeit daraus, dass es sich bei dem rundfunkbeitrag um eine neue beihilfe handle. 7der kläger beantragt, 8die beitragsbescheide des beklagten vom 1. august 2014 und 1. september 2014 in gestalt des widerspruchsbescheides vom 20. oktober 2014 aufzuheben. 9der beklagte beantragt, 10die klage abzuweisen. 11zur begründung wiederholt und vertieft er die im verwaltungsverfahren vorgebrachten gründe und trägt ergänzend vor, der kläger habe gegen beide bescheide fristgerecht widerspruch eingelegt, die zurückgewiesen worden seien. die klage sei als unbegründet abzuweisen. die bescheide vom 1. august und 1. september 2014 seien rechtmäßig und verletzten den kläger nicht in seinen rechten. die ab dem 1. januar 2013 geltende rundfunkbeitragspflicht nach dem rundfunkbeitragsstaatsvertrag sei verfassungskonform. 12wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte sowie den der dazu beigezogenen verwaltungsvorgänge bezug genommen. 13 | 14die klage hat keinen erfolg. 15die anfechtungsklage nach § 42 abs. 2 vwgo ist zulässig. zulässig ist sie insbesondere auch in bezug auf den bescheid vom 1. september 2014. zwar genügt die widerspruchseinlegung mittels e-mail hier nicht den anforderungen an einen schriftlichen widerspruch. der kläger hat den widerspruch allerdings unter darlegung seiner hinderungsgründe schriftlich nachgereicht. insbesondere hat der beklagte angesichts dessen in seiner klageerwiderung den widerspruch ausdrücklich als zulässig erachtet und ausschließlich die abweisung in der sache begehrt. 16vgl. hierzu z.b. bverwg, urteil vom 2. september 1983 – 7 c 97/81 -, juris. 17die klage ist aber unbegründet. die beitragsbescheide des beklagten vom 1. august 2014 und 1. september 2014 in gestalt des widerspruchsbescheides vom 20. oktober 2014 sind rechtmäßig und verletzen den kläger nicht in seinen rechten (vgl. § 113 abs. 1 s. 1 vwgo). der beklagte hat den kläger mit diesen bescheiden zu recht für die zeiträume von januar 2013 bis märz 2014 in höhe von 277,70 euro einschließlich eines säumniszuschlags in höhe von 8 euro und von april bis juni 2014 in höhe von 61,94 euro einschließlich eines säumniszuschlags in höhe von 8 euro herangezogen. 18die angefochtenen bescheide sind formell rechtmäßig. sie genügen insbesondere hinsichtlich bestimmtheit und form den anforderungen des nicht unmittelbar (vgl. § 2 abs. 1 des verwaltungsverfahrensgesetzes für das land nrw – vwvfg nrw), aber entsprechend anwendbaren § 37 vwvfg nrw. der hierzu unter bezugnahme auf die rechtsprechung des landgerichts tübingen 19beschluss vom 19. mai 2014 – 5 t 81/14 –, juris und vom 8. januar 2015 – 5 t 296/14 –, juris 20erhobene einwand des klägers, die angefochtenen bescheid ließen nicht, wie in § 37 abs. 3 vwvfg nrw vorgegeben, die erlassende behörde erkennen und enthielten weder die unterschrift noch die namenswiedergabe des behördenleiters, seines vertreters oder seines beauftragten, greift nicht durch. hierzu wird eingewandt, nach dem gesamteindruck des bescheides werde bei dem adressaten der eindruck erweckt, der ard zdf deutschlandradio beitragsservice - als nach § 10 abs. 7 s. 1 des rundfunkbeitragsstaatsvertrags (rbstv) nicht rechtsfähige öffentlich-rechtliche verwaltungsgemeinschaft - habe den verwaltungsakt erlassen. dass dieser im beitragsbescheid genannt wird, entspricht aber der vorgabe des § 10 abs. 7 rbstv. danach nimmt jede landesrundfunkanstalt die ihr nach dem staatsvertrag zugewiesenen aufgaben – wozu die beitragsfestsetzung zählt – ganz oder teilweise durch die verwaltungsgemeinschaft selbst wahr. es handelt sich bei der verwaltungsgemeinschaft um einen teil der rundfunkanstalt, der lediglich aus zweckmäßigkeitsgründen aus dem normalen betrieb am sitz jeder anstalt örtlich ausgelagert ist. 21vgl. tucholke, in: beck´scher kommentar zum rundfunkrecht, 3. aufl. 2012, § 10 rbstv rn. 59; so auch zur gez: oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (ovg nrw), beschluss vom 30. april 2009 – 8 e 1377/08 –, rechtsprechungsdatenbank nrwe (www.nrwe.de); zum beitragsservice: sächsisches ovg, beschluss vom 28. märz 2014 – 3 d 7/14 – , juris (rn. 13). 22der in bezug genommene beschluss des lg tübingen vom 19. mai 2014 – 5 t 81/14 – ist im übrigen zwischenzeitlich aufgehoben worden durch beschluss des bundesgerichtshofs vom 11. juni 2015 – i zb 64/14 - (juris). 23dies zugrunde legend geht der beklagte als „erlassende behörde“ im sinne des § 37 abs. 3 vwvfg nrw mit für den adressaten hinreichender deutlichkeit aus den angefochtenen ausgangsbescheiden hervor. zwar wird der ard zdf deutschlandradio beitragsservice mit seinen zugangsdaten im rechten oberen teil des briefkopfes aufgeführt. im linken teil wird aber der beklagte mit seiner postadresse genannt. auch endet der text mit der absendergrußformel: „mit freundlichen grüßen ihr westdeutschen rundfunk“. schließlich ist auch der widerspruchsbescheid bezeichnet als „widerspruchsbescheid des westdeutschen rundfunks“ und auch dieser schließt mit „freundlichen grüßen“ des beklagten. da die beitragsbescheide des beklagten auch mit hilfe automatischer einrichtungen erlassen werden, bedurfte es gemäß § 37 abs. 5 s. 1 vwvfg nrw nicht der in absatz 3 der vorschrift vorgesehenen unterschrift oder namenswiedergabe des behördenleiters, seines vertreters oder seines beauftragten. 24die heranziehung des klägers zum rundfunkbeitrag findet (in materieller hinsicht) ihre rechtsgrundlage in § 2 abs. 1 und 2, § 7 abs. 1, 2 und 3 sowie § 10 abs. 5 s. 1 des am 1. januar 2013 als art. 1 des 15. rundfunkänderungsstaatsvertrages in kraft getretenen rundfunkbeitragsstaatsvertrages (rbstv), dem der landtag in seiner sitzung am 8. dezember 2011 gemäß art. 66 s. 2 der verfassung für das land nordrhein-westfalen zugestimmt (gv. nrw. s. 675 ff.) und dadurch den zwischen allen bundesländern abgeschlossenen staatsvertrag in geltendes landesrecht im rang eines gesetzes überführt hat. vor diesem hintergrund geht die einschätzung des klägers, es handele sich beim rundfunkbeitragsstaatsvertrag um einen privatrechtlichen vertrag zulasten dritter, fehl. 25nach § 2 abs. 1 rbstv ist im privaten bereich für jede wohnung von deren inhaber (beitragsschuldner) ein rundfunkbeitrag zu entrichten. inhaber einer wohnung in diesem sinne ist gemäß § 2 abs. 2 rbstv jede volljährige person, die die wohnung selbst bewohnt (s. 1), wobei als inhaber jede person vermutet wird, die 1. dort nach dem melderecht gemeldet ist oder 2. im mietvertrag für die wohnung als mieter genannt ist (s. 2). nach § 7 abs. 1 s. 1 rbstv beginnt die pflicht zur entrichtung des rundfunkbeitrags mit dem ersten des monats, in dem der beitragsschuldner erstmals die wohnung innehat. gemäß § 7 abs. 2 s. 1 rbstv endet sie mit dem ablauf des monats, in dem das innehaben der wohnung endet, jedoch nicht vor dem ablauf des monats, in dem dies der zuständigen landesrundfunkanstalt angezeigt worden ist. § 7 abs. 3 rbstv sieht vor, dass der rundfunkbeitrag monatlich geschuldet und in der mitte eines dreimonatszeitraums jeweils für drei monate zu leisten ist. gemäß § 10 abs. 5 s. 1 rbstv werden rückständige rundfunkbeiträge durch die zuständige landesrundfunkanstalt festgesetzt. 26danach lagen die voraussetzungen für die festsetzung von rundfunkbeiträgen für den gesamten streitbefangenen zeitraum von januar 2013 bis juni 2014 gegenüber dem kläger vor. der kläger war im zeitpunkt des inkrafttretens des rundfunkbeitragsstaatsvertrages zum 1. januar 2013 inhaber der wohnung unter der anschrift am k. in o. und hatte diese wohnung auch noch bei ablauf des monats juni 2014 inne. bis zur festsetzung mit den angefochtenen bescheiden hatte der kläger die angefallenen rundfunkbeiträge nicht geleistet. 27entgegen der einschätzung des klägers verstoßen die seiner heranziehung zu grunde liegenden vorschriften des rundfunkbeitragsstaatsvertrages auch nicht gegen höherrangiges recht, was zwischenzeitlich auch das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (ovg nrw) in seinen urteilen vom 12. märz 2015 – 2 a 2311/14, 2 a 2422/14 und 2 a 2423/14 – (jeweils juris und abrufbar unter http://www.nrwe.de) bestätigt hat. 28so auch: verfassungsgerichtshof rheinland-pfalz (verfgh rp), urteil vom 13. mai 2014 – vgh b 35/12 –, juris; bayerischer verfassungsgerichtshof (bayverfgh), entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris; bayerischer verwaltungsgerichtshof, urteil vom 19. juni 2015 – 7 bv 14.1707 –, juris; vg köln, urteil vom 16. oktober 2014 – 6 k 7041/13 –, juris; vg arnsberg, urteil vom 20. oktober 2014 – 8 k 3353/13 –, juris; vg gelsenkirchen, urteil vom 10. dezember 2014 – 14 k 395/14 –, juris; vg minden, urteil vom 19. november 2014 – 11 k 3920/13 –, juris; vg hamburg, urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 –, juris; vg potsdam, urteil vom 19. august 2014 – 11 k 4160/13 –, juris; vg bremen, urteil vom 20. dezember 2013 – 2 k 570/13 –, juris; kube, der rundfunkbeitrag – rundfunk- und finanzverfassungsrechtliche einordnung – rechtsgutachten, juni 2013; bosman, paradigmenwechsel in der rundfunkfinanzierung: von der rundfunkgebühr zum rundfunkbeitrag, k&r 2012, 5 ff.; vgl. auch kirchhof, gutachten über die finanzierung des öffentlich-rechtlichen rundfunks, april 2010. 29a.a. degenhart, verfassungsfragen des betriebsstättenbeitrags nach dem rundfunkbeitragsstaatsvertrag – rechtsgutachten, k&r beihefter 1/2013, 1 ff.; ders., verfassungsrechtliche zweifelsfragen des rundfunkbeitragsstaatsvertrag, zum 2011, 193 ff.; terschüren, zur rechtsnatur des rundfunkbeitrags – warum der rundfunkbeitrag eine verfassungswidrige zwecksteuer darstellt, cr 2013, 702 ff.; koblenzer/günther, abgabenrechtliche qualifizierung des neuen rundfunkbeitrags und finanzverfassungsrechtliche konsequenzen, handelsblatt-online 2013; korioth/koemm, gut gemeint, doch schlecht gemacht: die neue rundfunkabgabe ist verfassungswidrig!, dstr 2013, 833 ff.; exner/seifarth, der neue „rundfunkbeitrag“ – eine verfassungswidrige reform, nvwz 2013, 1569 ff. 30weder verstößt die rundfunkbeitragspflicht gegen die von art. 2 abs. 1 des grundgesetzes (gg) geschützte allgemeine handlungsfreiheit (1.) noch wird mit der tatbestandlichen anknüpfung dieser pflicht an die inhaberschaft einer wohnung der allgemeine gleichheitsgrundsatz aus art. 3 abs. 1 gg oder das verbot der benachteiligung behinderter menschen aus art. 3 abs. 3 s. 2 gg verletzt (2.). des weiteren stellt die rundfunkbeitragspflicht keine verletzung sonstiger grundrechte dar, insbesondere nicht der rechte aus art. 5 abs. 1, 4 abs. 1, 12, 13 und 14 gg (3.). auch verstoßen die vorschriften der §§ 8, 9 abs. 1 und 14 abs. 9 rbstv zur anzeigepflicht, zum auskunftsrecht sowie zum einmaligen datenabgleich mit den meldebehörden bei inkrafttreten des rbstv, deren anwendung im einzelfall zur heranziehung eines wohnungsinhabers geführt hat, nicht gegen das von art. 2 abs. 1 i.v.m. art. 1 abs. 1 gg geschützte recht auf informationelle selbstbestimmung (4). schließlich ist kein verstoß gegen europarechtliche normen ersichtlich (5.). 31hierzu hat die kammer in ihrem urteil vom 3. märz 2015 – 27 k 9590/13 – (juris und abrufbar unter http://www.nrwe.de) ausgeführt: 321. die in § 2 abs. 1 rbstv vorgesehene rundfunkbeitragspflicht des inhabers jeder wohnung verletzt nicht die von art. 2 abs. 1 gg geschützte allgemeine handlungsfreiheit. 33als auferlegung einer geldleistungspflicht stellt die erhebung des rundfunkbeitrags zwar einen eingriff in die persönliche freiheitsentfaltung im vermögensrechtlichen bereich als teil der allgemeinen handlungsfreiheit dar. 34vgl. bundesverfassungsgericht (bverfg), beschluss vom 25. juni 2014 – 1 bvr 668 und 2104/10 –, juris (rn. 37); bverfg, beschluss vom 25. september 1992 – 2 bvl 5,8 und 14/91 –, juris (rn. 64). 35dieser eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. denn der rundfunkbeitrag beruht auf einem formell und materiell verfassungsmäßigen gesetz und gehört damit zur verfassungsmäßigen ordnung als schranke der allgemeinen handlungsfreiheit. er ist als nichtsteuerliche abgabe mit gegenleistungscharakter (a) gerechtfertigt, für die das land nordrhein-westfalen mangels bundeskompetenz zur gesetzgebung befugt war (b) und die den anforderungen genügt, die sich zum einen aus der schutz- und begrenzungsfunktion der finanzverfassung an solche abgaben (c), zum anderen aus dem grundsatz der verhältnismäßigkeit ergeben (d). 36a) der rundfunkbeitrag nach § 2 abs. 1 rbstv ist keine steuer, sondern eine nichtsteuerliche abgabe in form einer vorzugslast. 37maßgeblich für die qualifizierung einer abgabe als steuer oder nichtsteuerliche abgabe ist die ausgestaltung des betreffenden gesetzes. die einordnung der abgabe richtet sich nicht nach ihrer gesetzlichen bezeichnung, sondern nach ihrem tatbestandlich bestimmten, materiellen gehalt. 38steuern sind öffentliche abgaben, die als gemeinlast ohne individuelle gegenleistung („voraussetzungslos“) zur deckung des allgemeinen finanzbedarfs eines öffentlichen gemeinwesens erhoben werden. 39abgaben mit gegenleistungscharakter sollen dagegen einen sondervorteil ausgleichen. sie stellen sich als vorzugslasten dar. darunter fallen gebühren und beiträge. gebühren sind öffentlich-rechtliche geldleistungen, die aus anlass individuell zurechenbarer leistungen dem gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche norm oder sonstige hoheitliche maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in anknüpfung an diese leistung deren kosten ganz oder teilweise zu decken. das gilt entsprechend für beiträge, die im unterschied zu gebühren schon für die potentielle inanspruchnahme einer öffentlichen einrichtung oder leistung erhoben werden. der gedanke der gegenleistung, also des ausgleichs von vorteilen und lasten, ist der den beitrag im abgabenrechtlichen sinn legitimierende gesichtspunkt. während bei den zwecksteuern die ausgaben- und die einnahmenseite voneinander abgekoppelt sind, werden bei den nichtsteuerlichen abgaben in form von beiträgen die rechtfertigung und die höhe der abgabe gerade durch den öffentlichen aufwand vorgegeben. 40vgl. bverfg, beschluss vom 25. juni 2014 – 1 bvr 668 und 2104/10 –, juris (rn. 40 ff.). 41ob eine wechselbezüglichkeit von staatlichen leistungen und abgabenlast besteht, bestimmt sich unter berücksichtigung der die abgrenzung notwendig machenden kriterien anhand einer wertenden betrachtung. 42vgl. verfgh rp, urteil vom 13. mai 2014 – vgh b 35/12 –, juris (rn. 89). 43danach ist der rundfunkbeitrag nach § 2 abs. 1 rbstv keine steuer, sondern eine nichtsteuerliche abgabe in form einer vorzugslast. das hierfür maßgebliche wechselseitigkeitsverhältnis wird durch die normative ausgestaltung des rundfunkbeitragsstaatsvertrages, der zufolge der beitrag die möglichkeit des empfangs öffentlich-rechtlichen rundfunks abdeckt (aa), sowie dadurch begründet, dass die abgabenbelastung wie auch die verwendung der einkünfte nach grund und höhe durch ihre funktion zur finanzierung (allein) des rundfunks bedingt sind (bb). 44vgl. verfgh rp, urteil vom 13. mai 2014 – vgh b 35/12 –, juris (rn. 86 ff.); bayverfgh, entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris (rn. 71 ff.). 45die kammer schließt sich insoweit der einschätzung des verfassungsgerichtshofes rheinland-pfalz an, der in seinem urteil vom 13. mai 2014 – vgh b 35/12 – (juris (rn. 92 ff.)) ausgeführt hat: 46aa) „der rundfunkbeitragsstaatsvertrag knüpft die abgabenpflicht gemäß § 2 abs. 1, § 5 abs. 1 rbstv an das innehaben einer wohnung im privaten sowie einer betriebsstätte im nicht privaten bereich an. ausweislich der gesetzesmaterialien soll hierdurch die möglichkeit, öffentlich-rechtlichen rundfunk zu empfangen, abgegolten werden. insoweit hat der gesetzgeber der regelung unter rückgriff auf statistische angaben die annahme zugrunde gelegt, dass die bürger heutzutage nahezu ausnahmslos über empfangsfähige geräte verfügen und diese daher – zumal angesichts des andernfalls notwendigen kontrollaufwands – kein für eine abgabenpflicht geeignetes abgrenzungsmerkmal (mehr) darstellen. auch wenn danach ein rundfunkempfang oftmals ortsunabhängig ist, beruht die maßgeblichkeit der wohnung oder betriebsstätte auf der annahme, dort liege der schwerpunkt der rundfunknutzung, wie auch auf dem umstand, dass dies eine den gesellschaftlichen gegebenheiten entsprechende zusammenfassung mehrerer rundfunknutzer zu einer empfangs- und damit beitragsgemeinschaft ermöglicht. (…) 47damit steht nach der normativen ausgestaltung des rundfunkbeitrags die abgabenpflicht in einem wechselseitigkeitsverhältnis zur einräumung der möglichkeit der rundfunknutzung als vorteil. seine entsprechung findet dies darin, dass taubblinde menschen – denen eine rundfunknutzung objektiv unmöglich ist – gemäß § 4 abs. 1 nr. 10 rbstv von der beitragspflicht befreit sind; bürger, die das rundfunkangebot nur eingeschränkt nutzen können – blinde und hörgeschädigte menschen, § 4 abs. 2 rbstv –, zahlen nur einen verringerten beitrag. darüber hinaus sieht § 4 abs. 6 rbstv eine beitragsbefreiung in einem besonderen härtefall vor, welcher u. a. dann vorliegt, wenn es einem rundfunkbeitragsschuldner objektiv unmöglich ist, rundfunk zu empfangen (lt-drucks. 16/188, s. 23).“ 48bb) „die konnexität von abgabenlast und besonderer staatlicher leistung und damit die qualifizierung als nichtsteuerliche abgabe folgt zudem daraus, dass die abgabenbelastung wie auch die verwendung der einkünfte nach grund und höhe durch ihre funktion zur finanzierung (allein) des rundfunks bedingt, d. h. unauflösbar miteinander verbunden sind. 49ein zur qualifizierung als nichtsteuerliche abgabe führendes gegenseitigkeitsverhältnis kann auch dadurch hergestellt werden, dass der umfang der abgabenbelastung durch die höhe der staatlichen aufwendungen für den abgabenfinanzierten zweck bzw. durch diesen selbst rechtlich begrenzt sind. denn den steuern ist, da sie voraussetzungslos sind und der gewinnung der mittel für den allgemeinen finanzbedarf dienen, gerade zu eigen, dass ihre höhe (verfassungs-)rechtlich nicht durch die mit ihnen finanzierten staatlichen aufgaben, sondern durch die wirtschaftliche leistungsfähigkeit der bürger begrenzt ist (bverfg, beschluss vom 23. november 1976 – 1 bvr 150/75 –, bverfge 43, 108 [118 ff.]; urteil vom 3. november 1982 – 1 bvr 620/78 u.a. –, bverfge 61, 319 [344 ff.]; beschlüsse vom 22. februar 1984 – 1 bvl 10/80 –, bverfge 66, 214 [222 ff.], und vom 29. mai 1990 – 1 bvl 20/84 u.a. –, bverfge 82, 60 [86]). rechtmäßigkeitskriterium für gebühren und beiträge hingegen, die für die tatsächliche oder die potenzielle inanspruchnahme staatlicher einrichtungen erhoben werden, sind die mit ihnen verfolgten legitimen abgabenzwecke, wobei dem kostendeckungs- und dem äquivalenzprinzip kein verfassungsrang zukommen (vgl. bverfg, beschlüsse vom 6. februar 1979 – 2 bvl 5/76 –, bverfge 50, 217 [227]; vom 9. mai 1989 – 1 bvl 35/86 –, bverfge 80, 103 [107]; vom 12. februar 1992 – 1 bvl 1/89 –, bverfge 85, 337 [346], und vom 10. märz 1998 – 1 bvr 178/97 –, bverfge 97, 332 [344 f.]; urteil vom 5. november 2002 – 2 bvl 9/98 u.a. –, bverfge 108, 1 [18]). eine abgabenerhebung grundsätzlich ohne rücksicht auf die allgemeine steuerliche leistungsfähigkeit steht daher einer materiell-rechtlichen einordnung als steuer ebenso entgegen wie die tatbestandliche verknüpfung des grundes und der höhe der abgabenpflicht mit der erledigung einer speziellen aufgabe (bverfg, beschlüsse vom 24. januar 1995 – 1 bvl 18/93 u.a. –, bverfge 92, 91 [114], und vom 18. mai 2004 – 2 bvr 2374/99 –, bverfge 110, 370 [384]). 50eine solche verknüpfung von abgabenlast und abgabenzweck folgt vorliegend daraus, dass unter zugrundelegung des derzeitigen rundfunksystems die höhe der rundfunkabgabe von verfassungs wegen durch den finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen rundfunkanstalten nicht nur bestimmt, sondern zugleich auch begrenzt ist. vertraut der gesetzgeber im interesse der freien individuellen und öffentlichen meinungsbildung die rundfunkveranstaltung ganz oder zum teil öffentlich-rechtlichen rundfunkanstalten an, so folgt aus art. 5 abs. 1 satz 2 gg seine pflicht zu einer funktionsgerechten finanzierung dieser anstalten. deren funktion begründet jedoch nicht nur, sondern begrenzt zugleich zum schutz der abgabenpflichtigen die finanzielle gewährleistungspflicht. der gesetzgeber ist daher nicht nur nicht verpflichtet, jede programmentscheidung, welche die rundfunkanstalten in wahrnehmung ihrer programmfreiheit treffen, finanziell zu honorieren; er ist vielmehr daran gehindert, soweit die daraus folgende geldleistungspflicht der abgabenschuldner das zur funktionserfüllung des öffentlich-rechtlichen rundfunks gebotene maß überschreitet. er muss, darf aber auch nur die finanzierung der zur wahrnehmung der spezifischen funktion des öffentlich-rechtlichen rundfunks erforderlichen programme ermöglichen (bverfg, urteil vom 4. november 1986 – 1 bvf 1/84 –, bverfge 73, 118 [158]; beschlüsse vom 24. märz 1987 – 1 bvr 147/86 u.a. –, bverfge 74, 297 [342], und vom 6. oktober 1992 – 1 bvr 1586/89 u.a. –, bverfge 87, 181 [198, 200 ff.]; urteile vom 22. februar 1994 – 1 bvl 30/88 –, bverfge 90, 60 [90, 92 f., 102 ff.], und vom 11. september 2007 – 1 bvr 2270/05 u.a. –, bverfge 119, 181 [219]). ungeachtet des umstands, dass der umfang der finanzierungspflicht seitens der verfassung nicht betragsmäßig, sondern nur verfahrenstechnisch durch einbindung einer unabhängigen institution bestimmbar ist, handelt es sich hierbei um keine politische oder um eine ermessens-, sondern innerhalb der rundfunkverfassungsrechtlichen grenzen um eine gebundene fachliche entscheidung (bverfg, urteile vom 22. februar 1994 – 1 bvl 30/88 –, bverfge 90, 60 [95, 103 f.], und vom 11. september 2007 – 1 bvr 2270/05 u.a. –, bverfge 119, 181 [219]). 51diese in der natur der rundfunkfinanzierung wurzelnde verfassungsrechtliche begrenzung des tatbestands der abgabenlast durch den abgabenzweck bei gleichzeitiger entsprechender verwendungsbindung begründet deren konnexität. hierin unterscheidet sie sich insbesondere von der (finanzierungs-)zwecksteuer, bei welcher lediglich die verwendung der mittel, nicht jedoch zugleich deren erhebung rechtlich beschränkt bzw. bedingt ist (§ 8 satz 2 bundeshaushaltsordnung; § 8 satz 2 landeshaushaltsordnung). zwar dürfen etwaige überschüsse aus zwecksteuern nicht für die finanzierung anderer aufgaben verwendet werden, sondern unterliegen, sofern sie am ende der haushaltsperiode nicht verausgabt wurden, weiter ihrem beschränkten verwendungszweck. die bindung erfasst jedoch nur die verwendung der einnahmen; sie steht zudem – innerhalb der (verfassungs-)rechtlichen voraussetzungen für die zulässigkeit einer solchen zweckbindung – im politischen ermessen des gesetzgebers, der sich hiervon folglich auch wieder lösen kann. zudem ist bei der zwecksteuer der kreis der abgabepflichtigen nicht streng mit dem kreis der vorteilsempfänger identisch (waldhoff, stuw 2002, 285 [298, 303]). schließlich spricht für den charakter als nichtsteuerliche abgabe nicht nur der umstand, dass der beitrag einem speziellen – nicht dem allgemeinen – finanzbedarf gewidmet ist, sondern zusätzlich hierzu, dass das abgabenaufkommen nicht in den allgemeinen landeshaushalt einfließt, sondern der eigenständigen verwaltung der rundfunkanstalten unterliegt (vgl. bverfg, urteil vom 06. juli 2005 – 2 bvr 2335/95 u.a. –, bverfge 113, 128 [146]).“ 52die hohe zahl der rundfunkbeitragspflichtigen steht der einordnung als nichtsteuerliche abgabe nicht entgegen. die qualifizierung als entgelt scheitert allgemein nicht an der größe des adressatenkreises des staatlichen leistungsangebots. entscheidend ist alleine der gegenleistungscharakter der abgabe, d.h. die art des belastungsgrundes dem einzelnen gegenüber, nicht aber die zahl paralleler belastungen. 53vgl. kube, der rundfunkbeitrag – rundfunk- und finanzverfassungsrechtliche einordnung – rechtsgutachten, juni 2013, s. 33. 54im fall des rundfunkbeitrags korrespondiert die breite der finanzierungsverantwortung mit der größe des adressatenkreises, an den sich das programmangebot des öffentlich-rechtlichen rundfunks richtet, ohne dass dies etwas an dem tatbestandlich bestimmten gegenleistungsverhältnis zur einzelnen person ändert. 55vgl. bayverfgh, entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris (rn. 75). 56dementsprechend hat auch der verfassungsgerichtshof rheinland-pfalz im bereits oben zitierten urteil vom 13. mai 2014 (rn. 103) insoweit ausgeführt: 57„soweit hinsichtlich der staatlichen leistungen, deren finanzierung die abgabe bezweckt, ein „besonderer“ vorteil erforderlich ist, ist bezugsrahmen für die feststellung einer derartigen besonderheit nicht die stellung des abgabepflichtigen im vergleich zur restlichen bevölkerung, sondern die abgrenzung der zu finanzierenden aufgabe gegenüber den gemeinlasten, d.h. den allgemeinen staatlichen aufgaben. von diesen unterscheidet sich die veranstaltung eines öffentlich-rechtlichen rundfunks ungeachtet der pflicht des staates zu dessen funktionsgerechter finanzierung jedoch grundlegend.“ 58unter verweis auf genau diese ausführungen hat schließlich auch das bundesverfassungsgericht jüngst noch einmal festgestellt, dass nicht ausgeschlossen ist, „dass eine unbestimmte vielzahl von bürgern zu beiträgen herangezogen werden, sofern ihnen jeweils ein sondervorteil individuell-konkret zugerechnet werden kann.“ 59bverfg, beschluss vom 25. juni 2014 – 1 bvr 668 und 2104/10 –, juris (rn. 52). 60dass letzeres hier der fall ist, wurde bereits oben gezeigt. 61b) für die erhebung des rundfunkbeitrags als nichtsteuerliche abgabe mit gegenleistungscharakter hat das land nordrhein-westfalen dem grunde nach die gesetzgebungskompetenz. 62für öffentlich-rechtliche abgaben, die keine steuern sind, richtet sich die gesetzgebungskompetenz nach den allgemeinen regeln über die sachgesetzgebungskompetenzen (art. 70 ff. gg). 63vgl. bverfg, beschluss vom 25. juni 2014 – 1 bvr 668 und 2104/10 –, juris (rn. 45). 64die gesetzgebungskompetenz für den rundfunk liegt gemäß art. 70 abs. 1 gg bei den ländern, was auch die regelung in art. 23 abs. 6 s. 1 gg bestätigt. sie schließt die kompetenz zur regelung der rundfunkfinanzierung ein. 65vgl. bverfg, nichtannahmebeschluss vom 22. august 2012 – 1 bvr 199/11 – , juris (rn. 16); bverfg, urteil vom 22. februar 1994 – 1 bvl 30/88 – <8. rundfunkurteil / kabelgroschen>, juris (rn. 191). 66c) das land nordrhein-westfalen hat auch die grenzen seiner gesetzgebungskompetenz hinsichtlich des rundfunkbeitrags nicht überschritten, die sich für nichtsteuerliche abgaben aus der begrenzungs- und schutzfunktion der bundesstaatlichen finanzverfassung des grundgesetzes (art. 104a ff. gg) ergeben. 67das grundgesetz enthält keinen abschließenden kanon zulässiger abgabentypen. im rahmen der finanzverfassung regelt es neben den zöllen und finanzmonopolen im wesentlichen die bundesstaatliche verteilung der gesetzgebungs-, ertrags- und verwaltungskompetenzen nur für das finanzierungsmittel der steuer. das schließt die erhebung nichtsteuerlicher abgaben zwar nicht aus. die grundgesetzliche finanzverfassung verlöre aber ihren sinn und ihre funktion, wenn der gesetzgeber unter rückgriff auf seine kompetenzen aus art. 70 ff. gg den bürger unter umgehung der finanzverfassungsrechtlichen verteilungsregeln mit beliebigen nichtsteuerlichen abgaben belegen könnte. 68sie bedürfen daher insbesondere – über die einnahmeerzielung hinaus oder an deren stelle – einer besonderen sachlichen rechtfertigung. zwar bestehen danach gegen die erhebung von vorzugslasten, die zu den „klassischen“ abgabenarten und zum tradierten bestand staatlicher tätigkeit gehören, keine grundsätzlichen bedenken. sie sind dem grunde nach bereits durch ihre ausgleichsfunktion sachlich besonders gerechtfertigt. jedoch kann ihre konkrete gesetzliche ausgestaltung mit der begrenzungs- und schutzfunktion der bundesstaatlichen finanzverfassung kollidieren. ihre erhebung bedarf daher nicht nur dem grunde nach, sondern auch hinsichtlich ihrer konkreten ausgestaltung, insbesondere ihrer höhe einer im verhältnis zur steuer besonderen, unterscheidungskräftigen legitimation. 69vgl. bverfg, beschluss vom 18. mai 2004 – 2 bvr 2374/99 – , juris (rn. 85 ff.); bverfg, urteil vom 19. märz 2003 – 2 bvl 9-12/98 – < rückmeldegebühr baden-württemberg>, juris (rn. 48 ff.); verfgh rp, urteil vom 13. mai 2014 – vgh b 35/12 –, juris (rn. 106). 70diesen anforderungen genügt die regelung der rundfunkbeitragspflicht im privaten bereich sowohl hinsichtlich der erhebung des beitrags dem grunde nach (aa) als auch hinsichtlich seiner höhe (bb). 71aa) der rundfunkbeitrag ist dem grunde nach im verhältnis zur steuer bundesverfassungsrechtlich durch seine ausgleichsfunktion ( (1) ) und die finanzierungsgarantie ( (2) ) zu gunsten des öffentlich-rechtlichen rundfunks besonders sachlich gerechtfertigt. 72vgl. bayverfgh, entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris (rn. 80); verfgh rp, urteil vom 13. mai 2014 – vgh b 35/12 –, juris (rn. 108 ff.). 73die kammer schließt sich insoweit den folgenden ausführungen des bayerischen verfassungsgerichtshofs in seiner entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 – (juris (rn. 80 ff.)) an: 74(1) „der vorteilsausgleich dient nach den vorstellungen des normgebers zwei ineinandergreifenden zwecken: zum einen soll er den vorteil abgelten, der daraus entsteht, dass der öffentlich-rechtliche rundfunk in besonderem maß die grundlagen der informationsgesellschaft fördert und einen wichtigen beitrag zur integration und teilhabe an demokratischen, kulturellen und wirtschaftlichen prozessen leistet (lt-drs. 16/7001 s. 11); insoweit ist grundsätzlich jede person im einwirkungsbereich des öffentlich-rechtlichen rundfunks an der finanzierungsverantwortung zu beteiligen, weil sie einen gleichsam strukturellen vorteil aus dessen wirken zieht. zum anderen wird ein entgelt für die möglichkeit individueller nutzung verlangt, von der bei typisierender betrachtung in den gesetzlich bestimmten raumeinheiten üblicherweise gebrauch gemacht wird (vgl. etwa lt-drs. 16/7001 s. 12 f., 17). beide gründe rechtfertigen jeweils für sich die erhebung des rundfunkbeitrags neben den steuern (vgl. p. kirchhof, gutachten über die finanzierung des öffentlich-rechtlichen rundfunks, 2010, s. 59 f.).“ 75(2) „die rechtfertigung für die im rundfunkbeitragsstaatsvertrag gewählte ausgestaltung des rundfunkbeitrags folgt aus der grundgesetzlichen finanzierungsgarantie zugunsten des öffentlich-rechtlichen rundfunks. zur verfassungsrechtlichen gewährleistung der rundfunkfreiheit gemäß art. 5 abs. 1 satz 2 gg gehört nach der rechtsprechung des bundesverfassungsgerichts die sicherung der funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen rundfunks einschließlich seiner bedarfsgerechten finanzierung. der gesetzgeber hat vorsorge dafür zu treffen, dass der öffentlich-rechtliche rundfunk seine funktion unbeeinflusst von jeglicher indienstnahme für außerpublizistische zwecke, seien sie politischer oder ökonomischer natur, erfüllen kann (bverfge 119, 181/214 ff. m. w. n.; bverfg vom 25.3.2014 – 1 bvf 1/11 u. a. – juris rn. 33 ff.). auch wenn das grundgesetz keine bestimmte finanzierungsregelung vorschreibt, so ist doch eine finanzierung erforderlich, die den öffentlich-rechtlichen rundfunk in den stand setzt, die ihm zukommende funktion im gegenwärtigen system des (…) nebeneinanders von öffentlich-rechtlichem und privatwirtschaftlichem rundfunk zu erfüllen, und die ihn zugleich wirksam davor schützt, dass die entscheidung über die finanzausstattung zu politischen einflussnahmen auf das programm genutzt wird. die dem öffentlich-rechtlichen rundfunk gemäße art der finanzierung ist deshalb, wie das bundesverfassungsgericht wiederholt hervorgehoben hat, die „gebührenfinanzierung“; sie erlaubt es ihm, unabhängig von einschaltquoten und werbeaufträgen ein programm anzubieten, das den verfassungsrechtlichen anforderungen gegenständlicher und meinungsmäßiger vielfalt entspricht (bverfg vom 22.2.1994 bverfge 90, 60/90; 119, 181/219; vgl. auch verfgh vom 15.12.2005 verfghe 58, 277/285). damit ist die rundfunkfinanzierung allerdings nicht auf das modell der früheren gerätebezogenen rundfunkgebühr eingeengt, sondern lediglich der verfassungsrechtliche rahmen für eine vorrangige finanzierung durch vorzugslasten umschrieben, die eine staatsferne (deshalb keine steuer) und zugleich quotenunabhängige (deshalb kein rein nutzungsbezogenes entgelt) deckung des finanzbedarfs durch diejenigen sicherstellt, denen der rundfunk zugutekommt. hieraus bezieht der rundfunkbeitrag in seiner staatsvertraglich begründeten gestalt sowohl für den privaten als auch für den nicht privaten bereich eine besondere sachliche legitimation, die ihn von der steuer hinreichend deutlich unterscheidet.“ 76bb) auch die bemessung des rundfunkbeitrags ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. denn seine höhe ist durch zulässige zwecke ( (1) ), die der gesetzgeber bei der tatbestandlichen ausgestaltung erkennbar verfolgt ( (2) ), legitimiert. 77vgl. zu diesen anforderungen an vorzugslasten in bezug auf eine gebühr: bverfg, urteil vom 19. märz 2003 – 2 bvl 9-12/98 – , juris (rn. 55). 78(1) der rundfunkbeitrag ist der höhe nach kompetenzrechtlich im verhältnis zur steuer gerechtfertigt durch die anerkannten zwecke der kostendeckung und des vorteilsausgleichs, ohne dass der gesetzgeber bei der abgabenbemessung den ihm zustehenden gestaltungsspielraum überschritten hat. 79der rundfunkbeitrag ist seiner zweckbestimmung nach darauf beschränkt sicherzustellen, dass der öffentlich-rechtliche rundfunk seine funktion im rahmen der bestehenden dualen rundfunkordnung zur gewährleistung der von art. 5 abs. 1 s. 2 gg geforderten vielfalt der bestehenden meinungen im rundfunk erfüllen kann. diese besteht darin, als gegengewicht zu den privaten rundfunkanbietern ein leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen entscheidungsrationalität als der der marktwirtschaftlichen anreize im hinblick auf einschaltquoten und werbeaufträgen folgt und damit eigene möglichkeiten der programmgestaltung eröffnet, ohne dabei inhaltlich auf eine mindestversorgung oder ein ausfüllen von lücken und nischen und auch technisch nicht auf einen bestimmten entwicklungsstand beschränkt zu sein. 80vgl. bverfg, urteil vom 25. märz 2014 – 1 bvf 1 und 4/11 –, juris (rn. 33 ff.); bverfg, urteil vom 11. september 2007 – 1 bvr 2270/05 sowie 809 und 830/06 – , juris (rn. 121 ff.). 81die öffentlich-rechtlichen rundfunkanstalten sind verpflichtet, sich im rahmen dieses rundfunkauftrags zu halten und im einklang mit den grundsätzen von wirtschaftlichkeit und sparsamkeit den finanzbedarf zu ermitteln, der sich auf dieser grundlage aus ihren im übrigen autonom getroffenen programmentscheidungen ergibt. die einhaltung dieser verpflichtung unterliegt ihrerseits einer externen kontrolle, wie sie in § 14 abs. 1-3 des staatsvertrages für rundfunk und telemedien (rundfunkstaatsvertrag – rstv) vom 31. august 1991 sowie im rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag (rfinstv) vom 26. november 1996, jeweils in der fassung des 15. rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 13. dezember 2011 (gv. nrw. s. 675 ff.) im einzelnen ausgestaltet ist. danach wird der finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen rundfunks regelmäßig alle zwei jahre entsprechend den grundsätzen von wirtschaftlichkeit und sparsamkeit, einschließlich der damit verbundenen rationalisierungspotentiale, auf der grundlage von bedarfsanmeldungen der öffentlich-rechtlichen rundfunkanstalten durch die unabhängige kommission zur überprüfung und ermittlung des finanzbedarfs der rundfunkanstalten (kef) geprüft und ermittelt (vgl. §§ 14 abs. 1 rstv, 3 abs. 1-3 rfinstv). auf der grundlage der überprüften und gegebenenfalls korrigierten bedarfsanmeldungen der rundfunkanstalten erfolgt sodann auf einer dritten stufe die abschließende festsetzung des rundfunkbeitrags durch einen staatsvertrag der länder (vgl. §§ 14 abs. 5 rstv, 7 rfinstv), wobei abweichungen von der bedarfsfeststellung zwar nicht zu programmlichen oder medienpolitischen zwecken, wohl aber insbesondere zur wahrung der vermögensinteressen der rundfunkteilnehmer, das heißt zur beschränkung auf eine angemessene belastung möglich sind. 82vgl. zu alledem: bverfg, urteil vom 11. september 2007 – 1 bvr 2270/05 sowie 809 und 830/06 – , juris (rn. 141 ff.) bverfg, urteil vom 22. februar 1994 – 1 bvl 30/88 – <8. rundfunkurteil / kabelgroschen>, juris (rn. 156 ff.); bayverfgh, entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris (rn. 83 f.). 83dass der gesetzgeber bei der bemessung des rundfunkbeitrags zur deckung der kosten der öffentlich-rechtlichen rundfunkanstalten auf der einen seite und zum ausgleich des in ihrem rundfunkangebot liegenden vorteils auf der anderen seite den ihm zustehenden gestaltungsspielraum überschritten hat, ist nicht ersichtlich. eine beitragsbemessung ist unter diesem gesichtspunkt verfassungsrechtlich nur dann sachlich nicht gerechtfertigt, wenn sie in einem „groben missverhältnis“ zu den verfolgten legitimen zwecken steht. denn die verfassungsrechtliche kontrolle der gesetzgeberischen bemessung einer abgabe, die ihrerseits komplexe kalkulationen, bewertungen, einschätzungen und prognosen voraussetzt, darf nicht überspannt werden, insbesondere wenn sie – wie hier – in massenverfahren erhoben wird. 84vgl. bverfg, urteil vom 19. märz 2003 – 2 bvl 9-12/98 – , juris (rn. 62). 85für ein derartiges grobes missverhältnis zwischen dem in § 8 rfinstv derzeit auf monatlich 17,98 euro festgesetzten rundfunkbeitrag und den zwecken der kostendeckung und des vorteilsausgleichs liegen keine anhaltspunkte vor. dagegen spricht bereits der umstand, dass dieser betrag der summe der auf der grundlage des früheren rundfunkgebührenstaatsvertrages erhobenen und seit januar 2009 unveränderten grund- und fernsehgebühr entspricht. zudem ist insoweit zu berücksichtigen, dass aufgrund der umstellung von der gerätebezogenen rundfunkgebühr auf den geräteunabhängigen rundfunkbeitrag zwangsläufig erhebliche unsicherheiten bei der prognose des beitragsaufkommens bestanden und die kef im dezember 2011 für den planungszeitraum 2013-2016 selbst auf der grundlage ihrer schätzung eines einnahmeplus noch einen ungedeckten finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen rundfunkanstalten von über 300 millionen euro feststellte. daher musste der gesetzgeber bei der beitragsbemessung nicht davon ausgehen, dass die zu erwartenden einnahmen den finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen rundfunks beachtlich und auf dauer übersteigen würden. 86vgl. bayverfgh, entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris (rn. 85); 18. kef-bericht aus dezember 2011 (tz. 1 ff. und 325 ff.). 87im übrigen wird einer etwaigen kostenüberdeckung dadurch begegnet, dass gemäß § 3 abs. 2 s. 3 rfinstv überschüsse am ende einer beitragsperiode vom finanzbedarf für die folgende periode abgezogen werden. 88vgl. bayverfgh, entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris (rn. 85). 89die funktionstüchtigkeit dieses dreistufigen bemessungsverfahrens zeigt sich auch daran, dass anknüpfend an den 19. kef-bericht aus februar 2014 inzwischen eine reduzierung des rundfunkbeitrags ab dem 1. april 2015 auf 17,50 eur beschlossen worden ist (vgl. art. 1 nr. 1 des 16. rundfunkänderungsstaatsvertrages, dem der nordrhein-westfälische landtag mit gesetz vom 18. dezember 2014 zugestimmt hat (gv.nrw. s. 71)). 90(2) die dargestellten legitimen beitragszwecke werden nach der tatbestandlichen ausgestaltung der konkreten beitragsregelung auch von einer erkennbaren gesetzgeberischen entscheidung getragen, so dass der beitragspflichtige erkennen kann, für welche öffentliche leistung die abgabe erhoben wird und welche zwecke der gesetzgeber mit ihrer bemessung verfolgt. 91vgl. bverfg, urteil vom 19. märz 2003 – 2 bvl 9-12/98 – , juris (rn. 63). 92den einschlägigen rundfunkverfassungsrechtlichen vorschriften lässt sich ohne weiteres entnehmen, dass der rundfunkbeitrag der zumindest überwiegenden deckung der kosten des öffentlich-rechtlichen rundfunks dient. dementsprechend stellt § 1 rbstv unter der überschrift „zweck des rundfunkbeitrags“ insoweit unmissverständlich fest, dass der rundfunkbeitrag – abgesehen von dem lediglich knapp zwei-prozentigen anteil der landesmedienanstalten zur finanzierung der aufgaben nach § 40 rstv (vgl. § 10 rfinstv) – der funktionsgerechten finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen rundfunks im sinne von § 12 abs. 1 rstv dient, der seinerseits bestimmt, dass diese finanzausstattung den öffentlich-rechtlichen rundfunk in die lage zu versetzen hat, seine verfassungsmäßigen und gesetzlichen aufgaben zu erfüllen, und insbesondere den bestand und die entwicklung des öffentlich-rechtlichen rundfunks zu gewährleisten hat. nach § 13 s. 1 rstv finanziert sich der öffentlich-rechtliche rundfunk zwar neben rundfunkbeiträgen auch durch einnahmen aus rundfunkwerbung und sonstigen einnahmen; vorrangige finanzierungsquelle ist jedoch der rundfunkbeitrag. 93der weitere zweck des vorteilsausgleichs deutet sich tatbestandlich hinreichend am begriff des beitrags als einer vorzugslast sowie der anknüpfung an die inhaberschaft einer raumeinheit, insbesondere einer wohnung in § 2 rbstv an. die insoweit ergänzend heranzuziehenden gesetzesmaterialien, 94vgl. bverfg, urteil vom 19. märz 2003 – 2 bvl 9-12/98 – , juris (rn. 77), 95namentlich die begründung des 15. rundfunkänderungsstaatsvertrages führen in diesem zusammenhang aus, dass die beitragspflicht an die theoretische möglichkeit der rundfunknutzung anknüpft, ohne dass in der wohnung die für einen empfang erforderlichen einrichtungen vorhanden sein müssen. 96lt-drs. 15/1303, s. 34. 97außerdem nimmt die gesetzesbegründung ausdrücklich auf das gutachten von kirchhof bezug, 98lt-drs. 15/1303, s. 33, 99in dem der betreffende vorteilsausgleich als belastungsgrund ausdrücklich angeführt wird. 100vgl. kirchhof, gutachten über die finanzierung des öffentlich-rechtlichen rundfunks, april 2010, s. 59 f. 101d) schließlich wahrt die ausgestaltung des rundfunkbeitrags den grundsatz der verhältnismäßigkeit. 102insoweit schließt sich die kammer den folgenden ausführungen des bayerischen verfassungsgerichtshofs in seinem urteil vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 – (juris (rn. 98 f.)) an: 103„die mit dem rundfunkbeitragsstaatsvertrag verfolgten zwecke der kostendeckung und des vorteilsausgleichs stellen legitime ziele dar, die einen eingriff in die allgemeine handlungsfreiheit rechtfertigen können. der gesetzgeber durfte die vorschriften des § 2 abs. 1 und des § 5 abs. 1 und abs. 2 satz 1 nr. 2 rbstv für geeignet und erforderlich halten, um diese zwecke zu erreichen; ein milderes, aber gleich wirksames mittel zur rundfunkfinanzierung ist nicht ersichtlich. die erforderlichkeit ist mit blick auf den bezweckten vorteilsausgleich insbesondere für die inhaber solcher raumeinheiten im privaten und nicht privaten bereich zu bejahen, in denen sich keine rundfunkempfangsgeräte befinden. denn auch diesen bietet bereits das programmangebot des öffentlich-rechtlichen rundfunks vorteile, auf deren abgeltung der rundfunkbeitrag ausgerichtet ist. ob sie das angebot tatsächlich nutzen (wollen), ist dem abgabentyp des beitrags entsprechend unerheblich. der verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwingt den gesetzgeber nicht dazu, eine befreiungsmöglichkeit für personen vorzusehen, die von der ihnen eröffneten nutzungsmöglichkeit keinen gebrauch machen wollen. 104der rundfunkbeitrag ist im verhältnis zu den verfolgten zwecken und der gebotenen leistung auch nicht unangemessen hoch. er ist auf den finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen rundfunks beschränkt. die belastung für die betroffenen beitragsschuldner hält sich im rahmen des zumutbaren. im privaten bereich entspricht der für jede wohnung zu entrichtende rundfunkbeitrag von monatlich 17,98 € der summe von grundgebühr und fernsehgebühr, die nach maßgabe des rundfunkgebührenstaatsvertrags bis zum 31. dezember 2012 zu zahlen waren. angesichts der weiten verbreitung von empfangsgeräten dürfte sich damit die finanzielle belastung für die abgabenschuldner durch den wechsel zum geräteunabhängigen einheitlichen rundfunkbeitrag in aller regel nicht erhöht haben. sie bleibt auch mit blick auf diejenigen personen, die das programmangebot nicht nutzen (wollen) und früher mangels empfangsgeräts überhaupt keine rundfunkgebühr zahlen mussten, in einer moderaten höhe, die durch die ausgleichsfunktion gerechtfertigt ist. es ist nichts dafür ersichtlich, dass zwischen der abgabe und dem programmangebot des öffentlich-rechtlichen rundfunks als abzugeltendem vorteil ein dem verhältnismäßigkeitsgrundsatz zuwiderlaufendes (vgl. verfghe 60, 80/91 f.) grobes missverhältnis bestehen könnte. bei fehlender wirtschaftlicher leistungsfähigkeit oder in sonstigen härtefällen sieht § 4 rbstv im übrigen zur vermeidung von unverhältnismäßigen beeinträchtigungen befreiungs- und ermäßigungstatbestände vor.“ 1052. die in § 2 abs. 1 rbstv vorgesehene rundfunkbeitragspflicht des inhabers jeder wohnung verletzt nicht den in art. 3 abs. 1 gg verbürgten allgemeinen gleichheitssatz. gemessen an den sich aus dieser vorschrift unter berücksichtigung des bei der ordnung von massenerscheinungen für den gesetzgeber bestehenden typisierungsspielraums ergebenden vorgaben (a) liegt ein verstoß gegen den gleichheitssatz weder in bezug auf beitragsschuldner vor, in deren wohnung kein rundfunkempfangsgerät genutzt wird (b) noch hinsichtlich solcher personen, die nur ein bestimmtes rundfunkempfangsgerät (z. b. lediglich ein radio) nutzen (c). der allgemeine gleichheitssatz gebietet keine unterscheidung bei der beitragserhebung nach der zahl der bewohner einer wohnung oder nach der zahl der wohnungen, die ein beitragsschuldner innehat (d). ebenfalls die unterschiedliche beitragserhebung für kraftfahrzeuge im privaten und nicht privaten bereich steht mit art. 3 gg im einklang (e). schließlich ist auch keine verletzung der speziellen ausprägung des gleichheitssatzes in form des verbotes der benachteiligung behinderter menschen gemäß art. 3 abs. 3 s. 2 gg ersichtlich (f). 106a) art. 3 abs. 1 gg gebietet, alle menschen vor dem gesetz gleich zu behandeln. bei der anwendung des gleichheitssatzes ist daher zunächst zu fragen, ob eine person oder gruppe durch die als gleichheitswidrig angegriffene vorschrift anders (schlechter) gestellt wird als eine andere personengruppe, die man ihr als vergleichbar gegenüberstellt. art. 3 gg schließt nicht jede differenzierung aus und ist nur dann verletzt, wenn eine gruppe von normadressaten im vergleich zu anderen normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden gruppen keine unterschiede von solcher art und solchem gewicht bestehen, dass sie die ungleiche behandlung rechtfertigen könnten. 107vgl. vg hamburg, urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 –, juris (rn. 34) unter hinweis auf bverfg, beschluss vom 30. november 2011 – 1 bvr 3269/08 u. a. –, juris (rn. 14 f.) m. w. n., zur gleichbehandlung bei der befreiung von der rundfunkgebührenpflicht. 108bei der ordnung von massenerscheinungen ist der gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen härten gegen den allgemeinen gleichheitssatz zu verstoßen. der grundsatz der typengerechtigkeit ist grundsätzlich geeignet, die hiermit verbundene gleichbehandlung ungleicher sachverhalte zu rechtfertigen. die gesetzlichen verallgemeinerungen müssen allerdings auf eine möglichst breite, alle betroffenen gruppen und regelungsgegenstände einschließende beobachtung aufbauen. insbesondere darf der gesetzgeber für eine gesetzliche typisierung keinen atypischen fall als leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen fall als maßstab zugrunde legen. 109vgl. vg hamburg, urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 –, juris (rn. 35) unter hinweis auf bverfg, urteil vom 9. dezember 2008 – 2 bvl 1/07 u. a. –, juris (rn. 60); bverfg, beschluss vom 21.juni 2006 – 2 bvl 2/99 –, juris (rn. 75); bverfg, beschluss vom 10. april 1997 – 2 bvl 77/92 –, juris (rn. 24 f.), jeweils m. w. n. 110weiter setzt eine zulässige typisierung voraus, dass damit verbundene härten nur unter schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine zahl von personen betreffen und der verstoß gegen den gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. 111vgl. vg hamburg, urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 –, juris (rn. 35) unter hinweis auf die st. rspr. des bundesverfassungsgerichts: bverfg, beschluss von 30. november 2011 – 1 bvr 3269/08 u. a. –, juris (rn. 17); bverfg, beschluss vom 28. september 2010 – 1 bvr 1660/08 –, juris (rn. 10); bverfg, urteil vom 28. april 1999 – 1 bvl 11/94 u. a. –, juris (rn. 130), jeweils m. w. n. 112mit diesen anforderungen steht § 2 abs. 1 rbstv im einklang. 113vgl. vg hamburg, urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 –, juris (rn. 36); bayverfgh, entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris (rn. 101 ff), zu art. 118 abs. 1 der bayerischen verfassung (bv); ferner: vg bremen, urteil vom 20. dezember 2013 – 2 k 570/13 –, juris (rn. 19 ff); vg potsdam, urteil vom 18. dezember 2013 – 11 k 2724/13 –, juris (rn. 33 ff.); terschüren, die reform der rundfunkfinanzierung in deutschland, 2013, s. 99 ff., 123, hinsichtlich der abgabenpflicht im privaten bereich; a. a. degenhart, k&r beihefter 1/2013, s. 17 f. 114b) die regelung in § 2 abs. 1 rbstv verstößt nicht deshalb gegen den grundsatz der gleichbehandlung, weil diese nicht danach unterscheidet, ob in der wohnung rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden oder ob dies nicht der fall ist. in diesem zusammengang hat das verwaltungsgericht hamburg in seinem urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 – (juris, rn. 38 ff) ausgeführt: 115„durch die regelung in § 2 abs. 1 rbstv werden ungleiche sachverhalte, nämlich haushalte mit und ohne rundfunkempfangsgeräte, bei der beitragserhebung gleich behandelt. diese mit der pauschalierung verbundene gleichbehandlung ungleicher sachverhalte ist sachlich gerechtfertigt: die pauschalierende regelung in § 2 abs. 1 rbstv beruht angesichts der großen anzahl der zu verwaltenden vorgänge und im hinblick auf die verfolgten gesetzlichen zwecke (verwaltungsvereinfachung, beseitigung von vollzugsdefiziten, keine eingriffe in die privatsphäre durch betreten der wohnung) auf sachlichen, nicht willkürlichen erwägungen: derzeit bestehen im geltungsbereich des rundfunkbeitragsstaatsvertrags rund 40,6 millionen haushalte (vgl. statistisches bundesamt, bevölkerung und erwerbstätigkeit, haushalte und familien – ergebnisse des mikrozensus, 2012, auch abrufbar unter www.destatis.de). eine effektive verwaltung der beitragsschuldnerverhältnisse ist daher nur über eine typisierende und pauschalierende regelung des abgabentatbestands angemessen zu realisieren. diese führt darüber hinaus zu einer höheren gleichheit beim vollzug der abgabenpflicht. sie erfasst auch solche wohnungsinhaber, die zwar rundfunkempfangsgeräte bereithalten, dies aber bislang nicht angezeigt hatten. damit steht der ungleichbehandlung auf der ebene des abgabentatbestands eine erhöhte gleichbehandlung auf der ebene des abgabenvollzugs gegenüber (vgl. zu beiden seiten von art. 3 abs. 1 gg bei der abgabenerhebung: bverfg, beschl. v. 10.4.1997, 2 bvl 77/92, juris rn. 24 f.). schließlich hat die pauschalierende erhebung des rundfunkbeitrags für jede wohnung zur folge, dass anders als bislang ein betreten der wohnung zur feststellung der abgabenpflicht nicht mehr erforderlich ist. 116der gesetzgeber hat die oben genannten grenzen zulässiger typisierung nicht überschritten. 117er hat in § 2 abs. 1 i. v. m. § 3 rbstv einen realitätsgerechten anknüpfungspunkt für die beitragspflicht gewählt. die erhebung des rundfunkbeitrags knüpft nach § 2 abs. 1 rbstv an das innehaben einer wohnung im sinne von § 3 rbstv an. der durch den rundfunkbeitrag abzugeltende vorteil – die nutzungsmöglichkeit des öffentlich-rechtlichen programmangebots – wird hierdurch angemessen erfasst. dem abgabentatbestand liegt die durch statistische angaben gestützte erwägung zugrunde, dass die nutzung des öffentlich-rechtlichen programmangebots im privaten bereich jedenfalls auch und nach wie vor im schwerpunkt in der wohnung erfolgt. nach den angaben des statistischen bundesamts verfügten im jahr 2012 96,4 % aller haushalte über mindestens ein fernsehgerät (2011: 96,2 %). daneben verfügten im jahr 2012 insgesamt 83,5 % der haushalte über mindestens einen personalcomputer (pc) (2011: 82,0 %) und 79,4 % aller haushalte über einen internetzugang (2011: 75,9 %) (statistisches bundesamt, statistisches jahrbuch 2013, s. 169, 198; statistisches jahrbuch 2012, s. 174, 204, auch abrufbar unter www.destatis.de). der ausstattungsgrad der haushalte mit internetfähigen pcs war dabei in den letzten jahren deutlich steigend. so verfügten im jahr 2005 rund 58 % aller haushalts über einen internetzugang, im jahr 2008 waren es 69 % und im jahr 2010 bereits 77 % (statistisches bundesamt, statistisches jahrbuch 2011, s. 114, auch abrufbar unter www.destatis.de). angesichts dieser entwicklung dürfte davon auszugehen sein, dass der ausstattungsgrad der haushalte mit neuartigen, internetfähigen rundfunkempfangsgeräten auch in zukunft weiter steigen wird. mit blick auf die bereits für die einzelnen gerätetypen erreichten ausstattungsgrade dürfte der anteil der haushalte, die weder über ein fernsehgerät, ein radio noch über ein neuartiges rundfunkempfangsgerät (pc, tablet-pc, smartphone etc.) verfügen, sehr gering sein und im deutlich einstelligen prozentbereich liegen. dem vom gesetzgeber in § 2 abs. 1 rbstv gewählten abgabentatbestand (innehaben der wohnung) steht dabei nicht entgegen, dass das öffentlich-rechtliche programmangebot auch und zunehmend über mobile geräte außerhalb der wohnung genutzt werden kann. der gesetzgeber durfte bei der regelung des abgabentatbestands gestützt auf die oben genannten statistischen angaben davon ausgehen, dass die nutzung des öffentlich-rechtlichen programmangebots im privaten bereich derzeit jedenfalls auch und im schwerpunkt noch innerhalb der wohnung erfolgt, die mobile nutzung lediglich ergänzend hinzutritt und die vorteile des öffentlich-rechtlichen programmangebots somit über das merkmal der wohnung nach wie vor angemessen erfasst werden (vgl. bayverfgh, urt. v. 15.5.2014, vf. 8-vii-12 u. a., juris rn. 113). schließlich liegt dem abgabentatbestand auch die realitätsgerechte erwägung zugrunde, dass einerseits die mit dem merkmal der wohnung umfasste personengruppe eines haushalts – etwa eine familie oder eine wohngemeinschaft – hinsichtlich der rundfunknutzung eine gemeinschaft bildet und sich andererseits die unterschiedlichen nutzungsarten oder -gewohnheiten innerhalb dieser sozialen gruppe ausgleichen (bayverfgh, urt. v. 15.5.2014, vf. 8-vii-12 u. a., juris rn. 108, mit verweis auf die gesetzesbegründung des bayerischen landesgesetzgebers, baylt-drs 16/7001, s. 12 f.). 118die mit der pauschalierung verbundenen härten wären nur mit schwierigkeiten zu vermeiden. eine härte im sinne der oben genannten rechtsprechung des bundesverfassungsgerichts – die nicht notwendig gleichzusetzen ist mit einem härtefall im sinne von § 4 abs. 6 rbstv – liegt vor, wenn die typisierende annahme des gesetzgebers (hier die annahme, dass in der wohnung regelmäßig rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden und rundfunk empfangen werden kann) nicht zutrifft, der einzelfall also nicht dem gesetzlichen typ entspricht. das ist hier der fall, wenn in der wohnung eines beitragsschuldners im einzelfall keine rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden. eine solche härte könnte im system des rundfunkbeitragsstaatsvertrags nicht dadurch vermieden werden, dass die unwiderlegliche gesetzliche vermutung des § 2 abs. 1 rbstv als widerleglich ausgestaltet, dem beitragsschuldner also die möglichkeit eröffnet würde, darzulegen und zu beweisen, dass sich im einzelfall keine rundfunkempfangsgeräte in seiner wohnung befinden. denn die wesentlichen ziele der gesetzlichen regelung (verwaltungsvereinfachung, beseitigung von vollzugsdefiziten, keine eingriffe in die privatsphäre durch betreten der wohnung) könnten bei einer solchen ausnahme nur noch ansatzweise und unter aufgabe des grundprinzips der beitragserhebung im privaten bereich erreicht werden: die möglichkeit eines gegenbeweises würde dazu führen, dass das bereithalten von rundfunkempfangsgeräten und nicht das innehaben einer wohnung maßgebliche tatbestandsvoraussetzung für die abgabenpflicht bliebe. im unterschied zu den bisherigen regelungen des rundfunkgebührenstaatsvertrags würden lediglich die darlegungs- und beweislast für das bereithalten des rundfunkempfangsgeräts von der rundfunkanstalt auf den beitragsschuldner verlagert. damit müssten bei einem entsprechenden beweisantritt (z. b. durch benennen von zeugen oder vorlage von unterlagen) wie bislang teils aufwändige ermittlungen im privaten bereich durchgeführt werden. die kammer hat in diesem zusammenhang nicht zu entscheiden, ob und in welchen fällen das fehlende bereithalten von rundfunkempfangsgeräten – bei hinzutreten weiterer umstände – in einzelfällen einen besonderen härtefall im sinne § 4 abs. 6 rbstv begründen kann. eine generell widerlegliche ausgestaltung des rundfunkbeitrags ist durch art. 3 abs. 1 gg dagegen nicht geboten.“ 119dem schließt sich die kammer an. ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die ausstattung von privathaushalten mit rundfunkempfangsgeräten jüngst weiter zugenommen hat. im jahr 2014 verfügten 97,5 % der privathaushalte in deutschland über einen fernseher und 87 % über einen pc. 120abrufbar unter: www.destatis.de/de/zahlenfakten/gesellschaftstaat/einkommenkonsumlebensbedingungen/ausstattunggebrauchsguetern/ausstattunggebrauchsguetern.html. 121die kammer folgt in diesem zusammenhang ebenso wie das verwaltungsgericht köln nicht der auffassung des verwaltungsgerichts osnabrück, 122vgl. urteil vom 1. april 2010 – 1 a 182/13 –, juris (rn. 25 ff.), 123wonach dem wohnungsinhaber die möglichkeit einer befreiung eingeräumt werden müsse, wenn er nachweise, dass er nicht über geräte verfüge. eine derartige entlastungsmöglichkeit würde den mit dem rundfunkbeitragsstaatsvertrag intendierten verzicht auf ermittlungen im persönlichen lebensumfeld des betroffenen wieder umkehren. 124vgl. vg köln, urteil vom 23. oktober 2013 – 6 k 5899/13 –, juris (rn. 49 ff.). 125auch der verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwingt den gesetzgeber nicht dazu, eine befreiungsmöglichkeit für personen vorzusehen, die von der ihnen eröffneten nutzungsmöglichkeit keinen gebrauch machen wollen. 126vgl. bayverfgh, entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris (rn. 98). 127die mit der typisierung verbundenen härten betreffen nur eine verhältnismäßig kleine zahl von personen. dabei ist der grundsatz der typengerechtigkeit regelmäßig geeignet, die gleichbehandlung ungleicher sachverhalte zu rechtfertigen, solange nicht mehr als 10 % der von der regelung betroffenen fälle dem typ widersprechen, also wenigstens 90 % dem typ entsprechen. 128vgl. vg hamburg, urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 –, juris (rn. 42) unter hinweis auf bverwg, beschluss vom 19. september 1983 – 8 n 1/83 –, juris (rn. 9), zur bemessung von entwässerungsbeiträgen, wobei es sich nicht um eine starre grenze handelt und die art und bemessung des jeweils maßgeblichen beitrags zu berücksichtigen sind (vgl. ovg hamburg, beschluss vom 14. januar 2004 – 1 bs 94/03 –, juris (rn. 19), zur bemessung von sielbaubeiträgen). 129die als richtwert zugrunde zu legende grenze von 10 % wird hier deutlich unterschritten. vorliegend ist nach den oben angeführten statistischen angaben davon auszugehen, dass der anteil der haushalte, die über keine rundfunkempfangsgeräte verfügen, im unteren einstelligen prozentbereich liegt: nach den angaben des statistischen bundesamts verfügten im jahr 2012 lediglich 3,8 % und im jahr 2014 nur noch 2,5 % der haushalte über kein fernsehgerät. der anteil der haushalte, die darüber hinaus auch über keine weiteren rundfunkempfangsgeräte (radio, internetfähiger pc, mobile internetfähige geräte) verfügen, dürfte nochmals deutlich geringer sein und mit dem zunehmenden ausstattungsgrad der haushalte auch in der zukunft noch weiter sinken. 130vgl. vg hamburg, urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 –, juris (rn. 58 f.). 131die typisierende gleichbehandlung in § 2 abs. 1 rbstv führt auch nicht zu intensiven, unzumutbaren beeinträchtigungen. die belastung durch den monatlichen rundfunkbeitrag in höhe von derzeit 17,98 euro ist wirtschaftlich noch zumutbar, zumal nicht leistungsfähige beitragsschuldner nach maßgabe von § 4 rbstv von der rundfunkbeitragspflicht zu befreien sind. 132vgl. vg hamburg, urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 –, juris (rn. 43) unter hinweis auf bayverfgh, entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris (rn. 110). 133in den wenigen ausnahmefällen, in denen keinerlei empfangsgeräte bereit gehalten werden, muss das interesse des wohnungsinhabers, nicht zur finanzierung des öffentlich-rechtlichen rundfunks herangezogen zu werden, hinter das öffentliche interesse an der funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen rundfunks zurücktreten. 134vgl. vg köln, urteil vom 23. oktober 2013 – 6 k 5899/13 –, juris (rn. 52 f.); vg potsdam, urteil vom 30. juli 2013 – 11 k 1090/13 –, juris (rn. 56) mit verweis auf die vergleichbare interessenabwägung bei der sog. „computergebühr" nach dem rundfunkgebührenstaatsvertrag; vg bremen, urteil vom 20. dezember 2013 – 2 k 570/13 –, juris (rn. 26). 135c) der grundsatz der gleichbehandlung ist nicht dadurch verletzt, dass die regelung in § 2 abs. 1 rbstv nicht nach art und anzahl der rundfunkempfangsgeräte je haushalt unterscheidet. es ist mit blick auf art. 3 abs. 1 gg insbesondere nicht zu beanstanden, dass wohnungsinhaber, die ausschließlich ein radio und keine weiteren rundfunkempfangsgeräte bereithalten, den einheitlichen rundfunkbeitrag (derzeit 17,98 euro) zahlen müssen und nicht mehr – wie bislang nach § 2 abs. 2 s. 1 rgebstv – lediglich eine geringere grundgebühr (zuletzt 5,76 euro). 136der grundsatz der gleichbehandlung gebietet es nicht, den rundfunkbeitrag nach einzelnen geräteklassen (fernsehgerät, radio, stationärer pc, mobile internetfähige geräte) zu staffeln bzw. einen grund- und einen zusatzbeitrag vorzusehen. vielmehr rechtfertigt es der grundsatz der typengerechtigkeit im privaten bereich einen für alle wohnungen einheitlichen rundfunkbeitrag festzusetzen. soweit es nach den obigen ausführungen mit blick auf art. 3 abs. 1 gg zulässig ist, einen einheitlichen rundfunkbeitrag zu erheben, wenn in der wohnung im einzelfall keine rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden, gilt dies auch und umso mehr dann, wenn in der wohnung im einzelfall nur bestimmte, nicht fernsehtaugliche rundfunkempfangsgeräte (z. b. nur ein radio) bereitgehalten werden. die typisierende regelung eines einheitlichen rundfunkbeitrags ist auch insoweit durch die legitimen gesetzgeberischen ziele gerechtfertigt. insbesondere wäre ein verzicht auf ermittlungen in der privatsphäre der beitragsschuldner nicht möglich, wenn die höhe des rundfunkbeitrags nach art und anzahl der rundfunkempfangsgeräte gestaffelt würde. in diesem fall müssten im zweifel nachforschungen über art und zahl der in der wohnung vorhandenen geräte durchgeführt werden. hinzu kommt, dass eine unterscheidung nach einzelnen geräteklassen durch die technische entwicklung (multifunktionalität der endgeräte, konvergenz der medien) zunehmend fraglich und teilweise überholt ist. dem hat der gesetzgeber durch die neuregelung des rundfunkabgabenrechts rechnung getragen. dabei kann offen bleiben, ob eine unterscheidung nach geräteklassen angesichts der technischen entwicklung noch realitätsgerecht und zulässig wäre. eine solche unterscheidung ist jedenfalls nicht durch art. 3 abs. 1 gg geboten. 137vgl. vg hamburg, urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 –, juris (rn. 44 ff.). 138d) der grundsatz der gleichbehandlung ist auch nicht dadurch verletzt, dass die regelung in § 2 abs. 1 i. v. m. § 3 rbstv zum einen nicht zwischen haupt- und zweitwohnungen und zum anderen nicht zwischen ein- und mehrpersonenhaushalten unterscheidet, sondern für jede wohnung ein einheitlicher rundfunkbeitrag anfällt. die wohnung ist als nutzungseinheit einer oder mehrerer personen ein realitätsgerechter anknüpfungspunkt für die beitragspflicht. art. 3 abs. 1 gg gebietet nicht, den rundfunkbeitrag nach der zahl der personen in der wohnung (ein- und mehrpersonenhaushalte) oder der zahl der wohnungen (erst- und zweitwohnungen) weiter abzustufen oder ausnahmen vorzusehen. 139vgl. vg hamburg, urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 –, juris (rn. 47) unter hinweis auf bayverfgh, entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris (rn. 116); a. a. korioth/koemm, dstr 2013, 833 (837). 140auch insoweit ist die typisierende erhebung des rundfunkbeitrags durch die legitimen ziele des gesetzgebers gerechtfertigt, das verwaltungsverfahren effektiv und einfach zu gestalten, vollzugsdefizite durch missbrauch zu verhindern und ermittlungen in der privatsphäre zu vermeiden. der gesetzgeber kann insbesondere wegen der großen anzahl der zu erfassenden wohnungen bzw. beitragsschuldner einen beitragstatbestand vorsehen, der ermittlungen zur zahl der jeweils in einer wohnung lebenden personen oder feststellungen zum erst- und zweitwohnsitz entbehrlich macht. 141vgl. vg hamburg, urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 –, juris (rn. 47). 142der gesetzgeber hat auch insoweit nicht die durch die rechtsprechung des bundesverfassungsgerichts konkretisierten grenzen der zulässigen typisierung überschritten. es ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass der einheitliche rundfunkbeitrag nach § 2 abs. 1 rbstv für einpersonenhaushalte oder für inhaber von zweitwohnungen generell zu härten führt, die ohne schwierigkeiten zu vermeiden wären. dabei ist bereits nicht anzunehmen, dass der einheitliche rundfunkbeitrag in den genannten fällen generell zu einer härte führt. denn die der pauschalierenden regelung in § 2 abs. 1 rbstv zugrunde liegende gesetzliche annahme, dass in der wohnung typischerweise rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden und daher die nutzungsmöglichkeit besteht, trifft für einpersonenhaushalte wie auch für zweitwohnungen grundsätzlich zu. die genannten fallgruppen entsprechen somit – anders als im fall von haushalten, die über keinerlei geräte verfügen – dem gesetzlichen typ. eine unzulässige gleich- bzw. ungleichbehandlung kann allenfalls darin liegen, dass etwaige graduelle unterschiede bei der nutzungsintensität nicht durch ausnahmen oder abstufungen des rundfunkbeitrags erfasst werden. die insoweit bestehende gleich- bzw. ungleichbehandlung ist jedoch die regelmäßige folge einer pauschalierenden abgabenregelung, die alle beitragsschuldner, deren nutzungsverhalten im einzelnen stark voneinander abweichen kann, trifft. diese folgen ließen sich in den genannten fallgruppen auch nicht ohne größere schwierigkeiten vermeiden. zwar könnte der gesetzgeber weitere befreiungen, ermäßigungen oder abstufungen des rundfunkbeitrags nach der zahl der bewohner (ein- und mehrpersonenhaushalte) oder nach der zahl der wohnungen (erst- und zweitwohnungen) vorsehen: die einführung solcher ausnahmen würde jedoch jeweils weitere ermittlungen zur zahl der personen in einer wohnung und zum haupt- und nebenwohnsitz erforderlich machen. damit einher ginge eine erhöhte gefahr, dass die beitragspflicht durch unzutreffende oder unvollständige angaben – etwa durch die unzutreffende ausweisung einer wohnung als zweitwohnung eines familienmitglieds – umgangen werden könnte. bereits nach dem rundfunkgebührenstaatsvertrag waren befreiungen oder ermäßigungen für diese fallgruppen nicht vorgesehen (vgl. § 5 abs. 1 s. 1 nr. 1 halbs. 2 rgebstv). diese sind auch unter der geltung des neuen rundfunkbeitragsstaatsvertrags nicht geboten. 143vgl. vg hamburg, urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 –, juris (rn. 48). 144e) ein verstoß gegen den grundsatz der gleichbehandlung liegt auch nicht vor, soweit für die inhaber von kraftfahrzeugen im privaten bereich kein zusätzlicher rundfunkbeitrag anfällt, während im nicht privaten bereich rundfunkbeiträge nach maßgabe von § 5 abs. 2 s. 1 nr. 2, s. 2 rbstv zu zahlen sind. die unterscheidung zwischen der nutzung von kraftfahrzeugen im privaten und nicht privaten bereich beruht auf nachvollziehbaren erwägungen des gesetzgebers: dieser hat in § 5 abs. 2 rbstv berücksichtigt, dass bei kraftfahrzeugen, die zu gewerblichen zwecken, zur selbständigen erwerbstätigkeit oder zu gemeinnützen zwecken genutzt werden, eine neue nutzungssituation entsteht, die sich von der privaten nutzung eines kraftfahrzeugs unterscheidet. weiter kann das gewerblich genutzte kraftfahrzeug dort, wo keine weitere feste betriebstätte besteht, eine eigenständige nutzungseinheit darstellen, die allein durch die regelung in § 5 abs. 2 s. 1 nr. 2 rbstv erfasst ist. schließlich kann der gesetzgeber auch berücksichtigen, dass im nicht privaten bereich die zahl der kraftfahrzeuge die der betriebsstätten häufig um ein vielfaches übersteigt, während dies im privaten bereich die ausnahme ist. 145vgl. vg hamburg, urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 –, juris (rn. 51) unter hinweis auf verfgh rp, urteil vom 13. mai 2014 – vgh b 35/12 –, juris (rn. 147 ff.). 146selbst wenn die unterschiedlichen regelungen zur rundfunkbeitragspflicht für inhaber von kraftfahrzeugen im privaten und im nicht privaten bereich gegen art. 3 abs. 1 gg verstoßen sollten, würde dies nicht zur nichtigkeit der regelungen in § 2 abs. 1 rbstv insgesamt führen (vgl. § 82 abs. 1 i. v. m. § 78 des bundesverfassungsgerichtsgesetzes – bverfgg). bei der rundfunkbeitragspflicht für kraftfahrzeuge handelt es sich um einen von der rundfunkbeitragspflicht für wohnungen abtrennbaren teil der beitragspflicht. ein gleichheitsverstoß bei der beitragspflicht für kraftfahrzeuge könnte daher dazu führen, dass diese im privaten bereich eingeführt oder für den nicht privaten bereich abgeschafft würde. die beitragspflicht für die inhaber von wohnungen nach § 2 abs. 1 rbstv bliebe hiervon in beiden fällen unberührt. 147vgl. vg hamburg, urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 –, juris (rn. 52). 148f) der besondere gleichheitssatz des art. 3 abs. 3 s. 2 gg wird nicht dadurch verletzt, dass personen mit behinderung von der rundfunkbeitragspflicht nach § 2 abs. 1 rbstv nicht generell ausgenommen sind, sondern befreiungen oder ermäßigungen nur unter den in § 4 rbstv im einzelnen bestimmten voraussetzungen erhalten. 149art. 3 abs. 3 s. 2 gg verbietet die benachteiligung von menschen mit behinderungen. die bestimmungen über die rundfunkbeitragspflicht im privaten bereich enthalten indes weder unmittelbar noch mittelbar nachteilige ungleichbehandlungen, die an eine behinderung anknüpfen. menschen nutzen in der regel unabhängig von behinderungen das programmangebot des öffentlich-rechtlichen rundfunks. 150vgl. bundessozialgericht, urteil vom 28. juni 2000 – b 9 sb 2/00 r – , njw 2001, 1966. 151nur soweit eine nutzungsmöglichkeit aus gesundheitlichen gründen ausgeschlossen oder wesentlich gemindert ist, das programmangebot den einzelnen also nicht oder nur deutlich eingeschränkt erreichen kann, ist systembedingt mangels beitragsrelevantem vorteil eine ausnahme oder vergünstigung angezeigt. dem trägt der rundfunkbeitragsstaatsvertrag dadurch rechnung, dass aus gesundheitlichen gründen – unabhängig von der wirtschaftlichen leistungsfähigkeit – insbesondere taubblinde menschen und empfänger von blindenhilfe nach § 72 sgb xii von der beitragspflicht befreit werden (§ 4 abs. 1 nr. 10 rbstv) und der rundfunkbeitrag für blinde, hörgeschädigte und behinderte menschen unter den in § 4 abs. 2 s. 1 rbstv genannten voraussetzungen auf ein drittel ermäßigt wird. sollten diese grundsätzlich ausreichenden typisierungen nicht jeden einzelfall erfassen, in dem es an einem vorteil aus dem programmangebot fehlt, kann dem durch eine einzelfallprüfung im rahmen der härteregelung des § 4 abs. 6 rbstv rechnung getragen werden. 152bayverfgh, entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris (rn. 129 ff.) zu der entsprechenden problematik in art. 118a s. 1 bv. 153das fehlen von generellen beitragsvergünstigungen für behinderte menschen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. der staat hat bei der umsetzung des in art. 3 abs. 3 s. 2 gg niedergelegten schutz- und fördergebots einen weiten gestaltungsspielraum. er ist nicht verpflichtet, bei erhebung des vorteilsausgleichenden rundfunkbeitrags menschen mit behinderung finanziell zu entlasten. das gilt umso mehr, als eine unabhängig von einkommen und vermögen gewährte ermäßigung oder freistellung zugunsten weiterer personenkreise ihrerseits dem gebot der gleichmäßigen belastung aller vorteilsempfänger zuwiderliefe. 154bayverfgh, entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris (rn. 29 ff.) zu der entsprechenden problematik in art. 118a s. 1 bv. 1553. die rundfunkbeitragspflicht stellt keine verletzung sonstiger grundrechte dar, insbesondere nicht der rechte aus art. 5 abs. 1, 4 abs. 1, 12, 13 und 14 gg. 156a) eine verletzung des grundrechts auf allgemeine informationsfreiheit nach art. 5 abs. 1 gg liegt nicht vor. 157dies gilt zunächst im hinblick auf das aus art. 5 abs. 1 s. 1 gg fließende recht, sich aus allgemein zugänglichen quellen zu unterrichten (positive informationsfreiheit). das grundrecht auf informationsfreiheit eröffnet grundsätzlich keinen anspruch auf kostenlosen zugang zu informationen. staatlich festgesetzte entgelte für rundfunk könnten nur dann das grundrecht auf informationsfreiheit verletzen, wenn sie darauf zielen oder wegen ihrer höhe objektiv dazu geeignet wären, interessenten von informationen aus bestimmten quellen abzuhalten. dies ist hinsichtlich der höhe des rundfunkbeitrages ersichtlich nicht der fall. 158vgl. bayverfgh, entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris (rn. 64) zu art. 112 abs. 2 bv, wobei die ausführungen auf art. 5 abs. 1 gg übertragbar sind. 159auch das ebenfalls aus art. 5 abs. 1 gg resultierende recht auf negative informationsfreiheit ist nicht verletzt. dieses grundrecht gibt jedermann das recht, sich aus allgemein zugänglichen quellen ungehindert zu unterrichten; was auch das recht umfasst, sich aus den genannten quellen nicht zu unterrichten (negative informationsfreiheit). dementsprechend ist mit der zahlung des rundfunkbeitrages kein zwang verbunden, den öffentlichen rundfunk überhaupt zu nutzen. 160vgl. vg potsdam, urteil vom 19. august 2014 – 11 k 4160/13 –, juris, (rn. 51); vg bremen, urteil vom 20. dezember 2013 – 2 k 570/13 –, juris (rn. 24); vgl. vg köln, urteil vom 16. oktober 2014 – 6 k 7041/13 –, juris (rn. 60). 161b) die erhebung des rundfunkbeitrags verletzt auch nicht die glaubensfreiheit in art. 4 abs. 1 gg. 162dieses grundrecht garantiert die freiheit des glaubens, des gewissens und des religiösen und weltanschaulichen bekenntnisses sowie das recht der ungestörten religionsausübung. es schützt sowohl die positive wie auch die negative äußerungsform der glaubensfreiheit. 163bverfg, urteil vom 24. september 2003 – 2 bvr 1436/02 –, juris (rn. 37, 46) und beschluss vom 16. mai 1995 – 1 bvr 1087/91 –, juris (rn. 34). 164durch die erhebung des rundfunkbeitrags wird der schutzbereich der glaubensfreiheit indes nicht berührt. die zahlung einer abgabe – hier des rundfunkbeitrags – ist als solche nicht mit der äußerung eines weltanschaulichen oder religiösen bekenntnisses verbunden. etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass das programmangebot des öffentlich-rechtlichen rundfunks auch sendungen mit religiösen inhalten enthält. die glaubensfreiheit wird durch die zahlung einer abgabe nur berührt, soweit diese gerade die finanzierung einer glaubensgemeinschaft oder eines religiösen bekenntnisses bezweckt. die allgemeine pflicht zur zahlung einer abgabe ohne eine solche zweckbindung berührt regelmäßig nicht den schutzbereich der glaubensfreiheit des abgabenschuldners. 165vgl. bverfg, beschluss vom 2. juni 2003 – 2 bvr 1775/02 –, juris (rn. 3) und beschluss vom 26. august 1992 – 2 bvr 478/92 –, juris (rn. 3): die pflicht zur steuerzahlung berührt nicht schutzbereich des grundrechts aus art. 4 abs. 1 gg. 166der rundfunkbeitrag bezweckt allgemein die funktionsgerechte finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen rundfunks. eine weitergehende, inhaltliche zweckbindung ist mit dem rundfunkbeitrag nicht verbunden. der rundfunkbeitrag dient insbesondere nicht der förderung bestimmter religiöser glaubensgemeinschaften. vielmehr hat der öffentlich-rechtliche rundfunk aufgrund seines öffentlichen auftrags die vielfalt der meinungen im rundfunk möglichst vollständig widerzuspiegeln. hierzu gehört auch, dass religiöse inhalte gesellschaftlich relevanter glaubensgemeinschaften angemessenen ausdruck finden. 167so vg hamburg, urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 –, juris (rn. 58 f.); ebenso vg köln, urteil vom 16. oktober 2014 – 6 k 7041/13 –, juris (rn. 62). 168c) die erhebung des rundfunkbeitrags gemäß § 2 abs. 1 rbstv verletzt auch nicht die unverletzlichkeit der wohnung gemäß art. 13 abs. 1 gg. das grundrecht aus art. 13 abs. 1 gg schützt die räumliche lebenssphäre der person. 169bverfg, beschluss vom 13. märz 2014 – 2 bvr 974/12 –, juris (rn. 16). 170durch die pflicht zur zahlung des rundfunkbeitrags wird die räumliche lebenssphäre der beitragsschuldner nicht berührt. 171so vg hamburg, urteil vom 17. juli 2014 – 3 k 5371/13 –, juris (rn. 62); ebenso vg köln, urteil vom 16. oktober 2014 – 6 k 7041/13 –, juris (rn. 66). 172d) ebenso wenig verstößt, wie von einzelnen beitragspflichtigen gerügt, die beitragspflicht gegen die berufsfreiheit aus art. 12 gg sowie das eigentumsgrundrecht aus art. 14 gg. weder sind zugang zu bzw. ausübung von bestimmten berufen beeinträchtigt noch knüpft die beitragspflicht an den hinzuerwerb von eigentum oder den bestand des hinzuerworbenen an. 173vg köln, urteil vom 16. oktober 2014 – 6 k 7041/13 –, juris (rn. 66). 1744. der rundfunkbeitragsstaatsvertrag verletzt zudem nicht das ebenfalls von art. 2 abs. 1 in verbindung mit art. 1 abs. 1 gg erfasste grundrecht auf informationelle selbstbestimmung. auch hier rechtfertigen überwiegende allgemeininteressen den eingriff. 175a) zunächst erweisen sich die bestimmungen zum einmaligen meldedatenabgleich nach § 14 abs. 9 rbstv als rechtmäßig. dieser zum zwecke der bestands- und ersterfassung vorgenommene einmalige stichtagsbezogene automatisierte datenabgleich mit den daten der einwohnermeldeämter ist erforderlich, um den systemwechsel von der geräteabhängigen gebührenpflicht zur wohnungsbezogenen beitragspflicht zu bewerkstelligen. der einmalige abgleich des namens, doktorgrades, familienstandes, geburtstages, der gegenwärtigen und letzten anschriften von haupt- und nebenwohnung sowie einzugstermine führt - gerade auch in ansehung der zweckbindung (aktualisierung und ergänzung des vorhandenen datenbestandes) - nicht zu einer schwerwiegenden belastung des beitragspflichtigen. die übermittelten daten sind sämtlich zur einwandfreien identifizierung der beitragspflichtigen sowie der feststellung der erfüllung des beitragstatbestandes erforderlich. entgegen vereinzelt vertretener auffassung dient der meldedatenabgleich nicht der schaffung eines „zentralen melderegisters", sondern nicht benötigte daten sind unverzüglich und nicht überprüfte daten spätestens nach zwölf monaten zu löschen. der für den beitragspflichtigen weitgehend belastungsfreie abgleich stellt sich im verhältnis zur vor-ort-erfassung der daten damit als milderes mittel dar. 176vgl. vg köln, urteil vom 22. oktober 2013 – 6 k 5899/13 –, juris (rn. 68); niedersächsisches ovg, beschluss vom 10. september 2013 – 4 me 204/13 –, juris; bayverfgh, entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris (rn. 156 ff.) zu der entsprechenden problematik in art. 100, 101 bv. 177b) ebenfalls nicht zu beanstanden sind die anzeigepflichten nach § 8 rbstv. der mit der auskunftspflicht verbundene eingriff in das recht auf informationelle selbstbestimmung ist gerechtfertigt. 178die mitteilungspflichten sind verhältnismäßig. sämtliche der nach § 8 abs. 4 und 5 rbstv abgefragten daten dienen der zweifelsfreien identifizierung des beitragspflichtigen sowie der feststellung der abgabebegründenden tatbestände. soweit in § 8 abs. 5 nr. 2 rbstv die mitteilung des die abmeldung begründenden lebenssachverhalts gefordert wird, ist allerdings eine einschränkende auslegung dahingehend vorzunehmen, dass allein eine angabe in typisierter form, wie etwa "wohnungsaufgabe" oder "umzug ins ausland" gemeint ist, nicht aber persönliche details wie ehescheidung oder ähnliches. vor dem hintergrund, dass der grundrechtseingriff nicht intensiv ist, die datenerhebung strikt zweckgebunden erfolgt und die anzeigepflichten gemeinwohlbelangen von hohem gewicht dienen, liegt hier ein gerechtfertigter eingriff vor. 179vg köln, urteil vom 22. oktober 2013 – 6 k 5899/13 –, juris (rn. 71 f); bayverfgh, entscheidung vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris (rn. 138 ff.). 180c) schließlich stellt sich, unabhängig von der hier nicht ersichtlichen unmittelbaren betroffenheit des jeweiligen rundfunkteilnehmers auch der in § 9 abs. 1 rbstv geregelte auskunftsanspruch der landesrundfunkanstalt gegenüber dritten ebenfalls als gerechtfertigter eingriff in das recht auf informationelle selbstbestimmung dar. auch dieser eingriff ist verhältnismäßig. das in dieser norm vorgesehene auskunftsrecht kommt erst zum tragen, wenn eine mutmaßlich beitragspflichtige person ihrer mitteilungspflicht nach § 8 rbstv nicht oder nicht hinreichend nachgekommen ist oder eine anfrage bei ihr nach § 9 abs. 1 s. 1 rbstv oder eine anfrage bei der meldebehörde oder dem maßgeblichen öffentlichen register nicht möglich oder erfolglos geblieben ist. dieser eingriff ist gerechtfertigt, um die zur herstellung einer beitragsgerechtigkeit erforderliche gleichmäßige belastung aller beitragspflichtigen sicherzustellen. 181vg köln, urteil vom 22. oktober 2013 – 6 k 5899/13 –, juris (rn. 73); bayverfgh, urteil vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 –, juris (rn. 149 ff.). 1825. des weiteren ist kein verstoß gegen europarechtliche normen ersichtlich, insbesondere steht die erhebung des rundfunkbeitrags nach dem rundfunkbeitragsstaatsvertrag nicht im widerspruch zum beihilferecht der europäischen union (art. 107 ff. aeuv). der rundfunkbeitrag stellt keine neue beihilfe im sinne von art. 108 aeuv dar, die erst nach prüfung durch die kommission zulässig wäre. da der rundfunkbeitrag die bestehende gebühr vollumfänglich ersetzt, handelt es sich um eine bestehende beihilfe, die keiner erneuten notifizierung bedarf. die kammer folgt insoweit den ausführungen in der entscheidung des bayerischen verfassungsgerichtshofs vom 15. mai 2014 – vf. 8-vii-12, vf. 24-vii-12 – (juris, rn. 87 ff.). dieser hat hierzu ausgeführt: 183„[89] es sprechen entgegen der sichtweise des antragstellers im verfahren vf. 8-vii-12 keine beachtlichen gründe dafür, dass die regelungen des rundfunkbeitragsstaatsvertrags der kommission als beabsichtigte beihilfe zugunsten des öffentlich-rechtlichen rundfunks gemäß art. 108 abs. 3 satz 1 aeuv vorab hätten gemeldet werden müssen. die anmeldepflicht betrifft nur neue beihilfen, die damit einem präventiven verbot mit genehmigungsvorbehalt unterworfen werden. bestehende beihilfen, also solche, die bereits bei inkrafttreten des vertrags zur gründung der europäischen gemeinschaft gewährt oder nach seinem inkrafttreten vertragskonform eingeführt wurden, werden hingegen gemäß art. 108 abs. 1 aeuv in zusammenarbeit mit den mitgliedstaaten fortlaufend überprüft; sie unterfallen mithin repressiver kontrolle. die anmeldepflicht nach art. 108 abs. 3 satz 1 aeuv umfasst demnach alle beihilfen, die keine bestehenden beihilfen sind, einschließlich der änderungen bestehender beihilfen (vgl. art. 1 buchst. c der verordnung (eg) nr. 659/1999 des rates vom 22.3.1999 über besondere vorschriften für die anwendung von art. 93 des eg-vertrags, abl vom 27.3.1999 l 83 s. 1). 184[90] die kommission ist bei einer überprüfung der früheren gebührenfinanzierung mit entscheidung vom 24. april 2007 az. k(2007) 1761 zu der auffassung gelangt, dass es sich bei den finanzierungsregelungen für den öffentlich-rechtlichen rundfunk um eine bestehende staatliche beihilfe handle (rn. 191, 216) und dass die bedenken in bezug auf die unvereinbarkeit mit dem gemeinsamen markt durch die von deutschland im rahmen des überprüfungsverfahrens eingegangenen verpflichtungen (rn. 322 ff.) ausgeräumt seien (rn. 396). es ist jedenfalls nicht offensichtlich, dass die änderungen des finanzierungssystems durch den fünfzehnten rundfunkänderungsstaatsvertrag als umwandlung in eine neue beihilfe zu werten wären. denn das wird nur für den fall angenommen, dass die ursprüngliche regelung durch die änderung in ihrem kern betroffen wird (vgl. mitteilung der kommission über die anwendung der vorschriften über staatliche beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen rundfunk, abl vom 27.10.2009 c 257 s. 1 unter rn. 31). durch die regelungen des rundfunkbeitragsstaatsvertrags werden indes weder die art des vorteils oder die finanzierungsquelle noch das ziel der beihilfe, der kreis der begünstigten oder deren tätigkeitsbereiche wesentlich verändert. auch mit blick auf zu erwartende mehreinnahmen aus dem rundfunkbeitrag ist keine gegenüber dem früheren gebührensystem beachtliche änderung zu erkennen. denn es ist, wie oben ausgeführt (vgl. vi. a. 2. a) bb) (2), auch normativ durch § 3 abs. 2 satz 3 rfinstv abgesichert, dass keine mehreinnahmen erzielt werden, die den extern geprüften und ermittelten finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen rundfunks auf dauer überschreiten.“ 185an dieser rechtsprechung hält die kammer weiterhin fest. ergänzend ist in bezug auf den vortrag des klägers folgendes auszuführen: 186mit seinen einwänden zur fehlenden staatsferne und journalistischen unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen rundfunks sowie zur einflussnahme der politik über die besetzung zentraler positionen im öffentlich-rechtlichen rundfunk auf die berichterstattung rügt der kläger im kern die nichterfüllung des verfassungsrechtlich determinierten programmauftrags durch den öffentlich-rechtlichen rundfunk (vgl. auch § 11 rstv) sowie in der sache u.a. einen verstoß gegen § 10 rstv, wonach berichterstattung und informationssendungen den anerkannten journalistischen grundsätzen zu entsprechen haben sowie unabhängig und sachlich sein müssen. dies zu überprüfen ist indes nicht aufgabe des verwaltungsgerichts im vorliegenden verfahren zur prüfung der verfassungsmäßigkeit des rundfunkbeitragsstaatsvertrags. 187vgl. vg münchen, urteil vom 24. september 2014 – m 6b k 14.1933 -, juris, rn.41. 188das programmkontrollrecht obliegt nach den rundfunkverfassungsrechtlichen vorgaben vielmehr den rundfunkrechtlichen gremien, insbesondere den pluralistisch besetzten rundfunkräten (vgl. z.b. § 15 wdr-gesetz). es ist zunächst aufgabe dieses gremiums, das die interessen der allgemeinheit (und damit auch die interessen des einzelnen) vertritt (vgl. z.b. § 16 wdr-gesetz) über die erfüllung der gesetzlich bestimmten aufgaben der öffentlich-rechtlichen rundfunkanstalten zu wachen und erforderlichenfalls entsprechend einfluss auf die programmgestaltung zu nehmen. es besteht keine rechtsgrundlage, aufgrund derer ein zuschauer die arbeit dieser gremien einer gerichtlichen kontrolle zuführen könnte. die in den rundfunkrechtlichen normen wie §§ 10 und 11 rstv festgeschriebenen programmgrundsätze dienen nur den interessen der allgemeinheit; sie begünstigen keinen von ihr hinreichend abgrenzbaren personenkreis. dem einzelnen bürger bleibt insoweit lediglich die möglichkeit, sich mit eingaben, beschwerden und anregungen an die öffentlich-rechtliche rundfunkanstalt und ihre organe und dabei insbesondere den rundfunkrat (vgl. z.b. § 10 wdr-gesetz) oder an die aufsichtführende stelle (nach § 54 wdr-gesetz die ministerpräsidentin) zu wenden. 189vgl. hierzu ovg nrw, beschluss vom 7. oktober 2003 – 8 a 90/03 –, juris, rn. 13; vg köln, urteil vom 8. november 2007 – 6 k 2/07 –, juris, rn. 29 und gerichtsbescheid vom 26. oktober 2011 – 6 k 3799/11 –, juris rn 35. 190vor diesem hintergrund greift auch der einwand des klägers nicht durch, er könne es mit seinem gewissen nicht vereinbaren, dieses vorgehen der öffentlich-rechtlichen rundfunkanstalten durch zahlung des rundfunkbeitrags zu finanzieren. daraus folgend kann der kläger keinen anspruch auf befreiung von der rundfunkbeitragspflicht aus gewissensgründen herleiten. die zahlung des rundfunkbeitrags ist bei erfüllung der tatbestandlichen voraussetzungen verpflichtend und nicht in die entscheidungsfreiheit des einzelnen gestellt. der gesetzlich eröffnete befreiungsgrund der besonderen härte in § 4 abs. 6 rbstv – insoweit müsste zudem zunächst vor gerichtlicher geltendmachung ein antrag bei dem beklagten gestellt werden - regelt diese konstellation ebenfalls nicht. diese härtefallregelung erfasst lediglich fälle der objektiven unmöglichkeit des rundfunkempfangs, nicht hingegen sachverhalte, in denen auf der grundlage einer individuellen entscheidung von der möglichkeit des empfangs von rundfunk in der wohnung abgesehen wird. 191vgl. hierzu urteil der kammer vom 25. juni 2015 – 27 k 2886/14 -. 192auch folgt nicht, wie der kläger meint, aus dem vorrang des eu rechts eine europarechtswidrigkeit des rundfunkbeitragsstaatsvertrag. ein verstoß gegen die vom kläger genannten bestimmungen und richtlinien liegt nicht vor. insbesondere handelt es sich bei dem rundfunkbeitrag nicht, wie oben bereits ausgeführt, um eine neue beihilfe. 193schließlich begegnet auch die höhe der in den angefochtenen bescheiden für den zeitraum von januar 2013 bis einschließlich juni 2014 festgesetzten rundfunkbeiträge ebenso wie die erhebung der säumniszuschläge keinen bedenken. die höhe des rundfunkbeitrags ergibt sich aus § 8 rfinstv in der fassung des 15. rundfunkänderungsstaatsvertrages. der säumniszuschlag von jeweils 8 euro findet seine rechtsgrundlage in § 11 abs. 1 der satzung des beklagten über das verfahren zur leistung der rundfunkbeiträge (wdr-beitragssatzung) vom 10. dezember 2012 (gv. nrw. s. 662), die gemäß § 9 abs. 2 rbstv mit genehmigung der ministerpräsidentin als rechtsaufsichtsbehörde (vgl. § 54 abs. 1 s. 1 des wdr-gesetzes) erlassen wurde. 194da sich die fälligkeit der rundfunkbeiträge unmittelbar aus dem gesetz ergibt (vgl. § 7 abs. 3 s. 2 rbstv) und damit kraft gesetzes eintritt, durften die rundfunkbeiträge mit dem säumniszuschlag zusammen festgesetzt werden. 195die entscheidung des lg tübingen im beschluss vom 19. mai 2014 – 5 t 81/14 –, juris, wonach es vor festsetzung des säumniszuschlages der herbeiführung der fälligkeit der rundfunkbeiträge durch erlass eines ausgangsbescheides („primären beitragsbescheides“) bedarf, ist zwischenzeitlich aufgehoben worden durch beschluss des bundesgerichtshofs vom 11. juni 2015 – i zb 64/14 –, juris. 196die kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 abs. 1 vwgo und die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit aus § 167 abs. 2 und 1 vwgo i. v. m. §§ 708 nr. 11, 711 der zivilprozessordnung. 197die zulassung der berufung beruht auf §§ 124 abs. 2 nr. 3, 124a abs. 1 s. 1 vwgo. der rechtssache kommt angesichts der höchstrichterlich noch nicht geklärten fragen der verfassungsmäßigkeit des rundfunkbeitragsstaatsvertrages grundsätzliche bedeutung zu. 198beschluss 199der streitwert wird auf die unterste wertstufe von bis zu 500,00 euro festgesetzt. 200gründe: 201die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 abs. 3 des gerichtskostengesetzes erfolgt. | Verklagte*r | 0 |
116,409 | 3 O 166/16 | 2016-11-04T00:00:00 | Urteil | Tenor 1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von bis zu 6.000,00 € trägt der Kläger. 3.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1 Tatbestand: 2Der Kläger verlangt mit der vorliegenden Klage die Feststellung der Umwandlung eines Verbraucherdarlehensvertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis nach erklärtem Widerruf. 3Mit Vertrag vom 23.06.2009 schloss der Kläger mit der Volksbank I eG, die 2013 mit der Beklagten fusionierte, einen Darlehensvertrag, Darlehensnummer #########, sich auf einen Nettodarlehensbetrag i.H.v. 5.158,21 € belief. Zusätzlich schloss die Beklagte vereinbarungsgemäß für die Klagepartei als versicherte Person bei der S Versicherung eine Restschuldversicherung ab. Die Versicherungsprämie lag bei 115,50 € und wurde vom Kläger mit dem Darlehen mitfinanziert. Mit einem Bearbeitungsentgelt von zusätzlich 158,21 € und der errechneten Zinsen i. H. v. 378,75 € ergab sich ein Gesamtbetrag der vom Kläger zu leistenden Zahlungen in Höhe von insgesamt 5.661,45 € (Anlage K1 = Bl. 12 ff. d. A.). 4Der Darlehensvertrag enthielt in separater Anlage die nachfolgende „Widerrufsbelehrung für Verbraucherdarlehensverträge“ (Anlage K 1 = Bl. 16 d. A.): 5An dieser Stelle folgt eine Widerrufsbelehrung. 6Das Darlehen wurde bis zum 14.07.2010 durch Zahlungen des Klägers vollständig zurückgeführt. 7Mit anwaltlichem Schreiben an die Beklagte vom 22.09.2014 (Anlage K2 = Bl. 18 d. A.) erklärte der Kläger den Widerruf und forderte die Beklagte unter Fristsetzung zur Neuberechnung auf. Mit Schreiben vom 10.10.2014 (Anlage K3 = Bl. 20 d. A.) wies die Beklagte den Widerruf zurück. 8Der Kläger ist der Ansicht, dass die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche, weshalb der Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden sei. 9Der Kläger beantragt, 10111. festzustellen, dass das zwischen den Parteien am 23.06.2009 geschlossene Darlehensverhältnis mit der Nr. ######### über einen Darlehensbetrag i.H.v. 5.661,45 € durch Widerruf vom 11.09.2014 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurde; 12132. die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 571,44 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 14Die Beklagte beantragt, 15 die Klage abzuweisen. 16Sie behauptet, nach Ablauf der Widerrufsfrist im Vertrauen auf die Wirksamkeit und den Bestand des streitgegenständlichen Darlehensvertrages eigene Dispositionen, insbesondere im Hinblick auf die Refinanzierung, geschlossen zu haben. Sie behauptet, mit dem Widerruf zu keinem Zeitpunkt gerechnet zu haben. 17Sie ist der Ansicht, dass der Widerruf des Klägers verfristet sei. Ferner hält die Beklagte das Widerrufsrecht für verwirkt und wendet überdies eine unzulässige Rechtsausübung bzw. Rechtsmissbrauch ein. 18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen. 19Entscheidungsgründe: 20I. 21Die zulässige Klage ist unbegründet. 221. 23Die mit dem Klageantrag zu Ziff. 1. erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Der Kläger hat ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung, dass sich der Darlehensvertrag durch den Widerruf in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt hat, weil die Beklagte die Wirksamkeit des erklärten Widerrufs bestreitet und sich damit jedenfalls konkludent des Bestehens von Ansprüchen aus dem Darlehensverhältnis gegenüber dem Kläger berühmt. Dem Kläger steht auch keine bessere Rechtsschutzmöglichkeit in Gestalt einer Leistungsklage auf Rückzahlung bereits gezahlter Beträge zu, weil die Frage der Wirksamkeit des Darlehensvertrages bei einer solchen Klage an der materiellen Rechtskraft des Leistungsurteils nicht teilnehmen würde (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21.10.2015 – 31 U 56/15 – BeckRS 2015, 20137; Urteil vom 25.08.2008 – 31 U 59/08 – BeckRS 2010, 17626; OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.05.2015 – I -22 U 17/15 – BeckRS 2015, 13607). 242. 25Die Klage ist unbegründet. Ein etwaig bestehendes Widerrufsrecht war zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung verwirkt. 26a. Insoweit kann es dahinstehen, ob die Widerrufsbelehrung in der vorliegenden Ausgestaltung, insbesondere im Hinblick auf die Formulierung zur Fristdauer mit Klammerzusatz und Fußnote, den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. genügt (dies verneinend OLG Hamm, Urteil vom 18.07.2016 – 31 U 284/15 – BeckRS 2016, 15120). 27b. Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten (vgl. BGH, Urteil vom 27.06.1957 – II ZR 15/56 – NJW 1957, 1358; Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15 – juris Rn. 40; Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 564/15 – juris Rn. 37; Grüneberg in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 242 Rn. 87) setzt neben einem Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit des Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2004 – XI ZR 12/03 – NJW-RR 2005, 276; Urteil vom 28.03.2006 – XI ZR 425/04 – NJW-RR 2006, 1277; Urteil vom 25.11.2008 – XI ZR 426/07 – juris Rn. 22; Urteil vom 23.01.2014 – VII ZR 177/13 – juris Rn. 13; Urteil vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11 – juris Rn. 39; Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15 – juris Rn. 40; Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 564/15 – juris Rn. 37). Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatgericht festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2005 – XII ZR 224/03 – juris Rn. 23; Urteil vom 09.10.2013 – XII ZR 59/12 – juris Rn. 7 m.w.N.; Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15 – juris Rn. 40). 28Auch das „ewige“ Widerrufsrecht entzieht sich nicht einer grundsätzlichen Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben und somit auch nicht der Verwirkung (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15 – juris Rn. 39; Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 564/15 – juris Rn. 34). 29Erteilt der Unternehmer eine unrichtige Widerrufsbelehrung, darf er sich allerdings regelmäßig nicht darauf einrichten, dass der Berechtigte von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch machen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 13.01.1983 – III ZR 30/82 – juris Rn. 4; Urteil vom 19.02.1986 – VIII ZR 113/85 – juris Rn. 18; Urteil vom 20.05.2003 – XI ZR 248/02 – juris Rn. 14; Urteil vom 18.10.2004 – II ZR 352/02 – juris Rn. 23; Urteil vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11 – juris Rn. 39). Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Unternehmer grundsätzlich schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er die Situation selbst herbeigeführt hat, indem er keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt hat (vgl. dazu unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit: EuGH, Urteil vom 19.12.2013 – C-209/12 – juris Rn. 30; BGH, Urteil vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11 – juris Rn. 39). 30Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind im vorliegenden Fall sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment gegeben. 31aa. Die für das Zeitmoment maßgebliche Frist beginnt mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15 – juris Rn. 40). Die Dauer des Zeitmoments richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind die Art und Bedeutung des Anspruchs, die Intensität des von dem Berechtigten geschaffenen Vertrauenstatbestands und das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten (vgl. Grüneberg in: Palandt, a.a.O., § 242 Rn. 93). Es muss jedenfalls eine längere Zeit verstrichen sein (vgl. Grüneberg, ebda.); die Regelverjährung von drei Jahren muss dem Berechtigten regelmäßig ungekürzt zur Verfügung stehen (vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2010 – EnZR 23/09 – NJW 2011, 212, 213, Rn. 22; Urteil vom 29.01.2013 – EnZR 16/12 – BeckRS 2013, 03632, Rn. 13; Urteil vom 06.02.2014 – I ZR 86/12 – juris Rn. 50). 32Im vorliegenden Fall ist eine längere Zeit verstrichen, die auch die Regelverjährungsfrist übersteigt. 33Die Intensität des Vertrauenstatbestandes und die spiegelbildliche Schutzbedürftigkeit des Klägers haben angesichts der Zeitabläufe in einem für die Annahme des Zeitmoments ausreichendem Maße abgenommen. Hierbei ist die Zeitspanne zwischen Vertragsbeginn und Widerruf von etwa 63 Monaten mit der Vertragslaufzeit von etwa 13 Monaten ins Verhältnis zu setzen. Damit vergingen über fünf Jahre zwischen Vertragsbeginn und Widerruf, während der Darlehensvertrag bereits nach einem guten Jahr zurückgeführt war. 34Insofern ist es auch unschädlich, dass die Frist des § 257 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 4 und 5 HGB von sechs Jahren, in der die Schriftstücke aus der Kundenkommunikation aufzubewahren sind, unterschritten ist (vgl. hierzu: OLG Nürnberg, Urteil vom 10.10.2016 - 14 U 2519/14 – bislang unveröffentlicht). Der Ablauf dieser Frist kann dafür herangezogen werden, dass das Zeitmoment anzunehmen ist. Ist diese Zeitspanne noch nicht abgelaufen, führt dies jedoch nicht dazu, dass die Annahme des Zeitmoments auszuschließen wäre. Hierfür spricht auch, dass die Frist des § 257 HGB eine Aufbewahrungspflicht öffentlich-rechtlicher Natur zu Dokumentations- und Beweiszwecken betrifft (vgl. Böcking/Gros, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Auflage 2014, § 257 Rn. 1). Sie kann demnach nicht entscheidend dafür sein, ob im Verhältnis zweier Vertragsparteien das Zeitmoment im Rahmen der Verwirkung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben vorliegt oder nicht. 35bb. Auch das Umstandsmoment liegt vor. 36Das Umstandsmoment ist, wie bereits oben ausgeführt, anzunehmen, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Gerade im Anwendungsbereich von Verbraucherschutzrechten und damit zusammenhängenden Widerrufsrechten ist dies zwar grundsätzlich möglich, es sind jedoch strenge Anforderungen an eine Verwirkung zu stellen (BGH, Urteil vom 20.05.2003 – XI ZR 248/02 – juris Rn. 14; Urteil vom 18.10.2004 – II ZR 352/02 – juris Rn. 22 ff.; Urteil vom 12.12.2005 – II ZR 327/04 – juris Rn. 24 ff.; Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15 – juris Rn. 39). Zu dem Zeitablauf müssen, auch dies wurde bereits oben ausgeführt, besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. 37Ein entsprechendes Vertrauen des Schuldners, dass der Gläubiger sein Recht nicht mehr ausübt, kommt grundsätzlich dann in Frage, wenn bei Vorliegen des Zeitmoments das Darlehen abgelöst und der Vertrag damit beendet ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15 – juris Rn. 41; OLG Schleswig, Urteil vom 06.10.2016 – 5 U 72/16 – juris Rn. 28; Urteil vom 20.10.2016 – 5 U 62/16 – juris Rn. 67; LG Hamburg, Urteil vom 19.09.2016 – 325 O 42/16 – juris Rn. 31; OLG Nürnberg, Urteil vom 01.08.2016 – 14 U 1780/15 – juris Rn. 105). 38Bei der für die Verwirkung nach § 242 BGB wesentlichen Frage einer angemessenen Interessensabwägung ist zu berücksichtigen, dass die die vertragliche Abrede begründende Willenserklärung des Verbrauchers nach Beendigung des Darlehensvertrages keine in die Zukunft gerichteten, wiederkehrenden belastenden Rechtsfolgen mehr zeitigt (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15 – juris Rn. 41). 39Dieses Element einer für den Darlehensnehmer künftigen rechtlichen Belastung hätte dieser während des Andauerns des Schuldverhältnisses mit dem Widerruf noch beseitigen können. Nach Rückführung und mit Wegfall dieser Belastung ist damit das schutzwürdige Interesse des Darlehensnehmers geringer zu gewichten als vor Beendigung des Vertrages; die Bedeutung des Widerrufsrechts auf Seiten des Darlehensnehmers ist reduziert, die Schutzbedürftigkeit der Bank erhöht sich (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 06.10.2016 – 5 U 72/16 – juris Rn. 36). 40Entsprechend durfte die Bank sich hier nach Vertragsbeendigung darauf einrichten, dass das Widerrufsrecht nicht mehr ausgeübt wird. 41Zudem ist gleichsam davon auszugehen, dass die Bank sich hierauf auch tatsächlich eingerichtet hat. Der Zeitablauf insgesamt sowie das Verhältnis von Darlehensvertragsdauer und Zeitspanne zwischen Beendigung und Widerruf sind hierzu, ebenso wie bei der Beurteilung des Zeitmoments, heranzuziehen. Während es beim letzteren darum geht, den Zeitablauf seit Vertragsbeginn vor dem Hintergrund der Darlehenslaufzeit zu gewichten, betrifft die Wechselwirkung der Zeitabläufe beim Umstandsmoment insbesondere die Berücksichtigung der Zeitspanne zwischen Vertragsbeendigung und Widerruf. Dabei genügt neben der Vertragsbeendigung hier die Tatsache, dass in der Folge über vier Jahre und damit ein die Vertragsdauer um das fast Vierfache übersteigender Zeitraum bis zum Widerruf vergangen ist, um davon auszugehen, dass die Beklagte sich darauf eingerichtet hat, dass das Widerrufsrecht nicht mehr ausgeübt wird. Der Lebenssachverhalt war abgeschlossen, nach der Lebenserfahrung hat die Beklagte die an sie zurückgezahlte Valuta lange vor dem erfolgten Widerruf verwandt, um mit ihr zu arbeiten. 42Die Kammer sieht sich in ihrer Rechtsansicht – Bejahung auch des Umstandsmoments im Rahmen der Verwirkung bei einem über vier Jahre vor dem Widerruf beendeten Verbraucherdarlehensvertrag – bestätigt durch das (noch nicht veröffentlichte) Urteil des Bundesgerichtshofes vom 11.10.2016 zum Az. XI ZR 482/15. Das Erstgericht (LG Stuttgart, Urteil vom 20.12.2013 – 12 O 262/14 – abrufbar unter: http://www.money-advice.net/view.php?id=48796) und ihm folgend das Berufungsgericht (OLG Stuttgart, Urteil vom 14.10.2015 – 6 U 174/14 – bislang unveröffentlicht) hatten bei einem Widerruf knapp 1 ½ Jahre nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit der dortigen Bank das Umstandsmoment verneint; das Berufungsgericht ist vom BGH angewiesen worden, die Frage der Verwirkung erneut zu prüfen. 432. Da die Klage in der Hauptsache keinen Erfolg hat, bestehen auch keine Ansprüche des Klägers auf die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung nach dem Klageantrag zu Ziff. 2. 44II. 45Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. 46III. 47Die Streitwertfestsetzung fußt auf § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Maßgeblich insoweit waren die vom Kläger insgesamt – bis zum Zeitpunkt der vollständigen Darlehensablösung am 14.07.2010 – erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (vgl. nur: BGH, Beschluss vom 12.01.2016 – XI ZR 366/15 – NJW 2016, 2428, 2429, Rn. 12 m.w.N.) in Höhe von 5.661,45 € (= bis zu 6.000,00 €). 48IV. 49Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 u. S. 2 ZPO. | 1.die klage wird abgewiesen. 2.die kosten des rechtsstreits nach einem streitwert von bis zu 6.000,00 € trägt der kläger. 3.das urteil ist vorläufig vollstreckbar. dem kläger wird nachgelassen, die vollstreckung durch die beklagte gegen sicherheitsleistung in höhe von 120 % des auf grund des urteils vollstreckbaren betrages abzuwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2der kläger verlangt mit der vorliegenden klage die feststellung der umwandlung eines verbraucherdarlehensvertrages in ein rückgewährschuldverhältnis nach erklärtem widerruf. 3mit vertrag vom 23.06.2009 schloss der kläger mit der volksbank i eg, die 2013 mit der beklagten fusionierte, einen darlehensvertrag, darlehensnummer #########, sich auf einen nettodarlehensbetrag i.h.v. 5.158,21 € belief. zusätzlich schloss die beklagte vereinbarungsgemäß für die klagepartei als versicherte person bei der s versicherung eine restschuldversicherung ab. die versicherungsprämie lag bei 115,50 € und wurde vom kläger mit dem darlehen mitfinanziert. mit einem bearbeitungsentgelt von zusätzlich 158,21 € und der errechneten zinsen i. h. v. 378,75 € ergab sich ein gesamtbetrag der vom kläger zu leistenden zahlungen in höhe von insgesamt 5.661,45 € (anlage k1 = bl. 12 ff. d. a.). 4der darlehensvertrag enthielt in separater anlage die nachfolgende „widerrufsbelehrung für verbraucherdarlehensverträge“ (anlage k 1 = bl. 16 d. a.): 5an dieser stelle folgt eine widerrufsbelehrung. 6das darlehen wurde bis zum 14.07.2010 durch zahlungen des klägers vollständig zurückgeführt. 7mit anwaltlichem schreiben an die beklagte vom 22.09.2014 (anlage k2 = bl. 18 d. a.) erklärte der kläger den widerruf und forderte die beklagte unter fristsetzung zur neuberechnung auf. mit schreiben vom 10.10.2014 (anlage k3 = bl. 20 d. a.) wies die beklagte den widerruf zurück. 8der kläger ist der ansicht, dass die von der beklagten verwendete widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen anforderungen entspreche, weshalb der lauf der widerrufsfrist nicht in gang gesetzt worden sei. 9der kläger beantragt, 10111. festzustellen, dass das zwischen den parteien am 23.06.2009 geschlossene darlehensverhältnis mit der nr. ######### über einen darlehensbetrag i.h.v. 5.661,45 € durch widerruf vom 11.09.2014 in ein rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurde; 12132. die beklagte zu verurteilen, an die klagepartei außergerichtliche rechtsanwaltskosten i.h.v. 571,44 € nebst zinsen i.h.v. 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu zahlen. 14die beklagte beantragt, 15 die klage abzuweisen. 16sie behauptet, nach ablauf der widerrufsfrist im vertrauen auf die wirksamkeit und den bestand des streitgegenständlichen darlehensvertrages eigene dispositionen, insbesondere im hinblick auf die refinanzierung, geschlossen zu haben. sie behauptet, mit dem widerruf zu keinem zeitpunkt gerechnet zu haben. 17sie ist der ansicht, dass der widerruf des klägers verfristet sei. ferner hält die beklagte das widerrufsrecht für verwirkt und wendet überdies eine unzulässige rechtsausübung bzw. rechtsmissbrauch ein. 18wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die zwischen den parteien gewechselten schriftsätze und die zu den akten gereichten unterlagen bezug genommen. 19 | 20i. 21die zulässige klage ist unbegründet. 221. 23die mit dem klageantrag zu ziff. 1. erhobene feststellungsklage ist zulässig. der kläger hat ein schutzwürdiges interesse an der begehrten feststellung, dass sich der darlehensvertrag durch den widerruf in ein rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt hat, weil die beklagte die wirksamkeit des erklärten widerrufs bestreitet und sich damit jedenfalls konkludent des bestehens von ansprüchen aus dem darlehensverhältnis gegenüber dem kläger berühmt. dem kläger steht auch keine bessere rechtsschutzmöglichkeit in gestalt einer leistungsklage auf rückzahlung bereits gezahlter beträge zu, weil die frage der wirksamkeit des darlehensvertrages bei einer solchen klage an der materiellen rechtskraft des leistungsurteils nicht teilnehmen würde (vgl. olg hamm, urteil vom 21.10.2015 – 31 u 56/15 – beckrs 2015, 20137; urteil vom 25.08.2008 – 31 u 59/08 – beckrs 2010, 17626; olg düsseldorf, urteil vom 15.05.2015 – i -22 u 17/15 – beckrs 2015, 13607). 242. 25die klage ist unbegründet. ein etwaig bestehendes widerrufsrecht war zum zeitpunkt der widerrufserklärung verwirkt. 26a. insoweit kann es dahinstehen, ob die widerrufsbelehrung in der vorliegenden ausgestaltung, insbesondere im hinblick auf die formulierung zur fristdauer mit klammerzusatz und fußnote, den anforderungen des § 355 abs. 2 bgb a.f. genügt (dies verneinend olg hamm, urteil vom 18.07.2016 – 31 u 284/15 – beckrs 2016, 15120). 27b. die verwirkung als unterfall der unzulässigen rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten geltendmachung von rechten (vgl. bgh, urteil vom 27.06.1957 – ii zr 15/56 – njw 1957, 1358; urteil vom 12.07.2016 – xi zr 501/15 – juris rn. 40; urteil vom 12.07.2016 – xi zr 564/15 – juris rn. 37; grüneberg in: palandt, bgb, 75. aufl. 2016, § 242 rn. 87) setzt neben einem zeitmoment ein umstandsmoment voraus. ein recht ist verwirkt, wenn sich der schuldner wegen der untätigkeit des gläubigers über einen gewissen zeitraum hin bei objektiver beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete geltendmachung gegen treu und glauben verstößt. zu dem zeitablauf müssen besondere, auf dem verhalten des berechtigten beruhende umstände hinzutreten, die das vertrauen des verpflichteten rechtfertigen, der berechtigte werde sein recht nicht mehr geltend machen (st. rspr.; vgl. bgh, urteil vom 13.07.2004 – xi zr 12/03 – njw-rr 2005, 276; urteil vom 28.03.2006 – xi zr 425/04 – njw-rr 2006, 1277; urteil vom 25.11.2008 – xi zr 426/07 – juris rn. 22; urteil vom 23.01.2014 – vii zr 177/13 – juris rn. 13; urteil vom 07.05.2014 – iv zr 76/11 – juris rn. 39; urteil vom 12.07.2016 – xi zr 501/15 – juris rn. 40; urteil vom 12.07.2016 – xi zr 564/15 – juris rn. 37). ob eine verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom tatgericht festzustellenden und zu würdigenden umständen des einzelfalles (vgl. bgh, urteil vom 19.10.2005 – xii zr 224/03 – juris rn. 23; urteil vom 09.10.2013 – xii zr 59/12 – juris rn. 7 m.w.n.; urteil vom 12.07.2016 – xi zr 501/15 – juris rn. 40). 28auch das „ewige“ widerrufsrecht entzieht sich nicht einer grundsätzlichen anwendung der grundsätze von treu und glauben und somit auch nicht der verwirkung (vgl. bgh, urteil vom 12.07.2016 – xi zr 501/15 – juris rn. 39; urteil vom 12.07.2016 – xi zr 564/15 – juris rn. 34). 29erteilt der unternehmer eine unrichtige widerrufsbelehrung, darf er sich allerdings regelmäßig nicht darauf einrichten, dass der berechtigte von seinem widerrufsrecht keinen gebrauch machen wird (vgl. bgh, beschluss vom 13.01.1983 – iii zr 30/82 – juris rn. 4; urteil vom 19.02.1986 – viii zr 113/85 – juris rn. 18; urteil vom 20.05.2003 – xi zr 248/02 – juris rn. 14; urteil vom 18.10.2004 – ii zr 352/02 – juris rn. 23; urteil vom 07.05.2014 – iv zr 76/11 – juris rn. 39). ein schutzwürdiges vertrauen kann der unternehmer grundsätzlich schon deshalb nicht in anspruch nehmen, weil er die situation selbst herbeigeführt hat, indem er keine ordnungsgemäße widerrufsbelehrung erteilt hat (vgl. dazu unter dem gesichtspunkt der rechtssicherheit: eugh, urteil vom 19.12.2013 – c-209/12 – juris rn. 30; bgh, urteil vom 07.05.2014 – iv zr 76/11 – juris rn. 39). 30unter zugrundelegung dieser maßstäbe sind im vorliegenden fall sowohl das zeit- als auch das umstandsmoment gegeben. 31aa. die für das zeitmoment maßgebliche frist beginnt mit dem zustandekommen des verbrauchervertrags zu laufen (vgl. bgh, urteil vom 12.07.2016 – xi zr 501/15 – juris rn. 40). die dauer des zeitmoments richtet sich nach den umständen des einzelfalls. zu berücksichtigen sind die art und bedeutung des anspruchs, die intensität des von dem berechtigten geschaffenen vertrauenstatbestands und das ausmaß der schutzbedürftigkeit des verpflichteten (vgl. grüneberg in: palandt, a.a.o., § 242 rn. 93). es muss jedenfalls eine längere zeit verstrichen sein (vgl. grüneberg, ebda.); die regelverjährung von drei jahren muss dem berechtigten regelmäßig ungekürzt zur verfügung stehen (vgl. bgh, urteil vom 20.07.2010 – enzr 23/09 – njw 2011, 212, 213, rn. 22; urteil vom 29.01.2013 – enzr 16/12 – beckrs 2013, 03632, rn. 13; urteil vom 06.02.2014 – i zr 86/12 – juris rn. 50). 32im vorliegenden fall ist eine längere zeit verstrichen, die auch die regelverjährungsfrist übersteigt. 33die intensität des vertrauenstatbestandes und die spiegelbildliche schutzbedürftigkeit des klägers haben angesichts der zeitabläufe in einem für die annahme des zeitmoments ausreichendem maße abgenommen. hierbei ist die zeitspanne zwischen vertragsbeginn und widerruf von etwa 63 monaten mit der vertragslaufzeit von etwa 13 monaten ins verhältnis zu setzen. damit vergingen über fünf jahre zwischen vertragsbeginn und widerruf, während der darlehensvertrag bereits nach einem guten jahr zurückgeführt war. 34insofern ist es auch unschädlich, dass die frist des § 257 abs. 1 nr. 2 und 3, abs. 4 und 5 hgb von sechs jahren, in der die schriftstücke aus der kundenkommunikation aufzubewahren sind, unterschritten ist (vgl. hierzu: olg nürnberg, urteil vom 10.10.2016 - 14 u 2519/14 – bislang unveröffentlicht). der ablauf dieser frist kann dafür herangezogen werden, dass das zeitmoment anzunehmen ist. ist diese zeitspanne noch nicht abgelaufen, führt dies jedoch nicht dazu, dass die annahme des zeitmoments auszuschließen wäre. hierfür spricht auch, dass die frist des § 257 hgb eine aufbewahrungspflicht öffentlich-rechtlicher natur zu dokumentations- und beweiszwecken betrifft (vgl. böcking/gros, in: ebenroth/boujong/joost/strohn, hgb, 3. auflage 2014, § 257 rn. 1). sie kann demnach nicht entscheidend dafür sein, ob im verhältnis zweier vertragsparteien das zeitmoment im rahmen der verwirkung nach den grundsätzen von treu und glauben vorliegt oder nicht. 35bb. auch das umstandsmoment liegt vor. 36das umstandsmoment ist, wie bereits oben ausgeführt, anzunehmen, wenn sich der schuldner wegen der untätigkeit seines gläubigers über einen gewissen zeitraum hin bei objektiver beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein recht nicht mehr geltend machen. gerade im anwendungsbereich von verbraucherschutzrechten und damit zusammenhängenden widerrufsrechten ist dies zwar grundsätzlich möglich, es sind jedoch strenge anforderungen an eine verwirkung zu stellen (bgh, urteil vom 20.05.2003 – xi zr 248/02 – juris rn. 14; urteil vom 18.10.2004 – ii zr 352/02 – juris rn. 22 ff.; urteil vom 12.12.2005 – ii zr 327/04 – juris rn. 24 ff.; urteil vom 12.07.2016 – xi zr 501/15 – juris rn. 39). zu dem zeitablauf müssen, auch dies wurde bereits oben ausgeführt, besondere, auf dem verhalten des berechtigten beruhende umstände hinzutreten, die das vertrauen des verpflichteten rechtfertigen, der berechtigte werde sein recht nicht mehr geltend machen. 37ein entsprechendes vertrauen des schuldners, dass der gläubiger sein recht nicht mehr ausübt, kommt grundsätzlich dann in frage, wenn bei vorliegen des zeitmoments das darlehen abgelöst und der vertrag damit beendet ist (vgl. bgh, urteil vom 12.07.2016 – xi zr 501/15 – juris rn. 41; olg schleswig, urteil vom 06.10.2016 – 5 u 72/16 – juris rn. 28; urteil vom 20.10.2016 – 5 u 62/16 – juris rn. 67; lg hamburg, urteil vom 19.09.2016 – 325 o 42/16 – juris rn. 31; olg nürnberg, urteil vom 01.08.2016 – 14 u 1780/15 – juris rn. 105). 38bei der für die verwirkung nach § 242 bgb wesentlichen frage einer angemessenen interessensabwägung ist zu berücksichtigen, dass die die vertragliche abrede begründende willenserklärung des verbrauchers nach beendigung des darlehensvertrages keine in die zukunft gerichteten, wiederkehrenden belastenden rechtsfolgen mehr zeitigt (vgl. bgh, urteil vom 12.07.2016 – xi zr 501/15 – juris rn. 41). 39dieses element einer für den darlehensnehmer künftigen rechtlichen belastung hätte dieser während des andauerns des schuldverhältnisses mit dem widerruf noch beseitigen können. nach rückführung und mit wegfall dieser belastung ist damit das schutzwürdige interesse des darlehensnehmers geringer zu gewichten als vor beendigung des vertrages; die bedeutung des widerrufsrechts auf seiten des darlehensnehmers ist reduziert, die schutzbedürftigkeit der bank erhöht sich (vgl. olg schleswig, urteil vom 06.10.2016 – 5 u 72/16 – juris rn. 36). 40entsprechend durfte die bank sich hier nach vertragsbeendigung darauf einrichten, dass das widerrufsrecht nicht mehr ausgeübt wird. 41zudem ist gleichsam davon auszugehen, dass die bank sich hierauf auch tatsächlich eingerichtet hat. der zeitablauf insgesamt sowie das verhältnis von darlehensvertragsdauer und zeitspanne zwischen beendigung und widerruf sind hierzu, ebenso wie bei der beurteilung des zeitmoments, heranzuziehen. während es beim letzteren darum geht, den zeitablauf seit vertragsbeginn vor dem hintergrund der darlehenslaufzeit zu gewichten, betrifft die wechselwirkung der zeitabläufe beim umstandsmoment insbesondere die berücksichtigung der zeitspanne zwischen vertragsbeendigung und widerruf. dabei genügt neben der vertragsbeendigung hier die tatsache, dass in der folge über vier jahre und damit ein die vertragsdauer um das fast vierfache übersteigender zeitraum bis zum widerruf vergangen ist, um davon auszugehen, dass die beklagte sich darauf eingerichtet hat, dass das widerrufsrecht nicht mehr ausgeübt wird. der lebenssachverhalt war abgeschlossen, nach der lebenserfahrung hat die beklagte die an sie zurückgezahlte valuta lange vor dem erfolgten widerruf verwandt, um mit ihr zu arbeiten. 42die kammer sieht sich in ihrer rechtsansicht – bejahung auch des umstandsmoments im rahmen der verwirkung bei einem über vier jahre vor dem widerruf beendeten verbraucherdarlehensvertrag – bestätigt durch das (noch nicht veröffentlichte) urteil des bundesgerichtshofes vom 11.10.2016 zum az. xi zr 482/15. das erstgericht (lg stuttgart, urteil vom 20.12.2013 – 12 o 262/14 – abrufbar unter: http://www.money-advice.net/view.php?id=48796) und ihm folgend das berufungsgericht (olg stuttgart, urteil vom 14.10.2015 – 6 u 174/14 – bislang unveröffentlicht) hatten bei einem widerruf knapp 1 ½ jahre nach abschluss eines aufhebungsvertrages mit der dortigen bank das umstandsmoment verneint; das berufungsgericht ist vom bgh angewiesen worden, die frage der verwirkung erneut zu prüfen. 432. da die klage in der hauptsache keinen erfolg hat, bestehen auch keine ansprüche des klägers auf die kosten der außergerichtlichen rechtsverfolgung nach dem klageantrag zu ziff. 2. 44ii. 45die kostenentscheidung beruht auf § 91 abs. 1 s. 1 zpo. 46iii. 47die streitwertfestsetzung fußt auf § 48 abs. 1 s. 1 gkg i.v.m. § 3 zpo. maßgeblich insoweit waren die vom kläger insgesamt – bis zum zeitpunkt der vollständigen darlehensablösung am 14.07.2010 – erbrachten zins- und tilgungsleistungen (vgl. nur: bgh, beschluss vom 12.01.2016 – xi zr 366/15 – njw 2016, 2428, 2429, rn. 12 m.w.n.) in höhe von 5.661,45 € (= bis zu 6.000,00 €). 48iv. 49die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 nr. 11, 711 s. 1 u. s. 2 zpo. | Verklagte*r | 0 |
321,410 | 7 O 166/18 | 2019-07-31T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.880,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2018 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges mit der Fahrgestellnummer WVGZZZ5NZFW599037. Es wird weiter festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 16.06.2018 mit der Rücknahme des im Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer WVGZZZ5NZFW599037 in Annahmeverzug befindet. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.474,79 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2018 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 1Tatbestand: 2Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Gebrauchtfahrzeug der Marke W2 im Wege des Schadensersatzes sowie die Feststellung eines Annahmeverzugs der Beklagten hinsichtlich der Zug-um-Zug Verurteilung. 3Der in Düsseldorf wohnhafte Kläger erwarb am 11.02.2016 beim Volkswagenzentrum Düsseldorf einen gebrauchten PKW W2 Tiguan 2.0 TDI mit der Fahrgestellnummer WVGZZZ5NZFW599037 zum Kaufpreis von 33.600,00 EUR brutto. Ein Hinweis darauf, dass der PKW von dem „Abgasskandal“ betroffen ist, erfolgte nicht. Ausweislich des als Anlage K1 vorgelegten Kaufvertrags wurde durch den Verkäufer die Frage, ob diesem auf andere Weise Mängel und Unfallschäden bekannt sind, mit „nein“ angekreuzt. Das Fahrzeug wies bei Kauf eine Laufleistung von 24.031 km auf. Der Erwerb des Fahrzeugs wurde durch den Kläger in Höhe von 12.018,77 EUR bei der W Bank teilfinanziert. Die Finanzierungskosten betrugen 632,84 EUR. 4Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug ist ein Dieselmotor vom Typ EA 189 eingebaut, den die Beklagte entwickelt und hergestellt hat. Dieser Motor ist mit einer Software ausgestattet, die, je nachdem, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand oder in realem Fahrbetrieb befindet, unterschiedliche Abgasreinigungsmodi in Gang setzt. Auf einem Prüfstand wird im „Modus 1“ eine hohe Abgasrückführungsrate erzielt und ein entsprechend niedriger Ausstoß von Stickoxiden. Im realen Fahrbetrieb ist im „Modus 0“ die Abgasrückführungsrate niedriger. 5Das Kraftfahrtbundesamt ordnete mit Bescheid vom 15.10.2015 den Rückruf aller betroffenen Fahrzeuge in Abstimmung mit dem Hersteller an. Die betroffenen Dieselfahrzeuge bekommen ein Software-Update. Die technischen Maßnahmen erfolgen in Anbetracht der Vielzahl an betroffenen Fahrzeugen und der erforderlichen Gesamtkoordination in Abstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt. Nach dem Update wird das Fahrzeug nur noch im Modus 1 betrieben. Mit dem Software-Update wurde die Abgasreinigung dergestalt programmiert, dass die Abgasreinigung nur bei Temperaturen zwischen 10 – 32 Grad funktioniert. Darüber und darunter findet keine Abgasreinigung statt. Auch wird die Abgasreinigung ab einer Höhe von 1000 m ausgeschaltet. 6Das Update wurde im Fahrzeug des Klägers aufgespielt. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers forderten die Beklagte mit Schreiben vom 01.06.2018 unter Fristsetzung bis zum 15.06.2018 auf, an den Kläger den mit der Klage geltend gemachten Schadensersatz abzüglich der gezogenen Nutzungen Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs zu zahlen. 7Der Kläger hat sich der Musterfeststellungsklage nicht angeschlossen und gedenkt auch nicht, dies künftig zu tun. Die Laufleistung betrug im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung 120.555 km. 8Der Kläger behauptet, der Einbau der Software sei mit Wissen und Wollen des Vorstandes der Beklagten erfolgt. Aus der Organisationsstruktur der Beklagten werde deutlich, dass die Täuschung hinsichtlich der Software nur durch die höchsten Ebenen des Unternehmens veranlasst werden konnte. Ein entsprechender Entscheidungsprozess habe auf untergeordneten Ebenen ohne Anweisung, Planung und Genehmigung durch die Unternehmensführung, insbesondere auch aufgrund der ISO EN 9001 Zertifizierung der Beklagten, nicht stattfinden können. Zudem sei für ihn die vermeintliche Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugs ein besonders wichtiges Kaufargument gewesen. Er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass der von ihm erworbene PKW ebenfalls von dem Abgasskandal betroffen ist. 9Der Kläger ist der Ansicht, er habe einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 826, 31, 249 BGB, §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 27 EG-FGV und § 831 BGB. Sein Fahrzeug verfüge über keine gültige EG-Typengenehmigung. Sein Schaden liege darin, dass ihm – anders als von der Beklagten durch Werbung, Angaben in Verkaufsdokumenten und Aufstellern im Verkaufsraum des Händlers suggeriert – ein Fahrzeug verkauft worden sei, das die Voraussetzungen der Euro-5-Norm und damit die Voraussetzungen für die EU-Typengenehmigung und die Zulassung nach deutschem Recht ebenso wenig erfülle wie die Voraussetzungen für die Erteilung einer Allgemeinen Betriebserlaubnis. Dies führe zu einem Vermögensschaden, da ein solches Fahrzeug weniger wert sei, als ein Fahrzeug, das derartige Mängel nicht aufweist. Die Beklagte müsse sich das Wissen ihrer Repräsentanten, die vorsätzlich gehandelt hätten, gem. § 31 BGB zurechnen lassen. Ferner handele es sich um eine sittenwidrige Schadenszufügung durch die Beklagte. 10Der Kläger lässt sich Nutzungsentschädigung, berechnet nach der Laufleistung des Fahrzeuges zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung anrechnen. Ihm stehe daher gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BGB, § 826 BGB, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 27 EG-FGV zu. 11Der Kläger beantragt, 121. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 34.232,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2018 abzüglich einer im Termin zu beziffernden Nutzungsentschädigung Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer WVGZZZ5NZFW599037 zu zahlen. 132. festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 16.06.2018 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1 bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet. 143. Die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.698,13 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2018 zu zahlen. 15Die Beklagte beantragt, 16die Klage abzuweisen. 17Sie trägt vor, dass der Kläger über den Zustand des Fahrzeugs bereits nicht habe getäuscht werden können. Die Abgasproblematik sei bei Abschluss des Kaufvertrags durch die unstreitige umfassende mediale Berichterstattung und die am 22.09.2015 veröffentlichte Ad-Hoc-Mitteilung bekannt gewesen, es sei unmöglich, an der Berichterstattung vorbei zu kommen. Das vermeintliche Verschweigen kann für die Kaufentscheidung daher nicht kausal geworden sein. Mit dem Software-Update sei auch keine neue unzulässige Abschalteinrichtung eingeführt worden. Die Reduzierung der Abgasreinigung bei bestimmten Außentemperaturen und einem bestimmten Luftdruck sei notwendig, um das Fahrzeug vor Schäden zu schützen. Eine entsprechende Reduzierung sei üblich und nach den gesetzlichen Vorschriften grundsätzlich nicht zu beanstanden. 18Auch habe der Kläger keinen Schaden erlitten. Der Abschluss eines Kaufvertrages allein stelle keinen ersatzfähigen Schaden dar, da die empfangene Leistung jederzeit für den klägerischen Zweck – das Fahren auf öffentlichen T2 – voll brauchbar gewesen sei. Entscheidend sei, dass das Fahrzeug stets technisch sicher und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt gewesen sei. Ein etwaiger Schaden durch den ursprünglichen Einbau der besagten Software sei jedenfalls durch das Aufspielen des Updates beseitigt worden. Ein softwarebedingter Minderwert der Fahrzeuge mit dem Motortyp EA189 habe nicht nachgewiesen werden können. 19Überdies habe sie nicht sittenwidrig gehandelt. Der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, dass es für die Typengenehmigung auf die Laborwerte und nicht auf den Realbetrieb ankommt. Da das Fahrzeug nicht mangelhaft sei, habe sie den Kläger auch nicht über die Mangelfreiheit des Fahrzeugs getäuscht. Jedenfalls fehle es für eine Haftung nach § 826 BGB an der besonderen Verwerflichkeit. Selbst bei einem Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Nr. 19 VO (EU) 715/2007 ergäbe sich keine besondere Verwerflichkeit, weil die Norm ausweislich der Erwägungsgründe vorrangig der Verbesserung der Luftqualität diene. Ein Gebot der guten Sitten gerade im Verhältnis zum Kläger lasse sich der Verordnung nicht entnehmen. Schließlich ergebe sich die fehlende Sittenwidrigkeit ihres Verhaltens aus der grundsätzlichen Wertung von Vertragsrecht und deliktischer Haftung. So diene das Merkmal der Sittenwidrigkeit dazu, die Wertungen des Vertragsrechts vor ihrer Nivellierung durch eine umfassende Deliktshaftung zu bewahren. Aufgrund der Unerheblichkeit des vermeintlichen Mangels sei jedenfalls eine Rückabwicklung des Kaufvertrages ausgeschlossen. Überdies sei auch nicht von einem ihr zurechenbaren Schädigungsvorsatzes auszugehen. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger habe nicht ausreichend substantiiert dazu vorgetragen, wer zu welchem Zeitpunkt von dem Einbau der Software überhaupt Kenntnis hatte. Die Voraussetzungen der sekundären Darlegungslast seien nicht erfüllt. Eine entsprechende Darlegungsverpflichtung liefe auf eine unzulässige Ausforschung hinaus. Dass sie keine sekundäre Darlegungslast treffe, werde zudem durch eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes bestätigt. Unabhängig davon, habe sie dargelegt, dass sie Ermittlungen zur Entstehung der streitgegenständlichen Software eingeleitet habe, die noch andauerten. Nach dem aktuellen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass ein Vorstandsmitglied im aktienrechtlichen Sinne zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses von dem Einsatz der Software Kenntnis gehabt habe. Weiterer Vortrag sei ihr derzeit nicht zumutbar. 20Zum Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 10.07.2019 verwiesen. 21Entscheidungsgründe: 22Die Klage ist zulässig und weitestgehend begründet. 23I. 24Das Landgericht Düsseldorf ist gem. § 32 ZPO örtlich zuständig. Der Prüfung ist insoweit der klägerische Vortrag zugrunde zu legen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 2014 – VI ZR 271/13 - juris). Der Kläger hat unter anderem einen Anspruch aus § 826 BGB schlüssig vorgetragen (dazu unten). Der Kläger ist die vertragliche Verpflichtung in Düsseldorf eingegangen. Da bei § 826 BGB der Eintritt des Schadens zum Tatbestand gehört, nicht lediglich zur Rechtsfolgenseite, ist auch der Ort des Schadenseintritts Begehungsort im Sinne des § 32 ZPO (Schultzky, in: Zöller, ZPO, 32. Auflage 2018, § 32 Rn. 19). 25II. 26Die Klage ist weitgehend, bis auf einen Teil der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten, begründet. 27Klageantrag zu 1. 281. Die Klage ist hinsichtlich der Hauptforderung aus § 826 BGB i. V. m. § 31 BGB (analog) begründet. 29Die Beklagte hat dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt. 30a. 31Die schädigende Handlung der Beklagten liegt in dem Inverkehrbringen – unter Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung – des streitgegenständlichen Dieselmotors EA 189, dessen Motorsteuerungssoftware so programmiert war, dass sie den Betrieb des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf einem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) erkannte und die Abgasbehandlung in den sogenannten Modus 1 versetzte. 32b. 33Der Kläger hat einen Schaden erlitten. In Unkenntnis der nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware hat der Kläger einen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug und damit einen für ihn – auch wirtschaftlich – nachteiligen Vertrag abgeschlossen, da das Fahrzeug jedenfalls nicht seinen (berechtigten) Vorstellungen entsprach. 34(1) 35§ 826 BGB stellt hinsichtlich des Schadens nicht auf die Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter ab. Ein Schaden i.S.v. § 826 BGB ist nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses (BGH, Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149-159, Rn. 41). Es genügt jede Schadenszufügung im weitesten Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit (LG Offenburg, Urt. v. 12.05.2017 – 6 O 119/16 m.w.N.). Danach stellt auch der Abschluss eines Geschäfts, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149-159, Rn. 41; BGH, Urt. v. 28.10.2014 – VI ZR 15/14, Rn. 17 ff., juris; BGH, Urt. v. 03. Dezember 2013 – XI ZR 295/12, Rn. 27, juris; Harke, VuR 2017, 83, 90). 36(2) 37Der Schaden des Klägers liegt bereits darin, dass er ein mangelhaftes Fahrzeug erworben hat, das mithin kein gleichwertiges Äquivalent zum gezahlten Kaufpreis darstellt. Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mangelhaft. Es weist angesichts der Softwaremanipulation keine Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten darf. Ein Käufer eines solchen Fahrzeugs kann davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der Stickoxidausstoß reduziert wird. Insoweit resultiert die Mangelhaftigkeit nicht etwa daraus, dass die unter Laborbedingungen (Prüfstandlauf) gemessenen Werte im alltäglichen T-T3 nicht eingehalten werden, sondern basiert darauf, dass der Motor die Vorgaben im Prüfstandlauf nur aufgrund der manipulierten Software einhält (so z.B. auch LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 11 O 341/15). 38Die von der Beklagten eingebaute Software ist gesetzeswidrig, da es sich um eine verbotene Abschalteinrichtung gem. Art. 5 VO (EG) 715/2007 handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 8.1.2019 – VIII ZR 225/17). Das insoweit von der Beklagten angeführte Gegenargument, es liege keine Abschalteinrichtung vor, da das Abgasrückführungssystem nicht zu dem in der Verordnung genannten Emissionskontrollsystem gehöre, greift nicht durch. Das europäische Recht ist nach seinem Sinn und Zweck auszulegen. Nach der Präambel (insbes. Ziffer 5 und 6) wird deutlich, dass die Verordnung zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte beitragen soll, wozu insbesondere eine erhebliche Minderung der Stickstoffoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen erforderlich sei. Es ist nicht erkennbar, warum der gesetzlich nicht definierte Begriff des Emissionskontrollsystems nur die Abgasnachbehandlung, nicht jedoch die Abgasrückführung umfassen sollte, wie es die Beklagte annimmt (vgl. LG Offenburg, Urteil v. 12.05.2017 - 6 O 119/16). Bei verständiger Auslegung muss die von der Beklagten installierte Programmierung als Abschalteinrichtung angesehen werden. Sie setzt die zu einem geringeren Stickoxidausstoß führende, ausschließlich für den Prüfstand bestimmte Programmierung der Motorsteuerung im Modus 1 für den Fahrbetrieb auf der T3 außer Kraft mit der Folge, dass der Stickoxidausstoß im Fahrbetrieb auf der T3 höher ist als auf dem Prüfstand. Umgekehrt wird die im normalen Fahrbetrieb wirksame Programmierung etwa für die Abgasrückführung auf dem Prüfstand außer Kraft gesetzt, indem die Motorsteuerung den sogenannten Modus 0, nämlich den Betriebszustand für den normalen Fahrbetrieb auf der T3, zu Gunsten eines ausschließlich für den Prüfstandbetrieb bestimmten Modus abschaltet. Dies gilt unabhängig davon, ob tatsächlich eine Einwirkung auf das Emissionskontrollsystem vorhanden ist oder aber lediglich eine Einwirkung auf einen innermotorischen Vorgang erfolgt. Schon die Testzykluserkennung in Verbindung mit einer ausschließlich im Testzyklus erfolgenden Einwirkung auf die Abgasrückführung dürfte ein Verstoß gegen das Verbot von Abschalteinrichtungen darstellen. Zudem liegt auf der Hand, dass auch eine Schadstoffmessung auf dem Prüfstand nur sinnvoll ist und einen Vergleich von Fahrzeugen verschiedener Hersteller ermöglicht, wenn das zu testende Fahrzeug gerade hinsichtlich der Abgasbehandlung dem Zustand entspricht, der auch auf der T3 gegeben ist, da ansonsten Manipulationen jedweder Art Tür und Tor geöffnet würden und eine Vergleichbarkeit selbst unter den dem realen Fahrbetrieb fernen, genormten Prüfstandbedingungen nicht mehr herzustellen wäre. Eine ausschließlich auf den Testzyklus zugeschnittene Programmierung der Abgasbehandlung muss deshalb als unzulässige Umgehung der einschlägigen Vorschriften angesehen werden (vergl. auch LG Hildesheim, Urteil v. 17.01.2017 - 3 O 139/16). 39Unabhängig davon, ob es sich um eine gesetzeswidrige Abschalteinrichtung handelt, führt die streitgegenständliche Software zu (weiteren) erheblichen Nachteilen für den Kläger. Die Abgaswerte entsprechen nicht jenen, die er aufgrund der Fahrzeugbeschreibung und der gesetzlichen Grenzwerte erwarten durfte. Zwar dürfte der Kläger insoweit davon ausgegangen sein, dass die bekanntermaßen unter Laborbedingungen ermittelten Werte im Alltagsbetrieb regelmäßig nicht erreicht werden können. Er erwartet jedoch nicht, dass diese normale Abweichung durch den Einsatz einer Software noch einmal vergrößert wird. Darüber hinaus musste der Kläger nicht davon ausgehen, dass er seinen Wagen einem Software-Update unterziehen muss, um nicht zu riskieren, dass ihm die Betriebserlaubnis entzogen wird. 40Ob das zwischenzeitlich aufgespielte Software-Update dazu geführt hat, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Abgaswerte nunmehr eingehalten werden, ohne dass das Update womöglich zu neuen anderweitigen Beeinträchtigungen des Fahrzeugs geführt hat, kann im Rahmen der Haftung nach § 826 BGB dahinstehen, weil der durch die Täuschung der Beklagten bedingte ungewollte Vertragsschluss hierdurch nicht nachträglich zu einem gewollten Vertragsschluss würde (so auch LG Krefeld, Urt. v. 19.07.2017 – 7 O 147/16, BeckRS 2017, 117776). Der Schadensbegriff des § 826 BGB ist weiter als der Sachmangelbegriff des § 434 BGB. Während die Sachmangelgewährleistung der Beseitigung von Leistungsstörungen dient, zielt der Tatbestand des § 826 BGB auf einen Schutz auch der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit ab (BGH, NJW-RR 2005, 611; NJW-RR 2015, 275). Der Schadensbegriff des § 826 BGB hat insoweit einen subjektiven Einschlag (Wagner, in: MüKo, BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 BGB, Rn. 42). Entscheidend ist danach nicht, wie der Vertragsschluss nach objektiven Kriterien zu bewerten sein mag, sondern, dass der Kläger den Vertrag bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht geschlossen hätte. Davon abgesehen bestehen infolge der unterschiedlichen öffentlichen Verlautbarungen zu den Wirkungen des Updates derzeit aber auch objektiv zumindest Unsicherheiten hinsichtlich der Wirkungen des Updates (vgl. hierzu ausführlich Legner, VuR 2018, 251 mit Verweis auf verschiedene Stimmen, welche Software-Updates zur Beseitigung des erhöhten Stickoxidausstoßes als nicht ausreichend betrachten, sondern eine Nachrüstung der Motoren fordern). Solche Unsicherheiten mögen zur Darlegung eines fortbestehenden Sachmangels im Sinne des § 434 BGB nicht ausreichen, die Annahme eines Schadens im Sinne des § 826 BGB rechtfertigen sie indessen. 41Darüber hinaus musste der Kläger auch nicht davon ausgehen, dass mit dem zur Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung aufgespielten Software-Update zugleich eine neue Abschalteinrichtung aufgespielt wird. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte mit dem Software-Update die Abgasreinigung dergestalt programmiert hat, dass die Abgasreinigung nur bei Außentemperaturen zwischen 10 – 32 Grad einsetzt und unter und oberhalb dieses Temperaturbereichs ausgeschaltet ist. Ferner setzt die Abgasreinigung nur bis zu einer Höhe von 1000 m ein. Die Installation eines solchen „Thermofensters“ stellt nach Auffassung des Gerichts eine weitere unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 der VO 715/2007/EG dar. Wie bereits zuvor ausgeführt, liegt eine unzulässige Abschalteinrichtung vor, da auch das Abgasrückführungssystem bei verständiger und sachgerechter Auslegung orientiert an den in den Erwägungsgründen der VO 715/2007/EG aufgeführten Zielen als Bestandteil des Emissionskontrollsystems anzusehen ist. Unstreitig wird die Funktion des Emissionskontrollsystems in Abhängigkeit von bestimmten Außentemperaturen verändert, so dass ein das installierte Thermofenster eine Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG darstellt. Insoweit wird vollumfänglich auf die insoweit überzeugenden Ausführungen des Landgerichts Stuttgart im Urteil vom 17.01.2019 – 23 O 172/18, BeckRS 2019, 271 ff. verwiesen. 42Dass das KBA dieses Thermofenster mit der Freigabe des Software-Updates nicht als unzulässige Abschalteinrichtung gem. Art. 5 Abs. 2 S. 1 der VO 715/2007/EG eingestuft hat, steht dem nicht entgegen, da die Frage, ob eine Abschalteinrichtung unzulässig ist oder nicht, eine Rechtsfrage darstellt, die von den Gerichten zu prüfen und zu beantworten ist. Das von der Beklagten mit dem Software-Update ausgespielte Thermofenster erfüllt nach Auffassung des Gerichts nicht die Anforderungen der Verordnung 715/2007/EG. Gemäß Art. 5 Abs. 1 der VO 715/2007/EG ist der Hersteller verpflichtet das Fahrzeug so auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so zu konstruieren, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung entspricht. Gemäß Art. 5 Absatz 1 S. 1 der VO 715/20177EG sind Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Eine Ausnahme ist nur dann zulässig, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigungen zu schützen. Der BGH hat in seinem Beschluss vom 8.1.2019 (VIII ZR 225/17) darauf hingewiesen, dass die Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 der VO 715/2007/EG eng auszulegen ist. Dass die Abschalteinrichtung zum Schutz des Motors notwendig ist, hat die Beklagte schon nicht im Einzelnen dargelegt. Der Vortrag der Beklagten erschöpft sich darin, dass das Thermofenster mit der Korrektur der Abgasrückführungsrate dem Schutz der Bauteile des Abgasrückführungssystems einschließlich des Abgasrückführungsventils vor Versottung und Verrußung dient (Klageerwiderungsschriftsatz vom 21.11.2018, Seite 36, Bl. 115 d.A.). Das Abgasrückführungssystem ist jedoch nicht Bestandteil des Motors, so dass nach Auffassung des Gerichts bereits erhebliche Zweifel bestehen, ob der Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 der VO 715/2007/EG überhaupt eröffnet ist. Denn die Beklagte trägt in erster Linie vor, dass das Thermofenster zum Schutz der Bauteile des Abgasrückführungssystems erforderlich sei. Einer etwaig infolge einer Versottung des Abgasrückführungsventils eintretenden Schädigung des Motors als Folgeschaden dürfte nach Auffassung des Gerichts bereits nicht mehr von dem Anwendungsbereich der eng auszulegenden Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 der VO 715/2007/EG erfasst sein, da nahezu jedes Bauteil in einem Kraftfahrzeug mittelbar Auswirkungen auf den Motor haben kann. Darüber hinaus dürfte nach Auffassung des Gerichts auch ohne Thermofenster einer etwaigen Schädigung des Motors infolge einer Beschädigung von Bauteilen des Abgasrückführungssystems bereits dadurch entgegengewirkt werden können, dass die entsprechenden Serviceintervalle betreffend des Abgasrückführungssystems erhöht werden und die von einer Versottung und Verrußung betroffenen Bauteile regelmäßig ersetzt werden. Eine Abschalteinrichtung kann nach Auffassung des Gerichts aber nur dann als zulässig in Betracht kommen, wenn keine andere technische Lösung denkbar ist, sei sie auch noch so teuer (vgl. auch LG Stuttgart, a.a.O.). Darüber hinaus ist nach Auffassung des Gerichts für die Anwendung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 der VO 715/2007/EG bereits dann kein Raum, wenn ein Bauteil so konstruiert ist, dass zum Schutz des Motors bei den in hiesigen Breitengraden an mehr als 6 Monaten regelmäßig vorherrschenden Temperaturen - wo selbst in kühleren Sommernächten Temperaturen von unter 10 Grad nicht ungewöhnlich sind - und somit regelmäßig bei solchen Betriebsbedingungen, die bei normalem, bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Personenkraftwagens typischerweise vorliegen, eine Abschalteinrichtung eingreifen muss (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 17.01.2019 – 23 O 172/18). Denn eine solche Ausweitung des Anwendungsbereichs einer Ausnahmevorschrift würde zu einer Umkehr, zumindest aber zum Gleichlauf, des Regel-Ausnahme-Verhältnisses führen und somit den Zielen der Verordnung, eine Verbesserung der Luftqualität herbeizuführen und zur Einhaltung der Luftverschmutzungswerte eine Minderung der Stickstoffemissionen bei Dieselfahrzeugen herbeizuführen (Erwägungsgrund 6 der VO 715/2007/EG) widersprechen und diametral entgegenstehen. 43c. 44Die schädigende Handlung ist der Beklagten auch nach § 31 BGB (analog) zuzurechnen. Die Haftung einer juristischen Person setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat (BGH, Urt. v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15). Es ist hier insbesondere auch vor dem Hintergrund der erfolgten Zertifizierung der Beklagten nach DIN 9001 davon auszugehen, dass der Einbau der Software mit Wissen und Wollen des seinerzeitigen Vorstands der Beklagten erfolgte und somit der Beklagten zurechenbar ist. Jedenfalls würde die etwaige mangelnde Kenntnis des Vorstandes aber auf einem gravierenden Organisationsverschulden beruhen, das dazu führt, dass diesem die Kenntnis der Ausführenden zuzurechnen ist. 45(1) 46Da die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist, ist der diesbezügliche klägerische Vortrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu behandeln. Es ist davon auszugehen, dass der Einbau der Software seinerzeit vom Vorstand angeordnet oder zumindest von diesem befürwortet worden ist (LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16). 47Die Beklagte trifft insoweit eine sekundäre Darlegungslast, der sie nicht nachgekommen ist. 48Eine sekundäre Darlegungslast besteht, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während die bestreitende Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihr zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Der Gegner der (primär) darlegungspflichtigen Partei darf sich nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGHZ 140, 156, 158 f, juris). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. 49Der Kläger hat substantiiert genug unter Benennung der Personen der Beklagten, die ihrer Auffassung nach Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatten und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst haben, vorgetragen. Der Kläger hat keinen Einblick in die internen Entscheidungsvorgänge bei der Beklagten und ist insoweit auf Veröffentlichungen der Medien und auf Rückschlüsse und Vermutungen angewiesen. 50Demgegenüber hat die Beklagte selbstverständlich die Möglichkeit, die in ihrem Unternehmen im Zusammenhang mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software abgelaufenen Vorgänge und Entscheidungsprozesse darzulegen. Sie hatte darzulegen, wie es zu der Planung und dem Einbau der Software ohne Kenntnis des Vorstands gekommen ist. Der Vortrag der Beklagten, dass die Ermittlungen, welche u.a. durch externe Kanzleien geführt würden, noch andauern würden und bisher keine Erkenntnisse dafür vorlägen, dass Vorstandsmitglieder von der streitgegenständlichen Software Kenntnis hatten oder ihre Entwicklung veranlasst hätten, reicht insoweit nicht aus. Die Beklagte trägt schon nicht vor, woraus sich im Einzelnen ihre Einschätzung ergibt, die bisherigen Untersuchungen hätten keine Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Vorstands ergeben. Angesichts des Zeitablaufs seit dem öffentlichen Bekanntwerden der Softwaremanipulation ist der Vortrag, die Beklagte habe das ihr Mögliche und Zumutbare unternommen, um den Behauptungen des Klägers entgegenzutreten, unzureichend. Zu einer substantiierten Darlegung durch die Beklagte hätte umso mehr Anlass bestanden, als es sich bei der Einführung einer manipulierten Motorsteuerungssoftware um eine wesentliche strategische Entscheidung mit enormer wirtschaftlicher Reichweite und – wie die wirtschaftlichen Folgen des sogenannten Abgasskandals zeigen – ebenso großen Risiken handelt, bei der kaum anzunehmen ist, dass sie von einzelnen am unteren Ende der Betriebshierarchie angesiedelten Entwicklern in eigener Verantwortung getroffen worden ist (vgl. LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16). Der Motor ist das "Herzstück" des Fahrzeugs. Es erscheint insbesondere auch vor dem Hintergrund der seit dem Jahr 2008 bestehenden Zertifizierung der Beklagten nach DIN 9001 fernliegend, dass der millionenfache Einbau der Software ohne Wissen und Wollen des Vorstandes erfolgen konnte (so auch LG Arnsberg, Urt. v. 14.06.2017 – 1 O 25/17 m.w.N., LG Osnabrück, Urt. v. 28.06.2017 – 5 O #####/#### m.w.N.; LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16). 51(2) 52Darüber hinaus wird der Anwendungsbereich des § 31 BGB bei Organisationsmängeln erweitert (Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl. 2017, § 31 Rn. 7). Juristische Personen sind verpflichtet, den Gesamtbereich ihrer Tätigkeit so zu organisieren, dass für alle wichtigen Aufgabengebiete ein verfassungsmäßiger Vertreter zuständig ist, der die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Entspricht die Organisation diesen Anforderungen nicht, muss sich die juristische Person so behandeln lassen, als wäre der tatsächlich eingesetzte Verrichtungsgehilfe ein verfassungsmäßiger Vertreter (BGH, Urt. v. 08.07.1980 – VI ZR 158/78 = NJW 1980, 2810). Der Einbau der in Rede stehenden Software in Millionen von Fahrzeugen nicht nur in Europa stellt, wie ausgeführt, eine wesentliche Entscheidung mit großer wirtschaftlicher Bedeutung für die Beklagte dar. Hat nicht der Vorstand diese weitreichende Entscheidung getroffen, sondern – wie von der Beklagten vorgetragen – Mitarbeiter unterhalb der Vorstandsebene auf nachgeordneten Arbeitsebenen, muss sich die Beklagte so behandeln lassen, als wären diese Mitarbeiter ihre verfassungsmäßigen Vertreter (vgl. LG Essen, Urt. v. 28. August 2017 – 4 O 114/17). 53(3) 54Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Juni 2016 (VI ZR 536/15) zur sittenwidrigen Schädigung bei der Beteiligung an einer Fondsgesellschaft folgt kein anderes Ergebnis. Zur sekundären Darlegungslast verhält sich das Urteil nicht. Aus dem Urteil ergibt sich, dass im Rahmen des § 826 BGB der Sittenverstoß und der Schädigungsvorsatz bei juristischen Personen nicht aus der mosaikartigen Zusammensetzung von auf verschiedene Personen verteilten Wissens- und Wollenselementen konstruiert werden können. Darauf kommt es hier nicht entscheidungserheblich an. Aufgrund des unzureichenden Bestreitens der Beklagten gilt der klägerische Vortrag als zugestanden, dass ein oder mehrere Vorstandsmitglieder der Beklagten von dem gesamten Sachverhalt Kenntnis hatten und dass der Softwareeinbau mit ihrem Wissen und Wollen erfolgte. 55Darüber hinaus verhält sich die Entscheidung, in der es um eine einzige Aussage in einem Prospekt ging, nicht zu einem Organisationsverschulden. Es sind aus der Entscheidung auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, ob ein Organisationsverschulden vorlag. 56d. 57Es handelt sich zudem um eine sittenwidrige Schädigung des Klägers durch die Beklagte. 58(1) 59In objektiver Hinsicht kommt es insoweit darauf an, ob das Verhalten der Beklagten dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widersprach. Dies ist zu bejahen. Die Beklagte hat in großem Umfang und mit erheblichem technischem Aufwand im eigenen Profitinteresse zentrale gesetzliche Umweltschutzvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden und Fahrzeugerwerber getäuscht. Sie hat dabei nicht einfach nur gesetzliche Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit der Abschalteinrichtung zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen (LG Offenburg, Urt. v. 12.05.2017 – 6 O 119/16). Zudem gilt der Grundsatz, dass eine bewusste Täuschung zur Herbeiführung eines Vertragsschlusses regelmäßig bereits die Sittenwidrigkeit begründet (BGH, Urt. v. 21.12.2004 – VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361-371, Rn. 13; BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, Rn. 22). Eine solche Täuschung liegt auch für in dem hier vorliegenden Fall vor. Die Beklagte hat mit dem Inverkehrbringen des manipulierten Motors stillschweigend erklärt, dass dieser den gesetzlichen Vorschriften genügt, was tatsächlich nicht der Fall ist. Dieser Erklärungswert ihres Verhaltens und das entsprechende Verständnis der Fahrzeugerwerber kann ihr auch nicht verborgen geblieben sein, so dass es sich um eine bewusste Täuschung handelt (vgl. LG Offenburg, Urt. v. 12.05.2017 – 6 O 119/16). Nach Auffassung der Kammer und entgegen der vom OLG Köln vertretenen Auffassung (Urteil vom 06.06.2019 – 24 U 5/19) reicht allein der Umstand, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits mit den zuständigen Behörden und dem Deutschen Kraftfahrtbundesamtes in Kontakt stand, nicht aus, die einmal eingetretene objektive Sittenwidrigkeit ihres Verhaltens, dass in dem Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Motors unter Verschweigen des Einsatzes einer gesetzeswidrigen Abschalteinrichtung liegt, zu beseitigen. Die Ad-Hoc Mitteilung der Beklagten vom 22.9.2015 war ebenfalls nicht geeignet, die bereits eingetretene objektive Sittenwidrigkeit des Inverkehrbringens des Motors EA 189 zu beenden. Aus der Ad-Hoc Mitteilung der Beklagten wird bereits nicht deutlich, dass eine gesetzeswidrige Abschalteinrichtung eingesetzt wurde, die Beklagte spricht dort nur von Auffälligkeiten, zum anderen werden dort die Betroffenen Fahrzeuge nicht benannt. Auch richtet sich die Ad-Hoc Mitteilung an die Kapitalanleger und damit an einen völlig anderen Adressatenkreis. Darüber hinaus bestreitet die Beklagte bis heute, dass sie der streitgegenständliche Motor eine unzulässige und gesetzeswidrige Abschalteinrichtung enthält. Insgesamt ist das bisherige Verhalten der Beklagten seit September 2015 nicht geeignet, die einmal eingetretene objektive Sittenwidrigkeit ihres Verhaltens zu beseitigen. 60Darüber hinaus stellt die Implementierung einer neuerlichen unzulässigen Abschalteinrichtung durch Aufspielen des Software-Updates, ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren, ein neuerliches, besonders verwerfliches Verhalten dar. 61(2) 62Hinzutreten zu der objektiven Sittenwidrigkeit muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann. Das Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung von Verbrauchern und Behörden ist als verwerflich zu betrachten. Gerade für den Kläger als Laien auf dem Gebiet der Automotoren war es keinesfalls möglich, die Täuschung aufzudecken. Überdies handelt es sich bei dem Kauf eines PKWs für viele Verbraucher um eine nicht unerhebliche wirtschaftliche Entscheidung. Die Beklagte hat die Ahnungslosigkeit der Verbraucher zu ihrem eigenen Vorteil ausgenutzt. Etwas anderes gilt auch nicht in dem hier vorliegenden Fall, in dem der Kläger das Fahrzeug erst nach der medialen Berichterstattung erworben hat. Entgegen der vom OLG Köln im Urteil vom 6.6.2019 (24 U 5/59) vertretenen Auffassung besteht die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten auch nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals fort. Ihr Verhalten ist nicht geeignet, die einmal eingetretene besondere Verwerflichkeit zu beseitigen. Nach Auffassung der Kammer ist es nicht ausreichend, dass die Beklagte seit der Aufdeckung der Unregelmäßigkeiten mit den zuständigen Behörden zusammenarbeitet und möglicherweise eine Homepage freigeschaltet hat, auf der sich Kunden über die Betroffenheit ihres Fahrzeugs informieren können. Denn dies setzt voraus, dass den jeweiligen potentiellen Neukunden die FIN Nummer bekannt ist, denn ohne Eingabe dieser Nummer kann die Betroffenheit eines Fahrzeugs nicht festgestellt werden. Dies hätte nach Auffassung der Kammer ein positives Tätigwerden gegenüber den potentiellen Neukunden bedurft, sei es durch konkrete Pressemitteilungen betreffend aller betroffener Marken und Fahrzeugen des Konzern, die in allgemein zugänglicher Form, z.B. auch durch Aushänge in Autohäusern oder aber durch Anweisung an die Händler, auf die Betroffenheit eines zum Kauf angebotenen Fahrzeugs konkret hinzuweisen. Die Beklagte hat im vorliegenden Fall nicht dargelegt, wann und in welcher Form sie potentielle neue Kunden konkret darüber informiert hat, dass und welche Fahrzeugtypen von welchen Marken mit welchen Motorenzeichnungen von der eingesetzten Software betroffen sind. Diese Verpflichtung hätte im streitgegenständlichen Fall insbesondere auch deshalb bestanden, da die Beklagte nach dem Vortrag des Klägers in seiner informatorischen Anhörung durch das Gericht gem. § 141 ZPO vorgetragen hat, dass die Beklagte selbst Erstzulasserin und Voreigentümerin des von dem Kläger erworbenen Fahrzeugs war. Darüber hinaus bestreitet die Beklagte – auch durch Pressemitteilungen, die in überregional zugänglichen Medien veröffentlicht werden - betreffend obergerichtliche Entscheidungen zugunsten der Beklagten fortwährend, dass es sich bei der eingesetzten Software überhaupt um eine gesetzeswidrige Abschalteinrichtung handelt. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ist das bisherige Verhalten der Beklagten auch nach dem Bekanntwerden des „Abgaskandals“ und die Implementierung einer weiteren Abschalteinrichtung durch das Software-Update ohne Information der Öffentlichkeit nicht geeignet, die einmal eingetretene besondere Verwerflichkeit des Verhaltens zu beseitigen. 63(3) 64In subjektiver Hinsicht ist nicht das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit erforderlich, es genügt bereits die Kenntnis der sie begründenden Umstände. Eine solche Kenntnis ist beim Vorstand der Beklagten zu bejahen. 65e. 66Die sittenwidrige Schädigung war auch kausal für die Kaufentscheidung des Klägers. Der Kläger hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung gem. § 141 ZPO substantiiert und für das Gericht nachvollziehbar im Einzelnen geschildert, inwieweit er von dem Abgasskandal Kenntnis genommen hat und auf welcher Grundlage er seine Kaufentscheidung getroffen hat. Vor dem Hintergrund seiner plausiblen und nachvollziehbaren Schilderung steht für das Gericht fest, dass die fehlende Betroffenheit des von ihm erworbenen Fahrzeugs vom Abgasskandal Grundlage seiner Kaufentscheidung und somit für den Vertragsschluss kausal war. Die Beklagte hat den Vortrag des Klägers nicht substantiiert bestritten, sie ist diesem Vortrag vielmehr nicht mehr entgegengetreten, so dass der Sachvortrag des Klägers insoweit als unstreitig zu werten ist (Zöller, ZPO, 32. Auflage 2018, § 141 Rn. 1a).Der Kläger hat plausibel dargelegt, dass er den streitgegenständlichen PKW gerade deshalb erworben hat, da er seinen vom Abgasskandal betroffenen PKW Tiguan, Baujahr 2008 aufgrund des Abgasskandals nicht mehr weiterfahren und statt dessen ein neues, sauberes Fahrzeug erwerben wollte, dass technisch dem neusten Stand entspricht. Dass der Kläger seinerseits vor Vertragsschluss, obwohl er von dem Abgasskandal aus eigener Betroffenheit Kenntnis hatte, nicht nach einer Betroffenheit des konkret von ihm erworbenen Fahrzeugs vom Abgasskandal gefragt hat, bedeutet im Umkehrschluss auch nicht, dass ihm eine etwaige Betroffenheit des von ihm erworbenen Fahrzeugs egal war. Denn weder im Verkaufsgespräch noch in der Beschreibung des Fahrzeugs wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass auch das streitgegenständliche Fahrzeug mit Baujahr 2015 vom Dieselskandal betroffen ist. Daraus wurde dem Kläger nach seinen Ausführungen im Termin durch den Verkäufer mitgeteilt, dass der von ihm erworbene PKW aufgrund der Fortentwicklung der Motorenqualität die Euro Norm 5 plus einhalte und damit der Motor auf dem neuesten Stand sei. Dieses Verhalten ist nach Auffassung des Gerichts insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Verkäufer in dem Kaufvertragsformular bei der Frage, ob dem Verkäufer auf andere Weise Mängel und Unfallschäden bekannt sind, dass Antwortfeld „nein“ angekreuzt hat, geeignet, bei dem Kläger die Vorstellung hervorzurufen, dass keine Betroffenheit des Fahrzeugs vom Abgasskandal vorliegt. Insoweit wurde nach Auffassung des Gerichts durch die schriftliche Erklärung über das Nichtvorhandensein von Mängeln und der fehlenden Aufklärung durch die Beklagte als Voreigentümerin ein besonderer Vertrauenstatbestand auf Seiten des Klägers begründet, so dass er auf die Nichtbetroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs vom Abgasskandal – selbst wenn man eine Nachfrageobliegenheit bei Kaufverträgen über gebrauchte Fahrzeuge des Volkswagenkonzern, die nach September 2015 geschlossen wurde, bejahen sollte - auch ohne explizites Nachfragen ausgehen durfte. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte selbst Erzulasserin und Voreigentümerin des PKW war. 67Hatte der Kläger aber keinen objektiven Verdacht, dass das von ihm erworbene Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen sein könnte, ist nach den obigen Ausführungen insbesondere die Gesetzesmäßigkeit eines Fahrzeugs für die Kaufentscheidung von Bedeutung, ohne dass es darauf ankommt, ob im Verkaufsgespräch konkrete Äußerungen hierüber getroffen wurden (so auch LG Arnsberg, Urt. v. 14.06.2017 – 1 O 25/17 m.w.N.; LG Osnabrück, Urt. v. 28.06.2017 – 5 O #####/#### m.w.N.; LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16). 68Darüber hinaus wertet das Gericht das von der Beklagten mit dem Software-Update aufgespielte Thermofenster, nach dem die Abgasreinigung nur bei Außentemperaturen zwischen 10 – 32 Grad und bis zu einer Höhe von 1000 m einsetzt als weitere unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 der VO 715/2007/EG (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 17.01.2019 – 23 O 172/18, BeckRS 2019, 271, 271 ff.). Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Insoweit konnte der Kläger – selbst wenn er einen objektiven Verdacht gehabt hätte, dass das von ihm erworbene Fahrzeug mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet sein könnte - davon ausgehen, dass die vorhandene unzulässige Abschalteinrichtung durch eine andere unzulässige Abschalteinrichtung ersetzt wird. 69f. 70Eine Haftung der Beklagten aus § 826 BGB scheidet auch nicht deshalb aus, weil die Verordnung EG Nr. 715/2007 nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen, sondern gesamtgesellschaftlichen Zielen dient. Die Haftung aus § 826 BGB hängt gerade nicht davon ab, unter Verstoß gegen welche Normen der Schädiger gehandelt hat. 71g. 72Rechtsfolge der gegen die guten Sitten verstoßenden vorsätzlichen Schädigung ist ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz. 73aa. 74Die Beklagte hat den Kläger so zu stellen, wie er ohne die Täuschung über die nicht gesetzeskonforme Motorsteuerungssoftware gestanden hätte. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger bei Kenntnis des Sachverhalts und der damit verbundenen Risiken für den Fortbestand der Betriebserlaubnis den Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht abgeschlossen hätte. Die Beklagte muss danach die wirtschaftlichen Folgen des Kaufs dadurch ungeschehen machen, dass sie den Kaufpreis erstattet. 75bb. 76Auf den zurückzuerstattenden Kaufpreis in Höhe von 33.600,00 EUR hat sich der Kläger nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung jedoch eine Entschädigung für die durch ihn erfolgte Nutzung des Fahrzeugs anrechnen zu lassen. Das Fahrzeug wies im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlungen eine Laufleistung von 120.555 km auf. Die Kammer schätzt die Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges auf mindestens 250.000 km (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1199). Der Kläger hat mit dem Fahrzeug 96.524 km zurückgelegt, da der Kilometerstand bei Vertragsschluss 24.031 km betrug. Für den Gebrauchsvorteil muss er daher einen Nutzungsersatz von 14.352,44 EUR (Bruttokaufpreis x gefahrene km / verbleibende Gesamtlaufleistung bei Erwerb) leisten. Zusätzlich sind dem Kläger als Schaden auch die Finanzierungskosten in Höhe von 632,84 EUR zu erstatten 77h. 78Die Kläger hat ferner Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2018 gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Mit Ablauf der mit anwaltlichem Schriftsatz vom 1.6.2018 bis zum 15.06.2018 gesetzten Frist befand sich die Beklagte im Schuldnerverzug. 79Klageantrag zu 2. 80Die Beklagte befindet sich seit dem 16.06.2018 mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug gemäß § 293 BGB. Das wörtliche Angebot auf Leistung gemäß § 295 BGB war ausreichend, um den Annahmeverzug auszulösen, da die Beklagte keine Bereitschaft angezeigt hat, dem Begehren des Klägers zu entsprechen und die Leistung, d.h. die Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeuges, anzunehmen. Vielmehr war im Juni 2018 offenkundig, dass die Beklagte das streitgegenständliche Fahrzeug nicht freiwillig zurücknehmen werde. Damit wäre ein darüber hinausgehendes Angebot bloße Förmelei. 81Klageantrag zu 3. 821. 83Der Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten folgt aus § 826 BGB. Die Anwaltskosten sind Teil des dem Kläger entstandenen Schadens. Der Kläger durfte sich angesichts der Komplexität der Sach- und Rechtslage zur Geltendmachung seiner Ansprüche vorgerichtlicher anwaltlicher Unterstützung bedienen (vgl. Grüneberg, in Palandt, BGB, 77. Aufl., § 249, Rz. 57). 84Der Höhe nach kann der Kläger die Anwaltskosten aber nur nach einem zutreffenden Gegenstandswert von 19.880,40 EUR und einer 1,3 Gebühr in Höhe von 1.171,67 € verlangen. 85Dem liegt die folgende Berechnung zugrunde: 86Gegenstandswert: 19.880,40 EUR (33.600 EUR + 632,84 EUR – 14.352,44 EUR) 871,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV, §§ 13,14 RVG 964,60 € Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV 20,00 € Zwischensumme 984,60 € Mehrwertsteuer 19 % 187,07 € Endsumme 1.171,67 € 88Der Nutzungsvorteil ist vom Schadensersatzanspruch abzuziehen, ohne dass es einer Gestaltungserklärung oder Einrede des Schädigers bedarf (BGH NJW 2015, 3160). 89Der Kläger kann der Höhe nach die in Ansatz gebrachte 1,5 Gebühr nicht ersetzt verlangen, sondern nur Gebühren in Höhe von 1,3. Bei der Frage des Umfangs ist der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt auf die Sache verwenden muss und der die Sache dadurch zu einer überdurchschnittlichen Tätigkeit werden lässt. Insofern wirkt der Umfang der Klage zwar erheblich, hingegen gehen die Prozessbevollmächtigten des Klägers in großen Teilen erkennbar nach dem "Copy&Paste-Prinzip" vor (vgl. auch LG Hagen, Urteil vom 16. Juni 2017 – 8 O 218/16 –, juris ). 90Der Aufbau der einzelnen Schriftsätze und die Formulierungen werden ferner so gewählt, dass sie stets erneut verwendet werden können, ohne dass darauf geachtet werden muss, ob ein Kläger oder eine Klägerin vertreten wird, indem beispielsweise bewusst die Formulierung "Klagepartei" gewählt wird. Insoweit handelt es sich um ein Masseverfahren, in dem sich die rechtlichen Umstände jeweils ähneln und welches davon geprägt ist, dass sich der schriftsätzliche Vortrag zumeist wörtlich gleicht (vgl. LG Hagen (Westfalen), Urteil vom 16. Juni 2017 – 8 O 218/16 –, juris ). 91Die Tätigkeit war ferner auch nicht schwierig im Sinne des § 14 RVG. Schwierig ist eine Tätigkeit dann, wenn erhebliche, im Normalfall nicht auftretende Probleme auftauchen, unabhängig davon, ob diese auf juristischem oder tatsächlichem Gebiet liegen. Hier geht es indes im Wesentlichen um gängige Anspruchsgrundlagen aus dem Bereich des Deliktsrechts. 922. 93Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 280 Abs. 1, 286, 288 Abs. 1 BGB. 94III. 95Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. 96Der Streitwert wird auf 19.880,40 EUR festgesetzt. 97Rechtsbehelfsbelehrung: 98Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist, 991. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder 1002. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist. 101Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, D-Allee, 40474 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. 102Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Düsseldorf zu begründen. 103Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 104Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden. 105Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr: 106Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de. | die beklagte wird verurteilt, an den kläger 19.880,40 eur nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 16.06.2018 zu zahlen, zug-um-zug gegen rückgabe und übereignung des fahrzeuges mit der fahrgestellnummer wvgzzz5nzfw599037. es wird weiter festgestellt, dass sich die beklagte seit dem 16.06.2018 mit der rücknahme des im fahrzeugs mit der fahrgestellnummer wvgzzz5nzfw599037 in annahmeverzug befindet. die beklagte wird verurteilt, die kosten der außergerichtlichen rechtsverfolgung in höhe von 1.474,79 eur nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 16.06.2018 zu zahlen. im übrigen wird die klage abgewiesen. die kosten des rechtsstreits trägt die beklagte. das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. 1 | 2der kläger begehrt die rückabwicklung eines kaufvertrages über ein gebrauchtfahrzeug der marke w2 im wege des schadensersatzes sowie die feststellung eines annahmeverzugs der beklagten hinsichtlich der zug-um-zug verurteilung. 3der in düsseldorf wohnhafte kläger erwarb am 11.02.2016 beim volkswagenzentrum düsseldorf einen gebrauchten pkw w2 tiguan 2.0 tdi mit der fahrgestellnummer wvgzzz5nzfw599037 zum kaufpreis von 33.600,00 eur brutto. ein hinweis darauf, dass der pkw von dem „abgasskandal“ betroffen ist, erfolgte nicht. ausweislich des als anlage k1 vorgelegten kaufvertrags wurde durch den verkäufer die frage, ob diesem auf andere weise mängel und unfallschäden bekannt sind, mit „nein“ angekreuzt. das fahrzeug wies bei kauf eine laufleistung von 24.031 km auf. der erwerb des fahrzeugs wurde durch den kläger in höhe von 12.018,77 eur bei der w bank teilfinanziert. die finanzierungskosten betrugen 632,84 eur. 4bei dem streitgegenständlichen fahrzeug ist ein dieselmotor vom typ ea 189 eingebaut, den die beklagte entwickelt und hergestellt hat. dieser motor ist mit einer software ausgestattet, die, je nachdem, ob sich das fahrzeug auf einem prüfstand oder in realem fahrbetrieb befindet, unterschiedliche abgasreinigungsmodi in gang setzt. auf einem prüfstand wird im „modus 1“ eine hohe abgasrückführungsrate erzielt und ein entsprechend niedriger ausstoß von stickoxiden. im realen fahrbetrieb ist im „modus 0“ die abgasrückführungsrate niedriger. 5das kraftfahrtbundesamt ordnete mit bescheid vom 15.10.2015 den rückruf aller betroffenen fahrzeuge in abstimmung mit dem hersteller an. die betroffenen dieselfahrzeuge bekommen ein software-update. die technischen maßnahmen erfolgen in anbetracht der vielzahl an betroffenen fahrzeugen und der erforderlichen gesamtkoordination in abstimmung mit dem kraftfahrtbundesamt. nach dem update wird das fahrzeug nur noch im modus 1 betrieben. mit dem software-update wurde die abgasreinigung dergestalt programmiert, dass die abgasreinigung nur bei temperaturen zwischen 10 – 32 grad funktioniert. darüber und darunter findet keine abgasreinigung statt. auch wird die abgasreinigung ab einer höhe von 1000 m ausgeschaltet. 6das update wurde im fahrzeug des klägers aufgespielt. die prozessbevollmächtigten des klägers forderten die beklagte mit schreiben vom 01.06.2018 unter fristsetzung bis zum 15.06.2018 auf, an den kläger den mit der klage geltend gemachten schadensersatz abzüglich der gezogenen nutzungen zug um zug gegen herausgabe des fahrzeugs zu zahlen. 7der kläger hat sich der musterfeststellungsklage nicht angeschlossen und gedenkt auch nicht, dies künftig zu tun. die laufleistung betrug im zeitpunkt der mündlichen verhandlung 120.555 km. 8der kläger behauptet, der einbau der software sei mit wissen und wollen des vorstandes der beklagten erfolgt. aus der organisationsstruktur der beklagten werde deutlich, dass die täuschung hinsichtlich der software nur durch die höchsten ebenen des unternehmens veranlasst werden konnte. ein entsprechender entscheidungsprozess habe auf untergeordneten ebenen ohne anweisung, planung und genehmigung durch die unternehmensführung, insbesondere auch aufgrund der iso en 9001 zertifizierung der beklagten, nicht stattfinden können. zudem sei für ihn die vermeintliche umweltfreundlichkeit des fahrzeugs ein besonders wichtiges kaufargument gewesen. er habe keine kenntnis davon gehabt, dass der von ihm erworbene pkw ebenfalls von dem abgasskandal betroffen ist. 9der kläger ist der ansicht, er habe einen anspruch auf schadensersatz gem. §§ 826, 31, 249 bgb, §§ 823 abs. 2, 31 bgb i.v.m. § 263 stgb, § 823 abs. 2 i.v.m. § 27 eg-fgv und § 831 bgb. sein fahrzeug verfüge über keine gültige eg-typengenehmigung. sein schaden liege darin, dass ihm – anders als von der beklagten durch werbung, angaben in verkaufsdokumenten und aufstellern im verkaufsraum des händlers suggeriert – ein fahrzeug verkauft worden sei, das die voraussetzungen der euro-5-norm und damit die voraussetzungen für die eu-typengenehmigung und die zulassung nach deutschem recht ebenso wenig erfülle wie die voraussetzungen für die erteilung einer allgemeinen betriebserlaubnis. dies führe zu einem vermögensschaden, da ein solches fahrzeug weniger wert sei, als ein fahrzeug, das derartige mängel nicht aufweist. die beklagte müsse sich das wissen ihrer repräsentanten, die vorsätzlich gehandelt hätten, gem. § 31 bgb zurechnen lassen. ferner handele es sich um eine sittenwidrige schadenszufügung durch die beklagte. 10der kläger lässt sich nutzungsentschädigung, berechnet nach der laufleistung des fahrzeuges zum zeitpunkt der letzten mündlichen verhandlung anrechnen. ihm stehe daher gegen die beklagte ein anspruch auf schadensersatz aus §§ 311 abs. 2 nr. 3, abs. 3 bgb, § 826 bgb, § 823 abs. 2 i.v.m. § 263 stgb, § 823 abs. 2 bgb i.v.m. § 27 eg-fgv zu. 11der kläger beantragt, 121. die beklagte zu verurteilen, an den kläger 34.232,84 eur nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 16.06.2018 abzüglich einer im termin zu beziffernden nutzungsentschädigung zug-um-zug gegen rückgabe und übereignung des fahrzeugs mit der fahrgestellnummer wvgzzz5nzfw599037 zu zahlen. 132. festzustellen, dass sich die beklagte seit dem 16.06.2018 mit der rücknahme des im klageantrag zu 1 bezeichneten gegenstands in annahmeverzug befindet. 143. die beklagte zu verurteilen, die kosten der außergerichtlichen rechtsverfolgung in höhe von eur 1.698,13 nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 16.06.2018 zu zahlen. 15die beklagte beantragt, 16die klage abzuweisen. 17sie trägt vor, dass der kläger über den zustand des fahrzeugs bereits nicht habe getäuscht werden können. die abgasproblematik sei bei abschluss des kaufvertrags durch die unstreitige umfassende mediale berichterstattung und die am 22.09.2015 veröffentlichte ad-hoc-mitteilung bekannt gewesen, es sei unmöglich, an der berichterstattung vorbei zu kommen. das vermeintliche verschweigen kann für die kaufentscheidung daher nicht kausal geworden sein. mit dem software-update sei auch keine neue unzulässige abschalteinrichtung eingeführt worden. die reduzierung der abgasreinigung bei bestimmten außentemperaturen und einem bestimmten luftdruck sei notwendig, um das fahrzeug vor schäden zu schützen. eine entsprechende reduzierung sei üblich und nach den gesetzlichen vorschriften grundsätzlich nicht zu beanstanden. 18auch habe der kläger keinen schaden erlitten. der abschluss eines kaufvertrages allein stelle keinen ersatzfähigen schaden dar, da die empfangene leistung jederzeit für den klägerischen zweck – das fahren auf öffentlichen t2 – voll brauchbar gewesen sei. entscheidend sei, dass das fahrzeug stets technisch sicher und in seiner fahrbereitschaft nicht eingeschränkt gewesen sei. ein etwaiger schaden durch den ursprünglichen einbau der besagten software sei jedenfalls durch das aufspielen des updates beseitigt worden. ein softwarebedingter minderwert der fahrzeuge mit dem motortyp ea189 habe nicht nachgewiesen werden können. 19überdies habe sie nicht sittenwidrig gehandelt. der gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, dass es für die typengenehmigung auf die laborwerte und nicht auf den realbetrieb ankommt. da das fahrzeug nicht mangelhaft sei, habe sie den kläger auch nicht über die mangelfreiheit des fahrzeugs getäuscht. jedenfalls fehle es für eine haftung nach § 826 bgb an der besonderen verwerflichkeit. selbst bei einem verstoß gegen art. 5 abs. 2 i.v.m. art. 2 nr. 19 vo (eu) 715/2007 ergäbe sich keine besondere verwerflichkeit, weil die norm ausweislich der erwägungsgründe vorrangig der verbesserung der luftqualität diene. ein gebot der guten sitten gerade im verhältnis zum kläger lasse sich der verordnung nicht entnehmen. schließlich ergebe sich die fehlende sittenwidrigkeit ihres verhaltens aus der grundsätzlichen wertung von vertragsrecht und deliktischer haftung. so diene das merkmal der sittenwidrigkeit dazu, die wertungen des vertragsrechts vor ihrer nivellierung durch eine umfassende deliktshaftung zu bewahren. aufgrund der unerheblichkeit des vermeintlichen mangels sei jedenfalls eine rückabwicklung des kaufvertrages ausgeschlossen. überdies sei auch nicht von einem ihr zurechenbaren schädigungsvorsatzes auszugehen. der insoweit darlegungs- und beweisbelastete kläger habe nicht ausreichend substantiiert dazu vorgetragen, wer zu welchem zeitpunkt von dem einbau der software überhaupt kenntnis hatte. die voraussetzungen der sekundären darlegungslast seien nicht erfüllt. eine entsprechende darlegungsverpflichtung liefe auf eine unzulässige ausforschung hinaus. dass sie keine sekundäre darlegungslast treffe, werde zudem durch eine aktuelle entscheidung des bundesgerichtshofes bestätigt. unabhängig davon, habe sie dargelegt, dass sie ermittlungen zur entstehung der streitgegenständlichen software eingeleitet habe, die noch andauerten. nach dem aktuellen ermittlungsstand lägen keine erkenntnisse dafür vor, dass ein vorstandsmitglied im aktienrechtlichen sinne zum zeitpunkt des kaufvertragsschlusses von dem einsatz der software kenntnis gehabt habe. weiterer vortrag sei ihr derzeit nicht zumutbar. 20zum sach- und streitstand im übrigen wird auf die gewechselten schriftsätze nebst anlagen sowie auf das sitzungsprotokoll vom 10.07.2019 verwiesen. 21 | 22die klage ist zulässig und weitestgehend begründet. 23i. 24das landgericht düsseldorf ist gem. § 32 zpo örtlich zuständig. der prüfung ist insoweit der klägerische vortrag zugrunde zu legen (vgl. bgh, beschluss vom 25. märz 2014 – vi zr 271/13 - juris). der kläger hat unter anderem einen anspruch aus § 826 bgb schlüssig vorgetragen (dazu unten). der kläger ist die vertragliche verpflichtung in düsseldorf eingegangen. da bei § 826 bgb der eintritt des schadens zum tatbestand gehört, nicht lediglich zur rechtsfolgenseite, ist auch der ort des schadenseintritts begehungsort im sinne des § 32 zpo (schultzky, in: zöller, zpo, 32. auflage 2018, § 32 rn. 19). 25ii. 26die klage ist weitgehend, bis auf einen teil der geltend gemachten rechtsanwaltskosten, begründet. 27klageantrag zu 1. 281. die klage ist hinsichtlich der hauptforderung aus § 826 bgb i. v. m. § 31 bgb (analog) begründet. 29die beklagte hat dem kläger in einer gegen die guten sitten verstoßenden weise vorsätzlich schaden zugefügt. 30a. 31die schädigende handlung der beklagten liegt in dem inverkehrbringen – unter verschweigen der gesetzeswidrigen softwareprogrammierung – des streitgegenständlichen dieselmotors ea 189, dessen motorsteuerungssoftware so programmiert war, dass sie den betrieb des streitgegenständlichen fahrzeugs auf einem prüfstand im neuen europäischen fahrzyklus (nefz) erkannte und die abgasbehandlung in den sogenannten modus 1 versetzte. 32b. 33der kläger hat einen schaden erlitten. in unkenntnis der nicht gesetzeskonformen motorsteuerungssoftware hat der kläger einen kaufvertrag über das streitgegenständliche fahrzeug und damit einen für ihn – auch wirtschaftlich – nachteiligen vertrag abgeschlossen, da das fahrzeug jedenfalls nicht seinen (berechtigten) vorstellungen entsprach. 34(1) 35§ 826 bgb stellt hinsichtlich des schadens nicht auf die verletzung bestimmter rechte oder rechtsgüter ab. ein schaden i.s.v. § 826 bgb ist nicht nur jede nachteilige einwirkung auf die vermögenslage, sondern darüber hinaus jede beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten interesses (bgh, urt. v. 19.07.2004 – ii zr 402/02, bghz 160, 149-159, rn. 41). es genügt jede schadenszufügung im weitesten sinne, also jede nachteilige einwirkung auf die vermögenslage in ihrer gesamtheit (lg offenburg, urt. v. 12.05.2017 – 6 o 119/16 m.w.n.). danach stellt auch der abschluss eines geschäfts, welches nicht den zielen des geschädigten entspricht, einen schaden im rahmen des § 826 bgb dar, ohne dass es darauf ankäme, ob die erhaltene leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der gegenleistung zurückbleibt (vgl. bgh, urt. v. 19.07.2004 – ii zr 402/02, bghz 160, 149-159, rn. 41; bgh, urt. v. 28.10.2014 – vi zr 15/14, rn. 17 ff., juris; bgh, urt. v. 03. dezember 2013 – xi zr 295/12, rn. 27, juris; harke, vur 2017, 83, 90). 36(2) 37der schaden des klägers liegt bereits darin, dass er ein mangelhaftes fahrzeug erworben hat, das mithin kein gleichwertiges äquivalent zum gezahlten kaufpreis darstellt. das streitgegenständliche fahrzeug ist mangelhaft. es weist angesichts der softwaremanipulation keine beschaffenheit auf, die bei sachen gleicher art üblich ist und die der käufer nach der art der sache erwarten darf. ein käufer eines solchen fahrzeugs kann davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen datenblatt aufgenommenen abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der prüfstandlauf erkannt und über entsprechende programmierung der motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger weise insbesondere der stickoxidausstoß reduziert wird. insoweit resultiert die mangelhaftigkeit nicht etwa daraus, dass die unter laborbedingungen (prüfstandlauf) gemessenen werte im alltäglichen t-t3 nicht eingehalten werden, sondern basiert darauf, dass der motor die vorgaben im prüfstandlauf nur aufgrund der manipulierten software einhält (so z.b. auch lg münster, urt. v. 14.03.2016 – 11 o 341/15). 38die von der beklagten eingebaute software ist gesetzeswidrig, da es sich um eine verbotene abschalteinrichtung gem. art. 5 vo (eg) 715/2007 handelt (vgl. bgh, beschluss vom 8.1.2019 – viii zr 225/17). das insoweit von der beklagten angeführte gegenargument, es liege keine abschalteinrichtung vor, da das abgasrückführungssystem nicht zu dem in der verordnung genannten emissionskontrollsystem gehöre, greift nicht durch. das europäische recht ist nach seinem sinn und zweck auszulegen. nach der präambel (insbes. ziffer 5 und 6) wird deutlich, dass die verordnung zur verbesserung der luftqualität und zur einhaltung der luftverschmutzungsgrenzwerte beitragen soll, wozu insbesondere eine erhebliche minderung der stickstoffoxidemissionen bei dieselfahrzeugen erforderlich sei. es ist nicht erkennbar, warum der gesetzlich nicht definierte begriff des emissionskontrollsystems nur die abgasnachbehandlung, nicht jedoch die abgasrückführung umfassen sollte, wie es die beklagte annimmt (vgl. lg offenburg, urteil v. 12.05.2017 - 6 o 119/16). bei verständiger auslegung muss die von der beklagten installierte programmierung als abschalteinrichtung angesehen werden. sie setzt die zu einem geringeren stickoxidausstoß führende, ausschließlich für den prüfstand bestimmte programmierung der motorsteuerung im modus 1 für den fahrbetrieb auf der t3 außer kraft mit der folge, dass der stickoxidausstoß im fahrbetrieb auf der t3 höher ist als auf dem prüfstand. umgekehrt wird die im normalen fahrbetrieb wirksame programmierung etwa für die abgasrückführung auf dem prüfstand außer kraft gesetzt, indem die motorsteuerung den sogenannten modus 0, nämlich den betriebszustand für den normalen fahrbetrieb auf der t3, zu gunsten eines ausschließlich für den prüfstandbetrieb bestimmten modus abschaltet. dies gilt unabhängig davon, ob tatsächlich eine einwirkung auf das emissionskontrollsystem vorhanden ist oder aber lediglich eine einwirkung auf einen innermotorischen vorgang erfolgt. schon die testzykluserkennung in verbindung mit einer ausschließlich im testzyklus erfolgenden einwirkung auf die abgasrückführung dürfte ein verstoß gegen das verbot von abschalteinrichtungen darstellen. zudem liegt auf der hand, dass auch eine schadstoffmessung auf dem prüfstand nur sinnvoll ist und einen vergleich von fahrzeugen verschiedener hersteller ermöglicht, wenn das zu testende fahrzeug gerade hinsichtlich der abgasbehandlung dem zustand entspricht, der auch auf der t3 gegeben ist, da ansonsten manipulationen jedweder art tür und tor geöffnet würden und eine vergleichbarkeit selbst unter den dem realen fahrbetrieb fernen, genormten prüfstandbedingungen nicht mehr herzustellen wäre. eine ausschließlich auf den testzyklus zugeschnittene programmierung der abgasbehandlung muss deshalb als unzulässige umgehung der einschlägigen vorschriften angesehen werden (vergl. auch lg hildesheim, urteil v. 17.01.2017 - 3 o 139/16). 39unabhängig davon, ob es sich um eine gesetzeswidrige abschalteinrichtung handelt, führt die streitgegenständliche software zu (weiteren) erheblichen nachteilen für den kläger. die abgaswerte entsprechen nicht jenen, die er aufgrund der fahrzeugbeschreibung und der gesetzlichen grenzwerte erwarten durfte. zwar dürfte der kläger insoweit davon ausgegangen sein, dass die bekanntermaßen unter laborbedingungen ermittelten werte im alltagsbetrieb regelmäßig nicht erreicht werden können. er erwartet jedoch nicht, dass diese normale abweichung durch den einsatz einer software noch einmal vergrößert wird. darüber hinaus musste der kläger nicht davon ausgehen, dass er seinen wagen einem software-update unterziehen muss, um nicht zu riskieren, dass ihm die betriebserlaubnis entzogen wird. 40ob das zwischenzeitlich aufgespielte software-update dazu geführt hat, dass die gesetzlich vorgeschriebenen abgaswerte nunmehr eingehalten werden, ohne dass das update womöglich zu neuen anderweitigen beeinträchtigungen des fahrzeugs geführt hat, kann im rahmen der haftung nach § 826 bgb dahinstehen, weil der durch die täuschung der beklagten bedingte ungewollte vertragsschluss hierdurch nicht nachträglich zu einem gewollten vertragsschluss würde (so auch lg krefeld, urt. v. 19.07.2017 – 7 o 147/16, beckrs 2017, 117776). der schadensbegriff des § 826 bgb ist weiter als der sachmangelbegriff des § 434 bgb. während die sachmangelgewährleistung der beseitigung von leistungsstörungen dient, zielt der tatbestand des § 826 bgb auf einen schutz auch der wirtschaftlichen dispositionsfreiheit ab (bgh, njw-rr 2005, 611; njw-rr 2015, 275). der schadensbegriff des § 826 bgb hat insoweit einen subjektiven einschlag (wagner, in: müko, bgb, 7. aufl. 2017, § 826 bgb, rn. 42). entscheidend ist danach nicht, wie der vertragsschluss nach objektiven kriterien zu bewerten sein mag, sondern, dass der kläger den vertrag bei kenntnis der wahren sachlage nicht geschlossen hätte. davon abgesehen bestehen infolge der unterschiedlichen öffentlichen verlautbarungen zu den wirkungen des updates derzeit aber auch objektiv zumindest unsicherheiten hinsichtlich der wirkungen des updates (vgl. hierzu ausführlich legner, vur 2018, 251 mit verweis auf verschiedene stimmen, welche software-updates zur beseitigung des erhöhten stickoxidausstoßes als nicht ausreichend betrachten, sondern eine nachrüstung der motoren fordern). solche unsicherheiten mögen zur darlegung eines fortbestehenden sachmangels im sinne des § 434 bgb nicht ausreichen, die annahme eines schadens im sinne des § 826 bgb rechtfertigen sie indessen. 41darüber hinaus musste der kläger auch nicht davon ausgehen, dass mit dem zur beseitigung der unzulässigen abschalteinrichtung aufgespielten software-update zugleich eine neue abschalteinrichtung aufgespielt wird. es ist zwischen den parteien unstreitig, dass die beklagte mit dem software-update die abgasreinigung dergestalt programmiert hat, dass die abgasreinigung nur bei außentemperaturen zwischen 10 – 32 grad einsetzt und unter und oberhalb dieses temperaturbereichs ausgeschaltet ist. ferner setzt die abgasreinigung nur bis zu einer höhe von 1000 m ein. die installation eines solchen „thermofensters“ stellt nach auffassung des gerichts eine weitere unzulässige abschalteinrichtung im sinne von art. 5 abs. 2 s. 1 der vo 715/2007/eg dar. wie bereits zuvor ausgeführt, liegt eine unzulässige abschalteinrichtung vor, da auch das abgasrückführungssystem bei verständiger und sachgerechter auslegung orientiert an den in den erwägungsgründen der vo 715/2007/eg aufgeführten zielen als bestandteil des emissionskontrollsystems anzusehen ist. unstreitig wird die funktion des emissionskontrollsystems in abhängigkeit von bestimmten außentemperaturen verändert, so dass ein das installierte thermofenster eine abschalteinrichtung im sinne des art. 3 nr. 10 vo 715/2007/eg darstellt. insoweit wird vollumfänglich auf die insoweit überzeugenden ausführungen des landgerichts stuttgart im urteil vom 17.01.2019 – 23 o 172/18, beckrs 2019, 271 ff. verwiesen. 42dass das kba dieses thermofenster mit der freigabe des software-updates nicht als unzulässige abschalteinrichtung gem. art. 5 abs. 2 s. 1 der vo 715/2007/eg eingestuft hat, steht dem nicht entgegen, da die frage, ob eine abschalteinrichtung unzulässig ist oder nicht, eine rechtsfrage darstellt, die von den gerichten zu prüfen und zu beantworten ist. das von der beklagten mit dem software-update ausgespielte thermofenster erfüllt nach auffassung des gerichts nicht die anforderungen der verordnung 715/2007/eg. gemäß art. 5 abs. 1 der vo 715/2007/eg ist der hersteller verpflichtet das fahrzeug so auszurüsten, dass die bauteile, die das emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so zu konstruieren, dass das fahrzeug unter normalen betriebsbedingungen dieser verordnung entspricht. gemäß art. 5 absatz 1 s. 1 der vo 715/20177eg sind abschalteinrichtungen, die die wirkung von emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. eine ausnahme ist nur dann zulässig, wenn die einrichtung notwendig ist, um den motor vor beschädigungen zu schützen. der bgh hat in seinem beschluss vom 8.1.2019 (viii zr 225/17) darauf hingewiesen, dass die ausnahmevorschrift des art. 5 abs. 2 s. 2 der vo 715/2007/eg eng auszulegen ist. dass die abschalteinrichtung zum schutz des motors notwendig ist, hat die beklagte schon nicht im einzelnen dargelegt. der vortrag der beklagten erschöpft sich darin, dass das thermofenster mit der korrektur der abgasrückführungsrate dem schutz der bauteile des abgasrückführungssystems einschließlich des abgasrückführungsventils vor versottung und verrußung dient (klageerwiderungsschriftsatz vom 21.11.2018, seite 36, bl. 115 d.a.). das abgasrückführungssystem ist jedoch nicht bestandteil des motors, so dass nach auffassung des gerichts bereits erhebliche zweifel bestehen, ob der anwendungsbereich der ausnahmevorschrift des art. 5 abs. 2 s. 2 der vo 715/2007/eg überhaupt eröffnet ist. denn die beklagte trägt in erster linie vor, dass das thermofenster zum schutz der bauteile des abgasrückführungssystems erforderlich sei. einer etwaig infolge einer versottung des abgasrückführungsventils eintretenden schädigung des motors als folgeschaden dürfte nach auffassung des gerichts bereits nicht mehr von dem anwendungsbereich der eng auszulegenden ausnahmevorschrift des art. 5 abs. 2 s. 2 der vo 715/2007/eg erfasst sein, da nahezu jedes bauteil in einem kraftfahrzeug mittelbar auswirkungen auf den motor haben kann. darüber hinaus dürfte nach auffassung des gerichts auch ohne thermofenster einer etwaigen schädigung des motors infolge einer beschädigung von bauteilen des abgasrückführungssystems bereits dadurch entgegengewirkt werden können, dass die entsprechenden serviceintervalle betreffend des abgasrückführungssystems erhöht werden und die von einer versottung und verrußung betroffenen bauteile regelmäßig ersetzt werden. eine abschalteinrichtung kann nach auffassung des gerichts aber nur dann als zulässig in betracht kommen, wenn keine andere technische lösung denkbar ist, sei sie auch noch so teuer (vgl. auch lg stuttgart, a.a.o.). darüber hinaus ist nach auffassung des gerichts für die anwendung der ausnahmevorschrift des art. 5 abs. 2 s. 2 der vo 715/2007/eg bereits dann kein raum, wenn ein bauteil so konstruiert ist, dass zum schutz des motors bei den in hiesigen breitengraden an mehr als 6 monaten regelmäßig vorherrschenden temperaturen - wo selbst in kühleren sommernächten temperaturen von unter 10 grad nicht ungewöhnlich sind - und somit regelmäßig bei solchen betriebsbedingungen, die bei normalem, bestimmungsgemäßen gebrauch eines personenkraftwagens typischerweise vorliegen, eine abschalteinrichtung eingreifen muss (vgl. lg stuttgart, urteil vom 17.01.2019 – 23 o 172/18). denn eine solche ausweitung des anwendungsbereichs einer ausnahmevorschrift würde zu einer umkehr, zumindest aber zum gleichlauf, des regel-ausnahme-verhältnisses führen und somit den zielen der verordnung, eine verbesserung der luftqualität herbeizuführen und zur einhaltung der luftverschmutzungswerte eine minderung der stickstoffemissionen bei dieselfahrzeugen herbeizuführen (erwägungsgrund 6 der vo 715/2007/eg) widersprechen und diametral entgegenstehen. 43c. 44die schädigende handlung ist der beklagten auch nach § 31 bgb (analog) zuzurechnen. die haftung einer juristischen person setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener vertreter im sinne des § 31 bgb den objektiven und subjektiven tatbestand des § 826 bgb verwirklicht hat (bgh, urt. v. 28.6.2016 – vi zr 536/15). es ist hier insbesondere auch vor dem hintergrund der erfolgten zertifizierung der beklagten nach din 9001 davon auszugehen, dass der einbau der software mit wissen und wollen des seinerzeitigen vorstands der beklagten erfolgte und somit der beklagten zurechenbar ist. jedenfalls würde die etwaige mangelnde kenntnis des vorstandes aber auf einem gravierenden organisationsverschulden beruhen, das dazu führt, dass diesem die kenntnis der ausführenden zuzurechnen ist. 45(1) 46da die beklagte ihrer sekundären darlegungslast nicht nachgekommen ist, ist der diesbezügliche klägerische vortrag gemäß § 138 abs. 3 zpo als zugestanden zu behandeln. es ist davon auszugehen, dass der einbau der software seinerzeit vom vorstand angeordnet oder zumindest von diesem befürwortet worden ist (lg hildesheim, urt. v. 17.01.2017 – 3 o 139/16). 47die beklagte trifft insoweit eine sekundäre darlegungslast, der sie nicht nachgekommen ist. 48eine sekundäre darlegungslast besteht, wenn der beweisbelasteten partei näherer vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während die bestreitende partei alle wesentlichen tatsachen kennt und es ihr zumutbar ist, nähere angaben zu machen. der gegner der (primär) darlegungspflichtigen partei darf sich nicht auf ein einfaches bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige partei außerhalb des von ihr darzulegenden geschehensablaufs steht und keine nähere kenntnis der maßgebenden tatsachen besitzt, während der prozessgegner sie hat und ihm nähere angaben zumutbar sind (bghz 140, 156, 158 f, juris). diese voraussetzungen sind hier erfüllt. 49der kläger hat substantiiert genug unter benennung der personen der beklagten, die ihrer auffassung nach kenntnis von der manipulation der motorsteuerungssoftware hatten und das inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter motoren veranlasst haben, vorgetragen. der kläger hat keinen einblick in die internen entscheidungsvorgänge bei der beklagten und ist insoweit auf veröffentlichungen der medien und auf rückschlüsse und vermutungen angewiesen. 50demgegenüber hat die beklagte selbstverständlich die möglichkeit, die in ihrem unternehmen im zusammenhang mit der programmierung und implementierung der streitgegenständlichen software abgelaufenen vorgänge und entscheidungsprozesse darzulegen. sie hatte darzulegen, wie es zu der planung und dem einbau der software ohne kenntnis des vorstands gekommen ist. der vortrag der beklagten, dass die ermittlungen, welche u.a. durch externe kanzleien geführt würden, noch andauern würden und bisher keine erkenntnisse dafür vorlägen, dass vorstandsmitglieder von der streitgegenständlichen software kenntnis hatten oder ihre entwicklung veranlasst hätten, reicht insoweit nicht aus. die beklagte trägt schon nicht vor, woraus sich im einzelnen ihre einschätzung ergibt, die bisherigen untersuchungen hätten keine anhaltspunkte für eine kenntnis des vorstands ergeben. angesichts des zeitablaufs seit dem öffentlichen bekanntwerden der softwaremanipulation ist der vortrag, die beklagte habe das ihr mögliche und zumutbare unternommen, um den behauptungen des klägers entgegenzutreten, unzureichend. zu einer substantiierten darlegung durch die beklagte hätte umso mehr anlass bestanden, als es sich bei der einführung einer manipulierten motorsteuerungssoftware um eine wesentliche strategische entscheidung mit enormer wirtschaftlicher reichweite und – wie die wirtschaftlichen folgen des sogenannten abgasskandals zeigen – ebenso großen risiken handelt, bei der kaum anzunehmen ist, dass sie von einzelnen am unteren ende der betriebshierarchie angesiedelten entwicklern in eigener verantwortung getroffen worden ist (vgl. lg hildesheim, urt. v. 17.01.2017 – 3 o 139/16). der motor ist das "herzstück" des fahrzeugs. es erscheint insbesondere auch vor dem hintergrund der seit dem jahr 2008 bestehenden zertifizierung der beklagten nach din 9001 fernliegend, dass der millionenfache einbau der software ohne wissen und wollen des vorstandes erfolgen konnte (so auch lg arnsberg, urt. v. 14.06.2017 – 1 o 25/17 m.w.n., lg osnabrück, urt. v. 28.06.2017 – 5 o #####/#### m.w.n.; lg kleve, urt. v. 31.03.2017 – 3 o 252/16). 51(2) 52darüber hinaus wird der anwendungsbereich des § 31 bgb bei organisationsmängeln erweitert (palandt/ellenberger, bgb, 76. aufl. 2017, § 31 rn. 7). juristische personen sind verpflichtet, den gesamtbereich ihrer tätigkeit so zu organisieren, dass für alle wichtigen aufgabengebiete ein verfassungsmäßiger vertreter zuständig ist, der die wesentlichen entscheidungen selbst trifft. entspricht die organisation diesen anforderungen nicht, muss sich die juristische person so behandeln lassen, als wäre der tatsächlich eingesetzte verrichtungsgehilfe ein verfassungsmäßiger vertreter (bgh, urt. v. 08.07.1980 – vi zr 158/78 = njw 1980, 2810). der einbau der in rede stehenden software in millionen von fahrzeugen nicht nur in europa stellt, wie ausgeführt, eine wesentliche entscheidung mit großer wirtschaftlicher bedeutung für die beklagte dar. hat nicht der vorstand diese weitreichende entscheidung getroffen, sondern – wie von der beklagten vorgetragen – mitarbeiter unterhalb der vorstandsebene auf nachgeordneten arbeitsebenen, muss sich die beklagte so behandeln lassen, als wären diese mitarbeiter ihre verfassungsmäßigen vertreter (vgl. lg essen, urt. v. 28. august 2017 – 4 o 114/17). 53(3) 54aus dem urteil des bundesgerichtshofs vom 28. juni 2016 (vi zr 536/15) zur sittenwidrigen schädigung bei der beteiligung an einer fondsgesellschaft folgt kein anderes ergebnis. zur sekundären darlegungslast verhält sich das urteil nicht. aus dem urteil ergibt sich, dass im rahmen des § 826 bgb der sittenverstoß und der schädigungsvorsatz bei juristischen personen nicht aus der mosaikartigen zusammensetzung von auf verschiedene personen verteilten wissens- und wollenselementen konstruiert werden können. darauf kommt es hier nicht entscheidungserheblich an. aufgrund des unzureichenden bestreitens der beklagten gilt der klägerische vortrag als zugestanden, dass ein oder mehrere vorstandsmitglieder der beklagten von dem gesamten sachverhalt kenntnis hatten und dass der softwareeinbau mit ihrem wissen und wollen erfolgte. 55darüber hinaus verhält sich die entscheidung, in der es um eine einzige aussage in einem prospekt ging, nicht zu einem organisationsverschulden. es sind aus der entscheidung auch keinerlei anhaltspunkte dafür ersichtlich, ob ein organisationsverschulden vorlag. 56d. 57es handelt sich zudem um eine sittenwidrige schädigung des klägers durch die beklagte. 58(1) 59in objektiver hinsicht kommt es insoweit darauf an, ob das verhalten der beklagten dem anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden widersprach. dies ist zu bejahen. die beklagte hat in großem umfang und mit erheblichem technischem aufwand im eigenen profitinteresse zentrale gesetzliche umweltschutzvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre kunden und fahrzeugerwerber getäuscht. sie hat dabei nicht einfach nur gesetzliche abgaswerte außer acht gelassen, sondern mit der abschalteinrichtung zugleich ein system zur planmäßigen verschleierung ihres vorgehens gegenüber den aufsichtsbehörden und den verbrauchern geschaffen (lg offenburg, urt. v. 12.05.2017 – 6 o 119/16). zudem gilt der grundsatz, dass eine bewusste täuschung zur herbeiführung eines vertragsschlusses regelmäßig bereits die sittenwidrigkeit begründet (bgh, urt. v. 21.12.2004 – vi zr 306/03, bghz 161, 361-371, rn. 13; bgh, urt. v. 28.06.2016 – vi zr 536/15, rn. 22). eine solche täuschung liegt auch für in dem hier vorliegenden fall vor. die beklagte hat mit dem inverkehrbringen des manipulierten motors stillschweigend erklärt, dass dieser den gesetzlichen vorschriften genügt, was tatsächlich nicht der fall ist. dieser erklärungswert ihres verhaltens und das entsprechende verständnis der fahrzeugerwerber kann ihr auch nicht verborgen geblieben sein, so dass es sich um eine bewusste täuschung handelt (vgl. lg offenburg, urt. v. 12.05.2017 – 6 o 119/16). nach auffassung der kammer und entgegen der vom olg köln vertretenen auffassung (urteil vom 06.06.2019 – 24 u 5/19) reicht allein der umstand, dass die beklagte im zeitpunkt des vertragsschlusses bereits mit den zuständigen behörden und dem deutschen kraftfahrtbundesamtes in kontakt stand, nicht aus, die einmal eingetretene objektive sittenwidrigkeit ihres verhaltens, dass in dem inverkehrbringen des streitgegenständlichen motors unter verschweigen des einsatzes einer gesetzeswidrigen abschalteinrichtung liegt, zu beseitigen. die ad-hoc mitteilung der beklagten vom 22.9.2015 war ebenfalls nicht geeignet, die bereits eingetretene objektive sittenwidrigkeit des inverkehrbringens des motors ea 189 zu beenden. aus der ad-hoc mitteilung der beklagten wird bereits nicht deutlich, dass eine gesetzeswidrige abschalteinrichtung eingesetzt wurde, die beklagte spricht dort nur von auffälligkeiten, zum anderen werden dort die betroffenen fahrzeuge nicht benannt. auch richtet sich die ad-hoc mitteilung an die kapitalanleger und damit an einen völlig anderen adressatenkreis. darüber hinaus bestreitet die beklagte bis heute, dass sie der streitgegenständliche motor eine unzulässige und gesetzeswidrige abschalteinrichtung enthält. insgesamt ist das bisherige verhalten der beklagten seit september 2015 nicht geeignet, die einmal eingetretene objektive sittenwidrigkeit ihres verhaltens zu beseitigen. 60darüber hinaus stellt die implementierung einer neuerlichen unzulässigen abschalteinrichtung durch aufspielen des software-updates, ohne die öffentlichkeit darüber zu informieren, ein neuerliches, besonders verwerfliches verhalten dar. 61(2) 62hinzutreten zu der objektiven sittenwidrigkeit muss eine besondere verwerflichkeit des verhaltens, die sich aus dem verfolgten ziel, den eingesetzten mitteln, der zu tage tretenden gesinnung oder den eintretenden folgen ergeben kann. das gewinnstreben um den preis der bewussten täuschung von verbrauchern und behörden ist als verwerflich zu betrachten. gerade für den kläger als laien auf dem gebiet der automotoren war es keinesfalls möglich, die täuschung aufzudecken. überdies handelt es sich bei dem kauf eines pkws für viele verbraucher um eine nicht unerhebliche wirtschaftliche entscheidung. die beklagte hat die ahnungslosigkeit der verbraucher zu ihrem eigenen vorteil ausgenutzt. etwas anderes gilt auch nicht in dem hier vorliegenden fall, in dem der kläger das fahrzeug erst nach der medialen berichterstattung erworben hat. entgegen der vom olg köln im urteil vom 6.6.2019 (24 u 5/59) vertretenen auffassung besteht die besondere verwerflichkeit des verhaltens der beklagten auch nach dem bekanntwerden des abgasskandals fort. ihr verhalten ist nicht geeignet, die einmal eingetretene besondere verwerflichkeit zu beseitigen. nach auffassung der kammer ist es nicht ausreichend, dass die beklagte seit der aufdeckung der unregelmäßigkeiten mit den zuständigen behörden zusammenarbeitet und möglicherweise eine homepage freigeschaltet hat, auf der sich kunden über die betroffenheit ihres fahrzeugs informieren können. denn dies setzt voraus, dass den jeweiligen potentiellen neukunden die fin nummer bekannt ist, denn ohne eingabe dieser nummer kann die betroffenheit eines fahrzeugs nicht festgestellt werden. dies hätte nach auffassung der kammer ein positives tätigwerden gegenüber den potentiellen neukunden bedurft, sei es durch konkrete pressemitteilungen betreffend aller betroffener marken und fahrzeugen des konzern, die in allgemein zugänglicher form, z.b. auch durch aushänge in autohäusern oder aber durch anweisung an die händler, auf die betroffenheit eines zum kauf angebotenen fahrzeugs konkret hinzuweisen. die beklagte hat im vorliegenden fall nicht dargelegt, wann und in welcher form sie potentielle neue kunden konkret darüber informiert hat, dass und welche fahrzeugtypen von welchen marken mit welchen motorenzeichnungen von der eingesetzten software betroffen sind. diese verpflichtung hätte im streitgegenständlichen fall insbesondere auch deshalb bestanden, da die beklagte nach dem vortrag des klägers in seiner informatorischen anhörung durch das gericht gem. § 141 zpo vorgetragen hat, dass die beklagte selbst erstzulasserin und voreigentümerin des von dem kläger erworbenen fahrzeugs war. darüber hinaus bestreitet die beklagte – auch durch pressemitteilungen, die in überregional zugänglichen medien veröffentlicht werden - betreffend obergerichtliche entscheidungen zugunsten der beklagten fortwährend, dass es sich bei der eingesetzten software überhaupt um eine gesetzeswidrige abschalteinrichtung handelt. unter berücksichtigung der gesamtumstände ist das bisherige verhalten der beklagten auch nach dem bekanntwerden des „abgaskandals“ und die implementierung einer weiteren abschalteinrichtung durch das software-update ohne information der öffentlichkeit nicht geeignet, die einmal eingetretene besondere verwerflichkeit des verhaltens zu beseitigen. 63(3) 64in subjektiver hinsicht ist nicht das bewusstsein der sittenwidrigkeit erforderlich, es genügt bereits die kenntnis der sie begründenden umstände. eine solche kenntnis ist beim vorstand der beklagten zu bejahen. 65e. 66die sittenwidrige schädigung war auch kausal für die kaufentscheidung des klägers. der kläger hat im rahmen seiner informatorischen anhörung gem. § 141 zpo substantiiert und für das gericht nachvollziehbar im einzelnen geschildert, inwieweit er von dem abgasskandal kenntnis genommen hat und auf welcher grundlage er seine kaufentscheidung getroffen hat. vor dem hintergrund seiner plausiblen und nachvollziehbaren schilderung steht für das gericht fest, dass die fehlende betroffenheit des von ihm erworbenen fahrzeugs vom abgasskandal grundlage seiner kaufentscheidung und somit für den vertragsschluss kausal war. die beklagte hat den vortrag des klägers nicht substantiiert bestritten, sie ist diesem vortrag vielmehr nicht mehr entgegengetreten, so dass der sachvortrag des klägers insoweit als unstreitig zu werten ist (zöller, zpo, 32. auflage 2018, § 141 rn. 1a).der kläger hat plausibel dargelegt, dass er den streitgegenständlichen pkw gerade deshalb erworben hat, da er seinen vom abgasskandal betroffenen pkw tiguan, baujahr 2008 aufgrund des abgasskandals nicht mehr weiterfahren und statt dessen ein neues, sauberes fahrzeug erwerben wollte, dass technisch dem neusten stand entspricht. dass der kläger seinerseits vor vertragsschluss, obwohl er von dem abgasskandal aus eigener betroffenheit kenntnis hatte, nicht nach einer betroffenheit des konkret von ihm erworbenen fahrzeugs vom abgasskandal gefragt hat, bedeutet im umkehrschluss auch nicht, dass ihm eine etwaige betroffenheit des von ihm erworbenen fahrzeugs egal war. denn weder im verkaufsgespräch noch in der beschreibung des fahrzeugs wurde der kläger darauf hingewiesen, dass auch das streitgegenständliche fahrzeug mit baujahr 2015 vom dieselskandal betroffen ist. daraus wurde dem kläger nach seinen ausführungen im termin durch den verkäufer mitgeteilt, dass der von ihm erworbene pkw aufgrund der fortentwicklung der motorenqualität die euro norm 5 plus einhalte und damit der motor auf dem neuesten stand sei. dieses verhalten ist nach auffassung des gerichts insbesondere auch vor dem hintergrund, dass der verkäufer in dem kaufvertragsformular bei der frage, ob dem verkäufer auf andere weise mängel und unfallschäden bekannt sind, dass antwortfeld „nein“ angekreuzt hat, geeignet, bei dem kläger die vorstellung hervorzurufen, dass keine betroffenheit des fahrzeugs vom abgasskandal vorliegt. insoweit wurde nach auffassung des gerichts durch die schriftliche erklärung über das nichtvorhandensein von mängeln und der fehlenden aufklärung durch die beklagte als voreigentümerin ein besonderer vertrauenstatbestand auf seiten des klägers begründet, so dass er auf die nichtbetroffenheit des streitgegenständlichen fahrzeugs vom abgasskandal – selbst wenn man eine nachfrageobliegenheit bei kaufverträgen über gebrauchte fahrzeuge des volkswagenkonzern, die nach september 2015 geschlossen wurde, bejahen sollte - auch ohne explizites nachfragen ausgehen durfte. dies gilt umso mehr, als die beklagte selbst erzulasserin und voreigentümerin des pkw war. 67hatte der kläger aber keinen objektiven verdacht, dass das von ihm erworbene fahrzeug vom abgasskandal betroffen sein könnte, ist nach den obigen ausführungen insbesondere die gesetzesmäßigkeit eines fahrzeugs für die kaufentscheidung von bedeutung, ohne dass es darauf ankommt, ob im verkaufsgespräch konkrete äußerungen hierüber getroffen wurden (so auch lg arnsberg, urt. v. 14.06.2017 – 1 o 25/17 m.w.n.; lg osnabrück, urt. v. 28.06.2017 – 5 o #####/#### m.w.n.; lg kleve, urt. v. 31.03.2017 – 3 o 252/16). 68darüber hinaus wertet das gericht das von der beklagten mit dem software-update aufgespielte thermofenster, nach dem die abgasreinigung nur bei außentemperaturen zwischen 10 – 32 grad und bis zu einer höhe von 1000 m einsetzt als weitere unzulässige abschalteinrichtung im sinne von art. 5 abs. 2 s. 1 der vo 715/2007/eg (vgl. lg stuttgart, urteil vom 17.01.2019 – 23 o 172/18, beckrs 2019, 271, 271 ff.). insoweit wird auf die obigen ausführungen verwiesen. insoweit konnte der kläger – selbst wenn er einen objektiven verdacht gehabt hätte, dass das von ihm erworbene fahrzeug mit einer abschalteinrichtung ausgestattet sein könnte - davon ausgehen, dass die vorhandene unzulässige abschalteinrichtung durch eine andere unzulässige abschalteinrichtung ersetzt wird. 69f. 70eine haftung der beklagten aus § 826 bgb scheidet auch nicht deshalb aus, weil die verordnung eg nr. 715/2007 nicht dem schutz individueller vermögensinteressen, sondern gesamtgesellschaftlichen zielen dient. die haftung aus § 826 bgb hängt gerade nicht davon ab, unter verstoß gegen welche normen der schädiger gehandelt hat. 71g. 72rechtsfolge der gegen die guten sitten verstoßenden vorsätzlichen schädigung ist ein anspruch der klägerin auf schadensersatz. 73aa. 74die beklagte hat den kläger so zu stellen, wie er ohne die täuschung über die nicht gesetzeskonforme motorsteuerungssoftware gestanden hätte. es ist davon auszugehen, dass der kläger bei kenntnis des sachverhalts und der damit verbundenen risiken für den fortbestand der betriebserlaubnis den kaufvertrag über das streitgegenständliche fahrzeug nicht abgeschlossen hätte. die beklagte muss danach die wirtschaftlichen folgen des kaufs dadurch ungeschehen machen, dass sie den kaufpreis erstattet. 75bb. 76auf den zurückzuerstattenden kaufpreis in höhe von 33.600,00 eur hat sich der kläger nach den grundsätzen der vorteilsausgleichung jedoch eine entschädigung für die durch ihn erfolgte nutzung des fahrzeugs anrechnen zu lassen. das fahrzeug wies im zeitpunkt der letzten mündlichen verhandlungen eine laufleistung von 120.555 km auf. die kammer schätzt die gesamtlaufleistung des fahrzeuges auf mindestens 250.000 km (vgl. olg düsseldorf, njw-rr 2008, 1199). der kläger hat mit dem fahrzeug 96.524 km zurückgelegt, da der kilometerstand bei vertragsschluss 24.031 km betrug. für den gebrauchsvorteil muss er daher einen nutzungsersatz von 14.352,44 eur (bruttokaufpreis x gefahrene km / verbleibende gesamtlaufleistung bei erwerb) leisten. zusätzlich sind dem kläger als schaden auch die finanzierungskosten in höhe von 632,84 eur zu erstatten 77h. 78die kläger hat ferner anspruch auf zahlung von verzugszinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 16.06.2018 gemäß §§ 286, 288 abs. 1 bgb. mit ablauf der mit anwaltlichem schriftsatz vom 1.6.2018 bis zum 15.06.2018 gesetzten frist befand sich die beklagte im schuldnerverzug. 79klageantrag zu 2. 80die beklagte befindet sich seit dem 16.06.2018 mit der rücknahme des fahrzeugs im annahmeverzug gemäß § 293 bgb. das wörtliche angebot auf leistung gemäß § 295 bgb war ausreichend, um den annahmeverzug auszulösen, da die beklagte keine bereitschaft angezeigt hat, dem begehren des klägers zu entsprechen und die leistung, d.h. die übergabe und übereignung des streitgegenständlichen fahrzeuges, anzunehmen. vielmehr war im juni 2018 offenkundig, dass die beklagte das streitgegenständliche fahrzeug nicht freiwillig zurücknehmen werde. damit wäre ein darüber hinausgehendes angebot bloße förmelei. 81klageantrag zu 3. 821. 83der anspruch auf erstattung der außergerichtlichen anwaltskosten folgt aus § 826 bgb. die anwaltskosten sind teil des dem kläger entstandenen schadens. der kläger durfte sich angesichts der komplexität der sach- und rechtslage zur geltendmachung seiner ansprüche vorgerichtlicher anwaltlicher unterstützung bedienen (vgl. grüneberg, in palandt, bgb, 77. aufl., § 249, rz. 57). 84der höhe nach kann der kläger die anwaltskosten aber nur nach einem zutreffenden gegenstandswert von 19.880,40 eur und einer 1,3 gebühr in höhe von 1.171,67 € verlangen. 85dem liegt die folgende berechnung zugrunde: 86gegenstandswert: 19.880,40 eur (33.600 eur + 632,84 eur – 14.352,44 eur) 871,3 geschäftsgebühr gemäß nr. 2300 vv, §§ 13,14 rvg 964,60 € telekommunikationspauschale gemäß nr. 7002 vv 20,00 € zwischensumme 984,60 € mehrwertsteuer 19 % 187,07 € endsumme 1.171,67 € 88der nutzungsvorteil ist vom schadensersatzanspruch abzuziehen, ohne dass es einer gestaltungserklärung oder einrede des schädigers bedarf (bgh njw 2015, 3160). 89der kläger kann der höhe nach die in ansatz gebrachte 1,5 gebühr nicht ersetzt verlangen, sondern nur gebühren in höhe von 1,3. bei der frage des umfangs ist der zeitliche aufwand zu berücksichtigen, den der rechtsanwalt auf die sache verwenden muss und der die sache dadurch zu einer überdurchschnittlichen tätigkeit werden lässt. insofern wirkt der umfang der klage zwar erheblich, hingegen gehen die prozessbevollmächtigten des klägers in großen teilen erkennbar nach dem "copy&paste-prinzip" vor (vgl. auch lg hagen, urteil vom 16. juni 2017 – 8 o 218/16 –, juris ). 90der aufbau der einzelnen schriftsätze und die formulierungen werden ferner so gewählt, dass sie stets erneut verwendet werden können, ohne dass darauf geachtet werden muss, ob ein kläger oder eine klägerin vertreten wird, indem beispielsweise bewusst die formulierung "klagepartei" gewählt wird. insoweit handelt es sich um ein masseverfahren, in dem sich die rechtlichen umstände jeweils ähneln und welches davon geprägt ist, dass sich der schriftsätzliche vortrag zumeist wörtlich gleicht (vgl. lg hagen (westfalen), urteil vom 16. juni 2017 – 8 o 218/16 –, juris ). 91die tätigkeit war ferner auch nicht schwierig im sinne des § 14 rvg. schwierig ist eine tätigkeit dann, wenn erhebliche, im normalfall nicht auftretende probleme auftauchen, unabhängig davon, ob diese auf juristischem oder tatsächlichem gebiet liegen. hier geht es indes im wesentlichen um gängige anspruchsgrundlagen aus dem bereich des deliktsrechts. 922. 93der zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 280 abs. 1, 286, 288 abs. 1 bgb. 94iii. 95die kostenentscheidung folgt aus § 92 abs. 2 nr. 1 zpo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 709 zpo. 96der streitwert wird auf 19.880,40 eur festgesetzt. 97rechtsbehelfsbelehrung: 98gegen dieses urteil ist das rechtsmittel der berufung für jeden zulässig, der durch dieses urteil in seinen rechten benachteiligt ist, 991. wenn der wert des beschwerdegegenstandes 600,00 eur übersteigt oder 1002. wenn die berufung in dem urteil durch das landgericht zugelassen worden ist. 101die berufung muss innerhalb einer notfrist von einem monat nach zustellung dieses urteils schriftlich bei dem oberlandesgericht düsseldorf, d-allee, 40474 düsseldorf, eingegangen sein. die berufungsschrift muss die bezeichnung des urteils (datum des urteils, geschäftsnummer und parteien) gegen das die berufung gerichtet wird, sowie die erklärung, dass gegen dieses urteil berufung eingelegt werde, enthalten. 102die berufung ist, sofern nicht bereits in der berufungsschrift erfolgt, binnen zwei monaten nach zustellung dieses urteils schriftlich gegenüber dem oberlandesgericht düsseldorf zu begründen. 103die parteien müssen sich vor dem oberlandesgericht düsseldorf durch einen rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die berufungs- und die berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 104mit der berufungsschrift soll eine ausfertigung oder beglaubigte abschrift des angefochtenen urteils vorgelegt werden. 105hinweis zum elektronischen rechtsverkehr: 106die einlegung ist auch durch übertragung eines elektronischen dokuments an die elektronische poststelle des gerichts möglich. das elektronische dokument muss für die bearbeitung durch das gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen signatur der verantwortenden person versehen sein oder von der verantwortenden person signiert und auf einem sicheren übermittlungsweg gemäß § 130a zpo nach näherer maßgabe der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (bgbl. 2017 i, s. 3803) eingereicht werden. weitere informationen erhalten sie auf der internetseite www.justiz.de. | Klaeger*in | 1 |
345,784 | 1 K 975/19 | 2022-05-25T00:00:00 | Urteil | Tenor Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung N. vom 14. Januar 2019 verpflichtet, dem Kläger insgesamt 60 Tage Erholungsurlaub für die Jahre 2013 bis 2016 finanziell abzugelten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 80 % und der Beklagte zu 20 %. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Berufung wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um die finanzielle Abgeltung nicht genommenen Erholungsurlaubs aus den Jahren 2001 bis 2016. 3Der Kläger, der zuletzt als Gewerbehauptsekretär (Besoldungsgruppe A 8 gemäß LBesO NRW) mit Stammdienststelle bei der Bezirksregierung N. seinen Dienst verrichtete, trat mit Ablauf des 31. Dezember 2018 wegen Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand ein. 4Mit Verfügung vom 21. Januar 2001 wurde der Kläger im Wege eines Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes enthoben. Die Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts N. entfernte den Kläger auf eine Anschuldigungsschrift des Beklagten hin mit Urteil vom 26. Januar 2009 aus dem Dienst (Az. : 13 K 1684/06. O). Die vom Kläger hiergegen gerichtete Berufung wurde vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 11. September 2013 verworfen (Az. : 3d A 722/09. O). Auf die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hob das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 12. August 2015 (Az. : 2 BvR 2646/13) die Urteile des Verwaltungsgerichts N. sowie des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen auf und verwies die Sache an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurück. Mit Urteil vom 13. Dezember 2016 änderte dieses das Urteil des Verwaltungsgerichts N. insoweit ab, als lediglich das Gehalt des Klägers gekürzt wurde, er aber nicht mehr aus dem Dienst entfernt wurde. Der Kläger sollte daraufhin ab dem 14. Dezember 2016 seinen Dienst bei der Bezirksregierung N. versehen. 5Der Kläger war seit dem 14. Dezember 2016 bis zum Eintritt in den Ruhestand am 1. Januar 2019 dienstunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2016 bat der Kläger den Beklagten, den ihm noch zustehenden Erholungsurlaub, soweit er noch nicht verjährt sei, in das Urlaubsjahr 2017 zu übertragen. Mit Schreiben vom 10. Januar 2017 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dieser habe aus dem Jahr 2015 noch Anspruch auf 30 Urlaubstage, die aber zum 1. April 2017 verfielen. Zudem habe er auch noch Anspruch auf Erholungsurlaub in gleicher Höhe jeweils für die Jahre 2016 und 2017. Der Kläger nahm daraufhin vom 25. Februar 2017 bis zum 31. März 2017 Erholungsurlaub in Anspruch, der als Erholungsurlaub aus dem Jahr 2015 verbucht wurde. 6Mit Bescheid vom 14. Januar 2019 setzte die Bezirksregierung N. die finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Erholungsurlaub für die Jahre 2017 und 2018 auf insgesamt 40 Urlaubstage fest. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Urlaubsansprüche für die Jahre vor 2017 seien verfallen. Für die Jahre 2017 und 2018 sei jeweils nur der Mindesturlaub, mithin 20 Tage, finanziell abzugelten. Der Bescheid wurde dem Kläger am 19. Januar 2019 zugestellt. 7Der Kläger hat am 18. Februar 2019 Klage vor dem Verwaltungsgericht N. erhoben. Mit Beschluss vom 25. Februar 2019 hat sich dieses für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das erkennende Gericht verwiesen. Zur Begründung seiner Klage führt der Kläger aus, er habe auch Anspruch auf finanzielle Abgeltung seines Urlaubsanspruches für die gesamte Zeit der Suspendierung, also für die Jahre 2001 bis 2016. In dieser Zeit sei es ihm nicht möglich gewesen, seinen Erholungsanspruch zu realisieren. Der Anspruch sei auch nicht verfallen, da es an dem erforderlichen Hinweis seines Dienstherrn fehle, der nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aber Voraussetzung für den Verfall sei. 8Der Kläger beantragt – schriftsätzlich und sinngemäß –, 9den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung N. vom 14. Januar 2019 zu verpflichten, ihm Erholungsurlaub im Umfang von weiteren 320 Arbeitstagen für die Jahre 2001 bis 2016 finanziell abzugelten. 10Der Beklagte beantragt – schriftsätzlich –, 11die Klage abzuweisen. 12Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die Urlaubsansprüche aus den Jahren vor 2017 seien verfallen. Für das Jahr 2015 bestehe zudem ohnehin kein Anspruch, weil der Kläger den aus diesem Jahr stammenden Erholungsurlaub zwischen dem 25. Februar und 31. März 2016 realisiert habe. Für die Zeit der Suspendierung mangele es überdies bereits an einem Antrag auf finanzielle Abgeltung. Im Übrigen unterliege der Urlaubsanspruch dem Verfall. Daran ändere auch die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nichts. Soweit diese für den Verfall von Erholungsurlaub einen entsprechenden Hinweis des Dienstherrn verlange, sei dieser erfolgt. Eine Information zum Verfall sei in dem für alle Beschäftigten zugänglichen Intranet hinterlegt, zudem sei im Nachgang zu dem entsprechenden Urteil des Europäischen Gerichtshofes eine ergänzende Veröffentlichung im Hausintranet eingestellt worden. Mit Schreiben vom 10. Februar 2017 sei der Kläger überdies über den Verfall aufgeklärt worden. Schließlich sei dem Kläger die Inanspruchnahme des Erholungsurlaubes stets ermöglicht worden. Die Nichtrealisierung liege beim Kläger vielmehr an dessen langandauernden Erkrankung. Dass der Kläger suspendiert worden sei, ändere nichts daran, dass der Urlaubsanspruch dem Verfall zugänglich sei. 13Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 27. Januar 2022 und vom 3. Februar 2022 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. 14Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. 15Entscheidungsgründe: 16Über die Sache entscheidet die Kammer ohne mündliche Verhandlung, nachdem sich die Beteiligten hiermit wirksam einverstanden erklärt haben (vgl. § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). 17Die zulässige Klage hat in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang Erfolg. Die mit Bescheid der Bezirksregierung N. vom 14. Januar 2019 erfolgte Ablehnung der finanziellen Abgeltung des Urlaubsanspruches aus den Jahren 2001 und 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO), soweit sie den Zeitraum vom 12. September 2013 bis zum 31. Dezember 2016 umfasst. Im Übrigen ist gegen die Ablehnung aber rechtlich nichts zu erinnern. 18Ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung von nicht genommenen Erholungsurlaub ergibt sich im Allgemeinen aus § 19a Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Freistellung wegen Mutterschutz für Beamtinnen und Richterinnen, Eltern- und Pflegezeit, Erholungs- und Sonderurlaub der Beamtinnen und Beamten und Richterinnen und Richter im Land Nordrhein-Westfalen in der hier zum Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Ruhestand maßgeblichen Fassung vom 1. Januar 2019 (FrUrlV NRW). 19Nach dieser Vorschrift ist Erholungsurlaub bis zu einer Dauer von 20 Arbeitstagen im Urlaubsjahr (Mindesturlaub), der zum Zeitpunkt der Beendigung des Beamtenverhältnisses krankheitsbedingt ganz oder teilweise nicht in Anspruch genommen und zu diesem Zeitpunkt nach § 19 Absatz 2 FrUrlV NRW nicht verfallen ist, von Amts wegen finanziell abzugelten. Gleiches gilt für nicht beanspruchten Zusatzurlaub nach § 208 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX). 20Die Voraussetzungen der Norm liegen nur für einen Teil des geltend gemachten Zeitraums vor, nämlich für die Zeit der rechtswidrigen Entfernung aus dem Dienstverhältnis. 211. 22Für die Jahre 2001 und 2002 scheidet der Anspruch bereits deshalb aus, weil der jeweilige Urlaubsanspruch verfallen ist. Bei der Frage, ob ein Anspruch besteht, der sich – wie hier – auf einen bestimmten Zeitraum bezieht, ist auf die im betroffenen Zeitraum geltende Rechtslage abzustellen. Ob der Kläger mithin für die Jahre 2001 und 2002 überhaupt noch einen abgeltungsfähigen Urlaubsanspruch hat, ist damit anhand des für diesen Zeitraum geltenden Rechts zu beurteilen. 23Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2014 - 6 A 2680/12 -, juris, Rn. 10 ff. 24Demgemäß ist das Bestehen der aus den Jahren 2001 und 2002 stammenden Urlaubsansprüche zu verneinen. Nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 1 der Erholungsurlaubsverordnung Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 14. September 1993 (EUV NRW) verfiel Erholungsurlaub, der nicht innerhalb von neun Monaten nach dem Ende des jeweiligen Urlaubsjahres in Anspruch genommen worden ist. Demnach sind der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2001 am 1. Oktober 2002 und der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2002 am 1. Oktober 2003 verfallen. 25Dem kann auch nicht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes über zum Teil hiervon abweichende Grundsätze des Verfalls und der finanziellen Abgeltung von Erholungsurlaub entgegengehalten werden. Denn diese Judikatur bezieht sich auf Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG). Diese ist aber erst am 2. August 2004 in Kraft getreten, einem Zeitpunkt, in dem die Urlaubsansprüche des Klägers aus den Jahren 2001 und 2002 bereits verfallen waren. 262. 27Für den jeweiligen Urlaubsanspruch aus den Jahren 2003 bis zum 11. September 2013, für den die europarechtlichen Vorgaben mithin gelten, scheidet ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung jedenfalls daran, dass der Kläger nicht – wie § 19a Abs. 1 Satz 1 FrUrlV NRW fordert – aus Krankheitsgründen den Erholungsurlaub nicht in Anspruch nehmen konnte, sondern weil er rechtmäßig vorläufig des Dienstes enthoben war. 28Die Vorschrift des § 19a Abs. 1 FrUrlV NRW ist auch nicht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu Art. 7 RL 2003/88/EG auf den Fall wegen Suspendierung nicht genommenen Erholungsurlaubs zu erweitern. Der Anspruch auf Erholungsurlaub und dessen finanzielle Abgeltung werden – wie bereits angedeutet – unionsrechtlich durch Art. 7 RL 2003/88/EG überformt. Nach dessen Absatz 1 haben die Mitgliedsstaaten dafür Sorge zu tragen, dass ein Arbeitnehmer bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhält. Eine finanzielle Abgeltung kommt nach dem Absatz 2 nur im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. 29Die Vorschrift des Art. 7 RL 2003/88/EG ist dabei auch auf Beamte anwendbar. 30Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10. 12 -, juris, Rn. 9 ff. mit weiteren Nachweisen. 31Dabei hat der Europäische Gerichtshof zunächst überwiegend nur über Fälle entschieden, in denen der betroffene Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Erholungsurlaub wegen einer langandauernden Erkrankung nicht realisieren konnte. 32Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris. 33In jüngerer Zeit hat er aber klargestellt, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub bzw. finanzielle Abgeltung von Erholungsurlaub generell nicht entfallen bzw. ausgeschlossen werden darf, wenn es dem betroffenen Arbeitnehmer nicht möglich war, den gesamten bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, der ihm zustand. Die langandauernde Erkrankung ist demnach nur ein – wenn auch wichtiges – Beispiel. Dieselben Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ausdrücklich auch für den Fall, in dem der Arbeitnehmer rechtswidrig entlassen worden ist und dann – wegen der Aufhebung der rechtswidrigen Entlassung – weiter beschäftigt wird. Denn im Falle der rechtswidrigen Entlassung kann der Arbeitnehmer gerade keinen Erholungsurlaub (mehr) geltend machen, weil das Arbeitsverhältnis beendet worden ist. 34Vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - C-762/18 u. a. (Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria) -, juris, Rn. 78, 85. 35Insoweit hat der Anspruch auf finanzielle Abgeltung des Erholungsurlaubes nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG lediglich die beiden Voraussetzungen, dass zum einen das Arbeitsverhältnis beendet ist und zum anderen der Arbeitnehmer nicht den gesamten Jahresurlaub genommen hat, auf den er bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch hatte. 36Vgl. EuGH, Urteile vom 25. Juni 2020 - C-762/18 u. a. (Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria) -, juris, Rn. 84, und vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris, Rn. 31. 37So liegt die Sache hier aber nicht. Denn der Kläger hatte im benannten Zeitraum gar keinen Anspruch auf Erholungsurlaub. Die vorläufige Enthebung des Dienstes führt nämlich dazu, dass der Betroffene in dem Jahr, in dem er durchgängig des Dienstes enthoben worden war, keinen Anspruch auf Erholungsurlaub hatte. 38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2018 - 6 B 1147/17 -, juris, Rn. 6; Bayerischer VGH, Beschluss vom 18. November 2015 - 6 ZB 15. 1856 -, juris, Rn. 8. 39Die Gewährung von Erholungsurlaub kommt hierbei bereits deshalb nicht in Betracht, weil eine Dienstleistungspflicht, von der der Beamte freizustellen wäre, mit der Suspendierung nicht mehr besteht. Die Freistellung von der Dienstleistungspflicht für einen Zeitraum, in dem nach dem jeweiligen Arbeitszeitrecht Dienst zu leisten wäre, ist aber maßgebender Inhalt der Urlaubsgewährung. Wird ein Beamter vorläufig des Dienstes enthoben, so ist er von seiner Pflicht zur Dienstleistung in vollem Umfang entbunden, 40vgl. BVerwG, Urteil vom 24. April 1980 - II C 26. 77 -, juris, Rn. 25, 41so dass für die Gewährung von Erholungsurlaub zum Zweck der Entbindung von der Pflicht zur Dienstleistung in demselben Zeitraum denknotwendig kein Raum mehr eröffnet ist. 42Dies gilt demnach für die Jahre 2002 bis zum 11. September 2013, in dem der Kläger vorläufig des Dienstes enthoben war. Anders als in dem zitierten, vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall einer rechtswidrigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erweist sich hier die Suspendierung auch nicht als rechtswidrig. Ansatzpunkt für den Europäischen Gerichtshof war, dass ein Arbeitnehmer, der in rechtswidriger Weise entlassen worden ist, für den Zeitraum, in dem die Entlassung tatsächlich Wirkung entfaltete, wegen der Rechtswidrigkeit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Erholungsurlaub hatte. Vorliegend erwies sich die vorläufige Enthebung des Dienstes aber nicht als rechtswidrig. Vielmehr war nur die im Rahmen des Disziplinarverfahrens vom Beklagten angestrengte, vom Verwaltungsgericht N. angeordnete und vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bestätigte Disziplinarmaßnahme selbst (Entfernung aus dem Dienst) rechts- bzw. verfassungswidrig. Gegenstand des bis zum Bundesverfassungsgericht angestrengten Disziplinarklageverfahrens war indes gerade nicht die Suspendierung, die insoweit bestandskräftig geworden ist. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass diese rechtswidrig gewesen ist. Nach dem zum Zeitpunkt der vorläufigen Dienstenthebung geltenden § 91 der Disziplinarordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (DO NRW) konnte die Einleitungsbehörde (hier: die Bezirksregierung N. ) einen Beamten vorläufig des Dienstes entheben, wenn ein dienstliches Bedürfnis vorliegt und das förmliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet worden ist. Gegen diese vorläufige Enthebung hat sich der Kläger nicht gewandt. Von daher wäre selbst in dem Fall, in dem die Bezirksregierung N. von Beginn an unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben eine Disziplinarmaßnahme erstritten hätte, der Kläger suspendiert gewesen und hätte keinen Anspruch auf Erholungsurlaub gehabt. Die Rechtswidrigkeit der Disziplinarmaßnahme hatte insoweit keine inhaltlichen Auswirkungen auf die bestandskräftige Suspendierung des Klägers. 43Vor diesem Hintergrund gibt es auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes keinen Anlass, § 19a FrUrlV NRW dahingehend zu erweitern, dass er auch in den Fällen greift, in denen der betroffene Beamte – bestandskräftig – suspendiert wird und insoweit ohnehin keinen Anspruch auf Erholungsurlaub erhält, der abgeltungsfähig ist. 443. 45Etwas Anderes gilt aber für den Zeitraum vom 12. September 2013 bis zum 13. Dezember 2016. Denn die (bestandskräftige) Suspendierung endete mit der rechtskräftigen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. September 2013, mit der der Kläger aus dem Beamtenverhältnis entlassen worden ist (vgl. § 95 Abs. 3 DO NRW). Dass der Kläger daraufhin Verfassungsbeschwerde eingelegt hat, ändert nichts an der Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Die Verfassungsbeschwerde ist kein Rechtsmittel, das Bundesverfassungsgericht kein im verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug eingebundenes Fachgericht. Eine Verfassungsbeschwerde hat damit auf den Eintritt der Rechtskraft einer fachgerichtlichen Entscheidung keinen Einfluss. 46Vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 -, juris, Rn. 60; OVG NRW, Beschluss vom 16. Juli 2014 - 18 B 697/14 -, juris, Rn. 2. 47Bis zur Aufhebung der Urteile des Verwaltungsgerichts N. sowie des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. August 2015 war die angeordnete Entlassung des Klägers aus dem Dienst mit Verkündung des Urteils vom 11. September 2013 (vgl. § 90 DO NRW) demnach rechtskräftig. Weil diese aber rechtswidrig war, gilt für den Zeitraum der Entfernung aus dem Dienstverhältnis bis zur Wiederaufnahme des Dienstes, d. h. zwischen dem 11. September 2013 und dem 13. Dezember 2016, die oben genannte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Zwar war der Kläger entgegen § 19a Abs. 1 Satz 1 FrUrlV NRW nicht dienstunfähig an der Inanspruchnahme seines Erholungsurlaubes gehindert. Er konnte den Erholungsanspruch in diesem Zeitraum aber deshalb nicht realisieren, weil er rechtswidrig aus dem Dienst entfernt war. Wegen der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme ist ihm auch ein Erholungsurlaubsanspruch entstanden, den zu nehmen er gehindert war. 48Vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - C-762/18 u. a. (Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria) -, juris, Rn. 78. 49Dagegen kann nicht angeführt werden, für den Zeitraum ab der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bis zur Wiederaufnahme des Dienstes, d. h. von dem 13. August 2015 bis einschließlich dem 13. Dezember 2016, sei – so wohl die Überlegung des Beklagten (vgl. Bl. 34 der Beiakte – Heft 5) – die Suspendierung wieder zu Leben erweckt worden. Denn nach dem vom Europäischen Gerichtshof formulierten Grundgedanken des Anspruches auf finanzielle Abgeltung bei rechtswidriger Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt es entscheidend darauf an, wann der Betroffene tatsächlich wieder seinen Dienst aufnimmt – oder wie in diesem Fall, wann er seinen Dienst wieder aufzunehmen hat –, nicht aber, wann die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für unwirksam erklärt wird. Denn der Betroffene hätte in der gesamten Zeit bis zu seiner Wiederaufnahme des Dienstes einen Anspruch auf Erholungsurlaub erworben, den es nunmehr abzugelten gilt. So liegt die Sache auch hier. Hätte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bereits am 11. September 2013 unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben entschieden, wäre der Kläger nicht aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden, d. h. hätte ab dem 12. September 2013 seinen Dienst wieder aufnehmen können. Dass dies erst am 14. Dezember 2016 erfolgen konnte, liegt darin, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen aufgrund der Verfassungswidrigkeit seines Urteils vom 11. September 2013 erneut über die Sache hat entscheiden müssen. Dies kann aber nicht dem Kläger angelastet werden. 50Aus der genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ergibt sich zudem, dass der Anspruch auf finanzielle Abgeltung unabhängig von den Verfallsregelungen gilt. Denn der Gerichtshof formuliert ausdrücklich, dass der Anspruch auf finanzielle Abgeltung für den Zeitraum zwischen dem Tag der rechtswidrigen Entlassung und dem Tag der aufgrund der Nichtigkeitserklärung erfolgten Wiederaufnahme seiner Beschäftigung erworben hat, nicht ausgeschlossen werden darf. Weitere Voraussetzungen für den Abgeltungsanspruch oder etwaige Einschränkungen desselben werden gerade nicht formuliert. Demnach steht dem Betroffenen nach Wiederaufnahme seiner Tätigkeit nach Aufhebung einer rechtswidrigen Entlassung der Anspruch auf finanzielle Abgeltung unbedingt zu. 51Vgl. aber VG Freiburg, Urteil vom 9. Oktober 2020 - 5 K 303/19 -, juris, Rn. 49, das von „Hemmung“ der Verfallslaufzeiten spricht. 52Hierfür spricht auch die Betrachtung der übrigen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes entwickelten Grundsätze zum Verfall von Erholungsurlaubsansprüchen. Nach diesen ist in den Fällen, in denen der Beamte seinen Erholungsurlaubsanspruch nicht realisieren konnte, ein Verfall des Anspruches grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Ausnahme wird nur bei besonderen Umständen bejaht, etwa wenn der Beamte durchgängig dienstunfähig erkrankt ist oder aber der Dienstherr den Beamten durch den Hinweis auf den Verfall tatsächlich in die Lage versetzt hat, den Urlaub zu nehmen. 53Vgl. EuGH, Urteile vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris (durchgängige Erkrankung), und vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris (Hinweis des Dienstherrn). 54Solche, den Verfall von Erholungsurlaubsansprüchen ausnahmsweise legitimierenden besonderen Umstände sind hier aber gerade nicht ersichtlich. Durch sein rechtswidriges Verhalten ist der Dienstherr auch nicht schutzwürdig. 55Vor diesem Hintergrund ist § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW auch dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass das Institut des Verfalles für solche Erholungsurlaubsansprüche keine Beachtung findet, die in einem Zeitraum rechtswidriger Beendigung des Dienstverhältnisses entstanden sind. 564. 57Auch für den Zeitraum vom 14. bis 31. Dezember 2016 steht dem Kläger ein finanzieller Abgeltungsanspruch zu – und damit unter Berücksichtigung des Vorgenannten für das gesamte Jahr 2016. Denn in diesem Zeitraum war der Kläger dienstunfähig erkrankt und konnte auch deshalb den Erholungsurlaub nicht in Anspruch nehmen. 58Zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses am 31. Dezember 2018 war dieser Anspruch entgegen § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW auch nicht verfallen. Das Institut des Verfalles findet hier Anwendung, weil es nicht um Erholungsurlaub im Zusammenhang mit einer rechtswidrigen Beendigung des Dienstverhältnisses geht. Nach der Vorschrift wäre der Urlaub aus 2016 auch an sich zum 31. März 2018 verfallen. Es ist vorliegend auch nicht die vom Bundesarbeitsgericht dem Europäischen Gerichtshof vorgelegte Frage betroffen, ob und unter welchen Bedingungen Urlaubsansprüche verfallen, die aus einem Jahr stammen, in dem der Betroffene teilweise dienstfähig und teilweise dienstunfähig war. 59Vgl. dazu BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris. 60Denn der Kläger war im Jahr 2016 zwar nur teilweise krankheitsbedingt dienstunfähig, im Übrigen aber nicht dienstfähig, sondern (rechtswidrig) aus dem Dienstverhältnis entfernt. Er war daher das gesamte Jahr 2016 nicht in der Lage, Erholungsurlaub zu nehmen. Diese Fallgestaltung bedarf aus den nachfolgenden Gründen auch keiner weiteren Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. 61Einem Verfall steht vorliegend zunächst nicht die Regelung des § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW in der Fassung der Verordnung vom 6. Oktober 2020, in Kraft getreten am 22. Oktober 2020, entgegen. Danach setzt der Verfall des Urlaubsanspruches voraus, dass der Dienstherr zu Beginn eines Kalenderjahres über den ersatzlosen Verfall noch vorhandenen Urlaubsanspruches belehrt. Zwar ist diese Vorschrift ohnehin erst nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens eines möglichen Abgeltungsanspruchs in Kraft getreten und daher auf den vorliegenden Fall bereits deshalb nicht anwendbar. Denn die Regelung ist erst zum 22. Oktober 2020 in Kraft getreten und damit nach dem Zeitpunkt des Entstehens eines möglichen Abgeltungsanspruchs mit Eintritt des Klägers in den Ruhestand mit Ablauf des 31. Dezember 2018. 62Allerdings stellt sie die Umsetzung einer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dar, die unabhängig von der nationalen Regelungssituation gilt und damit bei richtlinienkonformer Auslegung des § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW auch uneingeschränkt in Gestalt einer unionsrechtskonformen Anwendung bei früheren Rechtslagen zu berücksichtigen ist. 63Vgl. zu dieser Rechtsprechung EuGH, Urteile vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris, Rn. 24 ff. , 52; und C-684/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris, Rn. 18 ff. , 45. 64Nach dieser Judikatur kann ein Verfall des Urlaubsanspruches nur dann eintreten, wenn die dienstvorgesetzte Stelle von Amts wegen dem Beamten zu Beginn eines jeden Kalenderjahres den vorhandenen Urlaubsanspruch nach der Freistellungs- und Urlaubsverordnung in Textform mitteilt und zur rechtzeitigen Beantragung und Inanspruchnahme des Urlaubs auffordert, sowie für den Fall der Nichtinanspruchnahme über den ersatzlosen Verfall nach Absatz 2 belehrt. Wird die Mitteilungspflicht nicht oder unvollständig erfüllt, tritt nicht beanspruchter Mindesturlaub nach § 19a Abs. 1 Satz 1 FrUrlV NRW entsprechend dieser Rechtsprechung am Ende des Übertragungszeitraums nach Absatz 2 Satz 1 zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzu beziehungsweise wird zum Zeitpunkt der Beendigung des Beamtenverhältnisses entsprechend dem Verfahren nach § 19a finanziell abgegolten. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für den Zusatzurlaubsanspruch nach § 208 Absatz 1 Satz 1 SGB IX. 65Von daher ist § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW in den Fällen wie hier, in denen § 19 Abs. 6 FrUrlV NRW noch keine Anwendung findet, grundsätzlich richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass dieser nur dann Wirkung entfaltet, wenn der insoweit beweisbelastete Dienstherr den Nachweis erbringt, dass er vorab dafür gesorgt hat, dass der Beamte als Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der Urlaub ihm noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums oder am Ende des Beamtenverhältnisses, wenn dies in einen solchen Zeitraum fällt, verfallen wird. 66Vgl. EuGH, Urteile vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris, Rn. 52, und C-648/16 (Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) -, juris, Rn. 45. 67In den Fällen, in denen eine solche Belehrung nicht erfolgt ist, liegen in der Regel die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes geforderten besonderen Umstände, die zum Entfallen des Urlaubsanspruchs in Fällen fortdauernder Dienst- bzw. Arbeitsunfähigkeit führen können, auch nach Ablauf der vorstehend dargestellten zulässigen Übertragungszeit von 15 Monaten nicht vor. 68Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 17; Urteil vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15 -, juris, Rn. 21 ff; Urteil vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 -, juris. 69Danach bestehen die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Dienstherrn regelmäßig auch, wenn und solange der Beamte dienstunfähig ist. Sie können ihren Zweck grundsätzlich erfüllen, weil sich die Dauer der Erkrankung nicht von vornherein absehen lässt. Dem Dienstherrn ist es regelmäßig möglich, den dienstunfähigen Beamten entsprechend den gesetzlichen Vorgaben rechtzeitig und zutreffend über den Umfang und die Befristung des Urlaubsanspruchs unter Berücksichtigung des bei einer langandauernden Erkrankung geltenden Übertragungszeitraums zu unterrichten. Der Dienstherr ist in den Fällen einer Erkrankung in der Regel nicht gehindert, den Beamten rechtzeitig aufzufordern, den Urlaub bei Wiedergenesung vor Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums zur Vermeidung des Verfalls so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums gewährt und genommen werden kann, so dass der Beamte ab dem ersten Arbeitstag nach seiner Wiedergenesung Urlaub in Anspruch nehmen kann. 70Vgl. BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 21. 71Dabei ist auch eine Ausnahme von der Hinweisobliegenheit des Dienstherrn, den die erkennende Kammer in Übereinstimmung mit dem Bundesarbeitsgericht in den Fällen durchgängiger, d. h. während des Bezugs- sowie Übertragungszeitraums andauernder Dienstunfähigkeit bejaht, weil ein Hinweis auf den Verfall dann nicht mehr seinen Zweck erfüllt, 72vgl. VG Gelsenkirchen, Urteile vom 25. Mai 2022 - 1 K 4003/20 sowie 1 K 2881/21 -; BAG, Beschluss vom 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 -, juris, Rn. 17, 73hier nicht angezeigt. Denn der Kläger war im Hinblick auf das Urlaubsjahr 2016 nicht durchgängig dienstunfähig erkrankt. Bis einschließlich 13. Dezember 2016 ist er aus den benannten Gründen so zu behandeln, als wäre er im Dienst gewesen und der Anspruch auf Erholungsurlaub entstanden. Überdies war er im Übertragungszeitraum teilweise, genauer zwischen dem 25. Februar und 31. März 2017, nicht dienstunfähig erkrankt. Dass in diesem Fall der Hinweis auf den Verfall seinen Zweck zu erfüllen vermochte, zeigt sich auch gerade daran, dass der Kläger in dem Zeitraum bestehender Dienstfähigkeit nach entsprechender Auskunft seines Dienstherrn seinen noch bestehenden Erholungsurlaub in Anspruch genommen hat. Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer keinen Anlass, für die hiesige Konstellation eine Ausnahme von der bestehenden Hinweisobliegenheit des Dienstherrn anzunehmen. 74Danach bestand grundsätzlich auch im vorliegenden Fall eine Pflicht des Dienstherrn, den Kläger über den anstehenden Verfall seines – krankheitsbedingt nicht genommenen Urlaubs – zu informieren. Dabei obliegt es dem Beklagten nachzuweisen, dass er seine Informations- und Belehrungsobliegenheiten erfüllt hat. 75Vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2018 - C-619/16 (Kreuziger) -, juris, Rn. 53. 76Dem ist der Beklagte hier indes nicht hinreichend nachgekommen. Soweit er darauf verweist, es habe im Hausintranet entsprechende Informationen zur Verfügung gestellt, genügt dies nicht. Nicht nur, dass es an einer zum Zwecke der Substantiierung erfolgten Vorlage eines maßgeblichen Exemplars der zur Verfügung gestellten Informationen mangelt, ergibt sich bereits aus dem Vortrag des Beklagten selbst, dass es sich hier nur um allgemeine und nicht auf den konkreten Beamten und das konkrete Urlaubsjahr bezogene Informationen gehandelt hat. Der Dienstherr hat aber den konkreten Beamten in die Lage zu versetzen, seinen – insoweit konkret zu beziffernden – noch offenstehenden Anspruch auf Erholungsurlaub zu realisieren. 77Auch die schriftliche Information des Beklagten vom 10. Januar 2017 (Bl. 35 der Beiakte – Heft 4) genügt nicht. Zwar wird auf einen Verfall hingewiesen. Dieser betrifft aber ausdrücklich nur den aus dem Jahr 2015 stammenden Urlaub. Im Hinblick auf das Urlaubsjahr 2016 wird lediglich darüber informiert, dass ein Anspruch noch auf 30 Tage bestehe. Der Verfall wird weder allgemein noch in Bezug auf ein konkretes Eintrittsdatum dargelegt. Demnach ist der Beklagte seiner Hinweisobliegenheit nicht nachgekommen, mit der Folge, dass der Urlaub aus dem Dezember 2016 nicht verfallen ist. 785. 79Vor diesem Hintergrund ist dem Kläger in der Zeit vom 12. September 2013 bis zum 31. Dezember 2016 Anspruch auf Erholungsurlaub entstanden, den es vom Beklagten finanziell abzugelten gilt. 80Hinsichtlich der Höhe ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich sowohl § 19a FrUrlV NRW als auch Art. 7 RL 2003/88/EG ausschließlich auf einen Mindesturlaub in Höhe von vier Wochen bzw. 20 Tagen beziehen. Der Europäische Gerichtshof hat hervorgehoben, dass Art. 7 RL 2003/88/EG sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt. Es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom unionsrechtlichen Urlaubsanspruch umfasst, sondern unterliegen ausschließlich den nationalen Regelungen. 81Vgl. EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 - C-337/10 (Neidel) -, juris, Rn. 35 ff. ; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10. 12 -, juris, Rn. 18. 82Der nationale Gesetzgeber hat sich dabei aber – wie § 19a FrUrlV NRW zeigt – auf den Mindesturlaub beschränkt und einen weitergehenden Abgeltungsanspruch nicht eröffnet. 83a) Für das Jahr 2013 bedarf es dabei einer anteiligen Berechnung nach § 18 Abs. 3 FrUrlV. Danach besteht ein Urlaubsanspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat der Dienstzugehörigkeit, wobei von einem vollen Monat auszugehen ist, wenn das Beamtenverhältnis am ersten regelmäßigen Werktag eines Monats beginnt beziehungsweise am letzten regelmäßigen Werktag eines Monats endet. Demnach besteht für das Jahr 2013 ein Urlaubs- und damit Abgeltungsanspruch nur für die Monate Oktober bis Dezember, mithin in Höhe von (20 : 12 x 3 =) 5 Tagen. 84b) Für die Jahre 2014, 2015 und 2016 ist dem Kläger der Anspruch auf Mindesturlaub jeweils in voller Höhe entstanden, mithin insgesamt 60 Tagen. 85Einschränkend ist aber zu berücksichtigen, dass der Kläger vom 25. Februar bis zum 31. März 2017, mithin 25 Tage, Erholungsurlaub in Anspruch genommen hat. Soweit dies den für 2017 zustehenden Mindesturlaub übersteigt (fünf Tage), ist dieser „Überschuss“ auf den Mindesturlaub der Vorjahre anzurechnen, so dass dem Kläger für die Jahre 2014, 2015 und 2016 nur ein Abgeltungsanspruch in Höhe von 55 Tagen zusteht. 86Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG nach dem Zweck dieser Norm zunächst nur darauf ankommt, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat. Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG möchte allein sicherstellen, dass der betroffene Arbeitnehmer im betroffenen Jahr den erforderlichen Mindesturlaub nimmt. Auf den Rechtsgrund des genommenen Urlaubs kommt es dabei nicht an. 87Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10. 12 -, juris, Rn. 23; OVG NRW, Urteil vom 3. Juni 2015 - 6 A 2326/12 -, juris, Rn. 67 ff; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2021 - 2 K 3079/19 -, juris, Rn. 51 ff. 88Dies bedeutete für den vorliegenden Fall, dass der Kläger, da er nur im Jahr 2017 Urlaub genommen hat, für die früheren Jahre noch den vollen Anspruch auf Mindesturlaub hätte. Dass der im Jahr 2017 in Anspruch genommene Urlaub offiziell als aus dem im Jahr 2015 entstandenen Urlaubsanspruch gewertet wurde, spielt nach Besagtem keine Rolle. 89Einschränkend wird allerdings in der Rechtsprechung angenommen, dass Mindesturlaub des laufenden Jahres nicht die Urlaubstage sein können, die Mindesturlaub des vorangegangenen Jahres sind. Ohne dass es einer genauen Zuordnung zum laufenden oder vorangegangenen Urlaubsjahr bedarf, sollen Urlaubstage daher noch dem Vorjahr zugeordnet werden können, wenn der Mindesturlaub des Vorjahres noch nicht eingebracht wurde. Von daher kann nicht genommener Mindesturlaub aus dem Vorjahr durch über den Mindesturlaub hinausgehenden Urlaub im Folgejahr als ausgeglichen betrachtet werden. 90Vgl. VG Regensburg, Urteil vom 10. Oktober 2014 - RN 1 K 13. 1973 - juris Rn. 52; VG München, Urteil vom 24. März 2021 - M 21a K 19. 532 -, juris, Rn. 31; VG Bayreuth, Urteil vom 14. Juli 2020 - B 5 K 19. 285 -, juris, Rn. 28. 91Dem schließt sich das erkennende Gericht an. Denn in den Fällen, in denen – wie hier – in einem Jahr (2016) weniger (kein), im Folgejahr (2017) aber deutlich mehr als der dem Betroffenen zustehenden Mindesturlaub genommen wird, besteht kein Anlass, den Beamten zu schützen, weil er bei Gesamtbetrachtung den ihm zustehenden und unionsrechtlich vermittelten (Mindest-)Urlaub erhalten hat. Andernfalls könnte ein Arbeitnehmer bzw. Beamter seinen Anspruch auf Mindesturlaub regelmäßig beinahe verdoppeln, indem er in einem Jahr nahezu gar keinen Urlaub nimmt, diesen im Folgejahr aber nachholt, aber gleichwohl weiterhin Anspruch auf die Differenz aus dem Mindesturlaub und dem tatsächlich genommenen Urlaub aus dem Vorjahr erhält. Zweck der RL 2003/88/EG ist es letztlich „nur“, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, den ihm zustehenden Mindesterholungsurlaub in Anspruch zu nehmen, und ihn vor einem voraussetzungslosen Verlust seines Urlaubsanspruches zu bewahren. Wie der Arbeitnehmer bzw. Beamte den ihm zustehenden Mindesturlaub aber einsetzt, kann ihm dabei selbst überlassen bleiben. Von daher stellt der Europäische Gerichtshof auch tatsächlich darauf ab, ob der betroffene Beamte seinen Erholungsurlaub nicht zwangsweise im selben Urlaubsjahr, sondern unter anderem während des gesamten Übertragungszeitraumes, d. h. bis zu dem nach nationaler Regelung eintretenden Verfall, in Anspruch genommen hat. 92Vgl. etwa EuGH, Urteile vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris, Rn. 25 ff. , und vom 20. Januar 2009 - C-350/06 u. a. (Schultz-Hoff) -, juris, Rn. 41 ff. 93Dies steht auch mit dem Zweck des Erholungsurlaubs im Einklang. Erholungsurlaub soll einerseits der Erholung von verrichteter Arbeitsleistung, anderseits der Gewährleistung eines Zeitraumes für Entspannung und Freizeit dienen. 94Vgl. EuGH, Urteile vom 22. November 2011 - C-214/10 (KHS) -, juris, Rn. 31, und vom 20. Januar 2009 - C-350/06 u. a. (Schultz-Hoff) -, juris, Rn. 25. 95Diese beiden Zwecke werden aber auch dann erreicht, wenn der betroffene Beamte seinen Mindesturlaubsanspruch jedenfalls innerhalb des gesamten Bezugs- und Übertragungszeitraumes realisiert. Ein in einem Jahr über den Mindesturlaub hinausgehender, tatsächlich genommener Urlaub kann demnach auch unter Wahrung der Zwecke des Erholungsurlaubes entsprechende Defizite beim Mindesturlaub aus den Vorjahren ausgleichen können. Der Beamte ist nicht verpflichtet, seinen gesamten Mindesturlaub gleich in demselben Urlaubsjahr zu nehmen. Es kommt vielmehr darauf an, ob er seinen Erholungsurlaub während des gesamten Zeitraumes, d. h. im Urlaubsjahr und im Übertragungszeitraum, in Anspruch genommen hat. 96Vgl. die gleiche Wertung des OVG NRW, Urteil vom 3. Juni 2015 - 6 A 2326/12 -, juris, Rn. 84. 97Dies widerspricht auch nicht der vom Bundesverwaltungsgericht angenommenen jahresspezifischen und rechtsgrundlosen Betrachtung des Erholungsurlaubes. Denn ob die Anzahl der in einem Jahr genommenen Tage an Erholungsurlaub frühere Defizite ausgleicht, ist keine Frage nach dem Rechtsgrund genommenen Erholungsurlaubes, sondern allein nach dessen Höhe. Insoweit wird in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht weiterhin nicht gefragt, ob der Anspruch auf den genommenen Urlaub letztlich im Vor- oder gar Vorvorjahr entstanden ist. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob der unionsrechtlich garantierte Mindesturlaub vor seinem Verfall gewährt wurde oder nicht. 98Angesichts dessen sind für das Jahr 2016 fünf Tage als genommen zu werten. Es sind demnach für den gesamten Zeitraum (2013 bis 2016) 60 Tage abzugelten. 996. 100Ein hierüber hinausgehender Anspruch steht dem Kläger auch nicht auf Grundlage von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG zu. 101Aus dieser Vorschrift ergibt sich über das nationale Recht hinaus unmittelbar ein Abgeltungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer bzw. Beamte nicht die Möglichkeit hatte, den ihm zustehenden Mindesturlaub in Anspruch zu nehmen. 102Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. April 2017 - 6 A 1084/15 -, juris, Rn. 16. 103Im Streitfall gewährt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG jedoch keine über die nationalen Bestimmungen hinausgehenden Ansprüche, da dessen Voraussetzungen in den entscheidungserheblichen Punkten identisch sind. Dies zugrunde gelegt kann der Kläger aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG im Streitfalle keine weitergehenden Rechte ableiten, als aus § 19a FrUrlV NRW. Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die bereits zu § 19a FrUrlV NRW erfolgten Ausführungen verwiesen. 104Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Zugunsten des Klägers unterstellt, die von ihm begehrte Abgeltung umfasse nur jeweils den Mindesturlaub, für den Zeitraum zwischen 2001 und 2016 insgesamt mithin 320 Tage, unterliegt der Kläger im Hinblick auf knapp 80 %. 105Die Berufung ist nach § 124a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache im Hinblick auf den Verfall von Erholungsurlaubsansprüchen in Zeiten einer Suspendierung grundsätzliche Bedeutung hat. 106Rechtsmittelbelehrung: 107Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1081. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 1092. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 1103. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 1114. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 1125. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 113Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. 114Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen. 115Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO. | der beklagte wird unter teilweiser aufhebung des bescheides der bezirksregierung n. vom 14. januar 2019 verpflichtet, dem kläger insgesamt 60 tage erholungsurlaub für die jahre 2013 bis 2016 finanziell abzugelten. im übrigen wird die klage abgewiesen. die kosten des verfahrens tragen der kläger zu 80 % und der beklagte zu 20 %. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der jeweilige vollstreckungsschuldner darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige vollstreckungsgläubiger vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die berufung wird zugelassen. 1 | 2die beteiligten streiten um die finanzielle abgeltung nicht genommenen erholungsurlaubs aus den jahren 2001 bis 2016. 3der kläger, der zuletzt als gewerbehauptsekretär (besoldungsgruppe a 8 gemäß lbeso nrw) mit stammdienststelle bei der bezirksregierung n. seinen dienst verrichtete, trat mit ablauf des 31. dezember 2018 wegen erreichens der altersgrenze in den ruhestand ein. 4mit verfügung vom 21. januar 2001 wurde der kläger im wege eines disziplinarverfahrens vorläufig des dienstes enthoben. die disziplinarkammer des verwaltungsgerichts n. entfernte den kläger auf eine anschuldigungsschrift des beklagten hin mit urteil vom 26. januar 2009 aus dem dienst (az. : 13 k 1684/06. o). die vom kläger hiergegen gerichtete berufung wurde vom oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen mit urteil vom 11. september 2013 verworfen (az. : 3d a 722/09. o). auf die hiergegen erhobene verfassungsbeschwerde hob das bundesverfassungsgericht mit beschluss vom 12. august 2015 (az. : 2 bvr 2646/13) die urteile des verwaltungsgerichts n. sowie des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen auf und verwies die sache an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zurück. mit urteil vom 13. dezember 2016 änderte dieses das urteil des verwaltungsgerichts n. insoweit ab, als lediglich das gehalt des klägers gekürzt wurde, er aber nicht mehr aus dem dienst entfernt wurde. der kläger sollte daraufhin ab dem 14. dezember 2016 seinen dienst bei der bezirksregierung n. versehen. 5der kläger war seit dem 14. dezember 2016 bis zum eintritt in den ruhestand am 1. januar 2019 dienstunfähig erkrankt. mit schreiben vom 29. dezember 2016 bat der kläger den beklagten, den ihm noch zustehenden erholungsurlaub, soweit er noch nicht verjährt sei, in das urlaubsjahr 2017 zu übertragen. mit schreiben vom 10. januar 2017 teilte der beklagte dem kläger mit, dieser habe aus dem jahr 2015 noch anspruch auf 30 urlaubstage, die aber zum 1. april 2017 verfielen. zudem habe er auch noch anspruch auf erholungsurlaub in gleicher höhe jeweils für die jahre 2016 und 2017. der kläger nahm daraufhin vom 25. februar 2017 bis zum 31. märz 2017 erholungsurlaub in anspruch, der als erholungsurlaub aus dem jahr 2015 verbucht wurde. 6mit bescheid vom 14. januar 2019 setzte die bezirksregierung n. die finanzielle abgeltung von krankheitsbedingt nicht in anspruch genommenem erholungsurlaub für die jahre 2017 und 2018 auf insgesamt 40 urlaubstage fest. zur begründung führte sie im wesentlichen aus, die urlaubsansprüche für die jahre vor 2017 seien verfallen. für die jahre 2017 und 2018 sei jeweils nur der mindesturlaub, mithin 20 tage, finanziell abzugelten. der bescheid wurde dem kläger am 19. januar 2019 zugestellt. 7der kläger hat am 18. februar 2019 klage vor dem verwaltungsgericht n. erhoben. mit beschluss vom 25. februar 2019 hat sich dieses für örtlich unzuständig erklärt und den rechtsstreit an das erkennende gericht verwiesen. zur begründung seiner klage führt der kläger aus, er habe auch anspruch auf finanzielle abgeltung seines urlaubsanspruches für die gesamte zeit der suspendierung, also für die jahre 2001 bis 2016. in dieser zeit sei es ihm nicht möglich gewesen, seinen erholungsanspruch zu realisieren. der anspruch sei auch nicht verfallen, da es an dem erforderlichen hinweis seines dienstherrn fehle, der nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes aber voraussetzung für den verfall sei. 8der kläger beantragt – schriftsätzlich und sinngemäß –, 9den beklagten unter teilweiser aufhebung des bescheides der bezirksregierung n. vom 14. januar 2019 zu verpflichten, ihm erholungsurlaub im umfang von weiteren 320 arbeitstagen für die jahre 2001 bis 2016 finanziell abzugelten. 10der beklagte beantragt – schriftsätzlich –, 11die klage abzuweisen. 12zur begründung führt er im wesentlichen aus, die urlaubsansprüche aus den jahren vor 2017 seien verfallen. für das jahr 2015 bestehe zudem ohnehin kein anspruch, weil der kläger den aus diesem jahr stammenden erholungsurlaub zwischen dem 25. februar und 31. märz 2016 realisiert habe. für die zeit der suspendierung mangele es überdies bereits an einem antrag auf finanzielle abgeltung. im übrigen unterliege der urlaubsanspruch dem verfall. daran ändere auch die aktuelle rechtsprechung des europäischen gerichtshofes nichts. soweit diese für den verfall von erholungsurlaub einen entsprechenden hinweis des dienstherrn verlange, sei dieser erfolgt. eine information zum verfall sei in dem für alle beschäftigten zugänglichen intranet hinterlegt, zudem sei im nachgang zu dem entsprechenden urteil des europäischen gerichtshofes eine ergänzende veröffentlichung im hausintranet eingestellt worden. mit schreiben vom 10. februar 2017 sei der kläger überdies über den verfall aufgeklärt worden. schließlich sei dem kläger die inanspruchnahme des erholungsurlaubes stets ermöglicht worden. die nichtrealisierung liege beim kläger vielmehr an dessen langandauernden erkrankung. dass der kläger suspendiert worden sei, ändere nichts daran, dass der urlaubsanspruch dem verfall zugänglich sei. 13die beteiligten haben mit schriftsätzen vom 27. januar 2022 und vom 3. februar 2022 auf die durchführung einer mündlichen verhandlung verzichtet. 14wegen der weiteren einzelheiten zum sach- und streitstand wird auf die gerichtsakte sowie die beigezogenen verwaltungsvorgänge verwiesen. 15 | 16über die sache entscheidet die kammer ohne mündliche verhandlung, nachdem sich die beteiligten hiermit wirksam einverstanden erklärt haben (vgl. § 101 abs. 2 der verwaltungsgerichtsordnung – vwgo). 17die zulässige klage hat in dem sich aus dem tenor ergebenden umfang erfolg. die mit bescheid der bezirksregierung n. vom 14. januar 2019 erfolgte ablehnung der finanziellen abgeltung des urlaubsanspruches aus den jahren 2001 und 2016 ist rechtswidrig und verletzt den kläger in seinen rechten (vgl. § 113 abs. 5 satz 1 der verwaltungsgerichtsordnung – vwgo), soweit sie den zeitraum vom 12. september 2013 bis zum 31. dezember 2016 umfasst. im übrigen ist gegen die ablehnung aber rechtlich nichts zu erinnern. 18ein anspruch auf finanzielle abgeltung von nicht genommenen erholungsurlaub ergibt sich im allgemeinen aus § 19a abs. 1 satz 1 der verordnung über die freistellung wegen mutterschutz für beamtinnen und richterinnen, eltern- und pflegezeit, erholungs- und sonderurlaub der beamtinnen und beamten und richterinnen und richter im land nordrhein-westfalen in der hier zum zeitpunkt des eintritts des klägers in den ruhestand maßgeblichen fassung vom 1. januar 2019 (frurlv nrw). 19nach dieser vorschrift ist erholungsurlaub bis zu einer dauer von 20 arbeitstagen im urlaubsjahr (mindesturlaub), der zum zeitpunkt der beendigung des beamtenverhältnisses krankheitsbedingt ganz oder teilweise nicht in anspruch genommen und zu diesem zeitpunkt nach § 19 absatz 2 frurlv nrw nicht verfallen ist, von amts wegen finanziell abzugelten. gleiches gilt für nicht beanspruchten zusatzurlaub nach § 208 absatz 1 satz 1 des neunten sozialgesetzbuches (sgb ix). 20die voraussetzungen der norm liegen nur für einen teil des geltend gemachten zeitraums vor, nämlich für die zeit der rechtswidrigen entfernung aus dem dienstverhältnis. 211. 22für die jahre 2001 und 2002 scheidet der anspruch bereits deshalb aus, weil der jeweilige urlaubsanspruch verfallen ist. bei der frage, ob ein anspruch besteht, der sich – wie hier – auf einen bestimmten zeitraum bezieht, ist auf die im betroffenen zeitraum geltende rechtslage abzustellen. ob der kläger mithin für die jahre 2001 und 2002 überhaupt noch einen abgeltungsfähigen urlaubsanspruch hat, ist damit anhand des für diesen zeitraum geltenden rechts zu beurteilen. 23vgl. ovg nrw, beschluss vom 10. märz 2014 - 6 a 2680/12 -, juris, rn. 10 ff. 24demgemäß ist das bestehen der aus den jahren 2001 und 2002 stammenden urlaubsansprüche zu verneinen. nach der damals maßgeblichen vorschrift des § 8 abs. 2 satz 1 der erholungsurlaubsverordnung nordrhein-westfalen in der fassung vom 14. september 1993 (euv nrw) verfiel erholungsurlaub, der nicht innerhalb von neun monaten nach dem ende des jeweiligen urlaubsjahres in anspruch genommen worden ist. demnach sind der urlaubsanspruch aus dem jahr 2001 am 1. oktober 2002 und der urlaubsanspruch aus dem jahr 2002 am 1. oktober 2003 verfallen. 25dem kann auch nicht die rechtsprechung des europäischen gerichtshofes über zum teil hiervon abweichende grundsätze des verfalls und der finanziellen abgeltung von erholungsurlaub entgegengehalten werden. denn diese judikatur bezieht sich auf art. 7 der richtlinie 2003/88/eg des europäischen parlaments und des rates vom 4. november 2003 über bestimmte aspekte der arbeitszeitgestaltung (rl 2003/88/eg). diese ist aber erst am 2. august 2004 in kraft getreten, einem zeitpunkt, in dem die urlaubsansprüche des klägers aus den jahren 2001 und 2002 bereits verfallen waren. 262. 27für den jeweiligen urlaubsanspruch aus den jahren 2003 bis zum 11. september 2013, für den die europarechtlichen vorgaben mithin gelten, scheidet ein anspruch auf finanzielle abgeltung jedenfalls daran, dass der kläger nicht – wie § 19a abs. 1 satz 1 frurlv nrw fordert – aus krankheitsgründen den erholungsurlaub nicht in anspruch nehmen konnte, sondern weil er rechtmäßig vorläufig des dienstes enthoben war. 28die vorschrift des § 19a abs. 1 frurlv nrw ist auch nicht vor dem hintergrund der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes zu art. 7 rl 2003/88/eg auf den fall wegen suspendierung nicht genommenen erholungsurlaubs zu erweitern. der anspruch auf erholungsurlaub und dessen finanzielle abgeltung werden – wie bereits angedeutet – unionsrechtlich durch art. 7 rl 2003/88/eg überformt. nach dessen absatz 1 haben die mitgliedsstaaten dafür sorge zu tragen, dass ein arbeitnehmer bezahlten mindestjahresurlaub von vier wochen erhält. eine finanzielle abgeltung kommt nach dem absatz 2 nur im falle der beendigung des arbeitsverhältnisses in betracht. 29die vorschrift des art. 7 rl 2003/88/eg ist dabei auch auf beamte anwendbar. 30vgl. bverwg, urteil vom 31. januar 2013 - 2 c 10. 12 -, juris, rn. 9 ff. mit weiteren nachweisen. 31dabei hat der europäische gerichtshof zunächst überwiegend nur über fälle entschieden, in denen der betroffene arbeitnehmer seinen anspruch auf erholungsurlaub wegen einer langandauernden erkrankung nicht realisieren konnte. 32vgl. etwa eugh, urteil vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris. 33in jüngerer zeit hat er aber klargestellt, dass der anspruch auf erholungsurlaub bzw. finanzielle abgeltung von erholungsurlaub generell nicht entfallen bzw. ausgeschlossen werden darf, wenn es dem betroffenen arbeitnehmer nicht möglich war, den gesamten bezahlten jahresurlaub zu nehmen, der ihm zustand. die langandauernde erkrankung ist demnach nur ein – wenn auch wichtiges – beispiel. dieselben grundsätze gelten nach der rechtsprechung des gerichtshofes ausdrücklich auch für den fall, in dem der arbeitnehmer rechtswidrig entlassen worden ist und dann – wegen der aufhebung der rechtswidrigen entlassung – weiter beschäftigt wird. denn im falle der rechtswidrigen entlassung kann der arbeitnehmer gerade keinen erholungsurlaub (mehr) geltend machen, weil das arbeitsverhältnis beendet worden ist. 34vgl. eugh, urteil vom 25. juni 2020 - c-762/18 u. a. (varhoven kasatsionen sad na republika bulgaria) -, juris, rn. 78, 85. 35insoweit hat der anspruch auf finanzielle abgeltung des erholungsurlaubes nach art. 7 abs. 2 rl 2003/88/eg lediglich die beiden voraussetzungen, dass zum einen das arbeitsverhältnis beendet ist und zum anderen der arbeitnehmer nicht den gesamten jahresurlaub genommen hat, auf den er bis zur beendigung des arbeitsverhältnisses anspruch hatte. 36vgl. eugh, urteile vom 25. juni 2020 - c-762/18 u. a. (varhoven kasatsionen sad na republika bulgaria) -, juris, rn. 84, und vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris, rn. 31. 37so liegt die sache hier aber nicht. denn der kläger hatte im benannten zeitraum gar keinen anspruch auf erholungsurlaub. die vorläufige enthebung des dienstes führt nämlich dazu, dass der betroffene in dem jahr, in dem er durchgängig des dienstes enthoben worden war, keinen anspruch auf erholungsurlaub hatte. 38vgl. ovg nrw, beschluss vom 13. februar 2018 - 6 b 1147/17 -, juris, rn. 6; bayerischer vgh, beschluss vom 18. november 2015 - 6 zb 15. 1856 -, juris, rn. 8. 39die gewährung von erholungsurlaub kommt hierbei bereits deshalb nicht in betracht, weil eine dienstleistungspflicht, von der der beamte freizustellen wäre, mit der suspendierung nicht mehr besteht. die freistellung von der dienstleistungspflicht für einen zeitraum, in dem nach dem jeweiligen arbeitszeitrecht dienst zu leisten wäre, ist aber maßgebender inhalt der urlaubsgewährung. wird ein beamter vorläufig des dienstes enthoben, so ist er von seiner pflicht zur dienstleistung in vollem umfang entbunden, 40vgl. bverwg, urteil vom 24. april 1980 - ii c 26. 77 -, juris, rn. 25, 41so dass für die gewährung von erholungsurlaub zum zweck der entbindung von der pflicht zur dienstleistung in demselben zeitraum denknotwendig kein raum mehr eröffnet ist. 42dies gilt demnach für die jahre 2002 bis zum 11. september 2013, in dem der kläger vorläufig des dienstes enthoben war. anders als in dem zitierten, vom europäischen gerichtshof entschiedenen fall einer rechtswidrigen beendigung des arbeitsverhältnisses erweist sich hier die suspendierung auch nicht als rechtswidrig. ansatzpunkt für den europäischen gerichtshof war, dass ein arbeitnehmer, der in rechtswidriger weise entlassen worden ist, für den zeitraum, in dem die entlassung tatsächlich wirkung entfaltete, wegen der rechtswidrigkeit der beendigung eines arbeitsverhältnisses einen anspruch auf erholungsurlaub hatte. vorliegend erwies sich die vorläufige enthebung des dienstes aber nicht als rechtswidrig. vielmehr war nur die im rahmen des disziplinarverfahrens vom beklagten angestrengte, vom verwaltungsgericht n. angeordnete und vom oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen bestätigte disziplinarmaßnahme selbst (entfernung aus dem dienst) rechts- bzw. verfassungswidrig. gegenstand des bis zum bundesverfassungsgericht angestrengten disziplinarklageverfahrens war indes gerade nicht die suspendierung, die insoweit bestandskräftig geworden ist. es gibt auch keine hinweise darauf, dass diese rechtswidrig gewesen ist. nach dem zum zeitpunkt der vorläufigen dienstenthebung geltenden § 91 der disziplinarordnung für das land nordrhein-westfalen (do nrw) konnte die einleitungsbehörde (hier: die bezirksregierung n. ) einen beamten vorläufig des dienstes entheben, wenn ein dienstliches bedürfnis vorliegt und das förmliche disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet worden ist. gegen diese vorläufige enthebung hat sich der kläger nicht gewandt. von daher wäre selbst in dem fall, in dem die bezirksregierung n. von beginn an unter beachtung der verfassungsrechtlichen vorgaben eine disziplinarmaßnahme erstritten hätte, der kläger suspendiert gewesen und hätte keinen anspruch auf erholungsurlaub gehabt. die rechtswidrigkeit der disziplinarmaßnahme hatte insoweit keine inhaltlichen auswirkungen auf die bestandskräftige suspendierung des klägers. 43vor diesem hintergrund gibt es auch auf der grundlage der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes keinen anlass, § 19a frurlv nrw dahingehend zu erweitern, dass er auch in den fällen greift, in denen der betroffene beamte – bestandskräftig – suspendiert wird und insoweit ohnehin keinen anspruch auf erholungsurlaub erhält, der abgeltungsfähig ist. 443. 45etwas anderes gilt aber für den zeitraum vom 12. september 2013 bis zum 13. dezember 2016. denn die (bestandskräftige) suspendierung endete mit der rechtskräftigen entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen vom 11. september 2013, mit der der kläger aus dem beamtenverhältnis entlassen worden ist (vgl. § 95 abs. 3 do nrw). dass der kläger daraufhin verfassungsbeschwerde eingelegt hat, ändert nichts an der rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen entscheidung. die verfassungsbeschwerde ist kein rechtsmittel, das bundesverfassungsgericht kein im verwaltungsgerichtlichen instanzenzug eingebundenes fachgericht. eine verfassungsbeschwerde hat damit auf den eintritt der rechtskraft einer fachgerichtlichen entscheidung keinen einfluss. 46vgl. bverfg, beschluss vom 30. april 2003 - 1 pbvu 1/02 -, juris, rn. 60; ovg nrw, beschluss vom 16. juli 2014 - 18 b 697/14 -, juris, rn. 2. 47bis zur aufhebung der urteile des verwaltungsgerichts n. sowie des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen durch beschluss des bundesverfassungsgerichts vom 12. august 2015 war die angeordnete entlassung des klägers aus dem dienst mit verkündung des urteils vom 11. september 2013 (vgl. § 90 do nrw) demnach rechtskräftig. weil diese aber rechtswidrig war, gilt für den zeitraum der entfernung aus dem dienstverhältnis bis zur wiederaufnahme des dienstes, d. h. zwischen dem 11. september 2013 und dem 13. dezember 2016, die oben genannte rechtsprechung des europäischen gerichtshofes. zwar war der kläger entgegen § 19a abs. 1 satz 1 frurlv nrw nicht dienstunfähig an der inanspruchnahme seines erholungsurlaubes gehindert. er konnte den erholungsanspruch in diesem zeitraum aber deshalb nicht realisieren, weil er rechtswidrig aus dem dienst entfernt war. wegen der rechtswidrigkeit dieser maßnahme ist ihm auch ein erholungsurlaubsanspruch entstanden, den zu nehmen er gehindert war. 48vgl. eugh, urteil vom 25. juni 2020 - c-762/18 u. a. (varhoven kasatsionen sad na republika bulgaria) -, juris, rn. 78. 49dagegen kann nicht angeführt werden, für den zeitraum ab der entscheidung des bundesverfassungsgerichts bis zur wiederaufnahme des dienstes, d. h. von dem 13. august 2015 bis einschließlich dem 13. dezember 2016, sei – so wohl die überlegung des beklagten (vgl. bl. 34 der beiakte – heft 5) – die suspendierung wieder zu leben erweckt worden. denn nach dem vom europäischen gerichtshof formulierten grundgedanken des anspruches auf finanzielle abgeltung bei rechtswidriger beendigung des arbeitsverhältnisses kommt es entscheidend darauf an, wann der betroffene tatsächlich wieder seinen dienst aufnimmt – oder wie in diesem fall, wann er seinen dienst wieder aufzunehmen hat –, nicht aber, wann die beendigung des arbeitsverhältnisses für unwirksam erklärt wird. denn der betroffene hätte in der gesamten zeit bis zu seiner wiederaufnahme des dienstes einen anspruch auf erholungsurlaub erworben, den es nunmehr abzugelten gilt. so liegt die sache auch hier. hätte das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen bereits am 11. september 2013 unter beachtung der verfassungsrechtlichen vorgaben entschieden, wäre der kläger nicht aus dem beamtenverhältnis entfernt worden, d. h. hätte ab dem 12. september 2013 seinen dienst wieder aufnehmen können. dass dies erst am 14. dezember 2016 erfolgen konnte, liegt darin, dass das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen aufgrund der verfassungswidrigkeit seines urteils vom 11. september 2013 erneut über die sache hat entscheiden müssen. dies kann aber nicht dem kläger angelastet werden. 50aus der genannten entscheidung des europäischen gerichtshofes ergibt sich zudem, dass der anspruch auf finanzielle abgeltung unabhängig von den verfallsregelungen gilt. denn der gerichtshof formuliert ausdrücklich, dass der anspruch auf finanzielle abgeltung für den zeitraum zwischen dem tag der rechtswidrigen entlassung und dem tag der aufgrund der nichtigkeitserklärung erfolgten wiederaufnahme seiner beschäftigung erworben hat, nicht ausgeschlossen werden darf. weitere voraussetzungen für den abgeltungsanspruch oder etwaige einschränkungen desselben werden gerade nicht formuliert. demnach steht dem betroffenen nach wiederaufnahme seiner tätigkeit nach aufhebung einer rechtswidrigen entlassung der anspruch auf finanzielle abgeltung unbedingt zu. 51vgl. aber vg freiburg, urteil vom 9. oktober 2020 - 5 k 303/19 -, juris, rn. 49, das von „hemmung“ der verfallslaufzeiten spricht. 52hierfür spricht auch die betrachtung der übrigen in der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes entwickelten grundsätze zum verfall von erholungsurlaubsansprüchen. nach diesen ist in den fällen, in denen der beamte seinen erholungsurlaubsanspruch nicht realisieren konnte, ein verfall des anspruches grundsätzlich ausgeschlossen. eine ausnahme wird nur bei besonderen umständen bejaht, etwa wenn der beamte durchgängig dienstunfähig erkrankt ist oder aber der dienstherr den beamten durch den hinweis auf den verfall tatsächlich in die lage versetzt hat, den urlaub zu nehmen. 53vgl. eugh, urteile vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris (durchgängige erkrankung), und vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris (hinweis des dienstherrn). 54solche, den verfall von erholungsurlaubsansprüchen ausnahmsweise legitimierenden besonderen umstände sind hier aber gerade nicht ersichtlich. durch sein rechtswidriges verhalten ist der dienstherr auch nicht schutzwürdig. 55vor diesem hintergrund ist § 19 abs. 2 frurlv nrw auch dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass das institut des verfalles für solche erholungsurlaubsansprüche keine beachtung findet, die in einem zeitraum rechtswidriger beendigung des dienstverhältnisses entstanden sind. 564. 57auch für den zeitraum vom 14. bis 31. dezember 2016 steht dem kläger ein finanzieller abgeltungsanspruch zu – und damit unter berücksichtigung des vorgenannten für das gesamte jahr 2016. denn in diesem zeitraum war der kläger dienstunfähig erkrankt und konnte auch deshalb den erholungsurlaub nicht in anspruch nehmen. 58zum zeitpunkt der beendigung des dienstverhältnisses am 31. dezember 2018 war dieser anspruch entgegen § 19 abs. 2 frurlv nrw auch nicht verfallen. das institut des verfalles findet hier anwendung, weil es nicht um erholungsurlaub im zusammenhang mit einer rechtswidrigen beendigung des dienstverhältnisses geht. nach der vorschrift wäre der urlaub aus 2016 auch an sich zum 31. märz 2018 verfallen. es ist vorliegend auch nicht die vom bundesarbeitsgericht dem europäischen gerichtshof vorgelegte frage betroffen, ob und unter welchen bedingungen urlaubsansprüche verfallen, die aus einem jahr stammen, in dem der betroffene teilweise dienstfähig und teilweise dienstunfähig war. 59vgl. dazu bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris. 60denn der kläger war im jahr 2016 zwar nur teilweise krankheitsbedingt dienstunfähig, im übrigen aber nicht dienstfähig, sondern (rechtswidrig) aus dem dienstverhältnis entfernt. er war daher das gesamte jahr 2016 nicht in der lage, erholungsurlaub zu nehmen. diese fallgestaltung bedarf aus den nachfolgenden gründen auch keiner weiteren klärung durch den europäischen gerichtshof. 61einem verfall steht vorliegend zunächst nicht die regelung des § 19 abs. 6 frurlv nrw in der fassung der verordnung vom 6. oktober 2020, in kraft getreten am 22. oktober 2020, entgegen. danach setzt der verfall des urlaubsanspruches voraus, dass der dienstherr zu beginn eines kalenderjahres über den ersatzlosen verfall noch vorhandenen urlaubsanspruches belehrt. zwar ist diese vorschrift ohnehin erst nach dem hier maßgeblichen zeitpunkt des entstehens eines möglichen abgeltungsanspruchs in kraft getreten und daher auf den vorliegenden fall bereits deshalb nicht anwendbar. denn die regelung ist erst zum 22. oktober 2020 in kraft getreten und damit nach dem zeitpunkt des entstehens eines möglichen abgeltungsanspruchs mit eintritt des klägers in den ruhestand mit ablauf des 31. dezember 2018. 62allerdings stellt sie die umsetzung einer rechtsprechung des europäischen gerichtshofes dar, die unabhängig von der nationalen regelungssituation gilt und damit bei richtlinienkonformer auslegung des § 19 abs. 2 frurlv nrw auch uneingeschränkt in gestalt einer unionsrechtskonformen anwendung bei früheren rechtslagen zu berücksichtigen ist. 63vgl. zu dieser rechtsprechung eugh, urteile vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris, rn. 24 ff. , 52; und c-684/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris, rn. 18 ff. , 45. 64nach dieser judikatur kann ein verfall des urlaubsanspruches nur dann eintreten, wenn die dienstvorgesetzte stelle von amts wegen dem beamten zu beginn eines jeden kalenderjahres den vorhandenen urlaubsanspruch nach der freistellungs- und urlaubsverordnung in textform mitteilt und zur rechtzeitigen beantragung und inanspruchnahme des urlaubs auffordert, sowie für den fall der nichtinanspruchnahme über den ersatzlosen verfall nach absatz 2 belehrt. wird die mitteilungspflicht nicht oder unvollständig erfüllt, tritt nicht beanspruchter mindesturlaub nach § 19a abs. 1 satz 1 frurlv nrw entsprechend dieser rechtsprechung am ende des übertragungszeitraums nach absatz 2 satz 1 zu dem im folgejahr entstandenen urlaubsanspruch hinzu beziehungsweise wird zum zeitpunkt der beendigung des beamtenverhältnisses entsprechend dem verfahren nach § 19a finanziell abgegolten. die sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für den zusatzurlaubsanspruch nach § 208 absatz 1 satz 1 sgb ix. 65von daher ist § 19 abs. 2 frurlv nrw in den fällen wie hier, in denen § 19 abs. 6 frurlv nrw noch keine anwendung findet, grundsätzlich richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass dieser nur dann wirkung entfaltet, wenn der insoweit beweisbelastete dienstherr den nachweis erbringt, dass er vorab dafür gesorgt hat, dass der beamte als arbeitnehmer tatsächlich in der lage ist, seinen bezahlten jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der urlaub ihm noch die erholung und entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am ende des bezugs- oder eines zulässigen übertragungszeitraums oder am ende des beamtenverhältnisses, wenn dies in einen solchen zeitraum fällt, verfallen wird. 66vgl. eugh, urteile vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris, rn. 52, und c-648/16 (max-planck-gesellschaft zur förderung der wissenschaften) -, juris, rn. 45. 67in den fällen, in denen eine solche belehrung nicht erfolgt ist, liegen in der regel die nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes geforderten besonderen umstände, die zum entfallen des urlaubsanspruchs in fällen fortdauernder dienst- bzw. arbeitsunfähigkeit führen können, auch nach ablauf der vorstehend dargestellten zulässigen übertragungszeit von 15 monaten nicht vor. 68vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 17; urteil vom 19. februar 2019 - 9 azr 541/15 -, juris, rn. 21 ff; urteil vom 19. februar 2019 - 9 azr 423/16 -, juris. 69danach bestehen die aufforderungs- und hinweisobliegenheiten des dienstherrn regelmäßig auch, wenn und solange der beamte dienstunfähig ist. sie können ihren zweck grundsätzlich erfüllen, weil sich die dauer der erkrankung nicht von vornherein absehen lässt. dem dienstherrn ist es regelmäßig möglich, den dienstunfähigen beamten entsprechend den gesetzlichen vorgaben rechtzeitig und zutreffend über den umfang und die befristung des urlaubsanspruchs unter berücksichtigung des bei einer langandauernden erkrankung geltenden übertragungszeitraums zu unterrichten. der dienstherr ist in den fällen einer erkrankung in der regel nicht gehindert, den beamten rechtzeitig aufzufordern, den urlaub bei wiedergenesung vor ablauf des urlaubsjahres oder des übertragungszeitraums zur vermeidung des verfalls so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden urlaubsjahres oder des übertragungszeitraums gewährt und genommen werden kann, so dass der beamte ab dem ersten arbeitstag nach seiner wiedergenesung urlaub in anspruch nehmen kann. 70vgl. bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 21. 71dabei ist auch eine ausnahme von der hinweisobliegenheit des dienstherrn, den die erkennende kammer in übereinstimmung mit dem bundesarbeitsgericht in den fällen durchgängiger, d. h. während des bezugs- sowie übertragungszeitraums andauernder dienstunfähigkeit bejaht, weil ein hinweis auf den verfall dann nicht mehr seinen zweck erfüllt, 72vgl. vg gelsenkirchen, urteile vom 25. mai 2022 - 1 k 4003/20 sowie 1 k 2881/21 -; bag, beschluss vom 7. juli 2020 - 9 azr 401/19 -, juris, rn. 17, 73hier nicht angezeigt. denn der kläger war im hinblick auf das urlaubsjahr 2016 nicht durchgängig dienstunfähig erkrankt. bis einschließlich 13. dezember 2016 ist er aus den benannten gründen so zu behandeln, als wäre er im dienst gewesen und der anspruch auf erholungsurlaub entstanden. überdies war er im übertragungszeitraum teilweise, genauer zwischen dem 25. februar und 31. märz 2017, nicht dienstunfähig erkrankt. dass in diesem fall der hinweis auf den verfall seinen zweck zu erfüllen vermochte, zeigt sich auch gerade daran, dass der kläger in dem zeitraum bestehender dienstfähigkeit nach entsprechender auskunft seines dienstherrn seinen noch bestehenden erholungsurlaub in anspruch genommen hat. vor diesem hintergrund sieht die kammer keinen anlass, für die hiesige konstellation eine ausnahme von der bestehenden hinweisobliegenheit des dienstherrn anzunehmen. 74danach bestand grundsätzlich auch im vorliegenden fall eine pflicht des dienstherrn, den kläger über den anstehenden verfall seines – krankheitsbedingt nicht genommenen urlaubs – zu informieren. dabei obliegt es dem beklagten nachzuweisen, dass er seine informations- und belehrungsobliegenheiten erfüllt hat. 75vgl. eugh, urteil vom 6. november 2018 - c-619/16 (kreuziger) -, juris, rn. 53. 76dem ist der beklagte hier indes nicht hinreichend nachgekommen. soweit er darauf verweist, es habe im hausintranet entsprechende informationen zur verfügung gestellt, genügt dies nicht. nicht nur, dass es an einer zum zwecke der substantiierung erfolgten vorlage eines maßgeblichen exemplars der zur verfügung gestellten informationen mangelt, ergibt sich bereits aus dem vortrag des beklagten selbst, dass es sich hier nur um allgemeine und nicht auf den konkreten beamten und das konkrete urlaubsjahr bezogene informationen gehandelt hat. der dienstherr hat aber den konkreten beamten in die lage zu versetzen, seinen – insoweit konkret zu beziffernden – noch offenstehenden anspruch auf erholungsurlaub zu realisieren. 77auch die schriftliche information des beklagten vom 10. januar 2017 (bl. 35 der beiakte – heft 4) genügt nicht. zwar wird auf einen verfall hingewiesen. dieser betrifft aber ausdrücklich nur den aus dem jahr 2015 stammenden urlaub. im hinblick auf das urlaubsjahr 2016 wird lediglich darüber informiert, dass ein anspruch noch auf 30 tage bestehe. der verfall wird weder allgemein noch in bezug auf ein konkretes eintrittsdatum dargelegt. demnach ist der beklagte seiner hinweisobliegenheit nicht nachgekommen, mit der folge, dass der urlaub aus dem dezember 2016 nicht verfallen ist. 785. 79vor diesem hintergrund ist dem kläger in der zeit vom 12. september 2013 bis zum 31. dezember 2016 anspruch auf erholungsurlaub entstanden, den es vom beklagten finanziell abzugelten gilt. 80hinsichtlich der höhe ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich sowohl § 19a frurlv nrw als auch art. 7 rl 2003/88/eg ausschließlich auf einen mindesturlaub in höhe von vier wochen bzw. 20 tagen beziehen. der europäische gerichtshof hat hervorgehoben, dass art. 7 rl 2003/88/eg sich auf die aufstellung von mindestvorschriften für sicherheit und gesundheitsschutz beschränkt. es sei sache der mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den beamten weitere ansprüche auf bezahlten urlaub gewähren. deshalb sind urlaubstage, die über den nach art. 7 rl 2003/88/eg unionsrechtlich gewährleisten mindesturlaub hinausgehen, nicht vom unionsrechtlichen urlaubsanspruch umfasst, sondern unterliegen ausschließlich den nationalen regelungen. 81vgl. eugh, urteil vom 3. mai 2012 - c-337/10 (neidel) -, juris, rn. 35 ff. ; bverwg, urteil vom 31. januar 2013 - 2 c 10. 12 -, juris, rn. 18. 82der nationale gesetzgeber hat sich dabei aber – wie § 19a frurlv nrw zeigt – auf den mindesturlaub beschränkt und einen weitergehenden abgeltungsanspruch nicht eröffnet. 83a) für das jahr 2013 bedarf es dabei einer anteiligen berechnung nach § 18 abs. 3 frurlv. danach besteht ein urlaubsanspruch auf ein zwölftel des jahresurlaubs für jeden vollen monat der dienstzugehörigkeit, wobei von einem vollen monat auszugehen ist, wenn das beamtenverhältnis am ersten regelmäßigen werktag eines monats beginnt beziehungsweise am letzten regelmäßigen werktag eines monats endet. demnach besteht für das jahr 2013 ein urlaubs- und damit abgeltungsanspruch nur für die monate oktober bis dezember, mithin in höhe von (20 : 12 x 3 =) 5 tagen. 84b) für die jahre 2014, 2015 und 2016 ist dem kläger der anspruch auf mindesturlaub jeweils in voller höhe entstanden, mithin insgesamt 60 tagen. 85einschränkend ist aber zu berücksichtigen, dass der kläger vom 25. februar bis zum 31. märz 2017, mithin 25 tage, erholungsurlaub in anspruch genommen hat. soweit dies den für 2017 zustehenden mindesturlaub übersteigt (fünf tage), ist dieser „überschuss“ auf den mindesturlaub der vorjahre anzurechnen, so dass dem kläger für die jahre 2014, 2015 und 2016 nur ein abgeltungsanspruch in höhe von 55 tagen zusteht. 86dabei ist zu berücksichtigen, dass es nach der höchstrichterlichen rechtsprechung bei der berechnung der dem beschäftigten zustehenden urlaubstage im rahmen der ansprüche aus art. 7 abs. 1 rl 2003/88/eg nach dem zweck dieser norm zunächst nur darauf ankommt, ob und wie viel urlaub der betreffende im konkreten jahr genommen hat. unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen urlaubsjahr übertragenen urlaub gehandelt hat. art. 7 abs. 1 rl 2003/88/eg möchte allein sicherstellen, dass der betroffene arbeitnehmer im betroffenen jahr den erforderlichen mindesturlaub nimmt. auf den rechtsgrund des genommenen urlaubs kommt es dabei nicht an. 87vgl. bverwg, urteil vom 31. januar 2013 - 2 c 10. 12 -, juris, rn. 23; ovg nrw, urteil vom 3. juni 2015 - 6 a 2326/12 -, juris, rn. 67 ff; vg düsseldorf, urteil vom 12. märz 2021 - 2 k 3079/19 -, juris, rn. 51 ff. 88dies bedeutete für den vorliegenden fall, dass der kläger, da er nur im jahr 2017 urlaub genommen hat, für die früheren jahre noch den vollen anspruch auf mindesturlaub hätte. dass der im jahr 2017 in anspruch genommene urlaub offiziell als aus dem im jahr 2015 entstandenen urlaubsanspruch gewertet wurde, spielt nach besagtem keine rolle. 89einschränkend wird allerdings in der rechtsprechung angenommen, dass mindesturlaub des laufenden jahres nicht die urlaubstage sein können, die mindesturlaub des vorangegangenen jahres sind. ohne dass es einer genauen zuordnung zum laufenden oder vorangegangenen urlaubsjahr bedarf, sollen urlaubstage daher noch dem vorjahr zugeordnet werden können, wenn der mindesturlaub des vorjahres noch nicht eingebracht wurde. von daher kann nicht genommener mindesturlaub aus dem vorjahr durch über den mindesturlaub hinausgehenden urlaub im folgejahr als ausgeglichen betrachtet werden. 90vgl. vg regensburg, urteil vom 10. oktober 2014 - rn 1 k 13. 1973 - juris rn. 52; vg münchen, urteil vom 24. märz 2021 - m 21a k 19. 532 -, juris, rn. 31; vg bayreuth, urteil vom 14. juli 2020 - b 5 k 19. 285 -, juris, rn. 28. 91dem schließt sich das erkennende gericht an. denn in den fällen, in denen – wie hier – in einem jahr (2016) weniger (kein), im folgejahr (2017) aber deutlich mehr als der dem betroffenen zustehenden mindesturlaub genommen wird, besteht kein anlass, den beamten zu schützen, weil er bei gesamtbetrachtung den ihm zustehenden und unionsrechtlich vermittelten (mindest-)urlaub erhalten hat. andernfalls könnte ein arbeitnehmer bzw. beamter seinen anspruch auf mindesturlaub regelmäßig beinahe verdoppeln, indem er in einem jahr nahezu gar keinen urlaub nimmt, diesen im folgejahr aber nachholt, aber gleichwohl weiterhin anspruch auf die differenz aus dem mindesturlaub und dem tatsächlich genommenen urlaub aus dem vorjahr erhält. zweck der rl 2003/88/eg ist es letztlich „nur“, den arbeitnehmer in die lage zu versetzen, den ihm zustehenden mindesterholungsurlaub in anspruch zu nehmen, und ihn vor einem voraussetzungslosen verlust seines urlaubsanspruches zu bewahren. wie der arbeitnehmer bzw. beamte den ihm zustehenden mindesturlaub aber einsetzt, kann ihm dabei selbst überlassen bleiben. von daher stellt der europäische gerichtshof auch tatsächlich darauf ab, ob der betroffene beamte seinen erholungsurlaub nicht zwangsweise im selben urlaubsjahr, sondern unter anderem während des gesamten übertragungszeitraumes, d. h. bis zu dem nach nationaler regelung eintretenden verfall, in anspruch genommen hat. 92vgl. etwa eugh, urteile vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris, rn. 25 ff. , und vom 20. januar 2009 - c-350/06 u. a. (schultz-hoff) -, juris, rn. 41 ff. 93dies steht auch mit dem zweck des erholungsurlaubs im einklang. erholungsurlaub soll einerseits der erholung von verrichteter arbeitsleistung, anderseits der gewährleistung eines zeitraumes für entspannung und freizeit dienen. 94vgl. eugh, urteile vom 22. november 2011 - c-214/10 (khs) -, juris, rn. 31, und vom 20. januar 2009 - c-350/06 u. a. (schultz-hoff) -, juris, rn. 25. 95diese beiden zwecke werden aber auch dann erreicht, wenn der betroffene beamte seinen mindesturlaubsanspruch jedenfalls innerhalb des gesamten bezugs- und übertragungszeitraumes realisiert. ein in einem jahr über den mindesturlaub hinausgehender, tatsächlich genommener urlaub kann demnach auch unter wahrung der zwecke des erholungsurlaubes entsprechende defizite beim mindesturlaub aus den vorjahren ausgleichen können. der beamte ist nicht verpflichtet, seinen gesamten mindesturlaub gleich in demselben urlaubsjahr zu nehmen. es kommt vielmehr darauf an, ob er seinen erholungsurlaub während des gesamten zeitraumes, d. h. im urlaubsjahr und im übertragungszeitraum, in anspruch genommen hat. 96vgl. die gleiche wertung des ovg nrw, urteil vom 3. juni 2015 - 6 a 2326/12 -, juris, rn. 84. 97dies widerspricht auch nicht der vom bundesverwaltungsgericht angenommenen jahresspezifischen und rechtsgrundlosen betrachtung des erholungsurlaubes. denn ob die anzahl der in einem jahr genommenen tage an erholungsurlaub frühere defizite ausgleicht, ist keine frage nach dem rechtsgrund genommenen erholungsurlaubes, sondern allein nach dessen höhe. insoweit wird in übereinstimmung mit dem bundesverwaltungsgericht weiterhin nicht gefragt, ob der anspruch auf den genommenen urlaub letztlich im vor- oder gar vorvorjahr entstanden ist. maßgeblich ist vielmehr allein, ob der unionsrechtlich garantierte mindesturlaub vor seinem verfall gewährt wurde oder nicht. 98angesichts dessen sind für das jahr 2016 fünf tage als genommen zu werten. es sind demnach für den gesamten zeitraum (2013 bis 2016) 60 tage abzugelten. 996. 100ein hierüber hinausgehender anspruch steht dem kläger auch nicht auf grundlage von art. 7 abs. 2 rl 2003/88/eg zu. 101aus dieser vorschrift ergibt sich über das nationale recht hinaus unmittelbar ein abgeltungsanspruch, wenn der arbeitnehmer bzw. beamte nicht die möglichkeit hatte, den ihm zustehenden mindesturlaub in anspruch zu nehmen. 102vgl. ovg nrw, beschluss vom 3. april 2017 - 6 a 1084/15 -, juris, rn. 16. 103im streitfall gewährt art. 7 abs. 2 rl 2003/88/eg jedoch keine über die nationalen bestimmungen hinausgehenden ansprüche, da dessen voraussetzungen in den entscheidungserheblichen punkten identisch sind. dies zugrunde gelegt kann der kläger aus art. 7 abs. 2 rl 2003/88/eg im streitfalle keine weitergehenden rechte ableiten, als aus § 19a frurlv nrw. zur weiteren begründung wird zur vermeidung von wiederholungen auf die bereits zu § 19a frurlv nrw erfolgten ausführungen verwiesen. 104die kostenentscheidung beruht auf § 155 abs. 1 satz 1 vwgo. zugunsten des klägers unterstellt, die von ihm begehrte abgeltung umfasse nur jeweils den mindesturlaub, für den zeitraum zwischen 2001 und 2016 insgesamt mithin 320 tage, unterliegt der kläger im hinblick auf knapp 80 %. 105die berufung ist nach § 124a abs. 1 satz 1 in verbindung mit § 124 abs. 2 nr. 3 vwgo zuzulassen, da die rechtssache im hinblick auf den verfall von erholungsurlaubsansprüchen in zeiten einer suspendierung grundsätzliche bedeutung hat. 106rechtsmittelbelehrung: 107gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 1081. ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 1092. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 1103. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 1114. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 1125. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 113die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich einzureichen. 114auf die unter anderem für rechtsanwälte, behörden und juristische personen des öffentlichen rechts geltende pflicht zur übermittlung von schriftstücken als elektronisches dokument nach maßgabe der §§ 55a, 55d verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv –) wird hingewiesen. 115im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo. | Klaeger*in | 1 |
327,764 | 12 K 5861/19.A | 2020-04-02T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. August 2019 und vom 18. Dezember 2019 werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. 1Tatbestand: 2Die aus Syrien stammenden Eltern der Klägerinnen reisten mit den beiden älteren Geschwistern aus Rumänien kommend am 11. Februar 2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 1. März 2017 einen Asylantrag, den das Bundesamt mit Bescheid vom 13. März 2017 unter Hinweis auf den ihnen durch Rumänien gewährten internationalen Schutz als unzulässig ablehnte (Gz.: 0000000-475). Die hiergegen erhobene Klage (8 K 5202/17.A) und der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (8 L 1423/17.A) waren erfolgreich. 3Das Bundesamt lehnte den Asylantrag der Eltern der Klägerinnen mit Bescheid vom 15. Juli 2019 (erneut) als unzulässig ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Zugleich forderte es sie auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen, drohte ihnen die Abschiebung nach Rumänien oder einen anderen aufnahmebereiten oder aufnahmeverpflichteten Staat an, verbot ihre Abschiebung nach Syrien und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung wurde ausgesetzt. Das Klageverfahren ist unter dem Aktenzeichen 8 K 5520/19.A anhängig. 4Die Eltern der Klägerinnen stellten für die am 00.00.2017 geborene Klägerin zu 1. am 9. März 2018 einen Asylantrag. Für die am 00.00.2019 geborene Klägerin zu 2. stellten sie am 28. Februar 2019 einen Asylantrag. 5Das Bundesamt lehnte den Asylantrag der Klägerinnen mit Bescheid vom 2. August 2019 (Klägerin zu 1.) bzw. mit Bescheid vom 18. Dezember 2019 (Klägerin zu 2.) jeweils als unzulässig ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Zugleich forderte es die jeweilige Klägerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen, drohte ihnen die Abschiebung nach Rumänien oder einen anderen aufnahmebereiten oder aufnahmeverpflichteten Staat an, verbot ihre Abschiebung nach Syrien und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. 6Zur Begründung seiner jeweiligen Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylgesuchs der jeweiligen Klägerin verwies das Bundesamt darauf, dass den Eltern der Klägerinnen in Rumänien internationaler Schutz gewährt worden sei. Für die Klägerinnen gelte: Nach Art. 20 Abs. 3 Dublin III‑Verordnung sei für Kinder, die in einem Mitgliedstaat geboren werden, die Frage der Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags untrennbar mit der Situation ihrer Familienangehörigen, namentlich ihrer Eltern, verbunden. 7Die Klägerin zu 1. hat am 5. August 2019 Klage erhoben (12 K 5861/19.A) und die Klägerin zu 2. hat am 30. Dezember 2019 Klage erhoben (13 K 9070/19.A). Das Gericht hat die Verfahren verbunden und unter dem Aktenzeichen 12 K 5861/19.A fortgeführt. 8Die Klägerinnen beantragen sinngemäß, 9die Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. August 2019 und vom 18. Dezember 2019 aufzuheben, 10hilfsweise, 11festzustellen, dass in ihrer Person Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (auch) hinsichtlich Rumäniens vorliegen. 12Die Beklagte beantragt, 13die Klage abzuweisen. 14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte, der Gerichtsakten 13 K 9070/19.A und 8 K 5520/19.A sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes Bezug genommen. 15Entscheidungsgründe: 16Das Gericht kann durch den Einzelrichter entscheiden, nachdem ihm das Verfahren durch Beschluss der Kammer vom 16. März 2020 zur Entscheidung übertragen worden ist (vgl. § 76 Abs. 1 AsylG). Die Entscheidung kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO). 17Der Klageantrag in Bezug auf die Ziffern 2 bis 4 des Bescheides ist gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass Satz 4 der Ziffer 3 nicht umfasst sein soll. Die Feststellung, dass die jeweilige Klägerin nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfe, stellt für sie nämlich keinerlei Beschwer dar. 18Die so verstandene Klage hat mit dem Hauptantrag Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. 19Die Bescheide des Bundesamtes vom 2. August 2019 und vom 18. Dezember 2019 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerinnen in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 20Die Ablehnung des Asylantrags unter Ziffer 1 der angefochtenen Bescheide als unzulässig ist rechtswidrig, da es für diese Unzulässigkeitsentscheidung an einer tragfähigen Rechtsgrundlage fehlt. Nach der Rechtsprechung der Kammer gilt: Eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG i.V.m. dem Rechtsgedanken des Art. 20 Abs. 3 Dublin III-Verordnung kommt angesichts des klaren Gesetzeswortlauts des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht in Betracht. Gegen eine analoge Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG spricht außerdem, dass an das Zurückweisen eines Asylantrags als unzulässig angesichts des hohen Schutzes des Grundrechts auf Asyl sehr hohe Anforderungen gestellt werden. Vor diesem Hintergrund und als Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Asylantrag inhaltlich zu prüfen ist, sind die Unzulässigkeitstatbestände des § 29 Abs. 1 AsylG grundsätzlich restriktiv auszulegen. 21Vgl. VG Düsseldorf, Urteile vom 28. Februar 2020 – 12 K 6830/19.A -, vom 9. Dezember 2019 – 12 K 1942/19.A – und vom 30. Oktober 2019 – 12 K 2800/19.A -; VG Hamburg, Urteil vom 20. März 2018 – 9 A 7382/16 -, juris; nunmehr auch OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7. November 2019 – 1 LB 5/19 –, juris, Rn. 72 ff.; a.A. Bayerischer VGH, Beschluss vom 22. November 2018 – 21 ZB 18.32867 –, juris. 22Unabhängig davon ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass – wie in Art. 20 Dublin III-Verordnung vorgesehen – eine Überstellung der Klägerinnen nach Rumänien dem Wohl der Minderjährigen dient. 23Ist die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides folglich rechtswidrig und damit aufzuheben, sind auch die übrigen Regelungen in Ziffern 2 bis 4 des angefochtenen Bescheides rechtswidrig, so dass diese ebenfalls aufzuheben sind. 24Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2019 - 1 C 51/18 -, juris, Rn. 20; Urteil vom 14. Dezember 2016 - 1 C 4/16 -, juris, Rn. 21. 25Eine Entscheidung über den Hilfsantrag war vorliegend nicht geboten, da die Klägerinnen mit dem Hauptantrag Erfolg haben. 26Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. 27Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Satz 1 ZPO. 28Rechtsmittelbelehrung: 29Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beantragt werden. Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster. 30Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 311. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder 322. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 333. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. 34Der Antrag ist schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 35Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden. 36In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. 37Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 38Die Antragsschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. | die bescheide des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 2. august 2019 und vom 18. dezember 2019 werden aufgehoben. die beklagte trägt die kosten des verfahrens, für das gerichtskosten nicht erhoben werden. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des beizutreibenden betrages abwenden, wenn nicht die klägerinnen vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leisten. 1 | 2die aus syrien stammenden eltern der klägerinnen reisten mit den beiden älteren geschwistern aus rumänien kommend am 11. februar 2017 in die bundesrepublik deutschland ein und stellten am 1. märz 2017 einen asylantrag, den das bundesamt mit bescheid vom 13. märz 2017 unter hinweis auf den ihnen durch rumänien gewährten internationalen schutz als unzulässig ablehnte (gz.: 0000000-475). die hiergegen erhobene klage (8 k 5202/17.a) und der antrag auf gewährung vorläufigen rechtsschutzes (8 l 1423/17.a) waren erfolgreich. 3das bundesamt lehnte den asylantrag der eltern der klägerinnen mit bescheid vom 15. juli 2019 (erneut) als unzulässig ab und stellte fest, dass abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 und abs. 7 satz 1 aufenthg nicht vorliegen. zugleich forderte es sie auf, die bundesrepublik deutschland innerhalb einer woche nach bekanntgabe des bescheides zu verlassen, drohte ihnen die abschiebung nach rumänien oder einen anderen aufnahmebereiten oder aufnahmeverpflichteten staat an, verbot ihre abschiebung nach syrien und befristete das gesetzliche einreise- und aufenthaltsverbot gemäß § 11 abs. 1 des aufenthaltsgesetzes auf 30 monate ab dem tag der abschiebung. die vollziehung der abschiebungsandrohung wurde ausgesetzt. das klageverfahren ist unter dem aktenzeichen 8 k 5520/19.a anhängig. 4die eltern der klägerinnen stellten für die am 00.00.2017 geborene klägerin zu 1. am 9. märz 2018 einen asylantrag. für die am 00.00.2019 geborene klägerin zu 2. stellten sie am 28. februar 2019 einen asylantrag. 5das bundesamt lehnte den asylantrag der klägerinnen mit bescheid vom 2. august 2019 (klägerin zu 1.) bzw. mit bescheid vom 18. dezember 2019 (klägerin zu 2.) jeweils als unzulässig ab und stellte fest, dass abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 und abs. 7 satz 1 aufenthg nicht vorliegen. zugleich forderte es die jeweilige klägerin auf, die bundesrepublik deutschland innerhalb von 30 tagen nach bekanntgabe des bescheides zu verlassen, drohte ihnen die abschiebung nach rumänien oder einen anderen aufnahmebereiten oder aufnahmeverpflichteten staat an, verbot ihre abschiebung nach syrien und befristete das gesetzliche einreise- und aufenthaltsverbot gemäß § 11 abs. 1 des aufenthaltsgesetzes auf 30 monate ab dem tag der abschiebung. 6zur begründung seiner jeweiligen entscheidung über die unzulässigkeit des asylgesuchs der jeweiligen klägerin verwies das bundesamt darauf, dass den eltern der klägerinnen in rumänien internationaler schutz gewährt worden sei. für die klägerinnen gelte: nach art. 20 abs. 3 dublin iii‑verordnung sei für kinder, die in einem mitgliedstaat geboren werden, die frage der zuständigkeit für die bearbeitung des asylantrags untrennbar mit der situation ihrer familienangehörigen, namentlich ihrer eltern, verbunden. 7die klägerin zu 1. hat am 5. august 2019 klage erhoben (12 k 5861/19.a) und die klägerin zu 2. hat am 30. dezember 2019 klage erhoben (13 k 9070/19.a). das gericht hat die verfahren verbunden und unter dem aktenzeichen 12 k 5861/19.a fortgeführt. 8die klägerinnen beantragen sinngemäß, 9die bescheide des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 2. august 2019 und vom 18. dezember 2019 aufzuheben, 10hilfsweise, 11festzustellen, dass in ihrer person abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 und abs. 7 satz 1 aufenthg (auch) hinsichtlich rumäniens vorliegen. 12die beklagte beantragt, 13die klage abzuweisen. 14wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der streitakte, der gerichtsakten 13 k 9070/19.a und 8 k 5520/19.a sowie der beigezogenen verwaltungsvorgänge des bundesamtes bezug genommen. 15 | 16das gericht kann durch den einzelrichter entscheiden, nachdem ihm das verfahren durch beschluss der kammer vom 16. märz 2020 zur entscheidung übertragen worden ist (vgl. § 76 abs. 1 asylg). die entscheidung kann mit einverständnis der beteiligten ohne mündliche verhandlung ergehen (vgl. § 101 abs. 2 vwgo). 17der klageantrag in bezug auf die ziffern 2 bis 4 des bescheides ist gemäß § 88 vwgo dahingehend auszulegen, dass satz 4 der ziffer 3 nicht umfasst sein soll. die feststellung, dass die jeweilige klägerin nicht nach syrien abgeschoben werden dürfe, stellt für sie nämlich keinerlei beschwer dar. 18die so verstandene klage hat mit dem hauptantrag erfolg. sie ist zulässig und begründet. 19die bescheide des bundesamtes vom 2. august 2019 und vom 18. dezember 2019 sind rechtswidrig und verletzen die klägerinnen in ihren rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). 20die ablehnung des asylantrags unter ziffer 1 der angefochtenen bescheide als unzulässig ist rechtswidrig, da es für diese unzulässigkeitsentscheidung an einer tragfähigen rechtsgrundlage fehlt. nach der rechtsprechung der kammer gilt: eine unmittelbare oder analoge anwendung des § 29 abs. 1 nr. 2 asylg i.v.m. dem rechtsgedanken des art. 20 abs. 3 dublin iii-verordnung kommt angesichts des klaren gesetzeswortlauts des § 29 abs. 1 nr. 2 asylg nicht in betracht. gegen eine analoge anwendung des § 29 abs. 1 nr. 2 asylg spricht außerdem, dass an das zurückweisen eines asylantrags als unzulässig angesichts des hohen schutzes des grundrechts auf asyl sehr hohe anforderungen gestellt werden. vor diesem hintergrund und als ausnahme von dem grundsatz, dass ein asylantrag inhaltlich zu prüfen ist, sind die unzulässigkeitstatbestände des § 29 abs. 1 asylg grundsätzlich restriktiv auszulegen. 21vgl. vg düsseldorf, urteile vom 28. februar 2020 – 12 k 6830/19.a -, vom 9. dezember 2019 – 12 k 1942/19.a – und vom 30. oktober 2019 – 12 k 2800/19.a -; vg hamburg, urteil vom 20. märz 2018 – 9 a 7382/16 -, juris; nunmehr auch ovg schleswig-holstein, urteil vom 7. november 2019 – 1 lb 5/19 –, juris, rn. 72 ff.; a.a. bayerischer vgh, beschluss vom 22. november 2018 – 21 zb 18.32867 –, juris. 22unabhängig davon ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass – wie in art. 20 dublin iii-verordnung vorgesehen – eine überstellung der klägerinnen nach rumänien dem wohl der minderjährigen dient. 23ist die ablehnung des asylantrags als unzulässig in ziffer 1 des angefochtenen bescheides folglich rechtswidrig und damit aufzuheben, sind auch die übrigen regelungen in ziffern 2 bis 4 des angefochtenen bescheides rechtswidrig, so dass diese ebenfalls aufzuheben sind. 24vgl. bverwg, urteil vom 25. april 2019 - 1 c 51/18 -, juris, rn. 20; urteil vom 14. dezember 2016 - 1 c 4/16 -, juris, rn. 21. 25eine entscheidung über den hilfsantrag war vorliegend nicht geboten, da die klägerinnen mit dem hauptantrag erfolg haben. 26die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo, § 83b asylvfg. 27die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 709 satz 2, 711 satz 1 zpo. 28rechtsmittelbelehrung: 29gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung die zulassung der berufung beantragt werden. über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster. 30die berufung ist nur zuzulassen, wenn 311. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat oder 322. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 333. ein in § 138 der verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. 34der antrag ist schriftlich bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) zu stellen. er muss das angefochtene urteil bezeichnen. 35der antrag kann auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer rechtsverkehr-verordnung – ervv) eingereicht werden. 36in dem antrag sind die gründe, aus denen die berufung zuzulassen ist, darzulegen. 37im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 38die antragsschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. | Klaeger*in | 1 |
173,505 | 1 K 3146/13.A | 2014-07-10T00:00:00 | Urteil | Tenor Der Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2013 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1 Tatbestand: 2Die 1970 geborene Klägerin zu 1. und ihre minderjährigen Kinder, die Klägerin zu 2. und der Kläger zu 3., sind Staatsangehörige Albaniens. Die Kläger reisten nach ihren Angaben im Mai 2013 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und stellten am 31. Mai 2013 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag. Der Ehemann der Klägerin, Kläger im mit abweisendem Urteil vom 10. Juli 2014 entschiedenen Verfahren 1 K 3145/13.A, war bereits zuvor im Februar 2013 auf dem Luftweg in das Bundesgebiet eingereist und hatte am 20. Februar 2013 einen Asylantrag gestellt. 3Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 4. Juni 2013 gab die Klägerin zu 2. an, dass sie von Juli bis Dezember 2012 in Belgien gewesen sei, da sie dort Asyl beantragt habe. In ihrem Heimatland werde ihre Familie von einer anderen Familie bedroht. Die Bedrohung bestehe schon seit 1997. Nach ihrer Rückkehr aus Belgien seien sie erneut bedroht worden. 4Am 27. November 2013 richtete das Bundesamt ein Übernahmegesuch im Dublin-Verfahren an Belgien. Die belgischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 4. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Kläger nach Art. 16 Abs. 1 e) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2013 (Dublin II-VO). 5Mit Bescheid vom 18. Dezember 2013 lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte gem. § 27a AsylVfG als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Belgien an. 6Die Kläger haben am 27. Dezember 2013 Klage erhoben und ausgeführt, ihr Anträge seien zu Unrecht als unzulässig abgewiesen worden, da sie aus Belgien freiwillig in ihr Heimatland zurückgereist seien. Sie seien am 18. Mai 2013 mit dem Bus über Montenegro, Kroatien, Slowenien und Österreich nach Deutschland gelangt. 7Die Kläger beantragen, 8den Bescheid vom 18. Dezember 2013 aufzuheben. 9Die Beklagte hat schriftsätzlich Klageabweisung beantragt. Zur Begründung beruft sie sich auf den angefochtenen Bescheid und führt ergänzend aus, dass die Kläger keine Nachweise für eine Ausreise aus den Mitgliedstaaten vorgelegt hätten. 10Die Kammer hat im Verfahren gleichen Rubrums (1 L 675/13.A) mit Beschluss vom 10. Januar 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. 11Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte des Verfahrens 1 L 675/13.A und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Die Erkenntnisse der Kammer zum Herkunftsland wurden in das Verfahren eingeführt. 12Entscheidungsgründe: 13Über den Rechtsstreit konnte nach § 102 VwGO aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2014 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. Die Beteiligten wurden form- und fristgerecht geladen; in der Ladung wurde ferner auf die Möglichkeit hingewiesen, dass eine Entscheidung auch bei Nichterscheinen eines Beteiligten ergehen könne. 14Die Klage hat Erfolg. 15Sie ist zulässig. 16Statthafte Klageart gegen den Bescheid des Bundesamtes, in dem der Asylantrag mit der Begründung als unzulässig abgelehnt wurde, dass Belgien für die Durchführung des Asylverfahrens nach der Dublin II-VO zuständig sei, ist die Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO. Eines auf Durchführung des Asylverfahrens gerichteten Verpflichtungsausspruchs bedarf es nicht, weil bei bestehender Zuständigkeit eines Mitgliedstaats der Asylantrag von Amts wegen sachlich zu prüfen ist. 17Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 31. 18Die Klage ist auch begründet. 19Der Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 20Rechtsgrundlage für die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist § 27a AsylVfG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. 21Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen nicht vor. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich aus der Dublin II-VO nicht die Zuständigkeit Belgiens für die Durchführung des Asylverfahrens. 22Die Dublin II-VO findet auf den vorliegenden Fall Anwendung, obwohl sie inzwischen durch Art. 48 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) aufgehoben worden ist. Die Dublin III-VO ist auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurden, und gilt ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern, Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wurde, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Dublin II-VO, vgl. § 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO. Die Kläger haben ihren Antrag am 31. Mai 2013 gestellt. Das an Belgien gerichtete Übernahmeersuchen datiert vom 27. November 2013 und ist mithin ebenfalls vor dem maßgeblichen Stichtag ergangen. 23Die Zuständigkeit Belgiens folgt nicht aus Art. 16 Abs. 1 e) Dublin II-VO. Nach dieser Vorschrift ist der Mitgliedstaat, der nach der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, gehalten, einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag er abgelehnt hat und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 Dublin II-VO wieder aufzunehmen. 24Zwar war Belgien aufgrund des im Juli 2012 dort gestellten Antrags nach Art. 13 Dublin II-VO für die Durchführung des Asylverfahrens ursprünglich zuständig, da es der erste Mitgliedstaat war, in dem die Kläger einen Asylantrag gestellt haben. Dasselbe gilt, wenn man davon ausgeht, dass die Kläger ihren Asylantrag in Belgien im Transitbereich des Flughafens gestellt haben, Art. 12 Dublin II-VO. Aus der Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 e) Dublin II-VO in der Antwort Belgiens auf das Übernahmeersuchen ergibt sich auch, dass der Antrag der Kläger in Belgien abgelehnt worden war. 25Der Anwendung des Art. 16 Abs. 1 e) Dublin II-VO steht jedoch Art. 16 Abs. 3 Dublin II-VO entgegen, wie die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 10. Januar 2014 (1 L 675/13.A) im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausgeführt hat. Nach dieser Vorschrift erlöschen die Verpflichtungen nach Absatz 1, wenn der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, der Drittstaatsangehörige ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels. 26Entgegen der Ansicht der Beklagten liegen diese Voraussetzungen vor. Die Kläger haben das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für einen Zeitraum von fünf Monaten verlassen. Sie sind am 6. Dezember 2012 aus Belgien auf dem Luftweg ausgereist, wie sich aus einem Stempel des Flughafens Brüssel in den Pässen der Kläger. ergibt. Weitere Stempel in den Pässen der Kläger belegen ihren Vortrag, erst am 18. Mai 2013 auf dem Landweg über Montenegro, Kroatien, Slowenien und Österreich nach Deutschland gereist zu sein. 27Für den in Deutschland am 31. Mai 2013 gestellten Asylantrag ist die Beklagte nach Art. 13 Dublin II-VO zuständig. Das Erlöschen der Verpflichtungen nach Art. 16 Abs. 3 Dublin II-VO hat zur Folge, dass ein (erneuter) Antrag in einem Mitgliedstaat ein erstmaliger Asylantrag im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Dublin II-VO ist. 28Vgl. VG Berlin, Beschluss vom 27. November 2013 - 33 L 500.13A -, juris, Rn. 7. 29Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids, die ihre Grundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG findet, ist ebenfalls rechtswidrig, da die Beklagte nach dem Vorstehenden zu einer materiellen Prüfung der Asylbegehrens verpflichtet ist. 30Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO. | der bescheid der beklagten vom 18. dezember 2013 wird aufgehoben. die beklagte trägt die kosten des verfahrens, in dem gerichtskosten nicht erhoben werden. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. die beklagte kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die kläger vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2die 1970 geborene klägerin zu 1. und ihre minderjährigen kinder, die klägerin zu 2. und der kläger zu 3., sind staatsangehörige albaniens. die kläger reisten nach ihren angaben im mai 2013 auf dem landweg in das bundesgebiet ein und stellten am 31. mai 2013 beim bundesamt für migration und flüchtlinge (im folgenden: bundesamt) einen asylantrag. der ehemann der klägerin, kläger im mit abweisendem urteil vom 10. juli 2014 entschiedenen verfahren 1 k 3145/13.a, war bereits zuvor im februar 2013 auf dem luftweg in das bundesgebiet eingereist und hatte am 20. februar 2013 einen asylantrag gestellt. 3bei ihrer anhörung vor dem bundesamt am 4. juni 2013 gab die klägerin zu 2. an, dass sie von juli bis dezember 2012 in belgien gewesen sei, da sie dort asyl beantragt habe. in ihrem heimatland werde ihre familie von einer anderen familie bedroht. die bedrohung bestehe schon seit 1997. nach ihrer rückkehr aus belgien seien sie erneut bedroht worden. 4am 27. november 2013 richtete das bundesamt ein übernahmegesuch im dublin-verfahren an belgien. die belgischen behörden erklärten mit schreiben vom 4. dezember 2013 ihre zuständigkeit für die bearbeitung der asylanträge der kläger nach art. 16 abs. 1 e) der verordnung (eg) nr. 343/2003 des rates vom 18. februar 2013 (dublin ii-vo). 5mit bescheid vom 18. dezember 2013 lehnte das bundesamt die anträge der kläger auf anerkennung als asylberechtigte gem. § 27a asylvfg als unzulässig ab und ordnete die abschiebung nach belgien an. 6die kläger haben am 27. dezember 2013 klage erhoben und ausgeführt, ihr anträge seien zu unrecht als unzulässig abgewiesen worden, da sie aus belgien freiwillig in ihr heimatland zurückgereist seien. sie seien am 18. mai 2013 mit dem bus über montenegro, kroatien, slowenien und österreich nach deutschland gelangt. 7die kläger beantragen, 8den bescheid vom 18. dezember 2013 aufzuheben. 9die beklagte hat schriftsätzlich klageabweisung beantragt. zur begründung beruft sie sich auf den angefochtenen bescheid und führt ergänzend aus, dass die kläger keine nachweise für eine ausreise aus den mitgliedstaaten vorgelegt hätten. 10die kammer hat im verfahren gleichen rubrums (1 l 675/13.a) mit beschluss vom 10. januar 2014 die aufschiebende wirkung der klage angeordnet. 11hinsichtlich der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte, der gerichtsakte des verfahrens 1 l 675/13.a und der beigezogenen verwaltungsvorgänge bezug genommen. die erkenntnisse der kammer zum herkunftsland wurden in das verfahren eingeführt. 12 | 13über den rechtsstreit konnte nach § 102 vwgo aufgrund der mündlichen verhandlung vom 10. juli 2014 entschieden werden, obwohl die beklagte nicht erschienen ist. die beteiligten wurden form- und fristgerecht geladen; in der ladung wurde ferner auf die möglichkeit hingewiesen, dass eine entscheidung auch bei nichterscheinen eines beteiligten ergehen könne. 14die klage hat erfolg. 15sie ist zulässig. 16statthafte klageart gegen den bescheid des bundesamtes, in dem der asylantrag mit der begründung als unzulässig abgelehnt wurde, dass belgien für die durchführung des asylverfahrens nach der dublin ii-vo zuständig sei, ist die anfechtungsklage, § 42 abs. 1 alt. 1 vwgo. eines auf durchführung des asylverfahrens gerichteten verpflichtungsausspruchs bedarf es nicht, weil bei bestehender zuständigkeit eines mitgliedstaats der asylantrag von amts wegen sachlich zu prüfen ist. 17vgl. ovg nrw, urteil vom 7. märz 2014 - 1 a 21/12.a -, juris, rn. 31. 18die klage ist auch begründet. 19der bescheid der beklagten vom 18. dezember 2013 ist rechtswidrig und verletzt die kläger in ihren rechten, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 20rechtsgrundlage für die ablehnung des asylantrags als unzulässig ist § 27a asylvfg. danach ist ein asylantrag unzulässig, wenn ein anderer staat auf grund von rechtsvorschriften der europäischen gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen vertrages für die durchführung des asylverfahrens zuständig ist. 21die voraussetzungen der vorschrift liegen nicht vor. entgegen der ansicht der beklagten ergibt sich aus der dublin ii-vo nicht die zuständigkeit belgiens für die durchführung des asylverfahrens. 22die dublin ii-vo findet auf den vorliegenden fall anwendung, obwohl sie inzwischen durch art. 48 abs. 1 der verordnung (eu) nr. 604/2013 des europäischen parlamentes und des rates vom 26. juni 2013 (dublin iii-vo) aufgehoben worden ist. die dublin iii-vo ist auf anträge auf internationalen schutz anwendbar, die nach dem 1. januar 2014 gestellt wurden, und gilt ab diesem zeitpunkt - ungeachtet des zeitpunkts der antragstellung - für alle gesuche um aufnahme oder wiederaufnahme von antragstellern, art. 49 abs. 2 satz 1 dublin iii-vo. für einen antrag auf internationalen schutz, der vor diesem datum eingereicht wurde, erfolgt die bestimmung des zuständigen mitgliedstaats nach den kriterien der dublin ii-vo, vgl. § 49 abs. 2 satz 2 dublin iii-vo. die kläger haben ihren antrag am 31. mai 2013 gestellt. das an belgien gerichtete übernahmeersuchen datiert vom 27. november 2013 und ist mithin ebenfalls vor dem maßgeblichen stichtag ergangen. 23die zuständigkeit belgiens folgt nicht aus art. 16 abs. 1 e) dublin ii-vo. nach dieser vorschrift ist der mitgliedstaat, der nach der dublin ii-vo zur prüfung des asylantrags zuständig ist, gehalten, einen drittstaatsangehörigen, dessen antrag er abgelehnt hat und der sich unerlaubt im hoheitsgebiet eines anderen mitgliedsstaats aufhält, nach maßgabe des art. 20 dublin ii-vo wieder aufzunehmen. 24zwar war belgien aufgrund des im juli 2012 dort gestellten antrags nach art. 13 dublin ii-vo für die durchführung des asylverfahrens ursprünglich zuständig, da es der erste mitgliedstaat war, in dem die kläger einen asylantrag gestellt haben. dasselbe gilt, wenn man davon ausgeht, dass die kläger ihren asylantrag in belgien im transitbereich des flughafens gestellt haben, art. 12 dublin ii-vo. aus der bezugnahme auf art. 16 abs. 1 e) dublin ii-vo in der antwort belgiens auf das übernahmeersuchen ergibt sich auch, dass der antrag der kläger in belgien abgelehnt worden war. 25der anwendung des art. 16 abs. 1 e) dublin ii-vo steht jedoch art. 16 abs. 3 dublin ii-vo entgegen, wie die kammer bereits in ihrem beschluss vom 10. januar 2014 (1 l 675/13.a) im verfahren des vorläufigen rechtsschutzes ausgeführt hat. nach dieser vorschrift erlöschen die verpflichtungen nach absatz 1, wenn der drittstaatsangehörige das hoheitsgebiet der mitgliedstaaten für mindestens drei monate verlassen hat, es sei denn, der drittstaatsangehörige ist im besitz eines vom zuständigen mitgliedstaat ausgestellten gültigen aufenthaltstitels. 26entgegen der ansicht der beklagten liegen diese voraussetzungen vor. die kläger haben das hoheitsgebiet der mitgliedstaaten für einen zeitraum von fünf monaten verlassen. sie sind am 6. dezember 2012 aus belgien auf dem luftweg ausgereist, wie sich aus einem stempel des flughafens brüssel in den pässen der kläger. ergibt. weitere stempel in den pässen der kläger belegen ihren vortrag, erst am 18. mai 2013 auf dem landweg über montenegro, kroatien, slowenien und österreich nach deutschland gereist zu sein. 27für den in deutschland am 31. mai 2013 gestellten asylantrag ist die beklagte nach art. 13 dublin ii-vo zuständig. das erlöschen der verpflichtungen nach art. 16 abs. 3 dublin ii-vo hat zur folge, dass ein (erneuter) antrag in einem mitgliedstaat ein erstmaliger asylantrag im sinne des art. 4 abs. 1 dublin ii-vo ist. 28vgl. vg berlin, beschluss vom 27. november 2013 - 33 l 500.13a -, juris, rn. 7. 29die abschiebungsanordnung in ziffer 2 des streitgegenständlichen bescheids, die ihre grundlage in § 34a abs. 1 satz 1 asylvfg findet, ist ebenfalls rechtswidrig, da die beklagte nach dem vorstehenden zu einer materiellen prüfung der asylbegehrens verpflichtet ist. 30die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo, § 83b asylvfg. der ausspruch zur vorläufigen vollstreckbarkeit folgt aus § 167 abs. 1, abs. 2 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711, 709 satz 2 zpo. | Klaeger*in | 1 |
165,730 | 22 K 2179/15.A | 2015-05-05T00:00:00 | Urteil | Tenor Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Januar 2015 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Der Kläger meldete sich am 13. August 2014 bei der Außenstelle C. des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) und stellte einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter zur Niederschrift. 3Ausweislich einer zum Verwaltungsvorgang des Bundesamtes genommenen Auskunft vom 20. August 2014 aus dem Eurodac-Datenbestand hatte der Kläger bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Am 30. September 2014 stellte das Bundesamt bezüglich des Klägers mit Hinweis darauf, dass dieser laut Eurodac-Datenbestand am 12. Dezember 2012 dort einen Asylantrag gestellt habe, ein Wiederaufnahmegesuch an Italien. Auf dieses erfolgt von dort – bis auf eine automatische Eingangsbestätigung – keine Reaktion. 4Mit Bescheid vom 23. Januar 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an (Ziffer 2). Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG unzulässig sei, weil Italien nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO für die Prüfung des Asylantrages zuständig sei. Es seien keine humanitären Gründe ersichtlich, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben. 5Der Kläger hat gegen den am 7. März 2015 zugestellten Bescheid am 18. März 2014 Klage erhoben. Ein zugleich gestellter Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde durch Beschluss der Einzelrichterin vom 14. April 2015 (Az. 22 L 970/15.A) als unzulässig abgelehnt. 6Zur Begründung der Klage macht der Kläger geltend, das italienische Asylsystem leide unter systemischen Mängeln, die der Überstellung des Klägers dorthin entgegenstünden. 7Nach Rücknahme seiner in der Klageschrift in der Hauptsache angekündigten Anträge im Übrigen beantragt der Kläger sinngemäß, 8den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Januar 2015 aufzuheben. 9Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, 10die Klage abzuweisen. 11Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung und führt ergänzend aus: Die Überstellungsfrist sei noch nicht abgelaufen, da diese erst mit dem Zugang des Eilbeschlusses zu laufen beginne. Diese Frage sei aber auch nicht entscheidungserheblich. Denn der Kläger könne ohnehin keine subjektiv-öffentlichen Rechte aus der lediglich das Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander regelnden Fristbestimmung ableiten. 12Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der dazu beigezogenen Gerichtsakte 22 L 970/15.A sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes sowie der Ausländerbehörde der Stadt X. Bezug genommen. 13Entscheidungsgründe: 14Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Parteien gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung. 15Die Klage ist zulässig (nachfolgend I.) und begründet (nachfolgend II.). 16I. Die Klage ist zulässig. 17Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Var. VwGO statthaft. Die isolierte Aufhebung der angefochtenen Regelungen führt auf die weitere Prüfung des Asylantrags des Klägers durch die Beklagte und damit zu dem erstrebten Rechtsschutzziel. Denn mit der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids wird das Verwaltungsverfahren in den Verfahrensstand zurückversetzt, in dem es vor Erlass der streitgegenständlichen Regelungen war. Das Bundesamt ist im Falle einer Aufhebung des Bescheides gemäß §§ 24, 31 AsylVfG gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren weiterzuführen. Das Bundesamt hat sich in dem vorliegenden Fall lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylantrags vorgelagerten – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Antrags zuständig ist. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen. 18Vgl. zu Entscheidungen nach § 27a AsylVfG: OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rdn. 28 ff.; zu Entscheidungen nach §§ 32, 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rdn. 15 ff. 19Der Kläger ist auch klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Aus seinem Vorbringen lässt sich herleiten, dass er – sollte sich der Bescheid in dem angefochtenen Umfang als objektiv rechtswidrig erweisen – möglicherweise in eigenen Rechten verletzt ist. Denn die angefochtenen Regelungen belasten ihn in seinem subjektiv-öffentlichen Recht aus §§ 4, 24, 31 AsylVfG auf Prüfung seines Schutzgesuchs durch die Beklagte. 20Ob und gegebenenfalls inwieweit dieses Recht durch Unionsrecht, namentlich die Dublin III-VO, beschränkt wird, bedarf hier keiner weiteren Prüfung, da eine Rechtsverletzung zumindest möglich erscheint. 21Die Klage wurde auch fristgerecht im Sinne von § 74 Abs. 1 AsylVfG, nämlich innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides, erhoben. 22II. Die Klage ist begründet. In dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) ist der Bescheid des Bundesamtes vom 23. Januar 2015 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. 231. Die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers ist rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG sind nicht erfüllt. Italien ist nicht aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig. 24Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist vorliegend die am 19. Juli 2013 in Kraft getretene Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Diese findet gemäß Art. 49 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO auf alle in Deutschland ab dem 1. Januar 2014 gestellten Anträge auf internationalen Schutz Anwendung, mithin auch auf das im August 2014 gestellte Schutzgesuch des Klägers. 25Es kann offen bleiben, ob die Zuständigkeit Italiens für die Prüfung des Asylantrages des Klägers (etwa nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO) begründet wurde. 26Denn die Zuständigkeit ist jedenfalls mittlerweile auf die Beklagte übergegangen. Dies folgt aus Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO. Danach ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über, wenn die Überstellung nicht innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Dublin III-VO genannten Frist von sechs Monaten, die unter bestimmten Voraussetzungen auf höchstens 18 Monate verlängert werden kann, durchgeführt wird. 27Im vorliegenden Fall ist die Überstellung nicht in diesem Sinne fristgemäß erfolgt. Die sechsmonatige Frist beginnt nach Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat. Die Frist begann nach diesen Maßstäben hier mit der – gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 der Dublin III-VO fingierten – Annahme des Wiederaufnahmeersuchens durch Italien am 15. Oktober 2014. 28Die Frist zur Überstellung der Kläger nach Italien wurde auch nicht durch den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung vom 18. März 2015 (22 L 970/15.A) für die Dauer des gerichtlichen Eilverfahrens, hier also bis zum ablehnenden Eilbeschluss vom 14. April 2014, unterbrochen oder gehemmt. Gemäß § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG ist die Abschiebung während eines Eilverfahrens nur im Falle rechtzeitiger Antragstellung unzulässig, der Eilantrag des Klägers war hingegen verfristet. Davon abgesehen führt auch die rechtzeitige Antragstellung nicht zu einer Unterbrechung oder Hemmung der Überstellungsfrist, 29vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014, - 13 A 1347/14.A -, juris, Rdn. 5 ff. m.w.N.. 30Auch lagen keine Gründe für eine Verlängerung der Frist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO vor. Die sechsmonatige Frist endete nach alledem mit Ablauf des 15. April 2015. 31Das Verstreichen der Überstellungsfrist hat gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO zur Folge, dass der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet ist und die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht. Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages des Klägers ist damit auf die Beklagte übergegangen. 32Nach Auffassung der Kammer kann sich der Kläger auch auf den Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte berufen, sodass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG nicht vorliegen. Hierzu hat die Kammer in ihrem Urteil vom 5. Februar 2015 (22 K 2262/14. A) ausgeführt: 33„Die Kläger können sich im vorliegenden Klageverfahren auch auf den Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte berufen. 34A.A. VGH BW, Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 -, juris, Rdn. 59 (soweit eine Überstellung in den bisher zuständigen Mitgliedstaat noch zeitnah möglich ist); Nds.OVG, Beschluss vom 6. November 2014 – 13 LA 66/14 ‑, juris, Rdn. 9 ff (ohne Einschränkung); HessVGH, Beschluss vom 25. August 2014 – 2 A 976/14.A ‑, juris, Rdn. 15 (obiter dictum); VG Düsseldorf, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 13 K 471/14.A ‑, juris, Rdn. 43; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 102. Ergänzungslieferung, November 2014, § 27a, Rdn. 234, 196.1 (mit Ausnahmen); Hailbronner, Ausländerrecht, 88. Ergänzungslieferung, Oktober 2014, § 27a AsylVfG, Rdn. 20 ff.; Günther, in: Beck'scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 5. Edition, Stand: 1. September 2014, § 27a AsylVfG Rdn. 29 ff.; offen gelassen: OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 ‑ 14 A 1943/11.A ‑, juris, Rdn. 24 (das Vorabentscheidungsverfahren bei EuGH, Rs. C-666/11 endete ohne Sachentscheidung nach Rücknahme des Ersuchens wegen Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache beim OVG NRW); vgl. ferner zum Ablauf der Frist zur Stellung des Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens: VGH BW, Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; Rdn. 25, 27 (bei zeitnaher Überstellung); OVG RhPf, Urteil vom 21. Februar 2014 ‑ 10 A 10656/13 ‑, juris, Rdn. 33. 35Die Kläger haben gemäß §§ 24, 31 AsylVfG ein subjektiv-öffentliches Recht auf Prüfung ihrer Schutzgesuche durch die Beklagte. Diese darf auf der Rechtsgrundlage der §§ 27a, 34a AsylVfG die weitere Prüfung eines Asylantrages nur dann ablehnen und eine Abschiebungsanordnung in einen anderen Mitgliedstaat erlassen, wenn dieser andere Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der Verwaltungsakt rechtswidrig. Zugleich verletzt der objektiv rechtswidrige Verwaltungsakt das subjektiv-öffentliche Recht der Kläger aus §§ 24, 31 AsylVfG, und zwar unabhängig vom Schutzzweck der Norm, deren Verletzung zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führt. Der Individualschutzzweck von Normen ist nur für diejenigen von Bedeutung, die keine materielle Beeinträchtigung ihrer Rechtsstellung durch den angefochtenen Verwaltungsakt dartun können. 36Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., 2014, § 45 Rdn. 126. 37Die Kläger hingegen werden durch Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides in ihrer Rechtstellung aus §§ 24, 31 AsylVfG materiell beeinträchtigt, wenn die Beklagte die Prüfung der Schutzgesuche mit Verweis auf die Zuständigkeit eines anderen Staates ablehnt, obwohl ihre Zuständigkeit nach den Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung objektiv begründet ist. 38Dem nach nationalem Recht bestehenden subjektiv-öffentlichen Recht der Kläger auf Prüfung ihrer Schutzgesuche durch die nach der Dublin-III-VO objektiv hierfür zuständige Beklagte steht auch der Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht entgegen. Denn es liegt schon keine Kollision des nationalen Rechts mit der gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV vorrangig anzuwendenden Dublin-III-VO vor. 39Die Zuständigkeitsregelungen in der Dublin-III-VO begründen unmittelbare Rechte der betroffenen Ausländer auf Beachtung dieser Regelungen durch alle Behörden der Mitgliedstaaten. Dies folgt schon aus der Rechtsnatur der Dublin-III-VO. Diese gilt (wie alle EU-Verordnungen) gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Diese unmittelbare Geltung bedeutet, dass die Verordnungen nicht nur für die Mitgliedstaaten (untereinander) gelten, sondern in den Mitgliedstaaten, 40Ulrich Haltern, Europarecht, Tübingen 2005, S. 284 (Hervorhebung im Original). 41Hierin unterscheidet sich das Unionsrecht gerade von Völkervertragsrecht, mit dem sich lediglich die Vertragsstaaten untereinander binden. Das Unionsrecht ist eine Rechtsordnung, deren Rechtssubjekte nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Einzelnen sind. Das von der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten unabhängige Unionsrecht soll daher den Einzelnen, ebenso wie es ihnen Pflichten auferlegt, auch Rechte verleihen, 42EuGH, Urteil vom 5. Februar 1963, Rs. 26/62 (van Gend & Loos), Slg. 1963, S. 25. 43Die Dublin-III-VO regelt damit schon aufgrund ihrer Rechtsnatur nicht nur Verpflichtungen der Mitgliedstaaten untereinander, sondern auch unmittelbar die Rechtsstellung jedes einzelnen Normunterworfenen, das heißt auch der Drittstaatsangehörigen, auf die die Dublin-III-VO Anwendung findet. 44Der Dublin-III-VO kann auch nicht entnommen werden, dass in Bezug auf die dort geregelten Zuständigkeitsbestimmungen ausnahmsweise etwas anderes gelten sollte, insbesondere ein Asylbewerber, der für die Prüfung seines Asylantrages an einen anderen Mitgliedstaat verwiesen wird, einen hierin liegenden objektiven Verstoß gegen die Zuständigkeitsbestimmungen der Verordnung nicht oder nur unter bestimmten Umständen rügen kann. 45Dies unter Verweis auf den Zweck der Dublin-II-VO erwägend und im Ergebnis ein subjektiv-öffentliches Recht des Ausländers aus der Ermessensvorschrift des Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO (Selbsteintrittsrecht) verneinend: Schlussanträge des GA Jääskinen vom 18. April 2013 ‑ C‑4/11 ‑, Rdn. 58. 46Indem der Unionsgesetzgeber die ursprünglich in einem völkerrechtlichen Vertrag (Dubliner Übereinkommen) vereinbarten Zuständigkeitskriterien für die Prüfung eines Schutzgesuchs ausdifferenziert und in einer EU-Verordnung kodifiziert hat, hat er diese Regelungen zugleich mit den aus Art. 288 Abs. 2 AEUV folgenden Rechtswirkungen ausgestattet. Diese Rechtsqualität der Regelungen steht auch nicht in Widerspruch zu ihrem Sinn und Zweck. Der Unionsgesetzgeber hat die Zuständigkeitsbestimmungen erlassen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrages zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping“ zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen, 47EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013, C‑394/12 (Abdullahi), Rdn. 53, juris; vgl. auch Schlussanträge des GA Jääskinen vom 18. April 2013 ‑ C‑4/11 ‑, Rdn. 57. 48Diese Ziele werden am effektivsten durch die zuverlässige und gleichmäßige Befolgung der in der Dublin-III-VO geregelten Zuständigkeitskriterien in allen Mitgliedstaaten erreicht. Das „forum shopping“ wird unterbunden, indem einem einzigen Mitgliedstaat die Zuständigkeit für die Prüfung des Schutzgesuches zugeordnet wird; die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des zuständigen Staates wird durch detaillierte Kriterien, die keine Entscheidungsspielräume der Mitgliedstaaten vorsehen, erhöht; die Asylverfahren werden insgesamt beschleunigt, indem das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates verbindlich geltenden kurzen Fristen unterworfen wird. 49Die unmittelbare, auch von den Betroffenen durchsetzbare Rechtswirkung der Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin-III-VO ‑ soweit sie einem Mitgliedstaat die Zuständigkeit ohne Ermessensspielraum zuweisen ‑ widerspricht diesen Zielen nicht, sondern fördert ihre Erreichung. Der Grundsatz der Effektivität des Unionsrechts („effet utile“) findet eine wesentliche Stütze gerade darin, dass sich der Einzelne vor nationalen Gerichten auf unmittelbar geltendes Unionsrecht berufen kann. Mit Hilfe der Doktrin der unmittelbaren Anwendbarkeit werden die an der Wahrung ihrer Rechte interessierten Betroffenen zu Wächtern des Unionsrechtssystems erhoben, die dessen effektive Anwendung in den Mitgliedstaaten sichern, 50Vgl. Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, Kurz-Kommentar, 2. Aufl., 2012, Art. 288 AEUV, Rdn. 49 m.w.N. 51Zum Zweck der effektiven und gleichen Wirkung des Unionsrechts sollen die Einzelnen, soweit es um den staatlichen Vollzug des Unionsrechts geht, eine dezentrale, die Kommission entlastende Vollzugskontrolle vornehmen können, 52vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Loseblatt-Kommentar, Band III, EUV/AEUV, Stand September 2014, Art. 288 AEUV Rdn. 44. 53Andernfalls könnte auch Art. 267 AEUV, der zum Zweck der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten das Verfahren zur Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über die Auslegung unionsrechtlicher Bestimmungen auf Vorlage nationaler Gerichte vorsieht, seine Wirkung nicht entfalten. Art. 267 AEUV setzt voraus, dass sich der Einzelne vor nationalen Gerichten auf unmittelbar anwendbares Unionsrecht berufen kann und damit die Frage der Auslegung einer unionsrechtlichen Bestimmung vor dem nationalen Gericht streitentscheidende Bedeutung gewinnt. Der alleinigen Entscheidungskompetenz des EuGH bei der Auslegung des Unionsrechts liefe es zuwider, einer unionsrechtlichen Bestimmung in einem Verfahren vor einem nationalen Gericht (ohne vorherige Klärung der Rechtsfrage durch den EuGH) mit Verweis auf mangelnde individualschützende Wirkung eine streitentscheidende Bedeutung von vornherein abzusprechen. 54Aufgrund dieser generellen Bedeutung der unmittelbaren, individualrechtsbegründenden Anwendbarkeit des Unionsrechts für die Sicherstellung seiner Effektivität kommt es für die Frage, ob sich der Einzelne auf Unionsrecht berufen kann, auch nicht darauf an, ob eine Vorschrift des Unionsrechts bezweckt, individuelle Rechte zu schaffen. Entscheidend ist vielmehr, ob die sich aus der Vorschrift ergebende Verpflichtung anderer Rechtssubjekte eindeutig ist, weil sie hinreichend klar und unbedingt formuliert ist. 55Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Loseblatt-Kommentar, Band III, EUV/AEUV, Stand September 2014, Art. 288 AEUV Rdn. 46; Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, Kurz-Kommentar, 2. Aufl., 2012, Art. 288 AEUV, Rdn. 51 m.w.N. 56Dies ist bei Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO der Fall. Die Norm regelt den Übergang der Zuständigkeit nach Ablauf der Überstellungsfrist eindeutig, klar und unbedingt, insbesondere sieht sie auch keinen Entscheidungsspielraum einer nationalen Behörde vor. 57Der Annahme, dass sich ein Asylbewerber auf die nach der Dublin-III-Verordnung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung objektiv begründete Zuständigkeit eines Mitgliedstaates für die Prüfung seines Schutzgesuches berufen kann, steht auch die Rechtsprechung des EuGH, 58Urteil vom 10. Dezember 2013 (Abdullahi), - C-394/12 -, juris, 59sowie des Bundesverwaltungsgerichts, 60Beschlüsse vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rdn. 7 und vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 ‑, juris, Rdn. 6, 61nicht entgegen. 62Diesen Entscheidungen ist keine Aussage zur subjektiv-rechtlichen Dimension von (Überstellungs-)Fristen zu entnehmen, 63vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 23. Oktober 2014 - 13 K 471/14.A -, Rdn. 41, juris mit Hinweis auf VG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2014 - 13 K 1117/14.A -, Rdn. 54 ff., juris. 64Insbesondere lässt sich eine dahingehende Aussage nicht aus dem vom EuGH aufgestellten Rechtssatz entnehmen, dass der betreffende Ausländer in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat seiner Aufnahme nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-VO niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat (Mitgliedstaat der ersten Einreise), der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden. 65Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 (Abdullahi) - C-394/12 -, Rdn. 62, juris, 66Mit diesem Rechtssatz betont der EuGH gerade die Verbindlichkeit der in der Dublin-Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriterien, die ihre Grenze erst in der im Einzelfall anzunehmenden tatsächlichen Gefahr der Verletzung eines in der Grundrechtecharta verbürgten Rechts findet. Demgegenüber lässt sich dem vom EuGH aufgestellten Rechtssatz keine Aussage des Inhalts entnehmen, dass sich ein Asylbewerber nicht (oder nur unter bestimmten Bedingungen) auf die Beachtung eines in der Dublin-Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums berufen kann. 67So liegt der Fall hier. Mit dem von den Klägern geltend gemachten Einwand, dass die Zuständigkeit für die Prüfung ihrer Schutzgesuche wegen Überschreitens der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO auf die Beklagte übergegangen ist, wenden sich die Kläger ‑ anders als in dem vom EuGH entschiedenen Fall ‑ gerade nicht gegen die Heranziehung eines in der Dublin-III-VO niedergelegten Zuständigkeitskriteriums, sondern berufen sich auf dieses. 68Auch das BVerwG geht erkennbar nicht davon aus, dass andere Einwände gegen eine Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat als der Einwand systemischer Mängel unbeachtlich wären. Vielmehr benennt es in dem zuletzt ergangenen Beschluss vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 – konkret die als unbeachtlich einzustufenden Einwände: 69„Aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war.“ 70BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 ‑, juris, Rdn. 6, Hervorhebung nicht im Original. 71Dies verdeutlicht, dass die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates der Prüfung vorgelagert ist, ob einer Überstellung dorthin systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegenstehen. Auch wird die Beschränkung berücksichtigungsfähiger Einwände auf den Einwand systemischer Mängel nur insoweit ausgesprochen, als der Asylbewerber der Überstellung mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen in diesem Staat entgegentritt. 72Eine Beschränkung der Rechtsstellung des betroffenen Ausländers im Hinblick auf die Geltendmachung objektiver Verstöße gegen die Zuständigkeitsregelungen der Dublin-III-Verordnung lässt sich auch nicht mit der Überlegung belegen oder bekräftigen, dass es dem Asylbewerber unbenommen ist, sich freiwillig bei der ihm genannten Stelle des anderen Mitgliedstaates zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. 73Zu den Modalitäten einer Überstellung auf Initiative des Asylbewerbers siehe Art. 7 Abs. 1 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003, zuletzt geändert durch Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 (DVO Dublin III). 74Zwar kann der Asylbewerber damit zu einer Beschleunigung beitragen. Aus einer fehlenden Inanspruchnahme dieses Rechts kann jedoch nicht auf den Verlust des subjektiv-öffentlichen Rechts des Asylbewerbers auf materielle Prüfung seines Schutzgesuches durch die Beklagte geschlossen werden. Insbesondere steht der vom Gebot von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB abgeleitete Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium") der Geltendmachung dieses subjektiv-öffentlichen Rechts nicht entgegen. 75So aber VG Düsseldorf, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 13 K 471/14.A ‑, juris, Rdn. 45 ff. 76Ein widersprüchliches Verhalten der Kläger liegt 77– ganz abgesehen davon, dass im deutschen Recht die Möglichkeit der Überstellung des betroffenen Asylbewerbers auf eigene Initiative gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist (vgl. hierzu: VGH BW, Beschluss vom 4. Juli 2014 – A 11 S 1230/14 ‑, juris, Rdn. 4) und die Kläger im vorliegenden Fall (soweit ersichtlich) über dieses ihnen zustehende Initiativrecht auch nicht unterrichtet wurden – 78nicht vor. Die Kläger rügen nicht etwa eine unangemessene Dauer ihrer Verfahren, die sie selbst hätten beschleunigen können. Vielmehr begehren sie die materielle Prüfung ihrer Schutzgesuche durch die Beklagte. Selbst wenn zwischenzeitlich ein anderer Staat für die Durchführung ihrer Asylverfahren zuständig gewesen sein sollte, kann ein widersprüchliches Verhalten der Kläger nicht darin gesehen werden, dass sie an ihrem Begehren der Prüfung ihrer Schutzgesuche durch die Beklagte festgehalten haben. Die Kläger haben sich zur Begründung ihres Begehrens nicht auf eine drohende unzumutbare Dauer ihrer Schutzgesuche gestützt, sondern auf gesundheitliche Beeinträchtigungen, die der tatsächlichen Durchführung ihrer Überstellung entgegenstünden.“ 79Hieran hält das Gericht fest. 80Im Ergebnis ebenso: VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 – 10 K 2658/14.A –, juris; VG Hannover, Beschluss vom 24. Februar 2015 – 6 B 341/15 –, juris; VG Frankfurt, Beschluss vom 5. Februar 2015 – 5 K 567/14.F.A –, Rn. 11, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 17. Februar 2015 – 6a L 239/15.A –, juris; zur Rechtsfolge einer Gegenstandslosigkeit des auf § 27a AsylVfG gestützten Ablehnungsbescheides bei Ablauf der Überstellungsfrist kommt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. März 2015 – 21 ZB 15.50025 –, juris. 81Auch im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob ein Verlust des subjektiv-öffentlichen Rechts auf Prüfung des Schutzgesuches durch den Staat, der infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin III-VO zuständig geworden ist, dann eintreten kann, wenn dieses Recht missbräuchlich in Anspruch genommen wird. Denn dafür fehlen hier jegliche Anhaltspunkte. Insbesondere hat sich der Kläger weder der ausländerrechtlichen Überwachung entzogen noch Überstellungsmaßnahmen widersetzt. 822. Ist somit nach Auffassung der Kammer der Asylantrag des Klägers nicht gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig anzusehen, liegen auch die Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG für die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids verfügte Abschiebungsanordnung nicht vor. 83III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs.1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. | der bescheid des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 23. januar 2015 wird aufgehoben. die beklagte trägt die kosten des verfahrens, für das gerichtskosten nicht erhoben werden. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar.die beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe des beizutreibenden betrages abwenden, wenn nicht der kläger zuvor sicherheit in gleicher höhe leistet. 1 | 2der kläger meldete sich am 13. august 2014 bei der außenstelle c. des bundesamts für migration und flüchtlinge (bundesamt) und stellte einen antrag auf anerkennung als asylberechtigter zur niederschrift. 3ausweislich einer zum verwaltungsvorgang des bundesamtes genommenen auskunft vom 20. august 2014 aus dem eurodac-datenbestand hatte der kläger bereits in italien einen asylantrag gestellt. am 30. september 2014 stellte das bundesamt bezüglich des klägers mit hinweis darauf, dass dieser laut eurodac-datenbestand am 12. dezember 2012 dort einen asylantrag gestellt habe, ein wiederaufnahmegesuch an italien. auf dieses erfolgt von dort – bis auf eine automatische eingangsbestätigung – keine reaktion. 4mit bescheid vom 23. januar 2015 lehnte das bundesamt den asylantrag des klägers als unzulässig ab (ziffer 1) und ordnete die abschiebung des klägers nach italien an (ziffer 2). zur begründung wird ausgeführt, dass der asylantrag des klägers gemäß § 27a asylvfg unzulässig sei, weil italien nach art. 18 abs. 1 buchst. b dublin iii-vo für die prüfung des asylantrages zuständig sei. es seien keine humanitären gründe ersichtlich, die die bundesrepublik deutschland veranlassen könnten, ihr selbsteintrittsrecht nach art. 17 abs. 1 dublin iii-vo auszuüben. 5der kläger hat gegen den am 7. märz 2015 zugestellten bescheid am 18. märz 2014 klage erhoben. ein zugleich gestellter antrag auf gewährung vorläufigen rechtsschutzes wurde durch beschluss der einzelrichterin vom 14. april 2015 (az. 22 l 970/15.a) als unzulässig abgelehnt. 6zur begründung der klage macht der kläger geltend, das italienische asylsystem leide unter systemischen mängeln, die der überstellung des klägers dorthin entgegenstünden. 7nach rücknahme seiner in der klageschrift in der hauptsache angekündigten anträge im übrigen beantragt der kläger sinngemäß, 8den bescheid des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 23. januar 2015 aufzuheben. 9die beklagte hat schriftsätzlich beantragt, 10die klage abzuweisen. 11zur begründung bezieht sie sich auf die angefochtene entscheidung und führt ergänzend aus: die überstellungsfrist sei noch nicht abgelaufen, da diese erst mit dem zugang des eilbeschlusses zu laufen beginne. diese frage sei aber auch nicht entscheidungserheblich. denn der kläger könne ohnehin keine subjektiv-öffentlichen rechte aus der lediglich das verhältnis der mitgliedstaaten untereinander regelnden fristbestimmung ableiten. 12wegen der einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte, der dazu beigezogenen gerichtsakte 22 l 970/15.a sowie auf den inhalt der beigezogenen verwaltungsvorgänge des bundesamtes sowie der ausländerbehörde der stadt x. bezug genommen. 13 | 14das gericht entscheidet im einverständnis der parteien gemäß § 101 abs. 2 vwgo ohne mündliche verhandlung. 15die klage ist zulässig (nachfolgend i.) und begründet (nachfolgend ii.). 16i. die klage ist zulässig. 17die klage ist als anfechtungsklage gemäß § 42 abs. 1, 1. var. vwgo statthaft. die isolierte aufhebung der angefochtenen regelungen führt auf die weitere prüfung des asylantrags des klägers durch die beklagte und damit zu dem erstrebten rechtsschutzziel. denn mit der aufhebung des streitgegenständlichen bescheids wird das verwaltungsverfahren in den verfahrensstand zurückversetzt, in dem es vor erlass der streitgegenständlichen regelungen war. das bundesamt ist im falle einer aufhebung des bescheides gemäß §§ 24, 31 asylvfg gesetzlich verpflichtet, das asylverfahren weiterzuführen. das bundesamt hat sich in dem vorliegenden fall lediglich mit der – einer materiellen prüfung des asylantrags vorgelagerten – frage befasst, welcher staat nach den rechtsvorschriften der europäischen union für die prüfung des antrags zuständig ist. mit der aufhebung des bescheides wird ein verfahrenshindernis für die inhaltliche prüfung des asylbegehrens beseitigt und das asylverfahren ist in dem stadium, in dem es zu unrecht beendet worden ist, durch das bundesamt weiterzuführen. 18vgl. zu entscheidungen nach § 27a asylvfg: ovg nrw, urteil vom 7. märz 2014 – 1 a 21/12.a –, juris, rdn. 28 ff.; zu entscheidungen nach §§ 32, 33 asylvfg: bverwg, urteil vom 7. märz 1995 – 9 c 264.94 –, juris, rdn. 15 ff. 19der kläger ist auch klagebefugt gemäß § 42 abs. 2 vwgo. aus seinem vorbringen lässt sich herleiten, dass er – sollte sich der bescheid in dem angefochtenen umfang als objektiv rechtswidrig erweisen – möglicherweise in eigenen rechten verletzt ist. denn die angefochtenen regelungen belasten ihn in seinem subjektiv-öffentlichen recht aus §§ 4, 24, 31 asylvfg auf prüfung seines schutzgesuchs durch die beklagte. 20ob und gegebenenfalls inwieweit dieses recht durch unionsrecht, namentlich die dublin iii-vo, beschränkt wird, bedarf hier keiner weiteren prüfung, da eine rechtsverletzung zumindest möglich erscheint. 21die klage wurde auch fristgerecht im sinne von § 74 abs. 1 asylvfg, nämlich innerhalb von zwei wochen nach bekanntgabe des angegriffenen bescheides, erhoben. 22ii. die klage ist begründet. in dem für die rechtliche beurteilung maßgeblichen zeitpunkt der entscheidung des gerichts (vgl. § 77 abs. 1 s. 1 asylvfg) ist der bescheid des bundesamtes vom 23. januar 2015 rechtswidrig und verletzt den kläger in seinen rechten, § 113 abs. 1 vwgo. 231. die feststellung der unzulässigkeit des asylantrags des klägers ist rechtswidrig. die voraussetzungen des § 27a asylvfg sind nicht erfüllt. italien ist nicht aufgrund von rechtsvorschriften der europäischen union oder eines völkerrechtlichen vertrages für die durchführung des asylverfahrens des klägers zuständig. 24maßgebliche rechtsvorschrift zur bestimmung des zuständigen staates ist vorliegend die am 19. juli 2013 in kraft getretene verordnung (eu) nr. 604/2013 des europäischen parlaments und des rates vom 26. juni 2013 zur festlegung der kriterien und verfahren zur bestimmung des mitgliedstaats, der für die prüfung eines von einem drittstaatsangehörigen oder staatenlosen in einem mitgliedstaat gestellten antrags auf internationalen schutz zuständig ist (dublin iii-vo). diese findet gemäß art. 49 abs. 1 und 2 dublin iii-vo auf alle in deutschland ab dem 1. januar 2014 gestellten anträge auf internationalen schutz anwendung, mithin auch auf das im august 2014 gestellte schutzgesuch des klägers. 25es kann offen bleiben, ob die zuständigkeit italiens für die prüfung des asylantrages des klägers (etwa nach art. 13 abs. 1 dublin iii-vo) begründet wurde. 26denn die zuständigkeit ist jedenfalls mittlerweile auf die beklagte übergegangen. dies folgt aus art. 29 abs. 2 dublin iii-vo. danach ist der zuständige mitgliedstaat nicht mehr zur aufnahme oder wiederaufnahme der betreffenden person verpflichtet und die zuständigkeit geht auf den ersuchenden mitgliedstaat über, wenn die überstellung nicht innerhalb der in art. 29 abs. 1 satz 1, abs. 2 dublin iii-vo genannten frist von sechs monaten, die unter bestimmten voraussetzungen auf höchstens 18 monate verlängert werden kann, durchgeführt wird. 27im vorliegenden fall ist die überstellung nicht in diesem sinne fristgemäß erfolgt. die sechsmonatige frist beginnt nach art. 29 abs. 1 satz 1 dublin iii-vo mit der annahme des aufnahme- oder wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen mitgliedstaat oder der endgültigen entscheidung über einen rechtsbehelf oder eine überprüfung, wenn diese gemäß art. 27 abs. 3 dublin iii-vo aufschiebende wirkung hat. die frist begann nach diesen maßstäben hier mit der – gemäß art. 25 abs. 1 satz 2, abs. 2 der dublin iii-vo fingierten – annahme des wiederaufnahmeersuchens durch italien am 15. oktober 2014. 28die frist zur überstellung der kläger nach italien wurde auch nicht durch den antrag auf anordnung der aufschiebenden wirkung vom 18. märz 2015 (22 l 970/15.a) für die dauer des gerichtlichen eilverfahrens, hier also bis zum ablehnenden eilbeschluss vom 14. april 2014, unterbrochen oder gehemmt. gemäß § 34a abs. 2 satz 2 asylvfg ist die abschiebung während eines eilverfahrens nur im falle rechtzeitiger antragstellung unzulässig, der eilantrag des klägers war hingegen verfristet. davon abgesehen führt auch die rechtzeitige antragstellung nicht zu einer unterbrechung oder hemmung der überstellungsfrist, 29vgl. dazu ovg nrw, beschluss vom 8. september 2014, - 13 a 1347/14.a -, juris, rdn. 5 ff. m.w.n.. 30auch lagen keine gründe für eine verlängerung der frist nach art. 29 abs. 2 dublin iii-vo vor. die sechsmonatige frist endete nach alledem mit ablauf des 15. april 2015. 31das verstreichen der überstellungsfrist hat gemäß art. 29 abs. 2 dublin iii-vo zur folge, dass der zuständige mitgliedstaat nicht mehr zur aufnahme oder wiederaufnahme der betreffenden person verpflichtet ist und die zuständigkeit auf den ersuchenden mitgliedstaat übergeht. die zuständigkeit für die prüfung des asylantrages des klägers ist damit auf die beklagte übergegangen. 32nach auffassung der kammer kann sich der kläger auch auf den übergang der zuständigkeit auf die beklagte berufen, sodass zum maßgeblichen zeitpunkt der entscheidung des gerichts die voraussetzungen des § 27a asylvfg nicht vorliegen. hierzu hat die kammer in ihrem urteil vom 5. februar 2015 (22 k 2262/14. a) ausgeführt: 33„die kläger können sich im vorliegenden klageverfahren auch auf den übergang der zuständigkeit auf die beklagte berufen. 34a.a. vgh bw, urteil vom 27. august 2014 - a 11 s 1285/14 -, juris, rdn. 59 (soweit eine überstellung in den bisher zuständigen mitgliedstaat noch zeitnah möglich ist); nds.ovg, beschluss vom 6. november 2014 – 13 la 66/14 ‑, juris, rdn. 9 ff (ohne einschränkung); hessvgh, beschluss vom 25. august 2014 – 2 a 976/14.a ‑, juris, rdn. 15 (obiter dictum); vg düsseldorf, urteil vom 23. oktober 2014 – 13 k 471/14.a ‑, juris, rdn. 43; funke-kaiser, gk-asylvfg, stand: 102. ergänzungslieferung, november 2014, § 27a, rdn. 234, 196.1 (mit ausnahmen); hailbronner, ausländerrecht, 88. ergänzungslieferung, oktober 2014, § 27a asylvfg, rdn. 20 ff.; günther, in: beck'scher online-kommentar ausländerrecht, kluth/heusch, 5. edition, stand: 1. september 2014, § 27a asylvfg rdn. 29 ff.; offen gelassen: ovg nrw, vorlagebeschluss vom 19. dezember 2011 ‑ 14 a 1943/11.a ‑, juris, rdn. 24 (das vorabentscheidungsverfahren bei eugh, rs. c-666/11 endete ohne sachentscheidung nach rücknahme des ersuchens wegen erledigung des rechtsstreits in der hauptsache beim ovg nrw); vgl. ferner zum ablauf der frist zur stellung des aufnahme- bzw. wiederaufnahmeersuchens: vgh bw, urteil vom 16. april 2014 - a 11 s 1721/13 -, juris; rdn. 25, 27 (bei zeitnaher überstellung); ovg rhpf, urteil vom 21. februar 2014 ‑ 10 a 10656/13 ‑, juris, rdn. 33. 35die kläger haben gemäß §§ 24, 31 asylvfg ein subjektiv-öffentliches recht auf prüfung ihrer schutzgesuche durch die beklagte. diese darf auf der rechtsgrundlage der §§ 27a, 34a asylvfg die weitere prüfung eines asylantrages nur dann ablehnen und eine abschiebungsanordnung in einen anderen mitgliedstaat erlassen, wenn dieser andere staat auf grund von rechtsvorschriften der europäischen union oder eines völkerrechtlichen vertrages für die durchführung des asylverfahrens zuständig ist. liegen diese voraussetzungen nicht vor, ist der verwaltungsakt rechtswidrig. zugleich verletzt der objektiv rechtswidrige verwaltungsakt das subjektiv-öffentliche recht der kläger aus §§ 24, 31 asylvfg, und zwar unabhängig vom schutzzweck der norm, deren verletzung zur rechtswidrigkeit des verwaltungsakts führt. der individualschutzzweck von normen ist nur für diejenigen von bedeutung, die keine materielle beeinträchtigung ihrer rechtsstellung durch den angefochtenen verwaltungsakt dartun können. 36vgl. sachs, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 8. aufl., 2014, § 45 rdn. 126. 37die kläger hingegen werden durch ziffer 2 des streitgegenständlichen bescheides in ihrer rechtstellung aus §§ 24, 31 asylvfg materiell beeinträchtigt, wenn die beklagte die prüfung der schutzgesuche mit verweis auf die zuständigkeit eines anderen staates ablehnt, obwohl ihre zuständigkeit nach den bestimmungen der dublin-iii-verordnung objektiv begründet ist. 38dem nach nationalem recht bestehenden subjektiv-öffentlichen recht der kläger auf prüfung ihrer schutzgesuche durch die nach der dublin-iii-vo objektiv hierfür zuständige beklagte steht auch der anwendungsvorrang des unionsrechts nicht entgegen. denn es liegt schon keine kollision des nationalen rechts mit der gemäß art. 288 abs. 2 aeuv vorrangig anzuwendenden dublin-iii-vo vor. 39die zuständigkeitsregelungen in der dublin-iii-vo begründen unmittelbare rechte der betroffenen ausländer auf beachtung dieser regelungen durch alle behörden der mitgliedstaaten. dies folgt schon aus der rechtsnatur der dublin-iii-vo. diese gilt (wie alle eu-verordnungen) gemäß art. 288 abs. 2 aeuv unmittelbar in jedem mitgliedstaat. diese unmittelbare geltung bedeutet, dass die verordnungen nicht nur für die mitgliedstaaten (untereinander) gelten, sondern in den mitgliedstaaten, 40ulrich haltern, europarecht, tübingen 2005, s. 284 (hervorhebung im original). 41hierin unterscheidet sich das unionsrecht gerade von völkervertragsrecht, mit dem sich lediglich die vertragsstaaten untereinander binden. das unionsrecht ist eine rechtsordnung, deren rechtssubjekte nicht nur die mitgliedstaaten, sondern auch die einzelnen sind. das von der gesetzgebung der mitgliedstaaten unabhängige unionsrecht soll daher den einzelnen, ebenso wie es ihnen pflichten auferlegt, auch rechte verleihen, 42eugh, urteil vom 5. februar 1963, rs. 26/62 (van gend & loos), slg. 1963, s. 25. 43die dublin-iii-vo regelt damit schon aufgrund ihrer rechtsnatur nicht nur verpflichtungen der mitgliedstaaten untereinander, sondern auch unmittelbar die rechtsstellung jedes einzelnen normunterworfenen, das heißt auch der drittstaatsangehörigen, auf die die dublin-iii-vo anwendung findet. 44der dublin-iii-vo kann auch nicht entnommen werden, dass in bezug auf die dort geregelten zuständigkeitsbestimmungen ausnahmsweise etwas anderes gelten sollte, insbesondere ein asylbewerber, der für die prüfung seines asylantrages an einen anderen mitgliedstaat verwiesen wird, einen hierin liegenden objektiven verstoß gegen die zuständigkeitsbestimmungen der verordnung nicht oder nur unter bestimmten umständen rügen kann. 45dies unter verweis auf den zweck der dublin-ii-vo erwägend und im ergebnis ein subjektiv-öffentliches recht des ausländers aus der ermessensvorschrift des art. 3 abs. 2 der dublin-ii-vo (selbsteintrittsrecht) verneinend: schlussanträge des ga jääskinen vom 18. april 2013 ‑ c‑4/11 ‑, rdn. 58. 46indem der unionsgesetzgeber die ursprünglich in einem völkerrechtlichen vertrag (dubliner übereinkommen) vereinbarten zuständigkeitskriterien für die prüfung eines schutzgesuchs ausdifferenziert und in einer eu-verordnung kodifiziert hat, hat er diese regelungen zugleich mit den aus art. 288 abs. 2 aeuv folgenden rechtswirkungen ausgestattet. diese rechtsqualität der regelungen steht auch nicht in widerspruch zu ihrem sinn und zweck. der unionsgesetzgeber hat die zuständigkeitsbestimmungen erlassen, um die behandlung der asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das system dadurch stockt, dass die staatlichen behörden mehrere anträge desselben antragstellers bearbeiten müssen, und um die rechtssicherheit hinsichtlich der bestimmung des für die behandlung des asylantrages zuständigen staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping“ zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die bearbeitung der anträge im interesse sowohl der asylbewerber als auch der teilnehmenden staaten zu beschleunigen, 47eugh, urteil vom 10. dezember 2013, c‑394/12 (abdullahi), rdn. 53, juris; vgl. auch schlussanträge des ga jääskinen vom 18. april 2013 ‑ c‑4/11 ‑, rdn. 57. 48diese ziele werden am effektivsten durch die zuverlässige und gleichmäßige befolgung der in der dublin-iii-vo geregelten zuständigkeitskriterien in allen mitgliedstaaten erreicht. das „forum shopping“ wird unterbunden, indem einem einzigen mitgliedstaat die zuständigkeit für die prüfung des schutzgesuches zugeordnet wird; die rechtssicherheit hinsichtlich der bestimmung des zuständigen staates wird durch detaillierte kriterien, die keine entscheidungsspielräume der mitgliedstaaten vorsehen, erhöht; die asylverfahren werden insgesamt beschleunigt, indem das verfahren zur bestimmung des zuständigen staates verbindlich geltenden kurzen fristen unterworfen wird. 49die unmittelbare, auch von den betroffenen durchsetzbare rechtswirkung der zuständigkeitsbestimmungen der dublin-iii-vo ‑ soweit sie einem mitgliedstaat die zuständigkeit ohne ermessensspielraum zuweisen ‑ widerspricht diesen zielen nicht, sondern fördert ihre erreichung. der grundsatz der effektivität des unionsrechts („effet utile“) findet eine wesentliche stütze gerade darin, dass sich der einzelne vor nationalen gerichten auf unmittelbar geltendes unionsrecht berufen kann. mit hilfe der doktrin der unmittelbaren anwendbarkeit werden die an der wahrung ihrer rechte interessierten betroffenen zu wächtern des unionsrechtssystems erhoben, die dessen effektive anwendung in den mitgliedstaaten sichern, 50vgl. schroeder, in: streinz, euv/aeuv, kurz-kommentar, 2. aufl., 2012, art. 288 aeuv, rdn. 49 m.w.n. 51zum zweck der effektiven und gleichen wirkung des unionsrechts sollen die einzelnen, soweit es um den staatlichen vollzug des unionsrechts geht, eine dezentrale, die kommission entlastende vollzugskontrolle vornehmen können, 52vgl. grabitz/hilf/nettesheim, das recht der europäischen union, loseblatt-kommentar, band iii, euv/aeuv, stand september 2014, art. 288 aeuv rdn. 44. 53andernfalls könnte auch art. 267 aeuv, der zum zweck der einheitlichen anwendung des unionsrechts in den mitgliedstaaten das verfahren zur vorabentscheidung des europäischen gerichtshofs (eugh) über die auslegung unionsrechtlicher bestimmungen auf vorlage nationaler gerichte vorsieht, seine wirkung nicht entfalten. art. 267 aeuv setzt voraus, dass sich der einzelne vor nationalen gerichten auf unmittelbar anwendbares unionsrecht berufen kann und damit die frage der auslegung einer unionsrechtlichen bestimmung vor dem nationalen gericht streitentscheidende bedeutung gewinnt. der alleinigen entscheidungskompetenz des eugh bei der auslegung des unionsrechts liefe es zuwider, einer unionsrechtlichen bestimmung in einem verfahren vor einem nationalen gericht (ohne vorherige klärung der rechtsfrage durch den eugh) mit verweis auf mangelnde individualschützende wirkung eine streitentscheidende bedeutung von vornherein abzusprechen. 54aufgrund dieser generellen bedeutung der unmittelbaren, individualrechtsbegründenden anwendbarkeit des unionsrechts für die sicherstellung seiner effektivität kommt es für die frage, ob sich der einzelne auf unionsrecht berufen kann, auch nicht darauf an, ob eine vorschrift des unionsrechts bezweckt, individuelle rechte zu schaffen. entscheidend ist vielmehr, ob die sich aus der vorschrift ergebende verpflichtung anderer rechtssubjekte eindeutig ist, weil sie hinreichend klar und unbedingt formuliert ist. 55vgl. grabitz/hilf/nettesheim, das recht der europäischen union, loseblatt-kommentar, band iii, euv/aeuv, stand september 2014, art. 288 aeuv rdn. 46; schroeder, in: streinz, euv/aeuv, kurz-kommentar, 2. aufl., 2012, art. 288 aeuv, rdn. 51 m.w.n. 56dies ist bei art. 29 abs. 2 s. 1 dublin-iii-vo der fall. die norm regelt den übergang der zuständigkeit nach ablauf der überstellungsfrist eindeutig, klar und unbedingt, insbesondere sieht sie auch keinen entscheidungsspielraum einer nationalen behörde vor. 57der annahme, dass sich ein asylbewerber auf die nach der dublin-iii-verordnung zum zeitpunkt der mündlichen verhandlung objektiv begründete zuständigkeit eines mitgliedstaates für die prüfung seines schutzgesuches berufen kann, steht auch die rechtsprechung des eugh, 58urteil vom 10. dezember 2013 (abdullahi), - c-394/12 -, juris, 59sowie des bundesverwaltungsgerichts, 60beschlüsse vom 19. märz 2014 - 10 b 6.14 -, juris, rdn. 7 und vom 6. juni 2014 – 10 b 35.14 ‑, juris, rdn. 6, 61nicht entgegen. 62diesen entscheidungen ist keine aussage zur subjektiv-rechtlichen dimension von (überstellungs-)fristen zu entnehmen, 63vgl. vg düsseldorf, urteil vom 23. oktober 2014 - 13 k 471/14.a -, rdn. 41, juris mit hinweis auf vg düsseldorf, urteil vom 15. august 2014 - 13 k 1117/14.a -, rdn. 54 ff., juris. 64insbesondere lässt sich eine dahingehende aussage nicht aus dem vom eugh aufgestellten rechtssatz entnehmen, dass der betreffende ausländer in einem fall, in dem ein mitgliedstaat seiner aufnahme nach maßgabe des in art. 10 abs. 1 dublin-ii-vo niedergelegten kriteriums zugestimmt hat (mitgliedstaat der ersten einreise), der heranziehung dieses kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische mängel des asylverfahrens und der aufnahmebedingungen für asylbewerber in diesem mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch tatsachen bestätigte gründe für die annahme darstellen, dass er tatsächlich gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden behandlung im sinne von art. 4 der charta ausgesetzt zu werden. 65vgl. eugh, urteil vom 10. dezember 2013 (abdullahi) - c-394/12 -, rdn. 62, juris, 66mit diesem rechtssatz betont der eugh gerade die verbindlichkeit der in der dublin-verordnung niedergelegten zuständigkeitskriterien, die ihre grenze erst in der im einzelfall anzunehmenden tatsächlichen gefahr der verletzung eines in der grundrechtecharta verbürgten rechts findet. demgegenüber lässt sich dem vom eugh aufgestellten rechtssatz keine aussage des inhalts entnehmen, dass sich ein asylbewerber nicht (oder nur unter bestimmten bedingungen) auf die beachtung eines in der dublin-verordnung niedergelegten zuständigkeitskriteriums berufen kann. 67so liegt der fall hier. mit dem von den klägern geltend gemachten einwand, dass die zuständigkeit für die prüfung ihrer schutzgesuche wegen überschreitens der überstellungsfrist gemäß art. 29 abs. 2 s. 1 dublin-iii-vo auf die beklagte übergegangen ist, wenden sich die kläger ‑ anders als in dem vom eugh entschiedenen fall ‑ gerade nicht gegen die heranziehung eines in der dublin-iii-vo niedergelegten zuständigkeitskriteriums, sondern berufen sich auf dieses. 68auch das bverwg geht erkennbar nicht davon aus, dass andere einwände gegen eine überstellung in einen anderen mitgliedstaat als der einwand systemischer mängel unbeachtlich wären. vielmehr benennt es in dem zuletzt ergangenen beschluss vom 6. juni 2014 – 10 b 35.14 – konkret die als unbeachtlich einzustufenden einwände: 69„aus der zitierten rechtsprechung des gerichtshofs der europäischen union ergibt sich, dass ein asylbewerber der überstellung in den nach der dublin-ii-verordnung für ihn zuständigen mitgliedstaat mit blick auf unzureichende aufnahmebedingungen für asylbewerber nur mit dem einwand systemischer mängel des asylverfahrens und der aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der schwelle systemischer mängel in einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden behandlung im sinne von art. 4 gr-charta bzw. art. 3 emrk kommen kann und ob ein antragsteller dem in der vergangenheit schon einmal ausgesetzt war.“ 70bverwg, beschluss vom 6. juni 2014 – 10 b 35.14 ‑, juris, rdn. 6, hervorhebung nicht im original. 71dies verdeutlicht, dass die bestimmung des zuständigen mitgliedstaates der prüfung vorgelagert ist, ob einer überstellung dorthin systemische mängel des asylverfahrens und der aufnahmebedingungen entgegenstehen. auch wird die beschränkung berücksichtigungsfähiger einwände auf den einwand systemischer mängel nur insoweit ausgesprochen, als der asylbewerber der überstellung mit blick auf unzureichende aufnahmebedingungen in diesem staat entgegentritt. 72eine beschränkung der rechtsstellung des betroffenen ausländers im hinblick auf die geltendmachung objektiver verstöße gegen die zuständigkeitsregelungen der dublin-iii-verordnung lässt sich auch nicht mit der überlegung belegen oder bekräftigen, dass es dem asylbewerber unbenommen ist, sich freiwillig bei der ihm genannten stelle des anderen mitgliedstaates zu melden und hierdurch selbst das verfahren zu beschleunigen. 73zu den modalitäten einer überstellung auf initiative des asylbewerbers siehe art. 7 abs. 1 buchstabe a) der verordnung (eg) nr. 1560/2003 der kommission vom 2. september 2003, zuletzt geändert durch durchführungsverordnung (eu) nr. 118/2014 der kommission vom 30. januar 2014 (dvo dublin iii). 74zwar kann der asylbewerber damit zu einer beschleunigung beitragen. aus einer fehlenden inanspruchnahme dieses rechts kann jedoch nicht auf den verlust des subjektiv-öffentlichen rechts des asylbewerbers auf materielle prüfung seines schutzgesuches durch die beklagte geschlossen werden. insbesondere steht der vom gebot von treu und glauben gemäß § 242 bgb abgeleitete grundsatz des verbots widersprüchlichen verhaltens ("venire contra factum proprium") der geltendmachung dieses subjektiv-öffentlichen rechts nicht entgegen. 75so aber vg düsseldorf, urteil vom 23. oktober 2014 – 13 k 471/14.a ‑, juris, rdn. 45 ff. 76ein widersprüchliches verhalten der kläger liegt 77– ganz abgesehen davon, dass im deutschen recht die möglichkeit der überstellung des betroffenen asylbewerbers auf eigene initiative gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist (vgl. hierzu: vgh bw, beschluss vom 4. juli 2014 – a 11 s 1230/14 ‑, juris, rdn. 4) und die kläger im vorliegenden fall (soweit ersichtlich) über dieses ihnen zustehende initiativrecht auch nicht unterrichtet wurden – 78nicht vor. die kläger rügen nicht etwa eine unangemessene dauer ihrer verfahren, die sie selbst hätten beschleunigen können. vielmehr begehren sie die materielle prüfung ihrer schutzgesuche durch die beklagte. selbst wenn zwischenzeitlich ein anderer staat für die durchführung ihrer asylverfahren zuständig gewesen sein sollte, kann ein widersprüchliches verhalten der kläger nicht darin gesehen werden, dass sie an ihrem begehren der prüfung ihrer schutzgesuche durch die beklagte festgehalten haben. die kläger haben sich zur begründung ihres begehrens nicht auf eine drohende unzumutbare dauer ihrer schutzgesuche gestützt, sondern auf gesundheitliche beeinträchtigungen, die der tatsächlichen durchführung ihrer überstellung entgegenstünden.“ 79hieran hält das gericht fest. 80im ergebnis ebenso: vg minden, urteil vom 19. märz 2015 – 10 k 2658/14.a –, juris; vg hannover, beschluss vom 24. februar 2015 – 6 b 341/15 –, juris; vg frankfurt, beschluss vom 5. februar 2015 – 5 k 567/14.f.a –, rn. 11, juris; vg gelsenkirchen, beschluss vom 17. februar 2015 – 6a l 239/15.a –, juris; zur rechtsfolge einer gegenstandslosigkeit des auf § 27a asylvfg gestützten ablehnungsbescheides bei ablauf der überstellungsfrist kommt der bayerische verwaltungsgerichtshof, beschluss vom 30. märz 2015 – 21 zb 15.50025 –, juris. 81auch im vorliegenden fall kann offen bleiben, ob ein verlust des subjektiv-öffentlichen rechts auf prüfung des schutzgesuches durch den staat, der infolge des ablaufs der überstellungsfrist nach art. 29 abs. 2 s. 1 dublin iii-vo zuständig geworden ist, dann eintreten kann, wenn dieses recht missbräuchlich in anspruch genommen wird. denn dafür fehlen hier jegliche anhaltspunkte. insbesondere hat sich der kläger weder der ausländerrechtlichen überwachung entzogen noch überstellungsmaßnahmen widersetzt. 822. ist somit nach auffassung der kammer der asylantrag des klägers nicht gemäß § 27a asylvfg als unzulässig anzusehen, liegen auch die voraussetzungen des § 34a abs. 1 s. 1 asylvfg für die in ziffer 2 des angefochtenen bescheids verfügte abschiebungsanordnung nicht vor. 83iii. die kostenentscheidung beruht auf §§ 154 abs.1 vwgo. gerichtskosten werden gemäß § 83b asylvfg nicht erhoben. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 abs. 2 und abs. 1 satz 1 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo. | Klaeger*in | 1 |
120,574 | S 20 R 1493/13 | 2016-10-27T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 1Tatbestand: 2Der Kläger wendet sich gegen das teilweise Ruhe seiner Regelaltersrente aufgrund seiner Entschädigung als Bundestagsabgeordneter nach dem Abgeordnetengesetz (AbgG). 3Der am 00.00.1948 geborene Kläger beantragte im Oktober 2012 die Bewilligung einer Regelaltersrente zum 01.04.2013. Er war zu diesem Zeitpunkt seit dem 10.11.1994 Mitglied des Deutschen Bundestags und bezog ausweislich einer Bescheinigung vom 15.10.2012 eine monatliche Entschädigung nach dem Abgeordnetengesetz von 7.938,19 EUR. Mit Bescheid vom 08.02.2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab dem 01.04.2013. Zur Höhe der Rente führte die Beklagte aus, der Kläger habe grundsätzlich einen Anspruch auf Rente in Höhe von 770,37 EUR monatlich. Diese Rente ruhe jedoch nach § 29 Abs. 2 AbgG zu 80 %, so dass ein Rentenanspruch von 154,07 EUR verbleibe (daneben noch Zuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 11,25 EUR, also Zahlbetrag von 164,32 EUR). Mit Bescheid vom 23.05.2013 berechnete die Beklagte die Regelaltersrente zum 01.07.2013 aufgrund der Rentenanpassung neu. Der Rentenanspruch betrage 154,46 EUR. Den Widerspruch gegen beide Bescheide stützte der Kläger darauf, das teilweise Ruhen der Regelaltersrente aufgrund der Regelung des § 29 Abs. 2 AbgG verletzte ihn in seinen Grundrechten. Es verstoße gegen Art 3 GG, dass er als Bundestagsabgeordneter, der zugleich Altersrentner sei, eine erheblich niedrigere Rente erhalte, als ein Rentner, der nicht Bundestagsabgeordneter sei. Üblicherweise erhalte derjenige, der das Rentenalter erreicht habe, die volle Regelaltersrente, unabhängig von sonstigen Hinzuverdiensten. Die faktische Anrechnung der Entschädigung als Abgeordneter auf die Regelaltersrente stelle demgegenüber eine klare Ungleichbehandlung dar. Zudem verstoße die Minderung des Auszahlungsbetrags der Rente den in Art 14 GG gewährten Eigentumsschutz. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2013 wies die Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, sie sei an Recht und Gesetz gebunden und dürfe nicht selber prüfen, ob eine Regelung verfassungswidrig sei. Der Kläger schied am 22.10.2013 aus dem Bundestag aus. Mit Bescheid vom 16.10.2013 berechnete die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers neu ab dem 01.11.2013, nunmehr ohne Ruhen aufgrund der Bezüge aus dem Bundestagsmandat. 4Die Klage stützt der Kläger auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Rentenanwartschaften unterliegen dem Schutz des Art 14 GG. Eingriffe hierin müssten einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sein. Diese Grenzen seien durch § 29 Abs. AbgG nicht beachtet. Hintergrund von § 29 Abs. 2 AbgG sei es, eine Doppelalimentation zu vermeiden. Tatsächlich folge nur die Abgeordnetenentschädigung dem Alimentationsprinzip, welches zu den hergebrachten Strukturprinzipien gehöre und das Bild des Berufsbeamtentums maßgeblich präge. Die Rente folge dagegen dem Äquivalenzprinzip und orientiere sich grundsätzlich an der Höhe der in der Erwerbsphase gezahlten Beiträge. Eine Kürzung der Rentenleistungen, weil der Betreffende anderweitige Einkünfte habe, vertrage sich damit nicht. Die "Verhinderung von Überversorgung" der Rentner sei kein Gemeinwohlziel und könne diesen Eingriff nicht rechtfertigen. § 29 Abs. 2 AbgG verstoße zudem gegen Art 3 GG. Die Vergleichsgruppe könne nicht die der Altersrentner sein, die gleichzeitig eine Pension beziehe. Richtige Vergleichsgruppe sei vielmehr die Gruppe derjenigen, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze Einkünfte aus einer beamtenrechtlich alimentierten Tätigkeit beziehen. Der Kläger sei als aktiver Abgeordneter nicht dem Pensionär vergleichbar, sondern dem aktiven Beamten. Der Beamte, der nach Erreichen des Pensionsalters freiwillig auf Antrag weiterarbeite, könne neben seiner ungekürzten Besoldung eventuelle Altersrenten ungekürzt beziehen. Der Kläger werde insofern z.B. gegenüber einem obersten Bundesrichter, der neben seinem Besoldungsanspruch ungekürzte Altersrente beziehen könne, ungleich behandelt. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass § 29 Abs. 2 AbgG nunmehr geändert worden sei und Renten neben Abgeordnetenentschädigungen nunmehr nur noch zu 50 % ruhen würden. Da die streitgegenständlichen Bescheide noch nicht bestandskräftig seien, sei dies auch rückwirkend noch zu berücksichtigen. 5Der Kläger beantragt, 6die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.02.2013 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 23.05.2013 beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.08.2013 zu verurteilen, für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis 31.10.2013 ungekürzte Rente sowie auf Basis dieser ungekürzten Rente berechnete Zuschüsse zur Krankenversicherung zu gewähren. 7Die Beklagte beantragt, 8die Klage abzuweisen. 9Sie stützt sich auf die Ausführungen der angegriffenen Entscheidung. Ein Verstoß des § 29 Abs. 2 AbgG gegen Art 3 GG liege nicht vor. Im Vergleich von Abgeordneten des Deutschen Bundestags mit dem weitaus überwiegenden Teil der Rentner in der gesetzlichen Rentenversicherung zeige sich, dass für den überwiegenden Teil der Rentner die Hinzuverdienstmöglichkeit neben dem Bezug der Altersrente regelmäßig eine mehr oder weniger große finanzielle Ergänzung darstelle. Es gehe bei diesen auch nicht um eine Doppelversorgung aus öffentlichen Kassen. Abgeordnete mit einer Regelaltersrente würden zudem gegenüber Abgeordneten ohne eine solche Regelaltersrente finanziell schlechter dastehen. Der Gesetzgeber habe damit den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Die vom Kläger angesprochene Situation eines Beamten, der nach Erreichen der Regelaltersgrenze freiwillig weiterarbeite, betreffe einen anderen, nicht vergleichbaren Sachverhalt. Ein Verstoß gegen Art 14 GG liege ebenfalls nicht vor. Zwar greife die Regelung in die durch Art 14 GG geschützte Eigentumsposition ein. Der Eingriff liege jedoch im öffentlichen Interesse, weil damit eine Doppelversorgung aus öffentlichen Kassen verhindert werden solle. Davon solle nicht zuletzt auch eine Signalwirkung für die gesamte Öffentlichkeit ausgehen, dass die Mitglieder des Deutschen Bundestags gewillt sind, auf eine übermäßige und aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger möglicherweise ungerechtfertigte Alimentation aus freien Stücken zu verzichten. Der Eingriff sei auch verhältnismäßig. Die Gesetzesänderung des § 29 Abs. 2 AbgG sei nur für Zeiträume ab dem Inkrafttreten relevant, nicht aber für die Vergangenheit. 10Wegen der Darstellung weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt das Gericht auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. 11Entscheidungsgründe: 12Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 08.02.2013 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 23.05.2013 beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.08.2013 ist rechtmäßig. Der Kläger hat für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf eine höhere Rente oder einen höheren Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung. Zwischen den Parteien ist alleine die Anwendung von § 29 Abs. 2 AbgG streitig. Auch die Kammer kann anderweitige Fehler bei der Berechnung der Höhe der Rente oder des Zuschusses zur Krankenversicherung nicht erkennen. Die Beklagte hat § 29 Abs. 2 AbgG richtig angewendet. Insbesondere hat die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.04.2013 bis zum 31.10.2013 zu Recht § 29 Abs. 2 AbgG in der Fassung vom 20.07.2000 angewendet. Die Änderung des § 29 Abs. 2 AbgG durch das Dreißigste Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Dreiundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes vom 11. Juli 2014 (Bundesgesetzblatt Teil I 2014, S. 906-907) ist erst am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten und enthält keine Regelung zur Rückwirkung. 13§ 29 Abs. 2 AbgG in der Fassung vom 20.07.2000 verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Das Bayerisches Landessozialgericht hat mit Urteil vom 27.11.2014 (Az L 14 R 457/14) zur Verfassungsmäßigkeit des § 29 Abs. 2 AbgG wie folgt ausgeführt: 14"3. § 29 Abs. 2 S. 2 AbgG in der Fassung vom 21.12.2004 verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen Grundrechte. 15a.) Die Verminderung seiner gesetzlichen Rente verletzt den Kläger nicht in Art. 14 GG. 16Zwar bejaht der Senat die Eingriffsqualität, da durch Bescheid vom 27.08.2010 die gesetzliche Rente ruhend gestellt wurde. Auch unterliegt die gesetzliche Regelaltersrente dem Schutzbereich des Art.14 Abs. 1 GG (BVerfGE 128, 138, 149 ff.). 17Gleichwohl hat das Sozialgericht München in seinem Urteil vom 15.02.2012 zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber inhalt- und schrankenbestimmend in eigentumsgrundrechtlich geschützte Rechtspositionen eingreifen darf, wenn der Eingriff im öffentlichen Interesse liegt und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (Art. 14 Abs. 2 GG; BVerfGE 56, 249, 260). Gerade bei der Inhalt-und Schrankenbestimmung sozialversicherungsrechtlicher Positionen besteht ein weiter Gestaltungsspielraum, was umso mehr gilt, wenn – wie hier – der Gesetzgeber sozusagen "in eigener Sache" entscheidet. 18Der Eingriff in die gesetzliche Rente durch § 29 Abs. 2 AbgG rechtfertigt sich in der Vermeidung einer Doppelalimentation der Bundestagsabgeordneten aus öffentlichen Kassen. 19Der Entschädigung eines Abgeordneten des Deutschen Bundestages kommt Vollalimentationscharakter zu. Denn nach Art. 48 Abs. 3 GG haben die Abgeordneten Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Die Abgeordnetenentschädigung dient allein der Unterhaltssicherung und stellt keine Gegenleistung für eine bestimmte Arbeitsleistung dar (sog. "Diätenurteil": BVerfG vom 05.11.1975; 2 BvR 193/75, BVerfGE 40, 296 ff., 316). 20Gleichzeitig ist der Zweck der Alimentation mit dem Gleichheitssatz in formalisierter Ausprägung verknüpft, der es gebietet, sicherzustellen, dass jedem Abgeordneten eine gleichhoch bemessene Entschädigung zusteht. Dies beruht darauf, dass alle Mitglieder des Parlaments einander formal gleichgestellt sind. Das Prinzip dieser formalisierten Gleichbehandlung ist verfassungsrechtlich im egalitären Gleichheitssatz ausgeprägt. Aus ihm folgt, dass jedermann ohne Rücksicht auf soziale Unterschiede, insbesondere auf seine Abstammung, seine Herkunft, seine Ausbildung oder sein Vermögen, die gleiche Chance haben muss, Mitglied des Parlaments zu werden. Aus ihm folgt weiter, dass jedem Abgeordneten eine gleich hoch bemessene Entschädigung zusteht, unabhängig davon, ob die Inanspruchnahme durch die parlamentarische Tätigkeit größer oder geringer ist, ob der individuelle finanzielle Aufwand oder das berufliche Einkommen verschieden hoch ist (BVerfG Urteil vom 05.11.1975 a. a. O., 318). 21In der Konsequenz lässt die so verstandene einheitliche Entschädigung aufgrund des Alimentationscharakter zunächst alle weiteren, der Höhe nach differenzierten, individuellen oder pauschalierten finanziellen Leistungen an einzelne Abgeordnete aus öffentlichen Mitteln als grundsätzlich inkompatibel erscheinen, wenn sie nicht einen Ausgleich für sachlich begründeten, besonderen, mit dem Mandat verbundenen finanziellen Aufwand darstellen. Wenngleich daraus nicht sogleich ein Gebot der vollständigen Abschöpfung postuliert werden kann, so ist abzuleiten, dass die Alimentationsverpflichtung der öffentlichen Hand nicht notwendig auf eine doppelte Aufbringung des angemessenen Lebensunterhalts geht (vgl. BVerfG Urteil vom 05.11.1975 a. a. O. unter Hinweis auf BVerfGE 32, 157, 166). Damit rechtfertigt sich grundsätzlich aber eine normative Regelung, wie sie in Gestalt des § 29 Abs. 2 AbgG getroffen ist, die die Doppelalimentation durch Bezug einer Abgeordnetenentschädigung einerseits und einer gesetzlichen Rente andererseits begrenzt. 22Die Renten der gesetzliche Rentenversicherung stellen öffentliche Mittel bzw. Mittel aus öffentlichen Kassen dar, die – im Gegensatz zu Zahlungen einer privaten Versicherung – zur Vermeidung einer Privilegierung zu berücksichtigen sind, auch wenn sie zum erheblichen Teil auf eigener Arbeitsleistung in einer Beschäftigung beruhen. 23Die Prinzipien des sozialen Ausgleichs, der Solidarität und des Generationenvertrags lassen sich mit den Rechtsgrundsätzen, die private Kassen prägen, und mit den rechtlichen Gestaltungsformen, die für das Bild privater Kassen typisch sind, nicht verwirklichen. Der Gesetzgeber hat deshalb für die gesetzliche Rentenversicherung eigene und besondere Rechtsgrundsätze und Organisationsformen entwickelt, die von denjenigen bei privaten Kassen erheblich abweichen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Finanzierungsverfahren, die Beitragsbemessung, die Leistungsberechnung, das fehlende Gewinnstreben, die eingeschränkten Dispositionsmöglichkeiten bei der Begründung und Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses sowie die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Rentenversicherung im übrigen. Durch die insoweit bestehenden öffentlich-rechtlichen Regelungen gewährleistet der Staat die Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung, für die er einzustehen hat. 24Daraus, dass bei der gesetzlichen Rentenversicherung genau wie bei einer privaten Versicherung Beiträge entrichtet werden, die Beiträge der Finanzierung dienen und eine kollektive Vorsorge betrieben wird, lässt sich keineswegs folgern, es handele sich bei der Rentenkasse um eine private Kasse. Eine solche Annahme ließe in nicht zu vertretender Weise Merkmale der Rentenkasse außer Acht, die wesentlich von den typischen Erscheinungsformen bei privaten Kassen abweichen und für eine öffentliche Kasse charakteristisch sind. Zu nennen sind insoweit vor allem die Prinzipien, die das System der gesetzlichen Rentenversicherung prägen (wie insbesondere die Grundsätze der Solidarität, des sozialen Ausgleichs und des Generationenvertrags), sowie die Rechtsgrundsätze und Organisationsformen der gesetzlichen Rentenversicherung (instruktiv dazu: BVerfG vom 30.09.1987, 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256 ff.; Rdnr. 91 ff., zitiert nach Juris). Die Beiträge machen auch nur einen – erheblichen – Teil der Einnahmen aus. Aus diesem Grund ist in jeder Rentenzahlung nur anteilig ein Betrag enthalten, der wirtschaftlich gesehen den Gegenwert für die früher eingezahlten Beiträge darstellt (vgl. BVerfGE 54, 11, (26, 29); BVerfG, vom 30.09.1987, 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256 ff.). 25Auch auf der Leistungsseite findet sich das Versicherungsprinzip durch soziale und damit versicherungsfremde Gesichtspunkte zwar nicht vollständig beseitigt, aber doch – im Vergleich zur Privatversicherung – entscheidend modifiziert. Denn die gesetzliche Rentenversicherung beruht wesentlich auf dem Gedanken der Solidarität ihrer Mitglieder sowie des sozialen Ausgleichs und enthält von jeher auch ein Stück sozialer Fürsorge. Der versicherungsmäßige Risikoausgleich wird also mit sozialen Komponenten verbunden. Die annähernd gleichmäßige Förderung des Wohls aller Mitglieder der Solidargemeinschaft mit besonderer Berücksichtigung der Hilfsbedürftigen steht bei der gesetzlichen Rentenversicherung im Vordergrund. Die Rentenzahlungen gewährleisten eine solidarisch getragene und gesicherte Altersversorgung. 26Zum Ausdruck kommen die sozialen Gesichtspunkte u. a. in der rentensteigernden Zurechnung von Zeiten, die nicht durch Beitragsleistungen gedeckt sind, also in der Berücksichtigung von Ersatz-, Ausfall- und Zurechnungszeiten bei den anrechnungsfähigen Versicherungsjahren. Auch der Hinterbliebenenrente ist eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung, weil sie ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt wird. Ein wesentliches Element des sozialen Ausgleichs stellt ferner der aus Steuermitteln finanzierte Bundeszuschuss zur Rentenversicherung dar (zum Ganzen BVerfGE 17, 1, 9; 48, 346, 357 f.; 53, 257, 290 ff.; 58, 81, 110, 113); 70, 101, 111; BVerfG vom 30.09.1987 a. a. O.). 27Dieser Feststellung stehen weder die verfassungsrechtliche Schutzwürdigkeit des Rentenanspruchs, noch die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z.B. BVerfGE 53, 257, 289 ff.) für sie sprechenden Gründe entgegen, wie vor allem die Zuordnung des Rentenanspruchs zu einem privaten Rechtsträger, der personale Bezug des Berechtigten zum Rentenanspruch und der Zusammenhang mit einer eigenen Leistung des Berechtigten. Verfassungsrechtlich geschützte Ansprüche können nicht nur gegenüber einer privaten, sondern ebenso gut gegenüber einer öffentlichen Kasse bestehen. Dies zeigt etwa der beamtenrechtliche Versorgungsanspruch, der den Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG genießt und aus einer öffentlichen Kasse erfüllt wird. Auch er ist einem privaten Rechtsträger zugeordnet und zu dessen Nutzen bestimmt (BVerfG vom 30.09.1987 a.a.O.). 28Die in § 29 Abs. 2 AbgG getroffene konkrete Regelung qualifiziert sich vor Systematik und Zweck der gesetzlichen Rente nicht als übermäßig. Denn bei der Ausgestaltung einer solchen Begrenzungsregelung mehrfacher Alimentationen aus öffentlichen Kassen durfte der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums bei der Frage des "ob" sowie der Höhe einer Abschöpfung des Doppelzahlungen den Zweck und die Besonderheiten des weiteren Bezugs aus öffentlichen Kassen berücksichtigen und u. a. auch Teilruhenslösungen nach gestuften Sätzen für unterschiedliche Einkommen aus öffentlichen Kassen schaffen, solange innerhalb dieser öffentlichen Einkommen keine sachwidrigen Differenzierungen getroffen werden. 29Der Senat sieht sich bestätigt durch die Äußerung des Bundesverfassungsgerichts, wonach das Abgeordnetengesetz eine Entschädigung gewähre, die für die Zeit, in der der Abgeordnete das Mandat innehat, eine volle Alimentation des Abgeordneten und seiner Familie darstellt, und eine der Höhe dieser Entschädigung entsprechende, wenngleich nach der Dauer der Zugehörigkeit zum Parlament gestaffelte Altersversorgung vorsieht. Hieran gemessen, so das BVerfG, erscheine es wenig folgerichtig, bei einem Zusammentreffen von Abgeordnetenentschädigung und -versorgung mit Bezügen aus anderen öffentlichen Kassen von deren Anrechnung abzusehen. Es liege daher nahe, dass der Gesetzgeber, sofern er es bei der bisherigen Konzeption von Entschädigung und Versorgung der Abgeordneten belässt, auch eine Anrechnung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung vorsieht (BVerfG vom 330.09.1987, 2 BvE 933/82, BVerfGE 76, 343). 30Da die gesetzliche Versichertenrente – wie ausgeführt – dem Grunde und der Höhe nach nur zu einem nicht unerheblichen Teil auf eigenen Beitragsleistungen bzw. solchen des früheren Arbeitgebers beruht, jedoch im Übrigen von sozialen Faktoren bestimmt wird, erscheint es normativ gerechtfertigt, zumindest einen Teil der gesetzlichen Rente zum Ruhen zu bringen. 31Wenn der Gesetzgeber im Hinblick darauf die Ruhensquote mit 80 v. H. festsetzte, ist dies ebenso wenig zu beanstanden, wie die nunmehr erfolgte Ermäßigung des Ruhens auf 50 %. Insbesondere war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, den auf Beitragsleistung beruhenden Teil zu beziffern und entsprechend die Ruhensquote zu bemessen. Dies schon deshalb, weil eine differenzierende Bewertung nur schwer möglich ist. Durch die 80%ige Kürzung wurde überdies ein Gleichklang mit den beamtenrechtlichen Vorschriften hergestellt, zumal sachgerechte Gründe, die zu einer geringeren Kürzung zwingen würden, nicht erkennbar sind. 32Auch verstößt die Umsetzung der Doppelalimentationsbegrenzung durch Verminderung der gesetzlichen Renten anstatt einer Minderung der Abgeordnetenentschädigung ebenfalls nicht gegen Art. 14 GG. 33Denn der Senat entnimmt Art. 48 Abs. 3 GG und der staatsrechtlichen Stellung des Abgeordneten des Deutschen Bundestags, dass der Zufluss der – gleichen – unterhaltssichernden Abgeordnetenbezüge durch das Parlament zu gewährleisten ist, indem jeder Abgeordneter seine Entschädigung zunächst frei von Anrechnung durch seitens der Exekutive als anrechenbar bezeichnete Mittel erhält. Dies erfordert und rechtfertigt es vor Art. 14 GG, die Umsetzung der Anrechnung weiterer Bezüge auf die weiteren öffentlichen Kassen zu verlagern, solange der Abgeordnete sein Mandat innehat. 34Anzufügen bleibt, dass es bei gebotener Gesamtbetrachtung der Alimentationen wirtschaftlich unerheblich bleibt, welche der beiden Alimentationsquellen beschnitten wird. Der Eingriff reduziert sich auf eine verwaltungsmäßige Umsetzung, was die Anforderungen an die Rechtfertigungsgründe sinken lässt. 35b.) Aus den eben genannten Gründen kann der Senat auch eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht erkennen. 36Eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zwischen Abgeordneten, die Versorgungsbezüge aus privaten Kassen beziehen, und solchen, die Versorgungsbezüge aus öffentlichen Kassen beziehen, liegt nicht vor. Vielmehr erscheint aus den eben genannten Gründen eine Differenzierung zwischen Bezügen aus öffentlichen und solchen aus privaten Kassen notwendig und sachgerecht. Ebenso wenig kann der Senat eine sachwidrige Ungleichbehandlung von Rentnern, die neben der Regelaltersrente Arbeitseinkommen erzielen, und solchen, die Abgeordnetenbezüge erhalten, erkennen, zumal hier noch nicht einmal vergleichbare Sachverhalte vorliegen. Wie dargelegt, stellt die Entschädigung eines Abgeordneten des Deutschen Bundestages keine Gegenleistung für eine Arbeitsleistung dar und ist schon deshalb mit Arbeitseinkünften, die ein Rentner neben seiner Regelaltersrente erwirtschaftet, nicht vergleichbar." 37Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an. 38Im Hinblick auf die vom Kläger vom Kläger angegeben Ungleichbehandlung gegenüber Beamten, die nach Erreichen der Regelaltersrente weiterarbeiten und bei denen die Regelaltersrente nicht aufgrund der weiterhin gewährten Bezüge gekürzt wird, sieht die Kammer eine Vergleichbarkeit ebenfalls nicht gegeben. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Beschluss vom 30. September 1987 (Az 2 BvR 933/82 –, BVerfGE 76, 256-362) zur fehlenden Vergleichbarkeit von Abgeordneten und Beamten wie folgt ausgeführt: 39"Zwischen Abgeordneten und Beamten bestehen grundlegende statusrechtliche Unterschiede. Der Abgeordnete ist - vom Vertrauen der Wähler berufen - Inhaber eines öffentlichen Amtes, Träger des "freien Mandats" und "Vertreter des ganzen Volkes". Er hat einen repräsentativen Status und übt sein Mandat in Unabhängigkeit aus (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG). An diesem nicht nur die Rechts-, sondern auch die Pflichtenstellung des Abgeordneten bestimmenden normativen Sachverhalt hat die Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes (Art. 21 GG) nichts geändert. Während das Beamtenverhältnis für den Beamten die Pflicht begründet, seine volle Arbeitskraft, grundsätzlich auf Lebenszeit, dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen, "schuldet" der Abgeordnete rechtlich keine Dienste. Der Beamte kann - aufgrund verfassungsrechtlicher Gewährleistung - regelmäßig vom Zeitpunkt seines Eintritts in das Beamtenverhältnis an mit einer dauernden Vollalimentation - auch für den Versorgungsfall - rechnen. Für den Abgeordneten kennt das Verfassungsrecht keine Garantien dieser Art. Das "Berufsbild" des Abgeordneten unterscheidet sich von dem des Beamten in grundlegender Weise. Der Abgeordnete wird für die Dauer einer Wahlperiode gewählt. Mandatszeit und Mandatsausübung stellen für ihn in der Regel einen atypischen Abschnitt außerhalb seiner bisherigen und künftigen beruflichen Laufbahn dar. Meistens bildet die Mandatszeit eine vorübergehende, mindestens teilweise Unterbrechung seines Berufslebens. Die mittlere Zugehörigkeit der Abgeordneten zum Deutschen Bundestag betrug am Ende der 8. Wahlperiode knapp zehn Jahre (vgl. Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, Fortschreibungs- und Ergänzungsband 1980 bis 1984, 1986, S. 199). Nicht selten geht der Abgeordnete seinem Beruf auch neben dem Mandat - wenngleich unvermeidlich in nurmehr eingeschränktem Umfang - nach, soweit dem nicht Inkompatibilitäten im Wege stehen. Die Tatsache, daß im Zuge der Entwicklung, die die moderne parlamentarische Demokratie genommen hat, der Umfang der zeitlichen Inanspruchnahme vieler Abgeordneter durch die Pflichten des Mandats das in früheren Jahrzehnten übliche Maß weit überschritten hat und heute meist die Regelarbeitszeit im öffentlichen Dienst erheblich übersteigt, unterstreicht nur die Verschiedenheiten der rechtlichen Status von Abgeordneten und Beamten. Der letztgenannte Umstand mag für den Gesetzgeber Anlaß sein, die zur Sicherung ihrer Unabhängigkeit bestimmte Entschädigung der Abgeordneten (vgl. Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG) - einschließlich einer etwaigen Altersversorgung - nach anderen als den in Deutschland vor 1933 üblichen Grundsätzen zu bemessen. Für die verfassungsrechtliche Betrachtung ist ausschlaggebend, daß die Entschädigung ihre Grundlage in einem anderen Sach- und Regelungszusammenhang - nämlich im Abschnitt III des Grundgesetzes - hat als das für die Festsetzung der Beamtenbezüge nach Art. 33 Abs. 5 GG maßgebliche - im Abschnitt II angesiedelte - Alimentationsprinzip. Vergleichbarkeiten sind damit grundsätzlich ausgeschlossen. Im einen wie im anderen Bereich ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers weit bemessen, in beiden stößt er an Grenzen, die aus ihren jeweiligen Besonderheiten zu entwickeln und untereinander wesentlich verschieden sind." 40Auch diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an. 41Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. | die klage wird abgewiesen. außergerichtliche kosten sind nicht zu erstatten. 1 | 2der kläger wendet sich gegen das teilweise ruhe seiner regelaltersrente aufgrund seiner entschädigung als bundestagsabgeordneter nach dem abgeordnetengesetz (abgg). 3der am 00.00.1948 geborene kläger beantragte im oktober 2012 die bewilligung einer regelaltersrente zum 01.04.2013. er war zu diesem zeitpunkt seit dem 10.11.1994 mitglied des deutschen bundestags und bezog ausweislich einer bescheinigung vom 15.10.2012 eine monatliche entschädigung nach dem abgeordnetengesetz von 7.938,19 eur. mit bescheid vom 08.02.2013 bewilligte die beklagte dem kläger regelaltersrente ab dem 01.04.2013. zur höhe der rente führte die beklagte aus, der kläger habe grundsätzlich einen anspruch auf rente in höhe von 770,37 eur monatlich. diese rente ruhe jedoch nach § 29 abs. 2 abgg zu 80 %, so dass ein rentenanspruch von 154,07 eur verbleibe (daneben noch zuschuss zur krankenversicherung in höhe von 11,25 eur, also zahlbetrag von 164,32 eur). mit bescheid vom 23.05.2013 berechnete die beklagte die regelaltersrente zum 01.07.2013 aufgrund der rentenanpassung neu. der rentenanspruch betrage 154,46 eur. den widerspruch gegen beide bescheide stützte der kläger darauf, das teilweise ruhen der regelaltersrente aufgrund der regelung des § 29 abs. 2 abgg verletzte ihn in seinen grundrechten. es verstoße gegen art 3 gg, dass er als bundestagsabgeordneter, der zugleich altersrentner sei, eine erheblich niedrigere rente erhalte, als ein rentner, der nicht bundestagsabgeordneter sei. üblicherweise erhalte derjenige, der das rentenalter erreicht habe, die volle regelaltersrente, unabhängig von sonstigen hinzuverdiensten. die faktische anrechnung der entschädigung als abgeordneter auf die regelaltersrente stelle demgegenüber eine klare ungleichbehandlung dar. zudem verstoße die minderung des auszahlungsbetrags der rente den in art 14 gg gewährten eigentumsschutz. mit widerspruchsbescheid vom 20.08.2013 wies die beklagte die widersprüche als unbegründet zurück. zur begründung führte sie aus, sie sei an recht und gesetz gebunden und dürfe nicht selber prüfen, ob eine regelung verfassungswidrig sei. der kläger schied am 22.10.2013 aus dem bundestag aus. mit bescheid vom 16.10.2013 berechnete die beklagte die regelaltersrente des klägers neu ab dem 01.11.2013, nunmehr ohne ruhen aufgrund der bezüge aus dem bundestagsmandat. 4die klage stützt der kläger auf sein vorbringen im widerspruchsverfahren. rentenanwartschaften unterliegen dem schutz des art 14 gg. eingriffe hierin müssten einem gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sein. diese grenzen seien durch § 29 abs. abgg nicht beachtet. hintergrund von § 29 abs. 2 abgg sei es, eine doppelalimentation zu vermeiden. tatsächlich folge nur die abgeordnetenentschädigung dem alimentationsprinzip, welches zu den hergebrachten strukturprinzipien gehöre und das bild des berufsbeamtentums maßgeblich präge. die rente folge dagegen dem äquivalenzprinzip und orientiere sich grundsätzlich an der höhe der in der erwerbsphase gezahlten beiträge. eine kürzung der rentenleistungen, weil der betreffende anderweitige einkünfte habe, vertrage sich damit nicht. die "verhinderung von überversorgung" der rentner sei kein gemeinwohlziel und könne diesen eingriff nicht rechtfertigen. § 29 abs. 2 abgg verstoße zudem gegen art 3 gg. die vergleichsgruppe könne nicht die der altersrentner sein, die gleichzeitig eine pension beziehe. richtige vergleichsgruppe sei vielmehr die gruppe derjenigen, die nach erreichen der regelaltersgrenze einkünfte aus einer beamtenrechtlich alimentierten tätigkeit beziehen. der kläger sei als aktiver abgeordneter nicht dem pensionär vergleichbar, sondern dem aktiven beamten. der beamte, der nach erreichen des pensionsalters freiwillig auf antrag weiterarbeite, könne neben seiner ungekürzten besoldung eventuelle altersrenten ungekürzt beziehen. der kläger werde insofern z.b. gegenüber einem obersten bundesrichter, der neben seinem besoldungsanspruch ungekürzte altersrente beziehen könne, ungleich behandelt. zudem müsse berücksichtigt werden, dass § 29 abs. 2 abgg nunmehr geändert worden sei und renten neben abgeordnetenentschädigungen nunmehr nur noch zu 50 % ruhen würden. da die streitgegenständlichen bescheide noch nicht bestandskräftig seien, sei dies auch rückwirkend noch zu berücksichtigen. 5der kläger beantragt, 6die beklagte unter aufhebung des bescheids vom 08.02.2013 in der gestalt des änderungsbescheids vom 23.05.2013 beide in der gestalt des widerspruchsbescheids vom 20.08.2013 zu verurteilen, für den zeitraum vom 01.04.2013 bis 31.10.2013 ungekürzte rente sowie auf basis dieser ungekürzten rente berechnete zuschüsse zur krankenversicherung zu gewähren. 7die beklagte beantragt, 8die klage abzuweisen. 9sie stützt sich auf die ausführungen der angegriffenen entscheidung. ein verstoß des § 29 abs. 2 abgg gegen art 3 gg liege nicht vor. im vergleich von abgeordneten des deutschen bundestags mit dem weitaus überwiegenden teil der rentner in der gesetzlichen rentenversicherung zeige sich, dass für den überwiegenden teil der rentner die hinzuverdienstmöglichkeit neben dem bezug der altersrente regelmäßig eine mehr oder weniger große finanzielle ergänzung darstelle. es gehe bei diesen auch nicht um eine doppelversorgung aus öffentlichen kassen. abgeordnete mit einer regelaltersrente würden zudem gegenüber abgeordneten ohne eine solche regelaltersrente finanziell schlechter dastehen. der gesetzgeber habe damit den ihm eingeräumten gestaltungsspielraum nicht überschritten. die vom kläger angesprochene situation eines beamten, der nach erreichen der regelaltersgrenze freiwillig weiterarbeite, betreffe einen anderen, nicht vergleichbaren sachverhalt. ein verstoß gegen art 14 gg liege ebenfalls nicht vor. zwar greife die regelung in die durch art 14 gg geschützte eigentumsposition ein. der eingriff liege jedoch im öffentlichen interesse, weil damit eine doppelversorgung aus öffentlichen kassen verhindert werden solle. davon solle nicht zuletzt auch eine signalwirkung für die gesamte öffentlichkeit ausgehen, dass die mitglieder des deutschen bundestags gewillt sind, auf eine übermäßige und aus sicht der bürgerinnen und bürger möglicherweise ungerechtfertigte alimentation aus freien stücken zu verzichten. der eingriff sei auch verhältnismäßig. die gesetzesänderung des § 29 abs. 2 abgg sei nur für zeiträume ab dem inkrafttreten relevant, nicht aber für die vergangenheit. 10wegen der darstellung weiterer einzelheiten des sach- und streitstands nimmt das gericht auf die gerichtsakten und die beigezogenen gerichts- und verwaltungsakten bezug, die sämtlich gegenstand der mündlichen verhandlung gewesen sind. 11 | 12die zulässige klage ist unbegründet. der bescheid vom 08.02.2013 in der gestalt des änderungsbescheids vom 23.05.2013 beide in der gestalt des widerspruchsbescheids vom 20.08.2013 ist rechtmäßig. der kläger hat für diesen zeitraum keinen anspruch auf eine höhere rente oder einen höheren zuschuss zur gesetzlichen krankenversicherung. zwischen den parteien ist alleine die anwendung von § 29 abs. 2 abgg streitig. auch die kammer kann anderweitige fehler bei der berechnung der höhe der rente oder des zuschusses zur krankenversicherung nicht erkennen. die beklagte hat § 29 abs. 2 abgg richtig angewendet. insbesondere hat die beklagte für den streitgegenständlichen zeitraum vom 01.04.2013 bis zum 31.10.2013 zu recht § 29 abs. 2 abgg in der fassung vom 20.07.2000 angewendet. die änderung des § 29 abs. 2 abgg durch das dreißigste gesetz zur änderung des abgeordnetengesetzes und dreiundzwanzigstes gesetz zur änderung des europaabgeordnetengesetzes vom 11. juli 2014 (bundesgesetzblatt teil i 2014, s. 906-907) ist erst am tag nach der verkündung in kraft getreten und enthält keine regelung zur rückwirkung. 13§ 29 abs. 2 abgg in der fassung vom 20.07.2000 verstößt auch nicht gegen verfassungsrecht. das bayerisches landessozialgericht hat mit urteil vom 27.11.2014 (az l 14 r 457/14) zur verfassungsmäßigkeit des § 29 abs. 2 abgg wie folgt ausgeführt: 14"3. § 29 abs. 2 s. 2 abgg in der fassung vom 21.12.2004 verstößt nicht gegen verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen grundrechte. 15a.) die verminderung seiner gesetzlichen rente verletzt den kläger nicht in art. 14 gg. 16zwar bejaht der senat die eingriffsqualität, da durch bescheid vom 27.08.2010 die gesetzliche rente ruhend gestellt wurde. auch unterliegt die gesetzliche regelaltersrente dem schutzbereich des art.14 abs. 1 gg (bverfge 128, 138, 149 ff.). 17gleichwohl hat das sozialgericht münchen in seinem urteil vom 15.02.2012 zutreffend darauf hingewiesen, dass der gesetzgeber inhalt- und schrankenbestimmend in eigentumsgrundrechtlich geschützte rechtspositionen eingreifen darf, wenn der eingriff im öffentlichen interesse liegt und mit dem grundsatz der verhältnismäßigkeit vereinbar ist (art. 14 abs. 2 gg; bverfge 56, 249, 260). gerade bei der inhalt-und schrankenbestimmung sozialversicherungsrechtlicher positionen besteht ein weiter gestaltungsspielraum, was umso mehr gilt, wenn – wie hier – der gesetzgeber sozusagen "in eigener sache" entscheidet. 18der eingriff in die gesetzliche rente durch § 29 abs. 2 abgg rechtfertigt sich in der vermeidung einer doppelalimentation der bundestagsabgeordneten aus öffentlichen kassen. 19der entschädigung eines abgeordneten des deutschen bundestages kommt vollalimentationscharakter zu. denn nach art. 48 abs. 3 gg haben die abgeordneten anspruch auf eine angemessene, ihre unabhängigkeit sichernde entschädigung. die abgeordnetenentschädigung dient allein der unterhaltssicherung und stellt keine gegenleistung für eine bestimmte arbeitsleistung dar (sog. "diätenurteil": bverfg vom 05.11.1975; 2 bvr 193/75, bverfge 40, 296 ff., 316). 20gleichzeitig ist der zweck der alimentation mit dem gleichheitssatz in formalisierter ausprägung verknüpft, der es gebietet, sicherzustellen, dass jedem abgeordneten eine gleichhoch bemessene entschädigung zusteht. dies beruht darauf, dass alle mitglieder des parlaments einander formal gleichgestellt sind. das prinzip dieser formalisierten gleichbehandlung ist verfassungsrechtlich im egalitären gleichheitssatz ausgeprägt. aus ihm folgt, dass jedermann ohne rücksicht auf soziale unterschiede, insbesondere auf seine abstammung, seine herkunft, seine ausbildung oder sein vermögen, die gleiche chance haben muss, mitglied des parlaments zu werden. aus ihm folgt weiter, dass jedem abgeordneten eine gleich hoch bemessene entschädigung zusteht, unabhängig davon, ob die inanspruchnahme durch die parlamentarische tätigkeit größer oder geringer ist, ob der individuelle finanzielle aufwand oder das berufliche einkommen verschieden hoch ist (bverfg urteil vom 05.11.1975 a. a. o., 318). 21in der konsequenz lässt die so verstandene einheitliche entschädigung aufgrund des alimentationscharakter zunächst alle weiteren, der höhe nach differenzierten, individuellen oder pauschalierten finanziellen leistungen an einzelne abgeordnete aus öffentlichen mitteln als grundsätzlich inkompatibel erscheinen, wenn sie nicht einen ausgleich für sachlich begründeten, besonderen, mit dem mandat verbundenen finanziellen aufwand darstellen. wenngleich daraus nicht sogleich ein gebot der vollständigen abschöpfung postuliert werden kann, so ist abzuleiten, dass die alimentationsverpflichtung der öffentlichen hand nicht notwendig auf eine doppelte aufbringung des angemessenen lebensunterhalts geht (vgl. bverfg urteil vom 05.11.1975 a. a. o. unter hinweis auf bverfge 32, 157, 166). damit rechtfertigt sich grundsätzlich aber eine normative regelung, wie sie in gestalt des § 29 abs. 2 abgg getroffen ist, die die doppelalimentation durch bezug einer abgeordnetenentschädigung einerseits und einer gesetzlichen rente andererseits begrenzt. 22die renten der gesetzliche rentenversicherung stellen öffentliche mittel bzw. mittel aus öffentlichen kassen dar, die – im gegensatz zu zahlungen einer privaten versicherung – zur vermeidung einer privilegierung zu berücksichtigen sind, auch wenn sie zum erheblichen teil auf eigener arbeitsleistung in einer beschäftigung beruhen. 23die prinzipien des sozialen ausgleichs, der solidarität und des generationenvertrags lassen sich mit den rechtsgrundsätzen, die private kassen prägen, und mit den rechtlichen gestaltungsformen, die für das bild privater kassen typisch sind, nicht verwirklichen. der gesetzgeber hat deshalb für die gesetzliche rentenversicherung eigene und besondere rechtsgrundsätze und organisationsformen entwickelt, die von denjenigen bei privaten kassen erheblich abweichen. dies gilt insbesondere im hinblick auf das finanzierungsverfahren, die beitragsbemessung, die leistungsberechnung, das fehlende gewinnstreben, die eingeschränkten dispositionsmöglichkeiten bei der begründung und ausgestaltung des versicherungsverhältnisses sowie die öffentlich-rechtliche ausgestaltung der rentenversicherung im übrigen. durch die insoweit bestehenden öffentlich-rechtlichen regelungen gewährleistet der staat die funktionsfähigkeit des systems der gesetzlichen rentenversicherung, für die er einzustehen hat. 24daraus, dass bei der gesetzlichen rentenversicherung genau wie bei einer privaten versicherung beiträge entrichtet werden, die beiträge der finanzierung dienen und eine kollektive vorsorge betrieben wird, lässt sich keineswegs folgern, es handele sich bei der rentenkasse um eine private kasse. eine solche annahme ließe in nicht zu vertretender weise merkmale der rentenkasse außer acht, die wesentlich von den typischen erscheinungsformen bei privaten kassen abweichen und für eine öffentliche kasse charakteristisch sind. zu nennen sind insoweit vor allem die prinzipien, die das system der gesetzlichen rentenversicherung prägen (wie insbesondere die grundsätze der solidarität, des sozialen ausgleichs und des generationenvertrags), sowie die rechtsgrundsätze und organisationsformen der gesetzlichen rentenversicherung (instruktiv dazu: bverfg vom 30.09.1987, 2 bvr 933/82, bverfge 76, 256 ff.; rdnr. 91 ff., zitiert nach juris). die beiträge machen auch nur einen – erheblichen – teil der einnahmen aus. aus diesem grund ist in jeder rentenzahlung nur anteilig ein betrag enthalten, der wirtschaftlich gesehen den gegenwert für die früher eingezahlten beiträge darstellt (vgl. bverfge 54, 11, (26, 29); bverfg, vom 30.09.1987, 2 bvr 933/82, bverfge 76, 256 ff.). 25auch auf der leistungsseite findet sich das versicherungsprinzip durch soziale und damit versicherungsfremde gesichtspunkte zwar nicht vollständig beseitigt, aber doch – im vergleich zur privatversicherung – entscheidend modifiziert. denn die gesetzliche rentenversicherung beruht wesentlich auf dem gedanken der solidarität ihrer mitglieder sowie des sozialen ausgleichs und enthält von jeher auch ein stück sozialer fürsorge. der versicherungsmäßige risikoausgleich wird also mit sozialen komponenten verbunden. die annähernd gleichmäßige förderung des wohls aller mitglieder der solidargemeinschaft mit besonderer berücksichtigung der hilfsbedürftigen steht bei der gesetzlichen rentenversicherung im vordergrund. die rentenzahlungen gewährleisten eine solidarisch getragene und gesicherte altersversorgung. 26zum ausdruck kommen die sozialen gesichtspunkte u. a. in der rentensteigernden zurechnung von zeiten, die nicht durch beitragsleistungen gedeckt sind, also in der berücksichtigung von ersatz-, ausfall- und zurechnungszeiten bei den anrechnungsfähigen versicherungsjahren. auch der hinterbliebenenrente ist eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte leistung, weil sie ohne eigene beitragsleistung des rentenempfängers und ohne erhöhte beitragsleistung des versicherten gewährt wird. ein wesentliches element des sozialen ausgleichs stellt ferner der aus steuermitteln finanzierte bundeszuschuss zur rentenversicherung dar (zum ganzen bverfge 17, 1, 9; 48, 346, 357 f.; 53, 257, 290 ff.; 58, 81, 110, 113); 70, 101, 111; bverfg vom 30.09.1987 a. a. o.). 27dieser feststellung stehen weder die verfassungsrechtliche schutzwürdigkeit des rentenanspruchs, noch die nach der rechtsprechung des bundesverfassungsgerichts (vgl. z.b. bverfge 53, 257, 289 ff.) für sie sprechenden gründe entgegen, wie vor allem die zuordnung des rentenanspruchs zu einem privaten rechtsträger, der personale bezug des berechtigten zum rentenanspruch und der zusammenhang mit einer eigenen leistung des berechtigten. verfassungsrechtlich geschützte ansprüche können nicht nur gegenüber einer privaten, sondern ebenso gut gegenüber einer öffentlichen kasse bestehen. dies zeigt etwa der beamtenrechtliche versorgungsanspruch, der den schutz des art. 33 abs. 5 gg genießt und aus einer öffentlichen kasse erfüllt wird. auch er ist einem privaten rechtsträger zugeordnet und zu dessen nutzen bestimmt (bverfg vom 30.09.1987 a.a.o.). 28die in § 29 abs. 2 abgg getroffene konkrete regelung qualifiziert sich vor systematik und zweck der gesetzlichen rente nicht als übermäßig. denn bei der ausgestaltung einer solchen begrenzungsregelung mehrfacher alimentationen aus öffentlichen kassen durfte der gesetzgeber im rahmen seines gestaltungsspielraums bei der frage des "ob" sowie der höhe einer abschöpfung des doppelzahlungen den zweck und die besonderheiten des weiteren bezugs aus öffentlichen kassen berücksichtigen und u. a. auch teilruhenslösungen nach gestuften sätzen für unterschiedliche einkommen aus öffentlichen kassen schaffen, solange innerhalb dieser öffentlichen einkommen keine sachwidrigen differenzierungen getroffen werden. 29der senat sieht sich bestätigt durch die äußerung des bundesverfassungsgerichts, wonach das abgeordnetengesetz eine entschädigung gewähre, die für die zeit, in der der abgeordnete das mandat innehat, eine volle alimentation des abgeordneten und seiner familie darstellt, und eine der höhe dieser entschädigung entsprechende, wenngleich nach der dauer der zugehörigkeit zum parlament gestaffelte altersversorgung vorsieht. hieran gemessen, so das bverfg, erscheine es wenig folgerichtig, bei einem zusammentreffen von abgeordnetenentschädigung und -versorgung mit bezügen aus anderen öffentlichen kassen von deren anrechnung abzusehen. es liege daher nahe, dass der gesetzgeber, sofern er es bei der bisherigen konzeption von entschädigung und versorgung der abgeordneten belässt, auch eine anrechnung von renten aus der gesetzlichen rentenversicherung vorsieht (bverfg vom 330.09.1987, 2 bve 933/82, bverfge 76, 343). 30da die gesetzliche versichertenrente – wie ausgeführt – dem grunde und der höhe nach nur zu einem nicht unerheblichen teil auf eigenen beitragsleistungen bzw. solchen des früheren arbeitgebers beruht, jedoch im übrigen von sozialen faktoren bestimmt wird, erscheint es normativ gerechtfertigt, zumindest einen teil der gesetzlichen rente zum ruhen zu bringen. 31wenn der gesetzgeber im hinblick darauf die ruhensquote mit 80 v. h. festsetzte, ist dies ebenso wenig zu beanstanden, wie die nunmehr erfolgte ermäßigung des ruhens auf 50 %. insbesondere war der gesetzgeber nicht verpflichtet, den auf beitragsleistung beruhenden teil zu beziffern und entsprechend die ruhensquote zu bemessen. dies schon deshalb, weil eine differenzierende bewertung nur schwer möglich ist. durch die 80%ige kürzung wurde überdies ein gleichklang mit den beamtenrechtlichen vorschriften hergestellt, zumal sachgerechte gründe, die zu einer geringeren kürzung zwingen würden, nicht erkennbar sind. 32auch verstößt die umsetzung der doppelalimentationsbegrenzung durch verminderung der gesetzlichen renten anstatt einer minderung der abgeordnetenentschädigung ebenfalls nicht gegen art. 14 gg. 33denn der senat entnimmt art. 48 abs. 3 gg und der staatsrechtlichen stellung des abgeordneten des deutschen bundestags, dass der zufluss der – gleichen – unterhaltssichernden abgeordnetenbezüge durch das parlament zu gewährleisten ist, indem jeder abgeordneter seine entschädigung zunächst frei von anrechnung durch seitens der exekutive als anrechenbar bezeichnete mittel erhält. dies erfordert und rechtfertigt es vor art. 14 gg, die umsetzung der anrechnung weiterer bezüge auf die weiteren öffentlichen kassen zu verlagern, solange der abgeordnete sein mandat innehat. 34anzufügen bleibt, dass es bei gebotener gesamtbetrachtung der alimentationen wirtschaftlich unerheblich bleibt, welche der beiden alimentationsquellen beschnitten wird. der eingriff reduziert sich auf eine verwaltungsmäßige umsetzung, was die anforderungen an die rechtfertigungsgründe sinken lässt. 35b.) aus den eben genannten gründen kann der senat auch eine verletzung des art. 3 abs. 1 gg nicht erkennen. 36eine sachlich nicht zu rechtfertigende ungleichbehandlung zwischen abgeordneten, die versorgungsbezüge aus privaten kassen beziehen, und solchen, die versorgungsbezüge aus öffentlichen kassen beziehen, liegt nicht vor. vielmehr erscheint aus den eben genannten gründen eine differenzierung zwischen bezügen aus öffentlichen und solchen aus privaten kassen notwendig und sachgerecht. ebenso wenig kann der senat eine sachwidrige ungleichbehandlung von rentnern, die neben der regelaltersrente arbeitseinkommen erzielen, und solchen, die abgeordnetenbezüge erhalten, erkennen, zumal hier noch nicht einmal vergleichbare sachverhalte vorliegen. wie dargelegt, stellt die entschädigung eines abgeordneten des deutschen bundestages keine gegenleistung für eine arbeitsleistung dar und ist schon deshalb mit arbeitseinkünften, die ein rentner neben seiner regelaltersrente erwirtschaftet, nicht vergleichbar." 37diesen ausführungen schließt sich die kammer an. 38im hinblick auf die vom kläger vom kläger angegeben ungleichbehandlung gegenüber beamten, die nach erreichen der regelaltersrente weiterarbeiten und bei denen die regelaltersrente nicht aufgrund der weiterhin gewährten bezüge gekürzt wird, sieht die kammer eine vergleichbarkeit ebenfalls nicht gegeben. das bundesverfassungsgericht hat in dem beschluss vom 30. september 1987 (az 2 bvr 933/82 –, bverfge 76, 256-362) zur fehlenden vergleichbarkeit von abgeordneten und beamten wie folgt ausgeführt: 39"zwischen abgeordneten und beamten bestehen grundlegende statusrechtliche unterschiede. der abgeordnete ist - vom vertrauen der wähler berufen - inhaber eines öffentlichen amtes, träger des "freien mandats" und "vertreter des ganzen volkes". er hat einen repräsentativen status und übt sein mandat in unabhängigkeit aus (art. 38 abs. 1 satz 2 gg). an diesem nicht nur die rechts-, sondern auch die pflichtenstellung des abgeordneten bestimmenden normativen sachverhalt hat die mitwirkung der parteien an der politischen willensbildung des volkes (art. 21 gg) nichts geändert. während das beamtenverhältnis für den beamten die pflicht begründet, seine volle arbeitskraft, grundsätzlich auf lebenszeit, dem dienstherrn zur verfügung zu stellen, "schuldet" der abgeordnete rechtlich keine dienste. der beamte kann - aufgrund verfassungsrechtlicher gewährleistung - regelmäßig vom zeitpunkt seines eintritts in das beamtenverhältnis an mit einer dauernden vollalimentation - auch für den versorgungsfall - rechnen. für den abgeordneten kennt das verfassungsrecht keine garantien dieser art. das "berufsbild" des abgeordneten unterscheidet sich von dem des beamten in grundlegender weise. der abgeordnete wird für die dauer einer wahlperiode gewählt. mandatszeit und mandatsausübung stellen für ihn in der regel einen atypischen abschnitt außerhalb seiner bisherigen und künftigen beruflichen laufbahn dar. meistens bildet die mandatszeit eine vorübergehende, mindestens teilweise unterbrechung seines berufslebens. die mittlere zugehörigkeit der abgeordneten zum deutschen bundestag betrug am ende der 8. wahlperiode knapp zehn jahre (vgl. schindler, datenhandbuch zur geschichte des deutschen bundestages, fortschreibungs- und ergänzungsband 1980 bis 1984, 1986, s. 199). nicht selten geht der abgeordnete seinem beruf auch neben dem mandat - wenngleich unvermeidlich in nurmehr eingeschränktem umfang - nach, soweit dem nicht inkompatibilitäten im wege stehen. die tatsache, daß im zuge der entwicklung, die die moderne parlamentarische demokratie genommen hat, der umfang der zeitlichen inanspruchnahme vieler abgeordneter durch die pflichten des mandats das in früheren jahrzehnten übliche maß weit überschritten hat und heute meist die regelarbeitszeit im öffentlichen dienst erheblich übersteigt, unterstreicht nur die verschiedenheiten der rechtlichen status von abgeordneten und beamten. der letztgenannte umstand mag für den gesetzgeber anlaß sein, die zur sicherung ihrer unabhängigkeit bestimmte entschädigung der abgeordneten (vgl. art. 48 abs. 3 satz 1 gg) - einschließlich einer etwaigen altersversorgung - nach anderen als den in deutschland vor 1933 üblichen grundsätzen zu bemessen. für die verfassungsrechtliche betrachtung ist ausschlaggebend, daß die entschädigung ihre grundlage in einem anderen sach- und regelungszusammenhang - nämlich im abschnitt iii des grundgesetzes - hat als das für die festsetzung der beamtenbezüge nach art. 33 abs. 5 gg maßgebliche - im abschnitt ii angesiedelte - alimentationsprinzip. vergleichbarkeiten sind damit grundsätzlich ausgeschlossen. im einen wie im anderen bereich ist der gestaltungsspielraum des gesetzgebers weit bemessen, in beiden stößt er an grenzen, die aus ihren jeweiligen besonderheiten zu entwickeln und untereinander wesentlich verschieden sind." 40auch diesen ausführungen schließt sich die kammer an. 41die kostenentscheidung beruht auf § 193 sgg. | Verklagte*r | 0 |
126,161 | 2a K 3697/15.A | 2016-02-19T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. 1Tatbestand: 2Der am °°°°° 1989 geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger aus dem Volk der Kurden und yezidischen Glaubens. Er reiste nach eigenen Angaben am 21. Mai 2015 ins Bundesgebiet ein und beantragte am 15. Juni 2015 seine Anerkennung als Asylberechtigter. 3Am 24. Juni 2015 richteten die deutschen Behörden aufgrund eines Treffers der Kategorie 1 in der EURODAC-Datei ein Übernahmegesuch an Bulgarien. Die bulgarische „State Agency for Refugees – Dublin Unit“ erklärte mit Schreiben vom 9. Juli 2015 ihr Einverständnis mit der Rückführung des Klägers nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des 4Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist – Dublin III-VO –. 5Mit Bescheid vom 19. August 2015 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers nach § 27a des Asylgesetzes – AsylG – als unzulässig ab und ordnete nach § 34a AsylG seine Abschiebung nach Bulgarien an. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – wurde auf zwölf Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, Bulgarien sei aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags für die Prüfung seines Antrags zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. 6Der Kläger hat am 26. August 2015 Klage erhoben. Zur Begründung beruft er sich auf systemische Schwachstellen im bulgarischen Asylsystem. Die Verhältnisse in Bulgarien seien nach den vorliegenden Erkenntnissen von Nichtregierungs-Organisationen, insbesondere einem Bericht von „Pro Asyl“ aus April 2015, des UNHCR aus April 2014 und „Bordermonitoring EU – Trapped in Europe´s Quagmire“ aus Juli 2014, sowie dem aktuellen Länderbericht der Asylum Information Database zu Bulgarien menschenunwürdig. Insbesondere sei aufgrund der exorbitant gestiegenen Flüchtlingszahlen eine angemessene Unterbringung der Flüchtlinge nicht gewährleistet. Auch sei nicht sicher, dass sein Asylverfahren nach seiner Rückkehr nach Bulgarien fortgeführt werde. Aufgrund seiner Abwesenheit aus Bulgarien von mehr als drei Monaten und zehn Tagen sei sein laufendes Asylverfahren von den bulgarischen Behörden beendet worden mit der Folge, dass er nach seiner Rückkehr als illegaler Migrant behandelt und inhaftiert werden würde. In diesem Fall drohe ihm die Abschiebung in sein Heimatland Irak, wo er politisch verfolgt werde. Zwar habe er die Möglichkeit, in Bulgarien einen Folgeantrag zu stellen, allerdings werde ein solcher Antrag nur sachlich geprüft, wenn er Kriterien nachweisen könne, die nach der Einstellung des ersten Verfahrens eingetreten 7seien. An solchen würde es aber fehlen, sodass angenommen werden müsse, dass der Folgeantrag abgewiesen werden würde. 8Der Kläger beantragt, 9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. August 2015 zu verpflichten, über seinen Asylantrag im nationalen Verfahren zu entscheiden. 10Die Beklagte beantragt, 11die Klage abzuweisen. 12Zur Begründung nimmt sie Bezug auf den angegriffenen Bescheid und ergänzt, Gründe für die Annahme systemischer Mängel im bulgarischen Asylverfahren lägen weiterhin nicht vor. 13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des zugehörigen Eilverfahrens – 18a L 1777/15.A – und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. 14Entscheidungsgründe: 15Das Gericht entscheidet gemäß § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung. Auf diese Möglichkeit sind die Beteiligten mit der ordnungsgemäßen Ladung hingewiesen worden. 16Soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt, über seinen Antrag im nationalen Verfahren zu entscheiden, ist die Klage unzulässig. Dem Kläger fehlt das nötige Rechtsschutzbedürfnis, weil das Bundesamt, wenn es zuständig ist, den Asylantrag von Amts wegen sachlich prüfen muss, und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es hier nach Aufhebung der Verfügung untätig bleiben würde. 17Vgl. zum Ganzen nur OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015 – 13 A 800/15.A – und vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, sämtlich juris. 18Im Übrigen ist die Klage als Anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 19Das Bundesamt durfte die Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers aussprechen und die Abschiebung nach Bulgarien anordnen. 20Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Hier ist die Republik Bulgarien für die Bearbeitung des Asylbegehrens des Klägers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO zuständig, da der Kläger in Bulgarien den ersten Asylantrag im Gebiet der Mitgliedstaaten gestellt hat. Die bulgarischen Behörden haben auf das von der Beklagten gestellte Aufnahmeersuchen vom 24. Juni 2015 mit Schreiben vom 9. Juli 2015 ausdrücklich ihre Zuständigkeit nach dieser Vorschrift bestätigt und der Wiederaufnahme des Klägers zugestimmt. 21Die Zuständigkeit Bulgariens ist auch nicht nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO entfallen und auf die Beklagte übergegangen. Die Überstellungsfrist von sechs Monaten ist zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) noch nicht abgelaufen. 22Nach § 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO erfolgt die Überstellung eines Antragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat. 23Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO bestimmt, dass die Mitgliedstaaten in ihrem innerstaatlichen Recht entweder die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung anordnen (Buchst. a), die automatische Aussetzung der Überstellung für einen bestimmten Zeitraum regeln, innerhalb dessen ein Gericht über die Aussetzung entscheidet (Buchst. b), oder ein gerichtliches Aussetzungsverfahren vorsehen (Buchst. c). Im letzteren Fall müssen die Mitgliedstaaten für einen wirksamen Rechtsbehelf in der Form sorgen, dass die 24Überstellung ausgesetzt wird, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ergangen ist. 25Das deutsche Recht sieht diesbezüglich vor, dass die Klage eines Asylsuchenden gegen eine Entscheidung des Bundesamtes nach §§ 27a, 34a Abs. 1 AsylG gemäß § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung hat. Um die aufschiebende Wirkung der Klage zu erreichen, ist bei Gericht innerhalb einer Woche ab Bekanntgabe der Entscheidung ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht zulässig (§ 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG). 26Damit realisiert das deutsche Recht die Möglichkeit des Art. 27 Abs. 3 Buchst. c) Dublin III-VO, d.h. der Asylsuchende hat die Möglichkeit, bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen. Dagegen hat die endgültige Entscheidung über den Rechtsbehelf, also die Klage gegen die Abschiebungsanordnung in der Hauptsache, keine aufschiebende Wirkung, solange diese nicht im Wege des § 80 Abs. 5 VwGO angeordnet wird. 27Die Dublin III-Verordnung trifft aber keine Regelung zu der Frage, wie sich der Umstand, dass während des Aussetzungsverfahrens nicht abgeschoben werden darf, auf die Berechnung der Überstellungsfrist auswirkt. Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO regelt nur den Fall des Art. 27 Abs. 3 Buchst. a) Dublin III-VO, in dem Mitgliedstaaten in ihrem innerstaatlichen Recht die aufschiebende Wirkung der Klage oder der Überprüfung vorsehen, sowie den Fall, in dem nach Art. 27 Abs. 3 Buchst. c) Dublin III-VO ein Aussetzungsantrag Erfolg hat. Wie die Frist in Ansehung von Art. 27 Abs. 3 Buchst. c) Satz 2 Dublin III-VO zu berechnen ist, wenn ein Aussetzungsantrag erfolglos ist, bestimmt die Dublin III-Verordnung nicht. 28Es spricht nichts dafür, dass der europäischen Gesetzgeber diese Konstellation absichtlich nicht geregelt hat und bewusst in Kauf genommen hat, dass es bis zur unanfechtbaren Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unmöglich ist, die Überstellung durchzuführen, mit der Folge, dass bei einem 29langwierigeren Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Frist ohne weiteres ablaufen kann, ohne dass eine Überstellung möglich gewesen wäre. 30Damit liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, welche interessengerecht zu schließen ist. Diesem Anliegen entspricht es am besten, wenn während des vorübergehenden Vollstreckungshindernisses (in der Zeit zwischen der Zustellung des Bescheids bis zur Zustellung der negativen Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes) eine Ablaufhemmung angenommen wird mit der Folge, dass die Überstellungsfrist sich entsprechend verlängert. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass den Mitgliedstaaten grundsätzlich die vollen sechs Monate zur Verfügung stehen sollen, um die Modalitäten der Durchführung der Überstellung zu regeln und bei der Überstellung für den ersuchenden Mitgliedstaat bestehende rechtliche Hindernisse berücksichtigt werden müssen, um nicht zu untragbaren Ergebnissen zu kommen. Mit diesem Grundsatz wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Überstellungsfrist trotz des gesetzlichen Vollstreckungshindernisses in Art. 27 Abs. 3 Buchst. c) Satz 2 Dublin III-VO ungehemmt weiterliefe. 31Vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – Rs. C-19/08 – (Petrosian u.a.); OVG NRW, Beschlüsse vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A – und (im Ergebnis) vom 3. November 2015 – 13 A 2255/15.A –; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. August 2014 – A 11 S 1285/14 –, sämtlich juris. 32Nach diesen Maßstäben war die sechsmonatige Überstellungsfrist für die Dauer der Antragsfrist und des anschließenden zugehörigen Eilverfahrens – 18a L 1777/15.A – vom Zeitpunkt des Zustellung des Bescheids am 24. August 2015 bis zur Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes mit Beschluss vom 2. November 2016 gehemmt. Die Überstellungsfrist läuft demnach erst am 19. März 2016 ab. 33Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, 34Urteil vom 10. Dezember 2013 – Rs. C-394/12 – (Abdullahi), juris, 35kann der Asylbewerber gegen seine Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat 36systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend machen, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – EU-GRCh – bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK – ausgesetzt zu werden. 37Systemische Mängel bestehen (erst) bei einer reellen Unfähigkeit des gesamten Verwaltungsapparats zur Beachtung des Art. 4 EU-GRCh, was gleichbedeutend ist mit strukturellen Störungen, die ihre Ursache im Gesamtsystem des nationalen Asylverfahrens haben. Die im jeweiligen nationalen Asylsystem festzustellenden Mängel müssen demnach so gravierend sein, dass sie nicht lediglich singulär oder zufällig sind, sondern in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Dies kann einerseits darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind, andererseits aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Asylsystem – mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis – in weiten Teilen funktionslos wird. 38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –; OVG R.-P., Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13 –, beide juris. 39Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat als Maßstab für die Beantwortung der Frage, ob Struktur und allgemeine Lage der Aufnahme im europäischen Zielstaat jegliches Überstellen von Asylbewerbern dorthin verhindern, benannt, ob eine Gleichgültigkeit der Behörden des betreffenden Staates gegenüber der stetig steigenden Zahl von Schutzsuchenden vorliegt. 40Vgl. EGMR, Urteile vom 4. November 2014 – Rs.-Nr. 29217/12 – (Tarakhel) sowie vom 21. Januar 2011 – Rs.-Nr. 30696/09 – (M.S.S. ./. Belgien und Griechenland); VGH Bad.-Württ, Urteil vom 10. November 2014 – A 11 S 1778/14 –, sämtlich juris. 41Unerheblich ist, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann und ob ein 42Drittstaatsangehöriger einer solchen tatsächlich schon einmal ausgesetzt gewesen ist. Derartige Erfahrungen sind in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Überstellung vorliegen; nur in diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen zu berücksichtigen. Persönliche Erlebnisse Betroffener, die einige Jahre zurückliegen, können allerdings durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel. 43Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 –, juris. 44In Anwendung dieses Maßstabs bestehen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nach Auswertung der vorliegenden Erkenntnisse zum bulgarischen Asylsystem, 45eingehende und aktuelle Informationen über das bulgarischen Asylsystem und die dortigen Unterbringungs- und Versorgungsbedingungen bieten etwa die Country Reports: Bulgaria der Asylum Information Database, Stand Oktober 2015, die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage mehrerer Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE vom 20. Mai 2014 (BT-Drs. 18/1446) und der Bericht des UNHCR von April 2014 (Bulgaria as a Country of Asylum), 46– trotz der zweifellos bestehenden Missstände – keine Anhaltpunkte für das Bestehen systemischer Mängel des bulgarischen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen im Sinne von Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK. 47Ebenso in jüngerer Zeit VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 30. Dezember 2015 – 18a L 2391/15.A –, nicht veröffentlich; VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 13 L 1502/14.A –; VG Augsburg, Beschluss vom 12. Januar 2015 – Au 7 S 14.50364 –, beide juris. 48Für die Wertung, dass keine beachtliche Unterschreitung der von dem Unionsrecht vorgesehenen Mindestanforderungen gegeben ist, sind die deutlichen 49Verbesserungen maßgeblich, die durch Bemühungen der bulgarischen Behörden sowie deren fachliche, personelle und finanzielle Unterstützung durch europäische Institutionen (insbesondere Europäische Kommission und European Asylum Support Office), den UNHCR und andere Nichtregierungsorganisationen erreicht wurden. Aufgrund dieser Verbesserungen hat der UNHCR, dessen Dokumenten und Stellungnahmen bei der Beurteilung der Situation und der Funktionsfähigkeit des Asylsystems der Mitgliedstaaten eine besondere Relevanz zukommt, 50vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 – C-528/11 –, juris, 51im April 2014 – jedenfalls für Personen ohne besondere Vulnerabilität – seine Empfehlung aufgehoben, von Überstellungen nach Bulgarien abzusehen und eine solche Empfehlung bislang auch nicht erneut ausgesprochen. 52Diese positiven Entwicklungen setzen sich nach den aktuellen Erkenntnissen fort. Danach reichen die Aufnahmekapazitäten in Bulgarien für alle im Anerkennungsverfahren befindlichen Schutzsuchenden aus. Die Belegungsrate der Flüchtlingszentren liegt derzeit bei ca. 50 %. Die Situation in den Aufnahmezentren hat sich immer weiter verbessert und ist heute als akzeptabel zu bewerten. Die Europäische Union hat zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, um die umfassenden Renovierungsarbeiten in den Flüchtlingszentren zu Ende zu bringen und laut Auskunft der bulgarischen Behörden ist die Öffnung weiterer Flüchtlingszentren geplant. Die Verpflegung aller Flüchtlinge sowie die medizinische Grundversorgung sind gesichert. Personen mit besonderen medizinischen Bedürfnissen können zwar nicht immer angemessen versorgt werden. Dies betrifft in Bulgarien jedoch nicht nur Schutzsuchende, sondern auch den Großteil der Allgemeinbevölkerung. Auch die Aufnahmebedingungen für Personen mit besonderer Vulnerabilität – etwa Familien mit Kleinkindern – sind angesichts der bei weitem nicht erreichten Auslastung der Kapazitäten gut. 53Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg vom 30. November 2015 sowie an das VG Aachen vom 27. Januar 2015. 54Aus denen soeben zitierten Auskünften ergibt sich auch, dass, sollte das Asylverfahren eines rückgeführten Asylbewerbers während seiner Abwesenheit aus Bulgarien eingestellt worden sei, da er sich nicht innerhalb von drei Monaten nach Aussetzung seines Verfahrens bei der jeweiligen Flüchtlingsagentur gemeldet hat, sein Verfahren nach seiner Rückführung wiederzueröffnen und in der Sache zu prüfen ist. Die Vorschriften über Folgeanträge finden nach Auskunft der bulgarischen Behörden in diesen Fällen der Einstellung des Verfahrens keine Anwendung. Auch nimmt die bulgarische Flüchtlingsagentur in diesen Fällen keine Festnahmen von Personen vor. Nur wenn der Asylantrag in Abwesenheit des Asylbewerbers negativ beschieden worden ist, können die Asylbewerber als „endgültig abgelehnte Asylsuchende“ betrachtet werden, auf die das Verbot der Abschiebung nicht mehr anwendbar wäre. Nur diese Personen können bei einer Wiedereinreise direkt in eines der Abschiebungszentren „Special Centre for the Temporary Accomodation of Foreigners“ – SCTAF – gebracht werden. 55Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Aachen vom 27. Januar 2015. 56Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, dass sein Asylantrag in seiner Abwesenheit negativ beschieden worden ist. Auch die Antwort der bulgarischen Behörden auf die Wiederaufnahmeanfrage des Bundesamts spricht gegen diese Annahme, da die Behörden ihre Zuständigkeit auf Grundlage von Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO angenommen hat. Dies bedeutet, dass ein Mitgliedstaats verpflichtet ist, einen Asylbewerber, der sich während der Prüfung seines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, wiederaufzunehmen. Hätte Bulgarien den Asylantrag des Klägers bereits abgelehnt, so hätte es seine Zuständigkeit nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO erklärt. 57Auch die unzureichende Lebenssituation von anerkannten international Schutzberechtigten, 58vgl. auch Urteile der Kammer vom heutigen Tag – 2a K 2174/15.A, 2a K 2466/15.A und 2a K 5485/15.A –, zur Veröffentlichung vorgesehen, 59begründet keine systemischen Mängel des bulgarischen Asylsystems. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Bewertung der in Bulgarien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen diejenigen Umstände heranzuziehen sind, welche auf die Situation des Klägers zutreffen. Dabei ist abzustellen auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Situation, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen und tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Solche Umstände können allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese auf die Situation des Klägers auswirken (können). 60Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 –, juris. 61Da dem Kläger nach eigenen Angaben in Bulgarien noch kein Schutzstatus zuerkannt worden ist, kann die Lage von Personen, denen in Bulgarien ein internationaler Schutz zuerkannt wurde, lediglich mittelbare Auswirkungen auf die Bewertung des Zustands des bulgarischen Asylsystems und der Aufnahmebedingungen haben. Die Situation anerkannter Schutzberechtigter steht einer Überstellung des Klägers nach Bulgarien zum Zwecke der Durchführung eines Asylverfahrens nicht entgegen, da nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass sich die Lebensumstände anerkannter internationaler Schutzberechtigter auf die Situation des Klägers auswirken können. Es bestehen zu viele ungewisse Zwischenschritte, wie der Ausgang des Asylverfahrens oder eine Änderung der Lebensbedingungen anerkannter Schutzberechtigter bis zum bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens des Klägers, um anzunehmen, dass der Kläger alsbald nach seiner Rückkehr als anerkannter Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter erniedrigender oder unmenschlicher Behandlung ausgesetzt sein wird. 62Auch Berichte über Pushbacks an der Grenze und über eine Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte mit so genannten Menschenjägern können für den hier interessierenden Einzelfall nicht herangezogen werden. Diese Berichte betreffen nicht die Situation von Dublin-Rückkehrern wie dem Kläger, sondern kritisieren das Vorgehen von Polizei und Grenzschutzbehörden zur Verhinderung einer Einreise. 63Schließlich führen auch die Schilderungen des Klägers über die bereits in Bulgarien erlebte Behandlung nicht zur Annahme systemischer Mängel des bulgarischen Asylsystems. Nach den dargestellten Maßstäben sind persönliche Vorerfahrungen bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des betreffenden Asylsystems lediglich mittelbar von Bedeutung, sodass der Vortrag des Klägers, die Zustände in Bulgarien seien fast so schlimm wie im Irak und er sei gezwungen worden, seine Fingerabdrücke abzugeben, unter Zugrundelegung dieses Maßstabes nicht geeignet ist, systemische Mängel des bulgarischen Asylsystems zu belegen. 64Auch Ziffer 2. des angefochtenen Bescheids ist rechtmäßig. Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung steht fest, dass eine Abschiebung nach Bulgarien durchgeführt werden kann, § 34a Abs. 1 AsylG. 65Insbesondere hat der Kläger weder ein der Abschiebung nach Bulgarien entgegenstehendes zielstaats- oder inlandsbezogenes Abschiebungshindernis geltend gemacht noch begegnet die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung in den für das Asylverfahren des Klägers zuständigen Mitgliedstaat Bulgarien Bedenken. 66Auch die Befristungsentscheidung in Ziffer 3. des angegriffenen Bescheids ist hinsichtlich der Ermessensausübung bezüglich der Dauer der Befristung nicht zu beanstanden. 67Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO, § 83b AsylG, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO und §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung. | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens, für das gerichtskosten nicht erhoben werden. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des aus dem urteil vollstreckbaren betrags abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrags leistet. 1 | 2der am °°°°° 1989 geborene kläger ist irakischer staatsangehöriger aus dem volk der kurden und yezidischen glaubens. er reiste nach eigenen angaben am 21. mai 2015 ins bundesgebiet ein und beantragte am 15. juni 2015 seine anerkennung als asylberechtigter. 3am 24. juni 2015 richteten die deutschen behörden aufgrund eines treffers der kategorie 1 in der eurodac-datei ein übernahmegesuch an bulgarien. die bulgarische „state agency for refugees – dublin unit“ erklärte mit schreiben vom 9. juli 2015 ihr einverständnis mit der rückführung des klägers nach art. 18 abs. 1 buchst. b) der verordnung (eg) nr. 604/2013 des europäischen parlaments und des 4rates vom 26. juni 2013 zur festlegung der kriterien und verfahren zur bestimmung des mitgliedstaats, der für die prüfung eines von einem drittstaatsangehörigen oder staatenlosen in einem mitgliedstaat gestellten antrags auf internationalen schutz zuständig ist – dublin iii-vo –. 5mit bescheid vom 19. august 2015 lehnte das bundesamt den antrag des klägers nach § 27a des asylgesetzes – asylg – als unzulässig ab und ordnete nach § 34a asylg seine abschiebung nach bulgarien an. das gesetzliche einreise- und aufenthaltsverbot gemäß § 11 abs. 1 des aufenthaltsgesetzes – aufenthg – wurde auf zwölf monate ab dem tag der abschiebung befristet. zur begründung führte das bundesamt im wesentlichen aus, bulgarien sei aufgrund des dort bereits gestellten asylantrags für die prüfung seines antrags zuständig. außergewöhnliche humanitäre gründe, die die bundesrepublik deutschland veranlassen könnten, ihr selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. 6der kläger hat am 26. august 2015 klage erhoben. zur begründung beruft er sich auf systemische schwachstellen im bulgarischen asylsystem. die verhältnisse in bulgarien seien nach den vorliegenden erkenntnissen von nichtregierungs-organisationen, insbesondere einem bericht von „pro asyl“ aus april 2015, des unhcr aus april 2014 und „bordermonitoring eu – trapped in europe´s quagmire“ aus juli 2014, sowie dem aktuellen länderbericht der asylum information database zu bulgarien menschenunwürdig. insbesondere sei aufgrund der exorbitant gestiegenen flüchtlingszahlen eine angemessene unterbringung der flüchtlinge nicht gewährleistet. auch sei nicht sicher, dass sein asylverfahren nach seiner rückkehr nach bulgarien fortgeführt werde. aufgrund seiner abwesenheit aus bulgarien von mehr als drei monaten und zehn tagen sei sein laufendes asylverfahren von den bulgarischen behörden beendet worden mit der folge, dass er nach seiner rückkehr als illegaler migrant behandelt und inhaftiert werden würde. in diesem fall drohe ihm die abschiebung in sein heimatland irak, wo er politisch verfolgt werde. zwar habe er die möglichkeit, in bulgarien einen folgeantrag zu stellen, allerdings werde ein solcher antrag nur sachlich geprüft, wenn er kriterien nachweisen könne, die nach der einstellung des ersten verfahrens eingetreten 7seien. an solchen würde es aber fehlen, sodass angenommen werden müsse, dass der folgeantrag abgewiesen werden würde. 8der kläger beantragt, 9die beklagte unter aufhebung des bescheids des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 19. august 2015 zu verpflichten, über seinen asylantrag im nationalen verfahren zu entscheiden. 10die beklagte beantragt, 11die klage abzuweisen. 12zur begründung nimmt sie bezug auf den angegriffenen bescheid und ergänzt, gründe für die annahme systemischer mängel im bulgarischen asylverfahren lägen weiterhin nicht vor. 13wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf den inhalt der gerichtsakte, der akte des zugehörigen eilverfahrens – 18a l 1777/15.a – und der beigezogenen verwaltungsvorgänge verwiesen. 14 | 15das gericht entscheidet gemäß § 102 abs. 2 der verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – trotz ausbleibens der beklagten in der mündlichen verhandlung. auf diese möglichkeit sind die beteiligten mit der ordnungsgemäßen ladung hingewiesen worden. 16soweit der kläger die verpflichtung der beklagten begehrt, über seinen antrag im nationalen verfahren zu entscheiden, ist die klage unzulässig. dem kläger fehlt das nötige rechtsschutzbedürfnis, weil das bundesamt, wenn es zuständig ist, den asylantrag von amts wegen sachlich prüfen muss, und keine anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es hier nach aufhebung der verfügung untätig bleiben würde. 17vgl. zum ganzen nur ovg nrw, urteile vom 16. september 2015 – 13 a 800/15.a – und vom 7. märz 2014 – 1 a 21/12.a –; vgh bad.-württ., urteil vom 16. april 2014 – a 11 s 1721/13 –, sämtlich juris. 18im übrigen ist die klage als anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet, weil der angefochtene bescheid rechtmäßig ist, vgl. § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 19das bundesamt durfte die unzulässigkeit des asylantrags des klägers aussprechen und die abschiebung nach bulgarien anordnen. 20nach § 27a asylg ist ein asylantrag unzulässig, wenn ein anderer staat auf grund von rechtsvorschriften der europäischen gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen vertrags für die durchführung des asylverfahrens zuständig ist. hier ist die republik bulgarien für die bearbeitung des asylbegehrens des klägers gemäß art. 18 abs. 1 buchst. b) dublin iii-vo zuständig, da der kläger in bulgarien den ersten asylantrag im gebiet der mitgliedstaaten gestellt hat. die bulgarischen behörden haben auf das von der beklagten gestellte aufnahmeersuchen vom 24. juni 2015 mit schreiben vom 9. juli 2015 ausdrücklich ihre zuständigkeit nach dieser vorschrift bestätigt und der wiederaufnahme des klägers zugestimmt. 21die zuständigkeit bulgariens ist auch nicht nach art. 29 abs. 2 dublin iii-vo entfallen und auf die beklagte übergegangen. die überstellungsfrist von sechs monaten ist zum entscheidungserheblichen zeitpunkt der mündlichen verhandlung (vgl. § 77 abs. 1 satz 1 asylg) noch nicht abgelaufen. 22nach § 29 abs. 1 unterabs. 1 dublin iii-vo erfolgt die überstellung eines antragstellers aus dem ersuchenden mitgliedstaat in den zuständigen mitgliedstaat sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer frist von sechs monaten nach der annahme des aufnahme- oder wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen mitgliedstaat oder der endgültigen entscheidung über einen rechtsbehelf oder eine überprüfung, wenn diese gemäß art. 27 abs. 3 dublin iii-vo aufschiebende wirkung hat. 23art. 27 abs. 3 dublin iii-vo bestimmt, dass die mitgliedstaaten in ihrem innerstaatlichen recht entweder die aufschiebende wirkung des rechtsbehelfs oder der überprüfung anordnen (buchst. a), die automatische aussetzung der überstellung für einen bestimmten zeitraum regeln, innerhalb dessen ein gericht über die aussetzung entscheidet (buchst. b), oder ein gerichtliches aussetzungsverfahren vorsehen (buchst. c). im letzteren fall müssen die mitgliedstaaten für einen wirksamen rechtsbehelf in der form sorgen, dass die 24überstellung ausgesetzt wird, bis die entscheidung über den ersten antrag auf aussetzung ergangen ist. 25das deutsche recht sieht diesbezüglich vor, dass die klage eines asylsuchenden gegen eine entscheidung des bundesamtes nach §§ 27a, 34a abs. 1 asylg gemäß § 75 abs. 1 asylg keine aufschiebende wirkung hat. um die aufschiebende wirkung der klage zu erreichen, ist bei gericht innerhalb einer woche ab bekanntgabe der entscheidung ein antrag nach § 80 abs. 5 vwgo auf anordnung der aufschiebenden wirkung zu stellen. die abschiebung ist bei rechtzeitiger antragstellung vor der gerichtlichen entscheidung über den antrag nach § 80 abs. 5 vwgo nicht zulässig (§ 34a abs. 2 satz 2 asylg). 26damit realisiert das deutsche recht die möglichkeit des art. 27 abs. 3 buchst. c) dublin iii-vo, d.h. der asylsuchende hat die möglichkeit, bei einem gericht innerhalb einer angemessenen frist eine aussetzung der durchführung der überstellungsentscheidung bis zum abschluss des rechtsbehelfs oder der überprüfung zu beantragen. dagegen hat die endgültige entscheidung über den rechtsbehelf, also die klage gegen die abschiebungsanordnung in der hauptsache, keine aufschiebende wirkung, solange diese nicht im wege des § 80 abs. 5 vwgo angeordnet wird. 27die dublin iii-verordnung trifft aber keine regelung zu der frage, wie sich der umstand, dass während des aussetzungsverfahrens nicht abgeschoben werden darf, auf die berechnung der überstellungsfrist auswirkt. art. 29 abs. 1 unterabs. 1 dublin iii-vo regelt nur den fall des art. 27 abs. 3 buchst. a) dublin iii-vo, in dem mitgliedstaaten in ihrem innerstaatlichen recht die aufschiebende wirkung der klage oder der überprüfung vorsehen, sowie den fall, in dem nach art. 27 abs. 3 buchst. c) dublin iii-vo ein aussetzungsantrag erfolg hat. wie die frist in ansehung von art. 27 abs. 3 buchst. c) satz 2 dublin iii-vo zu berechnen ist, wenn ein aussetzungsantrag erfolglos ist, bestimmt die dublin iii-verordnung nicht. 28es spricht nichts dafür, dass der europäischen gesetzgeber diese konstellation absichtlich nicht geregelt hat und bewusst in kauf genommen hat, dass es bis zur unanfechtbaren entscheidung im verfahren des vorläufigen rechtsschutzes unmöglich ist, die überstellung durchzuführen, mit der folge, dass bei einem 29langwierigeren verfahren des vorläufigen rechtsschutzes die frist ohne weiteres ablaufen kann, ohne dass eine überstellung möglich gewesen wäre. 30damit liegt eine planwidrige regelungslücke vor, welche interessengerecht zu schließen ist. diesem anliegen entspricht es am besten, wenn während des vorübergehenden vollstreckungshindernisses (in der zeit zwischen der zustellung des bescheids bis zur zustellung der negativen entscheidung des verwaltungsgerichts im verfahren des vorläufigen rechtsschutzes) eine ablaufhemmung angenommen wird mit der folge, dass die überstellungsfrist sich entsprechend verlängert. dem liegt der gedanke zugrunde, dass den mitgliedstaaten grundsätzlich die vollen sechs monate zur verfügung stehen sollen, um die modalitäten der durchführung der überstellung zu regeln und bei der überstellung für den ersuchenden mitgliedstaat bestehende rechtliche hindernisse berücksichtigt werden müssen, um nicht zu untragbaren ergebnissen zu kommen. mit diesem grundsatz wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die überstellungsfrist trotz des gesetzlichen vollstreckungshindernisses in art. 27 abs. 3 buchst. c) satz 2 dublin iii-vo ungehemmt weiterliefe. 31vgl. dazu eugh, urteil vom 29. januar 2009 – rs. c-19/08 – (petrosian u.a.); ovg nrw, beschlüsse vom 8. september 2014 – 13 a 1347/14.a – und (im ergebnis) vom 3. november 2015 – 13 a 2255/15.a –; vgh bad.-württ., urteil vom 27. august 2014 – a 11 s 1285/14 –, sämtlich juris. 32nach diesen maßstäben war die sechsmonatige überstellungsfrist für die dauer der antragsfrist und des anschließenden zugehörigen eilverfahrens – 18a l 1777/15.a – vom zeitpunkt des zustellung des bescheids am 24. august 2015 bis zur ablehnung des antrags auf gewährung vorläufigen rechtschutzes mit beschluss vom 2. november 2016 gehemmt. die überstellungsfrist läuft demnach erst am 19. märz 2016 ab. 33nach der rechtsprechung des gerichtshofs der europäischen union, 34urteil vom 10. dezember 2013 – rs. c-394/12 – (abdullahi), juris, 35kann der asylbewerber gegen seine überstellung in einen anderen mitgliedstaat 36systemische mängel des asylverfahrens und der aufnahmebedingungen für asylbewerber in diesem mitgliedstaat geltend machen, die ernsthafte und durch tatsachen bestätigte gründe für die annahme darstellen, dass er tatsächlich gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden behandlung im sinne von art. 4 der charta der grundrechte der europäischen union – eu-grch – bzw. art. 3 der europäischen menschenrechtskonvention – emrk – ausgesetzt zu werden. 37systemische mängel bestehen (erst) bei einer reellen unfähigkeit des gesamten verwaltungsapparats zur beachtung des art. 4 eu-grch, was gleichbedeutend ist mit strukturellen störungen, die ihre ursache im gesamtsystem des nationalen asylverfahrens haben. die im jeweiligen nationalen asylsystem festzustellenden mängel müssen demnach so gravierend sein, dass sie nicht lediglich singulär oder zufällig sind, sondern in einer vielzahl von fällen zu der gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden behandlung führen. dies kann einerseits darauf beruhen, dass die fehler bereits im system selbst angelegt sind, andererseits aber auch daraus folgen, dass ein in der theorie nicht zu beanstandendes asylsystem – mit blick auf seine empirisch feststellbare umsetzung in der praxis – in weiten teilen funktionslos wird. 38vgl. ovg nrw, urteil vom 7. märz 2014 – 1 a 21/12.a –; ovg r.-p., urteil vom 21. februar 2014 – 10 a 10656/13 –, beide juris. 39der europäische gerichtshof für menschenrechte hat als maßstab für die beantwortung der frage, ob struktur und allgemeine lage der aufnahme im europäischen zielstaat jegliches überstellen von asylbewerbern dorthin verhindern, benannt, ob eine gleichgültigkeit der behörden des betreffenden staates gegenüber der stetig steigenden zahl von schutzsuchenden vorliegt. 40vgl. egmr, urteile vom 4. november 2014 – rs.-nr. 29217/12 – (tarakhel) sowie vom 21. januar 2011 – rs.-nr. 30696/09 – (m.s.s. ./. belgien und griechenland); vgh bad.-württ, urteil vom 10. november 2014 – a 11 s 1778/14 –, sämtlich juris. 41unerheblich ist, ob es unterhalb der schwelle systemischer mängel in einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden behandlung kommen kann und ob ein 42drittstaatsangehöriger einer solchen tatsächlich schon einmal ausgesetzt gewesen ist. derartige erfahrungen sind in die gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische mängel im zielland der überstellung vorliegen; nur in diesem begrenzten umfang sind individuelle erfahrungen zu berücksichtigen. persönliche erlebnisse betroffener, die einige jahre zurückliegen, können allerdings durch neuere entwicklungen im betreffenden staat überholt sein. individuelle erfahrungen einer gegen art. 4 eu-grch bzw. art. 3 emrk verstoßenden behandlung führen hingegen nicht zu einer beweislastumkehr für die frage des vorliegens systemischer mängel. 43vgl. bverwg, beschluss vom 6. juni 2014 – 10 b 35.14 –, juris. 44in anwendung dieses maßstabs bestehen im maßgeblichen zeitpunkt der gerichtlichen entscheidung nach auswertung der vorliegenden erkenntnisse zum bulgarischen asylsystem, 45eingehende und aktuelle informationen über das bulgarischen asylsystem und die dortigen unterbringungs- und versorgungsbedingungen bieten etwa die country reports: bulgaria der asylum information database, stand oktober 2015, die antwort der bundesregierung auf eine kleine anfrage mehrerer abgeordneter der fraktion die linke vom 20. mai 2014 (bt-drs. 18/1446) und der bericht des unhcr von april 2014 (bulgaria as a country of asylum), 46– trotz der zweifellos bestehenden missstände – keine anhaltpunkte für das bestehen systemischer mängel des bulgarischen asylverfahrens und der dortigen aufnahmebedingungen im sinne von art. 4 eu-grch bzw. art. 3 emrk. 47ebenso in jüngerer zeit vg gelsenkirchen, beschluss vom 30. dezember 2015 – 18a l 2391/15.a –, nicht veröffentlich; vg düsseldorf, beschluss vom 24. juli 2014 – 13 l 1502/14.a –; vg augsburg, beschluss vom 12. januar 2015 – au 7 s 14.50364 –, beide juris. 48für die wertung, dass keine beachtliche unterschreitung der von dem unionsrecht vorgesehenen mindestanforderungen gegeben ist, sind die deutlichen 49verbesserungen maßgeblich, die durch bemühungen der bulgarischen behörden sowie deren fachliche, personelle und finanzielle unterstützung durch europäische institutionen (insbesondere europäische kommission und european asylum support office), den unhcr und andere nichtregierungsorganisationen erreicht wurden. aufgrund dieser verbesserungen hat der unhcr, dessen dokumenten und stellungnahmen bei der beurteilung der situation und der funktionsfähigkeit des asylsystems der mitgliedstaaten eine besondere relevanz zukommt, 50vgl. eugh, urteil vom 30. mai 2013 – c-528/11 –, juris, 51im april 2014 – jedenfalls für personen ohne besondere vulnerabilität – seine empfehlung aufgehoben, von überstellungen nach bulgarien abzusehen und eine solche empfehlung bislang auch nicht erneut ausgesprochen. 52diese positiven entwicklungen setzen sich nach den aktuellen erkenntnissen fort. danach reichen die aufnahmekapazitäten in bulgarien für alle im anerkennungsverfahren befindlichen schutzsuchenden aus. die belegungsrate der flüchtlingszentren liegt derzeit bei ca. 50 %. die situation in den aufnahmezentren hat sich immer weiter verbessert und ist heute als akzeptabel zu bewerten. die europäische union hat zusätzliche mittel zur verfügung gestellt, um die umfassenden renovierungsarbeiten in den flüchtlingszentren zu ende zu bringen und laut auskunft der bulgarischen behörden ist die öffnung weiterer flüchtlingszentren geplant. die verpflegung aller flüchtlinge sowie die medizinische grundversorgung sind gesichert. personen mit besonderen medizinischen bedürfnissen können zwar nicht immer angemessen versorgt werden. dies betrifft in bulgarien jedoch nicht nur schutzsuchende, sondern auch den großteil der allgemeinbevölkerung. auch die aufnahmebedingungen für personen mit besonderer vulnerabilität – etwa familien mit kleinkindern – sind angesichts der bei weitem nicht erreichten auslastung der kapazitäten gut. 53auskünfte des auswärtigen amtes an das vg hamburg vom 30. november 2015 sowie an das vg aachen vom 27. januar 2015. 54aus denen soeben zitierten auskünften ergibt sich auch, dass, sollte das asylverfahren eines rückgeführten asylbewerbers während seiner abwesenheit aus bulgarien eingestellt worden sei, da er sich nicht innerhalb von drei monaten nach aussetzung seines verfahrens bei der jeweiligen flüchtlingsagentur gemeldet hat, sein verfahren nach seiner rückführung wiederzueröffnen und in der sache zu prüfen ist. die vorschriften über folgeanträge finden nach auskunft der bulgarischen behörden in diesen fällen der einstellung des verfahrens keine anwendung. auch nimmt die bulgarische flüchtlingsagentur in diesen fällen keine festnahmen von personen vor. nur wenn der asylantrag in abwesenheit des asylbewerbers negativ beschieden worden ist, können die asylbewerber als „endgültig abgelehnte asylsuchende“ betrachtet werden, auf die das verbot der abschiebung nicht mehr anwendbar wäre. nur diese personen können bei einer wiedereinreise direkt in eines der abschiebungszentren „special centre for the temporary accomodation of foreigners“ – sctaf – gebracht werden. 55auskunft des auswärtigen amtes an das vg aachen vom 27. januar 2015. 56der kläger hat aber nicht vorgetragen, dass sein asylantrag in seiner abwesenheit negativ beschieden worden ist. auch die antwort der bulgarischen behörden auf die wiederaufnahmeanfrage des bundesamts spricht gegen diese annahme, da die behörden ihre zuständigkeit auf grundlage von art. 18 abs. 1 buchst. b) dublin iii-vo angenommen hat. dies bedeutet, dass ein mitgliedstaats verpflichtet ist, einen asylbewerber, der sich während der prüfung seines asylantrags in einem anderen mitgliedstaat aufhält, wiederaufzunehmen. hätte bulgarien den asylantrag des klägers bereits abgelehnt, so hätte es seine zuständigkeit nach art. 18 abs. 1 buchst. d) dublin iii-vo erklärt. 57auch die unzureichende lebenssituation von anerkannten international schutzberechtigten, 58vgl. auch urteile der kammer vom heutigen tag – 2a k 2174/15.a, 2a k 2466/15.a und 2a k 5485/15.a –, zur veröffentlichung vorgesehen, 59begründet keine systemischen mängel des bulgarischen asylsystems. dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der bewertung der in bulgarien anzutreffenden umstände der durchführung des asylverfahrens und der aufnahme von flüchtlingen diejenigen umstände heranzuziehen sind, welche auf die situation des klägers zutreffen. dabei ist abzustellen auf die situation von flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen situation, wohingegen die situation von flüchtlingen in anderen rechtlichen und tatsächlichen umständen keine unmittelbare rolle spielt. solche umstände können allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese auf die situation des klägers auswirken (können). 60vgl. ovg nrw, urteil vom 7. märz 2014 – 1 a 21/12 –, juris. 61da dem kläger nach eigenen angaben in bulgarien noch kein schutzstatus zuerkannt worden ist, kann die lage von personen, denen in bulgarien ein internationaler schutz zuerkannt wurde, lediglich mittelbare auswirkungen auf die bewertung des zustands des bulgarischen asylsystems und der aufnahmebedingungen haben. die situation anerkannter schutzberechtigter steht einer überstellung des klägers nach bulgarien zum zwecke der durchführung eines asylverfahrens nicht entgegen, da nicht mit hinreichender wahrscheinlichkeit feststeht, dass sich die lebensumstände anerkannter internationaler schutzberechtigter auf die situation des klägers auswirken können. es bestehen zu viele ungewisse zwischenschritte, wie der ausgang des asylverfahrens oder eine änderung der lebensbedingungen anerkannter schutzberechtigter bis zum bestandskräftigen abschluss des asylverfahrens des klägers, um anzunehmen, dass der kläger alsbald nach seiner rückkehr als anerkannter flüchtling oder subsidiär schutzberechtigter erniedrigender oder unmenschlicher behandlung ausgesetzt sein wird. 62auch berichte über pushbacks an der grenze und über eine zusammenarbeit der sicherheitskräfte mit so genannten menschenjägern können für den hier interessierenden einzelfall nicht herangezogen werden. diese berichte betreffen nicht die situation von dublin-rückkehrern wie dem kläger, sondern kritisieren das vorgehen von polizei und grenzschutzbehörden zur verhinderung einer einreise. 63schließlich führen auch die schilderungen des klägers über die bereits in bulgarien erlebte behandlung nicht zur annahme systemischer mängel des bulgarischen asylsystems. nach den dargestellten maßstäben sind persönliche vorerfahrungen bei der beurteilung der funktionsfähigkeit des betreffenden asylsystems lediglich mittelbar von bedeutung, sodass der vortrag des klägers, die zustände in bulgarien seien fast so schlimm wie im irak und er sei gezwungen worden, seine fingerabdrücke abzugeben, unter zugrundelegung dieses maßstabes nicht geeignet ist, systemische mängel des bulgarischen asylsystems zu belegen. 64auch ziffer 2. des angefochtenen bescheids ist rechtmäßig. zum entscheidungserheblichen zeitpunkt der mündlichen verhandlung steht fest, dass eine abschiebung nach bulgarien durchgeführt werden kann, § 34a abs. 1 asylg. 65insbesondere hat der kläger weder ein der abschiebung nach bulgarien entgegenstehendes zielstaats- oder inlandsbezogenes abschiebungshindernis geltend gemacht noch begegnet die rechtliche und tatsächliche durchführbarkeit der abschiebung in den für das asylverfahren des klägers zuständigen mitgliedstaat bulgarien bedenken. 66auch die befristungsentscheidung in ziffer 3. des angegriffenen bescheids ist hinsichtlich der ermessensausübung bezüglich der dauer der befristung nicht zu beanstanden. 67die kostenentscheidung beruht auf § 154 vwgo, § 83b asylg, die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit folgt aus § 167 vwgo und §§ 708 nr. 11, 711 der zivilprozessordnung. | Verklagte*r | 0 |
337,342 | 15 K 7546/18 | 2021-05-05T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Der am 00.00.19xx geborene Kläger ist in der beklagten Stadt seit dem 20. November 1972 unter der im Rubrum genannten Anschrift wohnhaft. 3Nach dem Besuch des Seminars für Sportfischer der Stadt H. (X. , I. ) bestand der Kläger vor der dortigen Prüfungskommission des Verbandes Deutscher Sportfischer (VDSF) am 3. August 1979 die Sportfischerprüfung. Die Stadt H. erteilte dem Kläger einen Fischereischein, dessen Gültigkeit sie wiederholt ‑ zuletzt am12. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 2004 ‑ verlängerte. 4Im November 2017 wandte der Kläger sich an die Beklagte und bat um die Erteilung bzw. Verlängerung des Fischereischeines. Per Mail teilte die Beklagte dem Kläger am 13. Dezember 2017 mit, dem Anliegen werde nicht entsprochen werden können, weil er die Fischerprüfung trotz seines seinerzeitigen Wohnsitzes in Nordrhein-Westfalen in I. abgelegt habe. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 8. Mai 2018 machte der Kläger geltend, die beabsichtigte Versagung des Fischereischeins sei rechtswidrig, da die Anerkennung eines in einem anderen Bundesland erworbenen Fischereischeins nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Neustadt nicht davon abhängig gemacht werden dürfe, wo der Prüfling im Zeitpunkt des Bestehens der Fischerprüfung seinen Wohnsitz gehabt habe. 5Mit tags darauf zur Post gegebenem Bescheid vom 14. August 2018 lehnte die beklagte Stadt den Antrag des Klägers auf Erteilung bzw. Verlängerung des Fischereischeins ab. Zur Begründung führte sie aus, der Antrag sei abzulehnen, weil der Kläger die Fischerprüfung nicht in Nordrhein-Westfalen abgelegt habe. Eine Anerkennung seiner in I. abgelegten Sportfischerprüfung komme nicht Betracht. Gemäß dem nordrhein-westfälischen Fischereirecht seien in anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland nach den dort geltenden gesetzlichen Vorschriften abgelegte Fischerprüfungen nur anzuerkennen, soweit der Prüfungsbewerber im Zeitpunkt der Prüfung seinen ständigen Wohnsitz nicht in Nordrhein-Westfalen gehabt habe. Der Kläger habe seine Fischerprüfung auch erst abgelegt, nachdem das Wohnsitzkriterium in das nordrhein-westfälische Landesfischereirecht aufgenommen worden sei. Fischereischeine hätten ihm in Nordrhein-Westfalen nie erteilt bzw. verlängert werden dürfen mit der Folge, dass ein etwaiges Vertrauen des Klägers in die Fortführung einer rechtswidrigen behördlichen Erteilungs‑ bzw. Verlängerungspraxis nicht schutzwürdig sei. Zu seinen Gunsten könne der Kläger auch nichts aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Neustadt ableiten. Dessen Rechtsprechung verhalte sich nicht zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen, weil das Fischereirecht Ländersache sei. 6Der Kläger hat am 15. September 2018 Klage erhoben. 7Er ist der Ansicht, ihm stehe ein Anspruch auf die begehrte Erteilung des Fischereischeines zu. Als hierfür erforderliche Fischerprüfung sei seine in I. bestandene Sportfischerprüfung anzuerkennen. Diese sei im theoretischen wie praktischen Teil der inNordrhein-Westfalen abzulegenden Fischerprüfung mindestens gleichwertig. Außerhalb von Nordrhein-Westfalen abgelegte Fischerprüfungen nicht anzuerkennen, wenn der Prüfungsbewerber zum Zeitpunkt der Prüfung seinen ständigen Wohnsitz in Nordrhein-Westfalens gehabt habe, verstoße deshalb gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zugleich stelle dies auch eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar, weil das Wohnsitzkriterium als Differenzierungsmerkmal ungeachtet eines Vergleichs von abgelegter und nach nordrhein-westfälischem Recht abzulegender Prüfung gelte und damit sachlich nicht zu rechtfertigen sei. Zudem dürften Personen in Nordrhein-Westfalen mit einem in einem anderen Bundesland ausgestellten Fischereischein fischen, auch wenn sie dort ihren ständigen Wohnsitz hätten oder aber zum Zeitpunkt der Erteilung des Fischereischeins gehabt hätten. 8Der Kläger beantragt, 9die beklagte Stadt unter Aufhebung des Bescheides vom14. August 2018 zu verpflichten, ihm einen Fischereischein zu erteilen. 10Die beklagte Stadt beantragt, 11die Klage abzuweisen. 12Sie ist der Auffassung, ihre Versagungsentscheidung sei aus den Gründen des angegriffenen Bescheides rechtmäßig. 13Die beklagte Stadt hat ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mit Schriftsatz vom 15. April 2021 erklärt. Eine entsprechende Erklärung hat der Kläger Schriftsatz vom 30. April 2021 abgegeben. 14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach‑ und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der beklagten Stadt Bezug genommen. 15Entscheidungsgründe: 16Über das Klagebegehren kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, nachdem die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise schriftsätzlich einverstanden erklärt haben. 17Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar als Verpflichtungsbegehren (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet; der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger nicht zu (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO). 18Gemäß § 31 Abs. 1 des Fischereigesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesfischereigesetz – LFischG) in der zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes vom15. November 2016 (GV. NRW. S. 934) geänderten Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juni 1994 (GV NRW, S. 516, ber. 864) muss, wer die Fischerei ausübt, unbeschadet des ‑ hier nicht einschlägigen ‑ Absatzes 2 der Norm Inhaber eines Fischereischeins sein. Der Fischereischein darf nur Personen erteilt werden, die eine Fischerprüfung erfolgreich abgelegt haben (§ 31 Abs. 3 S. 1 LFischG). Nach § 31 Abs. 3 S. 2 LFischG gilt dies nicht ‑ soweit hier von Interesse ‑ für Personen, denen innerhalb von drei Jahren vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ein Fischereischein erteilt worden ist [Buchst. c)] oder die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eine von einem Fischereiverband durchgeführte Fischerprüfung erfolgreich abgelegt haben [(Buchst. d)] oder bis zum 3. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet zur Bundesrepublik Deutschland die vom dortigen Anglerverband anerkannte Qualifikation zum Fang von Raubfischen erworben haben [(Buchst. e)]. 19Die danach maßgeblichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Fischereischeins sind nicht erfüllt. Der Kläger hat zwar in I. eine Fischerprüfung bestanden, damit aber keine Fischerprüfung im Sinne des § 31 Abs. 3 S. 1 LFischG erfolgreich abgelegt. Als solche kommt nur eine Prüfung in Betracht, die nach Maßgabe der in Nordrhein-Westfalen geltenden Bestimmungen des Fischereirechts abgelegt sind. Dies folgt aus § 31 Abs. 4 LFischG. Der dortigen Regelung über die Anerkennung von Fischerprüfungen, die in anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland bestanden worden sind, hätte es nicht bedurft, wenn diese Fischerprüfungen bereits von § 31 Abs. 3 S. 1 LFischG erfasst wären. 20Der Kläger ist auch nicht nach § 31 Abs. 3 S. 2 LFischG von der Notwendigkeit des Nachweises einer in Nordrhein-Westfalen abgelegten Fischerprüfung entbunden. 21Da der Kläger seine Sportfischerprüfung in I. am 3. August 1979 abgelegt hat, ist ihm weder entsprechend § 31 Abs. 3 S. 2 Buchst. c) LFischG innerhalb von drei Jahren bevor das Landesfischereigesetz in der Fassung vom 11. Juli 1972 (GV NRW, S. 226) nach seinem damaligen § 59 bzw. der heutigen Regelung in § 60 S. 1 LFischG zum 1. Januar 1973 in Kraft getreten war, ein Fischereischein erteilt worden noch hat er gemäß § 31 Abs. 3 S. 2 Buchst. d) LFischG vor dem Inkrafttreten des Landesfischereigesetz eine von einem Fischereiverband durchgeführte Fischerprüfung bestanden oder im Sinne des § 31 Abs. 3 S. 2 Buchst. e) LFischG im Beitrittsgebiet zur Bundesrepublik Deutschland die vom dortigen Anglerverband anerkannte Qualifikation zum Fang von Raubfischen erworben. 22Schließlich hat die beklagte Stadt zu Recht von der Forderung nach einer inNordrhein-Westfalen abgelegten Fischerprüfung auch nicht nach § 31 Abs. 4 LFischG abgesehen, demzufolge in anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland nach den dort geltenden gesetzlichen Vorschriften abgelegte Fischerprüfungen anerkannt werden, soweit der Prüfungsbewerber zum Zeitpunkt der Prüfung seinen ständigen Wohnsitz nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes hatte. 23Zwar dürfte die vom Kläger in I. am 3. August 1979 abgelegte Sportfischerprüfung als Prüfung im Sinne des § 31 Abs. 4 LFischG in Betracht kommen. Deren Anerkennung nach dieser Bestimmung ist indes ausgeschlossen, weil der Kläger im August 1979 ‑ und damit zum Prüfungszeitpunkt ‑ seinen Wohnsitz in der beklagten Stadt und nicht in I. oder einem anderen Bundesland hatte. 24Das in § 31 Abs. 4 LFischG verankerte und der Erlaubniserteilung hier entgegenstehende Wohnsitzkriterium ist mit Bundesrecht vereinbar. Das Fischereirecht fällt in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer. Eine bundesrechtliche Vorschrift, die den Landesgesetzgeber dazu verpflichtet, eine Regelung zu schaffen, nach der ein Fischereischein auch demjenigen zu erteilen ist, der seine Fischerprüfung in einem anderen Bundesland nach den dort geltenden gesetzlichen Vorschriften abgelegt hat, besteht ebenso wenig wie eine solche aus einem Länderabkommen folgende Notwendigkeit. 25Gegen die Regelung des § 31 Abs. 4 LFischG sprechen auch keine verfassungsrechtlich durchgreifenden Bedenken. 26Die Bestimmung verstößt nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG). 27Der Gleichheitssatz verpflichtet dazu, Gleiches gleich und Ungleiches entsprechend seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft, bzw. zu entscheiden, welche Merkmale er beim Vergleich von Lebenssachverhalten als maßgebend ansieht, um sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es ihm aber, dabei Art und Ausmaß der tatsächlichen Unterschiede sachwidrig außer Acht zu lassen. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn der Gesetzgeber es versäumt hat, Ungleichheiten der zu ordnenden Lebenssachverhalte zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung seines Handlungsspielraumes aus anderen Verfassungsnormen ergeben. 28Vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 3. April 2001, juris Rdnr. 43, mit weiteren Nachweisen aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts. 29Gemessen daran genügt die Anerkennungsregelung den Anforderungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes. 30Nachdem der nordrhein-westfälische Gesetzgeber andere Rechtsfolgen an Fischerprüfungen geknüpft hat, die in Nordrhein-Westfalen als dem Bundesland der Hauptwohnung abgelegt worden sind, als an Fischerprüfungen, die Personen mit Hauptwohnung in Nordrhein-Westfalen in anderen Bundesländern abgelegt haben, fehlt es bereits an vergleichbaren Sachverhalten, an die ein Gleichbehandlungsanspruch anknüpfen könnte. 31Im Ergebnis ebenso zum bayrischen Fischereirecht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 7. Dezember 2010, 19 ZB 10.1583, juris Rdnr. 10; a. A. für das Fischereirecht in Rheinland-Pfalz: VG Neustadt, Urteil vom 15. Dezember 2015, 5 K 626/15.NW, juris Rdnr. 19 ff. 32Das Wohnsitzkriterium als Merkmal, nach dem die Sachverhalte verschieden behandelt werden, ist als Auswahlkriterium nicht sachwidrig und folgt einem verhältnismäßigen Regelungskonzept. 33§ 31 Abs. 4 LFischG bezweckt vergleichbar dem Ziel des § 31 Abs. 6 LFischG in der zum 1. Januar 1973 in Kraft getreten Ursprungsfassung, demzufolge in anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland ausgestellte Fischereischeine auch im Geltungsbereich des Landesfischereigesetzes galten, den Abschluss von Verwaltungsabkommen über die gegenseitige Anerkennung (von Fischereischeinen) entbehrlich zu machen. 34Vgl. die auf Fischereischeine bezogene Begründung zum Gesetzentwurf aus dem Jahr 1971:Landtags-Drucksache 7/595, Seite 39. 35Der Zweck des § 31 Abs. 4 LFischG trägt dem Interesse von Bewerbern um die Erteilung eines nordrhein-westfälischen Fischereischeines, die in einem anderen Land der Bundesrepublik Deutschland als Nordrhein-Westfalen bereits eine Fischerprüfung erfolgreich absolviert haben, in Nordrhein-Westfalen keine weitere Fischerprüfung ablegen zu müssen. Dass § 31 Abs. 4 LFischG diesem Interesse durch die Aufnahme des Wohnsitzkriteriums in die Bestimmung nur eingeschränkt Rechnung trägt, ist nicht sachwidrig. Denn um eine Fischereierlaubnis im Sinne des § 31 Abs. 1 S. 1 LFischG zu erhalten, kann derjenige die Notwendigkeit, die Fischereiprüfung ein zweites Mal ablegen zu müssen, durch eigenes Zutun abwenden, dem es im Zeitpunkt des Ablegens der Prüfung angesichts seines nordrhein-westfälischen Wohnsitzes auch möglich war, die Fischerprüfung inNordrhein-Westfalen abzulegen. 36Hat der Bewerber um einen Fischereischein von dieser Option keinen Gebrauch gemacht, darf der Gesetzgeber an die eigenverantwortlich getroffene Entscheidung des Bewerbers die in § 31 Abs. 4 LFischG bezeichnete Rechtsfolge knüpfen. Die am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise gebietet es nicht, die Erteilung eines Fischereischeins auf der Grundlage einer nach Wahl des Bewerbers in Nordrhein-Westfalen oder einem anderen Bundesland abgelegten Fischerprüfung zu ermöglichen. 37Mangels vergleichbarer Sachverhalte ergibt sich auch mit Blick auf die Bestimmungen über die Voraussetzungen, unter denen Personen in Nordrhein-Westfalen mit einem in einem anderen Bundesland ausgestellten Fischereischein fischen dürfen, kein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung. 38Weil der Kläger, als er im August 1979 in I. die Sportfischerprüfung abgelegte, angesichts der Tatsache, dass er zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz im Gebiet der beklagten Stadt hatte, die Fischereiprüfung auch in Nordrhein-Westfalen hätte absolvieren können, verstößt nach allem die durch die Wahl des Prüfungsortes vom Kläger selbst herbeigeführte Notwendigkeit, zwecks Erteilung des begehrten Fischereischeins eine Fischerprüfung nach nordrhein-westfälischen Recht ablegen zu müssen, auch nicht gegen den im Rechtsstaatgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) wuzelnden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Etwaige für ihn mit einer weiteren Prüfung verbundene Belastungen hätte der Kläger durch die Entscheidung, die Fischerprüfung in Nordrhein-Westfalen abzulegen, selbst vermeiden können. 39Auf die Frage, ob die in I. vom Kläger bestandene Sportfischerprüfung gleichwertig mit der in Nordrhein-Westfalen abzulegenden Fischerprüfung ist, kommt es nach allem aus Rechtsgründen nicht an. 40Lediglich vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger den gegen die beklagte Stadt geltend gemachten Anspruch auf Erteilung des Fischereischeines auch nicht auf den aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden Grundsatz des Vertrauensschutzes stützen kann. Dies gilt schon deshalb, weil die beklagte Stadt dem Kläger gegenüber keinen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Nach seinem Vortrag sind dem Kläger in der Vergangenheit Fischereischeine nur durch hessische Behörden erteilt bzw. verlängert worden. 41Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. 42Rechtsmittelbelehrung: 43Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 44Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden. 45Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. 46Die Berufung ist nur zuzulassen, 471. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 482. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 493. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 504. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 515. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 52Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. 53Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. 54Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 55Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 56Beschluss: 57Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000,00 Euro festgesetzt. 58Gründe: 59Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und ist in der Höhe angelehnt an den Betrag, der im Streitwertkatalog 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 60Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht ‑ Beilage (NVwZ ‑ Beilage) 2/2013, S. 57 ff., 61unter Ziffer 20.3 für Streitigkeiten um einen Jagdschein ausgewiesen ist. 62Rechtsmittelbelehrung: 63Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. 64Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 65Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 66Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 67Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 68War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar.der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des beizutreibenden betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leistet. 1 | 2der am 00.00.19xx geborene kläger ist in der beklagten stadt seit dem 20. november 1972 unter der im rubrum genannten anschrift wohnhaft. 3nach dem besuch des seminars für sportfischer der stadt h. (x. , i. ) bestand der kläger vor der dortigen prüfungskommission des verbandes deutscher sportfischer (vdsf) am 3. august 1979 die sportfischerprüfung. die stadt h. erteilte dem kläger einen fischereischein, dessen gültigkeit sie wiederholt ‑ zuletzt am12. januar 1999 bis zum 31. dezember 2004 ‑ verlängerte. 4im november 2017 wandte der kläger sich an die beklagte und bat um die erteilung bzw. verlängerung des fischereischeines. per mail teilte die beklagte dem kläger am 13. dezember 2017 mit, dem anliegen werde nicht entsprochen werden können, weil er die fischerprüfung trotz seines seinerzeitigen wohnsitzes in nordrhein-westfalen in i. abgelegt habe. mit schreiben seiner prozessbevollmächtigten vom 8. mai 2018 machte der kläger geltend, die beabsichtigte versagung des fischereischeins sei rechtswidrig, da die anerkennung eines in einem anderen bundesland erworbenen fischereischeins nach der rechtsprechung des verwaltungsgerichts neustadt nicht davon abhängig gemacht werden dürfe, wo der prüfling im zeitpunkt des bestehens der fischerprüfung seinen wohnsitz gehabt habe. 5mit tags darauf zur post gegebenem bescheid vom 14. august 2018 lehnte die beklagte stadt den antrag des klägers auf erteilung bzw. verlängerung des fischereischeins ab. zur begründung führte sie aus, der antrag sei abzulehnen, weil der kläger die fischerprüfung nicht in nordrhein-westfalen abgelegt habe. eine anerkennung seiner in i. abgelegten sportfischerprüfung komme nicht betracht. gemäß dem nordrhein-westfälischen fischereirecht seien in anderen ländern der bundesrepublik deutschland nach den dort geltenden gesetzlichen vorschriften abgelegte fischerprüfungen nur anzuerkennen, soweit der prüfungsbewerber im zeitpunkt der prüfung seinen ständigen wohnsitz nicht in nordrhein-westfalen gehabt habe. der kläger habe seine fischerprüfung auch erst abgelegt, nachdem das wohnsitzkriterium in das nordrhein-westfälische landesfischereirecht aufgenommen worden sei. fischereischeine hätten ihm in nordrhein-westfalen nie erteilt bzw. verlängert werden dürfen mit der folge, dass ein etwaiges vertrauen des klägers in die fortführung einer rechtswidrigen behördlichen erteilungs‑ bzw. verlängerungspraxis nicht schutzwürdig sei. zu seinen gunsten könne der kläger auch nichts aus der rechtsprechung des verwaltungsgerichts neustadt ableiten. dessen rechtsprechung verhalte sich nicht zur rechtslage in nordrhein-westfalen, weil das fischereirecht ländersache sei. 6der kläger hat am 15. september 2018 klage erhoben. 7er ist der ansicht, ihm stehe ein anspruch auf die begehrte erteilung des fischereischeines zu. als hierfür erforderliche fischerprüfung sei seine in i. bestandene sportfischerprüfung anzuerkennen. diese sei im theoretischen wie praktischen teil der innordrhein-westfalen abzulegenden fischerprüfung mindestens gleichwertig. außerhalb von nordrhein-westfalen abgelegte fischerprüfungen nicht anzuerkennen, wenn der prüfungsbewerber zum zeitpunkt der prüfung seinen ständigen wohnsitz in nordrhein-westfalens gehabt habe, verstoße deshalb gegen den grundsatz der verhältnismäßigkeit. zugleich stelle dies auch eine verfassungswidrige ungleichbehandlung dar, weil das wohnsitzkriterium als differenzierungsmerkmal ungeachtet eines vergleichs von abgelegter und nach nordrhein-westfälischem recht abzulegender prüfung gelte und damit sachlich nicht zu rechtfertigen sei. zudem dürften personen in nordrhein-westfalen mit einem in einem anderen bundesland ausgestellten fischereischein fischen, auch wenn sie dort ihren ständigen wohnsitz hätten oder aber zum zeitpunkt der erteilung des fischereischeins gehabt hätten. 8der kläger beantragt, 9die beklagte stadt unter aufhebung des bescheides vom14. august 2018 zu verpflichten, ihm einen fischereischein zu erteilen. 10die beklagte stadt beantragt, 11die klage abzuweisen. 12sie ist der auffassung, ihre versagungsentscheidung sei aus den gründen des angegriffenen bescheides rechtmäßig. 13die beklagte stadt hat ihr einverständnis mit einer entscheidung ohne mündliche verhandlung mit schriftsatz vom 15. april 2021 erklärt. eine entsprechende erklärung hat der kläger schriftsatz vom 30. april 2021 abgegeben. 14wegen der weiteren einzelheiten des sach‑ und streitstandes wird ergänzend auf den inhalt der gerichtsakten sowie der beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten stadt bezug genommen. 15 | 16über das klagebegehren kann gemäß § 101 abs. 2 vwgo ohne mündliche verhandlung entschieden werden, nachdem die beteiligten sich mit dieser verfahrensweise schriftsätzlich einverstanden erklärt haben. 17die klage hat keinen erfolg. sie ist zwar als verpflichtungsbegehren (§ 42 abs. 1 alt. 2 vwgo) statthaft und auch im übrigen zulässig, aber nicht begründet; der geltend gemachte anspruch steht dem kläger nicht zu (§ 113 abs. 5 s. 2 vwgo). 18gemäß § 31 abs. 1 des fischereigesetzes für das land nordrhein-westfalen (landesfischereigesetz – lfischg) in der zuletzt durch artikel 26 des gesetzes vom15. november 2016 (gv. nrw. s. 934) geänderten fassung der bekanntmachung vom 22. juni 1994 (gv nrw, s. 516, ber. 864) muss, wer die fischerei ausübt, unbeschadet des ‑ hier nicht einschlägigen ‑ absatzes 2 der norm inhaber eines fischereischeins sein. der fischereischein darf nur personen erteilt werden, die eine fischerprüfung erfolgreich abgelegt haben (§ 31 abs. 3 s. 1 lfischg). nach § 31 abs. 3 s. 2 lfischg gilt dies nicht ‑ soweit hier von interesse ‑ für personen, denen innerhalb von drei jahren vor dem inkrafttreten dieses gesetzes ein fischereischein erteilt worden ist [buchst. c)] oder die vor inkrafttreten dieses gesetzes eine von einem fischereiverband durchgeführte fischerprüfung erfolgreich abgelegt haben [(buchst. d)] oder bis zum 3. oktober 1990 im beitrittsgebiet zur bundesrepublik deutschland die vom dortigen anglerverband anerkannte qualifikation zum fang von raubfischen erworben haben [(buchst. e)]. 19die danach maßgeblichen voraussetzungen für die erteilung eines fischereischeins sind nicht erfüllt. der kläger hat zwar in i. eine fischerprüfung bestanden, damit aber keine fischerprüfung im sinne des § 31 abs. 3 s. 1 lfischg erfolgreich abgelegt. als solche kommt nur eine prüfung in betracht, die nach maßgabe der in nordrhein-westfalen geltenden bestimmungen des fischereirechts abgelegt sind. dies folgt aus § 31 abs. 4 lfischg. der dortigen regelung über die anerkennung von fischerprüfungen, die in anderen ländern der bundesrepublik deutschland bestanden worden sind, hätte es nicht bedurft, wenn diese fischerprüfungen bereits von § 31 abs. 3 s. 1 lfischg erfasst wären. 20der kläger ist auch nicht nach § 31 abs. 3 s. 2 lfischg von der notwendigkeit des nachweises einer in nordrhein-westfalen abgelegten fischerprüfung entbunden. 21da der kläger seine sportfischerprüfung in i. am 3. august 1979 abgelegt hat, ist ihm weder entsprechend § 31 abs. 3 s. 2 buchst. c) lfischg innerhalb von drei jahren bevor das landesfischereigesetz in der fassung vom 11. juli 1972 (gv nrw, s. 226) nach seinem damaligen § 59 bzw. der heutigen regelung in § 60 s. 1 lfischg zum 1. januar 1973 in kraft getreten war, ein fischereischein erteilt worden noch hat er gemäß § 31 abs. 3 s. 2 buchst. d) lfischg vor dem inkrafttreten des landesfischereigesetz eine von einem fischereiverband durchgeführte fischerprüfung bestanden oder im sinne des § 31 abs. 3 s. 2 buchst. e) lfischg im beitrittsgebiet zur bundesrepublik deutschland die vom dortigen anglerverband anerkannte qualifikation zum fang von raubfischen erworben. 22schließlich hat die beklagte stadt zu recht von der forderung nach einer innordrhein-westfalen abgelegten fischerprüfung auch nicht nach § 31 abs. 4 lfischg abgesehen, demzufolge in anderen ländern der bundesrepublik deutschland nach den dort geltenden gesetzlichen vorschriften abgelegte fischerprüfungen anerkannt werden, soweit der prüfungsbewerber zum zeitpunkt der prüfung seinen ständigen wohnsitz nicht im geltungsbereich dieses gesetzes hatte. 23zwar dürfte die vom kläger in i. am 3. august 1979 abgelegte sportfischerprüfung als prüfung im sinne des § 31 abs. 4 lfischg in betracht kommen. deren anerkennung nach dieser bestimmung ist indes ausgeschlossen, weil der kläger im august 1979 ‑ und damit zum prüfungszeitpunkt ‑ seinen wohnsitz in der beklagten stadt und nicht in i. oder einem anderen bundesland hatte. 24das in § 31 abs. 4 lfischg verankerte und der erlaubniserteilung hier entgegenstehende wohnsitzkriterium ist mit bundesrecht vereinbar. das fischereirecht fällt in die ausschließliche gesetzgebungskompetenz der bundesländer. eine bundesrechtliche vorschrift, die den landesgesetzgeber dazu verpflichtet, eine regelung zu schaffen, nach der ein fischereischein auch demjenigen zu erteilen ist, der seine fischerprüfung in einem anderen bundesland nach den dort geltenden gesetzlichen vorschriften abgelegt hat, besteht ebenso wenig wie eine solche aus einem länderabkommen folgende notwendigkeit. 25gegen die regelung des § 31 abs. 4 lfischg sprechen auch keine verfassungsrechtlich durchgreifenden bedenken. 26die bestimmung verstößt nicht gegen das gebot der gleichbehandlung (art. 3 abs. 1 gg). 27der gleichheitssatz verpflichtet dazu, gleiches gleich und ungleiches entsprechend seiner eigenart entsprechend verschieden zu regeln. dabei ist es grundsätzlich sache des gesetzgebers, diejenigen sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben rechtsfolgen knüpft, bzw. zu entscheiden, welche merkmale er beim vergleich von lebenssachverhalten als maßgebend ansieht, um sie im recht gleich oder verschieden zu behandeln. art. 3 abs. 1 gg verbietet es ihm aber, dabei art und ausmaß der tatsächlichen unterschiede sachwidrig außer acht zu lassen. der gleichheitssatz ist verletzt, wenn der gesetzgeber es versäumt hat, ungleichheiten der zu ordnenden lebenssachverhalte zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am gerechtigkeitsdenken orientierten betrachtungsweise beachtet werden müssen. innerhalb dieser grenzen ist der gesetzgeber in seiner entscheidung frei. allerdings kann sich eine weitergehende einschränkung seines handlungsspielraumes aus anderen verfassungsnormen ergeben. 28vgl. etwa bverfg, urteil vom 3. april 2001, juris rdnr. 43, mit weiteren nachweisen aus der ständigen rechtsprechung des bundesverfassungsgerichts und des bundesverwaltungsgerichts. 29gemessen daran genügt die anerkennungsregelung den anforderungen des gleichbehandlungsgrundsatzes. 30nachdem der nordrhein-westfälische gesetzgeber andere rechtsfolgen an fischerprüfungen geknüpft hat, die in nordrhein-westfalen als dem bundesland der hauptwohnung abgelegt worden sind, als an fischerprüfungen, die personen mit hauptwohnung in nordrhein-westfalen in anderen bundesländern abgelegt haben, fehlt es bereits an vergleichbaren sachverhalten, an die ein gleichbehandlungsanspruch anknüpfen könnte. 31im ergebnis ebenso zum bayrischen fischereirecht: bayerischer verwaltungsgerichtshof, beschluss vom 7. dezember 2010, 19 zb 10.1583, juris rdnr. 10; a. a. für das fischereirecht in rheinland-pfalz: vg neustadt, urteil vom 15. dezember 2015, 5 k 626/15.nw, juris rdnr. 19 ff. 32das wohnsitzkriterium als merkmal, nach dem die sachverhalte verschieden behandelt werden, ist als auswahlkriterium nicht sachwidrig und folgt einem verhältnismäßigen regelungskonzept. 33§ 31 abs. 4 lfischg bezweckt vergleichbar dem ziel des § 31 abs. 6 lfischg in der zum 1. januar 1973 in kraft getreten ursprungsfassung, demzufolge in anderen ländern der bundesrepublik deutschland ausgestellte fischereischeine auch im geltungsbereich des landesfischereigesetzes galten, den abschluss von verwaltungsabkommen über die gegenseitige anerkennung (von fischereischeinen) entbehrlich zu machen. 34vgl. die auf fischereischeine bezogene begründung zum gesetzentwurf aus dem jahr 1971:landtags-drucksache 7/595, seite 39. 35der zweck des § 31 abs. 4 lfischg trägt dem interesse von bewerbern um die erteilung eines nordrhein-westfälischen fischereischeines, die in einem anderen land der bundesrepublik deutschland als nordrhein-westfalen bereits eine fischerprüfung erfolgreich absolviert haben, in nordrhein-westfalen keine weitere fischerprüfung ablegen zu müssen. dass § 31 abs. 4 lfischg diesem interesse durch die aufnahme des wohnsitzkriteriums in die bestimmung nur eingeschränkt rechnung trägt, ist nicht sachwidrig. denn um eine fischereierlaubnis im sinne des § 31 abs. 1 s. 1 lfischg zu erhalten, kann derjenige die notwendigkeit, die fischereiprüfung ein zweites mal ablegen zu müssen, durch eigenes zutun abwenden, dem es im zeitpunkt des ablegens der prüfung angesichts seines nordrhein-westfälischen wohnsitzes auch möglich war, die fischerprüfung innordrhein-westfalen abzulegen. 36hat der bewerber um einen fischereischein von dieser option keinen gebrauch gemacht, darf der gesetzgeber an die eigenverantwortlich getroffene entscheidung des bewerbers die in § 31 abs. 4 lfischg bezeichnete rechtsfolge knüpfen. die am gerechtigkeitsgedanken orientierte betrachtungsweise gebietet es nicht, die erteilung eines fischereischeins auf der grundlage einer nach wahl des bewerbers in nordrhein-westfalen oder einem anderen bundesland abgelegten fischerprüfung zu ermöglichen. 37mangels vergleichbarer sachverhalte ergibt sich auch mit blick auf die bestimmungen über die voraussetzungen, unter denen personen in nordrhein-westfalen mit einem in einem anderen bundesland ausgestellten fischereischein fischen dürfen, kein verstoß gegen das gebot der gleichbehandlung. 38weil der kläger, als er im august 1979 in i. die sportfischerprüfung abgelegte, angesichts der tatsache, dass er zu diesem zeitpunkt seinen wohnsitz im gebiet der beklagten stadt hatte, die fischereiprüfung auch in nordrhein-westfalen hätte absolvieren können, verstößt nach allem die durch die wahl des prüfungsortes vom kläger selbst herbeigeführte notwendigkeit, zwecks erteilung des begehrten fischereischeins eine fischerprüfung nach nordrhein-westfälischen recht ablegen zu müssen, auch nicht gegen den im rechtsstaatgebot (art. 20 abs. 3 gg) wuzelnden verhältnismäßigkeitsgrundsatz. etwaige für ihn mit einer weiteren prüfung verbundene belastungen hätte der kläger durch die entscheidung, die fischerprüfung in nordrhein-westfalen abzulegen, selbst vermeiden können. 39auf die frage, ob die in i. vom kläger bestandene sportfischerprüfung gleichwertig mit der in nordrhein-westfalen abzulegenden fischerprüfung ist, kommt es nach allem aus rechtsgründen nicht an. 40lediglich vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass der kläger den gegen die beklagte stadt geltend gemachten anspruch auf erteilung des fischereischeines auch nicht auf den aus dem rechtsstaatsgebot (art. 20 abs. 3 gg) folgenden grundsatz des vertrauensschutzes stützen kann. dies gilt schon deshalb, weil die beklagte stadt dem kläger gegenüber keinen vertrauenstatbestand geschaffen hat. nach seinem vortrag sind dem kläger in der vergangenheit fischereischeine nur durch hessische behörden erteilt bzw. verlängert worden. 41die kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 abs. 1 vwgo. der ausspruch zur vorläufigen vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 abs. 2 i. v. m. abs. 1 vwgo, 708 nr. 11, 711 zpo. 42rechtsmittelbelehrung: 43gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich die zulassung der berufung beantragt werden. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. 44der antrag kann auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer rechtsverkehr-verordnung – ervv) eingereicht werden. 45innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. 46die berufung ist nur zuzulassen, 471. wenn ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 482. wenn die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 493. wenn die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 504. wenn das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 515. wenn ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 52die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich oder als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der ervv einzureichen. 53über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. 54im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 55die antragsschrift und die zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 56beschluss: 57der wert des streitgegenstandes wird auf 8.000,00 euro festgesetzt. 58gründe: 59die streitwertfestsetzung beruht auf § 52 abs. 1 gkg und ist in der höhe angelehnt an den betrag, der im streitwertkatalog 2013 für die verwaltungsgerichtsbarkeit, 60neue zeitschrift für verwaltungsrecht ‑ beilage (nvwz ‑ beilage) 2/2013, s. 57 ff., 61unter ziffer 20.3 für streitigkeiten um einen jagdschein ausgewiesen ist. 62rechtsmittelbelehrung: 63gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. 64die beschwerde kann auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer rechtsverkehr-verordnung – ervv) oder zu protokoll der geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 65die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 66die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 67die beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 68war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. | Verklagte*r | 0 |
341,844 | 6 K 5246/19 | 2021-11-15T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Gemarkung I. , G. …, G1. … (X.----straße 00.00.00) in Lünen. Dieses Grundstück ist Teil einer ehemaligen Bergarbeitersiedlung in M. -I. . Auf dem Grundstück steht das vordere linke Viertel eines für die Siedlung typischen Wohngebäudes mit Kreuzgrundriss auf. Weitere Einzelheiten zeigt der nachfolgende Kartenausschnitt: 3An dieser Stelle befindet sich in der Originalentscheidung eine Skizze. 4Für die Siedlung gelten der Bebauungsplan Nr. … „I. /R.---straße “ von März 2017 und die Satzung der Stadt M. über örtliche Bauvorschriften zur äußeren Gestaltung im Bereich der Bergarbeitersiedlung in M. -I. /R.---straße vom 8. März 2017. Diese Gestaltungssatzung enthält folgende Präambel: 5„Die Bergarbeitersiedlung in M. -I. ist ein Beispiel für den Anfang des 20. Jahrhunderts geprägten Arbeiterwohnungsbau. Weitgehend unverändert zeigt sie die damalige Bauauffassung vom Arbeiterhaus und von der Arbeiterwohnsiedlung. Bei aller Vielfalt in der äußeren Erscheinung der Siedlung wurde durch die Gleichartigkeit bestimmter prägender Gestaltungsmerkmale gestalterische Geschlossenheit erreicht. Diese Geschlossenheit – das Gegenteil wäre das ungeordnete Nebeneinander aller heutigen Gestaltungsmöglichkeiten – wird, wenn auch oft unbewusst, als wohltuend empfunden. Verbindliche Gestaltungsanforderungen sollen den positiven Eindruck der Siedlung auch in Zukunft sichern. Dennoch sollen die gestalterischen Vorschriften dieser Satzung den Bedürfnissen der Anwohner nach angemessener und zeitgemäßer Wohnqualität nicht entgegenstehen.“ 6Ferner enthält die Satzung unter anderem die folgenden Regelungen: 7„§ 3 Gestaltungsgrundsätze 8Mit der Gestaltungssatzung soll das charakteristische Ortsbild der Siedlung bewahrt und die äußere Gestaltung der baulichen Anlagen und der Freiflächen geregelt werden. Bei baulichen Veränderungen, Erweiterungen und Neubauten ist bei der äußeren Gestaltung, im Hinblick auf Form, Maßstab, Gliederung, Material und Farbe, die Eigenart des Ortsbildes zu berücksichtigen. Sie haben sich damit in die ihre Umgebung prägende Bebauung einzufügen. In Ausnahmefällen kann von den folgenden Bestimmungen abgewichen werden, wenn die Notwendigkeit fachlich nachgewiesen und begründet wird.“ 9„§ 6 Fassaden 10111. Fassadenmaterialien und -farben sind für die Häuser mit 4 Wohneinheiten in Kreuzgrundrissform, die Mehrfamilienhäuser, die jeweils zu einer Hausgruppe zusammengefassten Reihenhaustypen und die Doppelhäuser mit dem Ziel einer einheitlichen Erscheinung zu wählen. 122. Als Materialien für Putzflächen an Fassaden der Gebäude sind ausschließlich Spritz-, Reib- und Kratzputz mit nicht glänzenden Zuschlägen zulässig. Hiervon abweichende Materialien, die den vorgenannten jedoch in Struktur und Farbe entsprechen müssen, können ausnahmsweise zugelassen werden. Für Sockel und Laibungen der Gebäude kann Buntsteinputz in grauen Farbtönen zugelassen werden. 133. Die Verklinkerung verputzter Fassaden und das Verputzen von gemauerten und verklinkerten Fassaden oder Bauteilen sind ausgeschlossen. Das gilt nicht für die im Ursprung vorhandenen verklinkerten Bauteile wie Sockel und Bänder sowie für die Häuser in komplett vorhandener Backsteinausführung. Eine Verklinkerung in ziegelroter Farbe ist hier zulässig. 144. […]“ 15„§ 11 Farben 16171. Für den gesamten Baukörper sind für die gleichen Bauteile bzw. Gebäudeteile die gleichen Farben zu wählen. 182. Für Fassaden in Putz sind Farben aus folgender Auswahl zu verwenden: […]“ 19„§ 14 Energetische Maßnahmen 20211. Die Anbringung von Wärmedämmverbundsystemen an den bestehenden Gebäuden ist unzulässig. An den bestehenden Anbauten der Gebäude (ehemalige Ställe an den Gebäuden mit Kreuzgrundriss) können sie ausnahmsweise zugelassen werden. 222. Vor der Durchführung energetischer Maßnahmen wird dringend zu einer Fachberatung geraten (Z. B. Architekt, Sachverständiger, Energieberater).“ 23„§ 15 Genehmigungspflicht und Ordnungswidrigkeiten 24251. Über die sonstige Genehmigungspflicht der BauO NRW hinaus sind gemäß § 65 Abs. 2 Nr. 2 BauO NRW Änderungen der äußeren Gestaltung durch Anstrich, Verputz, Verfugung, Außenwandbekleidung und Verblendung, Dacheindeckung und durch Austausch von Fenstern oder Türen genehmigungspflichtig. Für diese Maßnahmen sind Bauanträge zu stellen. Eine ansonsten bestehende Genehmigungsfreiheit entbindet gem. § 65 Abs. 4 BauO NRW nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen die in dieser Satzung enthalten sind 262. […]“ 27Die Begründung der Gestaltungssatzung enthält unter anderem folgende Passage: 28„Von hoher Bedeutung für die Fassadengestaltung sind die Anforderungen, die sich aus den Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) ergeben. Demnach sind Änderungen von Außenbauteilen an bestehenden Gebäuden so auszuführen, dass die Wärmedurchgangskoeffizienten bestimmte festgelegte Höchstwerte nicht überschreiten. Um dem zu entsprechen, werden in der Regel bestehende Fassaden mit Wärmedämmverbundsystemen bestückt, die oftmals Stärken von 12 bis 16 cm aufweisen. Dies geht einher mit Veränderungen der kleinteiligen Gliederung der Fassaden, indem Sockel oder andere Gestaltungselemente aus Ziegeln einfach mit verkleidet werden. Zudem werden die Proportionen, insbesondere im Bereich der Fenster, verändert. Letztendlich, so zeigen es Beispiele, ist die ursprüngliche Bau- und Materialausführung kaum noch erkennbar. […]In der Siedlung gibt es 71 Gebäude, die auf einem Kreuzgrundriss basieren. Von den insgesamt 284 Hausvierteln sind nach derzeitigen Erhebungen an 16 Hausvierteln und an 13 Stallanbauten Fassadendämmungen vorgenommen worden. Nur 15 davon liegen an den Straßen zugewandten Seiten. Somit sind bisher nur an einem deutlich untergeordneten Anteil der GebäudeDämmmaßnahmen vorgenommen worden, die sich noch nicht erheblich auf das Erscheinungsbild der gesamten Siedlung auswirken.Um zu vermeiden, dass zukünftig die ursprüngliche Bauausführung und der Wechsel der Details von Ziegel und Putzmustern an den Gebäuden immer weniger erkennbar wird, soll die Verwendung von Wärmedämmverbundsystemen zukünftig ausgeschlossen werden. In § 24 der EnEV ist geregelt, dass bei Baudenkmälern oder sonstiger besonders erhaltenswerter Bausubstanz von den Anforderungen dieser Verordnung abgewichen werden kann, wenn sie zu Beeinträchtigungen der Substanz oder des Erscheinungsbildes führen. […] Die Sicherung und der Erhalt der vorhandenen Bausubstanz und damit die gestalterische Geschlossenheit der gesamten Siedlung werden in diesem Fall höher gewichtet als das Bestreben, einzelne Gebäude im Sinne des Energieeinsparrechts mit außenseitigen Dämmungen zu versehen. […]An den bestehenden Anbauten der Gebäude mit Kreuzgrundriss (ehemalige Ställe) werden WDVS ausnahmsweise zu gelassen. Diese Vorgehensweise wird gewählt, da die ehemaligen Stallanbauten heute vielfach als Küche oder Bad genutzt werden und das Mauerwerk nur eine Stärke von 26 cm und tlw. 12 cm an den Stirnwänden aufweist. Die Hauptgebäude wurden hingegen mit einem Mauerwerk von 39 cm errichtet (entnommen aus Grundrissplänen). Darüber hinaus sind die Anbauten gegenüber dem Hauptgebäude leicht versetzt und weisen oft eine weniger gegliederte Fassade auf, sodass hier WDVS situationsabhängig nicht so negative Wirkungen entfalten.“ 29Nachdem sie im März 2019 Eigentümer des Grundstücks geworden waren, stellten die Kläger im Juli 2019 einen Bauantrag für die „Änderung der äußeren Gestaltung: Fassadenanstrich RAL 1015, Sockelanstrich 7001, Anbringung von Wärmedämmung am Anbau“. Das Gebäude war zu diesem Zeitpunkt mit einem schadhaften bräunlichen Putz versehen. 30Unter dem 12. August 2019 wurde die Baugenehmigung antragsgemäß erteilt. Der Bescheid enthält unter anderem die folgenden Hinweise: 31„2. Die Satzung der Stadt M. über örtliche Bauvorschriften zur äußeren Gestaltung von Anlagen im Bereich der Bergarbeitersiedlung in M. - I. /R.---straße vom 08.03.2017 „Gestaltungssatzung“ ist Bestandteil der Baugenehmigung. 32333. Folgende Arbeiten werden als Änderung der äußeren Gestaltung gemäß der Gestaltungssatzung für die Bergarbeitersiedlung in M. I. / R.---straße genehmigt:- Fassadenanstrich RAL1015 gemäß § 11 Abs. 2 Spritzputz gemäß § 6 Abs. 2- Sockelanstrich RAL 7001 gemäß § 11 Abs. 2 Spritzputz gemäß § 6 Abs. 2- Der Anbau (ehemaliger Stall) wird gedämmt gemäß § 14 Abs. 1“ 34Bei einer Baukontrolle am 30. Oktober 2019 stellten Mitarbeiter der Beklagten fest, dass nicht nur auf den Wänden des Anbaus, sondern auch auf der Außenwand des Hauptgebäudes Polystyrolplatten angebracht worden waren und die Fassade sodann verputzt worden war. Die Platten am Hauptgebäude wiesen eine Stärke von 60 mm auf. Die Arbeiten wurden durch mündliche Anordnung stillgelegt und eine entsprechende schriftliche Ordnungsverfügung angekündigt. 35Mit Ordnungsverfügung vom 31. Oktober 2019 – zugestellt am 2. November 2019 – gab die Beklagte den Klägern unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung von Zwangsgeld auf, die Arbeiten an der Fassade sofort einzustellen, bis spätestens zum 30. November 2019 die angebrachte Wärmedämmung an der Hausfassade („bis auf den Anbau“) zu beseitigen, das aus Glasbausteinen bestehende Giebelfenster des Hauses wiederherzustellen und sofort die notwendige Absturzsicherung am Kellerabgang anzubringen. Zugleich wurde eine Verwaltungsgebühr von 250,- € festgesetzt. Zur Begründung der Stilllegungs- sowie der Beseitigungsforderung führte die Beklagte aus, die betreffenden Maßnahmen seien nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig, da die Anbringung einer Wärmedämmung gegen die Gestaltungssatzung verstoße. 36Bei einer Kontrolle am 27. November 2019 stellten Mitarbeiter der Beklagten fest, dass die Absturzsicherung ordnungsgemäß angebracht, die Wärmedämmung hingegen nicht beseitigt worden war. 37Am 2. Dezember 2019 haben die Kläger Klage erhoben. 38Zur Begründung führen sie aus: Die Gestaltungssatzung sei rechtswidrig, weil gesetzlich vorgeschriebene Anforderungen an die Energieeinsparung missachtet würden. Es handele sich zudem bei den aufgebrachten Polystyrolplatten nicht um eine Wärmedämmung. Eine Stärke von 6 cm sei dafür viel zu gering. Es sei vielmehr um die Sicherung und den Ausgleich der abbröckelnden Fassade gegangen. Die mit den Arbeiten beauftragten Mitarbeiter der „Arbeitsloseninitiative M. “ hätten entschieden, auf diese Weise das Problem der schadhaften Außenwand anzugehen. Entsprechende Fassaden seien im Übrigen in der Siedlung bereits vorhanden. 39Die Kläger beantragen, 40die Ordnungsverfügung und den Gebührenbescheid vom 31. Oktober 2019 aufzuheben. 41Die Beklagte beantragt, 42die Klage abzuweisen. 43Sie ist der Meinung, bei den Polystyrolplatten handele es sich um Wärmedämmung und nicht um bloße „Ausgleichsplatten für eine bröckelnde Fassade“. Im Rahmen von Produktinformationen würden derartige Platten mit einer Stärke von 6 cm regelmäßig als Wärmedämmmaterial bezeichnet. Im Übrigen hätte man den alten Putz, wenn er schadhaft war, herunterschlagen und die Wand neu verputzen können. Alternativ hätte man eine dünne Netzstruktur o.ä. verwenden können. Wenn ein mehrschichtiger Aufbau an einer Fassade hergestellt werde, bei dem auf die Oberfläche zunächst eine Dämmschicht und dann Armierung, Putz und Farbe aufgebracht werden, handele es sich um ein Wärmedämmverbundsystem. Dies werde durch Ausführungen in der DIN 55699 bestätigt. 44Ein zugehöriges Eilverfahren (6 L 1917/19) ist durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet worden, nachdem die Beklagte die sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügung hinsichtlich des Beseitigungsverlangens aufgehoben hat. 45Der Berichterstatter der Kammer hat am 17. Mai 2021 einen Ortstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen. 46Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. 47Entscheidungsgründe: 48Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. 49Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 31. Oktober 2019 ist, soweit sie Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist (die Regelung zu Ziffer 4. war bei Klageeingang bereits erledigt und ist von der Klage nicht erfasst), rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 501. 51Soweit mit ihr die Einstellung der Bauarbeiten angeordnet worden ist, findet die Ordnungsverfügung ihre Rechtsgrundlage in § 58 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 81 Abs. 1 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW 2018). 52Die Ordnungsverfügung leidet nicht an Form- oder Verfahrensfehlern. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) NRW vor, dem zufolge dem Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts vor dessen Erlass Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muss. Denn die Stilllegungsverfügung ist mündlich bereits im Rahmen der Baukontrolle vom 30. Oktober 2019 ausgesprochen worden. Im Rahmen dieser Baukontrolle dürften die Kläger Gelegenheit gehabt haben, zu dem Sachverhalt Stellung zu nehmen. Andernfalls haben jedenfalls die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwVfG NRW vorgelegen; von der Anhörung durfte wegen der Notwendigkeit, die Bauarbeiten sofort zu unterbrechen, abgesehen werden. 53Die Baueinstellungsverfügung ist auch materiell rechtmäßig. Nach § 58 Abs. 2 S. 2 BauO NRW 2018 haben die Bauaufsichtsbehörden im Rahmen ihrer Aufgabe, die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften bei der Errichtung, der Änderung, dem Abbruch, der Nutzung, der Nutzungsänderung sowie der Instandhaltung baulicher Anlagen zu überwachen, nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Nach § 81 Abs. 1 BauO NRW 2018 kann die Bauaufsichtsbehörde, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden, die Einstellung der Arbeiten anordnen. Gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 2 a) BauO NRW 2018 gilt dies auch, wenn bei der Ausführung eines genehmigungsbedürftigen Bauvorhabens von den genehmigten Bauvorlagen abgewichen wird. 54Ob die von den Klägern durchgeführten Arbeiten an der Fassade formell unzulässig waren, weil es an einer die Änderungen zutreffend erfassenden Baugenehmigung fehlt, lässt die Kammer im Ergebnis offen. Nach Auffassung der Beklagten bedurfte die Änderung der Fassade gemäß § 15 Abs. 1 der Satzung über örtliche Bauvorschriften zur äußeren Gestaltung im Bereich der Bergarbeitersiedlung in M. -I. /R.---straße vom 8. März 2017 (im Folgenden: Gestaltungssatzung 2017) der Baugenehmigung. Allerdings ist der in dieser Satzungsvorschrift zitierte § 65 Abs. 2 Nr. 2 Bauordnung NRW 2000 mit Ablauf des 31. Dezember 2018 außer Kraft getreten. Dies ist vor allem deshalb nicht unproblematisch, weil der Gemeinde nicht ohne weiteres die Befugnis zusteht, durch Satzung in Abweichung von den Vorschriften der Landesbauordnung Genehmigungserfordernisse zu statuieren. 55Vgl. dazu nur VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22. März 2012 - 5 K 1650/10 -, juris (Rn. 41); Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, Kommentar, § 86 BauO NRW 2000 Rn. 42. 56Ob der seit dem 1. Januar 2019 geltende § 62 Abs. 1 Nr. 11 lit. d) BauO NRW 2018 mit seinem letzten Halbsatz die Möglichkeit eröffnet, ein Genehmigungserfordernis durch Satzung nach § 89 BauO NRW 2018 einzuführen oder ob dieser Halbsatz nur klarstellen soll, dass die materiellrechtlichen Anforderungen einer entsprechenden Satzung zu beachten sind, lässt sich weder dem Wortlaut der Norm noch der Begründung des zugrunde liegenden Gesetzentwurfs der Landesregierung eindeutig entnehmen. Die Kammer braucht dies indes nicht zu entscheiden. Denn die Ordnungsverfügung ist ausweislich ihrer Begründung in erster Linie auf den Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Gestaltungssatzung 2017, also auf die materiellrechtliche Rechtswidrigkeit der Baumaßnahme gestützt. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung dementsprechend bekräftigt, dass die Ordnungsverfügung auch ohne den Verstoß gegen das formelle Baurecht erlassen worden wäre. Ein etwaiger, in der Annahme einer nicht bestehenden Genehmigungspflicht liegender Fehler bei der Ausübung des behördlichen Ermessens wäre damit geheilt (§ 114 S. 2 VwGO). 57Die vorgenommenen Änderungen an der Fassade sind materiell rechtswidrig, weil sie gegen § 14 Abs. 1 S. 1 der Gestaltungssatzung 2017 verstoßen. Danach ist die Anbringung von Wärmedämmverbundsystemen an den bestehenden Gebäuden unzulässig. 58Gegen die Wirksamkeit dieser Satzungsregelung bestehen im Ergebnis keine Bedenken. Sie ist insbesondere mit den bundesrechtlichen Vorgaben zur Energieeinsparung vereinbar. Zwar enthielt die bei Erlass der Satzung noch geltende Energieeinsparverordnung (EnEV) Vorgaben zur energetischen Ertüchtigung von Gebäuden, die insbesondere auch bei Änderungen bestehender Gebäude einzuhalten waren. Nach § 24 Abs. 1 EnEV konnte aber bei Baudenkmälern und sonstiger besonders erhaltenswerter Bausubstanz von den Vorgaben abgewichen werden, wenn die Erfüllung der Anforderungen die Substanz oder das Erscheinungsbild beeinträchtigte. Mit der „sonstigen besonders erhaltenswerten Bausubstanz“ waren gerade auch besonders erhaltenswerte Gebäude im Bereich flächenhafter Schutzausweisungen, etwa durch Gestaltungs- und Erhaltungssatzungen, gemeint. 59So Stock, in: Theobald/Kühling, Energierecht, Stand: April 2021, EnEV § 24 Rn. 14. 60Dass die Gestaltungssatzung 2017 bestimmte Maßnahmen der energetischen Ertüchtigung in ihrem Geltungsbereich für unzulässig erklärt, kann vor diesem Hintergrund nicht als ein Verstoß gegen Bundesrecht angesehen werden. Nach dem Außerkrafttreten der Energieeinsparverordnung findet sich eine wortgleiche Ausnahmeregelung nunmehr in § 105 des Gebäudeenergiegesetzes vom August 2020. 61Bei der von den Klägern an der Fassade des (Haupt-) Hauses angebrachten Verkleidung handelt es sich um ein Wärmedämmverbundsystem im Sinne des § 14 Abs. 1 Gestaltungssatzung 2017. Der Begriff „Wärmedämmverbundsystem“ ist weder in der Gestaltungssatzung selbst noch in anderen Vorschriften des öffentlichen Baurechts konkretisiert oder gar verbindlich definiert. Auch in der DIN 55699 („Anwendung und Verarbeitung von außenseitigen Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS) mit Dämmstoffen aus expandiertem Polystyrol-Hartschaum (EPS) oder Mineralwolle (MW)“) von August 2017 wird der Begriff nicht erläutert, sondern vorausgesetzt. Dasselbe gilt für den einschlägigen Text in Anhang 11 zur Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen. Die „Online-Enzyklopädie“ Wikipedia definiert das Wärmedämmverbundsystem wie folgt: 62„Ein Wärmedämm-Verbundsystem […] ist ein System zum Dämmen von Gebäudeaußenwänden. Der geregelte Aufbau besteht aus der Befestigungsart (geklebt und/oder gedübelt oder einem Schienensystem), einem Dämmstoff, einer Putzträgerschicht (armierter Unterputz) und einer Oberflächenschicht (Oberputz oder Flachverblender). Als Alternative bzw. Konkurrenzmodell gilt u.a. die vorgehängte hinterlüftete Fassade.“ 63Ähnliche Beschreibungen finden sich auf anderen, bautechnikspezifischen Internetseiten. Stets wird der mehrschichtige Aufbau, bestehend aus der Außenwand selbst, der Klebe- bzw. Befestigungsschicht, der eigentlichen Dämmschicht und den (in der Regel mindestens zwei) Putzschichten hervorgehoben. Dass es sich begriffsnotwendig um das aufeinander abgestimmte System eines einzigen Herstellers handeln muss, für das (insgesamt) eine Bauartzulassung erteilt worden ist, die individuelle Zusammenstellung entsprechender Materialien durch den Bauherrn also kein „Wärmedämmverbundsystem“ ergeben kann, lässt sich nicht feststellen. Charakteristisch ist offenbar lediglich eine bestimmte Abfolge von Schichten. Im Rahmen der Anwendung der Gestaltungssatzung 2017 ist daher jede entsprechend aufgebaute Fassadenbekleidung als „Wärmedämmverbundsystem“ zu betrachten. Auch vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Vorschrift, die „Einebnung“ von Fassadenbestandteilen, die Veränderung der Proportionen und das Entstehen von tieferen Fenster- und Türöffnungen zu verhindern, kommt es letztlich entscheidend darauf an, dass auf die Wand ein Verbund von Materialien aufgebracht wird, dessen Kern eine Schicht aus Dämmmaterial ist. 64Bei der von den Klägern hergestellten Fassadenbekleidung liegen die genannten Elemente eines Wärmedämmverbundsystems vor. An der Fassade sind mittels Kleber und Dübeln Polystyrolplatten angebracht worden. Dabei handelt es sich um ein „klassisches“ Dämmmaterial. Dass die Stärke der Platten mit 60 mm unter dem heute üblichen Standard liegt und die inzwischen vorhandenen Ansprüche an eine Wärmedämmung wohl nicht vollständig erfüllt, ändert nichts daran, dass die Platten einen Wärmedämmungseffekt erzeugen. Auch ein unterdimensioniertes Wärmedämmverbundsystem bleibt ein Wärmedämmverbundsystem. Nach Lage der Dinge ist auf den Polystyrolplatten auch eine Unterputzschicht angebracht worden. Die Beklagte hat dazu im Ortstermin erklärt, ohne eine solche Schicht halte der Putz nicht. Schriftsätzlich hat sie später ergänzt, an einigen Stellen könne man auch sehen, dass eine Armierung eingebaut sei. Die Kläger sind dem nicht konkret entgegen getreten. Ein Oberputz ist ebenfalls bereits vorhanden. Insgesamt muss die Fassadenbekleidung somit als Wärmedämmverbundsystem im Sinne der Satzung betrachtet werden. 65Der Vortrag der Kläger, ihre Intention habe gar nicht in der Herstellung einer Dämmung gelegen; vielmehr sei es um den Ausgleich von Unebenheiten und die Sicherung schadhafter Fassadenbestandteile gegangen, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Denn unabhängig von der Frage, ob sich diese Ziele nicht auch auf anderem Wege hätten erreichen lassen, würde eine entsprechende Motivation der Kläger jedenfalls nichts daran ändern, dass durch die Anbringung der beschriebenen Schichten ein Wärmedämmverbundsystem entstanden ist. 66Ermessensfehler der Behörde sind nicht erkennbar. Die Forderung nach einer Einstellung der Arbeiten ist insbesondere nicht unverhältnismäßig. Eine Stilllegungsverfügung ist in aller Regel schon durch das Fehlen der erforderlichen Genehmigung („formelle Illegalität“) gerechtfertigt. Erst recht kann eine Stilllegung erfolgen, wenn die Baumaßnahme – wie hier – materiellrechtliche Vorschriften verletzt. 67Die Inanspruchnahme der Kläger als Verantwortliche begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Die Kläger sind sowohl Eigentümer des Grundstücks als auch Bauherren. 682. 69Soweit in der angefochtenen Ordnungsverfügung die Beseitigung der aufgebrachten Fassadenbekleidung und die Freilegung der Glasbausteine im Giebel gefordert werden, kommt als Ermächtigungsgrundlage nur § 58 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 82 Abs. 1 S. 1 BauO NRW 2018 in Betracht. Denn hier wird von den Klägern über die bloße Einstellung der Bauarbeiten hinaus die Beseitigung vorhandener Bausubstanz gefordert. Ob die Behörde von der genannten Ermächtigungsgrundlage ausgegangen ist, ist nicht ganz klar. § 82 BauO NRW 2018 wird in der Begründung des Bescheides nicht erwähnt. Selbst wenn die Beklagte auch in Bezug auf diese Anordnungen § 81 BauO NRW 2018 für die einschlägige Ermächtigungsgrundlage gehalten haben sollte, führt dies indes nicht zur (Teil-) Rechtswidrigkeit der Ordnungsverfügung. Denn bei der Wahl einer unzutreffenden Ermächtigungsgrundlage ist das Gericht verpflichtet zu prüfen, ob der Bescheid mit Blick auf eine andere Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann, sofern er dadurch nicht in seinem Wesen verändert wird. 70Vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2019 - 2 B 19.18 -, NVwZ-RR 2020, 113 (115), mit weiteren Nachweisen. 71Vorliegend kann die Ordnungsverfügung unproblematisch auf § 82 BauO NRW 2018 gestützt werden. Denn die der Konkretisierung von § 58 Abs. 2 S. 2 BauO NRW dienenden §§ 81 und 82 BauO NRW 2018 stimmen in den tatbestandlichen Voraussetzungen im Wesentlichen überein und verlangen auch eine ähnlich strukturierte Ermessensausübung. Die Beklagte ist bei der Ermessensausübung – wie oben bereits aufgezeigt – von der materiellen Baurechtswidrigkeit der vorgenommenen Änderungen ausgegangen und hat auch erkannt, dass sie in gewissem Umfang die Vernichtung von Bausubstanz fordert. Dass bei der Anwendung von § 82 BauO NRW 2018 noch andere Aspekte in die Entscheidung hätten eingestellt werden müssen, ist nicht erkennbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass auf andere Weise baurechtskonforme Zustände hätten hergestellt werden können. Selbst wenn man indes die Ermessensausübung aufgrund der Heranziehung einer unzutreffenden Ermächtigungsgrundlage für defizitär hielte, wäre im Übrigen auch hier eine Heilung des Mangels (§ 114 S. 2 VwGO) anzunehmen. Denn die Vertreter der Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung die Sicht des Gerichts betreffend die einschlägige Ermächtigungsgrundlage bestätigt und bekräftigt, an ihrer Entscheidung festhalten zu wollen. 72Auch in Bezug auf die Regelungen zu Ziffern 2. und 3. leidet die Ordnungsverfügung nicht an durchgreifenden Form- oder Verfahrensfehlern. Allerdings ist eine Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW in Bezug auf diese Regelungen nicht entbehrlich gewesen; vor der Anordnung der Beseitigung musste und konnte den Klägern Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Dies ist aber offenbar im Rahmen der Baukontrolle vom 30. Oktober 2019 geschehen. Die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie habe bereits bei der Ortskontrolle angekündigt, dass ihre Behörde wohl die Beseitigung verlangen würde. Ein etwaiger Anhörungsmangel würde im Übrigen nicht zur (teilweisen) Aufhebung der Ordnungsverfügung führen, weil er durch den Austausch von Vortrag anlässlich des gerichtlichen Verfahrens gemäß § 45 VwVfG NRW geheilt worden wäre. 73Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Juni 2010 - 10 B 270/10 - vom 29. Oktober 2010 - 7 B 1293/10 - und vom 1. August 2016 - 7 B 683/16 -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 26. Januar 2011 - 6 L 1209/10 -, juris, 74Materiell-rechtlich begegnet die Beseitigungsverfügung keinen Bedenken. Nach § 82 Abs. 1 BauO NRW 2018 kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung fordern, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Dass die Anbringung der Fassadenbekleidung, bei der auch die Glasbausteine im Giebel verdeckt worden sind, gegen § 14 Abs. 1 Gestaltungssatzung 2017 verstößt, ist oben bereits aufgezeigt worden. Bedenken gegen die Ermessensausübung der Behörde sind nicht erkennbar. Das in der mündlichen Verhandlung noch einmal hervorgehobene Ziel, durch die Beseitigungsanordnung Nachahmungseffekten im Gebiet der Siedlung, in der eine Vielzahl vergleichbarer Gebäude vorhanden ist, entgegenzutreten, ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Die Ordnungsverfügung ist nach alledem auch nicht unverhältnismäßig. 75Dass es in der in Rede stehenden Siedlung bereits Gebäude gibt, an denen eine entsprechende Fassadenbekleidung angebracht worden ist, führt ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der Ordnungsverfügung. Die Beklagte hat vor Erlass der Gestaltungssatzung 2017 eine Bestandsaufnahme vorgenommen und festgestellt, dass an 16 von 284 „Hausvierteln“ bereits Wärmedämmung angebracht ist. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis hat sie sich in vertretbarer Weise entschlossen, zukünftigen Baumaßnahmen dieser Art entgegenzutreten. Dass nach dem Erlass der Satzung noch entsprechende Vorhaben durchgeführt worden sind, gegen welche die Beklagte trotz Kenntnis nicht eingeschritten ist, haben die Kläger nicht behauptet. 763. 77Die Androhung des Zwangsgeldes findet ihre Grundlage in §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW und ist nach Lage der Dinge nicht zu beanstanden. 78Auch der zugehörige Gebührenbescheid begegnet keinen Bedenken. 79Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 80Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 und 711 Zivilprozessordnung. | die klage wird abgewiesen. die kosten des verfahrens tragen die kläger. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. den klägern wird nachgelassen, die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abzuwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2die kläger sind eigentümer des grundstücks gemarkung i. , g. …, g1. … (x.----straße 00.00.00) in lünen. dieses grundstück ist teil einer ehemaligen bergarbeitersiedlung in m. -i. . auf dem grundstück steht das vordere linke viertel eines für die siedlung typischen wohngebäudes mit kreuzgrundriss auf. weitere einzelheiten zeigt der nachfolgende kartenausschnitt: 3an dieser stelle befindet sich in der originalentscheidung eine skizze. 4für die siedlung gelten der bebauungsplan nr. … „i. /r.---straße “ von märz 2017 und die satzung der stadt m. über örtliche bauvorschriften zur äußeren gestaltung im bereich der bergarbeitersiedlung in m. -i. /r.---straße vom 8. märz 2017. diese gestaltungssatzung enthält folgende präambel: 5„die bergarbeitersiedlung in m. -i. ist ein beispiel für den anfang des 20. jahrhunderts geprägten arbeiterwohnungsbau. weitgehend unverändert zeigt sie die damalige bauauffassung vom arbeiterhaus und von der arbeiterwohnsiedlung. bei aller vielfalt in der äußeren erscheinung der siedlung wurde durch die gleichartigkeit bestimmter prägender gestaltungsmerkmale gestalterische geschlossenheit erreicht. diese geschlossenheit – das gegenteil wäre das ungeordnete nebeneinander aller heutigen gestaltungsmöglichkeiten – wird, wenn auch oft unbewusst, als wohltuend empfunden. verbindliche gestaltungsanforderungen sollen den positiven eindruck der siedlung auch in zukunft sichern. dennoch sollen die gestalterischen vorschriften dieser satzung den bedürfnissen der anwohner nach angemessener und zeitgemäßer wohnqualität nicht entgegenstehen.“ 6ferner enthält die satzung unter anderem die folgenden regelungen: 7„§ 3 gestaltungsgrundsätze 8mit der gestaltungssatzung soll das charakteristische ortsbild der siedlung bewahrt und die äußere gestaltung der baulichen anlagen und der freiflächen geregelt werden. bei baulichen veränderungen, erweiterungen und neubauten ist bei der äußeren gestaltung, im hinblick auf form, maßstab, gliederung, material und farbe, die eigenart des ortsbildes zu berücksichtigen. sie haben sich damit in die ihre umgebung prägende bebauung einzufügen. in ausnahmefällen kann von den folgenden bestimmungen abgewichen werden, wenn die notwendigkeit fachlich nachgewiesen und begründet wird.“ 9„§ 6 fassaden 10111. fassadenmaterialien und -farben sind für die häuser mit 4 wohneinheiten in kreuzgrundrissform, die mehrfamilienhäuser, die jeweils zu einer hausgruppe zusammengefassten reihenhaustypen und die doppelhäuser mit dem ziel einer einheitlichen erscheinung zu wählen. 122. als materialien für putzflächen an fassaden der gebäude sind ausschließlich spritz-, reib- und kratzputz mit nicht glänzenden zuschlägen zulässig. hiervon abweichende materialien, die den vorgenannten jedoch in struktur und farbe entsprechen müssen, können ausnahmsweise zugelassen werden. für sockel und laibungen der gebäude kann buntsteinputz in grauen farbtönen zugelassen werden. 133. die verklinkerung verputzter fassaden und das verputzen von gemauerten und verklinkerten fassaden oder bauteilen sind ausgeschlossen. das gilt nicht für die im ursprung vorhandenen verklinkerten bauteile wie sockel und bänder sowie für die häuser in komplett vorhandener backsteinausführung. eine verklinkerung in ziegelroter farbe ist hier zulässig. 144. […]“ 15„§ 11 farben 16171. für den gesamten baukörper sind für die gleichen bauteile bzw. gebäudeteile die gleichen farben zu wählen. 182. für fassaden in putz sind farben aus folgender auswahl zu verwenden: […]“ 19„§ 14 energetische maßnahmen 20211. die anbringung von wärmedämmverbundsystemen an den bestehenden gebäuden ist unzulässig. an den bestehenden anbauten der gebäude (ehemalige ställe an den gebäuden mit kreuzgrundriss) können sie ausnahmsweise zugelassen werden. 222. vor der durchführung energetischer maßnahmen wird dringend zu einer fachberatung geraten (z. b. architekt, sachverständiger, energieberater).“ 23„§ 15 genehmigungspflicht und ordnungswidrigkeiten 24251. über die sonstige genehmigungspflicht der bauo nrw hinaus sind gemäß § 65 abs. 2 nr. 2 bauo nrw änderungen der äußeren gestaltung durch anstrich, verputz, verfugung, außenwandbekleidung und verblendung, dacheindeckung und durch austausch von fenstern oder türen genehmigungspflichtig. für diese maßnahmen sind bauanträge zu stellen. eine ansonsten bestehende genehmigungsfreiheit entbindet gem. § 65 abs. 4 bauo nrw nicht von der verpflichtung zur einhaltung der anforderungen die in dieser satzung enthalten sind 262. […]“ 27die begründung der gestaltungssatzung enthält unter anderem folgende passage: 28„von hoher bedeutung für die fassadengestaltung sind die anforderungen, die sich aus den vorgaben der energieeinsparverordnung (enev) ergeben. demnach sind änderungen von außenbauteilen an bestehenden gebäuden so auszuführen, dass die wärmedurchgangskoeffizienten bestimmte festgelegte höchstwerte nicht überschreiten. um dem zu entsprechen, werden in der regel bestehende fassaden mit wärmedämmverbundsystemen bestückt, die oftmals stärken von 12 bis 16 cm aufweisen. dies geht einher mit veränderungen der kleinteiligen gliederung der fassaden, indem sockel oder andere gestaltungselemente aus ziegeln einfach mit verkleidet werden. zudem werden die proportionen, insbesondere im bereich der fenster, verändert. letztendlich, so zeigen es beispiele, ist die ursprüngliche bau- und materialausführung kaum noch erkennbar. […]in der siedlung gibt es 71 gebäude, die auf einem kreuzgrundriss basieren. von den insgesamt 284 hausvierteln sind nach derzeitigen erhebungen an 16 hausvierteln und an 13 stallanbauten fassadendämmungen vorgenommen worden. nur 15 davon liegen an den straßen zugewandten seiten. somit sind bisher nur an einem deutlich untergeordneten anteil der gebäudedämmmaßnahmen vorgenommen worden, die sich noch nicht erheblich auf das erscheinungsbild der gesamten siedlung auswirken.um zu vermeiden, dass zukünftig die ursprüngliche bauausführung und der wechsel der details von ziegel und putzmustern an den gebäuden immer weniger erkennbar wird, soll die verwendung von wärmedämmverbundsystemen zukünftig ausgeschlossen werden. in § 24 der enev ist geregelt, dass bei baudenkmälern oder sonstiger besonders erhaltenswerter bausubstanz von den anforderungen dieser verordnung abgewichen werden kann, wenn sie zu beeinträchtigungen der substanz oder des erscheinungsbildes führen. […] die sicherung und der erhalt der vorhandenen bausubstanz und damit die gestalterische geschlossenheit der gesamten siedlung werden in diesem fall höher gewichtet als das bestreben, einzelne gebäude im sinne des energieeinsparrechts mit außenseitigen dämmungen zu versehen. […]an den bestehenden anbauten der gebäude mit kreuzgrundriss (ehemalige ställe) werden wdvs ausnahmsweise zu gelassen. diese vorgehensweise wird gewählt, da die ehemaligen stallanbauten heute vielfach als küche oder bad genutzt werden und das mauerwerk nur eine stärke von 26 cm und tlw. 12 cm an den stirnwänden aufweist. die hauptgebäude wurden hingegen mit einem mauerwerk von 39 cm errichtet (entnommen aus grundrissplänen). darüber hinaus sind die anbauten gegenüber dem hauptgebäude leicht versetzt und weisen oft eine weniger gegliederte fassade auf, sodass hier wdvs situationsabhängig nicht so negative wirkungen entfalten.“ 29nachdem sie im märz 2019 eigentümer des grundstücks geworden waren, stellten die kläger im juli 2019 einen bauantrag für die „änderung der äußeren gestaltung: fassadenanstrich ral 1015, sockelanstrich 7001, anbringung von wärmedämmung am anbau“. das gebäude war zu diesem zeitpunkt mit einem schadhaften bräunlichen putz versehen. 30unter dem 12. august 2019 wurde die baugenehmigung antragsgemäß erteilt. der bescheid enthält unter anderem die folgenden hinweise: 31„2. die satzung der stadt m. über örtliche bauvorschriften zur äußeren gestaltung von anlagen im bereich der bergarbeitersiedlung in m. - i. /r.---straße vom 08.03.2017 „gestaltungssatzung“ ist bestandteil der baugenehmigung. 32333. folgende arbeiten werden als änderung der äußeren gestaltung gemäß der gestaltungssatzung für die bergarbeitersiedlung in m. i. / r.---straße genehmigt:- fassadenanstrich ral1015 gemäß § 11 abs. 2 spritzputz gemäß § 6 abs. 2- sockelanstrich ral 7001 gemäß § 11 abs. 2 spritzputz gemäß § 6 abs. 2- der anbau (ehemaliger stall) wird gedämmt gemäß § 14 abs. 1“ 34bei einer baukontrolle am 30. oktober 2019 stellten mitarbeiter der beklagten fest, dass nicht nur auf den wänden des anbaus, sondern auch auf der außenwand des hauptgebäudes polystyrolplatten angebracht worden waren und die fassade sodann verputzt worden war. die platten am hauptgebäude wiesen eine stärke von 60 mm auf. die arbeiten wurden durch mündliche anordnung stillgelegt und eine entsprechende schriftliche ordnungsverfügung angekündigt. 35mit ordnungsverfügung vom 31. oktober 2019 – zugestellt am 2. november 2019 – gab die beklagte den klägern unter anordnung der sofortigen vollziehung und androhung von zwangsgeld auf, die arbeiten an der fassade sofort einzustellen, bis spätestens zum 30. november 2019 die angebrachte wärmedämmung an der hausfassade („bis auf den anbau“) zu beseitigen, das aus glasbausteinen bestehende giebelfenster des hauses wiederherzustellen und sofort die notwendige absturzsicherung am kellerabgang anzubringen. zugleich wurde eine verwaltungsgebühr von 250,- € festgesetzt. zur begründung der stilllegungs- sowie der beseitigungsforderung führte die beklagte aus, die betreffenden maßnahmen seien nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig, da die anbringung einer wärmedämmung gegen die gestaltungssatzung verstoße. 36bei einer kontrolle am 27. november 2019 stellten mitarbeiter der beklagten fest, dass die absturzsicherung ordnungsgemäß angebracht, die wärmedämmung hingegen nicht beseitigt worden war. 37am 2. dezember 2019 haben die kläger klage erhoben. 38zur begründung führen sie aus: die gestaltungssatzung sei rechtswidrig, weil gesetzlich vorgeschriebene anforderungen an die energieeinsparung missachtet würden. es handele sich zudem bei den aufgebrachten polystyrolplatten nicht um eine wärmedämmung. eine stärke von 6 cm sei dafür viel zu gering. es sei vielmehr um die sicherung und den ausgleich der abbröckelnden fassade gegangen. die mit den arbeiten beauftragten mitarbeiter der „arbeitsloseninitiative m. “ hätten entschieden, auf diese weise das problem der schadhaften außenwand anzugehen. entsprechende fassaden seien im übrigen in der siedlung bereits vorhanden. 39die kläger beantragen, 40die ordnungsverfügung und den gebührenbescheid vom 31. oktober 2019 aufzuheben. 41die beklagte beantragt, 42die klage abzuweisen. 43sie ist der meinung, bei den polystyrolplatten handele es sich um wärmedämmung und nicht um bloße „ausgleichsplatten für eine bröckelnde fassade“. im rahmen von produktinformationen würden derartige platten mit einer stärke von 6 cm regelmäßig als wärmedämmmaterial bezeichnet. im übrigen hätte man den alten putz, wenn er schadhaft war, herunterschlagen und die wand neu verputzen können. alternativ hätte man eine dünne netzstruktur o.ä. verwenden können. wenn ein mehrschichtiger aufbau an einer fassade hergestellt werde, bei dem auf die oberfläche zunächst eine dämmschicht und dann armierung, putz und farbe aufgebracht werden, handele es sich um ein wärmedämmverbundsystem. dies werde durch ausführungen in der din 55699 bestätigt. 44ein zugehöriges eilverfahren (6 l 1917/19) ist durch übereinstimmende erledigungserklärungen beendet worden, nachdem die beklagte die sofortige vollziehung der ordnungsverfügung hinsichtlich des beseitigungsverlangens aufgehoben hat. 45der berichterstatter der kammer hat am 17. mai 2021 einen ortstermin durchgeführt. wegen der einzelheiten wird auf das terminsprotokoll bezug genommen. 46wegen der sonstigen einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen verwaltungsvorgänge ergänzend bezug genommen. 47 | 48die klage ist zulässig, aber unbegründet. 49die ordnungsverfügung der beklagten vom 31. oktober 2019 ist, soweit sie gegenstand des vorliegenden verfahrens ist (die regelung zu ziffer 4. war bei klageeingang bereits erledigt und ist von der klage nicht erfasst), rechtmäßig und verletzt die kläger nicht in ihren rechten, § 113 abs. 1 satz 1 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo). 501. 51soweit mit ihr die einstellung der bauarbeiten angeordnet worden ist, findet die ordnungsverfügung ihre rechtsgrundlage in § 58 abs. 2 s. 2 i.v.m. § 81 abs. 1 bauordnung für das land nordrhein-westfalen (bauo nrw 2018). 52die ordnungsverfügung leidet nicht an form- oder verfahrensfehlern. insbesondere liegt kein verstoß gegen § 28 abs. 1 verwaltungsverfahrensgesetz (vwvfg) nrw vor, dem zufolge dem adressaten eines belastenden verwaltungsakts vor dessen erlass gelegenheit zur stellungnahme gegeben werden muss. denn die stilllegungsverfügung ist mündlich bereits im rahmen der baukontrolle vom 30. oktober 2019 ausgesprochen worden. im rahmen dieser baukontrolle dürften die kläger gelegenheit gehabt haben, zu dem sachverhalt stellung zu nehmen. andernfalls haben jedenfalls die voraussetzungen des § 28 abs. 2 vwvfg nrw vorgelegen; von der anhörung durfte wegen der notwendigkeit, die bauarbeiten sofort zu unterbrechen, abgesehen werden. 53die baueinstellungsverfügung ist auch materiell rechtmäßig. nach § 58 abs. 2 s. 2 bauo nrw 2018 haben die bauaufsichtsbehörden im rahmen ihrer aufgabe, die einhaltung der öffentlich-rechtlichen vorschriften bei der errichtung, der änderung, dem abbruch, der nutzung, der nutzungsänderung sowie der instandhaltung baulicher anlagen zu überwachen, nach pflichtgemäßem ermessen die erforderlichen maßnahmen zu treffen. nach § 81 abs. 1 bauo nrw 2018 kann die bauaufsichtsbehörde, wenn anlagen im widerspruch zu öffentlich-rechtlichen vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden, die einstellung der arbeiten anordnen. gemäß § 81 abs. 2 nr. 2 a) bauo nrw 2018 gilt dies auch, wenn bei der ausführung eines genehmigungsbedürftigen bauvorhabens von den genehmigten bauvorlagen abgewichen wird. 54ob die von den klägern durchgeführten arbeiten an der fassade formell unzulässig waren, weil es an einer die änderungen zutreffend erfassenden baugenehmigung fehlt, lässt die kammer im ergebnis offen. nach auffassung der beklagten bedurfte die änderung der fassade gemäß § 15 abs. 1 der satzung über örtliche bauvorschriften zur äußeren gestaltung im bereich der bergarbeitersiedlung in m. -i. /r.---straße vom 8. märz 2017 (im folgenden: gestaltungssatzung 2017) der baugenehmigung. allerdings ist der in dieser satzungsvorschrift zitierte § 65 abs. 2 nr. 2 bauordnung nrw 2000 mit ablauf des 31. dezember 2018 außer kraft getreten. dies ist vor allem deshalb nicht unproblematisch, weil der gemeinde nicht ohne weiteres die befugnis zusteht, durch satzung in abweichung von den vorschriften der landesbauordnung genehmigungserfordernisse zu statuieren. 55vgl. dazu nur vg gelsenkirchen, urteil vom 22. märz 2012 - 5 k 1650/10 -, juris (rn. 41); boeddinghaus/hahn/schulte, bauo nrw, kommentar, § 86 bauo nrw 2000 rn. 42. 56ob der seit dem 1. januar 2019 geltende § 62 abs. 1 nr. 11 lit. d) bauo nrw 2018 mit seinem letzten halbsatz die möglichkeit eröffnet, ein genehmigungserfordernis durch satzung nach § 89 bauo nrw 2018 einzuführen oder ob dieser halbsatz nur klarstellen soll, dass die materiellrechtlichen anforderungen einer entsprechenden satzung zu beachten sind, lässt sich weder dem wortlaut der norm noch der begründung des zugrunde liegenden gesetzentwurfs der landesregierung eindeutig entnehmen. die kammer braucht dies indes nicht zu entscheiden. denn die ordnungsverfügung ist ausweislich ihrer begründung in erster linie auf den verstoß gegen § 14 abs. 1 gestaltungssatzung 2017, also auf die materiellrechtliche rechtswidrigkeit der baumaßnahme gestützt. die beklagte hat in der mündlichen verhandlung dementsprechend bekräftigt, dass die ordnungsverfügung auch ohne den verstoß gegen das formelle baurecht erlassen worden wäre. ein etwaiger, in der annahme einer nicht bestehenden genehmigungspflicht liegender fehler bei der ausübung des behördlichen ermessens wäre damit geheilt (§ 114 s. 2 vwgo). 57die vorgenommenen änderungen an der fassade sind materiell rechtswidrig, weil sie gegen § 14 abs. 1 s. 1 der gestaltungssatzung 2017 verstoßen. danach ist die anbringung von wärmedämmverbundsystemen an den bestehenden gebäuden unzulässig. 58gegen die wirksamkeit dieser satzungsregelung bestehen im ergebnis keine bedenken. sie ist insbesondere mit den bundesrechtlichen vorgaben zur energieeinsparung vereinbar. zwar enthielt die bei erlass der satzung noch geltende energieeinsparverordnung (enev) vorgaben zur energetischen ertüchtigung von gebäuden, die insbesondere auch bei änderungen bestehender gebäude einzuhalten waren. nach § 24 abs. 1 enev konnte aber bei baudenkmälern und sonstiger besonders erhaltenswerter bausubstanz von den vorgaben abgewichen werden, wenn die erfüllung der anforderungen die substanz oder das erscheinungsbild beeinträchtigte. mit der „sonstigen besonders erhaltenswerten bausubstanz“ waren gerade auch besonders erhaltenswerte gebäude im bereich flächenhafter schutzausweisungen, etwa durch gestaltungs- und erhaltungssatzungen, gemeint. 59so stock, in: theobald/kühling, energierecht, stand: april 2021, enev § 24 rn. 14. 60dass die gestaltungssatzung 2017 bestimmte maßnahmen der energetischen ertüchtigung in ihrem geltungsbereich für unzulässig erklärt, kann vor diesem hintergrund nicht als ein verstoß gegen bundesrecht angesehen werden. nach dem außerkrafttreten der energieeinsparverordnung findet sich eine wortgleiche ausnahmeregelung nunmehr in § 105 des gebäudeenergiegesetzes vom august 2020. 61bei der von den klägern an der fassade des (haupt-) hauses angebrachten verkleidung handelt es sich um ein wärmedämmverbundsystem im sinne des § 14 abs. 1 gestaltungssatzung 2017. der begriff „wärmedämmverbundsystem“ ist weder in der gestaltungssatzung selbst noch in anderen vorschriften des öffentlichen baurechts konkretisiert oder gar verbindlich definiert. auch in der din 55699 („anwendung und verarbeitung von außenseitigen wärmedämm-verbundsystemen (wdvs) mit dämmstoffen aus expandiertem polystyrol-hartschaum (eps) oder mineralwolle (mw)“) von august 2017 wird der begriff nicht erläutert, sondern vorausgesetzt. dasselbe gilt für den einschlägigen text in anhang 11 zur muster-verwaltungsvorschrift technische baubestimmungen. die „online-enzyklopädie“ wikipedia definiert das wärmedämmverbundsystem wie folgt: 62„ein wärmedämm-verbundsystem […] ist ein system zum dämmen von gebäudeaußenwänden. der geregelte aufbau besteht aus der befestigungsart (geklebt und/oder gedübelt oder einem schienensystem), einem dämmstoff, einer putzträgerschicht (armierter unterputz) und einer oberflächenschicht (oberputz oder flachverblender). als alternative bzw. konkurrenzmodell gilt u.a. die vorgehängte hinterlüftete fassade.“ 63ähnliche beschreibungen finden sich auf anderen, bautechnikspezifischen internetseiten. stets wird der mehrschichtige aufbau, bestehend aus der außenwand selbst, der klebe- bzw. befestigungsschicht, der eigentlichen dämmschicht und den (in der regel mindestens zwei) putzschichten hervorgehoben. dass es sich begriffsnotwendig um das aufeinander abgestimmte system eines einzigen herstellers handeln muss, für das (insgesamt) eine bauartzulassung erteilt worden ist, die individuelle zusammenstellung entsprechender materialien durch den bauherrn also kein „wärmedämmverbundsystem“ ergeben kann, lässt sich nicht feststellen. charakteristisch ist offenbar lediglich eine bestimmte abfolge von schichten. im rahmen der anwendung der gestaltungssatzung 2017 ist daher jede entsprechend aufgebaute fassadenbekleidung als „wärmedämmverbundsystem“ zu betrachten. auch vor dem hintergrund der zielsetzung der vorschrift, die „einebnung“ von fassadenbestandteilen, die veränderung der proportionen und das entstehen von tieferen fenster- und türöffnungen zu verhindern, kommt es letztlich entscheidend darauf an, dass auf die wand ein verbund von materialien aufgebracht wird, dessen kern eine schicht aus dämmmaterial ist. 64bei der von den klägern hergestellten fassadenbekleidung liegen die genannten elemente eines wärmedämmverbundsystems vor. an der fassade sind mittels kleber und dübeln polystyrolplatten angebracht worden. dabei handelt es sich um ein „klassisches“ dämmmaterial. dass die stärke der platten mit 60 mm unter dem heute üblichen standard liegt und die inzwischen vorhandenen ansprüche an eine wärmedämmung wohl nicht vollständig erfüllt, ändert nichts daran, dass die platten einen wärmedämmungseffekt erzeugen. auch ein unterdimensioniertes wärmedämmverbundsystem bleibt ein wärmedämmverbundsystem. nach lage der dinge ist auf den polystyrolplatten auch eine unterputzschicht angebracht worden. die beklagte hat dazu im ortstermin erklärt, ohne eine solche schicht halte der putz nicht. schriftsätzlich hat sie später ergänzt, an einigen stellen könne man auch sehen, dass eine armierung eingebaut sei. die kläger sind dem nicht konkret entgegen getreten. ein oberputz ist ebenfalls bereits vorhanden. insgesamt muss die fassadenbekleidung somit als wärmedämmverbundsystem im sinne der satzung betrachtet werden. 65der vortrag der kläger, ihre intention habe gar nicht in der herstellung einer dämmung gelegen; vielmehr sei es um den ausgleich von unebenheiten und die sicherung schadhafter fassadenbestandteile gegangen, vermag an diesem ergebnis nichts zu ändern. denn unabhängig von der frage, ob sich diese ziele nicht auch auf anderem wege hätten erreichen lassen, würde eine entsprechende motivation der kläger jedenfalls nichts daran ändern, dass durch die anbringung der beschriebenen schichten ein wärmedämmverbundsystem entstanden ist. 66ermessensfehler der behörde sind nicht erkennbar. die forderung nach einer einstellung der arbeiten ist insbesondere nicht unverhältnismäßig. eine stilllegungsverfügung ist in aller regel schon durch das fehlen der erforderlichen genehmigung („formelle illegalität“) gerechtfertigt. erst recht kann eine stilllegung erfolgen, wenn die baumaßnahme – wie hier – materiellrechtliche vorschriften verletzt. 67die inanspruchnahme der kläger als verantwortliche begegnet ebenfalls keinen bedenken. die kläger sind sowohl eigentümer des grundstücks als auch bauherren. 682. 69soweit in der angefochtenen ordnungsverfügung die beseitigung der aufgebrachten fassadenbekleidung und die freilegung der glasbausteine im giebel gefordert werden, kommt als ermächtigungsgrundlage nur § 58 abs. 2 s. 2 i.v.m. § 82 abs. 1 s. 1 bauo nrw 2018 in betracht. denn hier wird von den klägern über die bloße einstellung der bauarbeiten hinaus die beseitigung vorhandener bausubstanz gefordert. ob die behörde von der genannten ermächtigungsgrundlage ausgegangen ist, ist nicht ganz klar. § 82 bauo nrw 2018 wird in der begründung des bescheides nicht erwähnt. selbst wenn die beklagte auch in bezug auf diese anordnungen § 81 bauo nrw 2018 für die einschlägige ermächtigungsgrundlage gehalten haben sollte, führt dies indes nicht zur (teil-) rechtswidrigkeit der ordnungsverfügung. denn bei der wahl einer unzutreffenden ermächtigungsgrundlage ist das gericht verpflichtet zu prüfen, ob der bescheid mit blick auf eine andere rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann, sofern er dadurch nicht in seinem wesen verändert wird. 70vgl. nur bverwg, beschluss vom 29. juli 2019 - 2 b 19.18 -, nvwz-rr 2020, 113 (115), mit weiteren nachweisen. 71vorliegend kann die ordnungsverfügung unproblematisch auf § 82 bauo nrw 2018 gestützt werden. denn die der konkretisierung von § 58 abs. 2 s. 2 bauo nrw dienenden §§ 81 und 82 bauo nrw 2018 stimmen in den tatbestandlichen voraussetzungen im wesentlichen überein und verlangen auch eine ähnlich strukturierte ermessensausübung. die beklagte ist bei der ermessensausübung – wie oben bereits aufgezeigt – von der materiellen baurechtswidrigkeit der vorgenommenen änderungen ausgegangen und hat auch erkannt, dass sie in gewissem umfang die vernichtung von bausubstanz fordert. dass bei der anwendung von § 82 bauo nrw 2018 noch andere aspekte in die entscheidung hätten eingestellt werden müssen, ist nicht erkennbar. insbesondere ist nicht ersichtlich, dass auf andere weise baurechtskonforme zustände hätten hergestellt werden können. selbst wenn man indes die ermessensausübung aufgrund der heranziehung einer unzutreffenden ermächtigungsgrundlage für defizitär hielte, wäre im übrigen auch hier eine heilung des mangels (§ 114 s. 2 vwgo) anzunehmen. denn die vertreter der beklagten haben in der mündlichen verhandlung die sicht des gerichts betreffend die einschlägige ermächtigungsgrundlage bestätigt und bekräftigt, an ihrer entscheidung festhalten zu wollen. 72auch in bezug auf die regelungen zu ziffern 2. und 3. leidet die ordnungsverfügung nicht an durchgreifenden form- oder verfahrensfehlern. allerdings ist eine anhörung nach § 28 abs. 1 vwvfg nrw in bezug auf diese regelungen nicht entbehrlich gewesen; vor der anordnung der beseitigung musste und konnte den klägern gelegenheit zur stellungnahme gegeben werden. dies ist aber offenbar im rahmen der baukontrolle vom 30. oktober 2019 geschehen. die zuständige mitarbeiterin der beklagten hat in der mündlichen verhandlung erklärt, sie habe bereits bei der ortskontrolle angekündigt, dass ihre behörde wohl die beseitigung verlangen würde. ein etwaiger anhörungsmangel würde im übrigen nicht zur (teilweisen) aufhebung der ordnungsverfügung führen, weil er durch den austausch von vortrag anlässlich des gerichtlichen verfahrens gemäß § 45 vwvfg nrw geheilt worden wäre. 73vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 14. juni 2010 - 10 b 270/10 - vom 29. oktober 2010 - 7 b 1293/10 - und vom 1. august 2016 - 7 b 683/16 -, juris; vg gelsenkirchen, beschluss vom 26. januar 2011 - 6 l 1209/10 -, juris, 74materiell-rechtlich begegnet die beseitigungsverfügung keinen bedenken. nach § 82 abs. 1 bauo nrw 2018 kann die bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige beseitigung fordern, wenn anlagen im widerspruch zu öffentlich-rechtlichen vorschriften errichtet oder geändert werden und nicht auf andere weise rechtmäßige zustände hergestellt werden können. dass die anbringung der fassadenbekleidung, bei der auch die glasbausteine im giebel verdeckt worden sind, gegen § 14 abs. 1 gestaltungssatzung 2017 verstößt, ist oben bereits aufgezeigt worden. bedenken gegen die ermessensausübung der behörde sind nicht erkennbar. das in der mündlichen verhandlung noch einmal hervorgehobene ziel, durch die beseitigungsanordnung nachahmungseffekten im gebiet der siedlung, in der eine vielzahl vergleichbarer gebäude vorhanden ist, entgegenzutreten, ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. die ordnungsverfügung ist nach alledem auch nicht unverhältnismäßig. 75dass es in der in rede stehenden siedlung bereits gebäude gibt, an denen eine entsprechende fassadenbekleidung angebracht worden ist, führt ebenfalls nicht zur rechtswidrigkeit der ordnungsverfügung. die beklagte hat vor erlass der gestaltungssatzung 2017 eine bestandsaufnahme vorgenommen und festgestellt, dass an 16 von 284 „hausvierteln“ bereits wärmedämmung angebracht ist. auf der grundlage dieser erkenntnis hat sie sich in vertretbarer weise entschlossen, zukünftigen baumaßnahmen dieser art entgegenzutreten. dass nach dem erlass der satzung noch entsprechende vorhaben durchgeführt worden sind, gegen welche die beklagte trotz kenntnis nicht eingeschritten ist, haben die kläger nicht behauptet. 763. 77die androhung des zwangsgeldes findet ihre grundlage in §§ 55 abs. 1, 57 abs. 1 nr. 2, 60, 63 verwaltungsvollstreckungsgesetz nrw und ist nach lage der dinge nicht zu beanstanden. 78auch der zugehörige gebührenbescheid begegnet keinen bedenken. 79die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 80die entscheidung über die vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 vwgo, 708 nr. 11 und 711 zivilprozessordnung. | Verklagte*r | 0 |
182,083 | 5a K 4464/11.A | 2014-03-20T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Der am 20. März 1994 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit sunnitischen Glaubens. Bis zu seiner Ausreise lebte er in Kabul. 3Er reiste am 2. oder 3. November 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er nach eigenen Angaben nach einem längeren Flug, einer einstündigen Taxifahrt sowie einer vier- bis fünfstündigen Zugfahrt in C. ankam. Am 11. November 2010 beantragte er die Gewährung von Asyl. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ‑ Bundesamt ‑ am 16. November 2010 in Düsseldorf gab der Kläger an, dass sein Vater Ingenieur beim Energie- und Stromministerium sei und außerdem ein Bauunternehmen habe. Dieses Bauunternehmen habe u. a. ein Projekt in der Provinz I. , nämlich den Bau einer Schule. Gegen 2 Uhr nachts habe sein Vater einen Anruf erhalten, dass in I. ein Ingenieur von ihm getötet worden sei. Das seien die Taliban gewesen, die gegen die Schulen und dagegen seien, dass Mädchen auf die Schulen gingen. Der Kläger selbst sei auf dem Weg zu einem Einkauf von drei Personen in ein Auto gezerrt worden, wo er einen schwarzen Sack über den Kopf bekommen habe. Er sei geschlagen worden und habe das Bewusstsein verloren. Man habe ihn in einen blutverschmierten dunklen Raum gebracht. Dort habe ihn ein großer Typ nach der Telefonnummer seines Vaters gefragt. Eine Woche sei er dort festgehalten worden, er habe Tee und Essen bekommen. In dieser Woche hätten sie ihm immer gedroht, dass ihm etwas passiere, wenn sein Vater nicht zahle. Dann sei er mit verbundenen Händen in einem Auto mit getönten Scheiben an einen Ort verbracht worden, wo sein Vater ihn abholen könne. Sie hätten ihn mit Tritten aus dem Auto befördert, ein vorbeikommender Radfahrer habe seinen Vater angerufen. Der habe ihn dann abgeholt und nach Hause gebracht. Die Personen hätten abends noch einmal zu Hause angerufen und hätten gedroht, da sie so viel Geld für seine Entführung erhalten hätten, sein Vater solle nichts sagen, sonst würden sie auch noch die Schwester entführen. 4Mit Bescheid vom 6. Oktober 2011, zugestellt am 12. Oktober 2011, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab und verneinte die Voraussetzungen der Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft. Ferner stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes ‑ AufenthG ‑ nicht vorlägen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bunderepublik innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle der Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Im Falle der nicht fristgerechten Ausreise werde der Kläger nach Afghanistan oder in einen anderen Staat abgeschoben, in den er ausreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. 5Der Kläger hat am 25. Oktober 2011 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er ergänzend vor, dass unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zumindest eine extreme allgemeine Gefahrenlage festzustellen sei, insbesondere wegen der schlechten Versorgungssituation und wegen der Gefahren der Zwangsrekrutierung durch die Taliban; deshalb lägen Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG vor. 6Der Kläger beantragt, 7die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. Oktober 2011 zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen sowie dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,hilfsweise, 8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. Oktober 2011 zu Nrn. 2. bis 4. zu verpflichten, festzustellen, dass dem Kläger subsidiärer Schutz zu gewähren ist, 9äußerst hilfsweise,die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. Oktober 2011 zu Nrn. 2. bis 4. zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. 10Die Beklagte beantragt, 11die Klage abzuweisen. 12Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides. 13Mit Beschluss vom 4. November 2013 hat die Kammer dem Berichterstatter den Rechtsstreit als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. 14Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. 15Entscheidungsgründe: 16Die Klage hat keinen Erfolg. 17Sie ist in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑ maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sowohl hinsichtlich des Hauptantrags als auch der Hilfsanträge unbegründet. 181. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -. Insofern wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG Bezug genommen. Zu den Unklarheiten hinsichtlich des Reisewegs, die schon das Bundesamt dazu veranlasst hat, den § 26a AsylVfG anzuwenden, treten noch weitere Unklarheiten hinzu, die durch die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2014 entstanden sind. Hat der Kläger bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 16. November 2010 erklärt, dass er bei der Einreise nach Deutschland nach seiner letzten Landung mit dem Flugzeug zunächst eine Stunde mit dem Taxi zu einem Bahnhof, von dort vier bis fünf Stunden mit dem Zug und anschließend wieder mit einem Taxi zu einem Restaurant gefahren sei, von wo ihn sein Bruder nach einer halben Stunde abgeholt habe, gab er in der mündlichen Verhandlung an, nach der letzten Landung ca. 20 bis 30 Minuten mit dem Taxi gefahren zu sein zu einer Stelle, von der ihn sein Bruder nach etwa einer halben Stunde abgeholt habe. 192. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG. 20Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG genießt ein Ausländer den Schutz als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention -, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (dazu im Einzelnen § 3b AsylVfG) außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Ausnahmsweise ausgeschlossen ist dieser Flüchtlingsschutz in den Fällen des § 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG und des § 60 Abs. 8 des Aufenthaltsgesetzes ‑ AufenthG ‑. 21Als Verfolgung gelten gemäß § 3a AsylVfG Handlungen, die auf Grund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen bzw. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist, § 3a Abs. 1 AsylVfG. Die grundlegenden Menschenrechte in diesem Sinne sind insbesondere die Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (Folter, Sklaverei und Leibeigenschaft, keine Strafe ohne Gesetz). Als Verfolgung können unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt gelten, aber auch gesetzliche, administrative, polizeilicher oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, ebenso unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, ebenso die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, ebenso Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die den Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 2 AsylVfG ausschließen, sowie Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. 22Ausgehen kann die Verfolgung gemäß § 3b AsylVfG von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, einschließlich internationaler Organisationen, erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. 23Schutz vor Verfolgung muss nach § 3d Abs. 2 AsylVfG wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn der Staat oder die Parteien bzw. Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Interner Schutz schließt dabei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus, und zwar dann, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung im vorbeschriebenen Sinne hat und der Ausländer sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3e Abs. 1 AsylVfG. Ob ein solch interner Schutz besteht, ist unter Heranziehung der Vorgaben des § 3e Abs. 2 AsylVfG zu prüfen. 24Schließlich muss zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen, § 3a Abs. 3 AsylVfG. 25Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 337, S. 9-26) - sog. Qualifikationsrichtlinie - RL 2011/95/EG privilegiert dabei den von ihm erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. 26Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 7. September 2010 - 10 C 11.09 -, vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, und vom 1. Juni 2011 - 10 C 10.10 u. 10 C 25.10 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -; OVG Saarland, Urteil vom 16. September 2011 - 3 A 352/09 -; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 4 LB 5/11 -. 27Im Übrigen folgt aus den in Art. 4 RL 2011/95/EG geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu muss er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine Verfolgung droht. 28Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 RL 2004/83/EU: OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -. 29Gemessen an diesen Vorgaben ist im vorliegenden Fall des Klägers eine politische Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG nicht festzustellen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Verfolgungsgeschichte des Klägers als glaubhaft zu bewerten ist. Denn selbst dann, wenn sein Vorbringen insgesamt als wahr unterstellt wird, folgt daraus jedenfalls keine Verfolgung aus den in §§ 3 Abs. 1, 3b AsylVfG genannten Verfolgungsgründen. Die geschilderten Bedrohungen knüpfen in Bezug auf den Kläger ersichtlich nicht an die dort genannten Merkmale an. Er wurde weder wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung noch wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe entführt. Die Bedrohungen sind vielmehr krimineller Natur ohne asyl- oder flüchtlingserheblichen Bezug. Der Kläger wurde entführt, um von seinem Vater eine Geldzahlung zu erpressen. Der Kläger konnte in der mündlichen Verhandlung keine Gründe nennen, die seine Entführer dazu veranlasst haben, seinen Vater um Geld zu erpressen. Nicht einmal Vermutungen hat er insoweit angestellt. Soweit er bei der Anhörung durch das Bundesamt noch die Vermutung geäußert hatte, dass möglicherweise Taliban seinerzeit den Ingenieur seines Vaters getötet hätten und diese u. U. auch hinter der Entführung und der Erpressung gesteckt hätten, hat er hieran in der mündlichen Verhandlung nicht mehr festgehalten. 303. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG zu. Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt a) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), b) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG) oder c) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG). Für die Gewährung subsidiären Schutzes gelten die §§ 3c bis 3e AsylVfG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über die Verfolgungs- und Schutzakteure und den internen Schutz für anwendbar erklärt. 31a) Was die die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe angeht, so müssen ernsthafte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schutzsuchende konkret wegen einer Straftat gesucht wird, derentwegen individuell die Todesstrafe verhängt werden kann. Die Gefahr einer Todesstrafe ist im vorliegenden Verfahren weder vorgetragen noch sonst nicht ersichtlich. 32b) Der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG entspricht dem Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II Seite 685), deshalb kann zur Auslegung grundsätzlich auf die diesbezügliche Rechtsprechung, insbesondere auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und auf die Literatur verwiesen werden. Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre. 33Vgl. zum Ganzen etwa BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C5.09 - und vom 7. Dezember 2010 - 10 C 11.09 -; OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2012 - 14 A 2708/10.A -. 34Dies ist hier nach den obigen Ausführungen nicht ersichtlich. 35c) § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG: Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes ist unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Begriffe im humanitären Völkerrecht, insbesondere unter Heranziehung von Art. 3 der Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht 1949 (GK) und des zur Präzisierung erlassenen Zusatzprotokolls II von 1977 (ZP II) auszulegen. Einerseits liegt danach ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt jedenfalls dann vor, wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter verantwortlicher Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen können. Andererseits liegt ein Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG nicht vor bei bloßen Fällen innerer Unruhen oder Spannungen wie Tumulten oder vereinzelt auftretenden Gewalttaten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes zwar nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss dann aber ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder Guerilla-Kämpfen vorherrschen. 36Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - und vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 6. März 2012 - A 11 S 3070/11 - und - A 11 S 3177/11 -. 37Der innerstaatliche Konflikt muss sich dabei – unabhängig von seiner Erscheinungsform – nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken; es genügt vielmehr, dass bewaffnete Gruppen Kampfhandlungen in einem Teil des Hoheitsgebiets durchführen. Für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG ist grundsätzlich auf die Herkunftsregion des Ausländers abzustellen, in die der Ausländer typischerweise zurückkehren wird. 38Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -; HessVGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 8 A 611/08.A -. 39Der Ausländer muss von dem bewaffneten Konflikt „individuell“ bedroht sein. Eine solche individuelle Bedrohung ist anzunehmen, wenn der Ausländer spezifisch aufgrund von Umständen betroffen ist, die seiner persönlichen Situation innewohnen. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt sind, stellen demgegenüber normalerweise keine individuelle Bedrohung dar (vgl. insoweit auch Erwägungsgrund 35 der RL 2011/95/EG). 40Gemessen an diesen Grundsätzen steht dem Kläger kein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG zu. In Kabul herrscht kein bewaffneter Konflikt; jedenfalls ist nach der gegenwärtigen Auskunftslage nicht ersichtlich, dass in Kabul aufgrund der dortigen Situation ein derart außergewöhnlich hoher Gefahrengrad vorherrscht, der dadurch gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zielperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. 41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Februar 2013 - 13 A 2871/12.A -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. März 2012 - 8 A 11050/10 -; HessVGH, Urteil vom 16. Juni 2011 - 8 A 2011/10.A -; BayVGH, Urteil vom 3. Februar 2011 - 13a B 10.30394 -. 42Vielmehr wird die Sicherheitslage in Kabul etwa von der Afghanistan Research and Evaluation Unit (AREU) als verhältnismäßig gut eingestuft. Es komme bisweilen zu Anschlägen durch aufständische Gruppen, jedoch gingen die Menschen im Allgemeinen ohne Sicherheitsbedenken ihrem Alltag nach (AREU, Mai 2011, S. 15), 43zitiert nach ACCORD, Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Chronologie für Kabul, ecoi.net-Themendossier (letzte Aktualisierung 16. Januar 2013); s. dort auch die Übersicht über die sicherheitsrelevanten Vorfälle in Kabul seit Januar 2011. 44Auch das Auswärtige Amt stellt in seinem Lagebericht vom 10. Januar 2012 fest, dass die Sicherheitslage für die Zivilbevölkerung in Kabul ungeachtet mehrerer spektakulärer Anschläge, die sich jedoch im Wesentlichen gegen „prominente Ziele“ wie den Präsidentenpalast, militärische Einrichtungen oder Botschaften gerichtet haben, insgesamt stabil und ruhiger als noch vor zwei Jahren sei. 45Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 10. Januar 2012, S. 12; ebenso OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Januar 2013 - 13 A 2382/12.A - und vom 13. Februar 2013 - 13 A 1524/12.A -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. April 2012 - A 11 S 3079/11 -. 46In dem letzten Lagebericht heißt es, dass die Zahl der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Berichtszeitraum im Vergleich zum Vorjahr leicht abgenommen und somit den letztjährigen Trend fortgesetzt habe. 47Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 4. April 2013, S. 4. 48Zwar kam es zuletzt im Jahr 2012 vereinzelt in überwiegend stabilen Räumen u. a. in Kabul zu einer vorübergehenden Zuspitzung der Sicherheitslage. Den afghanischen Sicherheitskräften ist es allerdings überwiegend gelungen, die Sicherheit wiederherzustellen. 49Vgl. Bundesregierung Deutschland, Fortschrittsbericht Afghanistan zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages, November 2012, S. 13. 50Ferner wird berichtet, dass vor allem anlässlich des durch die Taliban verübten koordinierten Angriffs in Kabul am 15. und 16. April 2012 die Bewohner der Hauptstadt nur noch wenig Vertrauen in die Schutzfähigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte haben. Ungeachtet dessen liege – abgesehen von sporadischen Raketenangriffen auf die Hauptstadt – der Fokus der Taliban auf Angriffen, die möglichst nah am Zentrum der Macht verübt werden sollen. Die Taliban bevorzugten daher sporadische, öffentlichkeitswirksame Angriffe („high-profile attacks“), durch die ein Gefühl von Unsicherheit hervorgerufen wird. Die Taliban scheinen indes nicht daran interessiert zu sein, relativ machtlose Personen zu verletzen. 51Vgl. ACCORD, Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Chronologie für Kabul, ecoi.net-Themendossier (letzte Aktualisierung 16. Januar 2013), sowie Anfragebeantwortungen vom 13. Januar 2012 und vom 2. Februar 2012 jeweils u. a. zur Sicherheitslage in der Stadt Kabul. 524. Der Kläger kann sich auch nicht auf die sog. nationalen Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG berufen. 53a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn sich seine Abschiebung in Anwendung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten als unzulässig erweist. Ausschließlich zu prüfen sind auch in diesem Rahmen nur etwaige zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote. In Betracht kommt damit vor allem ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK (Verbot der Folter). Das darin enthaltene Verbot von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung entspricht allerdings inhaltlich vollständig dem in § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG enthaltenen Grund für die Gewährung von subsidiären Schutz und ist bereits dort zu prüfen; insoweit hat § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK keine eigenständige Bedeutung mehr. In Ausnahmefällen kann sich ein Abschiebungsverbot aus Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) ergeben, etwa dann, wenn im Zielstaat der Abschiebung eine Verurteilung unter krasser Missachtung der in Art. 6 EMRK normierten rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätze droht. Auch kann Art. 9 EMRK (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) ein Abschiebungsverbot analog zum Asylrechtsschutz begründen. Das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) wirkt demgegenüber – jedenfalls soweit es um das Zusammenleben im Bundesgebiet geht – grundsätzlich nicht zielstaatsbezogen. Der Schutz der Familie im Lichte des Art. 8 EMRK oder auch des Art. 6 GG im Falle einer Trennung begründet demgemäß regelmäßig allenfalls ein sog. inlandsbezogenes Abschiebungshindernis – auch soweit es sich um trennungsbedingte Gefahren im Zielstaat handelt – für dessen Prüfung die Ausländerbehörde zuständig ist (§ 60a Abs. 2 AufenthG). 54Vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 3012 - A 2 S 1995/12 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. Juli 2010 - 8 LA 154/10 -. 55Ausgehend davon ist weder vorgetragen noch ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK im konkreten Fall des Klägers ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. 56b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Insoweit muss es sich um Gefahren handeln, die den einzelnen Ausländer in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen. Erfasst werden auch dabei nur zielstaatsbezogene Gefahren. Diese müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. 57Derartige individuelle Gefahren drohen dem Kläger nicht in Kabul. Dieser Abschiebeort kann von Deutschland aus auf dem Luftweg erreicht werden. 58Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 4. Juni 2013, S. 19. 59Dort ist der Kläger vor den geltend gemachten konkreten Bedrohungen nach Überzeugung der Kammer verfolgungssicher (s.o.). 60Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, „allgemein“ ausgesetzt ist, sind demgegenüber nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bei Abschiebestopp-Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Insoweit entfaltet § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG grundsätzlich eine gewisse Sperrwirkung. Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG greift aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann ausnahmsweise nicht, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ würde. 61Vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Juli 2001 - 1 C 2.01 -, BVerwGE 114, 379, vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, NVwZ 2011, 48, und vom 29. September 2011 - 10 C 24.10 ‑, NVwZ 2012, 451. 62Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. 63Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Januar 2013 - 13 A 2635/12.A - und - 13 A 2673/12.A - sowie vom 13. Februar 2013 - 13 A 1524/12.A -. 64Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. 65Vgl. BayVGH, Urteile vom 8. November 2012 - 13a B 11.30465 - und - 13a B 11.30391 -. 66Ausgehend hiervon geht die Kammer auf der Grundlage der Erkenntnisquellen, die ihr zur Verfügung stehen, davon aus, dass trotz der nach wie vor teilweise äußerst schlechten allgemeinen Versorgungslage in Kabul nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass jeder Rückkehrer aus Europa den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung nach Kabul erleiden müsste. Dies entspricht auch der obergerichtlichen Rechtsprechung. 67Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 21. März 2012 - 8 A 11048/10 - und - 8 A 11050/10 -; BayVGH, Urteil vom 3. Februar 2011 - 13a B 10.30394 -; OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2008 - 20 A 4676/06.A - und Beschluss vom 26. Oktober 2010 - 20 A 964/10.A -; OVG Schleswig, Urteil vom 10. Dezember 2008 - 2 LB 23/08 -; dem hat sich zuletzt auch der VGH Baden-Württemberg unter Aufgabe der Senatsrechtsprechung in den Urteilen vom 14. Mai 2009 - A 11 S 610/08 - und 9. Juni 2009 - A 11 S 477/09 - (beide aufgehoben und zurückverwiesen durch BVerwG, Urteile vom 8. September 2011 - 10 C 16.10 - und - 10 C 14.10 -) angeschlossen, vgl. Urteile vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 - sowie vom 27. April 2012 - A 11 S 3079/11 - und - A 11 S 3392/11 -. 68Zwar herrscht nach den vorliegenden Erkenntnisquellen in Kabul ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum und ein Zugang zu sauberem Wasser sowie bezahlbarem Strom ist nicht überall gewährleistet. Infolgedessen sehen sich zahllose Menschen gezwungen, in prekären Unterkünften wie Lehmhütten, Zelten oder alten beschädigten Gebäuden zu hausen. Bei alledem ist die Kriminalität und Gefahr, Opfer von Überfällen zu werden, hoch. Soziale Sicherungssysteme bestehen nicht und die allgemeine medizinische Versorgung ist schlecht. Andererseits hat sich in vielen Stadtteilen Kabuls, zumal im Stadtzentrum, die Lage seit 2009 – etwa mit Blick auf die Stromversorgung, die Eröffnung von Geschäften und die Etablierung einer Müllabfuhr und eines Mindestmaßes an Ordnung überhaupt – durchaus verbessert. 69Vgl. etwa Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, S. 406, 408 ff., mit weiteren Nachw.; s. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, mit Hinweis auf u. a. auf Kermani, Die Zeit vom 5. Januar 2012, 11 ff. 70Erkenntnisquellen, die etwa den Hungertod von Rückkehrern in Kabul dokumentieren, liegen nicht vor. 71Ebenso UNHCR, Gutachten an OVG Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011, S. 10 f. 72Auch der Bericht von amnesty international zur Lage der Binnenflüchtlinge aus Februar 2012, 73„Die Flucht vor dem Krieg führt ins Elend – Die Not der Binnenflüchtlinge in Afghanistan“, zit. nach ACCORD, Anfragebeantwortung vom 1. Juni 2012 zur Situation von Minderjährigen ohne familiäre Anknüpfungspunkte bei Rückkehr, 74enthält keine Hinweise darauf, dass praktisch jeder mittellose Rückkehrer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod durch Verhungern oder Erfrieren mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeliefert werden würde. Zwar sind gemäß der Einschätzung von amnesty international die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern von Kabul aufgrund des Mangels an Wohnungen, Lebensmitteln und Heizmaterial für Familien im Allgemeinen und kleine Kinder im Besonderen humanitär kritisch. Reguläre Arbeitsangebote für die Menschen in diesen Slums seien rar, viele Männer und Jungen könnten aber als Lastenträger arbeiten und damit 600 bis 750 Afghanis (13 bis 16 US-Dollar) pro Woche verdienen. 75Vgl. hierzu auch BayVGH, Beschluss vom 26. Oktober 2012 - 13a ZB 12.30108 -. 76Unter Berücksichtigung all dessen ergibt eine Gesamtschau der aktuellen Auskünfte, dass vor allem für alleinstehende, aus dem europäischen Ausland zurückkehrende und arbeitsfähige Männer aus der Bevölkerungsmehrheit ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen in Kabul die Möglichkeit gegeben, als Tagelöhner zumindest ein kümmerliches Einkommen am Randes des Existenzminiums zu sichern. 77Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, www.bverwg.de;BayVGH, Urteile vom 8. November 2012 - 13a B 11.30391 - und - 13a B 11.30465 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. März 2012 - 8 A 11050/10 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -; OVG NRW, Beschluss vom 26. Oktober 2010 - 20 A 964/10.A -; OVG Schleswig, Urteil vom 10. Dezember 2008 - 2 LB 23/08 -. 78Ausgehend davon kann im vorliegenden Fall ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht festgestellt werden. Denn für den Kläger ist bei einer Rückkehr nach Kabul nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit eine derart extreme Gefahrenlage zu erwarten, dass er dem baldigen Tod oder schwersten gesundheitlichen Verletzungen ausgeliefert wäre. Nach Lage der Dinge ist der Kläger nach seinem Lebensalter und seinem Gesundheitszustand in der Lage zu arbeiten. Dann kann er jedenfalls mit Hilfe von Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen am Rande des Existenzminimums erzielen. 79Vgl. zu dieser Formulierung BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, www.bverwg.de. 805. Ausreisefrist und Abschiebungsandrohung (Ziffer 4 des Bescheides) begegnen keinen durchgreifenden Bedenken (§§ 34, 38 AsylVfG). 81Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nach § 83 b AsylVfG nicht erhoben. 82Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung. | die klage wird abgewiesen.der kläger trägt die kosten des verfahrens.das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des beizutreibenden betrages abwenden, wenn nicht die beklagte zuvor sicherheit in derselben höhe leistet. 1 | 2der am 20. märz 1994 geborene kläger ist afghanischer staatsangehöriger tadschikischer volkszugehörigkeit sunnitischen glaubens. bis zu seiner ausreise lebte er in kabul. 3er reiste am 2. oder 3. november 2010 in die bundesrepublik deutschland ein, wo er nach eigenen angaben nach einem längeren flug, einer einstündigen taxifahrt sowie einer vier- bis fünfstündigen zugfahrt in c. ankam. am 11. november 2010 beantragte er die gewährung von asyl. bei seiner anhörung durch das bundesamt für migration und flüchtlinge ‑ bundesamt ‑ am 16. november 2010 in düsseldorf gab der kläger an, dass sein vater ingenieur beim energie- und stromministerium sei und außerdem ein bauunternehmen habe. dieses bauunternehmen habe u. a. ein projekt in der provinz i. , nämlich den bau einer schule. gegen 2 uhr nachts habe sein vater einen anruf erhalten, dass in i. ein ingenieur von ihm getötet worden sei. das seien die taliban gewesen, die gegen die schulen und dagegen seien, dass mädchen auf die schulen gingen. der kläger selbst sei auf dem weg zu einem einkauf von drei personen in ein auto gezerrt worden, wo er einen schwarzen sack über den kopf bekommen habe. er sei geschlagen worden und habe das bewusstsein verloren. man habe ihn in einen blutverschmierten dunklen raum gebracht. dort habe ihn ein großer typ nach der telefonnummer seines vaters gefragt. eine woche sei er dort festgehalten worden, er habe tee und essen bekommen. in dieser woche hätten sie ihm immer gedroht, dass ihm etwas passiere, wenn sein vater nicht zahle. dann sei er mit verbundenen händen in einem auto mit getönten scheiben an einen ort verbracht worden, wo sein vater ihn abholen könne. sie hätten ihn mit tritten aus dem auto befördert, ein vorbeikommender radfahrer habe seinen vater angerufen. der habe ihn dann abgeholt und nach hause gebracht. die personen hätten abends noch einmal zu hause angerufen und hätten gedroht, da sie so viel geld für seine entführung erhalten hätten, sein vater solle nichts sagen, sonst würden sie auch noch die schwester entführen. 4mit bescheid vom 6. oktober 2011, zugestellt am 12. oktober 2011, lehnte das bundesamt den asylantrag des klägers ab und verneinte die voraussetzungen der zuerkennung seiner flüchtlingseigenschaft. ferner stellte es fest, dass abschiebungsverbote nach § 60 abs. 2 bis 7 des aufenthaltsgesetzes ‑ aufenthg ‑ nicht vorlägen. der kläger wurde aufgefordert, die bunderepublik innerhalb von 30 tagen nach bekanntgabe der entscheidung, im falle der klageerhebung innerhalb von 30 tagen nach unanfechtbarem abschluss des asylverfahrens zu verlassen. im falle der nicht fristgerechten ausreise werde der kläger nach afghanistan oder in einen anderen staat abgeschoben, in den er ausreisen dürfe oder der zu seiner rückübernahme verpflichtet sei. 5der kläger hat am 25. oktober 2011 klage erhoben. zur begründung trägt er ergänzend vor, dass unter zugrundelegung der höchstrichterlichen rechtsprechung zumindest eine extreme allgemeine gefahrenlage festzustellen sei, insbesondere wegen der schlechten versorgungssituation und wegen der gefahren der zwangsrekrutierung durch die taliban; deshalb lägen abschiebungshindernisse nach § 60 abs. 7 aufenthg vor. 6der kläger beantragt, 7die beklagte unter aufhebung des bescheides des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 6. oktober 2011 zu verpflichten, den kläger als asylberechtigten anzuerkennen sowie dem kläger die flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,hilfsweise, 8die beklagte unter aufhebung des bescheides des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 6. oktober 2011 zu nrn. 2. bis 4. zu verpflichten, festzustellen, dass dem kläger subsidiärer schutz zu gewähren ist, 9äußerst hilfsweise,die beklagte unter aufhebung des bescheides des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 6. oktober 2011 zu nrn. 2. bis 4. zu verpflichten, festzustellen, dass abschiebungsverbote gemäß § 60 abs. 5 und 7 des aufenthaltsgesetzes vorliegen. 10die beklagte beantragt, 11die klage abzuweisen. 12zur begründung bezieht sie sich auf den inhalt des angefochtenen bescheides. 13mit beschluss vom 4. november 2013 hat die kammer dem berichterstatter den rechtsstreit als einzelrichter zur entscheidung übertragen. 14wegen der weiteren einzelheiten wird auf den inhalt der gerichtsakte sowie der von der beklagten vorgelegten verwaltungsvorgänge bezug genommen. 15 | 16die klage hat keinen erfolg. 17sie ist in dem nach § 77 abs. 1 satz 1 des asylverfahrensgesetzes ‑ asylvfg ‑ maßgeblichen zeitpunkt der mündlichen verhandlung sowohl hinsichtlich des hauptantrags als auch der hilfsanträge unbegründet. 181. der kläger hat keinen anspruch auf anerkennung als asylberechtigter gemäß art. 16a abs. 1 des grundgesetzes - gg -. insofern wird auf die ausführungen im angefochtenen bescheid gemäß § 77 abs. 2 asylvfg bezug genommen. zu den unklarheiten hinsichtlich des reisewegs, die schon das bundesamt dazu veranlasst hat, den § 26a asylvfg anzuwenden, treten noch weitere unklarheiten hinzu, die durch die angaben des klägers in der mündlichen verhandlung vom 20. märz 2014 entstanden sind. hat der kläger bei seiner anhörung durch das bundesamt am 16. november 2010 erklärt, dass er bei der einreise nach deutschland nach seiner letzten landung mit dem flugzeug zunächst eine stunde mit dem taxi zu einem bahnhof, von dort vier bis fünf stunden mit dem zug und anschließend wieder mit einem taxi zu einem restaurant gefahren sei, von wo ihn sein bruder nach einer halben stunde abgeholt habe, gab er in der mündlichen verhandlung an, nach der letzten landung ca. 20 bis 30 minuten mit dem taxi gefahren zu sein zu einer stelle, von der ihn sein bruder nach etwa einer halben stunde abgeholt habe. 192. der kläger hat keinen anspruch auf zuerkennung der flüchtlingseigenschaft nach § 3 abs. 1 und 4 asylvfg. 20nach § 3 abs. 1 asylvfg genießt ein ausländer den schutz als flüchtling im sinne des abkommens über die rechtsstellung der flüchtlinge vom 28. juli 1951 - genfer flüchtlingskonvention -, wenn er sich aus begründeter furcht vor verfolgung wegen seiner rasse, religion, nationalität, politischen überzeugung oder zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen gruppe (dazu im einzelnen § 3b asylvfg) außerhalb des landes befindet, dessen staatsangehörigkeit er besitzt und dessen schutz er nicht in anspruch nehmen kann oder wegen dieser furcht nicht in anspruch nehmen will oder in dem er als staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser furcht nicht zurückkehren will. ausnahmsweise ausgeschlossen ist dieser flüchtlingsschutz in den fällen des § 3 abs. 2 bis 4 asylvfg und des § 60 abs. 8 des aufenthaltsgesetzes ‑ aufenthg ‑. 21als verfolgung gelten gemäß § 3a asylvfg handlungen, die auf grund ihrer art und wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende verletzung der grundlegenden menschenrechte darstellen bzw. in einer kumulierung unterschiedlicher maßnahmen, einschließlich einer verletzung der menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine person davon in ähnlicher weise betroffen ist, § 3a abs. 1 asylvfg. die grundlegenden menschenrechte in diesem sinne sind insbesondere die rechte, von denen nach artikel 15 abs. 2 der konvention vom 4. november 1950 zum schutz der menschenrechte und grundfreiheiten (emrk) keine abweichung zulässig ist (folter, sklaverei und leibeigenschaft, keine strafe ohne gesetz). als verfolgung können unter anderem die anwendung physischer oder psychischer gewalt, einschließlich sexueller gewalt gelten, aber auch gesetzliche, administrative, polizeilicher oder justizielle maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender weise angewandt werden, ebenso unverhältnismäßige oder diskriminierende strafverfolgung oder bestrafung, ebenso die verweigerung gerichtlichen rechtsschutzes mit dem ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden bestrafung, ebenso strafverfolgung oder bestrafung wegen verweigerung des militärdienstes in einem konflikt, wenn der militärdienst verbrechen oder handlungen umfassen würde, die den flüchtlingsschutz nach § 3 abs. 2 asylvfg ausschließen, sowie handlungen, die an die geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen kinder gerichtet sind. 22ausgehen kann die verfolgung gemäß § 3b asylvfg von dem staat, von parteien oder organisationen, die den staat oder einen wesentlichen teil des staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen akteuren, sofern der staat oder die parteien oder organisationen, die den staat oder einen wesentlichen teil des staatsgebietes beherrschen, einschließlich internationaler organisationen, erwiesenermaßen nicht in der lage oder nicht willens sind, schutz vor verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem land eine staatliche herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. 23schutz vor verfolgung muss nach § 3d abs. 2 asylvfg wirksam und darf nicht nur vorübergehender art sein. generell ist ein solcher schutz gewährleistet, wenn der staat oder die parteien bzw. organisationen einschließlich internationaler organisationen, die den staat oder einen wesentlichen teil des staatsgebietes beherrschen, geeignete schritte einleiten, um die verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame rechtsvorschriften zur ermittlung, strafverfolgung und ahndung von handlungen, die eine verfolgung darstellen, und wenn der ausländer zugang zu diesem schutz hat. interner schutz schließt dabei die zuerkennung der flüchtlingseigenschaft aus, und zwar dann, wenn der ausländer in einem teil seines herkunftslandes keine begründete furcht vor verfolgung oder zugang zu schutz vor verfolgung im vorbeschriebenen sinne hat und der ausländer sicher und legal in diesen landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3e abs. 1 asylvfg. ob ein solch interner schutz besteht, ist unter heranziehung der vorgaben des § 3e abs. 2 asylvfg zu prüfen. 24schließlich muss zwischen den verfolgungsgründen und den verfolgungshandlungen oder dem fehlen von schutz vor solchen handlungen eine verknüpfung bestehen, § 3a abs. 3 asylvfg. 25hinsichtlich des prognosemaßstabs ist bei der prüfung der zuerkennung der flüchtlingseigenschaft der maßstab der beachtlichen wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. art. 4 abs. 4 der richtlinie 2011/95/eg des europäischen parlaments und des rates vom 13. dezember 2011 über normen für die anerkennung von drittstaatsangehörigen oder staatenlosen als personen mit anspruch auf internationalen, für einen einheitlichen status für flüchtlinge oder für personen mit anrecht auf subsidiären schutz und für den inhalt des zu gewährenden schutzes (abl. eu nr. l 337, s. 9-26) - sog. qualifikationsrichtlinie - rl 2011/95/eg privilegiert dabei den von ihm erfassten personenkreis bei einer vorverfolgung durch eine beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften wahrscheinlichkeitsmaßstab. 26vgl. zur vorgängerregelung in art. 4 abs. 4 rl 2004/83/eg: bundesverwaltungsgericht (bverwg), urteile vom 7. september 2010 - 10 c 11.09 -, vom 27. april 2010 - 10 c 5.09 -, und vom 1. juni 2011 - 10 c 10.10 u. 10 c 25.10 -; oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (ovg nrw), urteil vom 17. august 2010 - 8 a 4063/06.a -; ovg saarland, urteil vom 16. september 2011 - 3 a 352/09 -; ovg schleswig-holstein, urteil vom 6. oktober 2011 - 4 lb 5/11 -. 27im übrigen folgt aus den in art. 4 rl 2011/95/eg geregelten mitwirkungs- und darlegungsobliegenheiten des antragstellers, dass es auch unter berücksichtigung der vorgaben dieser richtlinie sache des ausländers ist, die gründe für seine flucht vor verfolgung schlüssig vorzutragen. dazu muss er unter angabe genauer einzelheiten einen in sich stimmigen sachverhalt schildern, aus dem sich bei wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger würdigung eine verfolgung droht. 28vgl. zur vorgängerregelung in art. 4 rl 2004/83/eu: ovg nrw, urteil vom 17. august 2010 - 8 a 4063/06.a -. 29gemessen an diesen vorgaben ist im vorliegenden fall des klägers eine politische verfolgung im sinne des § 3 abs. 1 asylvfg nicht festzustellen. dabei kann dahingestellt bleiben, ob die verfolgungsgeschichte des klägers als glaubhaft zu bewerten ist. denn selbst dann, wenn sein vorbringen insgesamt als wahr unterstellt wird, folgt daraus jedenfalls keine verfolgung aus den in §§ 3 abs. 1, 3b asylvfg genannten verfolgungsgründen. die geschilderten bedrohungen knüpfen in bezug auf den kläger ersichtlich nicht an die dort genannten merkmale an. er wurde weder wegen seiner rasse, religion, nationalität, politischen überzeugung noch wegen zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen gruppe entführt. die bedrohungen sind vielmehr krimineller natur ohne asyl- oder flüchtlingserheblichen bezug. der kläger wurde entführt, um von seinem vater eine geldzahlung zu erpressen. der kläger konnte in der mündlichen verhandlung keine gründe nennen, die seine entführer dazu veranlasst haben, seinen vater um geld zu erpressen. nicht einmal vermutungen hat er insoweit angestellt. soweit er bei der anhörung durch das bundesamt noch die vermutung geäußert hatte, dass möglicherweise taliban seinerzeit den ingenieur seines vaters getötet hätten und diese u. u. auch hinter der entführung und der erpressung gesteckt hätten, hat er hieran in der mündlichen verhandlung nicht mehr festgehalten. 303. dem kläger steht auch kein anspruch auf gewährung subsidiären schutzes nach § 4 asylvfg zu. danach ist ein ausländer subsidiär schutzberechtigter, wenn er stichhaltige gründe für die annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem herkunftsland ein ernsthafter schaden droht. als ernsthafter schaden gilt a) die verhängung oder vollstreckung der todesstrafe (§ 4 abs. 1 nr. 1 asylvfg), b) folter oder unmenschliche oder erniedrigende behandlung oder bestrafung (§ 4 abs. 1 nr. 2 asylvfg) oder c) eine ernsthafte individuelle bedrohung des lebens oder der unversehrtheit einer zivilperson infolge willkürlicher gewalt im rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten konflikts (§ 4 abs. 1 nr. 3 asylvfg). für die gewährung subsidiären schutzes gelten die §§ 3c bis 3e asylvfg entsprechend. damit werden die dortigen bestimmungen über die verfolgungs- und schutzakteure und den internen schutz für anwendbar erklärt. 31a) was die die gefahr der verhängung oder vollstreckung der todesstrafe angeht, so müssen ernsthafte anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der schutzsuchende konkret wegen einer straftat gesucht wird, derentwegen individuell die todesstrafe verhängt werden kann. die gefahr einer todesstrafe ist im vorliegenden verfahren weder vorgetragen noch sonst nicht ersichtlich. 32b) der wortlaut des § 4 abs. 1 nr. 2 asylvfg entspricht dem art. 3 der europäischen konvention zum schutze der menschenrechte und grundfreiheiten vom 4. november 1950 - emrk - (bgbl. 1952 ii seite 685), deshalb kann zur auslegung grundsätzlich auf die diesbezügliche rechtsprechung, insbesondere auch des europäischen gerichtshofs für menschenrechte (egmr) und auf die literatur verwiesen werden. es müssen konkrete anhaltspunkte oder stichhaltige gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der ausländer im fall seiner abschiebung einem echten risiko oder einer ernsthaften gefahr einer art. 3 emrk widersprechenden behandlung ausgesetzt wäre. 33vgl. zum ganzen etwa bverwg, urteile vom 27. april 2010 - 10 c5.09 - und vom 7. dezember 2010 - 10 c 11.09 -; ovg nrw, urteil vom 14. dezember 2012 - 14 a 2708/10.a -. 34dies ist hier nach den obigen ausführungen nicht ersichtlich. 35c) § 4 abs. 1 nr. 3 asylvfg: der begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten konfliktes ist unter berücksichtigung der bedeutung dieser begriffe im humanitären völkerrecht, insbesondere unter heranziehung von art. 3 der genfer konventionen zum humanitären völkerrecht 1949 (gk) und des zur präzisierung erlassenen zusatzprotokolls ii von 1977 (zp ii) auszulegen. einerseits liegt danach ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter konflikt jedenfalls dann vor, wenn bewaffnete konflikte im hoheitsgebiet eines staates zwischen dessen streitkräften und abtrünnigen streitkräften oder anderen organisierten gruppen stattfinden, die unter verantwortlicher führung eine solche kontrolle über einen teil des hoheitsgebietes des staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte kampfhandlungen durchführen können. andererseits liegt ein konflikt im sinne des § 4 abs. 1 nr. 3 asylvfg nicht vor bei bloßen fällen innerer unruhen oder spannungen wie tumulten oder vereinzelt auftretenden gewalttaten. bei innerstaatlichen krisen, die zwischen diesen erscheinungsformen liegen, scheidet die annahme eines bewaffneten konfliktes zwar nicht von vornherein aus. der konflikt muss dann aber ein bestimmtes maß an intensität und dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in bürgerkriegsauseinandersetzungen oder guerilla-kämpfen vorherrschen. 36vgl. bverwg, urteile vom 24. juni 2008 - 10 c 43.07 - und vom 27. april 2010 - 10 c 4.09 -; vgh baden-württemberg, urteile vom 6. märz 2012 - a 11 s 3070/11 - und - a 11 s 3177/11 -. 37der innerstaatliche konflikt muss sich dabei – unabhängig von seiner erscheinungsform – nicht auf das gesamte staatsgebiet erstrecken; es genügt vielmehr, dass bewaffnete gruppen kampfhandlungen in einem teil des hoheitsgebiets durchführen. für die gewährung subsidiären schutzes nach § 4 abs. 1 nr. 3 asylvfg ist grundsätzlich auf die herkunftsregion des ausländers abzustellen, in die der ausländer typischerweise zurückkehren wird. 38vgl. bverwg, urteil vom 24. juni 2008 - 10 c 43.07 -; hessvgh, urteil vom 11. dezember 2008 - 8 a 611/08.a -. 39der ausländer muss von dem bewaffneten konflikt „individuell“ bedroht sein. eine solche individuelle bedrohung ist anzunehmen, wenn der ausländer spezifisch aufgrund von umständen betroffen ist, die seiner persönlichen situation innewohnen. dazu gehören in erster linie persönliche umstände, die den ausländer von der allgemeinen, ungezielten gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von berufs wegen gezwungen ist, sich nahe der gefahrenquelle aufzuhalten. gefahren, denen die bevölkerung oder eine bevölkerungsgruppe eines landes „allgemein“ ausgesetzt sind, stellen demgegenüber normalerweise keine individuelle bedrohung dar (vgl. insoweit auch erwägungsgrund 35 der rl 2011/95/eg). 40gemessen an diesen grundsätzen steht dem kläger kein anspruch auf subsidiären schutz nach § 4 abs. 1 nr. 3 asylvfg zu. in kabul herrscht kein bewaffneter konflikt; jedenfalls ist nach der gegenwärtigen auskunftslage nicht ersichtlich, dass in kabul aufgrund der dortigen situation ein derart außergewöhnlich hoher gefahrengrad vorherrscht, der dadurch gekennzeichnet ist, dass praktisch jede zielperson allein aufgrund ihrer anwesenheit in dem betroffenen gebiet einer ernsthaften individuellen bedrohung ausgesetzt ist. 41vgl. ovg nrw, beschluss vom 7. februar 2013 - 13 a 2871/12.a -; ovg rheinland-pfalz, urteil vom 21. märz 2012 - 8 a 11050/10 -; hessvgh, urteil vom 16. juni 2011 - 8 a 2011/10.a -; bayvgh, urteil vom 3. februar 2011 - 13a b 10.30394 -. 42vielmehr wird die sicherheitslage in kabul etwa von der afghanistan research and evaluation unit (areu) als verhältnismäßig gut eingestuft. es komme bisweilen zu anschlägen durch aufständische gruppen, jedoch gingen die menschen im allgemeinen ohne sicherheitsbedenken ihrem alltag nach (areu, mai 2011, s. 15), 43zitiert nach accord, allgemeine sicherheitslage in afghanistan und chronologie für kabul, ecoi.net-themendossier (letzte aktualisierung 16. januar 2013); s. dort auch die übersicht über die sicherheitsrelevanten vorfälle in kabul seit januar 2011. 44auch das auswärtige amt stellt in seinem lagebericht vom 10. januar 2012 fest, dass die sicherheitslage für die zivilbevölkerung in kabul ungeachtet mehrerer spektakulärer anschläge, die sich jedoch im wesentlichen gegen „prominente ziele“ wie den präsidentenpalast, militärische einrichtungen oder botschaften gerichtet haben, insgesamt stabil und ruhiger als noch vor zwei jahren sei. 45vgl. auswärtiges amt, bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante lage in der islamischen republik afghanistan, 10. januar 2012, s. 12; ebenso ovg nrw, beschlüsse vom 18. januar 2013 - 13 a 2382/12.a - und vom 13. februar 2013 - 13 a 1524/12.a -; vgh baden-württemberg, urteil vom 27. april 2012 - a 11 s 3079/11 -. 46in dem letzten lagebericht heißt es, dass die zahl der sicherheitsrelevanten zwischenfälle im berichtszeitraum im vergleich zum vorjahr leicht abgenommen und somit den letztjährigen trend fortgesetzt habe. 47vgl. auswärtiges amt, bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante lage in der islamischen republik afghanistan, 4. april 2013, s. 4. 48zwar kam es zuletzt im jahr 2012 vereinzelt in überwiegend stabilen räumen u. a. in kabul zu einer vorübergehenden zuspitzung der sicherheitslage. den afghanischen sicherheitskräften ist es allerdings überwiegend gelungen, die sicherheit wiederherzustellen. 49vgl. bundesregierung deutschland, fortschrittsbericht afghanistan zur unterrichtung des deutschen bundestages, november 2012, s. 13. 50ferner wird berichtet, dass vor allem anlässlich des durch die taliban verübten koordinierten angriffs in kabul am 15. und 16. april 2012 die bewohner der hauptstadt nur noch wenig vertrauen in die schutzfähigkeit der afghanischen sicherheitskräfte haben. ungeachtet dessen liege – abgesehen von sporadischen raketenangriffen auf die hauptstadt – der fokus der taliban auf angriffen, die möglichst nah am zentrum der macht verübt werden sollen. die taliban bevorzugten daher sporadische, öffentlichkeitswirksame angriffe („high-profile attacks“), durch die ein gefühl von unsicherheit hervorgerufen wird. die taliban scheinen indes nicht daran interessiert zu sein, relativ machtlose personen zu verletzen. 51vgl. accord, allgemeine sicherheitslage in afghanistan und chronologie für kabul, ecoi.net-themendossier (letzte aktualisierung 16. januar 2013), sowie anfragebeantwortungen vom 13. januar 2012 und vom 2. februar 2012 jeweils u. a. zur sicherheitslage in der stadt kabul. 524. der kläger kann sich auch nicht auf die sog. nationalen abschiebungsverbote des § 60 abs. 5 und 7 satz 1 aufenthg berufen. 53a) nach § 60 abs. 5 aufenthg darf ein ausländer nicht abgeschoben werden, wenn sich seine abschiebung in anwendung der europäischen konvention zum schutze der menschenrechte und grundfreiheiten als unzulässig erweist. ausschließlich zu prüfen sind auch in diesem rahmen nur etwaige zielstaatsbezogene abschiebungsverbote. in betracht kommt damit vor allem ein abschiebungsverbot nach art. 3 emrk (verbot der folter). das darin enthaltene verbot von folter oder unmenschlicher oder erniedrigender strafe oder behandlung entspricht allerdings inhaltlich vollständig dem in § 4 abs. 1 nr. 2 asylvfg enthaltenen grund für die gewährung von subsidiären schutz und ist bereits dort zu prüfen; insoweit hat § 60 abs. 5 aufenthg in verbindung mit art. 3 emrk keine eigenständige bedeutung mehr. in ausnahmefällen kann sich ein abschiebungsverbot aus art. 6 emrk (recht auf ein faires verfahren) ergeben, etwa dann, wenn im zielstaat der abschiebung eine verurteilung unter krasser missachtung der in art. 6 emrk normierten rechtsstaatlichen verfahrensgrundsätze droht. auch kann art. 9 emrk (gedanken-, gewissens- und religionsfreiheit) ein abschiebungsverbot analog zum asylrechtsschutz begründen. das recht auf achtung des familienlebens nach art. 8 emrk (recht auf achtung des privat- und familienlebens) wirkt demgegenüber – jedenfalls soweit es um das zusammenleben im bundesgebiet geht – grundsätzlich nicht zielstaatsbezogen. der schutz der familie im lichte des art. 8 emrk oder auch des art. 6 gg im falle einer trennung begründet demgemäß regelmäßig allenfalls ein sog. inlandsbezogenes abschiebungshindernis – auch soweit es sich um trennungsbedingte gefahren im zielstaat handelt – für dessen prüfung die ausländerbehörde zuständig ist (§ 60a abs. 2 aufenthg). 54vgl. etwa vgh baden-württemberg, urteil vom 13. dezember 3012 - a 2 s 1995/12 -; ovg lüneburg, beschluss vom 12. juli 2010 - 8 la 154/10 -. 55ausgehend davon ist weder vorgetragen noch ersichtlich, welches menschenrecht der emrk im konkreten fall des klägers ein abschiebungsverbot gemäß § 60 abs. 5 aufenthg begründen könnte. 56b) nach § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg soll von der abschiebung eines ausländers in einen anderen staat abgesehen werden, wenn dort für diesen ausländer eine erhebliche konkrete gefahr für leib, leben oder freiheit besteht. insoweit muss es sich um gefahren handeln, die den einzelnen ausländer in konkreter und individualisierbarer weise betreffen. erfasst werden auch dabei nur zielstaatsbezogene gefahren. diese müssen mit beachtlicher wahrscheinlichkeit drohen. 57derartige individuelle gefahren drohen dem kläger nicht in kabul. dieser abschiebeort kann von deutschland aus auf dem luftweg erreicht werden. 58vgl. auswärtiges amt, bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante lage in der islamischen republik afghanistan, 4. juni 2013, s. 19. 59dort ist der kläger vor den geltend gemachten konkreten bedrohungen nach überzeugung der kammer verfolgungssicher (s.o.). 60gefahren, denen die bevölkerung oder die bevölkerungsgruppe, der der ausländer angehört, „allgemein“ ausgesetzt ist, sind demgegenüber nach § 60 abs. 7 satz 2 aufenthg bei abschiebestopp-anordnungen nach § 60a abs. 1 satz 1 aufenthg zu berücksichtigen. insoweit entfaltet § 60 abs. 7 satz 2 aufenthg grundsätzlich eine gewisse sperrwirkung. die sperrwirkung des § 60 abs. 7 satz 2 aufenthg greift aufgrund der schutzwirkungen der grundrechte aus art. 1 abs. 1 und art. 2 abs. 2 satz 1 gg nur dann ausnahmsweise nicht, wenn der ausländer im zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er „gleichsam sehenden auges dem sicheren tod oder schwersten verletzungen ausgeliefert“ würde. 61vgl. bverwg, urteile vom 12. juli 2001 - 1 c 2.01 -, bverwge 114, 379, vom 29. juni 2010 - 10 c 10.09 -, nvwz 2011, 48, und vom 29. september 2011 - 10 c 24.10 ‑, nvwz 2012, 451. 62wann danach allgemeine gefahren von verfassungs wegen zu einem abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den umständen des einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen betrachtung. 63vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 4. januar 2013 - 13 a 2635/12.a - und - 13 a 2673/12.a - sowie vom 13. februar 2013 - 13 a 1524/12.a -. 64die drohenden gefahren müssen jedoch nach art, ausmaß und intensität von einem solchen gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver betrachtung für den ausländer die begründete furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher weise ein opfer der extremen allgemeinen gefahrenlage zu werden. bezüglich der wahrscheinlichkeit des eintritts der drohenden gefahren ist von einem im vergleich zum prognosemaßstab der beachtlichen wahrscheinlichkeit erhöhten maßstab auszugehen. diese gefahren müssen dem ausländer daher mit hoher wahrscheinlichkeit drohen. 65vgl. bayvgh, urteile vom 8. november 2012 - 13a b 11.30465 - und - 13a b 11.30391 -. 66ausgehend hiervon geht die kammer auf der grundlage der erkenntnisquellen, die ihr zur verfügung stehen, davon aus, dass trotz der nach wie vor teilweise äußerst schlechten allgemeinen versorgungslage in kabul nicht mit hoher wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass jeder rückkehrer aus europa den tod oder schwerste gesundheitsschäden bei einer rückführung nach kabul erleiden müsste. dies entspricht auch der obergerichtlichen rechtsprechung. 67vgl. ovg rheinland-pfalz, urteile vom 21. märz 2012 - 8 a 11048/10 - und - 8 a 11050/10 -; bayvgh, urteil vom 3. februar 2011 - 13a b 10.30394 -; ovg nrw, urteil vom 19. juni 2008 - 20 a 4676/06.a - und beschluss vom 26. oktober 2010 - 20 a 964/10.a -; ovg schleswig, urteil vom 10. dezember 2008 - 2 lb 23/08 -; dem hat sich zuletzt auch der vgh baden-württemberg unter aufgabe der senatsrechtsprechung in den urteilen vom 14. mai 2009 - a 11 s 610/08 - und 9. juni 2009 - a 11 s 477/09 - (beide aufgehoben und zurückverwiesen durch bverwg, urteile vom 8. september 2011 - 10 c 16.10 - und - 10 c 14.10 -) angeschlossen, vgl. urteile vom 6. märz 2012 - a 11 s 3177/11 - sowie vom 27. april 2012 - a 11 s 3079/11 - und - a 11 s 3392/11 -. 68zwar herrscht nach den vorliegenden erkenntnisquellen in kabul ein mangel an bezahlbarem wohnraum und ein zugang zu sauberem wasser sowie bezahlbarem strom ist nicht überall gewährleistet. infolgedessen sehen sich zahllose menschen gezwungen, in prekären unterkünften wie lehmhütten, zelten oder alten beschädigten gebäuden zu hausen. bei alledem ist die kriminalität und gefahr, opfer von überfällen zu werden, hoch. soziale sicherungssysteme bestehen nicht und die allgemeine medizinische versorgung ist schlecht. andererseits hat sich in vielen stadtteilen kabuls, zumal im stadtzentrum, die lage seit 2009 – etwa mit blick auf die stromversorgung, die eröffnung von geschäften und die etablierung einer müllabfuhr und eines mindestmaßes an ordnung überhaupt – durchaus verbessert. 69vgl. etwa yoshimura, sicherheitslage in afghanistan und humanitäre lage in kabul, asylmagazin 12/2011, s. 406, 408 ff., mit weiteren nachw.; s. auch vgh baden-württemberg, urteil vom 6. märz 2012 - a 11 s 3177/11 -, mit hinweis auf u. a. auf kermani, die zeit vom 5. januar 2012, 11 ff. 70erkenntnisquellen, die etwa den hungertod von rückkehrern in kabul dokumentieren, liegen nicht vor. 71ebenso unhcr, gutachten an ovg rheinland-pfalz vom 11. november 2011, s. 10 f. 72auch der bericht von amnesty international zur lage der binnenflüchtlinge aus februar 2012, 73„die flucht vor dem krieg führt ins elend – die not der binnenflüchtlinge in afghanistan“, zit. nach accord, anfragebeantwortung vom 1. juni 2012 zur situation von minderjährigen ohne familiäre anknüpfungspunkte bei rückkehr, 74enthält keine hinweise darauf, dass praktisch jeder mittellose rückkehrer gleichsam sehenden auges dem sicheren tod durch verhungern oder erfrieren mit hoher wahrscheinlichkeit ausgeliefert werden würde. zwar sind gemäß der einschätzung von amnesty international die lebensbedingungen in den flüchtlingslagern von kabul aufgrund des mangels an wohnungen, lebensmitteln und heizmaterial für familien im allgemeinen und kleine kinder im besonderen humanitär kritisch. reguläre arbeitsangebote für die menschen in diesen slums seien rar, viele männer und jungen könnten aber als lastenträger arbeiten und damit 600 bis 750 afghanis (13 bis 16 us-dollar) pro woche verdienen. 75vgl. hierzu auch bayvgh, beschluss vom 26. oktober 2012 - 13a zb 12.30108 -. 76unter berücksichtigung all dessen ergibt eine gesamtschau der aktuellen auskünfte, dass vor allem für alleinstehende, aus dem europäischen ausland zurückkehrende und arbeitsfähige männer aus der bevölkerungsmehrheit ohne erhebliche gesundheitliche einschränkungen in kabul die möglichkeit gegeben, als tagelöhner zumindest ein kümmerliches einkommen am randes des existenzminiums zu sichern. 77vgl. bverwg, urteil vom 31. januar 2013 – 10 c 15.12 –, www.bverwg.de;bayvgh, urteile vom 8. november 2012 - 13a b 11.30391 - und - 13a b 11.30465 -; ovg rheinland-pfalz, urteil vom 21. märz 2012 - 8 a 11050/10 -; vgh baden-württemberg, urteil vom 6. märz 2012 - a 11 s 3177/11 -; ovg nrw, beschluss vom 26. oktober 2010 - 20 a 964/10.a -; ovg schleswig, urteil vom 10. dezember 2008 - 2 lb 23/08 -. 78ausgehend davon kann im vorliegenden fall ein abschiebungsverbot nach § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg nicht festgestellt werden. denn für den kläger ist bei einer rückkehr nach kabul nicht mit hoher wahrscheinlichkeit eine derart extreme gefahrenlage zu erwarten, dass er dem baldigen tod oder schwersten gesundheitlichen verletzungen ausgeliefert wäre. nach lage der dinge ist der kläger nach seinem lebensalter und seinem gesundheitszustand in der lage zu arbeiten. dann kann er jedenfalls mit hilfe von gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches einkommen am rande des existenzminimums erzielen. 79vgl. zu dieser formulierung bverwg, urteil vom 31. januar 2013 – 10 c 15.12 –, www.bverwg.de. 805. ausreisefrist und abschiebungsandrohung (ziffer 4 des bescheides) begegnen keinen durchgreifenden bedenken (§§ 34, 38 asylvfg). 81die klage war nach alledem mit der kostenfolge des § 154 abs. 1 vwgo abzuweisen. gerichtskosten werden nach § 83 b asylvfg nicht erhoben. 82die vorläufige vollstreckbarkeit der kostenentscheidung beruht auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 709 satz 2, 711 der zivilprozessordnung. | Verklagte*r | 0 |
164,712 | S 62 (41,50) SO 296/08 | 2015-06-18T00:00:00 | Urteil | Tenor 1.Der Bescheid vom 11.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2008 wird aufgehoben. 2.Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab dem 10.12.2009 Pflegegeld nach der Pflegestufe I zu gewähren. Hinsichtlich des Zeitraums von der Antragstellung bis zum 09.12.2009 wird die Beklagte verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3.Die Beklagte hat dem Kläger vier Fünftel der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 1Tatbestand: 2Der Kläger begehrt Pflegegeld als Leistung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII). 3Der im Jahre 1999 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an multiplen Behinderungen im orthopädischen Bereich unklarer Ursache. Im Einzelnen bestehen eine doppelbogige Skoliose der Wirbelsäule, Fehlstellungen der unteren Extremitäten (operativ versorgte Kniegelenks-Luxation beidseits, Beinlängendifferenz von 2,5 cm, Hüftgelenksverdrehung beidseits sowie Fußfehlstellungen) und eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung und Belastbarkeitsminderung der Ellenbogen. Der Kläger ist aufgrund dieser Behinderungen sowohl in seiner Gehfähigkeit als auch im Bereich der Körperpflege, Ernährung und Mobilität eingeschränkt. Aufgrund der Skoliose ist er mit einem Korsett versorgt. 4Der Kläger stammt aus Polen, er reiste im Jahr 2007 mit seiner Familie nach Deutschland ein. Die Familie bewohnt eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, sie ist während des Verfahrens einmal umgezogen, jedoch nur eine Straße weiter (zunächst XXX, jetzt XXX). Zur Sicherung des Lebensunterhaltes bezieht die Familie seit der Einreise nach Deutschland Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II). Im Jahre 2012 schaffte sich die Familie erstmals ein Kfz an, es handelte sich um einen VW Golf, Baujahr 2003, mit einer Laufleistung von 168.000 km, der Kaufpreis betrug 2.300,- EUR. Dieses Fahrzeug wurde im Jahr 2013 gestohlen, als Ersatz schaffte sich die Familie einen Mazda 323, Baujahr 2000, mit einer Laufleistung von 170.000 km an, der Kaufpreis betrug 1.300,- EUR. Dieses Fahrzeug wurde mittlerweile durch einen Ford Focus, Baujahr 2004, ersetzt, den die Familie im Jahr 2014 zum Preis von 1.300,- EUR anschaffte und weiter benutzt. 5Der Kläger besuchte zunächst die XXX Grundschule in XXX (XXX). Da die Familie zum damaligen Zeitpunkt noch nicht über ein Auto verfügte, transportierte die Mutter ihn mit dem Fahrrad zur Schule. Dies geschah in der Weise, dass sie ihn auf den Gepäckträger setzte und das Fahrrad dann zur Schule schob. Der Fußweg vom XXX bis zur Schule beträgt 9 min. 6Ab dem Jahr 2010 besucht der Kläger das XXX -Gymnasium in XXX. Der Transport zur Schule erfolgte zunächst in der Weise, dass die Mutter ihn auf dem Gepäckträger sitzend zur S-Bahn-Station schob, von dort mit ihm mit der S-Bahn nach XXX und anschließend mit dem Bus zur Schule fuhr. Seit der Anschaffung des Pkw im Jahr 2012 bringt sie ihn mit dem Auto zur Schule. Anfangs begleitete sie ihn noch in die Schule, seit dem Jahr 2014 setzt sie ihn vor der Schule ab. Die Fahrzeit mit dem Auto vom XXX in XXX zum XXXGymnasium in XXX beträgt 14 min. Der Kläger ist mit einem doppelten Satz Schulbücher ausgestattet, so dass er diese nicht immer von der Schule nach Hause und zurück transportieren muss. 7Die nächstgelegene Schule vom Wohnort des Klägers ist das XXX Gymnasium in XXX. Die Entfernung vom XXX beträgt 3 km und die Fahrzeit mit dem Auto 7 min. Der Kläger beantragte nach dem Wechsel zum Gymnasium XXX im Jahr 2010 die Übernahme der Fahrkosten bei der Stadt XXX Diese lehnte das mit Bescheid vom 13.09.2010 ab, da Fahrtkosten erst ab einer Entfernung von 3,5 km übernommen werden könnten und maßgeblich der Weg zur nächstgelegenen Schule sei, der unterhalb dieser Grenze liege. Zwar komme aufgrund der Behinderung auch bei kürzeren Entfernungen eine Übernahme von Fahrtkosten in Betracht. Der Kläger und seine Mutter könnten jedoch aufgrund der Behinderung öffentliche Verkehrsmittel kostenlos benutzen und dies sei ihnen auch möglich. Es entstünden daher gar keine Fahrtkosten, die übernommen werden könnten. 8Der Kläger erhält seit November 2007 aufgrund seiner Behinderung eine Krankengymnastik. Die Behandlungen fanden zunächst in der Praxis XXX in XXX statt. Die Mutter fuhr ihn mit dem Fahrrad dort hin, die Fahrzeit beträgt 19 min. Seit Anfang des Jahres 2009 wird der Kläger in der Praxis XXX behandelt XXX. Die Entfernung beträgt einen Kilometer und der Fußweg 5 min. Die Behandlung dauerte jeweils 20 min. Der Kläger ist im Zeitraum 01.01.2009 bis 31.08.2013 (56 Monate) insgesamt 157 mal dort behandelt worden, durchschnittlich also dreimal pro Monat. Seit dem 01.09.2013 erhält er keine Krankengymnastik mehr. 9Der Kläger beantragte nach der Einreise zunächst Pflegeleistungen bei seiner Pflegeversicherung. Diese teilte ihm mit Schreiben vom 30.08.2007 mit, dass ein Leistungsanspruch erst nach fünf Jahren Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung bestehe. Da er ab dem 21.05.2007 pflegeversichert sei, könne er erst im Mai 2012 Leistungen nach dem SGB XI beantragen. 10Der Kläger beantragte am 22.01.2008 Pflegegeld nach dem SGB XII bei der Beklagten. Diese führte am 31.03.2008 einen Hausbesuch bei dem Kläger durch und ermittelte dann einen Pflegebedarf von 18 min pro Tag. Dieser setzt sich zusammen aus 1 min Hilfebedarf beim Stuhlgang, 1 min beim Transfer in die Badewanne und 16 min aufgrund der notwendigen Begleitung zur Krankengymnastik, die zweimal wöchentlich durchgeführt werde. Die Behandlungszeit betrage 30 min und die Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Praxis XXX in XXX 25 min (ergibt 55 min pro Behandlung, d.h. 110 min pro Woche = 16 min pro Tag). 11Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers daraufhin mit Bescheid vom 11.04.2008 ab. Die Voraussetzungen der Pflegestufe I analog § 15 SGB XI lägen bei dem Kläger nicht vor, so dass er keinen Anspruch auf Pflegegeld habe. Es seien auch keine Pflegebeihilfen nach § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zu gewähren, da die gelegentlichen Hilfeleistungen dies nicht rechtfertigten, zumal die Leistung vorrangig der Aufrechterhaltung der Pflegebereitschaft ehrenamtlicher Pflegepersonen diene. 12Der Kläger legte gegen den Bescheid am 08.05.2008 Widerspruch ein. Diesen begründete er damit, dass der Pflegebedarf höher zu bewerten sei. 13Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2008 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass nur ein geringer Pflegebedarf bestehe, der im Wesentlichen auf der Begleitung zur Krankengymnastik beruhe. Man müsse davon ausgehen, dass auch bei einem gleichaltrigen gesunden Kind ein altersgemäßer Pflegeaufwand bestehe. Der festgestellte behinderungsbedingte Mehraufwand von täglich 18 min rechtfertige keine Pflegebeihilfe gem. § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Ein Anspruch auf Pflegegeld bestehe erst recht nicht, da die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht erfüllt seien. 14Der Kläger hat am 27.10.2008 Klage erhoben. Diese begründet er damit, dass einen Anspruch auf Pflegegeld nach dem SGB XII habe, da die Voraussetzungen der Pflegestufe I vorlägen. Bei der Bemessung der Pflegezeit sei auch die Fahrzeit zur Schule zu berücksichtigen, da er aufgrund der Behinderung auf die Begleitung durch seine Mutter angewiesen sei. Wenn kein Anspruch auf Pflegegeld bestehe, müsse die Beklagte ihn neu bescheiden, da sie das in § 65 Abs. 1 SGB XII eingeräumte Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt habe. 15Der Kläger hat während des Klageverfahrens im Jahr 2012 erneut einen Antrag auf Pflegegeld bei seiner Pflegekasse gestellt. Der MDK ermittelte in seinem Gutachten vom 03.09.2012 einen Pflegebedarf von 26 min pro Tag. Der Antrag wurde daraufhin mit Bescheid der AOK vom 10.09.2012 abgelehnt. 16Der Kläger beantragt, 17den Bescheid vom 11.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 25.02.2008 Pflegegeld nach der Pflegestufe I zu gewähren, 18hilfsweise die Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. 19Die Beklagte beantragt, 20die Klage abzuweisen. 21Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Bescheide, die sie für rechtmäßig hält. 22Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen XXX. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten Bezug genommen. 23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind. 24Entscheidungsgründe: 25Die Klage ist zulässig und ganz überwiegend auch begründet. 26Der Bescheid der Beklagten vom 11.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2008 erweist sich als rechtswidrig, denn der Kläger hat schon mit seinem Hauptantrag teilweise Erfolg (1.). Soweit der Hauptantrag abgewiesen werden musste, ist der Hilfsantrag des Klägers begründet (2.). 271. Der Hauptantrag des Klägers ist hinsichtlich des Zeitraums ab dem 10.12.2009 begründet, denn der Kläger hat ab diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I. 28Der Anspruch des Klägers beruht auf § 64 Abs. 1 SGB XII. Nach dieser Vorschrift erhalten Pflegebedürftige, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (erheblich Pflegebedürftige), ein Pflegegeld in Höhe des Betrages nach § 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Elften Buches. Nach § 64 Abs. 4 SGB XII ist bei pflegebedürftigen Kindern der infolge Krankheit oder Behinderung gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind zusätzliche Pflegebedarf maßgebend. 29Der Kläger erfüllt ab dem 10.12.2009 (Vollendung des 10. Lebensjahres) diese Voraussetzungen, denn ab diesem Zeitpunkt weicht sein Pflegebedarf so stark vom dem eines gleichaltrigen gesunden Kindes ab, dass die Pflegestufe I erreicht wird. 30Die erforderliche Mindestpflegezeit für die Pflegestufen wird in § 64 SGB XII nicht ausdrücklich definiert. Nach § 61 Abs. 6 SGB XII sind jedoch die Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches (Begutachtungs-Richtlinien) entsprechend anzuwenden und diese verweisen in Teil D 4.0 auf die Regelung des § 15 Abs. 3 SGB XI, die somit auch für die Abgrenzung der Pflegestufen nach § 64 Abs. 1-3 SGB XII relevant ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.08.2013 – L 7 SO 2971/09; Meßling in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 64 SGB XII, Rn. 25). Damit ist für die Pflegestufe I die Regelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI maßgeblich. Danach muss der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen. 31Bei der Formulierung "wöchentlich im Tagesdurchschnitt" handelt es sich um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers, gemeint ist "täglich im Wochendurchschnitt" (vgl. BSG, Urteil vom 12.11.2003 - B 3 P 5/02 R). Es kommt also auf den Pflegebedarf pro Tag an, der auf der Grundlage des in einer Woche durchschnittlich anfallenden Hilfebedarfs zu ermitteln ist. 32Ab dem 10.12.2009 beträgt der Pflegebedarf des Klägers mindestens 97 min pro Tag, davon entfallen 52 min auf die Grundpflege, ab dem 01.09.2013 reduziert sich der Pflegebedarf auf mindestens 94 min pro Tag, davon entfallen 49 min auf die Grundpflege. Damit liegen die Voraussetzungen der Pflegestufe I durchgehend seit dem 10.12.2009 vor. 33Die Bemessung der erforderlichen Pflegezeiten erfolgt auf der Grundlage der Begutachtungs-Richtlinien nach § 17 SGB XI, die nach § 61 Abs. 6 SGB XII entsprechend anzuwenden sind. Für die Ganzkörperwäsche ist als Orientierungswert in Teil F der Richtlinien ein Zeitaufwand von 20 bis 25 Minuten vorgesehen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen XXX in seinem Gutachten vom 17.03.2012 wird der Kläger normalerweise einmal pro Tag in der Badewanne, im Wasser sitzend, geduscht, im Sommer wegen des starken Schwitzens unter dem Korsett zeitweilig auch zweimal täglich. Die Häufigkeit der Ganzkörperwäsche resultiert hier also aus der Korsettversorgung und ist daher als notwendig anzuerkennen. Der Kläger könne wegen der schmerzhaften Rotationseinschränkungen der Armbeweglichkeit die rückwärtigen Körperpartien nicht erreichen und sich nicht beidhändig die Haare waschen. Aufgrund der Wirbelsäulenerkrankung könnten auch die Füße nicht selbständig gewaschen werden. Insofern sei eine Teilübernahme des Waschens durch die Mutter erforderlich. Der größere Teil des Waschvorganges könne jedoch von dem Kläger selbst vorgenommen werden, so dass mit 10 min pro Tag nur knapp die Hälfte des in den Richtlinien vorgesehen Zeitaufwandes zu berücksichtigen sei. Dies ist absolut plausibel, so dass sich die Kammer insoweit den Ausführungen des Sachverständigen anschließt. 34Für die Zahnpflege ist in den Begutachtungs-Richtlinien ein Zeitaufwand von 5 Minuten pro Tag vorgesehen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. XXX kann sich der Kläger die untere Zahnreihe selbst putzen, für den Oberkiefer sei die Hilfe der Mutter notwendig. Dies sei auch nachvollziehbar, da hier ein erhöhter Pflege- und Kontrollaufwand vorliege. Es müsse daher ein Zeitaufwand von 2 min berücksichtigt werden, was bei zweimaligen Zähneputzen pro Tag zu insgesamt 4 min Hilfebedarf pro Tag führt. Die Kammer folgt auch diesen Ausführungen des Sachverständigen, die sie für schlüssig und überzeugend hält. 35Für die mundgerechte Zubereitung einer Hauptmahlzeit (einschließlich des Bereitstellens eines Getränkes) ist in den Begutachtungs-Richtlienen ein Zeitaufwand von 2 bis 3 Minuten vorgesehen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen kann der Kläger mit der linken Hand selbständig Speisen zum Mund führen und ohne Verschütten aus einer Tasse trinken. Er werde für den Aufenthalt in der Schule mit Broten und Obst ausgestattet, die er dort selbständig verzehre. Dies sei ihm auch beim Frühstück und beim Abendessen möglich. Aufgrund der schmerzhaften Belastungsminderung insbesondere des rechten Arms bestehe jedoch ein Hilfebedarf beim Zerteilen von harten Speisen (also z.B. beim Schneiden von Fleisch). Hierfür sei beim Mittag- und Abendessen jeweils ein Zeitaufwand von 1 min zu berücksichtigen, insgesamt also 2 min pro Tag. Die Kammer folgt auch diesen Ausführungen des Sachverständigen, die sie für schlüssig und überzeugend hält. 36Für das Ankleiden des Oberkörpers und das Auskleiden des Oberkörpers ist in den Begutachtungs-Richtlinien ein Zeitaufwand von 5 bis 6 Minuten bzw. 2 bis 3 Minuten vorgesehen. Bei dem Kläger besteht nach den Feststellungen des Sachverständigen aufgrund der schmerzhaften Bewegungseinschränkung, insbesondere bei den Rotationsbewegungen und der Überkopfhaltung des rechten Armes, und der Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule ein Hilfebedarf bei der Bekleidung des Oberkörpers. Allenfalls ein Unterhemd oder ein lockeres T-Shirt könnten selbst angezogen werden. Der Hilfebedarf bestehe auch beim Auskleiden am Abend einschließlich der Versorgung mit einem Schlafanzug. Für das Ankleiden sei ein Zeitaufwand von 5 min und für das Auskleiden von 3 min zu berücksichtigen. Für die Korsettversorgung hat der Sachverständige zusätzlich einen Zeitaufwand von 2 min pro Tag berücksichtigt, da diese Verrichtung in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ankleiden und Auskleiden stehe. Der Kläger könne sich das Korsett nicht selbst anlegen, da hierfür eine Drehbewegung des Oberkörpers bzw. der Arme und ein hoher Kraftaufwand erforderlich seien. Es sei daher für das An- und Ablegen insgesamt ein Tagesbedarf von 2 Minuten zu berücksichtigen. Auch dies deckt sich mit den Begutachtungs-Richtlinien, wonach der Gutachter bei der Feststellung des Zeitaufwandes für das An- und Ablegen von Prothesen, Orthesen, Korsetts und Stützstrümpfen aufgrund einer eigenen Inaugenscheinnahme den Zeitaufwand individuell zu messen habe. Den Ausführungen des Sachverständigen ist daher nach Auffassung der Kammer insoweit ebenfalls zu folgen. 37Für den Transfer in die bzw. aus der Badewanne ist nach den Begutachtungsrichtlinien ein Zeitaufwand von je 1 min anzusetzen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Huesmann besteht bei dem Kläger aufgrund der Bewegungseinschränkung und der Instabilität der unteren Extremitäten sowohl ein Einsteigen als auch beim Aussteigen aus der Badewanne eine erhöhte Sturzgefahr, so dass eine Abstützung seitens der Hilfsperson notwendig sei. Dafür sei ein Zeitraum von jeweils einer halben Minute zu berücksichtigen, insgesamt also eine Minute pro Tag. Die Kammer folgt auch diesen Ausführungen des Sachverständigen, die sie für schlüssig und überzeugend hält. 38Nach Teil F der Begutachtungs-Richtlinien (Orientierungswerte) sind als pflegeerschwerende Faktoren u.a. Fehlstellungen der Extremitäten und starke therapieresistente Schmerzen zu berücksichtigen. Der Sachverständige weist in seinem Gutachten darauf hin, dass bei dem Kläger eine zögerliche, etwas ängstliche Durchführung der Untersuchungsverrichtungen zur Vermeidung von Schmerzen zu beobachten gewesen sei. Dies sei bei allen Verrichtungen der Fall gewesen, die mit Bewegungen der Extremitäten verbunden gewesen seien, also bei der Körperpflege und beim An- und Auskleiden. Der Hilfebedarf bei diesen Verrichtungen sei daher um 10% zu erhöhen, so dass weitere 2 min pro Tag anzuerkennen seien. Dies erscheint der Kammer plausibel, so dass sie den Ausführungen des Sachverständigen auch insoweit folgt. 39Der Sachverständige gelangt damit auf der Grundlage der Begutachtungs-Richtlinien zu einem Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege von 29 min pro Tag, der nach Auffassung der Kammer überzeugend begründet ist. Die Richtigkeit der Feststellungen wird letztlich auch bestätigt durch das Gutachten des MDK vom 03.09.2012, das einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 26 min pro Tag dokumentiert, zu dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Huesmann bestehen nur graduelle Unterschiede. Der MDK berücksichtigt zusätzlich 2 min für die Hilfe beim Kämmen und 3 min für die Analhygiene nach Stuhlgang, wohingegen der Sachverständige dort keinen Hilfebedarf mehr gesehen hat. Demgegenüber wird im Gutachten des MDK nicht der Hilfebedarf bei der mundgerechten Zubereitung von Mahlzeiten aufgeführt, obwohl dies unter dem Punkt Umfang der pflegerischen Versorgung und Betreuung genannt ist. Die Korsettversorgung fließt im Gutachten des MDK in die Hilfe beim An- und Auskleiden ein, die entsprechend höher bewertet wird. Letztlich beruhen die Unterschiede zwischen den beiden Gutachten darauf, dass der Sachverständige die Hilfe bei der Ganzkörperwäsche etwas höher bewertet und zusätzlich die pflegeerschwerenden Faktoren berücksichtigt hat. Dies entspricht jedoch den Vorgaben in den Begutachtungs-Richtlinien (s.o.), so dass der Pflegebedarf jedenfalls nicht geringer zu bewerten ist, als in dem Gutachten des Sachverständigen. 40Der Sachverständige XXX hat in seinem Gutachten zusätzlich noch 17 min pro Tag für die Begleitung zur Krankengymnastik berücksichtigt. Nach Teil D 4.3 Nr. 15 der Begutachtungs-Richtlinien gehört zum Bereich Mobilität auch die Hilfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Es sind jedoch nur solche Maßnahmen außerhalb der Wohnung zu berücksichtigen, die unmittelbar für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause notwendig sind und das persönliche Erscheinen des Antragstellers erfordern. Berücksichtigungsfähige Maßnahmen sind das Aufsuchen von Ärzten zu therapeutischen Zwecken oder die Inanspruchnahme vertragsärztlich verordneter Therapien. Dazu gehört auch die Krankengymnastik, die der Kläger seit dem Jahr 2008 erhält. Die Begleitung ist auch erforderlich, denn der Kläger ist in seiner Gehfähigkeit eingeschränkt und daher außerhalb von geschlossenen Räumen auf eine Begleitperson angewiesen. Er hat gegenüber dem Sachverständigen XXX angegeben, dass er nicht richtig gehen könne, nach 100 Metern bekomme er Beinschmerzen. Dementsprechend geht der Sachverständige in seinem Gutachten unter dem Punkt Gehen davon aus, dass sich der Kläger zwar innerhalb der Wohnung ohne Hilfsmittel selbständig bewegen könne. Beim Benutzen der Badewanne und auch beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sei demgegenüber Hilfe erforderlich, da aufgrund der Bewegungseinschränkung und Instabilität der unteren Extremitäten eine erhöhte Sturzgefahr bestehe. Die Mutter des Klägers hat dies in der mündlichen Verhandlung vom 18.06.2015 so beschrieben, dass der Oberkörper steif sei und er auch seine Beine nicht richtig bewegen könne. Dies führe zu einer Beeinträchtigung des Gleichgewichts, so dass er jederzeit umfallen könne. Aufgrund dieser Einschränkung der Gehfähigkeit und der damit verbundenen Sturzgefahr ist der Kläger außerhalb von geschlossenen Räumen auf eine Begleitperson angewiesen. 41Nicht zu folgen vermochte die Kammer den Ausführungen des Sachständigen im Hinblick auf den zeitlichen Umfang der Hilfe. Für die Bemessung des zeitlichen Umfangs des Pflegebedarfs ist von der zeitlichen und örtlichen Gebundenheit der Pflegeperson auszugehen; d.h. maßgebend ist die Zeit, die die Pflegeperson ausschließlich für die Abwicklung einer Hilfeleistung benötigt und während der sie keiner anderen Tätigkeit - etwa auch keiner solchen im Bereich der allgemeinen Haushaltsführung - nachgehen kann. Bei Arztbesuchen und der Inanspruchnahme von ärztlich verordneten Therapien ist demnach nicht nur die Wegezeit, sondern auch die Zeit für die Behandlung und ggf. die Wartezeit einzubeziehen (vgl. BSG, Urteil vom 06.08.1998 – B 3 P 17/97 R). Der Sachverständige geht in seinem Gutachten davon aus, dass die Krankengymnastik zweimal pro Woche in der Praxis XXX in XXX stattgefunden habe. Die Mutter habe den Kläger mit dem Fahrrad transportiert und für den Weg jeweils 30 min gebraucht. Daraus ergebe sich ein Zeitaufwand von 120 min pro Woche, was 17 min pro Tag entspreche. Diese Annahmen des Sachverständigen sind in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Zunächst sind die Behandlungen ab dem Jahr 2009 nicht mehr in der Praxis XXX, sondern in der Praxis XXX durchgeführt worden, die sich unmittelbarer Umgebung der Wohnung des Klägers befindet. Der Fußweg dauert 5 min, so dass sich einschließlich der Behandlung von 20 min insgesamt ein Zeitaufwand von lediglich 30 min pro Termin ergibt. Der Kläger ist auch nicht zweimal pro Woche behandelt worden, sondern im Zeitraum 01.01.2009 bis 31.08.2013 (56 Monate) insgesamt 157 mal, durchschnittlich also dreimal pro Monat. Seit dem 01.09.2013 erhält er keine Krankengymnastik mehr. Im Zeitraum 01.01.2009 bis 31.08.2013 ergibt sich damit ein Zeitaufwand von 90 min pro Monat, d.h. 3 min pro Tag. Damit werden die Voraussetzungen der Pflegestufe I durch die Begleitung zur Krankengymnastik entgegen den Annahmen des Sachverständigen nicht erreicht. 42Nach Auffassung der Kammer ist jedoch ab dem 10.12.2009 (Vollendung des 10. Lebensjahres) auch die Begleitung auf dem Schulweg im Rahmen der Bemessung der Pflegezeit nach dem SGB XII zu berücksichtigen. Nach Teil D 4.3 Nr. 15 der Begutachtungs-Richtlinien ist das Aufsuchen von Behörden oder anderen Stellen, die das persönliche Erscheinen des Antragstellers notwendig machen, zu berücksichtigen. Weitere Hilfen – z.B. die Begleitung zur Bushaltestelle auf dem Weg zu Werkstätten für behinderte Menschen, Schulen, Kindergärten oder im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit, beim Aufsuchen einer Tages- oder Nachtpflegeeinrichtung sowie bei Spaziergängen oder Besuchen von kulturellen Veranstaltungen – bleiben unberücksichtigt. Demnach kann die Begleitung auf dem Schulweg nach den Maßstäben des SGB XI nicht anerkannt werden. Demgegenüber ist nach § 61 Abs. 1 SGB XII auch der Hilfebedarf bei anderen Verrichtungen zu berücksichtigen und dies gilt nach allgemeiner Auffassung auch im Rahmen des Pflegegeldes nach § 64 SGB XII, wenn sich der Hilfebedarf den Bereichen der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität zurechnen lässt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.08.2013 – L 7 SO 2971/09; Krahmer/Sommer, in LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 64, Rn. 7; Meßling, in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 64, Rn. 26; H. Schellhorn, in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2011, § 64, Rn. 7). 43Bei der Begleitung auf dem Schulweg handelt sich nach Auffassung der Kammer um eine andere Verrichtung i.S.v. § 61 Abs. 1 SGB XII. Die anderen Verrichtungen werden gesetzlich nicht näher definiert, der Begriff ist nach Auffassung der Kammer weit auszulegen. Es gehören alle Tätigkeiten dazu, die der Sicherung sozialer Bereiche des Lebens dienen, hierunter fallen vor allem Kommunikation, Freizeitgestaltung und Bildung (vgl. Meßling in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 61, Rn. 88). Der Schulbesuch dient der allgemeinen Bildung des Klägers und da er noch schulpflichtig ist, lässt sich auch die Notwendigkeit des Schulbesuches nicht bestreiten. Der Kläger ist auch auf eine Begleitung auf dem Schulweg angewiesen. Dies ergibt sich zwar nicht allein aus dem Umstand, dass er die Schultasche nicht tragen kann, denn er ist mit einem doppelten Satz Schulbücher ausgestattet und muss diese daher nicht von der Schule nach Hause und zurück mitnehmen. Der Kläger ist jedoch in seiner Gehfähigkeit eingeschränkt und daher aus diesem Grund auf eine Begleitung angewiesen (s.o.). Die Begleitung auf dem Schulweg ist dem Bereich der Mobilität zuzuordnen, denn es handelt sich um eine Hilfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Vor diesem Hintergrund ist dieser Hilfebedarf im Rahmen des Pflegegeldes nach § 64 SGB XII berücksichtigungsfähig. 44In zeitlicher Hinsicht ist die Begleitung auf dem Schulweg mit mindestens 20 min pro Tag zu veranschlagen. Bei der Vollendung des 10. Lebensjahres am 10.12.2009 besuchte der Kläger noch die XXXGrundschule in XXX. Da die Familie zum damaligen Zeitpunkt noch nicht über ein Auto verfügte, transportierte die Mutter ihn mit dem Fahrrad zur Schule. Dies geschah in der Weise, dass sie ihn auf den Gepäckträger setzte und das Fahrrad dann zur Schule schob. Der Fußweg vom XXX bis zur Schule beträgt 9 min. Daraus errechnet sich bei vier Wegen pro Schultag und fünf Schultagen ein Hilfebedarf pro Woche von 180 min, d.h. 26 min pro Tag. 45Im Jahr 2010 wechselte der Kläger dann auf das XXX Gymasium in XXX. Der Transport zur Schule erfolgte zunächst in der Weise, dass die Mutter ihn auf dem Gepäckträger sitzend zur S-Bahn-Station schob, von dort mit ihm mit der S-Bahn nach XXX und anschließend mit dem Bus zur Schule fuhr. Seit der Anschaffung des Pkw im Jahr 2012 bringt sie ihn mit dem Auto zur Schule. Anfangs begleitete sie ihn noch in die Schule, seit dem Jahr 2014 setzt sie ihn vor der Schule ab. Die Fahrzeit mit dem Auto vom XXX in XXX zum XXX in XXX beträgt 14 min. Bei vier Wegen pro Tag und fünf Schultagen ergibt sich daraus ein täglicher Hilfebedarf von 40 Minuten. 46Die Kammer kann im vorliegenden Verfahren offen lassen, ob die tatsächliche Fahrzeit zum XXX Gymnasium in XXX oder fiktiv die Fahrzeit zur nächstgelegenen Schule in XXX zugrunde zu legen ist. Für die Berücksichtigung der tatsächlichen Fahrzeit nach XXX spricht, dass in Nordrhein-Westfalen freie Schulwahl besteht. Wenn den Eltern also das Recht eingeräumt wird, ihr Kind auf einer anderen Schule anzumelden, dann könnte dies dafür sprechen, dass auch die tatsächliche Fahrzeit bei der Ermittlung des Pflegebedarfes nach dem SGB XII zu berücksichtigen ist. Jedenfalls ist der Sozialhilfeträger nach der Rechtsprechung des BSG an die Entscheidung der Schulverwaltung über die Erfüllung der Schulpflicht eines behinderten Kindes in einer Schule bzw. über eine bestimmte Schulart gebunden (vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 10/12 R). Gleiches könnte daher für die Entscheidung von Eltern gelten, ihr Kind an einer bestimmten Schule anzumelden. 47Letztlich bedarf dies jedoch im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, denn der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der Pflegestufe I auch dann noch, wenn man fiktiv auf den Schulweg zur nächstgelegenen Schule abstellt. Es handelt sich dabei um das XXX Gymnasium in XXX. Die Entfernung vom XXX beträgt 3 km und die Fahrzeit mit dem Auto 7 min. Daraus errechnet sich bei vier Wegen pro Tag und fünf Schultagen ein täglicher Hilfebedarf von 20 min. 48Die Kammer hat diesen Hilfebedarf jedoch erst ab der Vollendung des 10. Lebensjahres des Klägers am 10.12.2009 berücksichtigt, denn nach § 64 Abs. 4 SGB XII ist bei pflegebedürftigen Kindern der infolge Krankheit oder Behinderung gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind zusätzliche Pflegebedarf maßgebend. Die Begleitung auf dem Schulweg kann daher erst im Rahmen der Hilfe zur Pflege berücksichtigt werden, wenn bei einem gesunden Kind eine solche Begleitung nicht mehr erforderlich ist. Dies ist nach Auffassung der Kammer ab der Vollendung des 10. Lebensjahres der Fall. Die Kammer hat sich dabei typisierend an der Regelung in § 828 Abs. 2 BGB orientiert. Danach ist ein Minderjähriger bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres für einen Schaden, den er bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn einem anderen zufügt, grundsätzlich nicht verantwortlich. Aus dieser Vorschrift lässt sich nach Auffassung der Kammer ablesen, dass der Gesetzgeber Kinder bis zu diesem Alter nicht für fähig hält, die Gefahren des Straßenverkehrs richtig einzuschätzen. Daher ist eine Begleitung zur Schule bis zu diesem Alter jedenfalls dann notwendig, wenn auf dem Schulweg solche Gefahren zu bewältigen sind. Dies deckt sich mit der Einschätzung vieler Eltern, die ihre Kinder bis zum Ende der Grundschulzeit nicht alleine zur Schule fahren lassen. Diese tatsächlichen Gegebenheiten können nach Auffassung der Kammer bei der Beantwortung der Frage, bis zu welchem Alter bei einem gesunden Kind eine Begleitung auf dem Schulweg erforderlich ist, nicht außer Acht gelassen werden. 49Gegen die Berücksichtigung der Begleitung auf dem Schulweg im Rahmen der Hilfe zur Pflege lässt sich auch nicht einwenden, dass der Kläger nach der Schülerfahrkostenverordnung (SchfkVO) des Landes Nordrhein-Westfalen einen Anspruch auf eine kostenlose Beförderung zur Schule gehabt hätte. Der entsprechende Antrag des Klägers bei der Stadt Unna wurde mit Bescheid vom 13.09.2010 abgelehnt. Der Kläger und seine Mutter könnten aufgrund der Behinderung öffentliche Verkehrsmittel kostenlos benutzen und dies sei ihnen auch möglich. Es entstünden daher gar keine Fahrtkosten, die übernommen werden könnten. Der Nachrang der Sozialhilfe kann somit hier nicht eingreifen, denn nach der Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei § 2 Abs. 1 SGB XII nicht um eine isolierte Ausschlussnorm; entscheidend für den Nachrang ist nicht das Bestehen anderer Leistungsansprüche, sondern grundsätzlich erst der Erhalt dieser anderen Leistungen (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R). Darüber hinaus steht die Ablehnung auch in Übereinstimmung mit § 12 SchfkVO wonach nur die Kosten für die wirtschaftlichste Beförderung übernommen werden. Nach Abs. 4 der Vorschrift ist die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln in der Regel die wirtschaftlichste Beförderung; sie hat grundsätzlich Vorrang vor den anderen Beförderungsarten. Ein Anspruch auf einen Schülerspezialverkehr besteht daher nach § 14 Abs. 1 SchfkVO nur, wenn die Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich ist. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht, da er mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Dementsprechend hätte der Antrag auch abgelehnt werden müssen, wenn der Kläger eine Schule in XXX besucht hätte, dies ergibt sich auch aus der Stellungnahme des Fachbereiches Schule der Beklagten vom 23.04.2015. Danach muss zunächst ein sonderpädagogischer Förderbedarf vorliegen, der bei dem Kläger nicht gegeben ist, und eine Nutzung des ÖPNV darf nicht möglich sein. 50Der festgestellte Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von mindestens 52 min pro Tag ab dem 10.12.2009 und mindestens 49 min pro Tag ab dem 01.09.2013 durch den Wegfall der Begleitung zur Krankengymnastik ist auch unter Berücksichtigung des § 64 Abs. 4 SGB XII in voller Höhe anzurechnen. Nach dieser Vorschrift ist bei pflegebedürftigen Kindern der infolge Krankheit oder Behinderung gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind zusätzliche Pflegebedarf maßgebend. Nach Teil D 4.0 III 9 der Begutachtungs-Richtlinien besteht bei 10jährigen Kindern kein Hilfebedarf mehr im Bereich der Grundpflege, so dass der Hilfebedarf des Klägers allein auf dessen Behinderung zurückzuführen ist. 51Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung besteht nach den übereinstimmenden Feststellungen des Sachverständigen und des MDK ein Hilfebedarf von 45 min pro Tag. Insgesamt ergibt sich daraus ein Pflegebedarf des Klägers von mindestens 97 min pro Tag ab dem 10.12.2009, davon entfallen 52 min auf die Grundpflege und mindestens 94 min pro Tag ab dem 01.09.2013, davon entfallen 49 min auf die Grundpflege. Damit liegen die Voraussetzungen der Pflegestufe I durchgehend seit dem 10.12.2009 vor. 52Der Kläger erfüllt auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Bezug von Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII. Nach § 19 Abs. 3 SGB XII werden Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist. Der Kläger und seine Eltern beziehen zur Sicherung des Lebensunterhaltes Leistungen nach dem SGB II, so dass kein Einkommen zur Verfügung steht. Es ist auch kein Vermögen vorhanden, als solches kommen hier nur die seit dem Jahr 2012 angeschafften Pkw in Betracht. Diese sind jedoch aufgrund ihres Wertes von weniger als 7.500,- EUR nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II geschützt und daher auch im Rahmen einer Leistungsbewilligung nach dem SGB XII nicht als Vermögen zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 18.03.2008 - B 8/9b SO 11/06 R). Darüber hinaus liegt der Wert jeweils auch unter dem Vermögensfreibetrag nach dem SGB XII i.H.v. 2.600,- EUR. 532. Der Hilfsantrag des Klägers ist hinsichtlich des Zeitraums von der Antragstellung bis zum 09.12.2009 begründet, denn insoweit war die Beklagte zu verurteilen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. 54Hinsichtlich dieses Zeitraums ist der Hauptantrag des Klägers nicht begründet, so dass die Klage insoweit abgewiesen werden musste. Der Kläger erfüllte bis zum 09.12.2009 nicht die Voraussetzungen der Pflegestufe I, da sein Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege nicht mehr als 45 min pro Tag betrug. Dies folgt schon daraus, dass die Begleitung auf dem Schulweg nach Auffassung der Kammer bis zu diesem Zeitpunkt nicht angerechnet werden kann, da sie – jedenfalls bei typisierender Betrachtungsweise – auch bei einem gesunden Kind erforderlich wäre (s.o.). Demnach bestand lediglich ein Pflegebedarf von 32 min pro Tag. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass bei Kindern unter 10 Jahren auch ein "natürlicher Pflegebedarf" besteht, der von der ermittelten Pflegezeit abzuziehen wäre. Dementsprechend waren die Voraussetzungen der Pflegestufe I bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt. 55Für diesen Personenkreis, dessen Pflegebedarf unterhalb der Pflegestufe I liegt (sog. Pflegestufe 0) sieht das Gesetz in § 65 Abs. 1 SGB XII angemessene Beihilfen (sog. "kleines Pflegegeld", vgl. dazu Meßling, in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 65, Rn. 26) vor, die der Kläger mit seinem Hilfsantrag geltend macht. Die angemessenen Beihilfen sind Gegenstand des Verfahrens, da die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden ausdrücklich auch über diese Leistung entschieden hat. 56Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 SGB XII, denn er ist pflegebedürftig (s.o.), die Pflege erfolgt zuhause und es liegen auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Bezug von Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII vor (s.o.). Die Gewährung von angemessenen Beihilfen gem. § 65 Abs. 1 SGB XII steht im Ermessen des zuständigen Leistungsträgers (offen gelassen vom BSG, Urteil vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 18/07 R). Die Beklagte hat das Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. 57Soweit die Leistungsträger ermächtigt sind, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)). Der Versicherte bzw. Leistungsberechtigte hat Anspruch auf eine pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Hingegen entsteht ein Anspruch auf eine bestimmte Sozialleistung nur aufgrund der Bewilligungsentscheidung (§ 40 Abs. 2 SGB I). Darüber hinaus kann im Einzelfall ein Rechtsanspruch auf die Leistung ausnahmsweise bei einer "Ermessensreduzierung auf Null" bestehen, bei der es nur ein ermessensgerechtes Ergebnis gibt (vgl. zu einem solchen Fall BSG, Urteil vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 18/07 R) 58Zur Sicherung der Funktionentrennung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) und der Entscheidungsfreiheit des Leistungsträgers über die Zweckmäßigkeit seines Handelns ist die Überprüfung seiner Ermessensentscheidung durch die Gerichte auf die Rechtmäßigkeitsprüfung begrenzt. Das Gericht hat nur zu prüfen, ob der Träger sein Ermessen überhaupt ausgeübt, er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder ob er von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG; "Rechtmäßigkeit-, aber keine Zweckmäßigkeitskontrolle"). 59Als Ermessensfehler kommt nur eine dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechende Ermessensausübung in Betracht. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt zum einen vor, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck verfolgt (Ermessensmissbrauch). Zum anderen liegt der Fehlgebrauch als Abwägungsdefizit vor, wenn sie nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen sind, in die Entscheidungsfindung einbezogen hat. Der Fehlgebrauch kann zudem als Abwägungsdisproportionalität vorliegen, wenn die Behörde die abzuwägenden Gesichtspunkte rechtlich fehlerhaft gewichtet hat. Des Weiteren kann ein Fehlgebrauch erfolgt sein, wenn die Behörde ihrer Ermessensbetätigung einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Deshalb haben die Tatsacheninstanzen in tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen, ob die Behörde die Tatsachen, die sie ihrer Ermessensentscheidung zugrunde gelegt hat, zutreffend und vollständig ermittelt hat (vgl. BSG, Urteil vom 09.11.2010 – B 2 U 10/10 R). 60Wenn der eine Sozialleistung regelnde Verwaltungsakt wegen Ermessensnicht- oder -fehlgebrauchs rechtswidrig ist, darf das Gericht nur den Verwaltungsakt aufheben und den Träger zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilen, nicht aber eigene Ermessenserwägungen anstellen und sein Ermessen an die Stelle des Ermessens des Leistungsträgers setzen (vgl. BSG, Urteil vom 09.11.2010 – B 2 U 10/10 R). 61Ausgehend von diesen Grundsätzen erweisen sich die angefochtenen Bescheide als ermessensfehlerhaft, so dass die Beklagte zu verurteilen war, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. 62Die Beklagte lehnte die Gewährung von angemessenen Beihilfen nach § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in dem Ausgangsbescheid vom 11.04.2008 mit der Begründung ab, dass die Leistung vorrangig der Aufrechterhaltung der Pflegebereitschaft ehrenamtlicher Pflegepersonen diene. Das ist zwar zutreffend, doch verkennt die Beklagte dabei vollkommen, dass die Eltern des Klägers auch ehrenamtliche Pflegepersonen sind und somit zum Adressatenkreis der Vorschrift gehören. Wenn die Beklagte damit zum Ausdruck bringen wollte, dass die Eltern ja ohnehin verpflichtet sind, die Pflege und Betreuung der Kinder zu übernehmen, dann wäre auch dies ermessensfehlerhaft. Denn das Bestehen einer Unterhaltspflicht schließt die Gewährung von angemessenen Beihilfen nach § 65 Abs. 1 SGB XII nicht aus (vgl. Meßling, in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 65, Rn. 27). Es wäre vielmehr darzulegen gewesen, dass im konkreten Einzelfall die Gewährung von angemessenen Beihilfen nicht erforderlich ist, um die Pflegebereitschaft aufrecht zu erhalten, und daher die Interessenabwägung zu Lasten des Klägers ausgehen müsse. Ein solcher Fall könnte z.B. gegeben sein, wenn die wirtschaftliche Situation der Pflegeperson weitere finanzielle Leistungen nicht erforderlich macht. Dies ist jedoch bei den Eltern des Klägers nicht der Fall, da sie zur Sicherung des Lebensunterhaltes Leistungen nach dem SGB II beziehen. 63Der Ermessenfehler ist in dem Widerspruchsbescheid vom 02.10.2008 nicht geheilt worden. Darin führt die Beklagte aus, dass der festgestellte behinderungsbedingte Mehraufwand von täglich 18 min keine Pflegebeihilfe gem. § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII rechtfertige. Auch diese Erwägung ist ermessenfehlerhaft, denn der Anwendungsbereich der Vorschrift ist ja nur eröffnet, wenn der Pflegebedarf weniger als 46 min pro Tag beträgt und somit kein Pflegegeld zu gewähren ist. Angemessene Beihilfen kommen nur in Betracht, wenn ein geringer Pflegebedarf besteht, so dass sich die Leistung mit diesem Argument nicht ablehnen lässt. Darüber hinaus ist die Beklagte bei ihrer Entscheidung von falschen Voraussetzungen ausgegangen, da der Pflegebedarf auch ohne Berücksichtigung der Begleitung auf dem Schulweg ca. ein halbe Stunde pro Tag ausmacht (s.o.). 643. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens. | 1.der bescheid vom 11.04.2008 in gestalt des widerspruchsbescheides vom 02.10.2008 wird aufgehoben. 2.die beklagte wird verurteilt, dem kläger ab dem 10.12.2009 pflegegeld nach der pflegestufe i zu gewähren. hinsichtlich des zeitraums von der antragstellung bis zum 09.12.2009 wird die beklagte verurteilt, den kläger unter beachtung der rechtsauffassung des gerichts neu zu bescheiden. im übrigen wird die klage abgewiesen. 3.die beklagte hat dem kläger vier fünftel der notwendigen außergerichtlichen kosten zu erstatten. 1 | 2der kläger begehrt pflegegeld als leistung nach dem sozialgesetzbuch zwölftes buch – sozialhilfe (sgb xii). 3der im jahre 1999 geborene kläger leidet seit seiner geburt an multiplen behinderungen im orthopädischen bereich unklarer ursache. im einzelnen bestehen eine doppelbogige skoliose der wirbelsäule, fehlstellungen der unteren extremitäten (operativ versorgte kniegelenks-luxation beidseits, beinlängendifferenz von 2,5 cm, hüftgelenksverdrehung beidseits sowie fußfehlstellungen) und eine schmerzhafte bewegungseinschränkung und belastbarkeitsminderung der ellenbogen. der kläger ist aufgrund dieser behinderungen sowohl in seiner gehfähigkeit als auch im bereich der körperpflege, ernährung und mobilität eingeschränkt. aufgrund der skoliose ist er mit einem korsett versorgt. 4der kläger stammt aus polen, er reiste im jahr 2007 mit seiner familie nach deutschland ein. die familie bewohnt eine wohnung in einem mehrfamilienhaus, sie ist während des verfahrens einmal umgezogen, jedoch nur eine straße weiter (zunächst xxx, jetzt xxx). zur sicherung des lebensunterhaltes bezieht die familie seit der einreise nach deutschland leistungen nach dem sozialgesetzbuch zweites buch – grundsicherung für arbeitssuchende (sgb ii). im jahre 2012 schaffte sich die familie erstmals ein kfz an, es handelte sich um einen vw golf, baujahr 2003, mit einer laufleistung von 168.000 km, der kaufpreis betrug 2.300,- eur. dieses fahrzeug wurde im jahr 2013 gestohlen, als ersatz schaffte sich die familie einen mazda 323, baujahr 2000, mit einer laufleistung von 170.000 km an, der kaufpreis betrug 1.300,- eur. dieses fahrzeug wurde mittlerweile durch einen ford focus, baujahr 2004, ersetzt, den die familie im jahr 2014 zum preis von 1.300,- eur anschaffte und weiter benutzt. 5der kläger besuchte zunächst die xxx grundschule in xxx (xxx). da die familie zum damaligen zeitpunkt noch nicht über ein auto verfügte, transportierte die mutter ihn mit dem fahrrad zur schule. dies geschah in der weise, dass sie ihn auf den gepäckträger setzte und das fahrrad dann zur schule schob. der fußweg vom xxx bis zur schule beträgt 9 min. 6ab dem jahr 2010 besucht der kläger das xxx -gymnasium in xxx. der transport zur schule erfolgte zunächst in der weise, dass die mutter ihn auf dem gepäckträger sitzend zur s-bahn-station schob, von dort mit ihm mit der s-bahn nach xxx und anschließend mit dem bus zur schule fuhr. seit der anschaffung des pkw im jahr 2012 bringt sie ihn mit dem auto zur schule. anfangs begleitete sie ihn noch in die schule, seit dem jahr 2014 setzt sie ihn vor der schule ab. die fahrzeit mit dem auto vom xxx in xxx zum xxxgymnasium in xxx beträgt 14 min. der kläger ist mit einem doppelten satz schulbücher ausgestattet, so dass er diese nicht immer von der schule nach hause und zurück transportieren muss. 7die nächstgelegene schule vom wohnort des klägers ist das xxx gymnasium in xxx. die entfernung vom xxx beträgt 3 km und die fahrzeit mit dem auto 7 min. der kläger beantragte nach dem wechsel zum gymnasium xxx im jahr 2010 die übernahme der fahrkosten bei der stadt xxx diese lehnte das mit bescheid vom 13.09.2010 ab, da fahrtkosten erst ab einer entfernung von 3,5 km übernommen werden könnten und maßgeblich der weg zur nächstgelegenen schule sei, der unterhalb dieser grenze liege. zwar komme aufgrund der behinderung auch bei kürzeren entfernungen eine übernahme von fahrtkosten in betracht. der kläger und seine mutter könnten jedoch aufgrund der behinderung öffentliche verkehrsmittel kostenlos benutzen und dies sei ihnen auch möglich. es entstünden daher gar keine fahrtkosten, die übernommen werden könnten. 8der kläger erhält seit november 2007 aufgrund seiner behinderung eine krankengymnastik. die behandlungen fanden zunächst in der praxis xxx in xxx statt. die mutter fuhr ihn mit dem fahrrad dort hin, die fahrzeit beträgt 19 min. seit anfang des jahres 2009 wird der kläger in der praxis xxx behandelt xxx. die entfernung beträgt einen kilometer und der fußweg 5 min. die behandlung dauerte jeweils 20 min. der kläger ist im zeitraum 01.01.2009 bis 31.08.2013 (56 monate) insgesamt 157 mal dort behandelt worden, durchschnittlich also dreimal pro monat. seit dem 01.09.2013 erhält er keine krankengymnastik mehr. 9der kläger beantragte nach der einreise zunächst pflegeleistungen bei seiner pflegeversicherung. diese teilte ihm mit schreiben vom 30.08.2007 mit, dass ein leistungsanspruch erst nach fünf jahren mitgliedschaft in der pflegeversicherung bestehe. da er ab dem 21.05.2007 pflegeversichert sei, könne er erst im mai 2012 leistungen nach dem sgb xi beantragen. 10der kläger beantragte am 22.01.2008 pflegegeld nach dem sgb xii bei der beklagten. diese führte am 31.03.2008 einen hausbesuch bei dem kläger durch und ermittelte dann einen pflegebedarf von 18 min pro tag. dieser setzt sich zusammen aus 1 min hilfebedarf beim stuhlgang, 1 min beim transfer in die badewanne und 16 min aufgrund der notwendigen begleitung zur krankengymnastik, die zweimal wöchentlich durchgeführt werde. die behandlungszeit betrage 30 min und die fahrzeit mit öffentlichen verkehrsmitteln zur praxis xxx in xxx 25 min (ergibt 55 min pro behandlung, d.h. 110 min pro woche = 16 min pro tag). 11die beklagte lehnte den antrag des klägers daraufhin mit bescheid vom 11.04.2008 ab. die voraussetzungen der pflegestufe i analog § 15 sgb xi lägen bei dem kläger nicht vor, so dass er keinen anspruch auf pflegegeld habe. es seien auch keine pflegebeihilfen nach § 65 abs. 1 satz 1 sgb xii zu gewähren, da die gelegentlichen hilfeleistungen dies nicht rechtfertigten, zumal die leistung vorrangig der aufrechterhaltung der pflegebereitschaft ehrenamtlicher pflegepersonen diene. 12der kläger legte gegen den bescheid am 08.05.2008 widerspruch ein. diesen begründete er damit, dass der pflegebedarf höher zu bewerten sei. 13die beklagte wies den widerspruch des klägers mit widerspruchsbescheid vom 02.10.2008 zurück. zur begründung führte sie aus, dass nur ein geringer pflegebedarf bestehe, der im wesentlichen auf der begleitung zur krankengymnastik beruhe. man müsse davon ausgehen, dass auch bei einem gleichaltrigen gesunden kind ein altersgemäßer pflegeaufwand bestehe. der festgestellte behinderungsbedingte mehraufwand von täglich 18 min rechtfertige keine pflegebeihilfe gem. § 65 abs. 1 satz 1 sgb xii. ein anspruch auf pflegegeld bestehe erst recht nicht, da die voraussetzungen der pflegestufe i nicht erfüllt seien. 14der kläger hat am 27.10.2008 klage erhoben. diese begründet er damit, dass einen anspruch auf pflegegeld nach dem sgb xii habe, da die voraussetzungen der pflegestufe i vorlägen. bei der bemessung der pflegezeit sei auch die fahrzeit zur schule zu berücksichtigen, da er aufgrund der behinderung auf die begleitung durch seine mutter angewiesen sei. wenn kein anspruch auf pflegegeld bestehe, müsse die beklagte ihn neu bescheiden, da sie das in § 65 abs. 1 sgb xii eingeräumte ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt habe. 15der kläger hat während des klageverfahrens im jahr 2012 erneut einen antrag auf pflegegeld bei seiner pflegekasse gestellt. der mdk ermittelte in seinem gutachten vom 03.09.2012 einen pflegebedarf von 26 min pro tag. der antrag wurde daraufhin mit bescheid der aok vom 10.09.2012 abgelehnt. 16der kläger beantragt, 17den bescheid vom 11.04.2008 in gestalt des widerspruchsbescheides vom 02.10.2008 aufzuheben und die beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 25.02.2008 pflegegeld nach der pflegestufe i zu gewähren, 18hilfsweise die bescheide aufzuheben und die beklagte zu verurteilen, ihn unter beachtung der rechtsauffassung des gerichts neu zu bescheiden. 19die beklagte beantragt, 20die klage abzuweisen. 21die beklagte verteidigt die angefochtenen bescheide, die sie für rechtmäßig hält. 22das gericht hat beweis erhoben durch die einholung des schriftlichen gutachtens des sachverständigen xxx. wegen des ergebnisses der beweisaufnahme wird auf das gutachten bezug genommen. 23wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die gerichtsakte und die verwaltungsakte der beklagten bezug genommen, die vorgelegen haben und gegenstand der entscheidungsfindung gewesen sind. 24 | 25die klage ist zulässig und ganz überwiegend auch begründet. 26der bescheid der beklagten vom 11.04.2008 in gestalt des widerspruchsbescheides vom 02.10.2008 erweist sich als rechtswidrig, denn der kläger hat schon mit seinem hauptantrag teilweise erfolg (1.). soweit der hauptantrag abgewiesen werden musste, ist der hilfsantrag des klägers begründet (2.). 271. der hauptantrag des klägers ist hinsichtlich des zeitraums ab dem 10.12.2009 begründet, denn der kläger hat ab diesem zeitpunkt einen anspruch auf pflegegeld nach der pflegestufe i. 28der anspruch des klägers beruht auf § 64 abs. 1 sgb xii. nach dieser vorschrift erhalten pflegebedürftige, die bei der körperpflege, der ernährung oder der mobilität für wenigstens zwei verrichtungen aus einem oder mehreren bereichen mindestens einmal täglich der hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der woche hilfe bei der hauswirtschaftlichen versorgung benötigen (erheblich pflegebedürftige), ein pflegegeld in höhe des betrages nach § 37 abs. 1 satz 3 nr. 1 des elften buches. nach § 64 abs. 4 sgb xii ist bei pflegebedürftigen kindern der infolge krankheit oder behinderung gegenüber einem gesunden gleichaltrigen kind zusätzliche pflegebedarf maßgebend. 29der kläger erfüllt ab dem 10.12.2009 (vollendung des 10. lebensjahres) diese voraussetzungen, denn ab diesem zeitpunkt weicht sein pflegebedarf so stark vom dem eines gleichaltrigen gesunden kindes ab, dass die pflegestufe i erreicht wird. 30die erforderliche mindestpflegezeit für die pflegestufen wird in § 64 sgb xii nicht ausdrücklich definiert. nach § 61 abs. 6 sgb xii sind jedoch die richtlinien des gkv-spitzenverbandes zur begutachtung von pflegebedürftigkeit nach dem xi. buch des sozialgesetzbuches (begutachtungs-richtlinien) entsprechend anzuwenden und diese verweisen in teil d 4.0 auf die regelung des § 15 abs. 3 sgb xi, die somit auch für die abgrenzung der pflegestufen nach § 64 abs. 1-3 sgb xii relevant ist (vgl. lsg baden-württemberg, urteil vom 29.08.2013 – l 7 so 2971/09; meßling in: jurispk-sgb xii, 2. aufl. 2014, § 64 sgb xii, rn. 25). damit ist für die pflegestufe i die regelung in § 15 abs. 3 nr. 1 sgb xi maßgeblich. danach muss der zeitaufwand, den ein familienangehöriger oder eine andere nicht als pflegekraft ausgebildete pflegeperson für die erforderlichen leistungen der grundpflege und hauswirtschaftlichen versorgung benötigt, wöchentlich im tagesdurchschnitt in der pflegestufe i mindestens 90 minuten betragen; hierbei müssen auf die grundpflege mehr als 45 minuten entfallen. 31bei der formulierung "wöchentlich im tagesdurchschnitt" handelt es sich um ein redaktionsversehen des gesetzgebers, gemeint ist "täglich im wochendurchschnitt" (vgl. bsg, urteil vom 12.11.2003 - b 3 p 5/02 r). es kommt also auf den pflegebedarf pro tag an, der auf der grundlage des in einer woche durchschnittlich anfallenden hilfebedarfs zu ermitteln ist. 32ab dem 10.12.2009 beträgt der pflegebedarf des klägers mindestens 97 min pro tag, davon entfallen 52 min auf die grundpflege, ab dem 01.09.2013 reduziert sich der pflegebedarf auf mindestens 94 min pro tag, davon entfallen 49 min auf die grundpflege. damit liegen die voraussetzungen der pflegestufe i durchgehend seit dem 10.12.2009 vor. 33die bemessung der erforderlichen pflegezeiten erfolgt auf der grundlage der begutachtungs-richtlinien nach § 17 sgb xi, die nach § 61 abs. 6 sgb xii entsprechend anzuwenden sind. für die ganzkörperwäsche ist als orientierungswert in teil f der richtlinien ein zeitaufwand von 20 bis 25 minuten vorgesehen. nach den feststellungen des sachverständigen xxx in seinem gutachten vom 17.03.2012 wird der kläger normalerweise einmal pro tag in der badewanne, im wasser sitzend, geduscht, im sommer wegen des starken schwitzens unter dem korsett zeitweilig auch zweimal täglich. die häufigkeit der ganzkörperwäsche resultiert hier also aus der korsettversorgung und ist daher als notwendig anzuerkennen. der kläger könne wegen der schmerzhaften rotationseinschränkungen der armbeweglichkeit die rückwärtigen körperpartien nicht erreichen und sich nicht beidhändig die haare waschen. aufgrund der wirbelsäulenerkrankung könnten auch die füße nicht selbständig gewaschen werden. insofern sei eine teilübernahme des waschens durch die mutter erforderlich. der größere teil des waschvorganges könne jedoch von dem kläger selbst vorgenommen werden, so dass mit 10 min pro tag nur knapp die hälfte des in den richtlinien vorgesehen zeitaufwandes zu berücksichtigen sei. dies ist absolut plausibel, so dass sich die kammer insoweit den ausführungen des sachverständigen anschließt. 34für die zahnpflege ist in den begutachtungs-richtlinien ein zeitaufwand von 5 minuten pro tag vorgesehen. nach den feststellungen des sachverständigen dr. xxx kann sich der kläger die untere zahnreihe selbst putzen, für den oberkiefer sei die hilfe der mutter notwendig. dies sei auch nachvollziehbar, da hier ein erhöhter pflege- und kontrollaufwand vorliege. es müsse daher ein zeitaufwand von 2 min berücksichtigt werden, was bei zweimaligen zähneputzen pro tag zu insgesamt 4 min hilfebedarf pro tag führt. die kammer folgt auch diesen ausführungen des sachverständigen, die sie für schlüssig und überzeugend hält. 35für die mundgerechte zubereitung einer hauptmahlzeit (einschließlich des bereitstellens eines getränkes) ist in den begutachtungs-richtlienen ein zeitaufwand von 2 bis 3 minuten vorgesehen. nach den feststellungen des sachverständigen kann der kläger mit der linken hand selbständig speisen zum mund führen und ohne verschütten aus einer tasse trinken. er werde für den aufenthalt in der schule mit broten und obst ausgestattet, die er dort selbständig verzehre. dies sei ihm auch beim frühstück und beim abendessen möglich. aufgrund der schmerzhaften belastungsminderung insbesondere des rechten arms bestehe jedoch ein hilfebedarf beim zerteilen von harten speisen (also z.b. beim schneiden von fleisch). hierfür sei beim mittag- und abendessen jeweils ein zeitaufwand von 1 min zu berücksichtigen, insgesamt also 2 min pro tag. die kammer folgt auch diesen ausführungen des sachverständigen, die sie für schlüssig und überzeugend hält. 36für das ankleiden des oberkörpers und das auskleiden des oberkörpers ist in den begutachtungs-richtlinien ein zeitaufwand von 5 bis 6 minuten bzw. 2 bis 3 minuten vorgesehen. bei dem kläger besteht nach den feststellungen des sachverständigen aufgrund der schmerzhaften bewegungseinschränkung, insbesondere bei den rotationsbewegungen und der überkopfhaltung des rechten armes, und der bewegungseinschränkung der wirbelsäule ein hilfebedarf bei der bekleidung des oberkörpers. allenfalls ein unterhemd oder ein lockeres t-shirt könnten selbst angezogen werden. der hilfebedarf bestehe auch beim auskleiden am abend einschließlich der versorgung mit einem schlafanzug. für das ankleiden sei ein zeitaufwand von 5 min und für das auskleiden von 3 min zu berücksichtigen. für die korsettversorgung hat der sachverständige zusätzlich einen zeitaufwand von 2 min pro tag berücksichtigt, da diese verrichtung in unmittelbaren zusammenhang mit dem ankleiden und auskleiden stehe. der kläger könne sich das korsett nicht selbst anlegen, da hierfür eine drehbewegung des oberkörpers bzw. der arme und ein hoher kraftaufwand erforderlich seien. es sei daher für das an- und ablegen insgesamt ein tagesbedarf von 2 minuten zu berücksichtigen. auch dies deckt sich mit den begutachtungs-richtlinien, wonach der gutachter bei der feststellung des zeitaufwandes für das an- und ablegen von prothesen, orthesen, korsetts und stützstrümpfen aufgrund einer eigenen inaugenscheinnahme den zeitaufwand individuell zu messen habe. den ausführungen des sachverständigen ist daher nach auffassung der kammer insoweit ebenfalls zu folgen. 37für den transfer in die bzw. aus der badewanne ist nach den begutachtungsrichtlinien ein zeitaufwand von je 1 min anzusetzen. nach den feststellungen des sachverständigen dr. huesmann besteht bei dem kläger aufgrund der bewegungseinschränkung und der instabilität der unteren extremitäten sowohl ein einsteigen als auch beim aussteigen aus der badewanne eine erhöhte sturzgefahr, so dass eine abstützung seitens der hilfsperson notwendig sei. dafür sei ein zeitraum von jeweils einer halben minute zu berücksichtigen, insgesamt also eine minute pro tag. die kammer folgt auch diesen ausführungen des sachverständigen, die sie für schlüssig und überzeugend hält. 38nach teil f der begutachtungs-richtlinien (orientierungswerte) sind als pflegeerschwerende faktoren u.a. fehlstellungen der extremitäten und starke therapieresistente schmerzen zu berücksichtigen. der sachverständige weist in seinem gutachten darauf hin, dass bei dem kläger eine zögerliche, etwas ängstliche durchführung der untersuchungsverrichtungen zur vermeidung von schmerzen zu beobachten gewesen sei. dies sei bei allen verrichtungen der fall gewesen, die mit bewegungen der extremitäten verbunden gewesen seien, also bei der körperpflege und beim an- und auskleiden. der hilfebedarf bei diesen verrichtungen sei daher um 10% zu erhöhen, so dass weitere 2 min pro tag anzuerkennen seien. dies erscheint der kammer plausibel, so dass sie den ausführungen des sachverständigen auch insoweit folgt. 39der sachverständige gelangt damit auf der grundlage der begutachtungs-richtlinien zu einem pflegebedarf im bereich der grundpflege von 29 min pro tag, der nach auffassung der kammer überzeugend begründet ist. die richtigkeit der feststellungen wird letztlich auch bestätigt durch das gutachten des mdk vom 03.09.2012, das einen hilfebedarf im bereich der grundpflege von 26 min pro tag dokumentiert, zu dem gutachten des sachverständigen dr. huesmann bestehen nur graduelle unterschiede. der mdk berücksichtigt zusätzlich 2 min für die hilfe beim kämmen und 3 min für die analhygiene nach stuhlgang, wohingegen der sachverständige dort keinen hilfebedarf mehr gesehen hat. demgegenüber wird im gutachten des mdk nicht der hilfebedarf bei der mundgerechten zubereitung von mahlzeiten aufgeführt, obwohl dies unter dem punkt umfang der pflegerischen versorgung und betreuung genannt ist. die korsettversorgung fließt im gutachten des mdk in die hilfe beim an- und auskleiden ein, die entsprechend höher bewertet wird. letztlich beruhen die unterschiede zwischen den beiden gutachten darauf, dass der sachverständige die hilfe bei der ganzkörperwäsche etwas höher bewertet und zusätzlich die pflegeerschwerenden faktoren berücksichtigt hat. dies entspricht jedoch den vorgaben in den begutachtungs-richtlinien (s.o.), so dass der pflegebedarf jedenfalls nicht geringer zu bewerten ist, als in dem gutachten des sachverständigen. 40der sachverständige xxx hat in seinem gutachten zusätzlich noch 17 min pro tag für die begleitung zur krankengymnastik berücksichtigt. nach teil d 4.3 nr. 15 der begutachtungs-richtlinien gehört zum bereich mobilität auch die hilfe beim verlassen und wiederaufsuchen der wohnung. es sind jedoch nur solche maßnahmen außerhalb der wohnung zu berücksichtigen, die unmittelbar für die aufrechterhaltung der lebensführung zu hause notwendig sind und das persönliche erscheinen des antragstellers erfordern. berücksichtigungsfähige maßnahmen sind das aufsuchen von ärzten zu therapeutischen zwecken oder die inanspruchnahme vertragsärztlich verordneter therapien. dazu gehört auch die krankengymnastik, die der kläger seit dem jahr 2008 erhält. die begleitung ist auch erforderlich, denn der kläger ist in seiner gehfähigkeit eingeschränkt und daher außerhalb von geschlossenen räumen auf eine begleitperson angewiesen. er hat gegenüber dem sachverständigen xxx angegeben, dass er nicht richtig gehen könne, nach 100 metern bekomme er beinschmerzen. dementsprechend geht der sachverständige in seinem gutachten unter dem punkt gehen davon aus, dass sich der kläger zwar innerhalb der wohnung ohne hilfsmittel selbständig bewegen könne. beim benutzen der badewanne und auch beim verlassen und wiederaufsuchen der wohnung sei demgegenüber hilfe erforderlich, da aufgrund der bewegungseinschränkung und instabilität der unteren extremitäten eine erhöhte sturzgefahr bestehe. die mutter des klägers hat dies in der mündlichen verhandlung vom 18.06.2015 so beschrieben, dass der oberkörper steif sei und er auch seine beine nicht richtig bewegen könne. dies führe zu einer beeinträchtigung des gleichgewichts, so dass er jederzeit umfallen könne. aufgrund dieser einschränkung der gehfähigkeit und der damit verbundenen sturzgefahr ist der kläger außerhalb von geschlossenen räumen auf eine begleitperson angewiesen. 41nicht zu folgen vermochte die kammer den ausführungen des sachständigen im hinblick auf den zeitlichen umfang der hilfe. für die bemessung des zeitlichen umfangs des pflegebedarfs ist von der zeitlichen und örtlichen gebundenheit der pflegeperson auszugehen; d.h. maßgebend ist die zeit, die die pflegeperson ausschließlich für die abwicklung einer hilfeleistung benötigt und während der sie keiner anderen tätigkeit - etwa auch keiner solchen im bereich der allgemeinen haushaltsführung - nachgehen kann. bei arztbesuchen und der inanspruchnahme von ärztlich verordneten therapien ist demnach nicht nur die wegezeit, sondern auch die zeit für die behandlung und ggf. die wartezeit einzubeziehen (vgl. bsg, urteil vom 06.08.1998 – b 3 p 17/97 r). der sachverständige geht in seinem gutachten davon aus, dass die krankengymnastik zweimal pro woche in der praxis xxx in xxx stattgefunden habe. die mutter habe den kläger mit dem fahrrad transportiert und für den weg jeweils 30 min gebraucht. daraus ergebe sich ein zeitaufwand von 120 min pro woche, was 17 min pro tag entspreche. diese annahmen des sachverständigen sind in mehrfacher hinsicht fehlerhaft. zunächst sind die behandlungen ab dem jahr 2009 nicht mehr in der praxis xxx, sondern in der praxis xxx durchgeführt worden, die sich unmittelbarer umgebung der wohnung des klägers befindet. der fußweg dauert 5 min, so dass sich einschließlich der behandlung von 20 min insgesamt ein zeitaufwand von lediglich 30 min pro termin ergibt. der kläger ist auch nicht zweimal pro woche behandelt worden, sondern im zeitraum 01.01.2009 bis 31.08.2013 (56 monate) insgesamt 157 mal, durchschnittlich also dreimal pro monat. seit dem 01.09.2013 erhält er keine krankengymnastik mehr. im zeitraum 01.01.2009 bis 31.08.2013 ergibt sich damit ein zeitaufwand von 90 min pro monat, d.h. 3 min pro tag. damit werden die voraussetzungen der pflegestufe i durch die begleitung zur krankengymnastik entgegen den annahmen des sachverständigen nicht erreicht. 42nach auffassung der kammer ist jedoch ab dem 10.12.2009 (vollendung des 10. lebensjahres) auch die begleitung auf dem schulweg im rahmen der bemessung der pflegezeit nach dem sgb xii zu berücksichtigen. nach teil d 4.3 nr. 15 der begutachtungs-richtlinien ist das aufsuchen von behörden oder anderen stellen, die das persönliche erscheinen des antragstellers notwendig machen, zu berücksichtigen. weitere hilfen – z.b. die begleitung zur bushaltestelle auf dem weg zu werkstätten für behinderte menschen, schulen, kindergärten oder im zusammenhang mit der erwerbstätigkeit, beim aufsuchen einer tages- oder nachtpflegeeinrichtung sowie bei spaziergängen oder besuchen von kulturellen veranstaltungen – bleiben unberücksichtigt. demnach kann die begleitung auf dem schulweg nach den maßstäben des sgb xi nicht anerkannt werden. demgegenüber ist nach § 61 abs. 1 sgb xii auch der hilfebedarf bei anderen verrichtungen zu berücksichtigen und dies gilt nach allgemeiner auffassung auch im rahmen des pflegegeldes nach § 64 sgb xii, wenn sich der hilfebedarf den bereichen der körperpflege, der ernährung oder der mobilität zurechnen lässt (vgl. lsg baden-württemberg, urteil vom 29.08.2013 – l 7 so 2971/09; krahmer/sommer, in lpk-sgb xii, 9. aufl. 2012, § 64, rn. 7; meßling, in jurispk-sgb xii, 2. aufl. 2014, § 64, rn. 26; h. schellhorn, in schellhorn/schellhorn/hohm, sgb xii, 18. auflage 2011, § 64, rn. 7). 43bei der begleitung auf dem schulweg handelt sich nach auffassung der kammer um eine andere verrichtung i.s.v. § 61 abs. 1 sgb xii. die anderen verrichtungen werden gesetzlich nicht näher definiert, der begriff ist nach auffassung der kammer weit auszulegen. es gehören alle tätigkeiten dazu, die der sicherung sozialer bereiche des lebens dienen, hierunter fallen vor allem kommunikation, freizeitgestaltung und bildung (vgl. meßling in: jurispk-sgb xii, 2. aufl. 2014, § 61, rn. 88). der schulbesuch dient der allgemeinen bildung des klägers und da er noch schulpflichtig ist, lässt sich auch die notwendigkeit des schulbesuches nicht bestreiten. der kläger ist auch auf eine begleitung auf dem schulweg angewiesen. dies ergibt sich zwar nicht allein aus dem umstand, dass er die schultasche nicht tragen kann, denn er ist mit einem doppelten satz schulbücher ausgestattet und muss diese daher nicht von der schule nach hause und zurück mitnehmen. der kläger ist jedoch in seiner gehfähigkeit eingeschränkt und daher aus diesem grund auf eine begleitung angewiesen (s.o.). die begleitung auf dem schulweg ist dem bereich der mobilität zuzuordnen, denn es handelt sich um eine hilfe beim verlassen und wiederaufsuchen der wohnung. vor diesem hintergrund ist dieser hilfebedarf im rahmen des pflegegeldes nach § 64 sgb xii berücksichtigungsfähig. 44in zeitlicher hinsicht ist die begleitung auf dem schulweg mit mindestens 20 min pro tag zu veranschlagen. bei der vollendung des 10. lebensjahres am 10.12.2009 besuchte der kläger noch die xxxgrundschule in xxx. da die familie zum damaligen zeitpunkt noch nicht über ein auto verfügte, transportierte die mutter ihn mit dem fahrrad zur schule. dies geschah in der weise, dass sie ihn auf den gepäckträger setzte und das fahrrad dann zur schule schob. der fußweg vom xxx bis zur schule beträgt 9 min. daraus errechnet sich bei vier wegen pro schultag und fünf schultagen ein hilfebedarf pro woche von 180 min, d.h. 26 min pro tag. 45im jahr 2010 wechselte der kläger dann auf das xxx gymasium in xxx. der transport zur schule erfolgte zunächst in der weise, dass die mutter ihn auf dem gepäckträger sitzend zur s-bahn-station schob, von dort mit ihm mit der s-bahn nach xxx und anschließend mit dem bus zur schule fuhr. seit der anschaffung des pkw im jahr 2012 bringt sie ihn mit dem auto zur schule. anfangs begleitete sie ihn noch in die schule, seit dem jahr 2014 setzt sie ihn vor der schule ab. die fahrzeit mit dem auto vom xxx in xxx zum xxx in xxx beträgt 14 min. bei vier wegen pro tag und fünf schultagen ergibt sich daraus ein täglicher hilfebedarf von 40 minuten. 46die kammer kann im vorliegenden verfahren offen lassen, ob die tatsächliche fahrzeit zum xxx gymnasium in xxx oder fiktiv die fahrzeit zur nächstgelegenen schule in xxx zugrunde zu legen ist. für die berücksichtigung der tatsächlichen fahrzeit nach xxx spricht, dass in nordrhein-westfalen freie schulwahl besteht. wenn den eltern also das recht eingeräumt wird, ihr kind auf einer anderen schule anzumelden, dann könnte dies dafür sprechen, dass auch die tatsächliche fahrzeit bei der ermittlung des pflegebedarfes nach dem sgb xii zu berücksichtigen ist. jedenfalls ist der sozialhilfeträger nach der rechtsprechung des bsg an die entscheidung der schulverwaltung über die erfüllung der schulpflicht eines behinderten kindes in einer schule bzw. über eine bestimmte schulart gebunden (vgl. bsg, urteil vom 23.08.2013 – b 8 so 10/12 r). gleiches könnte daher für die entscheidung von eltern gelten, ihr kind an einer bestimmten schule anzumelden. 47letztlich bedarf dies jedoch im vorliegenden verfahren keiner entscheidung, denn der kläger erfüllt die voraussetzungen der pflegestufe i auch dann noch, wenn man fiktiv auf den schulweg zur nächstgelegenen schule abstellt. es handelt sich dabei um das xxx gymnasium in xxx. die entfernung vom xxx beträgt 3 km und die fahrzeit mit dem auto 7 min. daraus errechnet sich bei vier wegen pro tag und fünf schultagen ein täglicher hilfebedarf von 20 min. 48die kammer hat diesen hilfebedarf jedoch erst ab der vollendung des 10. lebensjahres des klägers am 10.12.2009 berücksichtigt, denn nach § 64 abs. 4 sgb xii ist bei pflegebedürftigen kindern der infolge krankheit oder behinderung gegenüber einem gesunden gleichaltrigen kind zusätzliche pflegebedarf maßgebend. die begleitung auf dem schulweg kann daher erst im rahmen der hilfe zur pflege berücksichtigt werden, wenn bei einem gesunden kind eine solche begleitung nicht mehr erforderlich ist. dies ist nach auffassung der kammer ab der vollendung des 10. lebensjahres der fall. die kammer hat sich dabei typisierend an der regelung in § 828 abs. 2 bgb orientiert. danach ist ein minderjähriger bis zur vollendung des 10. lebensjahres für einen schaden, den er bei einem unfall mit einem kraftfahrzeug, einer schienenbahn oder einer schwebebahn einem anderen zufügt, grundsätzlich nicht verantwortlich. aus dieser vorschrift lässt sich nach auffassung der kammer ablesen, dass der gesetzgeber kinder bis zu diesem alter nicht für fähig hält, die gefahren des straßenverkehrs richtig einzuschätzen. daher ist eine begleitung zur schule bis zu diesem alter jedenfalls dann notwendig, wenn auf dem schulweg solche gefahren zu bewältigen sind. dies deckt sich mit der einschätzung vieler eltern, die ihre kinder bis zum ende der grundschulzeit nicht alleine zur schule fahren lassen. diese tatsächlichen gegebenheiten können nach auffassung der kammer bei der beantwortung der frage, bis zu welchem alter bei einem gesunden kind eine begleitung auf dem schulweg erforderlich ist, nicht außer acht gelassen werden. 49gegen die berücksichtigung der begleitung auf dem schulweg im rahmen der hilfe zur pflege lässt sich auch nicht einwenden, dass der kläger nach der schülerfahrkostenverordnung (schfkvo) des landes nordrhein-westfalen einen anspruch auf eine kostenlose beförderung zur schule gehabt hätte. der entsprechende antrag des klägers bei der stadt unna wurde mit bescheid vom 13.09.2010 abgelehnt. der kläger und seine mutter könnten aufgrund der behinderung öffentliche verkehrsmittel kostenlos benutzen und dies sei ihnen auch möglich. es entstünden daher gar keine fahrtkosten, die übernommen werden könnten. der nachrang der sozialhilfe kann somit hier nicht eingreifen, denn nach der rechtsprechung des bsg handelt es sich bei § 2 abs. 1 sgb xii nicht um eine isolierte ausschlussnorm; entscheidend für den nachrang ist nicht das bestehen anderer leistungsansprüche, sondern grundsätzlich erst der erhalt dieser anderen leistungen (vgl. bsg, urteil vom 18.11.2014 - b 8 so 9/13 r). darüber hinaus steht die ablehnung auch in übereinstimmung mit § 12 schfkvo wonach nur die kosten für die wirtschaftlichste beförderung übernommen werden. nach abs. 4 der vorschrift ist die benutzung von öffentlichen verkehrsmitteln in der regel die wirtschaftlichste beförderung; sie hat grundsätzlich vorrang vor den anderen beförderungsarten. ein anspruch auf einen schülerspezialverkehr besteht daher nach § 14 abs. 1 schfkvo nur, wenn die beförderung mit öffentlichen verkehrsmitteln nicht möglich ist. diese voraussetzung erfüllt der kläger nicht, da er mit öffentlichen verkehrsmitteln fahren kann. dementsprechend hätte der antrag auch abgelehnt werden müssen, wenn der kläger eine schule in xxx besucht hätte, dies ergibt sich auch aus der stellungnahme des fachbereiches schule der beklagten vom 23.04.2015. danach muss zunächst ein sonderpädagogischer förderbedarf vorliegen, der bei dem kläger nicht gegeben ist, und eine nutzung des öpnv darf nicht möglich sein. 50der festgestellte hilfebedarf im bereich der grundpflege von mindestens 52 min pro tag ab dem 10.12.2009 und mindestens 49 min pro tag ab dem 01.09.2013 durch den wegfall der begleitung zur krankengymnastik ist auch unter berücksichtigung des § 64 abs. 4 sgb xii in voller höhe anzurechnen. nach dieser vorschrift ist bei pflegebedürftigen kindern der infolge krankheit oder behinderung gegenüber einem gesunden gleichaltrigen kind zusätzliche pflegebedarf maßgebend. nach teil d 4.0 iii 9 der begutachtungs-richtlinien besteht bei 10jährigen kindern kein hilfebedarf mehr im bereich der grundpflege, so dass der hilfebedarf des klägers allein auf dessen behinderung zurückzuführen ist. 51im bereich der hauswirtschaftlichen versorgung besteht nach den übereinstimmenden feststellungen des sachverständigen und des mdk ein hilfebedarf von 45 min pro tag. insgesamt ergibt sich daraus ein pflegebedarf des klägers von mindestens 97 min pro tag ab dem 10.12.2009, davon entfallen 52 min auf die grundpflege und mindestens 94 min pro tag ab dem 01.09.2013, davon entfallen 49 min auf die grundpflege. damit liegen die voraussetzungen der pflegestufe i durchgehend seit dem 10.12.2009 vor. 52der kläger erfüllt auch die wirtschaftlichen voraussetzungen für den bezug von hilfe zur pflege nach dem sgb xii. nach § 19 abs. 3 sgb xii werden hilfen zur gesundheit, eingliederungshilfe für behinderte menschen, hilfe zur pflege, hilfe zur überwindung besonderer sozialer schwierigkeiten und hilfen in anderen lebenslagen nach dem fünften bis neunten kapitel dieses buches geleistet, soweit den leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden ehegatten oder lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren eltern oder einem elternteil die aufbringung der mittel aus dem einkommen und vermögen nach den vorschriften des elften kapitels dieses buches nicht zuzumuten ist. der kläger und seine eltern beziehen zur sicherung des lebensunterhaltes leistungen nach dem sgb ii, so dass kein einkommen zur verfügung steht. es ist auch kein vermögen vorhanden, als solches kommen hier nur die seit dem jahr 2012 angeschafften pkw in betracht. diese sind jedoch aufgrund ihres wertes von weniger als 7.500,- eur nach § 12 abs. 3 nr. 2 sgb ii geschützt und daher auch im rahmen einer leistungsbewilligung nach dem sgb xii nicht als vermögen zu berücksichtigen (vgl. bsg, urteil vom 18.03.2008 - b 8/9b so 11/06 r). darüber hinaus liegt der wert jeweils auch unter dem vermögensfreibetrag nach dem sgb xii i.h.v. 2.600,- eur. 532. der hilfsantrag des klägers ist hinsichtlich des zeitraums von der antragstellung bis zum 09.12.2009 begründet, denn insoweit war die beklagte zu verurteilen, den kläger unter beachtung der rechtsauffassung des gerichts neu zu bescheiden. 54hinsichtlich dieses zeitraums ist der hauptantrag des klägers nicht begründet, so dass die klage insoweit abgewiesen werden musste. der kläger erfüllte bis zum 09.12.2009 nicht die voraussetzungen der pflegestufe i, da sein pflegebedarf im bereich der grundpflege nicht mehr als 45 min pro tag betrug. dies folgt schon daraus, dass die begleitung auf dem schulweg nach auffassung der kammer bis zu diesem zeitpunkt nicht angerechnet werden kann, da sie – jedenfalls bei typisierender betrachtungsweise – auch bei einem gesunden kind erforderlich wäre (s.o.). demnach bestand lediglich ein pflegebedarf von 32 min pro tag. zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass bei kindern unter 10 jahren auch ein "natürlicher pflegebedarf" besteht, der von der ermittelten pflegezeit abzuziehen wäre. dementsprechend waren die voraussetzungen der pflegestufe i bis zu diesem zeitpunkt nicht erfüllt. 55für diesen personenkreis, dessen pflegebedarf unterhalb der pflegestufe i liegt (sog. pflegestufe 0) sieht das gesetz in § 65 abs. 1 sgb xii angemessene beihilfen (sog. "kleines pflegegeld", vgl. dazu meßling, in jurispk-sgb xii, 2. aufl. 2014, § 65, rn. 26) vor, die der kläger mit seinem hilfsantrag geltend macht. die angemessenen beihilfen sind gegenstand des verfahrens, da die beklagte in den angefochtenen bescheiden ausdrücklich auch über diese leistung entschieden hat. 56der kläger erfüllt die voraussetzungen des § 65 abs. 1 sgb xii, denn er ist pflegebedürftig (s.o.), die pflege erfolgt zuhause und es liegen auch die wirtschaftlichen voraussetzungen für den bezug von hilfe zur pflege nach dem sgb xii vor (s.o.). die gewährung von angemessenen beihilfen gem. § 65 abs. 1 sgb xii steht im ermessen des zuständigen leistungsträgers (offen gelassen vom bsg, urteil vom 26.08.2008 - b 8/9b so 18/07 r). die beklagte hat das ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. 57soweit die leistungsträger ermächtigt sind, bei der entscheidung über sozialleistungen nach ihrem ermessen zu handeln, haben sie ihr ermessen entsprechend dem zweck der ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen grenzen des ermessens einzuhalten (§ 39 abs. 1 satz 1 erstes buch sozialgesetzbuch (sgb i)). der versicherte bzw. leistungsberechtigte hat anspruch auf eine pflichtgemäße ausübung des ermessens (§ 39 abs. 1 satz 2 sgb i). hingegen entsteht ein anspruch auf eine bestimmte sozialleistung nur aufgrund der bewilligungsentscheidung (§ 40 abs. 2 sgb i). darüber hinaus kann im einzelfall ein rechtsanspruch auf die leistung ausnahmsweise bei einer "ermessensreduzierung auf null" bestehen, bei der es nur ein ermessensgerechtes ergebnis gibt (vgl. zu einem solchen fall bsg, urteil vom 26.08.2008 - b 8/9b so 18/07 r) 58zur sicherung der funktionentrennung (art. 20 abs. 2 satz 2 gg) und der entscheidungsfreiheit des leistungsträgers über die zweckmäßigkeit seines handelns ist die überprüfung seiner ermessensentscheidung durch die gerichte auf die rechtmäßigkeitsprüfung begrenzt. das gericht hat nur zu prüfen, ob der träger sein ermessen überhaupt ausgeübt, er die gesetzlichen grenzen des ermessens überschritten oder ob er von dem ermessen in einer dem zweck der ermächtigung nicht entsprechenden weise gebrauch gemacht hat (§ 54 abs. 2 satz 2 sgg; "rechtmäßigkeit-, aber keine zweckmäßigkeitskontrolle"). 59als ermessensfehler kommt nur eine dem zweck der ermächtigung nicht entsprechende ermessensausübung in betracht. ein ermessensfehlgebrauch liegt zum einen vor, wenn die behörde ein unsachliches motiv oder einen sachfremden zweck verfolgt (ermessensmissbrauch). zum anderen liegt der fehlgebrauch als abwägungsdefizit vor, wenn sie nicht alle ermessensgesichtspunkte, die nach der lage des falls zu berücksichtigen sind, in die entscheidungsfindung einbezogen hat. der fehlgebrauch kann zudem als abwägungsdisproportionalität vorliegen, wenn die behörde die abzuwägenden gesichtspunkte rechtlich fehlerhaft gewichtet hat. des weiteren kann ein fehlgebrauch erfolgt sein, wenn die behörde ihrer ermessensbetätigung einen unrichtigen oder unvollständigen sachverhalt zugrunde gelegt hat. deshalb haben die tatsacheninstanzen in tatsächlicher hinsicht zu überprüfen, ob die behörde die tatsachen, die sie ihrer ermessensentscheidung zugrunde gelegt hat, zutreffend und vollständig ermittelt hat (vgl. bsg, urteil vom 09.11.2010 – b 2 u 10/10 r). 60wenn der eine sozialleistung regelnde verwaltungsakt wegen ermessensnicht- oder -fehlgebrauchs rechtswidrig ist, darf das gericht nur den verwaltungsakt aufheben und den träger zur neubescheidung unter beachtung der rechtsauffassung des gerichts verurteilen, nicht aber eigene ermessenserwägungen anstellen und sein ermessen an die stelle des ermessens des leistungsträgers setzen (vgl. bsg, urteil vom 09.11.2010 – b 2 u 10/10 r). 61ausgehend von diesen grundsätzen erweisen sich die angefochtenen bescheide als ermessensfehlerhaft, so dass die beklagte zu verurteilen war, den kläger unter beachtung der rechtsauffassung des gerichts neu zu bescheiden. 62die beklagte lehnte die gewährung von angemessenen beihilfen nach § 65 abs. 1 satz 1 sgb xii in dem ausgangsbescheid vom 11.04.2008 mit der begründung ab, dass die leistung vorrangig der aufrechterhaltung der pflegebereitschaft ehrenamtlicher pflegepersonen diene. das ist zwar zutreffend, doch verkennt die beklagte dabei vollkommen, dass die eltern des klägers auch ehrenamtliche pflegepersonen sind und somit zum adressatenkreis der vorschrift gehören. wenn die beklagte damit zum ausdruck bringen wollte, dass die eltern ja ohnehin verpflichtet sind, die pflege und betreuung der kinder zu übernehmen, dann wäre auch dies ermessensfehlerhaft. denn das bestehen einer unterhaltspflicht schließt die gewährung von angemessenen beihilfen nach § 65 abs. 1 sgb xii nicht aus (vgl. meßling, in jurispk-sgb xii, 2. aufl. 2014, § 65, rn. 27). es wäre vielmehr darzulegen gewesen, dass im konkreten einzelfall die gewährung von angemessenen beihilfen nicht erforderlich ist, um die pflegebereitschaft aufrecht zu erhalten, und daher die interessenabwägung zu lasten des klägers ausgehen müsse. ein solcher fall könnte z.b. gegeben sein, wenn die wirtschaftliche situation der pflegeperson weitere finanzielle leistungen nicht erforderlich macht. dies ist jedoch bei den eltern des klägers nicht der fall, da sie zur sicherung des lebensunterhaltes leistungen nach dem sgb ii beziehen. 63der ermessenfehler ist in dem widerspruchsbescheid vom 02.10.2008 nicht geheilt worden. darin führt die beklagte aus, dass der festgestellte behinderungsbedingte mehraufwand von täglich 18 min keine pflegebeihilfe gem. § 65 abs. 1 satz 1 sgb xii rechtfertige. auch diese erwägung ist ermessenfehlerhaft, denn der anwendungsbereich der vorschrift ist ja nur eröffnet, wenn der pflegebedarf weniger als 46 min pro tag beträgt und somit kein pflegegeld zu gewähren ist. angemessene beihilfen kommen nur in betracht, wenn ein geringer pflegebedarf besteht, so dass sich die leistung mit diesem argument nicht ablehnen lässt. darüber hinaus ist die beklagte bei ihrer entscheidung von falschen voraussetzungen ausgegangen, da der pflegebedarf auch ohne berücksichtigung der begleitung auf dem schulweg ca. ein halbe stunde pro tag ausmacht (s.o.). 643. die kostenentscheidung beruht auf § 193 sgg und entspricht dem ausgang des verfahrens. | Klaeger*in | 1 |
168,233 | S 9 KR 763/12 | 2015-02-02T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 30.824,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basis- zinssatz ab dem 22.08.2012 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über Erstattungs- und Schadensersatzsansprüche, welcher der Klägerin im Zusammenhang mit der Lieferung von Hilfsmitteln im Bereich Stoma- und Inkontinenzversorgung entstanden sind. 3Die Klägerin ist als Leistungserbringer der Hilfsmittelversorgung in den Versorgungsbereichen Stoma-, Inkontinenz- und Wundversorgung tätig. Ihre Präquali- fizierung gemäß § 126 Abs. 1 a SGB V wurde unter dem 31.05.2011 für die Zeit bis zum 30.05.2016 durch die Präqualifizierungsstelle D JR bestätigt. Bis zum 30.09.2011 versorgte die Klägerin die Versicherten der Beklagten auf Basis der mit Wirkung zum 30.09.2011 gekündigten "Vereinbarung über die Abgabe von Hilfsmitteln gemäß § 127 Abs. 2 SGB V" (sog. "GWQ-Vertrag"). 4Unter dem 17.06.2011 bestätigte der BKK-Landesverband Nord-West gegenüber der Klägerin den Beitritt zu dem zwischen dem (damaligen) Landesverband der Betriebskrankenkassen Nordrhein Westfalen (jetzt: Nord-West) und dem Apotheker-Verband Nordrhein e.V. sowie dem Apotheker-Verband Westfalen-Lippe e.V. geschlossenen (und zum 30.06.2012 gekündigten) Hilfsmittellieferungsvertrag vom 24.11.2008 (im Folgenden: Apothekenvertrag). Der BKK-Landesverband teilte der Klägerin ferner mit, dass der Beitritt nur gelte, soweit die Klägerin nicht aufgrund bereits bestehender Verträge zur Versorgung der Versicherten berechtigt sei. 5Die Abrechnung von Leistungen nach Auslaufen des GWQ-Vertrages zum 30.09.2011 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin im Folgenden mit der Begründung ab, dass sie den Apothekenvertrag zum 31.10.2011 für die Versorgungsbereiche enterale Ernährung, ableitende Inkontinenz, Stoma und Tracheostoma gekündigt habe. Zudem erfuhr die Klägerin durch Kunden, dass die Beklagte die Versicherten darüber informiert habe, dass die Zusammenarbeit mit einigen bisherigen Vertragspartnern zum 30.09.2011 beendet werde. Stattdessen werde die Versorgung der Versicherten ab 01.10.2011 von einem der "Premiumpartner" der Beklagten übernommen. Die Klägerin sei nur noch bis zum 30.09.2011 lieferberechtigt. 6Da ein neuer Hilfsmittellieferungsvertrag für den Bereich Stoma und Inkontinenz nicht geschlossen werden konnte und es die Beklagte weiterhin ablehnte, Hilfsmittellieferung auf Grundlage des Apothekenvertrages abzurechnen, erklärte die Klägerin unter dem 08.11.2011 für den Versorgungsbereich Stoma ihren Beitritt zu dem zwischen der Beklagten und weiteren Leistungserbringern geschlossenen "Vertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V über die Abgabe von Hilfsmitteln zur Versorgung der Versicherten bei enteraler Ernährung, bei Tracheotomie und bei Laryngektomie, bei ableitender Inkontinenz und bei Stomaanlagen" (im Folgenden: Homecare-Vertrag). Den Vertragsbeitritt der Klägerin lehnte die Beklagte ab und führte aus, dass der Homecare-Vertrag einen Beitritt zu einzelnen Produktgruppen nicht vorsehe und zudem die vertraglich geforderte Deckungssumme der Betriebshaftpflichtversicherung für Vermögensschäden den Mindestbetrag von 500.000,00 Euro nicht erreiche (Schreiben vom 11.11.2011). 7Daraufhin hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Berlin um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Das Sozialgericht Berlin hat den Rechtsstreit getrennt und an die Sozialgerichte Köln und Düsseldorf verwiesen. Gegenstand des Verfahrens vor dem Sozialgericht Köln war die Frage, ob die Klägerin die Hilfsmittellieferungen auf Grundlage ihres Teilbeitritts zum Homecare-Vertrag abrechnen konnte. Gegenstand des Verfahrens vor dem Sozialgericht Düsseldorf war die Frage, ob die Klägerin ihre Hilfsmittellieferungen auf Grundlage des Apothekenvertrages abrechnen konnte. Beide Sozialgerichte hatten die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz zunächst abgelehnt. 8In dem Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf, L 5 KR 101/12 B ER, ist der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf durch Beschluss des LSG vom 10.05.2012 aufgehoben worden. Die Beklagte wurde im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Klägerin vom 01.10.2011 bis 30.06.2012 auf der Grundlage des Apothekenvertrages an der Versorgung der Versicherten der Beklagten mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 15 (Inkontinenzhilfen) und 29 (Stomaartikel) des Hilfsmittelverzeichnisses zu beteiligen. Zur Begründung hat das Landessozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass es den Apothekenvertrag bis zum 30.06.2012 als wirksam zwischen den Beteiligten erachte. Die fehlende Vertretungsmacht des BKK-Landesverbandes stehe dem nicht entgegen. Die von der Beklagten zum 31.10.2012 erklärte teilweise Kündigung sei unwirksam, da dieser kein eigenes Kündigungsrecht zustehe. Schließlich sei der Beitritt der Klägerin zum Apothekenvertrag, der vom BKK-Landesverband Nord-West bestätigt worden sei, wirksam. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen des Beschlusses sowie der beigezogenen Verfahrensakte Bezug genommen. 9Auch hinsichtlich des Beschlusses des Sozialgerichts Köln war ein Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 16 KR 100/12 B ER anhängig. Im Rahmen eines Erörterungstermins haben die Beteiligten am 24.05.2012 einen Vergleich geschlossen. Dieser lautete wie folgt: 10"1. Der Antragsgegner verpflichtet sich, die Antragstellerin mit Wirkung ab dem 01.07.2012 so zu behandeln, als hätte die Antragstellerin durch das mit Schreiben vom 08.11.2011 abgegebene Angebot auf Beitritt zu dem "Vertrag gemäß 127 Abs. 2 SGB V über die Abgabe von Hilfsmitteln zur Versorgung der Versicherten bei enteraler Ernährung, Tracheotomie und bei Laryngektomie, bei ableitender Inkontinenz und bei Stomaanlage" bezogen auf den Versorgungsbereich "Stoma" den Status als Vertragspartner erlangt. 112. Diese Regelung genießt Gültigkeit bis zum 31.12.2013. Sie verliert ihre Gültigkeit, wenn die Antragstellerin nicht bis spätestens 31.08.2012 in der Hauptsache Klage mit dem Ziel erhoben haben wird, aufgrund des Teilbeitritts zu dem unter Ziffer 1 genannten Vertrag das Rechtsverhältnis gegenüber dem Antragsgegner feststellen zu lassen. Unabhängig hiervon verliert die Vereinbarung die Gültigkeit mit rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens. 123. Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. 134. Die Antragstellerin erklärt das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes für erledigt. 145. Der Antragsgegner stimmt der Erledigungserklärung zu." 15Die Klägerin hat vor dem 31.08.2012 Klage vor dem Sozialgericht Köln mit der Feststellung erhoben, dass der Teilbeitritt zu dem Homecare-Vertrag ab dem 01.07.2012 seitens der Beklagten anerkannt werde. Das Hauptsacheverfahren ist vor dem Sozialgericht Köln noch anhängig. 16Im Juli 2012, also nach Abschluss der Eilverfahren, hat die Klägerin gegenüber der Beklagten ihre Vergütungsansprüche hinsichtlich der versorgten Mitglieder der Beklagten geltend gemacht. Hierzu hatte sie dieser in tabellarischer Form eine Liste übersandt. Mit E-Mail vom 18.07.2012 teilte die Beklagte mit, dass nach sporadischer Prüfung die Abrechnungsvoraussetzungen teilweise nicht vorlägen. Sie bat um Einreichung der Unterlagen über die Plattform AIQ-online. Die Klägerin reichte verschiedene Unterlagen im Nachgang zu dieser E-Mail bei der Beklagten ein. Eine Reaktion der Beklagten erfolgte nicht. 17Die Klägerin hat am 22.08.2012 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben und einen Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 30.824 Euro geltend gemacht. Sie trägt im Wesentlichen vor. Die Versorgungsberechtigung der Klägerin ergebe sich aus dem Apothekenvertrag, dem sie wirksam beigetreten sei. Ihr stehe ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 252, § 127 Abs. 2a SGB V i.V.m. dem Apothekenvertrag zu. Die Beklagte habe eine Pflichtverletzung begangen, indem sie die Versorgungsberechtigung der Klägerin ab dem 01.10.2011 nicht anerkannt habe und eine Umsteuerung der Versicherten vorgenommen habe. Es sei zu einem Kundenverlust gekommen, der bei dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, hätte vermieden werden können. Hinsichtlich nicht erstatteter Hilfsmittellieferungen sei ihr ein konkreter Schaden in Höhe von 15.686 Euro entstanden. Der entgangene Gewinn belaufe sich auf 15.138 Euro. Hierbei sei von der durchschnittlichen Versorgungsdauer eines Versicherten auszugehen, wenn die Beklagte die Versorgungsberechtigung anerkannt hätte. Es sei zwischen dauerhaften und temporären Patienten zu unterscheiden. Bei dauerhaften Patienten sei von 30 Monaten und bei temporären Patienten von 10 Monaten (Stoma) und 16 Monaten (Inkontinenz) auszugehen. Hinsichtlich der Höhe sei von den schlechteren Konditionen des Homecarevertrages ausgegangen. Im Bereich Stoma seien dies 210 Euro pro Patient/Monat. Im Bereich Inkontinenz seien dies 300 Euro pro Patient/Monat. Es sei von einer Gewinnquote in Höhe von 10% auszugehen, was der Umsatzrendite der Klägerin im Jahr 2010 entspreche. 18Die Klägerin beantragt, 19die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 30.824,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 20Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, 21die Klage abzuweisen. 22Sie trägt im Wesentlichen vor: Es werde eine Prüfung der örtlichen Zuständigkeit angeregt. Es bestehe für sie keine Bindung an den Apothekenvertrag. Die vom LSG NW in seinem Beschluss vertretene Auffassung sei nicht haltbar. Der Krankenkassenverband, habe damals nicht mit Vollmacht der Beklagten gehandelt. Der Beitritt der Klägerin sei unwirksam. Hinsichtlich der Erstattungsansprüche für erbrachte Leistungen respektiere sie den Beschluss des LSG. Allerdings entbinde dies die Klägerin nicht von der Pflicht, die Abrechnungsmodalitäten des Apothekenvertrages einzuhalten. Die Ermittlungen, ob nun sämtliche Unterlagen vorlägen seien aber noch nicht abgeschlossen. Entgangenen Gewinn könne die Klägerin für den Bereich Inkontinenz nur auf den Apothekenvertrag stützen. Für den Bereich Stoma kämen sowohl der Apothekenvertrag als auch der Homecarevertrag in Betracht. Da letztere Gegenstand des Verfahrens in Köln sei, werde angeregt, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. 23Zu den weiteren Einzelheiten- des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verfahrensakten S 11 KR 1152/11 ER Bezug genommen. 24Entscheidungsgründe: 25Das Gericht konnte die Sache entscheiden, auch ohne das die Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesend gewesen ist. Diese ist ordnungsgemäß geladen worden und hat ihr Fernbleiben nicht entschuldigt. 26Die Klage hat Erfolg. 27Die Klage ist zulässig und begründet. 28Das Sozialgericht Düsseldorf ist örtlich zuständig. Dies ergibt sich aus § 57 a Abs. 3 SGG. Vorliegend macht die Klägerin Ansprüche aus dem Apothekenvertrag sowie Schadensersatzansprüche auf Grundlage dieses Vertrages geltend. Bei dem Apothekenvertrag handelt es sich um einen Vertrag auf Landesebene, so dass sich die Zuständigkeit des Sozialgerichts Düsseldorf ergibt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verweisungsbeschlusses des Sozialgerichts Berlin in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 11 KR 1152/11 ER vom 06.12.2011 verwiesen. 29Die Klage ist auch begründet. 30Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung i.H.v. insgesamt 30.824,00 EUR. In Höhe von 15.686,00 EUR ergibt sich dieser Anspruch für erbrachte und von der Beklagten nicht erstattete Lieferungen aus §§ 6, 7, 8 des Apothekenvertrages und i.H.v. 15.138,00 EUR aus §§ 280, 252 BGB i.V.m. § 127 Abs. 2 a SGB V i.V.m. dem Apothekenvertrag als entgangener Gewinn. 31Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Apothekenvertrag zwischen den Beteiligten vom 01.10.2011 bis 30.06.2012 wirksame Vertragsgrundlage geworden. Die von der Beklagten in ihrem einzigen Schriftsatz im Rahmen dieses Verfahrens vorgebrachten Argumente, vermögen das Gericht nicht zu überzeugen. Diese Argumente hatte die Beklagte bereits im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Landessozialgericht geltend gemacht. Das Landessozialgericht hat in seinem Beschluss vom 10.06.2012 diese Argumente sämtlich verworfen und ist von einer Wirksamkeit des Apothekenvertrages zwischen den Beteiligten ausgegangen. Zwar ist diese Entscheidung nur im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ergangen. Das Landessozialgericht hat im Rahmen des Streitwertfestsetzungsverfahrens im Beschluss vom 18.10.2012 jedoch ausgeführt, dass mit dem Beschluss des Senats vom 10.05.2012 letztlich die Hauptsache vorweggenommen worden sei. Insoweit schließt sich das Gericht hinsichtlich der Wirksamkeit des zwischen den Beteiligten geltenden Apothekenvertrages den Ausführungen des LSG an. 32Auf Grundlage des zwischen den Beteiligten geltenden Apothekenvertrages war die Beklagte verpflichtet, die von der Klägerin im Zeitraum 01.10.2011 bis 30.06.2012 erbrachten Hilfsmittellieferungen an die Versicherten der Beklagten zu erstatten. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Klageschrift eine detaillierte Übersicht über ihre Hilfsmittellieferungen ab dem 01.10.2011 bei Gericht eingereicht. Soweit die Beklagte einwendet, dass die Klägerin sich insoweit auch an die Regelungen des Apothekenvertrages zu halten habe und entsprechende Unterlagen nicht vorliegen würden, ist dieser Einwand zwar grundsätzlich berechtigt. Die Klägerin hat jedoch substantiiert dargelegt, welche Hilfsmittellieferungen sie zu welchem Zeitpunkt an die entsprechenden versicherten Personen erbracht hat. Im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung hat sie auszugsweise Abrechnungsunterlagen vorgelegt, die sie bei der Beklagten nach deren Aufforderung noch eingereicht hat. Diese Abrechnungen sieht das Gericht als ausreichend an, um die im Apothekenvertrag festgelegten Voraussetzungen als gegeben anzusehen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte im gesamten Gerichtsverfahren diesem substantiierten Vortrag nicht ernsthaft entgegengetreten ist. Vielmehr hat sie sich nach ihrem Klageerwiderungsschriftsatz überhaupt nicht mehr zum Verfahren geäußert und hat auch ohne nähere Begründungen nicht an den gerichtlichen Terminen teilgenommen. 33Vor diesem Hintergrund ist die Beklagte verpflichtet, die von der Klägerin erbrachten Hilfsmittellieferungen an die Versicherten i.H.v. 15.686,00 EUR zu erstatten. Das Gericht nimmt hinsichtlich der Berechnung Bezug auf die Anlagen K13 und K 14 der Klägerin, die es nach Prüfung für schlüssig erachtet. 34Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 15.138,00 EUR gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu. 35Zwischen der Klägerin und der Beklagten bestand für den Zeitraum 01.10.2011 bis 30.06.2012 ein Schuldverhältnis in Form des Apothekenvertrages. Dass dieser Vertrag zwischen den Beteiligten wirksam ist, ist bereits oben festgestellt worden. 36Aus diesem Vertrag ergibt sich die Pflicht der Beklagten, die Klägerin als Hilfsmittellieferant aus den Bereichen Stoma und Inkontinenz anzuerkennen und deren Hilfsmittellieferungen entsprechend zu vergüten. Diese Pflicht hat die Beklagte verletzt, indem sie immer wieder behauptet hat, dass ein wirksames Schuldverhältnis zwischen den Beteiligten nicht bestehe. Insoweit stellt es eine Pflichtverletzung dar, dass die Beklagte nach Auslaufen des GWQ-Vertrages die Versicherten, die von der Klägerin beliefert wurden, angeschrieben hat, um diese auf ihr sog. "Premiumpartner" umzusteuern. Wie bereits ausgeführt, bestand zwischen den Beteiligten eine wirksame vertragsrechtliche Grundlage, um auch diese gesicherten Verhältnisse fortzuführen. 37Die Beklagte handelte schuldhaft. So ist hier jedenfalls von einem zumindest grob fahrlässigem Verhalten der Beklagten auszugehen, indem sie die vertraglichen Beziehungen zu der Klägerin im streitigen Zeitpunkt leugnete. Im Übrigen hat die Beklagte keine Tatsachen vorgetragen, die gegen ein Verschulden im vorliegenden Fall sprechen könnten. 38Die schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten war auch kausal dafür, dass die Versicherten, die seitens der Klägerin beliefert wurden, sich von einem anderen Hilfsmittellieferanten haben ab dem 01.10.2011 beliefern lassen. Dass hierfür andere Gründe, etwa Schlechtleistung der Klägerin, für einen Wechsel der Versicherten kausal waren, ist weder von der Beklagten vorgetragen noch aufgrund des tatsächlichen Geschehensablaufs als wahrscheinlich anzusehen. Ausschlaggebend für den Wechsel der Kunden war vielmehr die Nichtanerkennung der vertraglichen Beziehungen und der Umsteuerungsschreiben seitens der Beklagten. 39Da die Beklagte hier eine Pflichtverletzung begangen hat, ist sie gemäß § 249 BGG verpflichtet, die Klägerin so zu stellen, als ob die vertragliche Beziehung auf Grundlage des Apothekenvertrages fortgeführt worden wäre. Der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Apothekenvertrages umfasst nach § 252 Satz 1 BGB auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach der getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (§ 252 Satz 2 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes genügt eine gewisse, nicht zwingend überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Erzielen des Gewinns (vgl. BGB, Urteil vom 26.07.2005, XZR 134/04). An die Darstellung des hypothetischen Geschehensablaufs dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. BGB, NJW 1993, 2673). Im Zweifel ist anzunehmen, dass das Betriebsergebnis ohne die Verletzung der vertraglichen Pflichten nicht schlechter gewesen wäre, als das mit der Ersatzkraft tatsächlich erzielte Ergebnis (BGH, NJW 1997, 941). 40Hätte die Beklagte den Apothekenvertrag als wirksame Vertragsgrundlage anerkannt und eine Umsteuerung der Versicherten, die von der Klägerin beliefert wurden, nicht vorgenommen, wären diese mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als Kunden bei der Klägerin geblieben. Die Klägerin hat detailliert dargelegt und begründet – und für jeden Versicherten im Einzelfall dargelegt - wie lange sie diesen noch beliefert hätte. Substantiierte Einwendungen seitens der Beklagten sind gegen diese Berechnungsweise, die das Gericht als vollkommen schlüssig ansieht, nicht ansatzweise geltend gemacht worden. So hält das Gericht die von der Klägerin getroffenen Annahmen für sachgerecht. Zutreffend ist von einer durchschnittlichen Versorgungsdauer eines Versicherten auszugehen, wenn die Beklagte die Versorgungsberechtigung anerkannt hätte. Die Klägerin hat insoweit zwischen dauerhaften und temporären Patienten unterschieden. Bei dauerhaften Patienten ist sie von insgesamt 30 Monaten und bei temporären Patienten von insgesamt 10 Monaten im Bereich Stoma und 16 Monaten im Bereich Inkontinenz ausgegangen. Diese Berechnung ist nicht zu beanstanden. Da sie von den schlechteren Konditionen des Homecarevertrages ausgegangen ist, ist dieser Schaden auf Grundlage des Apothekenvertrages mit umfasst. Dass die Klägerin hier eine Kostenquote von 90 % in Abzug gebracht hat, um so den entgangenen Gewinn zu berechnen, ist nicht zu beanstanden. 41Dass der entgangene Gewinn auch für den Zeitraum, der nicht mehr unter den bis zum 30.06.2012 geltenden Apothekenvertrag fällt, zu berücksichtigen ist, hängt mit dem Umstand zusammen, dass die von der Beklagten begangene Pflichtverletzung in den Zeitraum des geltenden Apothekenvertrages fällt. Denn Entscheidend ist, dass die Beklagte durch ihr Verhalten in der Vergangenheit dazu beigetragen hat, dass die Kunden der Klägerin durch den Umsteuerungsprozess zu einem anderen Versorger gewechselt sind. Insoweit kommt es auf die Frage, ob der Teilbeitritt zum Homecare-Vertrag wirksam erklärt worden ist, nicht an. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Sozialgericht Köln war daher nicht erforderlich. 42Der Klägerin steht ein Anspruch auf Prozesszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach §§ 291, 288 Abs. 1 ZPO seit Rechtshängigkeit, d.h. seit dem 22.08.2012 zu. 43Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 a iV.m. § 154 Abs. 1 VwGO. 44Die beantragte vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils war wegen § 198 Abs. 2 SGG nicht auszusprechen. | die beklagte wird verurteilt, an die klägerin 30.824,00 eur nebst zinsen i.h.v. 5 prozentpunkten über dem basis- zinssatz ab dem 22.08.2012 zu zahlen. die beklagte trägt die kosten des verfahrens. 1 | 2die beteiligten streiten über erstattungs- und schadensersatzsansprüche, welcher der klägerin im zusammenhang mit der lieferung von hilfsmitteln im bereich stoma- und inkontinenzversorgung entstanden sind. 3die klägerin ist als leistungserbringer der hilfsmittelversorgung in den versorgungsbereichen stoma-, inkontinenz- und wundversorgung tätig. ihre präquali- fizierung gemäß § 126 abs. 1 a sgb v wurde unter dem 31.05.2011 für die zeit bis zum 30.05.2016 durch die präqualifizierungsstelle d jr bestätigt. bis zum 30.09.2011 versorgte die klägerin die versicherten der beklagten auf basis der mit wirkung zum 30.09.2011 gekündigten "vereinbarung über die abgabe von hilfsmitteln gemäß § 127 abs. 2 sgb v" (sog. "gwq-vertrag"). 4unter dem 17.06.2011 bestätigte der bkk-landesverband nord-west gegenüber der klägerin den beitritt zu dem zwischen dem (damaligen) landesverband der betriebskrankenkassen nordrhein westfalen (jetzt: nord-west) und dem apotheker-verband nordrhein e.v. sowie dem apotheker-verband westfalen-lippe e.v. geschlossenen (und zum 30.06.2012 gekündigten) hilfsmittellieferungsvertrag vom 24.11.2008 (im folgenden: apothekenvertrag). der bkk-landesverband teilte der klägerin ferner mit, dass der beitritt nur gelte, soweit die klägerin nicht aufgrund bereits bestehender verträge zur versorgung der versicherten berechtigt sei. 5die abrechnung von leistungen nach auslaufen des gwq-vertrages zum 30.09.2011 lehnte die beklagte gegenüber der klägerin im folgenden mit der begründung ab, dass sie den apothekenvertrag zum 31.10.2011 für die versorgungsbereiche enterale ernährung, ableitende inkontinenz, stoma und tracheostoma gekündigt habe. zudem erfuhr die klägerin durch kunden, dass die beklagte die versicherten darüber informiert habe, dass die zusammenarbeit mit einigen bisherigen vertragspartnern zum 30.09.2011 beendet werde. stattdessen werde die versorgung der versicherten ab 01.10.2011 von einem der "premiumpartner" der beklagten übernommen. die klägerin sei nur noch bis zum 30.09.2011 lieferberechtigt. 6da ein neuer hilfsmittellieferungsvertrag für den bereich stoma und inkontinenz nicht geschlossen werden konnte und es die beklagte weiterhin ablehnte, hilfsmittellieferung auf grundlage des apothekenvertrages abzurechnen, erklärte die klägerin unter dem 08.11.2011 für den versorgungsbereich stoma ihren beitritt zu dem zwischen der beklagten und weiteren leistungserbringern geschlossenen "vertrag nach § 127 abs. 2 sgb v über die abgabe von hilfsmitteln zur versorgung der versicherten bei enteraler ernährung, bei tracheotomie und bei laryngektomie, bei ableitender inkontinenz und bei stomaanlagen" (im folgenden: homecare-vertrag). den vertragsbeitritt der klägerin lehnte die beklagte ab und führte aus, dass der homecare-vertrag einen beitritt zu einzelnen produktgruppen nicht vorsehe und zudem die vertraglich geforderte deckungssumme der betriebshaftpflichtversicherung für vermögensschäden den mindestbetrag von 500.000,00 euro nicht erreiche (schreiben vom 11.11.2011). 7daraufhin hat die klägerin vor dem sozialgericht berlin um einstweiligen rechtsschutz nachgesucht. das sozialgericht berlin hat den rechtsstreit getrennt und an die sozialgerichte köln und düsseldorf verwiesen. gegenstand des verfahrens vor dem sozialgericht köln war die frage, ob die klägerin die hilfsmittellieferungen auf grundlage ihres teilbeitritts zum homecare-vertrag abrechnen konnte. gegenstand des verfahrens vor dem sozialgericht düsseldorf war die frage, ob die klägerin ihre hilfsmittellieferungen auf grundlage des apothekenvertrages abrechnen konnte. beide sozialgerichte hatten die anträge auf einstweiligen rechtsschutz zunächst abgelehnt. 8in dem beschwerdeverfahren gegen den beschluss des sozialgerichts düsseldorf, l 5 kr 101/12 b er, ist der beschluss des sozialgerichts düsseldorf durch beschluss des lsg vom 10.05.2012 aufgehoben worden. die beklagte wurde im wege der einstweiligen anordnung verpflichtet, die klägerin vom 01.10.2011 bis 30.06.2012 auf der grundlage des apothekenvertrages an der versorgung der versicherten der beklagten mit hilfsmitteln der produktgruppe 15 (inkontinenzhilfen) und 29 (stomaartikel) des hilfsmittelverzeichnisses zu beteiligen. zur begründung hat das landessozialgericht im wesentlichen ausgeführt, dass es den apothekenvertrag bis zum 30.06.2012 als wirksam zwischen den beteiligten erachte. die fehlende vertretungsmacht des bkk-landesverbandes stehe dem nicht entgegen. die von der beklagten zum 31.10.2012 erklärte teilweise kündigung sei unwirksam, da dieser kein eigenes kündigungsrecht zustehe. schließlich sei der beitritt der klägerin zum apothekenvertrag, der vom bkk-landesverband nord-west bestätigt worden sei, wirksam. zu den weiteren einzelheiten wird auf die ausführungen des beschlusses sowie der beigezogenen verfahrensakte bezug genommen. 9auch hinsichtlich des beschlusses des sozialgerichts köln war ein beschwerdeverfahren vor dem landessozialgericht unter dem aktenzeichen l 16 kr 100/12 b er anhängig. im rahmen eines erörterungstermins haben die beteiligten am 24.05.2012 einen vergleich geschlossen. dieser lautete wie folgt: 10"1. der antragsgegner verpflichtet sich, die antragstellerin mit wirkung ab dem 01.07.2012 so zu behandeln, als hätte die antragstellerin durch das mit schreiben vom 08.11.2011 abgegebene angebot auf beitritt zu dem "vertrag gemäß 127 abs. 2 sgb v über die abgabe von hilfsmitteln zur versorgung der versicherten bei enteraler ernährung, tracheotomie und bei laryngektomie, bei ableitender inkontinenz und bei stomaanlage" bezogen auf den versorgungsbereich "stoma" den status als vertragspartner erlangt. 112. diese regelung genießt gültigkeit bis zum 31.12.2013. sie verliert ihre gültigkeit, wenn die antragstellerin nicht bis spätestens 31.08.2012 in der hauptsache klage mit dem ziel erhoben haben wird, aufgrund des teilbeitritts zu dem unter ziffer 1 genannten vertrag das rechtsverhältnis gegenüber dem antragsgegner feststellen zu lassen. unabhängig hiervon verliert die vereinbarung die gültigkeit mit rechtskräftigem abschluss des hauptsacheverfahrens. 123. die beteiligten tragen die kosten des verfahrens jeweils zur hälfte. 134. die antragstellerin erklärt das verfahren auf gewährung vorläufigen rechtsschutzes für erledigt. 145. der antragsgegner stimmt der erledigungserklärung zu." 15die klägerin hat vor dem 31.08.2012 klage vor dem sozialgericht köln mit der feststellung erhoben, dass der teilbeitritt zu dem homecare-vertrag ab dem 01.07.2012 seitens der beklagten anerkannt werde. das hauptsacheverfahren ist vor dem sozialgericht köln noch anhängig. 16im juli 2012, also nach abschluss der eilverfahren, hat die klägerin gegenüber der beklagten ihre vergütungsansprüche hinsichtlich der versorgten mitglieder der beklagten geltend gemacht. hierzu hatte sie dieser in tabellarischer form eine liste übersandt. mit e-mail vom 18.07.2012 teilte die beklagte mit, dass nach sporadischer prüfung die abrechnungsvoraussetzungen teilweise nicht vorlägen. sie bat um einreichung der unterlagen über die plattform aiq-online. die klägerin reichte verschiedene unterlagen im nachgang zu dieser e-mail bei der beklagten ein. eine reaktion der beklagten erfolgte nicht. 17die klägerin hat am 22.08.2012 klage vor dem sozialgericht düsseldorf erhoben und einen schadensersatzanspruch in höhe von insgesamt 30.824 euro geltend gemacht. sie trägt im wesentlichen vor. die versorgungsberechtigung der klägerin ergebe sich aus dem apothekenvertrag, dem sie wirksam beigetreten sei. ihr stehe ein schadensersatzanspruch aus §§ 280, 252, § 127 abs. 2a sgb v i.v.m. dem apothekenvertrag zu. die beklagte habe eine pflichtverletzung begangen, indem sie die versorgungsberechtigung der klägerin ab dem 01.10.2011 nicht anerkannt habe und eine umsteuerung der versicherten vorgenommen habe. es sei zu einem kundenverlust gekommen, der bei dem gewöhnlichen lauf der dinge, hätte vermieden werden können. hinsichtlich nicht erstatteter hilfsmittellieferungen sei ihr ein konkreter schaden in höhe von 15.686 euro entstanden. der entgangene gewinn belaufe sich auf 15.138 euro. hierbei sei von der durchschnittlichen versorgungsdauer eines versicherten auszugehen, wenn die beklagte die versorgungsberechtigung anerkannt hätte. es sei zwischen dauerhaften und temporären patienten zu unterscheiden. bei dauerhaften patienten sei von 30 monaten und bei temporären patienten von 10 monaten (stoma) und 16 monaten (inkontinenz) auszugehen. hinsichtlich der höhe sei von den schlechteren konditionen des homecarevertrages ausgegangen. im bereich stoma seien dies 210 euro pro patient/monat. im bereich inkontinenz seien dies 300 euro pro patient/monat. es sei von einer gewinnquote in höhe von 10% auszugehen, was der umsatzrendite der klägerin im jahr 2010 entspreche. 18die klägerin beantragt, 19die beklagte zu verurteilen, an die klägerin 30.824,00 euro nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu zahlen. 20die beklagte beantragt schriftsätzlich, 21die klage abzuweisen. 22sie trägt im wesentlichen vor: es werde eine prüfung der örtlichen zuständigkeit angeregt. es bestehe für sie keine bindung an den apothekenvertrag. die vom lsg nw in seinem beschluss vertretene auffassung sei nicht haltbar. der krankenkassenverband, habe damals nicht mit vollmacht der beklagten gehandelt. der beitritt der klägerin sei unwirksam. hinsichtlich der erstattungsansprüche für erbrachte leistungen respektiere sie den beschluss des lsg. allerdings entbinde dies die klägerin nicht von der pflicht, die abrechnungsmodalitäten des apothekenvertrages einzuhalten. die ermittlungen, ob nun sämtliche unterlagen vorlägen seien aber noch nicht abgeschlossen. entgangenen gewinn könne die klägerin für den bereich inkontinenz nur auf den apothekenvertrag stützen. für den bereich stoma kämen sowohl der apothekenvertrag als auch der homecarevertrag in betracht. da letztere gegenstand des verfahrens in köln sei, werde angeregt, das hauptsacheverfahren abzuwarten. 23zu den weiteren einzelheiten- des sach- und streitstandes wird im übrigen auf den inhalt der gerichtsakte sowie der beigezogenen verfahrensakten s 11 kr 1152/11 er bezug genommen. 24 | 25das gericht konnte die sache entscheiden, auch ohne das die beklagten im termin zur mündlichen verhandlung anwesend gewesen ist. diese ist ordnungsgemäß geladen worden und hat ihr fernbleiben nicht entschuldigt. 26die klage hat erfolg. 27die klage ist zulässig und begründet. 28das sozialgericht düsseldorf ist örtlich zuständig. dies ergibt sich aus § 57 a abs. 3 sgg. vorliegend macht die klägerin ansprüche aus dem apothekenvertrag sowie schadensersatzansprüche auf grundlage dieses vertrages geltend. bei dem apothekenvertrag handelt es sich um einen vertrag auf landesebene, so dass sich die zuständigkeit des sozialgerichts düsseldorf ergibt. insoweit wird auf die zutreffenden ausführungen des verweisungsbeschlusses des sozialgerichts berlin in dem einstweiligen rechtsschutzverfahren s 11 kr 1152/11 er vom 06.12.2011 verwiesen. 29die klage ist auch begründet. 30die klägerin hat gegenüber der beklagten einen anspruch auf zahlung i.h.v. insgesamt 30.824,00 eur. in höhe von 15.686,00 eur ergibt sich dieser anspruch für erbrachte und von der beklagten nicht erstattete lieferungen aus §§ 6, 7, 8 des apothekenvertrages und i.h.v. 15.138,00 eur aus §§ 280, 252 bgb i.v.m. § 127 abs. 2 a sgb v i.v.m. dem apothekenvertrag als entgangener gewinn. 31entgegen der auffassung der beklagten ist der apothekenvertrag zwischen den beteiligten vom 01.10.2011 bis 30.06.2012 wirksame vertragsgrundlage geworden. die von der beklagten in ihrem einzigen schriftsatz im rahmen dieses verfahrens vorgebrachten argumente, vermögen das gericht nicht zu überzeugen. diese argumente hatte die beklagte bereits im rahmen des einstweiligen rechtsschutzverfahrens vor dem landessozialgericht geltend gemacht. das landessozialgericht hat in seinem beschluss vom 10.06.2012 diese argumente sämtlich verworfen und ist von einer wirksamkeit des apothekenvertrages zwischen den beteiligten ausgegangen. zwar ist diese entscheidung nur im rahmen des einstweiligen rechtsschutzverfahrens ergangen. das landessozialgericht hat im rahmen des streitwertfestsetzungsverfahrens im beschluss vom 18.10.2012 jedoch ausgeführt, dass mit dem beschluss des senats vom 10.05.2012 letztlich die hauptsache vorweggenommen worden sei. insoweit schließt sich das gericht hinsichtlich der wirksamkeit des zwischen den beteiligten geltenden apothekenvertrages den ausführungen des lsg an. 32auf grundlage des zwischen den beteiligten geltenden apothekenvertrages war die beklagte verpflichtet, die von der klägerin im zeitraum 01.10.2011 bis 30.06.2012 erbrachten hilfsmittellieferungen an die versicherten der beklagten zu erstatten. die klägerin hat im rahmen ihrer klageschrift eine detaillierte übersicht über ihre hilfsmittellieferungen ab dem 01.10.2011 bei gericht eingereicht. soweit die beklagte einwendet, dass die klägerin sich insoweit auch an die regelungen des apothekenvertrages zu halten habe und entsprechende unterlagen nicht vorliegen würden, ist dieser einwand zwar grundsätzlich berechtigt. die klägerin hat jedoch substantiiert dargelegt, welche hilfsmittellieferungen sie zu welchem zeitpunkt an die entsprechenden versicherten personen erbracht hat. im rahmen des termins zur mündlichen verhandlung hat sie auszugsweise abrechnungsunterlagen vorgelegt, die sie bei der beklagten nach deren aufforderung noch eingereicht hat. diese abrechnungen sieht das gericht als ausreichend an, um die im apothekenvertrag festgelegten voraussetzungen als gegeben anzusehen. insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die beklagte im gesamten gerichtsverfahren diesem substantiierten vortrag nicht ernsthaft entgegengetreten ist. vielmehr hat sie sich nach ihrem klageerwiderungsschriftsatz überhaupt nicht mehr zum verfahren geäußert und hat auch ohne nähere begründungen nicht an den gerichtlichen terminen teilgenommen. 33vor diesem hintergrund ist die beklagte verpflichtet, die von der klägerin erbrachten hilfsmittellieferungen an die versicherten i.h.v. 15.686,00 eur zu erstatten. das gericht nimmt hinsichtlich der berechnung bezug auf die anlagen k13 und k 14 der klägerin, die es nach prüfung für schlüssig erachtet. 34der klägerin steht gegen die beklagte auch ein anspruch auf zahlung von schadensersatz i.h.v. 15.138,00 eur gemäß § 280 abs. 1 bgb zu. 35zwischen der klägerin und der beklagten bestand für den zeitraum 01.10.2011 bis 30.06.2012 ein schuldverhältnis in form des apothekenvertrages. dass dieser vertrag zwischen den beteiligten wirksam ist, ist bereits oben festgestellt worden. 36aus diesem vertrag ergibt sich die pflicht der beklagten, die klägerin als hilfsmittellieferant aus den bereichen stoma und inkontinenz anzuerkennen und deren hilfsmittellieferungen entsprechend zu vergüten. diese pflicht hat die beklagte verletzt, indem sie immer wieder behauptet hat, dass ein wirksames schuldverhältnis zwischen den beteiligten nicht bestehe. insoweit stellt es eine pflichtverletzung dar, dass die beklagte nach auslaufen des gwq-vertrages die versicherten, die von der klägerin beliefert wurden, angeschrieben hat, um diese auf ihr sog. "premiumpartner" umzusteuern. wie bereits ausgeführt, bestand zwischen den beteiligten eine wirksame vertragsrechtliche grundlage, um auch diese gesicherten verhältnisse fortzuführen. 37die beklagte handelte schuldhaft. so ist hier jedenfalls von einem zumindest grob fahrlässigem verhalten der beklagten auszugehen, indem sie die vertraglichen beziehungen zu der klägerin im streitigen zeitpunkt leugnete. im übrigen hat die beklagte keine tatsachen vorgetragen, die gegen ein verschulden im vorliegenden fall sprechen könnten. 38die schuldhafte pflichtverletzung der beklagten war auch kausal dafür, dass die versicherten, die seitens der klägerin beliefert wurden, sich von einem anderen hilfsmittellieferanten haben ab dem 01.10.2011 beliefern lassen. dass hierfür andere gründe, etwa schlechtleistung der klägerin, für einen wechsel der versicherten kausal waren, ist weder von der beklagten vorgetragen noch aufgrund des tatsächlichen geschehensablaufs als wahrscheinlich anzusehen. ausschlaggebend für den wechsel der kunden war vielmehr die nichtanerkennung der vertraglichen beziehungen und der umsteuerungsschreiben seitens der beklagten. 39da die beklagte hier eine pflichtverletzung begangen hat, ist sie gemäß § 249 bgg verpflichtet, die klägerin so zu stellen, als ob die vertragliche beziehung auf grundlage des apothekenvertrages fortgeführt worden wäre. der schadensersatzanspruch wegen schuldhafter verletzung des apothekenvertrages umfasst nach § 252 satz 1 bgb auch den entgangenen gewinn. als entgangen gilt der gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen lauf der dinge oder nach den besonderen umständen, insbesondere nach der getroffenen anstalten und vorkehrungen, mit wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (§ 252 satz 2 bgb). nach der rechtsprechung des bundesgerichtshofes genügt eine gewisse, nicht zwingend überwiegende wahrscheinlichkeit für das erzielen des gewinns (vgl. bgb, urteil vom 26.07.2005, xzr 134/04). an die darstellung des hypothetischen geschehensablaufs dürfen keine zu hohen anforderungen gestellt werden (vgl. bgb, njw 1993, 2673). im zweifel ist anzunehmen, dass das betriebsergebnis ohne die verletzung der vertraglichen pflichten nicht schlechter gewesen wäre, als das mit der ersatzkraft tatsächlich erzielte ergebnis (bgh, njw 1997, 941). 40hätte die beklagte den apothekenvertrag als wirksame vertragsgrundlage anerkannt und eine umsteuerung der versicherten, die von der klägerin beliefert wurden, nicht vorgenommen, wären diese mit überwiegender wahrscheinlichkeit als kunden bei der klägerin geblieben. die klägerin hat detailliert dargelegt und begründet – und für jeden versicherten im einzelfall dargelegt - wie lange sie diesen noch beliefert hätte. substantiierte einwendungen seitens der beklagten sind gegen diese berechnungsweise, die das gericht als vollkommen schlüssig ansieht, nicht ansatzweise geltend gemacht worden. so hält das gericht die von der klägerin getroffenen annahmen für sachgerecht. zutreffend ist von einer durchschnittlichen versorgungsdauer eines versicherten auszugehen, wenn die beklagte die versorgungsberechtigung anerkannt hätte. die klägerin hat insoweit zwischen dauerhaften und temporären patienten unterschieden. bei dauerhaften patienten ist sie von insgesamt 30 monaten und bei temporären patienten von insgesamt 10 monaten im bereich stoma und 16 monaten im bereich inkontinenz ausgegangen. diese berechnung ist nicht zu beanstanden. da sie von den schlechteren konditionen des homecarevertrages ausgegangen ist, ist dieser schaden auf grundlage des apothekenvertrages mit umfasst. dass die klägerin hier eine kostenquote von 90 % in abzug gebracht hat, um so den entgangenen gewinn zu berechnen, ist nicht zu beanstanden. 41dass der entgangene gewinn auch für den zeitraum, der nicht mehr unter den bis zum 30.06.2012 geltenden apothekenvertrag fällt, zu berücksichtigen ist, hängt mit dem umstand zusammen, dass die von der beklagten begangene pflichtverletzung in den zeitraum des geltenden apothekenvertrages fällt. denn entscheidend ist, dass die beklagte durch ihr verhalten in der vergangenheit dazu beigetragen hat, dass die kunden der klägerin durch den umsteuerungsprozess zu einem anderen versorger gewechselt sind. insoweit kommt es auf die frage, ob der teilbeitritt zum homecare-vertrag wirksam erklärt worden ist, nicht an. eine aussetzung des verfahrens bis zu einer entscheidung des sozialgericht köln war daher nicht erforderlich. 42der klägerin steht ein anspruch auf prozesszinsen i.h.v. 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz nach §§ 291, 288 abs. 1 zpo seit rechtshängigkeit, d.h. seit dem 22.08.2012 zu. 43die kostenentscheidung beruht auf § 193 a iv.m. § 154 abs. 1 vwgo. 44die beantragte vorläufige vollstreckbarkeit des urteils war wegen § 198 abs. 2 sgg nicht auszusprechen. | Klaeger*in | 1 |
331,256 | 20 K 9576/18.A | 2020-08-10T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die nach ihren Angaben 1993 geborene Klägerin ist irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit jezidischen Glaubens und stammt nach ihren Angaben aus dem Dorf T. im Bezirk T1. (bzw. T2. ). Nach ihren Angaben reiste sie im September 2014 aus ihrem Heimatland aus und hielt sich zunächst ohne Aufenthaltsrecht in Flüchtlingslagern in der Türkei bis Juni 2018 auf. Von dort sei sie am 20. Juni 2018 auf dem Landweg durch unbekannte Länder bis nach Deutschland gereist, wo sie am 26. Juni 2018 einreiste, um am 5. Juli 2018 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) in N. zu stellen. 3Wegen eines EURODAC-Treffers der Kategorie 2 in Bezug auf Griechenland vom 15. Mai 2018 führte das Bundesamt zunächst ein Dublin-Verfahren durch und richtete am 11. Juli 2018 ein Übernahmeersuchen an Griechenland. Nach dem die griechische Dublin-Unit dieses wegen fehlender Informationen zum Reiseweg durch andere unbekannte Länder Anfang September 2018 abgelehnt hatte und eine Remonstration des Bundesamtes ohne Reaktion blieb, entschied das Bundesamt Ende Oktober 2018, im nationalen Verfahren zu entscheiden. 4In ihrer schon zuvor am 11. Juli 2018 in N. beim Bundesamt erfolgten Anhörung hatte die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen: Sie habe im Herkunftsort ihrer Familie im Eigentum gelebt, die Schule bis zur siebten Klasse besucht und bis zur Flucht nur auf den Feldern gearbeitet. Anlass der Ausreise sei die Tötung von tausenden von Jesiden gewesen, insbesondere Entführungen oder Tötungen von Kindern sowie Vergewaltigungen und Entführungen von Mädchen. Zudem seien sie in den alltäglichen Dingen diskriminiert worden.Erst auf Nachfrage des Anhörenden schilderte sie die Flucht vor dem heranrückenden IS am 3. August 2014 in die Berge und nach schlimmen Erlebnissen dort über Syrien nach Kurdistan. Weil sie auch in Kurdistan jedoch nicht hätten bleiben können, sei sie nach weniger als einem Monat weiter in die Türkei geflüchtet. In der Zeit dort ohne gesichertes Aufenthaltsrecht habe sie ihren Mann rituell geheiratet. Dieser lebe in Deutschland und sei als Flüchtling anerkannt.In Bezug auf die finanziellen Mittel für die Ausreise habe ihr Mann sie unterstützt und ihre Geschwister geholfen. Ihre Eltern seien noch in der Türkei. Ein 38-jähriger Bruder von ihr halte sich in einer Flüchtlingsunterkunft D. auf, was zu A. gehöre. Mitglieder der Großfamilie lebten teilweise noch in T1. , teilweise in Kurdistan in Flüchtlingsunterkünften. 5Mit Bescheid vom 9. November 2018 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Asylanerkennung, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie auf subsidiären Schutz ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Absatz 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Ferner drohte es der Klägerin die Abschiebung in den Irak an, sollte sie nicht innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. im Falle einer Klageerhebung nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens ausreisen, und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 15 Monate ab dem Tag der Abschiebung. 6Die Klägerin hat gegen diesen ihrem schon im Verwaltungsverfahren bestellten Bevollmächtigten am 15. November 2018 zugestellten Bescheid am 27. November 2018 diese Klage erhoben, mit der sie ihr Flüchtlingsschutzbegehren weiterverfolgt. In der Sache beruft sie sich im Wesentlichen auf den Völkermord an den Jesiden durch den IS und das Fehlen einer Schutzalternative, insbesondere in der kurdischen Autonomieregion. Zudem beruft sie sich auf Rechtsprechung des VG Münster zu Gefahren für alleinstehende Frauen, insbesondere Jesidinnen, ohne familiäre Unterstützung im Nordirak. 7Zum Zeitpunkt der Klageerhebung hielt die Klägerin sich in der ZUE W. auf, bevor sie mit Bescheid der Bezirksregierung B. vom 17. Dezember 2018 zunächst nach E. zugewiesen wurde. Anfang Juli 2019 erfolgte eine Umverteilung nach H. zu ihrem Ehemann nach religiösem Ritus (U. P. J. , * 00.00.1997). Diesem irakischen Staatsangehörigen war im Asylverfahren Az. 0000000-438 wegen der Gruppenverfolgung der Jesiden durch den IS schon Anfang September 2015 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden. Aus der Beziehung mit diesem Mann stammt der am 00.00.2019 im Bundesgebiet geborene Sohn N1. J. der Klägerin. Dieser erhielt in seinem Asylverfahren Az. 0000000-438 im Hinblick auf die Flüchtlingsanerkennung des Vaters vom Bundesamt mit Bescheid vom 22. Januar 2020 gemäß § 26 Abs. 3 AsylG ebenfalls die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Die Klägerin lebt mit beiden in H. in häuslicher Gemeinschaft (C. Str. 000). 8Die Klägerin beantragt, 9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 9. November 2018 zu verpflichten, 10ihr die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen, 11hilfsweise, ihr subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, 12weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hinsichtlich des Irak bestehen. 13Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, 14die Klage abzuweisen, 15und beruft sich zur Begründung auf die Gründe des angefochtenen Bescheides. 16Die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung, zu der sie von Mann und Kind begleitet worden ist, informatorisch angehört worden. Dort hat sie u. a. vorgetragen, ihr Bruder sei mittlerweile auch ausgereist und auch von der gesamten Großfamilie halte sich niemand mehr in der Herkunfts-Region T1. oder in Flüchtlingslagern in der kurdischen Autonomieregion auf; alle hätten den Irak verlassen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.Der Bevollmächtigte der Klägerin hat sich auf dieser Grundlage darauf berufen, es sei jedenfalls ein Abschiebungsverbot für die Klägerin als alleinstehende jezidische Frau, nunmehr ohne jegliche familiäre Unterstützung im Irak, anzunehmen. 17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie der beigezogenen Vorgänge des Bundesamtes (auch zum Mann nach religiösem Ritus und dem gemeinsamen Kind) sowie der die Klägerin und den Mann betreffenden Akten der Ausländerbehörde der Stadt H. Bezug genommen. 18Entscheidungsgründe: 19Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. 20Die Klage ist zulässig, weil das erkennende Gericht insbesondere örtlich zuständig ist gemäß § 52 Nr. 2 S. 3, 1. HS VwGO. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung am 27. November 2018 war die Klägerin noch in der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) W. untergebracht und hatte deshalb dort ihren Aufenthalt zu nehmen. Nach der telefonischen Auskunft des Zuweisungs-Referats bei der Bezirksregierung B. gegenüber dem Einzelrichter am 11. Februar 2020 erfolgte die Verteilung nach E. erst mit Zuweisungsbescheid vom 17. Dezember 2018, bevor die Klägerin dann mit weiterem Bescheid vom 5. Juli 2019 zum Mann nach H. verteilt wurde (vgl. Vermerk, Bl. 63 der Gerichtsakte). 21Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 9. November 2018 ist zu dem für die tatsächliche und rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Sie hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes. Auch ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht nicht. 22I. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. AsylG liegen nicht vor. 23Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. 24Als Verfolgung in diesem Sinne gelten Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist, oder Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist (vgl. § 3a Abs. 1 AsylG). § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG nennt als mögliche Verfolgungshandlung beispielhaft die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt; weitere Verfolgungshandlungen ergeben sich aus Nrn. 2 bis 5. Gemäß § 3a Abs. 3 AsylG muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Eine nähere Umschreibung der Verfolgungsgründe enthält § 3b AsylG. Demnach ist unter dem Begriff der politischen Überzeugung insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist (vgl. § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Unerheblich ist, ob der Ausländer tatsächlich die politischen Merkmale aufweist, sofern ihm diese Merkmale von seinen Verfolgern zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG). 25Eine Verfolgung kann ausgehen von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (vgl. § 3c AsylG). 26Wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, wird ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3e Abs. 1 AsylG nicht zuerkannt (sog. interner Schutz). 27Die Furcht vor Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist begründet, wenn dem Antragsteller bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände des Falles politische Verfolgung tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. 28Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -; OVG NRW, Beschluss vom 5. Januar 2016 ‑ 11 A 324/14.A -, beide zitiert nach juris. 29Damit gilt der gleiche Prognosemaßstab wie bei Art. 16a GG. Anders als im nationalen Asylrecht ist er allerdings auch bei Vorverfolgung heranzuziehen. Anknüpfend an Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) wird der Vorverfolgte durch eine Beweiserleichterung privilegiert, dergestalt, dass für diesen die tatsächliche Vermutung streitet, dass er bei Rückkehr ebenfalls Verfolgung erleidet. Dadurch wird der Vorverfolgte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen. 30Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -; Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 5/09 –; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A –, alle juris. 31Es ist Sache des Asylbewerbers, die Gründe für seine Furcht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung Verfolgung droht bzw. bereits stattgefunden hat. Hierzu gehört, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. 32Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 1989 – 9 B 405/89 –; Beschluss vom 19. Oktober 2001 ‑ 1 B 24/01 -, beide juris. 33Das Gericht muss die volle Überzeugung von der Wahrheit und nicht nur der Wahrscheinlichkeit des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet. Wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann. 34Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1989 – 9 B 239/89 –, juris. 35Diese Anforderungen zugrunde gelegt, ist der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft weder aus individuellen Verfolgungsgründen zuzuerkennen, noch kommt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf Grund einer Gruppenverfolgung in Betracht. 361. Ein individuelles Verfolgungsschicksal kann dem Vorbringen der Klägerin auch bei Wahrunterstellung nicht entnommen werden. Sie hat nicht geltend gemacht, vor ihrer Ausreise konkreten, gegen sie persönlich gerichteten Verfolgungshandlungen nach § 3a AsylG von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren im Sinne des § 3c AsylG ausgesetzt gewesen zu sein. Vielmehr hat sie nach einer allgemeinen Beschreibung der auf die Jesiden insgesamt bezogenen Diskriminierung sowie auch gegen die Religionsgemeinschaft gerichteten Verfolgungshandlungen durch den IS – nach Beendigung ihres Sachvortrags erst auf Nachfrage der anhörenden Person – vorgetragen, aus Angst vor dem heranrückenden IS am 00.00.2014 aus ihrem Heimatdorf T. über die Berge und Syrien bis nach Kurdistan geflüchtet zu sein; persönlich betroffen sei sie nur insofern, als sie auf der Flucht Mangel an Essen und Trinken gelitten und zudem viele Menschen sterben gesehen habe. 372. Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Hinblick auf eine Gruppenverfolgung der Religionsgemeinschaft der Jesiden (mehr) zu. 38Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann sich politische Verfolgung auch gegen Gruppen von Menschen richten, die durch gemeinsame Merkmale wie etwa Rasse, Religion oder politische Überzeugung verbunden sind. Die Annahme einer solchen gruppengerichteten Verfolgung setzt voraus, dass Gruppenmitglieder Rechtsgutsbeeinträchtigungen erfahren, aus deren Intensität und Häufigkeit jedes einzelne Gruppenmitglied die begründete Furcht herleiten kann, selbst alsbald ein Opfer solcher Verfolgungsmaßnahmen zu werden. 39Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 – 1 BvR 147/80 -; Beschluss vom 23. Januar 1991– 2 BvR 902/85 u.a. -; BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2006 – 1 C 15/05 -; Urteil vom 21. April 2009– 10 C 11/08 -, alle veröffentlicht in juris. 40Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religion anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - außerdem eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin wegen eines der in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten. Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist auf Grund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 3d AsylG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3 AsylG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann. 41Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2006 – 1 C 15/05 -; Urteil vom 21. April 2009 – 10 C 11/08 -, jeweils juris m.w.N. 42Diese ursprünglich für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie durch das Asylgesetz ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist. 43Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2006 – 1 C 15/05 -; Urteil vom 21. April 2009 – 10 C 11/08 -, jeweils juris. 44Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe geht das erkennende Gericht davon aus, dass Angehörige der jesidischen Glaubensgemeinschaft aus der Region T3. (kurdisch: T1. ), Provinz O. , im Sommer 2014 einer Gruppenverfolgung durch den IS ausgesetzt waren bzw. aus begründeter Furcht vor einer drohenden Gruppenverfolgung ihre Heimatregion verlassen mussten. 45Vgl. dazu im Einzelnen: erkennendes Gericht, Urteil vom 25. Oktober 2017 – 20 K 1742/17.A -, juris. 46Zu dieser Personengruppe gehört auch die Klägerin, die der jesidischen Glaubensgemeinschaft angehört und nach den vorliegenden Informationen einschließlich ihrer Angaben aus der Region T3. stammen soll. 47Die durch die Gruppenverfolgung als Jesiden begründete Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU), dass sie auch im Falle ihrer Rückkehr mit einer Verfolgung rechnen müsste, ist im gegebenen Falle widerlegt, da sich die Machtverhältnisse im Irak zwischenzeitlich entscheidend verändert haben. Von einer den Jesiden drohenden Gruppenverfolgung durch den IS kann im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aufgrund dieser geänderten Machtverhältnisse nicht mehr ausgegangen werden, 48vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 30. Juli 2019 – 9 LB 133/19 –, juris; a.A: VG Düsseldorf, Urteil vom 25. Oktober 2019 – 13 A 14360/17.A -, Urteil vom 6. November 2019 - 16 A 1235/18.A -. 49Die Widerlegung der Vermutung gilt auch für den Fall, dass man bei der Klägerin aufgrund ihres Vorbringens nicht eine frühere Gruppenverfolgung sondern eine Individualverfolgung durch den IS sehen wollte. 50Gegenwärtig spricht nichts für eine erneute Verfolgung der jesidischen Bevölkerung durch den IS in der Provinz O. . 51Ebenso OVG Lüneburg, Urteil vom 30. Juli 2019 – 9 LB 133/19 –, juris; VG Köln, Urteil vom 16. September 2019 – 18 K 1311/19.A –, juris; VG Münster, Urteil vom 26. April 2018 – 6a K 4203/16.A –, juris, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 52Im November 2015 gelang es den kurdischen Peschmerga, jesidischen Kämpfern, Einheiten der PKK und weiteren Kampftruppen, in einer Großoffensive mit Hilfe von Luftangriffen der internationalen Koalition unter Führung der USA die Stadt T3. und das T3. -Gebirge zurückzuerobern. 53Wikipedia.de: Sindschar; Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. 2017 (Hrsg.): Oehring, Christen und Jesiden im Irak: Aktuelle Lage und Perspektiven, Seite 49; Zeit vom 13. November 2015: Kurden erobern Sindschar von IS zurück. 54In der Folgezeit wurde der IS immer weiter zurückgedrängt. Nachdem im Oktober 2016 die Kampagne zur Rückeroberung von Mosul begonnen hatte, wurde Mosul im Juli 2017 befreit; Anfang Oktober 2017 wurde die Stadt Hawidscha befreit; zuletzt wurde nur noch ein Gebiet an der Grenze zu Syrien vom IS kontrolliert. Inzwischen ist der IS vollständig aus dem Irak zurückgedrängt. 55Vgl. Wikipedia.de: Schlacht um Mosul; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 2. März 2020 (Stand: März 2020), S. 16 ff.; Tagesschau.de vom 10. Juli 2017: Irak meldet Rückeroberung Mosuls; Tagesschau.de vom 5. Oktober 2017: Hawidscha vom IS befreit; Tagesschau.de vom 17. November 2017: Armee befreit letzte IS-Hochburg. 56Auf der Grundlage dieser eindeutigen und allgemein zugänglichen Informationen ist festzustellen, dass der IS zu einer Fortführung seiner systematischen Gruppenverfolgung in den Siedlungsgebieten der Jesiden in O. im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr in der Lage ist. Seit dem militärischen Sieg über den IS wandelt sich die Organisation zwar zunehmend zu einer aus dem Untergrund operierenden Terrorgruppe, die sich auf Selbstmordanschläge und Guerilla-Taktik konzentriert. 57Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 30. Juli 2019 – 9 LB 133/19 –, juris; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, vom 2. März 2020 (Stand: März 2020), S. 16 ff. 58Die Erkenntnisse über die gegenwärtige Stärke des IS rechtfertigen aber nicht die Annahme, dass er derzeit oder in absehbarer Zukunft in der Lage sein wird, erneut ein Gebiet im Irak zu besetzen. Es fehlt also an einer erforderlichen Gebietshoheit, um die Minderheit der Jesiden aus religiösen Gründen weiterhin systematisch zu verfolgen. 59So bereits erkennendes Gericht, Urteil vom 9. Oktober 2019 – 20 K 18629/ 17.A –. 60Infolgedessen sind mittlerweile tausende jezidische Familien in ihre angestammten Wohnorte zurückgekehrt, 61vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 30. Juli 2019 – 9 LB 133/19 –, juris m.w.N. 62Der Einzelfall der Klägerin gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Bewertung. 63Für eine zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung drohende Gruppenverfolgung der Jesiden in der Provinz O. durch die sunnitisch geprägte kurdische Bevölkerung oder durch den irakischen Zentralstaat spricht nach der derzeitigen Erkenntnislage der Kammer ebenfalls nichts. 64So auch OVG Lüneburg, Urteil vom 30. Juli 2019 – 9 LB 133/19 –, juris. 65Offen bleiben kann, ob angesichts der Zerstörung der Städte und Ortschaften sowie der Konflikte zwischen der irakischen Zentralregierung und der Regierung der Autonomen Region Kurdistan um die Vorherrschaft der Region auf der einen Seite und der Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen und deren bewaffneten Verbänden, aber auch zwischen den Peschmerga und der PKK, auf der anderen Seite, 66vgl. dazu Oehring, a.a.O, S. 48 ff., 67derzeit eine Rückkehr in die Herkunfts-Region, insbesondere den Bezirk T2. zumutbar ist. Denn die Klägerin kann jedenfalls darauf verwiesen werden, internen Schutz in einem Teil ihres Heimatlandes Irak zu suchen (§ 3e Abs. 1 AsylG). Danach wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Heimatlandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat (Abs. 1 Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Abs. 1 Nr. 2). Diese Voraussetzungen sind für die Autonome Region Kurdistan erfüllt. 68In der Region Kurdistan-Irak und in weiteren Gebieten, die unter Kontrolle der kurdischen Regionalregierung stehen, sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Innenpolitisch herrschen vergleichsweise stabile Verhältnisse mit einer parlamentarischen Demokratie. In Kurdistan-Irak leben in großer Zahl Menschen, die aus anderen Regionen des Irak geflohen sind und dort effektiven Schutz erhalten. Ca. 800.000 der rund 1.400.000 Binnenvertriebenen aus anderen Landesteilen halten sich dort auf. 69Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 2. März 2020 (Stand: März 2020), S. 5, 13 und 20. 70Angesichts dieser Lage in der Herkunftsregion der Klägerin einerseits sowie in der kurdischen Autonomieregion andererseits kann sie – wie bereits vor ihrer Ausreise für einen kurzen Zeitraum in A. – in diesem Landesteil des Irak Schutz suchen, zumal sie selbst keine Verfolgung durch die politischen Akteure in Kurdistan-Irak zu befürchten hat (§ 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG). 71Über die internationalen Flughäfen Erbil oder Sulaimaniya kann die Klägerin sicher und legal einreisen (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 1 AsylG). Selbst abgelaufene irakische Reisepässe bleiben zur Rückkehr gültig. 72Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 12. Januar 2019, S. 26. 73Es ist auch davon auszugehen, dass die Klägerin in dem verfolgungsfreien Landesteil aufgenommen wird (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 AsylG). 74Grundsätzlich müssen irakische Staatsangehörige, die in der Autonomen Region Kurdistan-Irak langfristig verbleiben und arbeiten wollen, sich bei den örtlichen Behörden registrieren. Zudem bedürfen sie einer Aufenthaltserlaubnis, die wiederum Voraussetzung für den Zugang zum Arbeitsmarkt und verschiedene Dienstleistungen ist. Nach den vorliegenden Erkenntnissen wird, auch wenn die Praxis je nach Provinz und im Einzelfall abweichen kann, für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich verlangt, dass der Betroffene Identitätsdokumente vorlegen, einen Wohnsitz nachweisen und einen Bürgen benennen kann. Laut mehreren Quellen sind kurdische Volkszugehörige allerdings von dem Erfordernis, einen Bürgen zu benennen, generell ausgenommen. 75Vgl. The Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq (KRI) - Access, Possibility of Protection and Humanitarian Situation, April 2016, S. 16 f.; UK Home Office, Country Information and Guidance, Iraq: Return/Internal relocation, August 2016, S. 41 ff.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Anfragebeantwortung vom 5. Oktober 2016. 76Jesiden können - selbst wenn sie nicht aus der Autonomen Region Kurdistan stammen – nach den Erkenntnissen des Gerichts unter erleichterten Bedingungen in die Kurdische Autonomie-Region einreisen, ggfs. auch ohne bereits Aufenthaltspapiere zu besitzen und ohne einen Bürgen nachweisen zu müssen. 77Vgl. UK Home Office, Country Information und Guidance - Iraq: Return/Internal relocation August 2016, a.a.O. 78Nach neueren Quellen wird das Erfordernis, einen Sponsor zu benennen, in letzter Zeit weniger streng angewendet. Auch für Iraker aus den Provinzen Anbar, Ninive, Salah al-Din und Diyala ist es mittlerweile wieder einfacher, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. 79Vgl. zum Vorstehenden: The Danish Immigration Service, Northern Iraq – Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), November 2018, S. 35 ff..; UK Home Office, Country Policy and Information Note – Iraq: Internal relocation, civil documentation and returns, Februar 2019, S. 45 ff. Auch die aktuellen Informationen des UNHCR zur Rückkehr in den Irak aus Mai 2019 gehen nur davon aus, dass eine interne Fluchtalternative in den ehemals vom IS besetzten Gebieten sowie in den zwischen der Autonomen Region Kurdistan und der Zentralregierung des Iraks umstrittenen Gebieten ausscheide, während die Autonome Region Kurdistan unter bestimmten Umständen als interne Fluchtalternative in Betracht kommt, wohl aber nicht für arabische Volkszugehörige, sunnitischer Religionszugehörigkeit aus ehemals vom IS besetzten Gebieten, vgl. UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq, Mai 2019. 80Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass die Klägerin als Jesidin mit kurdischer Ethnie in den kurdischen Autonomiegebieten ohne größere Schwierigkeiten Aufnahme finden kann. 81Von der Klägerin kann schließlich vernünftigerweise erwartet werden, dass sie sich in dem verfolgungsfreien Landesteil niederlässt (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 AsylG). Es ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dort das Existenzminimum nicht gewährleistet ist. Maßstab hierfür ist, ob ein Rückkehrer durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu einem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor, ausgeübt werden können. 82Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Juni 2016 – 13 A 1882/15.A -, juris, zum Maßstab für eine inländische Fluchtalternative: BVerwG, Urteil vom 1. Februar 2007 – 1 C 24/06 -, juris. 83Nicht mehr zumutbar ist die inländische Fluchtalternative dann, wenn der Rückkehrer an dem verfolgungssicheren Ort auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten hat als ein Dahinvegetieren am Rand des Existenzminimums. Die Existenzgrundlage muss so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich am Ort des internen Schutzes aufhält. Welche wirtschaftlichen oder sozialen Standards erfüllt sein müssen, ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nicht beantwortet worden. 84BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2002 – 1 B 128/02 -; Urteil vom 14. November 2012 – 10 B 22/12 -; Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15/12 -, alle juris. 85Auch wenn die wirtschaftliche Situation in der Region schwierig ist, ist sie dennoch relativ stabil und die Versorgungslage auch für ärmere Bevölkerungsschichten gesichert. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt im Auftrag der Bundesregierung die kurdische Nationalregierung dabei, Flüchtlinge und Binnenvertriebene zu versorgen. 86Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 12. Februar 2018; giz.de: Nordirak, ein Leben nach der Flucht (Stand: Mai 2017). 87Mit Blick darauf ist davon auszugehen, dass auch die Existenzgrundlage der Klägerin bei einer Rückkehr gewährleistet ist. Es ist zu erwarten, dass sie als junge, gesunde und arbeitsfähige Frau in der Autonomen Region Kurdistan ihren Lebensunterhalt wird sicherstellen können. 88Zum internen Schutz in der Autonomen Region Kurdistan vgl. auch: Erkennendes Gericht, Urteil vom 28. März 2017 – 19 K 7035/16.A – sowie Urteil vom 16. November 2016 – 16 K 8209/16.A -; BayVGH, Beschluss vom 8. Januar 2018 – 20 ZB 17.30839 -, juris; VG München, Urteil vom 28. März 2017 – M 4 K 16.33235 -, juris; VG Augsburg, Urteil vom 13. März 2017 ‑ Au 5 K 16.32681 -, juris. 89Dabei stellt der Einzelrichter – anders als der Bevollmächtigte der Klägerin, der für sie erhebliche Gefahren als alleinstehende Frau ohne männliche Begleitung bzw. Schutz befürchtet – nicht darauf ab, dass sie dort ganz auf sich gestellt wird klarkommen müssen. Dabei kann offenbleiben, ob tatsächlich alle näheren und auch weiteren Angehörigen der Großfamilie der Klägerin den Irak verlassen haben, wie sie in ihrer informatorischen Anhörung pauschal behauptet hat („Die sind alle in die Türkei geflüchtet.“). Vielmehr legt der Einzelrichter als Rückkehrsituation eine gemeinsame Rückkehr mit ihrem Ehemann nach jezidischem Ritus und dem gemeinsamen Kind zugrunde. Es ist nicht ersichtlich, dass der gesunde junge und erwerbsfähige Mann nicht hinreichenden Schutz gewähren und den Lebensunterhalt durch Arbeit sicherstellen kann; gegebenenfalls können sie gemeinsam Aufnahme in Flüchtlingslagern finden. 90Dies ergibt sich aus der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach – unter Aufgabe entgegenstehender Rechtsprechung – für die Prognose der bei einer Rückkehr ins Herkunftsland drohenden Gefahren bei realitätsnaher Betrachtung der Rückkehrsituation im Regelfall davon auszugehen ist, dass eine im Bundesgebiet in familiärer Gemeinschaft lebende Kernfamilie (Eltern und minderjährige Kinder) im Familienverband in ihr Herkunftsland zurückkehrt. Von einer gemeinsamen Rückkehr im Familienverband ist für die Rückkehrprognose im Regelfall auch dann auszugehen, wenn einzelnen Familienmitgliedern bereits bestandskräftig ein Schutzstatus zuerkannt oder für sie ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt worden ist. 91Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 4. Juli 2019 – 1 C 45/18 –, juris Leitsätze 2 und 3 unter Verweis auf Rn. 16 ff. und 19 ff. m. w. N. und eingehender Begründung. 92Auch wenn die Klägerin mit Herrn U. P. J1. keine Ehe nach staatlichem Recht führt – und deshalb die Ableitung des diesem zuerkannten Flüchtlingsschutzes gemäß § 26 Abs. 1, Abs. 5 AsylG ausgeschlossen ist –, sondern ihn nach ihren durchgängigen Angaben nach jezidischem Ritus in der Türkei geheiratet hat, sieht der Einzelrichter zwischen den beiden Partnern und dem gemeinsamen Kind eine „Kernfamilie“ im Sinne der dargestellten Rechtsprechung. Dies ergibt sich aus der von Art. 6 GG geschützten Eltern-Kind-Beziehung der Klägerin mit ihrem im Bundesgebiet geborenen Sohn N1. J1. einerseits und der in gleicher Weise geschützten Eltern-Kind-Beziehung des Jungen mit seinem Vater, dem Mann der Klägerin nach jezidischem Ritus. Die Vater-Kind-Beziehung des Mannes mit dem Jungen lässt sich den in der Asyl-Akte des Jungen Az. 0000000-438 enthaltenen Urkunden über die vorgeburtliche Anerkennung der Vaterschaft sowie über die gemeinsame elterliche Sorge, jeweils vom 2. Mai 2019, entnehmen (Beiakte 4, Bl. 6 ff.). Ist aber die Beziehung der Klägerin zu ihrem Sohn einerseits und die Beziehung des Sohnes zu seinem Vater andererseits von Art. 6 GG geschützt, so stellt die „faktische Kernfamilie“ aus den nach staatlichem Recht nicht verheirateten Eltern und dem gemeinsamen Sohn bei einer tatsächlichen Lebens- und Haushaltsgemeinschaft in H. unter der Anschrift C. Str. 000 eine Kernfamilie im Sinne der obigen Rechtsprechung dar, deren gemeinsame Rückkehr für die Gefahrenprognose im Asylrecht anzunehmen ist.Gemeinsam mit dem Mann (und dem gemeinsamen Kind) ist eine Rückkehr in die kurdische Autonomieregion für die Klägerin möglich und zumutbar, insbesondere ist von Sicherung des Lebensunterhalts auszugehen. 93Sollte die Klägerin (mit Mann und Kind) mangels verfügbaren Wohnraums gezwungen sein, sich (vorübergehend) in einem Flüchtlingslager niederzulassen, ist dies unter Zugrundelegung der Maßstäbe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht unzumutbar. Dass die Lage in den Flüchtlingslagern schwierig ist, macht sie nicht menschenunwürdig. Vielmehr ist das zu einem menschenwürdigen Leben erforderliche wirtschaftliche Existenzminimum nach der aktuellen Erkenntnislage dort gegeben. Insbesondere sind Unterbringung und Zugang zu Nahrungsmitteln, Trinkwasser, sanitären Einrichtungen und Gesundheitsfürsorge gewährleistet. 94Fälle, in denen Menschen in der Region Kurdistan-Irak an Hunger leiden würden, sind nicht bekannt. 95Vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juli 2017. 96Die Situation in den Lagern hat sich stetig verbessert. Dazu beigetragen hat die Bundesregierung, die seit 2014 mehr als 273 Mio. Euro für humanitäre Hilfsprojekte im Irak eingesetzt hat; allein 2016 waren es mehr als 119 Mio. Euro; auch 2017 ist das Engagement fortgesetzt worden. Die GIZ, das Technische Hilfswerk (THW) und Nichtregierungsorganisationen unterstützen die Bundesregierung im Nordirak bei der Errichtung von Camps, dem Aufbau von Trinkwasser- und Abwassersystemen, der Beschaffung von Gerätschaften und Fahrzeugen für die Fäkalien- und Abfallentsorgung sowie dem Bau von Gesundheitszentren und Schulen. 97Vgl. Auswärtiges Amt: Humanitäre Hilfe für Irak, Stand Oktober 2017, abrufbar über die Homepage des Auswärtigen Amtes; Pressemittelung, Auswärtiges Amt zu Stabilisierung im Irak, 17. April 2018; Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Minister Müller dankt deutschen Partnern für Aufbauleistung in nordirakischen Flüchtlingscamps, Pressemitteilung vom 28. Januar 2016; giz.de; thw.de: Logistikzentrum für den Katastrophenschutz; malteser.de: Unsere Arbeit im Irak; drk.de: Nord-Irak: Nothilfe für Binnenvertriebene und Flüchtlinge. 98Um für die Menschen eine Perspektive zu schaffen, hat die GIZ sog. „cash for work“-Aktivitäten ins Leben gerufen. Damit haben Flüchtlinge, Binnenvertriebene und bedürftige Einwohner die Möglichkeit, in zeitlich befristeten Beschäftigungsverhältnissen ihre Grundversorgung zu sichern und zugleich Dienstleistungen zu erbringen und zur Instandsetzung der Infrastruktur in den Camps beizutragen. 99Vgl. giz.de: Arbeitsplätze schaffen Perspektiven. 100Die medizinische Versorgung ist ebenfalls gesichert. Beispielsweise wird in vier Flüchtlingscamps mit ca. 80.000 Bewohnern unentgeltlich eine medizinische Grundversorgung angeboten, die auch die umliegenden Gemeindeeinwohner nutzen können. 101Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 12. Februar 2018; NZZ vom 14. September 2016: Über Kurdistan reden; giz.de: Nordirak, ein Leben nach der Flucht (Stand: Mai 2017). 102Bereits 2015 hat die GIZ sechs Basisgesundheitszentren in verschiedenen Flüchtlingslagern errichtet und ausgestattet und zwei Krankenhäuser umfangreich renoviert. In der Folgezeit wurde und wird das Leistungsangebot durch bauliche Maßnahmen sowie die Bereitstellung von medizinischer Ausstattung weiter ausgebaut. 103Vgl. giz.de: Gesundheit im Fokus. 104Abgesehen davon ist die medizinische Versorgung in den großen Städten der Region Kurdistan-Irak gut; auf dem Land ist eine medizinische Grundversorgung vorhanden. 105Vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Ansbach vom 12. Juni 2017. 106Sind diese aktuellen Erkenntnisse der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen, gilt dies nicht für die Informationen des UNHCR zur Rückkehr in den Irak vom 14. November 2016, da sie veraltet sind. 107Die Erkenntnislage des Gerichts stimmt nicht mit dem Vortrag der Klägerin überein, die Hilfsorganisationen hätten die Hilfe in den Flüchtlingslagern des Nord-Irak im Rahmen der Corona-Pandemie eingestellt oder würden nicht mehr über Mittel verfügen. Die Situation mag zwar insgesamt angespannt sein, grundlegende Veränderungen zur vorstehenden Lageeinschätzung des Gerichts bestehen jedoch nicht. 108Vgl. z. B. OCHA, Iraq: COVID-19: Situation report No. 14, vom 1. Juni 2020, https://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/documents/files/20200601_covid19_sitrep_no.14.pdf, abgerufen am 25. August 2020; OCHA, Iraq: Humanitarian Bulletin, Juni 2020, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_iraq_june_2020_humanitarian_bulletin_v2.pdf, abgerufen am 25. August 2020. 109Die Gefahren für die Klägerin als alleinstehende Frau, auf die sie sich auch für eine Rückkehr in die kurdische Autonomieregion und gegebenenfalls die dortigen Flüchtlingslager wegen der Vielzahl an muslimischen Männern in diesen Lagern beruft, kann der Einzelrichter nicht feststellen. Vielmehr wird die Rückkehrsituation gemeinsam mit dem Mann nach jezidischem Ritus und dem gemeinsamen Kind zugrunde gelegt. Es ist nicht vorgetragen, dass der Mann ihr keinen ausreichenden Schutz bieten kann. 110Wie bereits gesagt kann die Klägerin den Flüchtlingsschutz des Weiteren nicht gemäß § 26 Abs. 1, Abs. 5 AsylG von Herrn U. P. J1. ableiten, da sie diesen nur nach jezidischem Ritus und nicht nach staatlichem Recht geheiratet hat. 111Vgl. Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, § 26 AsylG, Rn. 8 m. w. N. und Begründung. 112Auch von dem gemeinsamen Sohn kann sie die Flüchtlingseigenschaft nicht gemäß § 26 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 AsylG ableiten, weil dieser die Flüchtlingseigenschaft nicht aufgrund eigener Verfolgung zuerkannt erhalten hat, sondern diese wiederum gemäß § 26 Abs. 2 AsylG von seinem Vater abgeleitet hat, und im Hinblick auf die Klägerin insofern das Verbot der „Kettenableitung“ gilt. 113Vgl. Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, § 26 Rn. 22, 23b m. w. N. und Begründung. 114II. Darüber hinaus steht der Klägerin kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG zu. Danach ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Dabei gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). 1151. Aus den vorgenannten Gründen droht der Klägerin in ihrer Heimat jedenfalls bei Rückkehr in die Autonome Region Kurdistan, auf die sie gemäß § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3e AsylG zu verweisen ist, weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. 1162. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG wegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts kommt ebenfalls nicht in Betracht. 117Dieser – auf die Qualifikationsrichtlinie zurückgehende – Schutztatbestand ist zwar in gleicher Weise wie die weiteren Tatbestände für individuelle Bedrohungen vorgesehen. So stellen nach Erwägungsgrund 35 der Qualifikationsrichtlinie Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt sind, grundsätzlich keine Bedrohung im Sinne der Richtlinie dar. Die Norm erfasst aber auch den Fall einer außergewöhnlichen allgemeinen Situation, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person der Gefahr individuell ausgesetzt wäre. Danach kann bei allgemeinen Gefahren, die grundsätzlich keine Bedrohung im Sinne der Richtlinie darstellen, ausnahmsweise eine ernsthafte Bedrohung dann als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass eine Zivilperson allein durch die Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Der Grad der willkürlichen Gewalt, der vorliegen muss, damit ein Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, ist umso geringer, je mehr er belegen kann, dass er auf Grund der seine persönliche Situation prägenden Umstände spezifisch betroffen ist, 118vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 – C‑465/07 –, juris; EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014– C-285/12 –, juris; BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 – 10 C 9.08 –, juris; BVerwG, Urteil vom17. November 2011 – 10 C 13/10 –, juris. 119Besteht ein bewaffneter Konflikt mit der beschriebenen Gefahrendichte nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung allerdings in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Ausländers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren würde. Ist dies zu bejahen, hängt die Gewährung subsidiären Schutzes davon ab, ob die betreffende Person in anderen Teilen ihres Heimatlandes, in denen derartige Gefahren nicht bestehen, internen Schutz gemäß § 4 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 3e AsylG finden könnte. Internationalen Schutz benötigt ein Antragsteller nicht, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine tatsächliche Gefahr besteht, dass er einen ernsthaften Schaden erleidet, er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Nach § 4 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 3e Abs. 2 AsylG sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung zu berücksichtigen, 120vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 – 10 C 9.08 –, juris. 121Gemessen daran kann die Klägerin keinen subsidiären Schutz beanspruchen. Sie ist darauf zu verweisen, in der kurdischen Autonomieregion internen Schutz zu suchen. Dort ist die Situation nicht von kriegsähnlichen oder bürgerkriegsähnlichen Zuständen geprägt. Vielmehr herrschen dort vergleichsweise stabile Verhältnisse, wie oben dargelegt wurde. Regelrechte Kämpfe oder kriegerische Auseinandersetzungen finden dort zurzeit nicht statt. 122III. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG ist zu verneinen, weil eine hier allein in Betracht kommende Verletzung von Art. 3 EMRK nicht ersichtlich ist. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung zu berücksichtigen (Art. 3 EMRK), ist der sachliche Regelungsbereich weitgehend identisch mit dem Schutzbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Daher scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG regelmäßig – so auch hier – aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, 123vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15/12 –, juris. 124Dementsprechend ist das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nur dann zu bejahen, wenn die Verfolgungsgefahr im Abschiebungszielstaat landesweit besteht, 125vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 28. Juli 2014 – 9 LB 2/13 –, juris. 126Dies ist jedoch, wie oben ausgeführt, nicht der Fall. 127IV. Ebenso wenig ergibt sich für die Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG angesichts der allgemein schlechten Versorgungslage im Irak. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. 128Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt sind, schließen im Grundsatz die Berufung auf Satz 1 aus. Dazu zählen unzureichende allgemeine Lebensbedingungen wie eine schlechte Sicherheitslage, eine defizitäre Versorgungslage oder mangelhafte hygienische Verhältnisse, aber auch eine generell hohe Gewaltkriminalität oder hohe Arbeitslosigkeit. Diese Gefahren sind über Anordnungen der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG berücksichtigungsfähig (§ 60 Abs. 7 S. 6 AufenthG). Nur dann, wenn die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG wegen einer extremen Gefahrenlage die Gewährung von Abschiebungsschutz unabhängig von einer politischen Leitentscheidung gebieten, ist § 60 Abs. 7 S. 5 AufenthG verfassungskonform einschränkend dahingehend auszulegen, dass gleichwohl Abschiebungsschutz zuzusprechen ist. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lasst, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde. 129Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2010 – 10 C 10/09 –, juris; BVerwG, Urteil vom 8. September 2011 ‑ 10 V 14/10 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2016 – 4 A 2940/15.A –, juris. 130Bei einer Abschiebung in den Irak wäre die Klägerin daher keinen extremen Gefahren im beschriebenen Sinne ausgesetzt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie in der kurdischen Autonomieregion – bei unterstellter Rückkehr mit ihrem Ehemann nach jezidischem Ritus und dem Sohn – Aufnahme finden und ihren Lebensunterhalt sicherstellen kann. 131V. Die gegenüber der Klägerin ausgesprochene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung ist ebenso wenig rechtlich zu beanstanden wie das verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot. 132VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 709 Satz 2, § 711 ZPO. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. 133Rechtsmittelbelehrung: 134Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beantragt werden. Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster. 135Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1361. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder 1372. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 1383. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. 139Der Antrag ist schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 140Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden. 141In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. 142Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). 143Die Antragsschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. | die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens, für das gerichtskosten nicht erhoben werden. das urteil ist hinsichtlich der kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. die klägerin kann die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des nach dem urteil zu vollstreckenden betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden betrages leistet. 1 | 2die nach ihren angaben 1993 geborene klägerin ist irakische staatsangehörige kurdischer volkszugehörigkeit jezidischen glaubens und stammt nach ihren angaben aus dem dorf t. im bezirk t1. (bzw. t2. ). nach ihren angaben reiste sie im september 2014 aus ihrem heimatland aus und hielt sich zunächst ohne aufenthaltsrecht in flüchtlingslagern in der türkei bis juni 2018 auf. von dort sei sie am 20. juni 2018 auf dem landweg durch unbekannte länder bis nach deutschland gereist, wo sie am 26. juni 2018 einreiste, um am 5. juli 2018 einen asylantrag beim bundesamt für migration und flüchtlinge (bundesamt) in n. zu stellen. 3wegen eines eurodac-treffers der kategorie 2 in bezug auf griechenland vom 15. mai 2018 führte das bundesamt zunächst ein dublin-verfahren durch und richtete am 11. juli 2018 ein übernahmeersuchen an griechenland. nach dem die griechische dublin-unit dieses wegen fehlender informationen zum reiseweg durch andere unbekannte länder anfang september 2018 abgelehnt hatte und eine remonstration des bundesamtes ohne reaktion blieb, entschied das bundesamt ende oktober 2018, im nationalen verfahren zu entscheiden. 4in ihrer schon zuvor am 11. juli 2018 in n. beim bundesamt erfolgten anhörung hatte die klägerin im wesentlichen vorgetragen: sie habe im herkunftsort ihrer familie im eigentum gelebt, die schule bis zur siebten klasse besucht und bis zur flucht nur auf den feldern gearbeitet. anlass der ausreise sei die tötung von tausenden von jesiden gewesen, insbesondere entführungen oder tötungen von kindern sowie vergewaltigungen und entführungen von mädchen. zudem seien sie in den alltäglichen dingen diskriminiert worden.erst auf nachfrage des anhörenden schilderte sie die flucht vor dem heranrückenden is am 3. august 2014 in die berge und nach schlimmen erlebnissen dort über syrien nach kurdistan. weil sie auch in kurdistan jedoch nicht hätten bleiben können, sei sie nach weniger als einem monat weiter in die türkei geflüchtet. in der zeit dort ohne gesichertes aufenthaltsrecht habe sie ihren mann rituell geheiratet. dieser lebe in deutschland und sei als flüchtling anerkannt.in bezug auf die finanziellen mittel für die ausreise habe ihr mann sie unterstützt und ihre geschwister geholfen. ihre eltern seien noch in der türkei. ein 38-jähriger bruder von ihr halte sich in einer flüchtlingsunterkunft d. auf, was zu a. gehöre. mitglieder der großfamilie lebten teilweise noch in t1. , teilweise in kurdistan in flüchtlingsunterkünften. 5mit bescheid vom 9. november 2018 lehnte das bundesamt die anträge auf asylanerkennung, zuerkennung der flüchtlingseigenschaft sowie auf subsidiären schutz ab und stellte fest, dass abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 und absatz 7 satz 1 aufenthg nicht vorliegen. ferner drohte es der klägerin die abschiebung in den irak an, sollte sie nicht innerhalb von 30 tagen nach bekanntgabe der entscheidung bzw. im falle einer klageerhebung nach unanfechtbarem abschluss des asylverfahrens ausreisen, und befristete das gesetzliche einreise- und aufenthaltsverbot auf 15 monate ab dem tag der abschiebung. 6die klägerin hat gegen diesen ihrem schon im verwaltungsverfahren bestellten bevollmächtigten am 15. november 2018 zugestellten bescheid am 27. november 2018 diese klage erhoben, mit der sie ihr flüchtlingsschutzbegehren weiterverfolgt. in der sache beruft sie sich im wesentlichen auf den völkermord an den jesiden durch den is und das fehlen einer schutzalternative, insbesondere in der kurdischen autonomieregion. zudem beruft sie sich auf rechtsprechung des vg münster zu gefahren für alleinstehende frauen, insbesondere jesidinnen, ohne familiäre unterstützung im nordirak. 7zum zeitpunkt der klageerhebung hielt die klägerin sich in der zue w. auf, bevor sie mit bescheid der bezirksregierung b. vom 17. dezember 2018 zunächst nach e. zugewiesen wurde. anfang juli 2019 erfolgte eine umverteilung nach h. zu ihrem ehemann nach religiösem ritus (u. p. j. , * 00.00.1997). diesem irakischen staatsangehörigen war im asylverfahren az. 0000000-438 wegen der gruppenverfolgung der jesiden durch den is schon anfang september 2015 die flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden. aus der beziehung mit diesem mann stammt der am 00.00.2019 im bundesgebiet geborene sohn n1. j. der klägerin. dieser erhielt in seinem asylverfahren az. 0000000-438 im hinblick auf die flüchtlingsanerkennung des vaters vom bundesamt mit bescheid vom 22. januar 2020 gemäß § 26 abs. 3 asylg ebenfalls die flüchtlingseigenschaft zuerkannt. die klägerin lebt mit beiden in h. in häuslicher gemeinschaft (c. str. 000). 8die klägerin beantragt, 9die beklagte unter aufhebung des bescheides des bundesamtes vom 9. november 2018 zu verpflichten, 10ihr die flüchtlingseigenschaft nach § 3 asylg zuzuerkennen, 11hilfsweise, ihr subsidiären schutz nach § 4 abs. 1 asylg zuzuerkennen, 12weiter hilfsweise, festzustellen, dass abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 und 7 aufenthg hinsichtlich des irak bestehen. 13die beklagte beantragt schriftsätzlich, 14die klage abzuweisen, 15und beruft sich zur begründung auf die gründe des angefochtenen bescheides. 16die klägerin ist in der mündlichen verhandlung, zu der sie von mann und kind begleitet worden ist, informatorisch angehört worden. dort hat sie u. a. vorgetragen, ihr bruder sei mittlerweile auch ausgereist und auch von der gesamten großfamilie halte sich niemand mehr in der herkunfts-region t1. oder in flüchtlingslagern in der kurdischen autonomieregion auf; alle hätten den irak verlassen. wegen der weiteren einzelheiten wird auf die sitzungsniederschrift bezug genommen.der bevollmächtigte der klägerin hat sich auf dieser grundlage darauf berufen, es sei jedenfalls ein abschiebungsverbot für die klägerin als alleinstehende jezidische frau, nunmehr ohne jegliche familiäre unterstützung im irak, anzunehmen. 17wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird ergänzend auf den inhalt der gerichtsakte dieses verfahrens sowie der beigezogenen vorgänge des bundesamtes (auch zum mann nach religiösem ritus und dem gemeinsamen kind) sowie der die klägerin und den mann betreffenden akten der ausländerbehörde der stadt h. bezug genommen. 18 | 19die klage hat keinen erfolg. sie ist zulässig, aber unbegründet. 20die klage ist zulässig, weil das erkennende gericht insbesondere örtlich zuständig ist gemäß § 52 nr. 2 s. 3, 1. hs vwgo. zum maßgeblichen zeitpunkt der klageerhebung am 27. november 2018 war die klägerin noch in der zentralen unterbringungseinrichtung (zue) w. untergebracht und hatte deshalb dort ihren aufenthalt zu nehmen. nach der telefonischen auskunft des zuweisungs-referats bei der bezirksregierung b. gegenüber dem einzelrichter am 11. februar 2020 erfolgte die verteilung nach e. erst mit zuweisungsbescheid vom 17. dezember 2018, bevor die klägerin dann mit weiterem bescheid vom 5. juli 2019 zum mann nach h. verteilt wurde (vgl. vermerk, bl. 63 der gerichtsakte). 21die klage ist nicht begründet. der bescheid des bundesamtes vom 9. november 2018 ist zu dem für die tatsächliche und rechtliche beurteilung maßgeblichen zeitpunkt der entscheidung des gerichts rechtmäßig und verletzt die klägerin nicht in ihren rechten (§ 113 abs. 5 satz 1 vwgo, § 77 abs. 1 satz 1 asylg). sie hat weder einen anspruch auf zuerkennung der flüchtlingseigenschaft noch auf zuerkennung des subsidiären schutzes. auch ein anspruch auf feststellung eines abschiebungsverbotes gemäß § 60 abs. 5 oder abs. 7 satz 1 aufenthg besteht nicht. 22i. die voraussetzungen für die zuerkennung der flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. asylg liegen nicht vor. 23nach § 3 abs. 1 asylg ist ein ausländer flüchtling im sinne des abkommens über die rechtsstellung der flüchtlinge (genfer flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter furcht vor verfolgung wegen seiner rasse, religion, nationalität, politischen überzeugung oder zugehörigkeit zu einer bestimmten gruppe außerhalb des landes (herkunftsland) befindet, dessen staatsangehörigkeit er besitzt und dessen schutz er nicht in anspruch nehmen kann oder wegen dieser furcht nicht in anspruch nehmen will. 24als verfolgung in diesem sinne gelten handlungen, die auf grund ihrer art oder wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende verletzung der grundlegenden menschenrechte darstellen, insbesondere der rechte, von denen gemäß art. 15 abs. 2 der europäischen konvention zum schutze der menschenrechte und grundfreiheiten (emrk) keine abweichung zulässig ist, oder handlungen, die in einer kumulierung unterschiedlicher maßnahmen, einschließlich einer verletzung der menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine person davon in ähnlicher weise betroffen ist (vgl. § 3a abs. 1 asylg). § 3a abs. 2 nr. 1 asylg nennt als mögliche verfolgungshandlung beispielhaft die anwendung physischer oder psychischer gewalt; weitere verfolgungshandlungen ergeben sich aus nrn. 2 bis 5. gemäß § 3a abs. 3 asylg muss zwischen den verfolgungsgründen und den als verfolgung eingestuften handlungen oder dem fehlen von schutz vor solchen handlungen eine verknüpfung bestehen. eine nähere umschreibung der verfolgungsgründe enthält § 3b asylg. demnach ist unter dem begriff der politischen überzeugung insbesondere zu verstehen, dass der ausländer in einer angelegenheit, die die in § 3c asylg genannten potenziellen verfolger sowie deren politiken oder verfahren betrifft, eine meinung, grundhaltung oder überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er aufgrund dieser meinung, grundhaltung oder überzeugung tätig geworden ist (vgl. § 3b abs. 1 nr. 5 asylg). unerheblich ist, ob der ausländer tatsächlich die politischen merkmale aufweist, sofern ihm diese merkmale von seinen verfolgern zugeschrieben werden (§ 3b abs. 2 asylg). 25eine verfolgung kann ausgehen von dem staat, von parteien oder organisationen, die den staat oder wesentliche teile des staatsgebiets beherrschen, oder nichtstaatlichen akteuren, sofern die vorgenannten akteure einschließlich internationaler organisationen erwiesenermaßen nicht in der lage oder nicht willens sind, schutz vor der verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem land eine staatliche herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (vgl. § 3c asylg). 26wenn der ausländer in einem teil seines herkunftslands keine begründete furcht vor verfolgung oder zugang zu schutz vor verfolgung hat und sicher und legal in diesen landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, wird ihm die flüchtlingseigenschaft gemäß § 3e abs. 1 asylg nicht zuerkannt (sog. interner schutz). 27die furcht vor verfolgung im sinne von § 3 abs. 1 nr. 1 asylg ist begründet, wenn dem antragsteller bei verständiger würdigung der gesamtumstände des falles politische verfolgung tatsächlich, d.h. mit beachtlicher wahrscheinlichkeit droht. 28vgl. bverwg, urteil vom 20. februar 2013 - 10 c 23.12 -; ovg nrw, beschluss vom 5. januar 2016 ‑ 11 a 324/14.a -, beide zitiert nach juris. 29damit gilt der gleiche prognosemaßstab wie bei art. 16a gg. anders als im nationalen asylrecht ist er allerdings auch bei vorverfolgung heranzuziehen. anknüpfend an art. 4 abs. 4 der qualifikationsrichtlinie (2011/95/eu) wird der vorverfolgte durch eine beweiserleichterung privilegiert, dergestalt, dass für diesen die tatsächliche vermutung streitet, dass er bei rückkehr ebenfalls verfolgung erleidet. dadurch wird der vorverfolgte von der notwendigkeit entlastet, stichhaltige gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden umstände bei der rückkehr erneut realisieren werden. diese vermutung kann aber widerlegt werden. hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige gründe die wiederholungsträchtigkeit solcher verfolgung entkräften. dies ist im rahmen freier beweiswürdigung zu beurteilen. 30vgl. bverwg, urteil vom 20. februar 2013 - 10 c 23.12 -; urteil vom 27. april 2010 – 10 c 5/09 –; ovg nrw, urteil vom 17. august 2010 – 8 a 4063/06.a –, alle juris. 31es ist sache des asylbewerbers, die gründe für seine furcht vor verfolgung schlüssig vorzutragen. er muss unter angabe genauer einzelheiten einen in sich stimmigen sachverhalt schildern, aus dem sich bei wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger würdigung verfolgung droht bzw. bereits stattgefunden hat. hierzu gehört, dass er zu den in seine sphäre fallenden ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen erlebnissen, eine schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten anspruch lückenlos zu tragen. 32vgl. bverwg, beschluss vom 26. oktober 1989 – 9 b 405/89 –; beschluss vom 19. oktober 2001 ‑ 1 b 24/01 -, beide juris. 33das gericht muss die volle überzeugung von der wahrheit und nicht nur der wahrscheinlichkeit des vom kläger behaupteten individuellen schicksals erlangen, aus dem er seine furcht vor politischer verfolgung herleitet. wegen der häufig bestehenden beweisschwierigkeiten des asylbewerbers kann schon allein sein eigener sachvortrag zur asylanerkennung führen, sofern sich das gericht unter berücksichtigung aller umstände von dessen wahrheit überzeugen kann. 34vgl. bverwg, beschluss vom 21. juli 1989 – 9 b 239/89 –, juris. 35diese anforderungen zugrunde gelegt, ist der klägerin die flüchtlingseigenschaft weder aus individuellen verfolgungsgründen zuzuerkennen, noch kommt die zuerkennung der flüchtlingseigenschaft auf grund einer gruppenverfolgung in betracht. 361. ein individuelles verfolgungsschicksal kann dem vorbringen der klägerin auch bei wahrunterstellung nicht entnommen werden. sie hat nicht geltend gemacht, vor ihrer ausreise konkreten, gegen sie persönlich gerichteten verfolgungshandlungen nach § 3a asylg von staatlichen oder nichtstaatlichen akteuren im sinne des § 3c asylg ausgesetzt gewesen zu sein. vielmehr hat sie nach einer allgemeinen beschreibung der auf die jesiden insgesamt bezogenen diskriminierung sowie auch gegen die religionsgemeinschaft gerichteten verfolgungshandlungen durch den is – nach beendigung ihres sachvortrags erst auf nachfrage der anhörenden person – vorgetragen, aus angst vor dem heranrückenden is am 00.00.2014 aus ihrem heimatdorf t. über die berge und syrien bis nach kurdistan geflüchtet zu sein; persönlich betroffen sei sie nur insofern, als sie auf der flucht mangel an essen und trinken gelitten und zudem viele menschen sterben gesehen habe. 372. der klägerin steht auch kein anspruch auf zuerkennung der flüchtlingseigenschaft im hinblick auf eine gruppenverfolgung der religionsgemeinschaft der jesiden (mehr) zu. 38nach der höchstrichterlichen rechtsprechung kann sich politische verfolgung auch gegen gruppen von menschen richten, die durch gemeinsame merkmale wie etwa rasse, religion oder politische überzeugung verbunden sind. die annahme einer solchen gruppengerichteten verfolgung setzt voraus, dass gruppenmitglieder rechtsgutsbeeinträchtigungen erfahren, aus deren intensität und häufigkeit jedes einzelne gruppenmitglied die begründete furcht herleiten kann, selbst alsbald ein opfer solcher verfolgungsmaßnahmen zu werden. 39vgl. bverfg, beschluss vom 2. juli 1980 – 1 bvr 147/80 -; beschluss vom 23. januar 1991– 2 bvr 902/85 u.a. -; bverwg, urteil vom 18. juli 2006 – 1 c 15/05 -; urteil vom 21. april 2009– 10 c 11/08 -, alle veröffentlicht in juris. 40dabei ist je nach den tatsächlichen gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares merkmal wie die religion anknüpft oder ob für die bildung der verfolgten gruppe und die annahme einer individuellen betroffenheit weitere umstände oder indizien hinzutreten müssen. die annahme einer alle gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten verfolgung setzt - abgesehen von den fällen eines (staatlichen) verfolgungsprogramms - außerdem eine bestimmte „verfolgungsdichte“ voraus, welche die „regelvermutung“ eigener verfolgung rechtfertigt. hierfür ist die gefahr einer so großen vielzahl von eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle übergriffe oder um eine vielzahl einzelner übergriffe handelt. die verfolgungshandlungen müssen vielmehr im verfolgungszeitraum und verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden gruppenangehörigen nicht nur die möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle gefahr eigener betroffenheit entsteht. voraussetzung für die annahme einer gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten verfolgungsmaßnahmen die von ihnen betroffenen gerade in anknüpfung an asylerhebliche merkmale treffen. ob eine in dieser weise spezifische zielrichtung vorliegt, die verfolgung mithin wegen eines der in § 3 abs. 1 asylg genannten merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen charakters nach der erkennbaren gerichtetheit der maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven gründen oder motiven, die den verfolgenden dabei leiten. ob verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte gruppe von menschen in deren herkunftsstaat die voraussetzungen der verfolgungsdichte erfüllen, ist auf grund einer wertenden betrachtung im sinne der gewichtung und abwägung aller festgestellten umstände und ihrer bedeutung zu entscheiden. dabei muss zunächst die gesamtzahl der angehörigen der von verfolgungshandlungen betroffenen gruppe ermittelt werden. weiter müssen anzahl und intensität aller verfolgungsmaßnahmen, gegen die schutz weder von staatlichen stellen noch von staatsähnlichen herrschaftsorganisationen im sinne von § 3d asylg einschließlich internationaler organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare merkmale im sinne von § 3 asylg nach ihrer objektiven gerichtetheit zugeordnet werden. alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben merkmalen zusammengesetzte gruppe bezogenen verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten größe dieser gruppe in beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte anzahl von eingriffen, die sich für eine kleine gruppe von verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann. 41vgl. bverwg, urteil vom 18. juli 2006 – 1 c 15/05 -; urteil vom 21. april 2009 – 10 c 11/08 -, jeweils juris m.w.n. 42diese ursprünglich für die unmittelbare und die mittelbare staatliche gruppenverfolgung entwickelten grundsätze sind prinzipiell auch auf die private verfolgung durch nichtstaatliche akteure übertragbar, wie sie durch das asylgesetz ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist. 43vgl. bverwg, urteil vom 18. juli 2006 – 1 c 15/05 -; urteil vom 21. april 2009 – 10 c 11/08 -, jeweils juris. 44unter berücksichtigung dieser maßstäbe geht das erkennende gericht davon aus, dass angehörige der jesidischen glaubensgemeinschaft aus der region t3. (kurdisch: t1. ), provinz o. , im sommer 2014 einer gruppenverfolgung durch den is ausgesetzt waren bzw. aus begründeter furcht vor einer drohenden gruppenverfolgung ihre heimatregion verlassen mussten. 45vgl. dazu im einzelnen: erkennendes gericht, urteil vom 25. oktober 2017 – 20 k 1742/17.a -, juris. 46zu dieser personengruppe gehört auch die klägerin, die der jesidischen glaubensgemeinschaft angehört und nach den vorliegenden informationen einschließlich ihrer angaben aus der region t3. stammen soll. 47die durch die gruppenverfolgung als jesiden begründete vermutung des art. 4 abs. 4 der qualifikationsrichtlinie (2011/95/eu), dass sie auch im falle ihrer rückkehr mit einer verfolgung rechnen müsste, ist im gegebenen falle widerlegt, da sich die machtverhältnisse im irak zwischenzeitlich entscheidend verändert haben. von einer den jesiden drohenden gruppenverfolgung durch den is kann im entscheidungserheblichen zeitpunkt der mündlichen verhandlung aufgrund dieser geänderten machtverhältnisse nicht mehr ausgegangen werden, 48vgl. ovg lüneburg, urteil vom 30. juli 2019 – 9 lb 133/19 –, juris; a.a: vg düsseldorf, urteil vom 25. oktober 2019 – 13 a 14360/17.a -, urteil vom 6. november 2019 - 16 a 1235/18.a -. 49die widerlegung der vermutung gilt auch für den fall, dass man bei der klägerin aufgrund ihres vorbringens nicht eine frühere gruppenverfolgung sondern eine individualverfolgung durch den is sehen wollte. 50gegenwärtig spricht nichts für eine erneute verfolgung der jesidischen bevölkerung durch den is in der provinz o. . 51ebenso ovg lüneburg, urteil vom 30. juli 2019 – 9 lb 133/19 –, juris; vg köln, urteil vom 16. september 2019 – 18 k 1311/19.a –, juris; vg münster, urteil vom 26. april 2018 – 6a k 4203/16.a –, juris, jeweils mit weiteren nachweisen aus der rechtsprechung. 52im november 2015 gelang es den kurdischen peschmerga, jesidischen kämpfern, einheiten der pkk und weiteren kampftruppen, in einer großoffensive mit hilfe von luftangriffen der internationalen koalition unter führung der usa die stadt t3. und das t3. -gebirge zurückzuerobern. 53wikipedia.de: sindschar; konrad-adenauer-stiftung e.v. 2017 (hrsg.): oehring, christen und jesiden im irak: aktuelle lage und perspektiven, seite 49; zeit vom 13. november 2015: kurden erobern sindschar von is zurück. 54in der folgezeit wurde der is immer weiter zurückgedrängt. nachdem im oktober 2016 die kampagne zur rückeroberung von mosul begonnen hatte, wurde mosul im juli 2017 befreit; anfang oktober 2017 wurde die stadt hawidscha befreit; zuletzt wurde nur noch ein gebiet an der grenze zu syrien vom is kontrolliert. inzwischen ist der is vollständig aus dem irak zurückgedrängt. 55vgl. wikipedia.de: schlacht um mosul; auswärtiges amt, bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante lage in der republik irak vom 2. märz 2020 (stand: märz 2020), s. 16 ff.; tagesschau.de vom 10. juli 2017: irak meldet rückeroberung mosuls; tagesschau.de vom 5. oktober 2017: hawidscha vom is befreit; tagesschau.de vom 17. november 2017: armee befreit letzte is-hochburg. 56auf der grundlage dieser eindeutigen und allgemein zugänglichen informationen ist festzustellen, dass der is zu einer fortführung seiner systematischen gruppenverfolgung in den siedlungsgebieten der jesiden in o. im zeitpunkt der mündlichen verhandlung nicht mehr in der lage ist. seit dem militärischen sieg über den is wandelt sich die organisation zwar zunehmend zu einer aus dem untergrund operierenden terrorgruppe, die sich auf selbstmordanschläge und guerilla-taktik konzentriert. 57vgl. ovg lüneburg, urteil vom 30. juli 2019 – 9 lb 133/19 –, juris; auswärtiges amt, bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante lage in der republik irak, vom 2. märz 2020 (stand: märz 2020), s. 16 ff. 58die erkenntnisse über die gegenwärtige stärke des is rechtfertigen aber nicht die annahme, dass er derzeit oder in absehbarer zukunft in der lage sein wird, erneut ein gebiet im irak zu besetzen. es fehlt also an einer erforderlichen gebietshoheit, um die minderheit der jesiden aus religiösen gründen weiterhin systematisch zu verfolgen. 59so bereits erkennendes gericht, urteil vom 9. oktober 2019 – 20 k 18629/ 17.a –. 60infolgedessen sind mittlerweile tausende jezidische familien in ihre angestammten wohnorte zurückgekehrt, 61vgl. ovg lüneburg, urteil vom 30. juli 2019 – 9 lb 133/19 –, juris m.w.n. 62der einzelfall der klägerin gibt keinen anlass zu einer abweichenden bewertung. 63für eine zum zeitpunkt der mündlichen verhandlung drohende gruppenverfolgung der jesiden in der provinz o. durch die sunnitisch geprägte kurdische bevölkerung oder durch den irakischen zentralstaat spricht nach der derzeitigen erkenntnislage der kammer ebenfalls nichts. 64so auch ovg lüneburg, urteil vom 30. juli 2019 – 9 lb 133/19 –, juris. 65offen bleiben kann, ob angesichts der zerstörung der städte und ortschaften sowie der konflikte zwischen der irakischen zentralregierung und der regierung der autonomen region kurdistan um die vorherrschaft der region auf der einen seite und der auseinandersetzungen zwischen den volksgruppen und deren bewaffneten verbänden, aber auch zwischen den peschmerga und der pkk, auf der anderen seite, 66vgl. dazu oehring, a.a.o, s. 48 ff., 67derzeit eine rückkehr in die herkunfts-region, insbesondere den bezirk t2. zumutbar ist. denn die klägerin kann jedenfalls darauf verwiesen werden, internen schutz in einem teil ihres heimatlandes irak zu suchen (§ 3e abs. 1 asylg). danach wird dem ausländer die flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem teil seines heimatlandes keine begründete furcht vor verfolgung oder zugang zu schutz vor verfolgung hat (abs. 1 nr. 1) und sicher und legal in diesen landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (abs. 1 nr. 2). diese voraussetzungen sind für die autonome region kurdistan erfüllt. 68in der region kurdistan-irak und in weiteren gebieten, die unter kontrolle der kurdischen regionalregierung stehen, sind minderheiten weitgehend vor gewalt und verfolgung geschützt. innenpolitisch herrschen vergleichsweise stabile verhältnisse mit einer parlamentarischen demokratie. in kurdistan-irak leben in großer zahl menschen, die aus anderen regionen des irak geflohen sind und dort effektiven schutz erhalten. ca. 800.000 der rund 1.400.000 binnenvertriebenen aus anderen landesteilen halten sich dort auf. 69vgl. auswärtiges amt, bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante lage in der republik irak vom 2. märz 2020 (stand: märz 2020), s. 5, 13 und 20. 70angesichts dieser lage in der herkunftsregion der klägerin einerseits sowie in der kurdischen autonomieregion andererseits kann sie – wie bereits vor ihrer ausreise für einen kurzen zeitraum in a. – in diesem landesteil des irak schutz suchen, zumal sie selbst keine verfolgung durch die politischen akteure in kurdistan-irak zu befürchten hat (§ 3e abs. 1 nr. 1 asylg). 71über die internationalen flughäfen erbil oder sulaimaniya kann die klägerin sicher und legal einreisen (§ 3e abs. 1 nr. 2 halbs. 1 asylg). selbst abgelaufene irakische reisepässe bleiben zur rückkehr gültig. 72vgl. auswärtiges amt, bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante lage in der republik irak vom 12. januar 2019, s. 26. 73es ist auch davon auszugehen, dass die klägerin in dem verfolgungsfreien landesteil aufgenommen wird (§ 3e abs. 1 nr. 2 halbs. 2 asylg). 74grundsätzlich müssen irakische staatsangehörige, die in der autonomen region kurdistan-irak langfristig verbleiben und arbeiten wollen, sich bei den örtlichen behörden registrieren. zudem bedürfen sie einer aufenthaltserlaubnis, die wiederum voraussetzung für den zugang zum arbeitsmarkt und verschiedene dienstleistungen ist. nach den vorliegenden erkenntnissen wird, auch wenn die praxis je nach provinz und im einzelfall abweichen kann, für die erteilung einer aufenthaltserlaubnis grundsätzlich verlangt, dass der betroffene identitätsdokumente vorlegen, einen wohnsitz nachweisen und einen bürgen benennen kann. laut mehreren quellen sind kurdische volkszugehörige allerdings von dem erfordernis, einen bürgen zu benennen, generell ausgenommen. 75vgl. the danish immigration service, the kurdistan region of iraq (kri) - access, possibility of protection and humanitarian situation, april 2016, s. 16 f.; uk home office, country information and guidance, iraq: return/internal relocation, august 2016, s. 41 ff.; bundesamt für fremdenwesen und asyl der republik österreich, anfragebeantwortung vom 5. oktober 2016. 76jesiden können - selbst wenn sie nicht aus der autonomen region kurdistan stammen – nach den erkenntnissen des gerichts unter erleichterten bedingungen in die kurdische autonomie-region einreisen, ggfs. auch ohne bereits aufenthaltspapiere zu besitzen und ohne einen bürgen nachweisen zu müssen. 77vgl. uk home office, country information und guidance - iraq: return/internal relocation august 2016, a.a.o. 78nach neueren quellen wird das erfordernis, einen sponsor zu benennen, in letzter zeit weniger streng angewendet. auch für iraker aus den provinzen anbar, ninive, salah al-din und diyala ist es mittlerweile wieder einfacher, eine aufenthaltserlaubnis zu bekommen. 79vgl. zum vorstehenden: the danish immigration service, northern iraq – security situation and the situation for internally displaced persons (idps) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the kurdistan region of iraq (kri), november 2018, s. 35 ff..; uk home office, country policy and information note – iraq: internal relocation, civil documentation and returns, februar 2019, s. 45 ff. auch die aktuellen informationen des unhcr zur rückkehr in den irak aus mai 2019 gehen nur davon aus, dass eine interne fluchtalternative in den ehemals vom is besetzten gebieten sowie in den zwischen der autonomen region kurdistan und der zentralregierung des iraks umstrittenen gebieten ausscheide, während die autonome region kurdistan unter bestimmten umständen als interne fluchtalternative in betracht kommt, wohl aber nicht für arabische volkszugehörige, sunnitischer religionszugehörigkeit aus ehemals vom is besetzten gebieten, vgl. unhcr, international protection considerations with regard to people fleeing the republic of iraq, mai 2019. 80vor diesem hintergrund ist zu erwarten, dass die klägerin als jesidin mit kurdischer ethnie in den kurdischen autonomiegebieten ohne größere schwierigkeiten aufnahme finden kann. 81von der klägerin kann schließlich vernünftigerweise erwartet werden, dass sie sich in dem verfolgungsfreien landesteil niederlässt (§ 3e abs. 1 nr. 2 halbs. 2 asylg). es ist nicht mit beachtlicher wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dort das existenzminimum nicht gewährleistet ist. maßstab hierfür ist, ob ein rückkehrer durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und seiner vorbildung nicht entsprechende arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch zuwendungen von dritter seite jedenfalls nach überwindung von anfangsschwierigkeiten das zu einem angemessenen lebensunterhalt erforderliche erlangen kann. zu den danach zumutbaren arbeiten gehören auch tätigkeiten, für die es keine nachfrage auf dem allgemeinen arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur deckung eines kurzfristigen bedarfs, beispielsweise in der landwirtschaft oder im bausektor, ausgeübt werden können. 82vgl. ovg nrw, beschluss vom 6. juni 2016 – 13 a 1882/15.a -, juris, zum maßstab für eine inländische fluchtalternative: bverwg, urteil vom 1. februar 2007 – 1 c 24/06 -, juris. 83nicht mehr zumutbar ist die inländische fluchtalternative dann, wenn der rückkehrer an dem verfolgungssicheren ort auf dauer ein leben zu erwarten hat, das zu hunger, verelendung und schließlich zum tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten hat als ein dahinvegetieren am rand des existenzminimums. die existenzgrundlage muss so weit gesichert sein, dass vom ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich am ort des internen schutzes aufhält. welche wirtschaftlichen oder sozialen standards erfüllt sein müssen, ist von der höchstrichterlichen rechtsprechung bislang nicht beantwortet worden. 84bverwg, beschluss vom 31. juli 2002 – 1 b 128/02 -; urteil vom 14. november 2012 – 10 b 22/12 -; urteil vom 31. januar 2013 – 10 c 15/12 -, alle juris. 85auch wenn die wirtschaftliche situation in der region schwierig ist, ist sie dennoch relativ stabil und die versorgungslage auch für ärmere bevölkerungsschichten gesichert. die deutsche gesellschaft für internationale zusammenarbeit (giz) unterstützt im auftrag der bundesregierung die kurdische nationalregierung dabei, flüchtlinge und binnenvertriebene zu versorgen. 86vgl. auswärtiges amt, bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante lage in der republik irak vom 12. februar 2018; giz.de: nordirak, ein leben nach der flucht (stand: mai 2017). 87mit blick darauf ist davon auszugehen, dass auch die existenzgrundlage der klägerin bei einer rückkehr gewährleistet ist. es ist zu erwarten, dass sie als junge, gesunde und arbeitsfähige frau in der autonomen region kurdistan ihren lebensunterhalt wird sicherstellen können. 88zum internen schutz in der autonomen region kurdistan vgl. auch: erkennendes gericht, urteil vom 28. märz 2017 – 19 k 7035/16.a – sowie urteil vom 16. november 2016 – 16 k 8209/16.a -; bayvgh, beschluss vom 8. januar 2018 – 20 zb 17.30839 -, juris; vg münchen, urteil vom 28. märz 2017 – m 4 k 16.33235 -, juris; vg augsburg, urteil vom 13. märz 2017 ‑ au 5 k 16.32681 -, juris. 89dabei stellt der einzelrichter – anders als der bevollmächtigte der klägerin, der für sie erhebliche gefahren als alleinstehende frau ohne männliche begleitung bzw. schutz befürchtet – nicht darauf ab, dass sie dort ganz auf sich gestellt wird klarkommen müssen. dabei kann offenbleiben, ob tatsächlich alle näheren und auch weiteren angehörigen der großfamilie der klägerin den irak verlassen haben, wie sie in ihrer informatorischen anhörung pauschal behauptet hat („die sind alle in die türkei geflüchtet.“). vielmehr legt der einzelrichter als rückkehrsituation eine gemeinsame rückkehr mit ihrem ehemann nach jezidischem ritus und dem gemeinsamen kind zugrunde. es ist nicht ersichtlich, dass der gesunde junge und erwerbsfähige mann nicht hinreichenden schutz gewähren und den lebensunterhalt durch arbeit sicherstellen kann; gegebenenfalls können sie gemeinsam aufnahme in flüchtlingslagern finden. 90dies ergibt sich aus der jüngeren rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts, wonach – unter aufgabe entgegenstehender rechtsprechung – für die prognose der bei einer rückkehr ins herkunftsland drohenden gefahren bei realitätsnaher betrachtung der rückkehrsituation im regelfall davon auszugehen ist, dass eine im bundesgebiet in familiärer gemeinschaft lebende kernfamilie (eltern und minderjährige kinder) im familienverband in ihr herkunftsland zurückkehrt. von einer gemeinsamen rückkehr im familienverband ist für die rückkehrprognose im regelfall auch dann auszugehen, wenn einzelnen familienmitgliedern bereits bestandskräftig ein schutzstatus zuerkannt oder für sie ein nationales abschiebungsverbot festgestellt worden ist. 91vgl. bundesverwaltungsgericht (bverwg), urteil vom 4. juli 2019 – 1 c 45/18 –, juris leitsätze 2 und 3 unter verweis auf rn. 16 ff. und 19 ff. m. w. n. und eingehender begründung. 92auch wenn die klägerin mit herrn u. p. j1. keine ehe nach staatlichem recht führt – und deshalb die ableitung des diesem zuerkannten flüchtlingsschutzes gemäß § 26 abs. 1, abs. 5 asylg ausgeschlossen ist –, sondern ihn nach ihren durchgängigen angaben nach jezidischem ritus in der türkei geheiratet hat, sieht der einzelrichter zwischen den beiden partnern und dem gemeinsamen kind eine „kernfamilie“ im sinne der dargestellten rechtsprechung. dies ergibt sich aus der von art. 6 gg geschützten eltern-kind-beziehung der klägerin mit ihrem im bundesgebiet geborenen sohn n1. j1. einerseits und der in gleicher weise geschützten eltern-kind-beziehung des jungen mit seinem vater, dem mann der klägerin nach jezidischem ritus. die vater-kind-beziehung des mannes mit dem jungen lässt sich den in der asyl-akte des jungen az. 0000000-438 enthaltenen urkunden über die vorgeburtliche anerkennung der vaterschaft sowie über die gemeinsame elterliche sorge, jeweils vom 2. mai 2019, entnehmen (beiakte 4, bl. 6 ff.). ist aber die beziehung der klägerin zu ihrem sohn einerseits und die beziehung des sohnes zu seinem vater andererseits von art. 6 gg geschützt, so stellt die „faktische kernfamilie“ aus den nach staatlichem recht nicht verheirateten eltern und dem gemeinsamen sohn bei einer tatsächlichen lebens- und haushaltsgemeinschaft in h. unter der anschrift c. str. 000 eine kernfamilie im sinne der obigen rechtsprechung dar, deren gemeinsame rückkehr für die gefahrenprognose im asylrecht anzunehmen ist.gemeinsam mit dem mann (und dem gemeinsamen kind) ist eine rückkehr in die kurdische autonomieregion für die klägerin möglich und zumutbar, insbesondere ist von sicherung des lebensunterhalts auszugehen. 93sollte die klägerin (mit mann und kind) mangels verfügbaren wohnraums gezwungen sein, sich (vorübergehend) in einem flüchtlingslager niederzulassen, ist dies unter zugrundelegung der maßstäbe der rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts nicht unzumutbar. dass die lage in den flüchtlingslagern schwierig ist, macht sie nicht menschenunwürdig. vielmehr ist das zu einem menschenwürdigen leben erforderliche wirtschaftliche existenzminimum nach der aktuellen erkenntnislage dort gegeben. insbesondere sind unterbringung und zugang zu nahrungsmitteln, trinkwasser, sanitären einrichtungen und gesundheitsfürsorge gewährleistet. 94fälle, in denen menschen in der region kurdistan-irak an hunger leiden würden, sind nicht bekannt. 95vgl. auswärtiges amt, auskunft an das bundesamt für migration und flüchtlinge vom 21. juli 2017. 96die situation in den lagern hat sich stetig verbessert. dazu beigetragen hat die bundesregierung, die seit 2014 mehr als 273 mio. euro für humanitäre hilfsprojekte im irak eingesetzt hat; allein 2016 waren es mehr als 119 mio. euro; auch 2017 ist das engagement fortgesetzt worden. die giz, das technische hilfswerk (thw) und nichtregierungsorganisationen unterstützen die bundesregierung im nordirak bei der errichtung von camps, dem aufbau von trinkwasser- und abwassersystemen, der beschaffung von gerätschaften und fahrzeugen für die fäkalien- und abfallentsorgung sowie dem bau von gesundheitszentren und schulen. 97vgl. auswärtiges amt: humanitäre hilfe für irak, stand oktober 2017, abrufbar über die homepage des auswärtigen amtes; pressemittelung, auswärtiges amt zu stabilisierung im irak, 17. april 2018; bundesministerium für wirtschaftliche zusammenarbeit und entwicklung: minister müller dankt deutschen partnern für aufbauleistung in nordirakischen flüchtlingscamps, pressemitteilung vom 28. januar 2016; giz.de; thw.de: logistikzentrum für den katastrophenschutz; malteser.de: unsere arbeit im irak; drk.de: nord-irak: nothilfe für binnenvertriebene und flüchtlinge. 98um für die menschen eine perspektive zu schaffen, hat die giz sog. „cash for work“-aktivitäten ins leben gerufen. damit haben flüchtlinge, binnenvertriebene und bedürftige einwohner die möglichkeit, in zeitlich befristeten beschäftigungsverhältnissen ihre grundversorgung zu sichern und zugleich dienstleistungen zu erbringen und zur instandsetzung der infrastruktur in den camps beizutragen. 99vgl. giz.de: arbeitsplätze schaffen perspektiven. 100die medizinische versorgung ist ebenfalls gesichert. beispielsweise wird in vier flüchtlingscamps mit ca. 80.000 bewohnern unentgeltlich eine medizinische grundversorgung angeboten, die auch die umliegenden gemeindeeinwohner nutzen können. 101vgl. auswärtiges amt, bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante lage in der republik irak vom 12. februar 2018; nzz vom 14. september 2016: über kurdistan reden; giz.de: nordirak, ein leben nach der flucht (stand: mai 2017). 102bereits 2015 hat die giz sechs basisgesundheitszentren in verschiedenen flüchtlingslagern errichtet und ausgestattet und zwei krankenhäuser umfangreich renoviert. in der folgezeit wurde und wird das leistungsangebot durch bauliche maßnahmen sowie die bereitstellung von medizinischer ausstattung weiter ausgebaut. 103vgl. giz.de: gesundheit im fokus. 104abgesehen davon ist die medizinische versorgung in den großen städten der region kurdistan-irak gut; auf dem land ist eine medizinische grundversorgung vorhanden. 105vgl. auswärtiges amt, auskunft an das vg ansbach vom 12. juni 2017. 106sind diese aktuellen erkenntnisse der gerichtlichen entscheidung zugrunde zu legen, gilt dies nicht für die informationen des unhcr zur rückkehr in den irak vom 14. november 2016, da sie veraltet sind. 107die erkenntnislage des gerichts stimmt nicht mit dem vortrag der klägerin überein, die hilfsorganisationen hätten die hilfe in den flüchtlingslagern des nord-irak im rahmen der corona-pandemie eingestellt oder würden nicht mehr über mittel verfügen. die situation mag zwar insgesamt angespannt sein, grundlegende veränderungen zur vorstehenden lageeinschätzung des gerichts bestehen jedoch nicht. 108vgl. z. b. ocha, iraq: covid-19: situation report no. 14, vom 1. juni 2020, https://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/documents/files/20200601_covid19_sitrep_no.14.pdf, abgerufen am 25. august 2020; ocha, iraq: humanitarian bulletin, juni 2020, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_iraq_june_2020_humanitarian_bulletin_v2.pdf, abgerufen am 25. august 2020. 109die gefahren für die klägerin als alleinstehende frau, auf die sie sich auch für eine rückkehr in die kurdische autonomieregion und gegebenenfalls die dortigen flüchtlingslager wegen der vielzahl an muslimischen männern in diesen lagern beruft, kann der einzelrichter nicht feststellen. vielmehr wird die rückkehrsituation gemeinsam mit dem mann nach jezidischem ritus und dem gemeinsamen kind zugrunde gelegt. es ist nicht vorgetragen, dass der mann ihr keinen ausreichenden schutz bieten kann. 110wie bereits gesagt kann die klägerin den flüchtlingsschutz des weiteren nicht gemäß § 26 abs. 1, abs. 5 asylg von herrn u. p. j1. ableiten, da sie diesen nur nach jezidischem ritus und nicht nach staatlichem recht geheiratet hat. 111vgl. kluth/heusch, beckok ausländerrecht, § 26 asylg, rn. 8 m. w. n. und begründung. 112auch von dem gemeinsamen sohn kann sie die flüchtlingseigenschaft nicht gemäß § 26 abs. 3 s. 1, abs. 5 asylg ableiten, weil dieser die flüchtlingseigenschaft nicht aufgrund eigener verfolgung zuerkannt erhalten hat, sondern diese wiederum gemäß § 26 abs. 2 asylg von seinem vater abgeleitet hat, und im hinblick auf die klägerin insofern das verbot der „kettenableitung“ gilt. 113vgl. kluth/heusch, beckok ausländerrecht, § 26 rn. 22, 23b m. w. n. und begründung. 114ii. darüber hinaus steht der klägerin kein anspruch auf zuerkennung subsidiären schutzes nach § 4 abs. 1 asylg zu. danach ist ein ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige gründe für die annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem herkunftsland ein ernsthafter schaden droht. dabei gilt gemäß § 4 abs. 1 satz 2 asylg als ernsthafter schaden die verhängung oder vollstreckung der todesstrafe (nr. 1), folter oder unmenschliche oder erniedrigende behandlung oder bestrafung (nr. 2) sowie eine ernsthafte individuelle bedrohung des lebens oder der unversehrtheit einer zivilperson infolge willkürlicher gewalt im rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten konflikts (nr. 3). 1151. aus den vorgenannten gründen droht der klägerin in ihrer heimat jedenfalls bei rückkehr in die autonome region kurdistan, auf die sie gemäß § 4 abs. 3 i. v. m. § 3e asylg zu verweisen ist, weder die verhängung oder vollstreckung der todesstrafe i.s.d. § 4 abs. 1 satz 2 nr. 1 asylg noch die gefahr der folter oder unmenschlicher oder erniedrigender behandlung oder bestrafung i.s.d. § 4 abs. 1 satz 2 nr. 2 asylg. 1162. die zuerkennung subsidiären schutzes nach § 4 abs. 1 satz 2 nr. 3 asylg wegen einer ernsthaften individuellen bedrohung des lebens oder der unversehrtheit infolge willkürlicher gewalt im rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten konflikts kommt ebenfalls nicht in betracht. 117dieser – auf die qualifikationsrichtlinie zurückgehende – schutztatbestand ist zwar in gleicher weise wie die weiteren tatbestände für individuelle bedrohungen vorgesehen. so stellen nach erwägungsgrund 35 der qualifikationsrichtlinie gefahren, denen die bevölkerung oder eine bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt sind, grundsätzlich keine bedrohung im sinne der richtlinie dar. die norm erfasst aber auch den fall einer außergewöhnlichen allgemeinen situation, die durch einen so hohen gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass stichhaltige gründe für die annahme bestehen, dass die betroffene person der gefahr individuell ausgesetzt wäre. danach kann bei allgemeinen gefahren, die grundsätzlich keine bedrohung im sinne der richtlinie darstellen, ausnahmsweise eine ernsthafte bedrohung dann als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten konflikt kennzeichnende grad willkürlicher gewalt ein so hohes niveau erreicht, dass eine zivilperson allein durch die anwesenheit in dem betroffenen gebiet tatsächlich gefahr liefe, einer solchen bedrohung ausgesetzt zu sein. der grad der willkürlichen gewalt, der vorliegen muss, damit ein antragsteller anspruch auf subsidiären schutz hat, ist umso geringer, je mehr er belegen kann, dass er auf grund der seine persönliche situation prägenden umstände spezifisch betroffen ist, 118vgl. eugh, urteil vom 17. februar 2009 – c‑465/07 –, juris; eugh, urteil vom 30. januar 2014– c-285/12 –, juris; bverwg, urteil vom 14. juli 2009 – 10 c 9.08 –, juris; bverwg, urteil vom17. november 2011 – 10 c 13/10 –, juris. 119besteht ein bewaffneter konflikt mit der beschriebenen gefahrendichte nicht landesweit, kommt eine individuelle bedrohung allerdings in der regel nur in betracht, wenn der konflikt sich auf die herkunftsregion des ausländers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren würde. ist dies zu bejahen, hängt die gewährung subsidiären schutzes davon ab, ob die betreffende person in anderen teilen ihres heimatlandes, in denen derartige gefahren nicht bestehen, internen schutz gemäß § 4 abs. 3 asylg i.v.m. § 3e asylg finden könnte. internationalen schutz benötigt ein antragsteller nicht, wenn in einem teil seines herkunftslandes keine tatsächliche gefahr besteht, dass er einen ernsthaften schaden erleidet, er sicher und legal in diesen landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. nach § 4 abs. 3 asylg i.v.m. § 3e abs. 2 asylg sind die dortigen allgemeinen gegebenheiten und die persönlichen umstände des antragstellers zum zeitpunkt der entscheidung zu berücksichtigen, 120vgl. bverwg, urteil vom 14. juli 2009 – 10 c 9.08 –, juris. 121gemessen daran kann die klägerin keinen subsidiären schutz beanspruchen. sie ist darauf zu verweisen, in der kurdischen autonomieregion internen schutz zu suchen. dort ist die situation nicht von kriegsähnlichen oder bürgerkriegsähnlichen zuständen geprägt. vielmehr herrschen dort vergleichsweise stabile verhältnisse, wie oben dargelegt wurde. regelrechte kämpfe oder kriegerische auseinandersetzungen finden dort zurzeit nicht statt. 122iii. ein abschiebungsverbot nach § 60 abs. 5 aufenthg ist zu verneinen, weil eine hier allein in betracht kommende verletzung von art. 3 emrk nicht ersichtlich ist. soweit § 60 abs. 5 aufenthg die völkerrechtliche verpflichtung der bundesrepublik deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden maßnahmen die gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden behandlung oder bestrafung zu berücksichtigen (art. 3 emrk), ist der sachliche regelungsbereich weitgehend identisch mit dem schutzbereich des § 4 abs. 1 satz 2 nr. 2 asylg. daher scheidet bei verneinung der voraussetzungen des § 4 abs. 1 satz 2 nr. 2 asylg regelmäßig – so auch hier – aus denselben tatsächlichen und rechtlichen erwägungen auch ein abschiebungsverbot nach § 60 abs. 5 aufenthg in bezug auf art. 3 emrk aus, 123vgl. bverwg, urteil vom 31. januar 2013 – 10 c 15/12 –, juris. 124dementsprechend ist das abschiebungsverbot nach § 60 abs. 5 aufenthg i.v.m. art. 3 emrk nur dann zu bejahen, wenn die verfolgungsgefahr im abschiebungszielstaat landesweit besteht, 125vgl. ovg lüneburg, urteil vom 28. juli 2014 – 9 lb 2/13 –, juris. 126dies ist jedoch, wie oben ausgeführt, nicht der fall. 127iv. ebenso wenig ergibt sich für die klägerin ein abschiebungsverbot nach § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg angesichts der allgemein schlechten versorgungslage im irak. nach dieser vorschrift soll von der abschiebung eines ausländers in einen anderen staat abgesehen werden, wenn dort für diesen ausländer eine erhebliche konkrete gefahr für leib, leben oder freiheit besteht. 128gefahren, denen die bevölkerung oder die bevölkerungsgruppe, der der ausländer angehört, allgemein ausgesetzt sind, schließen im grundsatz die berufung auf satz 1 aus. dazu zählen unzureichende allgemeine lebensbedingungen wie eine schlechte sicherheitslage, eine defizitäre versorgungslage oder mangelhafte hygienische verhältnisse, aber auch eine generell hohe gewaltkriminalität oder hohe arbeitslosigkeit. diese gefahren sind über anordnungen der obersten landesbehörde nach § 60a abs. 1 s. 1 aufenthg berücksichtigungsfähig (§ 60 abs. 7 s. 6 aufenthg). nur dann, wenn die grundrechte aus art. 1 abs. 1, art. 2 abs. 2 s. 1 gg wegen einer extremen gefahrenlage die gewährung von abschiebungsschutz unabhängig von einer politischen leitentscheidung gebieten, ist § 60 abs. 7 s. 5 aufenthg verfassungskonform einschränkend dahingehend auszulegen, dass gleichwohl abschiebungsschutz zuzusprechen ist. die drohenden gefahren müssen nach art, ausmaß und intensität von einem solchen gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver betrachtung für den ausländer die begründete furcht ableiten lasst, selbst in erheblicher weise ein opfer der extremen allgemeinen gefahrenlage zu werden. die gefahren müssen dem ausländer mit hoher wahrscheinlichkeit drohen. nach diesem hohen wahrscheinlichkeitsgrad muss eine abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der ausländer ansonsten „gleichsam sehenden auges dem sicheren tod oder schwersten verletzungen ausgeliefert würde“. schließlich müssen sich diese gefahren alsbald nach der rückkehr realisieren. das bedeutet nicht, dass im falle der abschiebung der tod oder schwerste verletzungen sofort, gewissermaßen noch am tag der abschiebung, eintreten müssen. vielmehr besteht eine extreme gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der ausländer mangels jeglicher lebensgrundlage dem baldigen sicheren hungertod ausgeliefert werden würde. 129vgl. bverwg, urteil vom 29. juni 2010 – 10 c 10/09 –, juris; bverwg, urteil vom 8. september 2011 ‑ 10 v 14/10 –, juris; ovg nrw, beschluss vom 23. februar 2016 – 4 a 2940/15.a –, juris. 130bei einer abschiebung in den irak wäre die klägerin daher keinen extremen gefahren im beschriebenen sinne ausgesetzt. vielmehr ist davon auszugehen, dass sie in der kurdischen autonomieregion – bei unterstellter rückkehr mit ihrem ehemann nach jezidischem ritus und dem sohn – aufnahme finden und ihren lebensunterhalt sicherstellen kann. 131v. die gegenüber der klägerin ausgesprochene ausreiseaufforderung mit abschiebungsandrohung ist ebenso wenig rechtlich zu beanstanden wie das verfügte einreise- und aufenthaltsverbot. 132vi. die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo, § 83b asylg. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i.v.m. § 708 nr. 11, § 709 satz 2, § 711 zpo. der gegenstandswert ergibt sich aus § 30 abs. 1 rechtsanwaltsvergütungsgesetz. 133rechtsmittelbelehrung: 134gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung die zulassung der berufung beantragt werden. über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster. 135die berufung ist nur zuzulassen, wenn 1361. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat oder 1372. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 1383. ein in § 138 der verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. 139der antrag ist schriftlich bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) zu stellen. er muss das angefochtene urteil bezeichnen. 140der antrag kann auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer rechtsverkehr-verordnung – ervv) eingereicht werden. 141in dem antrag sind die gründe, aus denen die berufung zuzulassen ist, darzulegen. 142im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). 143die antragsschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. | Verklagte*r | 0 |
165,668 | 50 C 9301/14 | 2015-05-07T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von einer Forderung ihres Prozessbevollmächtigten betreffend die vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 413,64 EUR freizustellen. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, welcher der Klägerin aus dem Vorfall vom 25.11.2013 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergeht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 24,3 % und die Beklagte zu 75,7 % zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von jeweils 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin macht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus einem Vorfall vom 25.11.2013 geltend. 3Die Beklagte betreibt ein Bekleidungs-Kaufhaus auf der T-Straße in E, das die Klägerin am 24.11.2013 gegen 15:00 Uhr betrat. Zu diesem Zeitpunkt war der aus acht Glastür-Elementen bestehende Eingangsbereich des Kaufhauses zur Hälfte geöffnet; die mittleren vier Elemente waren aufgeschoben, während die jeweils beiden äußeren Elemente geschlossen waren und als Schwingtür benutzt werden konnten. 4Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Klägerin beim Betreten des Kaufhauses gegen eines der geschlossenen Glastürelemente lief und sich dabei verletzte. Die Beklagte reagierte jedenfalls auf den behaupteten Vorfall und öffnete umgehend sämtliche Glaselemente des Eingangsbereichs. Darüber hinaus brachte sie am Folgetag an den Glastürelementen jeweils in Augenhöhe einen Milchglasstreifen an. 5Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.12.2013 (Bl. 20 Gerichtsakten) machte die Klägerin gegenüber der Versicherung der Beklagten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend, die die Versicherung mit Schreiben vom 10.1.2014 (Bl. 23 Gerichtsakten) zurückwies. 6Mit der Klage verlangt die Klägerin zuletzt materiellen Schadensersatz i.H.v. 145,77 EUR Behandlungskosten gemäß Rechnung des Zahnarztes T vom 28.1.2014 (Rechnungsbetrag von 208,24 EUR abzüglich von einer privaten Krankenversicherung erstatteter 62,47 EUR), ein angemessenes Schmerzensgeld von 1500 EUR, die Freistellung von außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 492,54 EUR sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen zukünftigen Schäden zu ersetzen. 7Die Klägerin trägt vor, sie sei am 25.11.2013 gegen 15:00 Uhr im Eingangsbereich des Kaufhauses der Beklagten beim Betreten gegen die geschlossene zweite Glastür von links gestoßen. Dabei habe sie sich eine Fraktur ihrer von Zahn 13 bis zu 23 verlaufenden Frontzahnbrücke sowie großflächige Keramik-Abplatzungen an den Zähnen 22 und 23 zugezogen, weshalb die Frontzahnbrücke komplett neu erstellt werden müsse. Zudem habe sie eine Platzwunde oberhalb der Lippe sowie eine Beule an der Stirn, einen Schock und stark anhaltende Kopfschmerzen sowie Schwindel und Übelkeit erlitten. Im Hinblick darauf sowie angesichts der aufwändigen, mehrere Termine umfassenden und schmerzhaften Zahnbehandlung, die noch erforderlich sei, sei ein Schmerzensgeld von 1500 EUR angemessen. 8Nachdem die Klägerin die Klage i.H.v. 150 EUR nebst anteiliger Zinsen zurückgenommen hat, beantragt sie 91. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag i.H.v. 145,77 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (28.8.2014) zu zahlen; 102. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen angemessenen Schmerzensgeldbetrag, dessen Höhe ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 1500 EUR nicht unterschreiten sollte, zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; 113. die Beklagte zu verurteilen, sie von einer Forderung ihres Prozessbevollmächtigten betreffend die vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 492,54 EUR freizustellen; 124. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, welcher ihr aus dem Vorfall vom 25.11.2013 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergeht. 13Die Beklagte beantragt, 14die Klage abzuweisen. 15Sie macht geltend, sie könne für den behaupteten Vorfall vom 25.11.2013 nicht in Anspruch genommen werden, da keine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorliege. 16Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 18.12.2014 (Bl. 74 Gerichtsakten). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Aussage des Zeugen O vom 2.1.2015 (Bl. 82 Gerichtsakten) sowie auf das Protokoll vom 9.4.2015 (Bl. 101 Gerichtsakten) verwiesen. 17Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das Vorbringen der Parteien in deren wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. 18Entscheidungsgründe: 19Die Klage ist zum Teil begründet. 20Die Klägerin kann gemäß §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB materiellen Schadensersatz i.H.v. 145,77 EUR, ein Schmerzensgeld von 500 EUR, die Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 413,64 EUR verlangen sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr – der Klägerin – alle zukünftigen Schäden aus dem Vorfall vom 25.11.2013 zu erstatten. 21Die Beklagte hat am 25.11.2013 ihr obliegende Verkehrssicherungspflichten verletzt, indem sie die Glaselemente des Eingangsbereichs ihres Kaufhauses auf der T-Straße in E nur teilweise geöffnet hat, ohne dass die geschlossen gebliebenen Elemente ausreichende Markierungen aufgewiesen haben, um den Kundenverkehr vor dem feststehenden Glasbereich zu warnen. 22Derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage gleich welcher Art für Dritte schafft oder andauern lässt, z.B. durch Eröffnung eines Verkehrs oder Errichtung einer Anlage, die mit Gefahren für Rechtsgüter Dritter verbunden ist, hat Rücksicht auf diese Gefährdung zu nehmen und deshalb die allgemeine Rechtspflicht, diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und ihm zumutbar sind, um die Schädigung Dritter möglichst zu verhindern (vergleiche Palandt-Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Auflage, § 823 Rn. 46 mit weiteren Nachweisen). Dabei muss der Pflichtige nicht für alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Es genügen vielmehr diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Erforderlich sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger der betreffenden Verkehrskreise für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren (vergleiche Palandt-Sprau, aaO, Rn. 51 mit weiteren Nachweisen). 23Nach den aufgezeigten Grundsätzen traf die Beklagte die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass durch geeignete Maßnahmen, etwa durch die Anbringung optischer Auffälligkeiten wie Markierungsstreifen, zu verhindern, dass ihre Kunden beim Betreten des Kaufhauses gegen die geschlossen gebliebenen Türelemente stoßen bzw. laufen würden. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte unstreitig erst am 26.11.2013 nachgekommen, also erst am Tag nach dem streitbefangenen Vorfall. Dass bereits vorher die von der Beklagten aufgebrachten Milchglas-Markierungsstreifen anzubringen gewesen wären, ergibt sich bereits aus der von der Beklagten selbst vorgelegten geänderten Arbeitsstättenregel ASR A1.7 (Bl. 61 Gerichtsakten). Auf den dort abgebildeten Glastüren ist gerade ein querverlaufender Markierungsstreifen zu sehen, der bis zum 26.11.2013 an den Glaselementen des Eingangsbereichs des Kaufhauses der Beklagte an der T-Straße in E aber gefehlt hat. 24Die Beklagte kann auch nicht erfolgreich geltend machen, durch die vorhandenen Türgriffe und die am Bodenbereich verlaufende Sockelleiste sei die Glastür ausreichend deutlich zu erkennen gewesen. Zu berücksichtigen sind insbesondere die besonderen Umstände des Streitfalles, bei denen nicht etwa alle Türelemente geöffnet wurden oder geschlossen geblieben sind, sondern bei dem das Öffnen der Türen nur teilweise erfolgt ist. Dadurch ist die besonders gefährliche Situation herbeigeführt worden, dass die Kunden der Beklagten, dem eindringenden Menschen Strom folgend, darauf vertrauen konnten, dass der Bereich (insgesamt) geöffnet sein würde, ohne dass damit gerechnet werden musste, dass die Beklagte mit dem teilweisen Öffnen der Tür ein Engstelle produziert hat, an deren Seiten feststehende Glastür Elemente sein würden. In Augenhöhe dieser feststehenden Bereiche befanden sich auch gerade keine Markierungen, die auf einen geschlossenen Bereich hingewiesen hätten. Die Griffe der geschlossen gebliebenen Elemente befanden sich jeweils im inneren (Durchgangs-)Bereich dieser Türen, nicht jedoch außen, wo sich der geöffnete Bereich anschloss. Der Hinweis auf die durchgehende optisch wahrzunehmende Fußleiste geht schon deshalb fehl, weil diese im Bodenbereich befindliche Leiste nicht besonders wahrzunehmen gewesen ist, insbesondere dann nicht, wenn Kunden nicht nur vereinzelt das Kaufhaus der Beklagten betreten haben, sondern in größeren Gruppen oder Massen. 25Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten ergibt sich auch insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie es unterlassen hat, bereits nach dem ersten aufgetretenen Vorfall vom 25.11.2013, bei dem bereits offenbar schon ein Kunde gegen die Tür gelaufen ist, die Maßnahmen zu ergreifen, die dann nach dem streitbefangenen Vorfall durchgeführt worden, nämlich das vollständige Öffnen der Türen. Dass es bereits einen ähnlichen Vorfall gegeben hatte, haben die Zeuginnen K und N2 bestätigt. Beide Zeuginnen haben bekundet, dass es am 25.11.2013 vor dem streitbefangenen Vorfall eine Situation gegeben hat, bei der ein weiterer Kunde gegen die Tür gelaufen war. Die Zeugin K konnte dies direkt bestätigen, während die Zeugin N2 eine entsprechende Aussage vom Hörensagen gemacht hat. 26Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts auch fest, dass die Klägerin gegen das zweite geschlossen gebliebene Glastürelement von links gelaufen ist und sich dabei verletzt hat. Entsprechendes ergibt sich bereits aus den Aussagen der Zeuginnen K und N2, die übereinstimmend bekundet haben, dass die Klägerin ihnen gegenüber dies so angegeben und auch Spuren im Gesicht aufgewiesen hat. Von besonderem Belang ist dabei, dass nicht etwa die Klägerin selbst die Initiative ergriffen und Mitarbeiter der Beklagten auf den Vorfall angesprochen hatte, sondern von der Zeugin K diesbezüglich befragt worden ist, weil die Zeugin „sogleich bemerkt hat, dass etwas nicht stimmte“. Angesichts dessen hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass sich der Vorfall so zugetragen hat, wie ihn dann die Klägerin persönlich im Rahmen ihrer abschließenden Anhörung im Termin vom 9.4.2015 bekundet hat. 27Auf Grundlage der Erklärungen der Klägerin ist auch kein Raum für ein gemäß § 254 BGB zu berücksichtigendes Mitverschulden der Klägerin, für dessen tatsächlichen Voraussetzungen ohnehin die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig ist. Die Klägerin hat ihrer Aussage zur Folge lediglich versucht, das Kaufhaus mit dem Menschenstrom zu betreten. Dabei konnte sie darauf vertrauen, dass sich vor ihr keine nur schwer oder gar nicht erkennbaren Hindernisse auftun würden. 28Nach Einschätzung des Gerichts ist für die Verletzungen, die die Klägerin aufgrund des Vorfalls vom 25.1.2013 erlitten hat, ein Schmerzensgeld von 500 EUR angemessen und ausreichend. Nach den Aussagen der Zeugen O, K, N2 und L2 hat die Klägerin eine Beule auf der Stirn erlitten, wobei der Zeuge O eine Gesichtsschädelprellung diagnostiziert hat. Darüber hinaus hat die Klägerin eine Schürfwunde an der Oberlippe erlitten, die der Zeuge T bestätigt hat. Dafür spricht auch die Aussage der Zeugin L, die eine geschwollene Oberlippe der Klägerin bestätigt hat. Die Aussagen der Zeugen K und N2 stehen dem nicht entgegen, da die beiden Zeuginnen eine solche Verletzung der Klägerin letztlich nicht ausschließen konnten. Des Weiteren steht nach der Beweisaufnahme fest, dass die Klägerin eine Fraktur ihrer Frontzahnbrücke sowie großflächige Keramikabplatzungen an zwei Zähnen erlitten hat. Der Zeuge T hat dies anschaulich bekundet, was auch von den Zeuginnen K und N2 bestätigt wurde. Die Zeuginnen K und N2 konnten sich lediglich nicht darauf festlegen, dass die Schäden an der Zahnbrücke der Klägerin möglicherweise nicht schon vorher vorhanden gewesen sind. Dies hat aber der Zeuge T ebenso anschaulich ausgeschlossen wie die Zeugin L2, wenn sie bekundet hat, dass die Klägerin nach dem Vorfall eine abgebrochene Zahnbrücke hatte. Daraus folgt, dass die Zahnbrücke vorher noch nicht beschädigt war, zumal die Zeugin L2 die Klägerin noch am Morgen des 25.11.2013 gesehen hatte und mit ihr gemeinsam zum Einkaufen in die Stadt gefahren war. Schließlich hat die Zeugin L2 anschaulich ausgesagt, dass die Klägerin aufgrund des Vorfalls vom 25.11.2013 in dessen unmittelbaren Anschluss einen Schock erlitten hatte, zu dem später auch noch Schmerzen und Schwindel hinzu kamen 29Nach Einschätzung des Gerichts ist für die aufgezeigten Verletzungen aber ein Schmerzensgeld von 500 EUR ausreichend. Die Klägerin hat keinen gravierenden Befund erlitten, insbesondere keine Gehirnerschütterung. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie wegen der Gesichtsverletzungen etwa längere Zeit in ärztlicher Behandlung gewesen wäre. Hinzu kommt, dass auf Seiten der Beklagten nur eine fahrlässige Körperverletzungshandlung in Form der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten gegeben ist. Soweit die Klägerin zur Begründung eines höheren Schmerzensgeldes anführt, dass für die Wiederherstellung der Zahnbrücke noch mehrere Termine mit schmerzhaften Zahnbehandlungen erforderlich sind, wirkt sich dies für das auf Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2015 zu bemessende Schmerzensgeld nicht aus. Dabei handelt es sich um körperliche Beeinträchtigungen, die noch nicht feststehen und erst in der Zukunft anfallen mit der Folge, dass sie vom Feststellungsantrag der Klägerin erfasst sind. Dass etwa zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2015 noch körperliche Beeinträchtigungen aufgrund des Vorfalls vom 25.1.2013 bei der Klägerin vorgelegen haben, ist nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere auch für optische Beeinträchtigungen, die mit der Beschädigung der Frontzahnbrücke einhergehen. Nach der Aussage des Zeugen T ist es so, dass die von ihm durchgeführten provisorischen Maßnahmen, die auch zu einer Beseitigung der optischen Beeinträchtigung geführt haben, immer noch halten. 30Die Klägerin kann indes den nach der Teilklagerücknahme i.H.v. 150 EUR allein noch geltend gemachten materiellen Schaden von 145,77 EUR auf Grundlage der Rechnung des Zeugen T vom 28.1.2014 verlangen. Nach Maßgabe des Schreibens der X vom 12.3.2014 (Bl. 14 Gerichtsakten) erfolgte von dieser auf die genannte Rechnung keine Kassenleistung, so dass es beim Abzug der von der privaten Versicherung bei der E geleisteten 62,47 EUR verbleibt. Die Beklagte kann nicht erfolgreich anführen, die Kasse habe ihre Forderungen bereits bei der Beklagten angemeldet. Zulasten der Beklagten ist mangels konkreter Darlegungen nicht ersichtlich, dass es sich bei den angemeldeten Forderungen etwa um die Kosten handeln soll, die mit der Rechnung des Zeugen T vom 28.1.2014 abgerechnet worden sind. 31Die Klägerin kann auch die Feststellung verlangen, dass die Beklagte wegen der Verletzung ihr obliegender Verkehrssicherungspflichten verpflichtet ist, der Klägerin zukünftige materielle und immaterielle Schäden als Folge des Vorfalls vom 25.11.2013 zu erstatten, wobei sich das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse daraus ergibt, dass noch umfangreiche Zahnbehandlungen der Klägerin in Betracht kommen, die aber noch nicht durchgeführt und abgerechnet worden sind. Dass wegen der Beschädigung der Zahnbrücke der Klägerin noch mit weiteren zahnärztlichen Maßnahmen zu rechnen ist, ergibt sich ohne weiteres aus der Aussage des Zeugen T, der bekundet hat, dass er bislang nur provisorische Maßnahmen vorgenommen hat. 32Die Klägerin kann als Folgeschaden auch die Freistellung von ihr außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren verlangen, allerdings nur in Höhe einer Gebührenforderung von 413,64 EUR. Die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sind nach dem Wert der berechtigten Forderung der Klägerin abzurechnen, mithin nach einem Gegenstandswert von 3583,730 EUR (145,77 EUR materieller Schadensersatz + 500 EUR Schmerzensgeld + 2.937,60 EUR zukünftige Schäden). Es ergibt sich dann eine 1,3 Geschäftsgebühr nach Z. 2300 VV RVG von 327,60 EUR, zu der noch die Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Z. 7002 VV RVG i.H.v. 20 EUR hinzuzurechnen ist. Zu der Netto-Zwischensumme von 347,60 EUR addiert sich dann noch die 19 %ige Umsatzsteuer nach Ziffer 7008 VV RVG i.H.v. 66,04 EUR. 33Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 286 BGB. 34Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Z. 11, 711 ZPO. 35Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt: 36 bis zum 8.4.2015: 4733,730 EUR 37 seit dem 9.4.2015: 4583,730 EUR. 38Rechtsbehelfsbelehrung: 39Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist, 40a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder 41b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist. 42Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. 43Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Düsseldorf zu begründen. 44Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 45Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden. | die beklagte wird verurteilt, die klägerin von einer forderung ihres prozessbevollmächtigten betreffend die vorgerichtlich angefallenen rechtsanwaltskosten i.h.v. 413,64 eur freizustellen. es wird festgestellt, dass die beklagte verpflichtet ist, der klägerin sämtlichen materiellen und immateriellen schaden zu ersetzen, welcher der klägerin aus dem vorfall vom 25.11.2013 noch entstehen wird, soweit der anspruch nicht auf einen sozialversicherungsträger oder andere dritte übergeht. im übrigen wird die klage abgewiesen. die kosten des rechtsstreits haben die klägerin zu 24,3 % und die beklagte zu 75,7 % zu tragen. das urteil ist vorläufig vollstreckbar. die parteien können die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von jeweils 110 % des jeweils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende partei vor der vollstreckung sicherheit in höhe von jeweils 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2die klägerin macht schadensersatz- und schmerzensgeldansprüche aus einem vorfall vom 25.11.2013 geltend. 3die beklagte betreibt ein bekleidungs-kaufhaus auf der t-straße in e, das die klägerin am 24.11.2013 gegen 15:00 uhr betrat. zu diesem zeitpunkt war der aus acht glastür-elementen bestehende eingangsbereich des kaufhauses zur hälfte geöffnet; die mittleren vier elemente waren aufgeschoben, während die jeweils beiden äußeren elemente geschlossen waren und als schwingtür benutzt werden konnten. 4zwischen den parteien ist streitig, ob die klägerin beim betreten des kaufhauses gegen eines der geschlossenen glastürelemente lief und sich dabei verletzte. die beklagte reagierte jedenfalls auf den behaupteten vorfall und öffnete umgehend sämtliche glaselemente des eingangsbereichs. darüber hinaus brachte sie am folgetag an den glastürelementen jeweils in augenhöhe einen milchglasstreifen an. 5mit anwaltlichem schreiben vom 19.12.2013 (bl. 20 gerichtsakten) machte die klägerin gegenüber der versicherung der beklagten schadensersatz- und schmerzensgeldansprüche geltend, die die versicherung mit schreiben vom 10.1.2014 (bl. 23 gerichtsakten) zurückwies. 6mit der klage verlangt die klägerin zuletzt materiellen schadensersatz i.h.v. 145,77 eur behandlungskosten gemäß rechnung des zahnarztes t vom 28.1.2014 (rechnungsbetrag von 208,24 eur abzüglich von einer privaten krankenversicherung erstatteter 62,47 eur), ein angemessenes schmerzensgeld von 1500 eur, die freistellung von außergerichtlich entstandenen rechtsanwaltsgebühren i.h.v. 492,54 eur sowie die feststellung, dass die beklagte verpflichtet ist, der klägerin sämtliche materiellen und immateriellen zukünftigen schäden zu ersetzen. 7die klägerin trägt vor, sie sei am 25.11.2013 gegen 15:00 uhr im eingangsbereich des kaufhauses der beklagten beim betreten gegen die geschlossene zweite glastür von links gestoßen. dabei habe sie sich eine fraktur ihrer von zahn 13 bis zu 23 verlaufenden frontzahnbrücke sowie großflächige keramik-abplatzungen an den zähnen 22 und 23 zugezogen, weshalb die frontzahnbrücke komplett neu erstellt werden müsse. zudem habe sie eine platzwunde oberhalb der lippe sowie eine beule an der stirn, einen schock und stark anhaltende kopfschmerzen sowie schwindel und übelkeit erlitten. im hinblick darauf sowie angesichts der aufwändigen, mehrere termine umfassenden und schmerzhaften zahnbehandlung, die noch erforderlich sei, sei ein schmerzensgeld von 1500 eur angemessen. 8nachdem die klägerin die klage i.h.v. 150 eur nebst anteiliger zinsen zurückgenommen hat, beantragt sie 91. die beklagte zu verurteilen, an sie einen betrag i.h.v. 145,77 eur nebst zinsen i.h.v. 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit rechtshängigkeit (28.8.2014) zu zahlen; 102. die beklagte zu verurteilen, an sie einen angemessenen schmerzensgeldbetrag, dessen höhe ausdrücklich in das ermessen des gerichts gestellt wird, jedoch 1500 eur nicht unterschreiten sollte, zuzüglich zinsen i.h.v. 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu zahlen; 113. die beklagte zu verurteilen, sie von einer forderung ihres prozessbevollmächtigten betreffend die vorgerichtlich angefallenen rechtsanwaltskosten i.h.v. 492,54 eur freizustellen; 124. festzustellen, dass die beklagte verpflichtet ist, ihr sämtlichen materiellen und immateriellen schaden zu ersetzen, welcher ihr aus dem vorfall vom 25.11.2013 noch entstehen wird, soweit der anspruch nicht auf einen sozialversicherungsträger oder andere dritte übergeht. 13die beklagte beantragt, 14die klage abzuweisen. 15sie macht geltend, sie könne für den behaupteten vorfall vom 25.11.2013 nicht in anspruch genommen werden, da keine verkehrssicherungspflichtverletzung vorliege. 16das gericht hat beweis erhoben gemäß beweisbeschluss vom 18.12.2014 (bl. 74 gerichtsakten). wegen des ergebnisses der beweisaufnahme wird auf die schriftliche aussage des zeugen o vom 2.1.2015 (bl. 82 gerichtsakten) sowie auf das protokoll vom 9.4.2015 (bl. 101 gerichtsakten) verwiesen. 17wegen des weiteren sach- und streitstandes wird auf das vorbringen der parteien in deren wechselseitigen schriftsätze nebst anlagen verwiesen. 18 | 19die klage ist zum teil begründet. 20die klägerin kann gemäß §§ 823 abs. 1, 253 abs. 2 bgb materiellen schadensersatz i.h.v. 145,77 eur, ein schmerzensgeld von 500 eur, die freistellung von rechtsanwaltsgebühren i.h.v. 413,64 eur verlangen sowie die feststellung, dass die beklagte verpflichtet ist, ihr – der klägerin – alle zukünftigen schäden aus dem vorfall vom 25.11.2013 zu erstatten. 21die beklagte hat am 25.11.2013 ihr obliegende verkehrssicherungspflichten verletzt, indem sie die glaselemente des eingangsbereichs ihres kaufhauses auf der t-straße in e nur teilweise geöffnet hat, ohne dass die geschlossen gebliebenen elemente ausreichende markierungen aufgewiesen haben, um den kundenverkehr vor dem feststehenden glasbereich zu warnen. 22derjenige, der in seinem verantwortungsbereich eine gefahrenlage gleich welcher art für dritte schafft oder andauern lässt, z.b. durch eröffnung eines verkehrs oder errichtung einer anlage, die mit gefahren für rechtsgüter dritter verbunden ist, hat rücksicht auf diese gefährdung zu nehmen und deshalb die allgemeine rechtspflicht, diejenigen vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und ihm zumutbar sind, um die schädigung dritter möglichst zu verhindern (vergleiche palandt-sprau, bürgerliches gesetzbuch, 68. auflage, § 823 rn. 46 mit weiteren nachweisen). dabei muss der pflichtige nicht für alle denkbaren, entfernten möglichkeiten eines schadenseintritts vorsorge treffen. es genügen vielmehr diejenigen vorkehrungen, die nach den konkreten umständen zur beseitigung der gefahr erforderlich und zumutbar sind. erforderlich sind die maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen grenzen vorsichtiger angehöriger der betreffenden verkehrskreise für notwendig und ausreichend halten darf, um andere personen vor schäden zu bewahren (vergleiche palandt-sprau, aao, rn. 51 mit weiteren nachweisen). 23nach den aufgezeigten grundsätzen traf die beklagte die verpflichtung, dafür sorge zu tragen, dass durch geeignete maßnahmen, etwa durch die anbringung optischer auffälligkeiten wie markierungsstreifen, zu verhindern, dass ihre kunden beim betreten des kaufhauses gegen die geschlossen gebliebenen türelemente stoßen bzw. laufen würden. dieser verpflichtung ist die beklagte unstreitig erst am 26.11.2013 nachgekommen, also erst am tag nach dem streitbefangenen vorfall. dass bereits vorher die von der beklagten aufgebrachten milchglas-markierungsstreifen anzubringen gewesen wären, ergibt sich bereits aus der von der beklagten selbst vorgelegten geänderten arbeitsstättenregel asr a1.7 (bl. 61 gerichtsakten). auf den dort abgebildeten glastüren ist gerade ein querverlaufender markierungsstreifen zu sehen, der bis zum 26.11.2013 an den glaselementen des eingangsbereichs des kaufhauses der beklagte an der t-straße in e aber gefehlt hat. 24die beklagte kann auch nicht erfolgreich geltend machen, durch die vorhandenen türgriffe und die am bodenbereich verlaufende sockelleiste sei die glastür ausreichend deutlich zu erkennen gewesen. zu berücksichtigen sind insbesondere die besonderen umstände des streitfalles, bei denen nicht etwa alle türelemente geöffnet wurden oder geschlossen geblieben sind, sondern bei dem das öffnen der türen nur teilweise erfolgt ist. dadurch ist die besonders gefährliche situation herbeigeführt worden, dass die kunden der beklagten, dem eindringenden menschen strom folgend, darauf vertrauen konnten, dass der bereich (insgesamt) geöffnet sein würde, ohne dass damit gerechnet werden musste, dass die beklagte mit dem teilweisen öffnen der tür ein engstelle produziert hat, an deren seiten feststehende glastür elemente sein würden. in augenhöhe dieser feststehenden bereiche befanden sich auch gerade keine markierungen, die auf einen geschlossenen bereich hingewiesen hätten. die griffe der geschlossen gebliebenen elemente befanden sich jeweils im inneren (durchgangs-)bereich dieser türen, nicht jedoch außen, wo sich der geöffnete bereich anschloss. der hinweis auf die durchgehende optisch wahrzunehmende fußleiste geht schon deshalb fehl, weil diese im bodenbereich befindliche leiste nicht besonders wahrzunehmen gewesen ist, insbesondere dann nicht, wenn kunden nicht nur vereinzelt das kaufhaus der beklagten betreten haben, sondern in größeren gruppen oder massen. 25eine verkehrssicherungspflichtverletzung der beklagten ergibt sich auch insbesondere vor dem hintergrund, dass sie es unterlassen hat, bereits nach dem ersten aufgetretenen vorfall vom 25.11.2013, bei dem bereits offenbar schon ein kunde gegen die tür gelaufen ist, die maßnahmen zu ergreifen, die dann nach dem streitbefangenen vorfall durchgeführt worden, nämlich das vollständige öffnen der türen. dass es bereits einen ähnlichen vorfall gegeben hatte, haben die zeuginnen k und n2 bestätigt. beide zeuginnen haben bekundet, dass es am 25.11.2013 vor dem streitbefangenen vorfall eine situation gegeben hat, bei der ein weiterer kunde gegen die tür gelaufen war. die zeugin k konnte dies direkt bestätigen, während die zeugin n2 eine entsprechende aussage vom hörensagen gemacht hat. 26nach der durchgeführten beweisaufnahme steht zur überzeugung des gerichts auch fest, dass die klägerin gegen das zweite geschlossen gebliebene glastürelement von links gelaufen ist und sich dabei verletzt hat. entsprechendes ergibt sich bereits aus den aussagen der zeuginnen k und n2, die übereinstimmend bekundet haben, dass die klägerin ihnen gegenüber dies so angegeben und auch spuren im gesicht aufgewiesen hat. von besonderem belang ist dabei, dass nicht etwa die klägerin selbst die initiative ergriffen und mitarbeiter der beklagten auf den vorfall angesprochen hatte, sondern von der zeugin k diesbezüglich befragt worden ist, weil die zeugin „sogleich bemerkt hat, dass etwas nicht stimmte“. angesichts dessen hat das gericht keinen zweifel daran, dass sich der vorfall so zugetragen hat, wie ihn dann die klägerin persönlich im rahmen ihrer abschließenden anhörung im termin vom 9.4.2015 bekundet hat. 27auf grundlage der erklärungen der klägerin ist auch kein raum für ein gemäß § 254 bgb zu berücksichtigendes mitverschulden der klägerin, für dessen tatsächlichen voraussetzungen ohnehin die beklagte darlegungs- und beweispflichtig ist. die klägerin hat ihrer aussage zur folge lediglich versucht, das kaufhaus mit dem menschenstrom zu betreten. dabei konnte sie darauf vertrauen, dass sich vor ihr keine nur schwer oder gar nicht erkennbaren hindernisse auftun würden. 28nach einschätzung des gerichts ist für die verletzungen, die die klägerin aufgrund des vorfalls vom 25.1.2013 erlitten hat, ein schmerzensgeld von 500 eur angemessen und ausreichend. nach den aussagen der zeugen o, k, n2 und l2 hat die klägerin eine beule auf der stirn erlitten, wobei der zeuge o eine gesichtsschädelprellung diagnostiziert hat. darüber hinaus hat die klägerin eine schürfwunde an der oberlippe erlitten, die der zeuge t bestätigt hat. dafür spricht auch die aussage der zeugin l, die eine geschwollene oberlippe der klägerin bestätigt hat. die aussagen der zeugen k und n2 stehen dem nicht entgegen, da die beiden zeuginnen eine solche verletzung der klägerin letztlich nicht ausschließen konnten. des weiteren steht nach der beweisaufnahme fest, dass die klägerin eine fraktur ihrer frontzahnbrücke sowie großflächige keramikabplatzungen an zwei zähnen erlitten hat. der zeuge t hat dies anschaulich bekundet, was auch von den zeuginnen k und n2 bestätigt wurde. die zeuginnen k und n2 konnten sich lediglich nicht darauf festlegen, dass die schäden an der zahnbrücke der klägerin möglicherweise nicht schon vorher vorhanden gewesen sind. dies hat aber der zeuge t ebenso anschaulich ausgeschlossen wie die zeugin l2, wenn sie bekundet hat, dass die klägerin nach dem vorfall eine abgebrochene zahnbrücke hatte. daraus folgt, dass die zahnbrücke vorher noch nicht beschädigt war, zumal die zeugin l2 die klägerin noch am morgen des 25.11.2013 gesehen hatte und mit ihr gemeinsam zum einkaufen in die stadt gefahren war. schließlich hat die zeugin l2 anschaulich ausgesagt, dass die klägerin aufgrund des vorfalls vom 25.11.2013 in dessen unmittelbaren anschluss einen schock erlitten hatte, zu dem später auch noch schmerzen und schwindel hinzu kamen 29nach einschätzung des gerichts ist für die aufgezeigten verletzungen aber ein schmerzensgeld von 500 eur ausreichend. die klägerin hat keinen gravierenden befund erlitten, insbesondere keine gehirnerschütterung. es ist auch nicht ersichtlich, dass sie wegen der gesichtsverletzungen etwa längere zeit in ärztlicher behandlung gewesen wäre. hinzu kommt, dass auf seiten der beklagten nur eine fahrlässige körperverletzungshandlung in form der verletzung von verkehrssicherungspflichten gegeben ist. soweit die klägerin zur begründung eines höheren schmerzensgeldes anführt, dass für die wiederherstellung der zahnbrücke noch mehrere termine mit schmerzhaften zahnbehandlungen erforderlich sind, wirkt sich dies für das auf grundlage der mündlichen verhandlung vom 9.4.2015 zu bemessende schmerzensgeld nicht aus. dabei handelt es sich um körperliche beeinträchtigungen, die noch nicht feststehen und erst in der zukunft anfallen mit der folge, dass sie vom feststellungsantrag der klägerin erfasst sind. dass etwa zum maßgeblichen zeitpunkt der mündlichen verhandlung vom 9.4.2015 noch körperliche beeinträchtigungen aufgrund des vorfalls vom 25.1.2013 bei der klägerin vorgelegen haben, ist nicht ersichtlich. dies gilt insbesondere auch für optische beeinträchtigungen, die mit der beschädigung der frontzahnbrücke einhergehen. nach der aussage des zeugen t ist es so, dass die von ihm durchgeführten provisorischen maßnahmen, die auch zu einer beseitigung der optischen beeinträchtigung geführt haben, immer noch halten. 30die klägerin kann indes den nach der teilklagerücknahme i.h.v. 150 eur allein noch geltend gemachten materiellen schaden von 145,77 eur auf grundlage der rechnung des zeugen t vom 28.1.2014 verlangen. nach maßgabe des schreibens der x vom 12.3.2014 (bl. 14 gerichtsakten) erfolgte von dieser auf die genannte rechnung keine kassenleistung, so dass es beim abzug der von der privaten versicherung bei der e geleisteten 62,47 eur verbleibt. die beklagte kann nicht erfolgreich anführen, die kasse habe ihre forderungen bereits bei der beklagten angemeldet. zulasten der beklagten ist mangels konkreter darlegungen nicht ersichtlich, dass es sich bei den angemeldeten forderungen etwa um die kosten handeln soll, die mit der rechnung des zeugen t vom 28.1.2014 abgerechnet worden sind. 31die klägerin kann auch die feststellung verlangen, dass die beklagte wegen der verletzung ihr obliegender verkehrssicherungspflichten verpflichtet ist, der klägerin zukünftige materielle und immaterielle schäden als folge des vorfalls vom 25.11.2013 zu erstatten, wobei sich das nach § 256 zpo erforderliche feststellungsinteresse daraus ergibt, dass noch umfangreiche zahnbehandlungen der klägerin in betracht kommen, die aber noch nicht durchgeführt und abgerechnet worden sind. dass wegen der beschädigung der zahnbrücke der klägerin noch mit weiteren zahnärztlichen maßnahmen zu rechnen ist, ergibt sich ohne weiteres aus der aussage des zeugen t, der bekundet hat, dass er bislang nur provisorische maßnahmen vorgenommen hat. 32die klägerin kann als folgeschaden auch die freistellung von ihr außergerichtlich entstandenen rechtsanwaltsgebühren verlangen, allerdings nur in höhe einer gebührenforderung von 413,64 eur. die außergerichtlichen rechtsanwaltsgebühren sind nach dem wert der berechtigten forderung der klägerin abzurechnen, mithin nach einem gegenstandswert von 3583,730 eur (145,77 eur materieller schadensersatz + 500 eur schmerzensgeld + 2.937,60 eur zukünftige schäden). es ergibt sich dann eine 1,3 geschäftsgebühr nach z. 2300 vv rvg von 327,60 eur, zu der noch die post- und telekommunikationspauschale gemäß z. 7002 vv rvg i.h.v. 20 eur hinzuzurechnen ist. zu der netto-zwischensumme von 347,60 eur addiert sich dann noch die 19 %ige umsatzsteuer nach ziffer 7008 vv rvg i.h.v. 66,04 eur. 33der zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 286 bgb. 34die kostenentscheidung folgt aus §§ 92 abs. 1, 269 abs. 3 zpo, die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit aus §§ 708 z. 11, 711 zpo. 35der streitwert wird wie folgt festgesetzt: 36 bis zum 8.4.2015: 4733,730 eur 37 seit dem 9.4.2015: 4583,730 eur. 38rechtsbehelfsbelehrung: 39gegen dieses urteil ist das rechtsmittel der berufung für jeden zulässig, der durch dieses urteil in seinen rechten benachteiligt ist, 40a) wenn der wert des beschwerdegegenstandes 600,00 eur übersteigt oder 41b) wenn die berufung in dem urteil durch das amtsgericht zugelassen worden ist. 42die berufung muss innerhalb einer notfrist von einem monat nach zustellung dieses urteils schriftlich bei dem landgericht düsseldorf, werdener straße 1, 40227 düsseldorf, eingegangen sein. die berufungsschrift muss die bezeichnung des urteils, gegen das die berufung gerichtet wird, sowie die erklärung, dass gegen dieses urteil berufung eingelegt werde, enthalten. 43die berufung ist, sofern nicht bereits in der berufungsschrift erfolgt, binnen zwei monaten nach zustellung dieses urteils schriftlich gegenüber dem landgericht düsseldorf zu begründen. 44die parteien müssen sich vor dem landgericht düsseldorf durch einen rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die berufungs- und die berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 45mit der berufungsschrift soll eine ausfertigung oder beglaubigte abschrift des angefochtenen urteils vorgelegt werden. | Klaeger*in | 1 |
179,530 | 26 K 6190/12 | 2014-04-29T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um den Anspruch des Klägers auf Entschädigungsleistung für das Tragen von Zivilkleidung im Polizeivollzugsdienst und auf Zahlung einer Fahndungskostenentschädigung. 3Der Kläger ist Kriminalhauptkommissar im Dienst des beklagten Landes. In der Zeit vom 26.07.2010 bis 17.10.2010 war er dienstunfähig erkrankt, weshalb das beklagte Land die Zahlung der bis dahin gewährten Zulagen in Gestalt der sog. Bekleidungspauschale und der Fahndungskostenpauschale zum 01.09.2010 einstellte. In der Zeit vom 18.10.2010 bis 30.01.2011 absolvierte der Kläger eine Wiedereingliederungsmaßnahme, wobei er bis 21.11.2010 lediglich vier Stunden täglich Dienst versehen hat. Ab Januar 2011 beantragte Kläger mehrfach telefonisch, schriftlich und per email die Wiederaufnahme der Zulagenzahlung rückwirkend ab dem 08.11.2010. 4Mit Bescheid vom 21.12.2011 billigte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV) dem Kläger den Dienstkleidungszuschuss ab 01.01.2011 und die Fahndungskostenpauschale ab 18.12.2010 zu, lehnte aber den vom Kläger unter dem 04.02.2011 schriftlich gestellten Antrag auf rückwirkende Wiederaufnahme der Zahlungen ab 21.11.2010 ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies das LBV durch Widerspruchsbescheid vom 18.09.2012 als unbegründet zurück. 5Bereits zuvor, nämlich am 04.09.2012 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er – bis zur Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides - die Untätigkeit des beklagten Landes gerügt hat und in der Sache die Wiederaufnahme der Zulagenzahlung rückwirkend ab dem 21.11.2010 begehrt. 6Der Kläger trägt unter Einbeziehung des nach Klageerhebung ergangenen Widerspruchsbescheides vor: Zu Unrecht gehe der Beklagte davon aus, dass hinsichtlich des Bekleidungszuschusses aufgrund des Runderlasses des Innenministers (IM) vom 24.07.2012 – 43.3.5200 – eine dreimonatige Sperrfrist gelte, die erst mit Wiederaufnahme der Tätigkeit im Rahmen der Wiedereingliederung am 18.10.2010 zu laufen begonnen und dementsprechend erst am 18.01.2011 ihr Ende gefunden habe. Die Gewährung des Bekleidungszuschusses setze voraus, dass der Polizeibeamte für die Dauer von mindestens drei Monaten in einem Kriminalkommissariat verwendet werde, was bei ihm - dem Kläger - unstreitig der Fall sei. In Ziff. 1.4 des Erlasses sei niedergelegt, dass der Bekleidungszuschuss weiter gewährt werde, wenn eine Erkrankung oder sonstige Unterbrechung von nicht mehr als zweimonatiger Dauer vorliege. Folglich sei es richtig gewesen, dass er - der Kläger - während der Zeit der Erkrankung keinen Anspruch auf die Zahlung des Bekleidungszuschusses gehabt habe. Anders sehe es jedoch für den Zeitraum der Wiedereingliederung aus, für den Zeitraum, in dem er mehr als vier Stunden täglich Dienst versehen habe. Soweit der Beklagte davon ausgehe, dass die Dreimonatsfrist in solchen Fällen neu zu laufen beginne, gehe er fehl. Diese Frist habe den Sinn, dass Beamte, die kurzfristig Vertretungen übernähmen, nicht in den Genuss des Bekleidungszuschusses kämen. In einem Fall wie seinem hingegen sei nach Sinn und Zweck der Vorschrift eine Sperrfrist nicht veranlasst. Entsprechendes müsse auch für die Fahndungskostenentschädigung gelten, die gemäß dem Runderlass des IM vom 22.03.1998 – IV B 3-5305/2 – voraussetze, dass Polizeivollzugsbeamte für die Dauer von mindestens zwei Monaten bei der Kriminalitätsbekämpfung solche Ermittlungs- und Fahndungsaufgaben wahrnehmen, bei denen ihnen regelmäßig Aufwendungen in entsprechender Höhe entstehen. Auch diese Regelung könne nur so verstanden werden, dass die Zweimonatsfrist keine Geltung für Polizeivollzugsbeamte beanspruche, die bereits seit langer Zeit im Kriminalkommissariatsbereich eingesetzt würden, wie dies beim ihm - Kläger - der Fall sei. 7Der Kläger beantragt, 8den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung vom 21. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2012 zu verpflichten, ihm rückwirkend ab dem 21. November 2010 eine Entschädigungsleistung für das Tragen von Zivilkleidung im Polizeivollzugsdienst in Höhe von monatlich 18,-- Euro und eine Fahndungskostenentschädigung in Höhe von monatlich 25,60 Euro zu gewähren. 9Das beklage Land beantragt, 10die Klage abzuweisen. 11Es vertritt den Standpunkt, dass die vom Kläger angeführten Runderlasse die Wiederaufnahme der Zahlungen zu einem früheren Zeitpunkt nicht zuließen. 12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen. 13Entscheidungsgründe: 14Die zulässige Klage ist unbegründet. Die ablehnende Entscheidung des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO. 15Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Wiederaufnahme der wegen Erkrankung vorübergehend eingestellten Zahlung von Aufwandsentschädigungen für das Tragen von Zivilkleidung im Polizeivollzugsdienst und für Fahndungskosten zu einem früheren Zeitpunkt, als vom Beklagten anerkannt und geleistet wurden. 16Gemäß § 5 Abs. 1 des Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbesoldungsgesetz - LBesG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Februar 2005 dürfen Aufwandsentschädigungen nur gewährt werden, wenn aus dienstlicher Veranlassung Aufwendungen entstehen, deren Übernahme dem Beamten nicht zugemutet werden kann, und der Haushaltsplan Mittel dafür zur Verfügung stellt. Demgemäß kommt als Rechtsgrundlage lediglich die diese Ermächtigung ausfüllende, im Interesse einer gleichmäßigen Handhabung durch Verwaltungsvorschriften bzw. ministerielle Runderlasse geregelte Verwaltungspraxis des Dienstherrn in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Betracht. Der Dienstherr entscheidet über die Gewährung einer Aufwandsentschädigung nach pflichtgemäßem Ermessen, das er durch Richtlinien binden kann. 17Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. März 1995 - 2 C 17.94 - juris; Urteil vom 8. Juli 1994 - 2 C 3.93 - ZBR 1994, 342; Beschluss vom 29. Juni 1979 - 6 B 37.79 - Buchholz 235 § 17 Nr. 1; OVG NRW, Urteil vom 22. November 1996 – 6 A 4873/95 - (n.v.). 18Diese sind nicht wie Rechtsvorschriften aus sich heraus, sondern als Willenserklärungen unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Handhabung auszulegen. Denn die Richtlinien sind keine Rechtsnorm, sondern eine Verwaltungsvorschrift, durch die sich der Dienstherr selbst bindet, um - soweit ihm ein Ermessensspielraum zukommt - entsprechend der Zielsetzung der zugrundeliegenden Rechtsvorschriften eine gleichmäßige Ermessensausübung gegenüber den Betroffenen sicherzustellen. Für ihre Auslegung als Willenserklärung des Dienstherrn kommt es nach der auch im öffentlichen Recht geltenden Regel des § 133 BGB auf den wirklichen Willen des Erklärenden an. Sie entfaltet Außenwirkung für den einzelnen Betroffenen nur mittelbar über das in Art. 3 Abs. 1 GG geschützte Recht, entsprechend der in der "antizipierten Verwaltungspraxis" zum Ausdruck kommenden Ermessensbindung der Verwaltung gleichmäßig behandelt zu werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist daher die Verwaltungsvorschrift gemäß der vom Urheber gebilligten oder doch geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis auszulegen. 19BVerwG, Urteil vom 2. März 1995 a.a.O., m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 1998 – 12 A 2505/96 – juris 20Die Überprüfung der Anwendung solcher Richtlinien durch die Verwaltungsgerichte hat sich an den Maßstäben des § 114 VwGO zu orientieren. Folglich kann das der Behörde eingeräumte Ermessen vom Gericht nur dahin überprüft werden, ob die Entscheidung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Insbesondere darf die Behörde den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzen; entscheidend ist insoweit wie die zuständigen Behörden die Richtlinie zum maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben, 21vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 1979 - 3 C 111.79 - BVerwGE 58,45 zu Richtlinien über die Verteilung von Fördermitteln. 22Insoweit stellen die Verwaltungsvorschriften nichts weiter als Indizien für das Vorhandensein einer bestimmten Verwaltungspraxis dar, 23vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 15. April 1992 - 7 L 3790/01 und Urteil vom 29. Juni 1998 - 11 L 4882/95 ; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2007 – 20 K 3680/06 – juris. 24Diese sehen folgende Regelung vor: Nach Ziff. I Satz 1 des RdErl. d. IM v. 22.03.1988 erhalten Polizeivollzugsbeamtinnen und –beamte als Aufwandsentschädigung eine Fahndungskostenentschädigung in Höhe von 25,60 Euro, wenn sie bei der Kriminalitätsbekämpfung für die Dauer von mindestens zwei Monaten solche Ermittlungs- und Fahndungsaufgaben wahrnehmen, bei denen ihnen regelmäßig Aufwendungen in entsprechender Höhe entstehen. Diese Fahndungskostenentschädigung erhalten, sofern die genannten Voraussetzungen vorliegen, gemäß Ziff. 1.1. Buchstabe a) Polizeivollzugsbeamte, die - wie der Kläger – in Kriminalkommissariaten tätig sind. Nach Ziff. 3 Satz 1 wird die Fahndungskostenentschädigung von dem Tag an gewährt, von dem an die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Fahndungskostenentschädigung wird nach Ziff. 3.3 Buchstabe b) weitergewährt bei Erkrankungen oder sonstigen Unterbrechungen des Ermittlungs- und Fahndungsdienstes von nicht mehr als zweimonatiger Dauer. Gemäß Ziff. 3.52 ist die Zahlung der Fahndungskostenentschädigung mit dem Ende des auf den Eintritt des Ereignisses folgenden Monats einzustellen bei Erkrankungen oder sonstigen Unterbrechungen der Ermittlungs- und Fahndungstätigkeit, welche die Weitergewährung der Fahndungskostenentschädigung nach Ziff. 3.3. Buchstabe b) ausschließen. 25Nach Ziff. 1 Satz 1 des RdErl. d. IM v. 24.07.2002 erhalten Polizeibeamtinnen und –beamte, die Dienst in Privatkleidung versehen, wegen erhöhter Abnutzung ihrer Zivilkleidung einen Bekleidungszuschuss als Aufwandsentschädigung. Dieser beträgt nach Ziffer 1.1. Satz 1, 1. Spiegelstrich monatlich 18,00 Euro bei einer Verwendung für die Dauer von mindestens drei Monaten in einem Kriminalkommissariat. Der Bekleidungszuschuss wird nach Ziff. 1.2 monatlich im Voraus und vom 1. des Monats an gewährt, in dem die Voraussetzungen nach Ziff. 1.1 erfüllt sind. Gemäß Ziff. 1.4, 2. Spiegelstrich wird der Bekleidungszuschuss weitergewährt bei Erkrankung oder sonstigen Unterbrechungen des Dienstes von nicht mehr als zweimonatiger Dauer. Nach Ziff. 1.5 ist die Zahlung des Bekleidungszuschusses mit dem Ende des auf den Eintritt des Ereignisses folgenden Monats einzustellen bei Erkrankungen oder sonstigen Unterbrechungen des Dienstes, welche die Weitergewährung des Bekleidungszuschusses gemäß Ziff. 1.4, 2. Spiegelstrich ausschließen. 26Hieraus folgt für den Fall des Klägers: Eine ausdrückliche Regelung, ab wann der Anspruch des Beamten auf Aufwandsentschädigung (wieder) entsteht, wenn die Zahlung der zuvor gewährten Zulage wegen krankheitsbedingter Unterbrechung des Dienstes eingestellt worden ist, enthalten die hier in Rede stehenden Richtlinien nicht. Die hier vom Land den Richtlinien gegebene Auslegung ist hinzunehmen, weil diese Auslegung nicht dem Zweck der Richtlinie oder der tatsächlichen Handhabung in vergleichbaren Fällen zuwiderläuft. Es kann nicht die Rede davon sein, dass eine Auslegung der Richtlinie dahingehend, dass nach Einstellung der Zulagenzahlung wegen einer zwei- bzw. dreimonatigen Unterbrechung des Dienstes die jeweilige Frist nach deren Ablauf erst der Anspruch auf Aufwendungsersatz entsteht, (vgl. Ziff. I des RdErl. d. IM v. 22.03.1988 bzw. Ziffer 1.1. Satz 1 des RdErl. d. IM v. 24.07.2002) erneut abgewartet werden muss, ehe der Anspruch auf Zahlung „wiederauflebt“, dem Sinn und Zweck der Aufwandsentschädigung zuwiderläuft. Vielmehr ist es nach Sinn und Zweck der Entschädigungsregelung vertretbar, eine Aufwandsentschädigung nur dann zu gewähren, wenn eine „Bagatellgrenze“ überschritten wird. Diese Grenze wird hier vom Land ausweislich der Richtlinien dort gezogen, wo der Aufwand in einem bestimmten Zeitraum (zwei bzw. drei Monate) fortlaufend besteht, wobei – aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung - kurzfristige Unterbrechungen des Dienstes, z.B. während des Jahresurlaubs oder sonstigen Unterbrechungen von nicht mehr als zweimonatiger Dauer (Ziff. 3.3 des RdErl. v. 22.03.1998 bzw. Ziff. 1.4 des RdErl. v. 24.07.2002) unschädlich sein sollen. Erst bei längerfristiger Unterbrechung des die Entschädigung veranlassenden Dienstes kommt der Umstand zum Tragen, dass der erhöhte Aufwand dem Beamten nicht mehr entsteht, wobei zugunsten des Beamten bei der Bestimmung des Zeitpunktes, zu dem die Zulagenberechtigung entfällt, außer Betracht bleibt, dass der Aufwand schon vor dem Ablauf der maßgeblichen Frist weggefallen ist. Wenn im Gegenzug der Beamte erst nach Ablauf einer bestimmten „Sperrfrist“ in den Genuss der Aufwandsentschädigung kommt, stellt dies den Sinn und Zweck der Entschädigungsregelung nicht in Frage, zumal gemäß § 5 Abs. 1 LBesG die Zahlung einer Aufwandsentschädigung nur zulässig ist, wenn aus dienstlicher Veranlassung Aufwendungen entstehen, deren Übernahme dem Beamten nicht zugemutet werden kann. Dass dem Beamten, der nach mehrmonatiger, möglicherweise vielmonatiger Erkrankung seinen Dienst wieder aufnimmt, schon ab der Wiederaufnahme des Dienstes unzumutbare Aufwendungen entstehen, ist weder dargetan noch ersichtlich. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine solche Handhabung der Richtlinien, wie sie vom beklagten Land, vorgenommen wird, zu einer willkürlichen und daher ungerechtfertigten Ungleichbehandlung im Vergleich zu einer anderen Personengruppe oder zu einer willkürlichen Gleichbehandlung mit einer nicht vergleichbaren Personengruppe bei der Zulagengewährung führt. Soweit der Kläger auf die Gruppe der Beamten Bezug nimmt, die den grundsätzlich zulagenberechtigenden Dienst nur kurzfristig und vertretungsweise ausüben und deshalb nicht in den Genuss der Zulage kommen sollen, ist darauf zu verweisen, dass längerfristige Erkrankungen im Einzelfall dazu führen können, dass der hiervon betroffene Beamte auf das Kalenderjahr bezogen sogar weniger Dienst leistet, als derjenige, der für die Dauer von weniger als zwei bzw. drei Monaten als Vertretung auf dieser Stelle eingesetzt wird. Beiden Beamten ist gemeinsam, dass Aufwendungen in unzumutbarer Höhe nicht entstehen. Soweit der Kläger nicht anders behandelt wird, als ein Beamter, der erstmals – für einen gewissen Mindestzeitraum - Aufgaben wahrnimmt, bei denen ihm regelmäßig Aufwendungen in entsprechender Höhe entstehen, ist dies ebenfalls durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Beiden – dem Kläger wie auch dem erstmals derart verwendeten Beamten - ist gemein, dass ihnen vor der tatsächlichen Wahrnehmung dieser Aufgaben diejenigen Aufwendungen, die entschädigt werden sollen, zuvor über einen längeren Zeitraum tatsächlich nicht entstanden sind. 27Schließlich ist auch nicht dargetan, dass in anderen – dem Fall des Klägers vergleichbaren - Fällen eine andere Verwaltungspraxis ausgeübt wurde, d.h. solchen Beamten, die nach längerer Unterbrechung ihres Dienstes in den Dienst zurückkehrten, die in Rede stehenden Zulagen ohne Abwarten der „Sperrfrist“ gezahlt wurden. Dies wäre aber Voraussetzung, um eine Anspruchsberechtigung des Klägers aus Art. 3 GG herleiten zu können. 28Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 29Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung gegen sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe des beizutreibenden betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in derselben höhe leistet. 1 | 2die beteiligten streiten um den anspruch des klägers auf entschädigungsleistung für das tragen von zivilkleidung im polizeivollzugsdienst und auf zahlung einer fahndungskostenentschädigung. 3der kläger ist kriminalhauptkommissar im dienst des beklagten landes. in der zeit vom 26.07.2010 bis 17.10.2010 war er dienstunfähig erkrankt, weshalb das beklagte land die zahlung der bis dahin gewährten zulagen in gestalt der sog. bekleidungspauschale und der fahndungskostenpauschale zum 01.09.2010 einstellte. in der zeit vom 18.10.2010 bis 30.01.2011 absolvierte der kläger eine wiedereingliederungsmaßnahme, wobei er bis 21.11.2010 lediglich vier stunden täglich dienst versehen hat. ab januar 2011 beantragte kläger mehrfach telefonisch, schriftlich und per email die wiederaufnahme der zulagenzahlung rückwirkend ab dem 08.11.2010. 4mit bescheid vom 21.12.2011 billigte das landesamt für besoldung und versorgung nordrhein-westfalen (lbv) dem kläger den dienstkleidungszuschuss ab 01.01.2011 und die fahndungskostenpauschale ab 18.12.2010 zu, lehnte aber den vom kläger unter dem 04.02.2011 schriftlich gestellten antrag auf rückwirkende wiederaufnahme der zahlungen ab 21.11.2010 ab. den hiergegen gerichteten widerspruch wies das lbv durch widerspruchsbescheid vom 18.09.2012 als unbegründet zurück. 5bereits zuvor, nämlich am 04.09.2012 hat der kläger klage erhoben, mit der er – bis zur bekanntgabe des widerspruchsbescheides - die untätigkeit des beklagten landes gerügt hat und in der sache die wiederaufnahme der zulagenzahlung rückwirkend ab dem 21.11.2010 begehrt. 6der kläger trägt unter einbeziehung des nach klageerhebung ergangenen widerspruchsbescheides vor: zu unrecht gehe der beklagte davon aus, dass hinsichtlich des bekleidungszuschusses aufgrund des runderlasses des innenministers (im) vom 24.07.2012 – 43.3.5200 – eine dreimonatige sperrfrist gelte, die erst mit wiederaufnahme der tätigkeit im rahmen der wiedereingliederung am 18.10.2010 zu laufen begonnen und dementsprechend erst am 18.01.2011 ihr ende gefunden habe. die gewährung des bekleidungszuschusses setze voraus, dass der polizeibeamte für die dauer von mindestens drei monaten in einem kriminalkommissariat verwendet werde, was bei ihm - dem kläger - unstreitig der fall sei. in ziff. 1.4 des erlasses sei niedergelegt, dass der bekleidungszuschuss weiter gewährt werde, wenn eine erkrankung oder sonstige unterbrechung von nicht mehr als zweimonatiger dauer vorliege. folglich sei es richtig gewesen, dass er - der kläger - während der zeit der erkrankung keinen anspruch auf die zahlung des bekleidungszuschusses gehabt habe. anders sehe es jedoch für den zeitraum der wiedereingliederung aus, für den zeitraum, in dem er mehr als vier stunden täglich dienst versehen habe. soweit der beklagte davon ausgehe, dass die dreimonatsfrist in solchen fällen neu zu laufen beginne, gehe er fehl. diese frist habe den sinn, dass beamte, die kurzfristig vertretungen übernähmen, nicht in den genuss des bekleidungszuschusses kämen. in einem fall wie seinem hingegen sei nach sinn und zweck der vorschrift eine sperrfrist nicht veranlasst. entsprechendes müsse auch für die fahndungskostenentschädigung gelten, die gemäß dem runderlass des im vom 22.03.1998 – iv b 3-5305/2 – voraussetze, dass polizeivollzugsbeamte für die dauer von mindestens zwei monaten bei der kriminalitätsbekämpfung solche ermittlungs- und fahndungsaufgaben wahrnehmen, bei denen ihnen regelmäßig aufwendungen in entsprechender höhe entstehen. auch diese regelung könne nur so verstanden werden, dass die zweimonatsfrist keine geltung für polizeivollzugsbeamte beanspruche, die bereits seit langer zeit im kriminalkommissariatsbereich eingesetzt würden, wie dies beim ihm - kläger - der fall sei. 7der kläger beantragt, 8den beklagten unter aufhebung des bescheides des landesamtes für besoldung und versorgung vom 21. dezember 2011 in gestalt des widerspruchsbescheides vom 18. september 2012 zu verpflichten, ihm rückwirkend ab dem 21. november 2010 eine entschädigungsleistung für das tragen von zivilkleidung im polizeivollzugsdienst in höhe von monatlich 18,-- euro und eine fahndungskostenentschädigung in höhe von monatlich 25,60 euro zu gewähren. 9das beklage land beantragt, 10die klage abzuweisen. 11es vertritt den standpunkt, dass die vom kläger angeführten runderlasse die wiederaufnahme der zahlungen zu einem früheren zeitpunkt nicht zuließen. 12wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und den der beigezogenen verwaltungsvorgänge des beklagten ergänzend bezug genommen. 13 | 14die zulässige klage ist unbegründet. die ablehnende entscheidung des beklagten ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten, vgl. § 113 abs. 5 s. 1 vwgo. 15der kläger hat keinen anspruch auf die wiederaufnahme der wegen erkrankung vorübergehend eingestellten zahlung von aufwandsentschädigungen für das tragen von zivilkleidung im polizeivollzugsdienst und für fahndungskosten zu einem früheren zeitpunkt, als vom beklagten anerkannt und geleistet wurden. 16gemäß § 5 abs. 1 des besoldungsgesetzes für das land nordrhein-westfalen (landesbesoldungsgesetz - lbesg) in der fassung der bekanntmachung vom 17. februar 2005 dürfen aufwandsentschädigungen nur gewährt werden, wenn aus dienstlicher veranlassung aufwendungen entstehen, deren übernahme dem beamten nicht zugemutet werden kann, und der haushaltsplan mittel dafür zur verfügung stellt. demgemäß kommt als rechtsgrundlage lediglich die diese ermächtigung ausfüllende, im interesse einer gleichmäßigen handhabung durch verwaltungsvorschriften bzw. ministerielle runderlasse geregelte verwaltungspraxis des dienstherrn in verbindung mit dem gleichbehandlungsgrundsatz des art. 3 abs. 1 des grundgesetzes (gg) in betracht. der dienstherr entscheidet über die gewährung einer aufwandsentschädigung nach pflichtgemäßem ermessen, das er durch richtlinien binden kann. 17vgl. bverwg, urteil vom 2. märz 1995 - 2 c 17.94 - juris; urteil vom 8. juli 1994 - 2 c 3.93 - zbr 1994, 342; beschluss vom 29. juni 1979 - 6 b 37.79 - buchholz 235 § 17 nr. 1; ovg nrw, urteil vom 22. november 1996 – 6 a 4873/95 - (n.v.). 18diese sind nicht wie rechtsvorschriften aus sich heraus, sondern als willenserklärungen unter berücksichtigung ihrer tatsächlichen handhabung auszulegen. denn die richtlinien sind keine rechtsnorm, sondern eine verwaltungsvorschrift, durch die sich der dienstherr selbst bindet, um - soweit ihm ein ermessensspielraum zukommt - entsprechend der zielsetzung der zugrundeliegenden rechtsvorschriften eine gleichmäßige ermessensausübung gegenüber den betroffenen sicherzustellen. für ihre auslegung als willenserklärung des dienstherrn kommt es nach der auch im öffentlichen recht geltenden regel des § 133 bgb auf den wirklichen willen des erklärenden an. sie entfaltet außenwirkung für den einzelnen betroffenen nur mittelbar über das in art. 3 abs. 1 gg geschützte recht, entsprechend der in der "antizipierten verwaltungspraxis" zum ausdruck kommenden ermessensbindung der verwaltung gleichmäßig behandelt zu werden. unter diesem gesichtspunkt ist daher die verwaltungsvorschrift gemäß der vom urheber gebilligten oder doch geduldeten tatsächlichen verwaltungspraxis auszulegen. 19bverwg, urteil vom 2. märz 1995 a.a.o., m.w.n.; ovg nrw, urteil vom 23. juni 1998 – 12 a 2505/96 – juris 20die überprüfung der anwendung solcher richtlinien durch die verwaltungsgerichte hat sich an den maßstäben des § 114 vwgo zu orientieren. folglich kann das der behörde eingeräumte ermessen vom gericht nur dahin überprüft werden, ob die entscheidung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen grenzen des ermessens überschritten sind oder von dem ermessen in einer dem zweck der ermächtigung nicht entsprechenden weise gebrauch gemacht wurde. insbesondere darf die behörde den gleichheitsgrundsatz des art. 3 abs. 1 gg nicht verletzen; entscheidend ist insoweit wie die zuständigen behörden die richtlinie zum maßgeblichen zeitpunkt in ständiger praxis gehandhabt haben, 21vgl. bverwg, urteil vom 26. april 1979 - 3 c 111.79 - bverwge 58,45 zu richtlinien über die verteilung von fördermitteln. 22insoweit stellen die verwaltungsvorschriften nichts weiter als indizien für das vorhandensein einer bestimmten verwaltungspraxis dar, 23vgl. ovg lüneburg, urteil vom 15. april 1992 - 7 l 3790/01 und urteil vom 29. juni 1998 - 11 l 4882/95 ; vg düsseldorf, urteil vom 13. juni 2007 – 20 k 3680/06 – juris. 24diese sehen folgende regelung vor: nach ziff. i satz 1 des rderl. d. im v. 22.03.1988 erhalten polizeivollzugsbeamtinnen und –beamte als aufwandsentschädigung eine fahndungskostenentschädigung in höhe von 25,60 euro, wenn sie bei der kriminalitätsbekämpfung für die dauer von mindestens zwei monaten solche ermittlungs- und fahndungsaufgaben wahrnehmen, bei denen ihnen regelmäßig aufwendungen in entsprechender höhe entstehen. diese fahndungskostenentschädigung erhalten, sofern die genannten voraussetzungen vorliegen, gemäß ziff. 1.1. buchstabe a) polizeivollzugsbeamte, die - wie der kläger – in kriminalkommissariaten tätig sind. nach ziff. 3 satz 1 wird die fahndungskostenentschädigung von dem tag an gewährt, von dem an die anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. die fahndungskostenentschädigung wird nach ziff. 3.3 buchstabe b) weitergewährt bei erkrankungen oder sonstigen unterbrechungen des ermittlungs- und fahndungsdienstes von nicht mehr als zweimonatiger dauer. gemäß ziff. 3.52 ist die zahlung der fahndungskostenentschädigung mit dem ende des auf den eintritt des ereignisses folgenden monats einzustellen bei erkrankungen oder sonstigen unterbrechungen der ermittlungs- und fahndungstätigkeit, welche die weitergewährung der fahndungskostenentschädigung nach ziff. 3.3. buchstabe b) ausschließen. 25nach ziff. 1 satz 1 des rderl. d. im v. 24.07.2002 erhalten polizeibeamtinnen und –beamte, die dienst in privatkleidung versehen, wegen erhöhter abnutzung ihrer zivilkleidung einen bekleidungszuschuss als aufwandsentschädigung. dieser beträgt nach ziffer 1.1. satz 1, 1. spiegelstrich monatlich 18,00 euro bei einer verwendung für die dauer von mindestens drei monaten in einem kriminalkommissariat. der bekleidungszuschuss wird nach ziff. 1.2 monatlich im voraus und vom 1. des monats an gewährt, in dem die voraussetzungen nach ziff. 1.1 erfüllt sind. gemäß ziff. 1.4, 2. spiegelstrich wird der bekleidungszuschuss weitergewährt bei erkrankung oder sonstigen unterbrechungen des dienstes von nicht mehr als zweimonatiger dauer. nach ziff. 1.5 ist die zahlung des bekleidungszuschusses mit dem ende des auf den eintritt des ereignisses folgenden monats einzustellen bei erkrankungen oder sonstigen unterbrechungen des dienstes, welche die weitergewährung des bekleidungszuschusses gemäß ziff. 1.4, 2. spiegelstrich ausschließen. 26hieraus folgt für den fall des klägers: eine ausdrückliche regelung, ab wann der anspruch des beamten auf aufwandsentschädigung (wieder) entsteht, wenn die zahlung der zuvor gewährten zulage wegen krankheitsbedingter unterbrechung des dienstes eingestellt worden ist, enthalten die hier in rede stehenden richtlinien nicht. die hier vom land den richtlinien gegebene auslegung ist hinzunehmen, weil diese auslegung nicht dem zweck der richtlinie oder der tatsächlichen handhabung in vergleichbaren fällen zuwiderläuft. es kann nicht die rede davon sein, dass eine auslegung der richtlinie dahingehend, dass nach einstellung der zulagenzahlung wegen einer zwei- bzw. dreimonatigen unterbrechung des dienstes die jeweilige frist nach deren ablauf erst der anspruch auf aufwendungsersatz entsteht, (vgl. ziff. i des rderl. d. im v. 22.03.1988 bzw. ziffer 1.1. satz 1 des rderl. d. im v. 24.07.2002) erneut abgewartet werden muss, ehe der anspruch auf zahlung „wiederauflebt“, dem sinn und zweck der aufwandsentschädigung zuwiderläuft. vielmehr ist es nach sinn und zweck der entschädigungsregelung vertretbar, eine aufwandsentschädigung nur dann zu gewähren, wenn eine „bagatellgrenze“ überschritten wird. diese grenze wird hier vom land ausweislich der richtlinien dort gezogen, wo der aufwand in einem bestimmten zeitraum (zwei bzw. drei monate) fortlaufend besteht, wobei – aus gründen der verwaltungsvereinfachung - kurzfristige unterbrechungen des dienstes, z.b. während des jahresurlaubs oder sonstigen unterbrechungen von nicht mehr als zweimonatiger dauer (ziff. 3.3 des rderl. v. 22.03.1998 bzw. ziff. 1.4 des rderl. v. 24.07.2002) unschädlich sein sollen. erst bei längerfristiger unterbrechung des die entschädigung veranlassenden dienstes kommt der umstand zum tragen, dass der erhöhte aufwand dem beamten nicht mehr entsteht, wobei zugunsten des beamten bei der bestimmung des zeitpunktes, zu dem die zulagenberechtigung entfällt, außer betracht bleibt, dass der aufwand schon vor dem ablauf der maßgeblichen frist weggefallen ist. wenn im gegenzug der beamte erst nach ablauf einer bestimmten „sperrfrist“ in den genuss der aufwandsentschädigung kommt, stellt dies den sinn und zweck der entschädigungsregelung nicht in frage, zumal gemäß § 5 abs. 1 lbesg die zahlung einer aufwandsentschädigung nur zulässig ist, wenn aus dienstlicher veranlassung aufwendungen entstehen, deren übernahme dem beamten nicht zugemutet werden kann. dass dem beamten, der nach mehrmonatiger, möglicherweise vielmonatiger erkrankung seinen dienst wieder aufnimmt, schon ab der wiederaufnahme des dienstes unzumutbare aufwendungen entstehen, ist weder dargetan noch ersichtlich. es ist auch nicht ersichtlich, dass eine solche handhabung der richtlinien, wie sie vom beklagten land, vorgenommen wird, zu einer willkürlichen und daher ungerechtfertigten ungleichbehandlung im vergleich zu einer anderen personengruppe oder zu einer willkürlichen gleichbehandlung mit einer nicht vergleichbaren personengruppe bei der zulagengewährung führt. soweit der kläger auf die gruppe der beamten bezug nimmt, die den grundsätzlich zulagenberechtigenden dienst nur kurzfristig und vertretungsweise ausüben und deshalb nicht in den genuss der zulage kommen sollen, ist darauf zu verweisen, dass längerfristige erkrankungen im einzelfall dazu führen können, dass der hiervon betroffene beamte auf das kalenderjahr bezogen sogar weniger dienst leistet, als derjenige, der für die dauer von weniger als zwei bzw. drei monaten als vertretung auf dieser stelle eingesetzt wird. beiden beamten ist gemeinsam, dass aufwendungen in unzumutbarer höhe nicht entstehen. soweit der kläger nicht anders behandelt wird, als ein beamter, der erstmals – für einen gewissen mindestzeitraum - aufgaben wahrnimmt, bei denen ihm regelmäßig aufwendungen in entsprechender höhe entstehen, ist dies ebenfalls durch sachliche gründe gerechtfertigt. beiden – dem kläger wie auch dem erstmals derart verwendeten beamten - ist gemein, dass ihnen vor der tatsächlichen wahrnehmung dieser aufgaben diejenigen aufwendungen, die entschädigt werden sollen, zuvor über einen längeren zeitraum tatsächlich nicht entstanden sind. 27schließlich ist auch nicht dargetan, dass in anderen – dem fall des klägers vergleichbaren - fällen eine andere verwaltungspraxis ausgeübt wurde, d.h. solchen beamten, die nach längerer unterbrechung ihres dienstes in den dienst zurückkehrten, die in rede stehenden zulagen ohne abwarten der „sperrfrist“ gezahlt wurden. dies wäre aber voraussetzung, um eine anspruchsberechtigung des klägers aus art. 3 gg herleiten zu können. 28die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 29der ausspruch über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo. | Verklagte*r | 0 |
342,179 | 9 K 3607/20 | 2021-11-09T00:00:00 | Urteil | Tenor Der Bescheid vom wird aufgehoben, soweit der Kläger darin aufgefordert wird, seinen Führerschein bei der Beklagten abzugeben (Abschnitt I., Absatz 1 Satz 2 der Ordnungsverfügung). Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der am 20. Januar 1971 geborene Kläger war seit dem 27. Juni 1989 Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse B. 3Am gegen 14:46 Uhr wurden bei dem Kläger im Rahmen einer Verkehrskontrolle bei Q. Auffälligkeiten hinsichtlich Drogenkonsums festgestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den insoweit unstreitigen Sachverhalt verwiesen (Bl. 3-5 VV). Ein Drogenvortest schlug positiv auf Kokain aus. Danach wurde bei dem Kläger die Entnahme einer Blutprobe angeordnet. Die forensische Begutachtung der um 16:26 Uhr entnommenen Blutprobe durch das Institut für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin N. vom 30. August 2019 ergab einen Wert von 11 ng/ml Benzoylecgonin (Kokainabbauprodukt) und 2 ng/ml Methylecgonin in dieser Blutprobe. Auf einem mit der Überschrift „Strafanzeige“ und dem Datum „02.08.2019, 14:46 Uhr“ versehenen Bogen ist zu der Frage „Seit wann ist der/die Besch./Betr. Drogenkonsument“ als Antwort „Seit 2017“, auf die Frage „Wann wurden letztmals welche Drogen konsumiert?“ als Antwort „Montag, den 29.07.2019“ und auf die Frage „Wann, wo und von wem wurden letztmals Drogen erworben (Preis)?“ als Antwort „Bahnhof F. “ vermerkt. Unterschrieben wurde der Bogen von dem Zeugen H. und dem Kläger selbst. Auf einem Bogen mit der Überschrift „Blutprobe“ ist unter „Angaben zur Alkohol-, Medikamenten-, Betäubungsmitteleinnahme sowie Nahrungsaufnahme: – ggf. länger als 24 Stunden vor dem Ereignis“ vermerk: „Eine Line am Montag“. Unterschrieben wurde der Bogen von dem Zeugen H. , von dem Kläger nicht. Auf dem ärztlich unterschriebenen Anamnesebogen ist vermerkt „Montag 1 Line Cocain“. Der Führerschein wurde sichergestellt. 4Unter dem 23. Juni 2020 vermerkte die Beklagte, dass der Führerschein zu ihr übersandt wurde und der Kläger den Führerschein abholen wolle. Zu einer Abholung des Führerscheins kam es jedoch in der Folgezeit nicht. 5Unter dem 3. Juli 2020 hörte die Beklagte den Kläger hinsichtlich der beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. 6Unter dem 3. August 2020 nahm der Kläger Stellung. Er führte insbesondere aus, seinen Führerschein habe er nicht abgeholt; er habe auch nicht wunschgemäß nach T. übersandt werden können. Er habe nie in seinem Leben aktiv konsumiert. Kokain habe er im Rahmen des Geschlechtsverkehrs mit dem Zeugen T. insbesondere über die Schleimhäute aufgenommen. Die Aufnahme über die Schleimhäute werde durch die geringe Konzentration des Abbauwertes Benzoylecgonin bestätigt. Bei der Angabe, er habe am Montag, 29. Juli 2019 am Bahnhof F. das Betäubungsmittel erworben und noch am gleichen Tag eine „Line“ konsumiert, handele es sich um ein Missverständnis. Er sei seit 2017 immer wieder mit Betäubungsmitteln in Berührung gekommen. Dies liege darin begründet, dass er als Türsteher und in der Security tätig gewesen sei und immer wieder Gäste nach Betäubungsmitteln habe durchsuchen müssen. Es habe mitgeteilt, es sei kein Problem gewesen, an Betäubungsmittel „dran“ zu kommen, an „jeder Ecke“, wie z.B. am „Bahnhof F. “, könne man sie erwerben. Dahin, dass er selbst konsumiert habe, habe er sich zu keinem Zeitpunkt eingelassen. 7Am 14. August 2020 teilte das Institut für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin N. auf Anfrage der Beklagten mit, es gebe nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand keinerlei Beleg dafür, dass eine Benzoylecgonin-Konzentration im Blut von 11 ng/ml lediglich durch Geschlechtsverkehr mit einer Person, die Cocain konsumiert habe, zustande gekommen sein könne, selbst dann nicht, wenn es z.B. zu einer Verletzung des Anus gekommen sein sollte. 8Die Beklagte entzog dem Kläger mit Bescheid vom 13. August 2020, abgesandt am 18. August 2020 und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 19. August 2020, seine Fahrerlaubnis und forderte ihn auf, seinen Führerschein sowie einen evtl. vorhandenen internationalen Führerschein unverzüglich nach Erhalt dieser Ordnungsverfügung bei der Beklagten abzugeben. Die Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung an. Für den Fall, dass der Kläger dieser Verpflichtung nicht binnen einer Woche nach Zustellung dieser Verfügung nachkomme, drohte die Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 € an. Die Beklagte setzte Kosten i.H.v. 154,45 €, davon 150,00 € als Gebühr für die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß Nr. 206 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr – GebOSt – fest. Die Gebührenfestsetzung begründete die Beklagte ausgehend von dem durch Nr. 206 festgelegten Ermessensrahmen mit dem verbundenen Verwaltungsaufwand der Sache, die vorliegend als mittlerer Fall zu qualifizieren sei. Zur Begründung der Entziehung der Fahrerlaubnis bezog sich die Beklagte auf das Ergebnis der forensisch-toxikologischen Untersuchung der entnommenen Blutprobe. Die Einlassungen im Rahmen der Stellungnahme seien als Schutzbehauptung zu werten. Wegen der Einzelheiten der Begründung im Übrigen wird auf den Inhalt der Ordnungsverfügung verwiesen. 9Unter dem 1. September 2020 teilte die Beklagte dem Kläger über seine Prozessbevollmächtigten mit, sie bestätige ihm, dass sich der Führerschein in der Fahrerlaubnisakte befinde. 10Am Montag, 21. September 2020 hat der Kläger Klage erhoben. 11Zur Begründung verweist er insbesondere auf seine Stellungnahme vom 3. August 2020 und führt ergänzend aus, seine Erklärungen als Schutzbehauptung zu werten, stelle eine Vernachlässigung der Aufklärungspflicht hinsichtlich des Sachverhalts dar. Es sei plausibel, dass die festgestellte Droge im Rahmen des Geschlechtsverkehrs über die Schleimhäute bzw. über das Zahnfleisch habe aufgenommen werden können. Dies erkläre die festgestellten niedrigen Werte. Sie habe den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Dazu gehöre, dass sie sich von der Seriosität der Mitteilung unter Hinzuziehung der Meinung eines Mediziners zu überzeugen hätte. Auch die orale Aufnahme durch befeuchtete Finger könne zu einem positiven Befund führen. Der Kläger habe ebenfalls die um Stellungnahme zu diesem medizinischen Zusammenhang ersucht. Im Übrigen sei die Entziehung der Fahrerlaubnis unverhältnismäßig. 12Der Kläger beantragt, 13den Bescheid vom 18. August 2020 aufzuheben. 14Die Beklagte beantragt, 15die Klage abzuweisen. 16Sie verweist insbesondere auf die Begründung der Ordnungsverfügung. Ergänzend führt sie aus, der Kläger habe forensisch nachgewiesen Kokain konsumiert. Seine Erklärungen hierzu würden als Schutzbehauptung gewertet. Durch die Stellungnahme der Universitätsmedizin N. vom 14. August 2020 sei die Annahme widerlegt, die Droge hätte über die Schleimhäute aufgenommen werden können. 17Das Gericht hat durch Vernehmung der Zeugen T1. und H. Beweis erhoben. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen. 18Entscheidungsgründe: 19Der Einzelrichter ist zuständig, nachdem ihm der Rechtsstreit mit Beschluss der Kammer vom 3. März 2021 zur Entscheidung übertragen worden ist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). 20Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, den Bescheid vom 18. August 2020 aufzuheben, ist bei verständiger Würdigung des Begehrens (§ 88 VwGO) dahin auszulegen, dass er sich auf den Bescheid vom 13. August 2020 bezieht. Die abweichende Datumsangabe beruht auf einem offensichtlichen Diktierversehen. 21Soweit sich die Klage gegen die in dem Bescheid vom 13. August 2020 enthaltene Zwangsgeldandrohung richtet, ist die Klage unzulässig. 22Anerkannt ist, dass die zur Vollstreckung der Abgabe eines Führerscheins erlassene Zwangsgeldandrohung sich regelmäßig dadurch erledigt, dass der Pflichtige den Führerschein wie gefordert bei der Beklagten abgibt. 23Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Februar 2021 – 16 B 1496/20 – juris Rn. 20; vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 5. Februar 2021 – 11 ZB 20.2611 – juris Rn. 23. 24Dem liegt zu Grunde, dass nach Erfüllung der Verpflichtung, den Führerschein abzugeben, dem gegen die Zwangsgeldandrohung gerichteten Rechtsbehelf – jedenfalls – das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, sofern nicht die Behörde zu erkennen gibt, dass sie das Zwangsgeld gleichwohl beizutreiben beabsichtige. 25Vgl. BayVGH, Beschluss vom 5. Februar 2021 – 11 ZB 20.2611 – juris Rn. 23. 26Vergleichbar liegt der hier zu entscheidende Fall. 27Der Führerschein befand sich spätestens seit dem 23. Juni 2020 im Verwaltungsvorgang. Angesichts dessen hätte es keiner mit einer Zwangsgeldandrohung versehenen Aufforderung, den Führerschein bei der Beklagten abzuliefern, bedurft. Gleichwohl hat sich die Zwangsgeldandrohung bereits vor Klageerhebung erledigt. Die Beklagte hat dem Kläger gegenüber verdeutlicht, dass die mit dem streitgegenständlichen Bescheid erlassene Aufforderung, den Führerschein abzugeben, nicht vollstreckt wird. Mit Schreiben vom 1. September 2020 hat sie ihm über seine Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, sie „bestätige“ ihm, dass sich sein Führerscheindokument in der Fahrerlaubnisakte befinde. Aus dem maßgeblichen Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB analog) lässt sich die Bestätigung, der Führerschein liege der Beklagten vor, nur dahin verstehen, dass die Abgabe des Führerscheins – und damit auch die Vollstreckung dieser Anordnung – nicht weiterverfolgt wird. Auch der Kläger und seine Prozessbevollmächtigten dürften die Bestätigung so verstanden haben. Auf dem mit der Klageschrift übermittelten Bescheid wurde zur Zwangsgeldandrohung über die Worte „Verpflichtung binnen einer Woche“ vermerkt „nicht erf.“. Der Kläger wusste, dass sein Führerschein der Beklagten vorliegt, weil er ihn nicht abgeholt hatte. Anhaltspunkte, dass Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen wurden oder werden sollten oder der Kläger solche Maßnahmen erwartete, sind demgegenüber weder vorgetragen noch ersichtlich. 28Im Übrigen ist die Klage zulässig. 29Dies gilt auch, soweit sich die Klage gegen die Aufforderung, den Führerschein abzugeben, richtet. Die mit Bekanntgabe wirksame (§ 43 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW) Aufforderung hat sich im Unterschied zu der Zwangsgeldandrohung nicht nachträglich durch die Bestätigung vom 1. September 2020 erledigt. Von dieser Bestätigung bleibt die durch die Ordnungsverfügung begründete Rechtspflicht, den Führerschein abzugeben, unberührt. Nach der Auslegung aus dem Empfängerhorizont enthält sie eine Wissenserklärung, die Vollstreckungsmaßnahmen nicht erwarten lässt, aber keine zur Erledigung der Aufforderung, den Führerschein abzugeben, führende Gestaltungserklärung, insbesondere nicht Rücknahme oder Widerruf im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW. Eine Erledigung in sonstiger Weise gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW scheidet ebenfalls aus. Mit der Bestätigung als insoweit schlichter Wissenserklärung fehlt es an einem die Rechtswirkungen der auferlegten Handlungspflicht beendenden Ereignis. 30Die Klage gegen die Anordnung der Abgabe des Führerscheins ist begründet. Die Aufforderung, den Führerschein abzugeben, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Rechtsgrundlage der Aufforderung, den Führerschein unverzüglich bei der Beklagten vorzulegen, ist § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG. Danach ist nach der Entziehung der Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern oder zur Eintragung der Entscheidung vorzulegen. Tatbestandlich setzt die Bestimmung voraus, dass die Behörde nicht im Besitz des Führerscheins ist. Dies war aber im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung der Fall. Der Führerschein befand sich spätestens seit dem 23. Juni 2020 im Verwaltungsvorgang der Beklagten. Das Fortbestehen einer Handlungspflicht, die der Kläger nicht erfüllen kann, verletzt ihn in seinen Rechten. 31Im Übrigen ist die Klage unbegründet. 32Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er findet seine Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG – in Verbindung mit § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung – FeV –. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ungeeignet ist u.a. derjenige, der die notwendigen körperlichen oder geistigen Voraussetzungen nicht erfüllt (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG). Dies ist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 FeV vorliegen, welche die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen. 33Der Kläger hat sich als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erwiesen. Der Einzelrichter ist davon überzeugt, dass der Kläger in der Vergangenheit jedenfalls einmal Kokain konsumiert und daher seine Fahreignung verloren hat, ohne diese bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 13. August 2020 wiedererlangt zu haben. 34Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV besitzt die notwendige Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht, wer Betäubungsmittel (außer Cannabis) eingenommen hat. Gemäß Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV ist die Fahreignung nach Entgiftung und Entwöhnung nach einjähriger Abstinenz wieder gegeben. 35Gemäß Nr. 3 der Vorbemerkung zu Anlage 4 zur FeV gelten diese Bewertungen für den Regelfall. Kompensationen durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen sind möglich. Ergeben sich im Einzelfall in dieser Hinsicht Zweifel, kann eine medizinisch-psychologische Begutachtung angezeigt sein. Gemäß Nr. 2 der Vorbemerkung zu Anlage 4 zur FeV ist Grundlage der im Rahmen der §§ 11, 13 oder 14 vorzunehmenden Beurteilung, ob im Einzelfall Eignung oder bedingte Eignung vorliegt, in der Regel ein ärztliches Gutachten (§ 11 Absatz 2 Satz 3), in besonderen Fällen ein medizinisch-psychologisches Gutachten (§ 11 Absatz 3) oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (§ 11 Absatz 4). 36Beim Konsum von anderen Drogen als Cannabis ist es hiernach unerheblich, ob es sich um einen einmaligen, gelegentlichen oder regelmäßigen Konsum handelt. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV stellt für den Regelfall weder auf die Häufigkeit der Einnahme noch auf ihren Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeuges ab. Es wird weder der missbräuchliche Konsum, eine Abhängigkeit, noch eine gelegentliche oder häufige Einnahme vorausgesetzt, sondern lediglich die „Einnahme“ selbst. Deshalb ist im Regelfall von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auch dann auszugehen, wenn es sich lediglich um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat und zwar unabhängig davon, ob unter dem Einfluss der Betäubungsmittel ein Kraftfahrzeug geführt wurde. 37Ständige Rechtsprechung des OVG NRW, vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 2. April 2012 – 16 B 356/12 -, juris Rn. 2, vom 6. März 2007 – 16 B 332/07 –, juris, m.w.N.; so auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. April 2012 – 3 M 47/12 –, juris Rn. 6; BayVGH, Beschluss vom 14. Februar 2012 – 11 CS 12.28 –, juris Rn. 9; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Mai 2002, – 10 S 835/02 –, juris Rn. 6; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 2. September 2009 – 1 M 114/09 – juris Rn. 11; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. Juli 2008 – 10 B 10646/08 –, juris Rn. 4. Anders verhält es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2062/96 –, juris Rn. 44 ff. und vom 8. Juli 2002, juris Rn. 7) nur hinsichtlich der Frage des Zusammenhangs von gelegentlichem Cannabis-Konsum und Kraftfahrereignung. 38Nach allgemeiner Lebenserfahrung geht einem positiven Drogennachweis typischerweise ein – was Voraussetzung einer „Einnahme“ ist – von einem entsprechenden Willensakt begleiteter Drogenkonsum voraus. Der von dem Kläger als mögliches Alternativgeschehen behauptete Fall einer versehentlichen, durch Dritte herbeigeführten Rauschmittelvergiftung stellt sich dagegen als ein Ausnahmetatbestand dar, zu dem nur der Betroffene als der unmittelbar Beteiligte Klärendes beisteuern kann und der daher von diesem jedenfalls glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden muss. Erst nach einer solchen Schilderung kann sich die Frage ergeben, zu wessen Nachteil eine gleichwohl verbleibende Ungewissheit über den genauen Hergang der Ereignisse ausschlägt. 39Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2012 – 16 B 231/12 –, Rn. 6, juris, Beschluss vom 06. März 2013 – 16 B 1378/12 –, Rn. 4, juris; Beschluss vom 7. April 2014 – 16 B 89/14 –, Rn. 8, juris, Beschluss vom 27. Oktober 2014 – 16 B 1032/14 –, Rn. 7, juris. 40Gesichtspunkte einer solchen nachvollziehbaren und plausiblen Darlegung können insbesondere sein, 1. wer, 2. aus welchem Grund und 3. auf welche Weise die Drogen verabreicht haben soll; allein eine unsubstantiierte Vermutung, die Drogen könnten von fremden Dritten unwissentlich verabreicht worden sein, reicht hierfür nicht aus. 41OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2008 – 16 B 2113/07 –, juris. 42Nach diesen Maßstäben ist der Einzelrichter davon überzeugt, dass der Kläger mindestens einmal, nämlich im Vorfeld der Verkehrskontrolle, Kokain willentlich konsumiert hat. 43Es ist forensisch gesichert, dass der Kläger Kokain aufgenommen hat. Das Gericht legt das Ergebnis der forensisch-toxikologischen Untersuchung der am 2. August 2019 um 16:26 Uhr bei dem Kläger entnommenen Blutprobe durch das Institut für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin N. zu Grunde, wonach im Blut des Klägers unter anderem 11 ng/ml Benzoylecgonin (Kokainabbauprodukt) festgestellt wurden. 44Dass die Droge durch den Kläger bewusst aufgenommen, also konsumiert, wurde, ergibt sich aus den Einlassungen des Klägers im Rahmen der Verkehrskontrolle am 2. August 2019, die der Kläger zur Überzeugung des Einzelrichters so, wie sie vermerkt wurden, getätigt hat. 45Ein Eingeständnis des Drogenkonsums durch den Betroffenen stellt regelmäßig einen weiteren Umstand – insbesondere neben einem positiven Drogenvortest – dar, um die Fahrungeeignetheit als erwiesen anzusehen. 46Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Januar 2015 – 16 B 1026/14 –, Rn. 5, 12, juris; vgl. auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. Mai 2018 – 7 K 3157/17 –, juris, Leitsatz; BayVGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - 11 CS 09.1996 -, a.a.O., Rn. 20; VG München, Beschluss vom 14. März 2014 - M 6b S 14.115 -, juris, Rn. 52. 47An derartigen Eingeständnissen müssen sich Betroffene regelmäßig festhalten lassen. Gegenüber einer staatlichen Stelle erfolgte eigene Bekundungen des Betroffenen zu seinem Betäubungsmittelkonsum können grundsätzlich im Rahmen des Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens berücksichtigt werden. 48VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16. Mai 2018 – 7 K 3157/17 –, Rn. 20, juris, vgl. ferner BayVGH, Beschluss vom 19. September 2011 – 11 CS 11.2097 –, Rn. 14 f., juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juli 2016 - 10 S 1880/15 -, juris, Rn. 25; Beschluss vom 07. April 2014 – 10 S 404/14 –, Rn. 7, juris 49Der Einzelrichter ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt, dass der Kläger sich nach Konfrontation mit dem Ergebnis des hinsichtlich auf Kokain positiven Drogenvortests wie in den beiden zu der Anordnung der Blutprobe und der Aufnahme der Strafanzeige von dem Zeugen H. unterzeichneten Formularen eingelassen hat. Demnach hat er bekundet, er sei seit 2017 Betäubungsmittelkonsument, habe am Montag, 29. Juli 2019 zuletzt Drogen konsumiert und diese zuletzt am Bahnhof F. erworben. Er habe „eine Line am Montag“ genommen. 50Der Einzelrichter stützt seine Überzeugung auf die Bekundungen des Zeugen H. . Der Zeuge H. bestätigt die Richtigkeit der von ihm unterzeichneten Vermerke, indem er bekundete, dass die im Zusammenhang mit der Blutentnahme auszufüllenden Formulare nach Belehrung und Hinweis auf das Aussageverweigerungsrecht von demjenigen ausgefüllt werden, der die Fragen stellt, indem die Antwort so, wie sie gesagt wird, niedergeschrieben wird. Er schreibe generell nichts auf, was ihm nicht gesagt werde. Fragen und Antworten würden entsprechend den Antworten des Betroffenen dokumentiert. Diese Bekundung ist im Hinblick auf die Frage, ob sich der Kläger gegenüber der Polizei zu einem vergangenen Drogenkonsum eingelassen hat, positiv ergiebig, denn sie bestätigt die Richtigkeit der auf den Formularen „Strafanzeige“ und „Blutprobe“ schriftlich vermerkten Einlassungen. 51Die Bekundung des Zeugen H. ist glaubhaft. Die Glaubhaftigkeit der Bestätigung des Polizeivermerks folgt aus den Schilderungen des Zeugen in der mündlichen Verhandlung im Übrigen, die keine Zweifel daran erkennen lassen, dass der Zeuge das während des Einsatzes Erlebte und noch in seiner Erinnerung Vorhandene schlüssig und widerspruchsfrei wiedergibt. 52Hinsichtlich der Vermerke ist es plausibel, dass der Zeuge die Angaben des Klägers so, wie von ihm bekundet, niedergeschrieben hat. Die Angaben sind so konkret, dass eine völlig abweichende Darstellung von Geschehnissen aus der Sphäre des Klägers eine bewusste Manipulation der Aussagen voraussetzen würde. Hierfür bestehen im Ansatz keine Anhaltspunkte. Während der mündlichen Verhandlung mussten auch der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter einräumen, dass solche Anhaltspunkte oder Verdachtsmomente nicht greifbar bestehen. Vielmehr ist schlüssig und lebensnah, dass der Zeuge H. pflichtgemäß die Bekundungen so dokumentiert hat, wie sie erfolgt sind. Auch losgelöst von dem Akteninhalt schildert der Zeuge das nunmehr mehr als zwei Jahre zurückliegende Einsatzgeschehen stimmig. Er schildert die Kontrollsituation, und dass die Nissenleuchten geräuschvoll umgefahren wurden. Er erinnert sich daran, dass an jenem Tag abweichend von den Üblichkeiten er selbst, und nicht auch der die Verkehrskontrolle durchführende Kollege, die Formulare ausgefüllt hat. Plausibel ist die Darlegung, es habe an jenem Tag wenige, etwa fünf Blutentnahmeanordnungen gegeben. Dass nur bei einem Bruchteil kontrollierter Verkehrsteilnehmer eine Blutentnahme veranlasst ist, ist plausibel. 53Den Wahrheitsgehalt der Bekundungen zieht dagegen nicht in Zweifel, dass sich der Zeuge an Details des Einsatzes nicht mehr oder nicht mehr sicher erinnern kann. Soweit er zunächst bekundet, auch den Hinweis auf die Belehrung und das Aussageverweigerungsrecht abgearbeitet zu haben, sich auf Nachfrage des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht mehr sicher erinnern kann, ob ein Vernehmungsbogen ausgefüllt wurde oder nicht, oder ob der Kollege dies erledigt habe, stellt dies die hier maßgeblichen Bekundungen nicht in Frage. Der Zeuge legt glaubhaft offen, dass er einen mehr als zwei Jahre zurückliegenden Routinevorgang nicht mehr bis zum letzten Detail aus dem Gedächtnis rekonstruieren kann. Dies ist glaubhaft und steht nicht im Widerspruch zu seiner ebenfalls glaubhaften Bekundung, dass die von ihm unterzeichneten Formulare inhaltlich zutreffen. Hierzu hat er klargestellt, dass er – was lebensnah ist – die von ihm unterzeichneten Bögen von ihm auf Grund eigener Wahrnehmung niedergeschrieben hat. 54Auch im Übrigen legt der Zeuge Erinnerungslücken glaubhaft offen. Soweit sie nach seinen Bekundungen bestehen, beziehen sie sich sämtlich auf Routinevorgänge im Zusammenhang mit Einsätzen, deren Ergebnisse standardmäßig veraktet werden. Dass standardmäßig veraktete Vorgänge genau deshalb nicht mehr im Detail präsent sind, ist lebensnah. Der Kläger vermag vor diesem Hintergrund nicht die Glaubhaftigkeit der Bekundungen in Zweifel zu ziehen, indem er moniert, dass dem Zeugen nicht mehr jegliche Einzelaspekte eines zwei Jahre zurückliegenden Einsatzes erinnerlich sind. 55An der Glaubwürdigkeit der Person des Zeugen bestehen keinerlei Zweifel. 56Demgegenüber folgt der Einzelrichter nicht dem wiederholten Bestreiten des Klägers, entsprechende Angaben gemacht zu haben. Die Darstellung, er habe lediglich mitgeteilt, am letzten Montag – gemeint war der 29. Juli 2019 – Kontakt mit Leuten gehabt zu haben, die Drogen konsumieren, und er habe nicht die verschriftlichte Bekundung, „eine Line am Montag“ genommen, nicht zur Kenntnis genommen, aber trotzdem unterschrieben, erscheint als unglaubhafte Schutzbehauptung. Auf ausführliche Befragung in der mündlichen Verhandlung und Vorhalt des Inhalts der Vermerke hat der Kläger nicht im Ansatz plausibel dargelegt, wie derlei konkrete, aus seiner Sphäre stammenden Angaben auf entsprechend klare und konkrete Fragen in den Vernehmungsbogen gelangt sein sollen, wenn er nicht selbst diese Angaben gemacht hat. Die von dem Kläger erstmals mit Stellungnahme vom 3. August 2020 als zutreffend vorgetragenen und in der mündlichen Verhandlung wiederholten Antworten passen nicht zu den jeweiligen Fragestellungen. Über die Behauptung hinaus, er habe etwas völlig anderes geantwortet als das, was im Vernehmungsbogen steht, trägt der Kläger nichts vor, was den Bedeutungsgehalt der unterschiedlichen Darstellungen verbinden könnte. Träfe die Darstellung des Klägers zu, müsste der Zeuge H. an den Angaben des Klägers vorbei völlig andere Antworten erfunden haben. Dies ist hinsichtlich konkreter Angaben aus der Sphäre des Klägers abwegig. Zudem ist lebensfremd, dass der Kläger den mit „Strafanzeige“ überschriebenen und äußerst übersichtlichen Vernehmungsbogen ohne genaue Prüfung seines Inhalts unterschrieben oder die Angabe, er habe am Montag, 29. Juli 2019 zuletzt Drogen konsumiert, überlesen haben soll. Ein mit der Überschrift „Strafanzeige“ versehener Bogen dürfte von niemandem – und so mangels plausibler Erklärungen hierfür auch nicht von dem Kläger – unterschrieben werden, ohne den Inhalt der Angaben zu prüfen. Die Folgen von Erklärungen in solchen Fragebögen erscheinen viel zu weitreichend, um schlicht zu unterstellen, dass der Kläger ihn belastende Angaben einfach nur gedankenlos gegengezeichnet haben soll. 57Die Bekundungen des Zeugen T1. sind im Hinblick auf die Richtigkeit des im Polizeivermerk niedergelegten Eingeständnisses des Klägers unergiebig. Selbst wenn der Kläger Drogenkonsum am Ort der Verkehrskontrolle verneint haben soll, belegt dies nichts hinsichtlich seines Aussageverhaltens im Zusammenhang mit der durchgeführten Blutabnahme, bei der der Zeuge T1. auch nach eigenem Bekunden nicht anwesend war. 58Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag musste der Einzelrichter nicht nachgehen. Auf die zu Protokoll diktierte Begründung wird verwiesen: „Der Beweisantrag, der als aus mehreren Teilbeweisanträgen aufzufassen ist, war als unsubstantiiert abzulehnen, soweit der Kläger unter Beweis stellt, dass die Werte durch unbewussten Konsum zustande gekommen sein sollen. Insoweit bedürfte es einer substantiierten Darlegung, wer, unter welchen Umständen und zu welchen Zeitpunkten unbewusste Aufnahme einer Droge herbeigeführt haben sollte. Hieran fehlt es. Es ist die Rede von Kontakt mit dritten Personen. Der Beweisantrag war weiter als unsubstantiiert abzulehnen, soweit unter Beweis gestellt wurde, dass die Werte auf das Zusammenleben mit einem Drogenkonsumenten zurückzuführen wären. Das schlichte Zusammenleben mit einem Drogenkonsumenten dürfte nicht zu der Aufnahme einer harten Droge führen. Schließlich war der Beweisantrag als unsubstantiiert abzulehnen, soweit unter Beweis gestellt wird, dass die Werte durch Geschlechtsverkehr entstanden sein könnten. Nach der Auskunft des Uniklinikum N. vom 14. August 2020 im Verwaltungsverfahren (Bl. 60 VV) gibt es nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand keine Belege dafür, das die gemessene Konzentration lediglich durch Geschlechtsverkehr mit einer Person, die Kokain konsumiert hatte, zustandegekommen sein kann. Durchgreifende Anhaltspunkte, die diese Sichtweise infrage stellen und die auch dem Gericht im Ansatz plausibel erscheint, dass die Verletzungen beim Geschlechtsverkehr nicht die Aufnahme Drogen im Hinblick auf die forensisch nachgewiesen Blutwerte ersetzen, sind nicht vorgetragen worden oder sonst ersichtlich.“ 59Die mit der Ordnungsverfügung verbundene Gebührenfestsetzung ist nach § 6a Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 StVG, § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr – GebOSt – und Nr. 206 der Anlage zu § 1 GebOSt und § 6a Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 StVG, § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt rechtmäßig. Bezugspunkt der Nr. 206 der Anlage zu § 1 GebOSt ist allein die – vorliegend rechtmäßige – Entziehung der Fahrerlaubnis und nicht auch die rechtswidrige Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins. Die Beklagte hat den vorliegenden Fall ermessensfehlerfrei als mittleren Fall angesehen und eine gemäß § 114 VwGO vertretbar begründete Gebühr festgesetzt. 60Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Danach können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Die Praxis nimmt ein geringfügiges Obsiegen des Kostenschuldners bei 10 v.H. oder weniger an. 61OVG NRW, Beschluss vom 10. Mai 2013 – 16 E 222/13 – juris Rn. 3; vgl. Hartung/Zimmermann-Kreher, in: Posser/Wolff, VwGO = BeckOK, 59. Ed. 1.10.2021, VwGO § 155 Rn. 4; zu § 92 Abs. 2 ZPO vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2019 – VIII ZR 12/18 – juris Rn. 56. 62Dies ist hier der Fall. Gegenüber dem Wert der Entziehung der Fahrerlaubnis, der mit 5.000,00 € bemessen wird zuzüglich der Gebühr in Höhe von 154,45 € fällt die Aufforderung, den Führerschein abzugeben, nicht erheblich ins Gewicht. Zu Grunde gelegt wird ein – fiktiven – Streitwert von – maximal – 500,00 €. Dieser orientiert sich in Anlehnung an Nr. 1.7.2 Satz 2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit an der Höhe der ebenfalls mit 500,00 € bemessenen Zwangsgeldandrohung, weil anzunehmen ist, dass das wirtschaftliche Interesse an der Abgabe des Führerscheins jedenfalls die Höhe der Zwangsgeldandrohung nicht übersteigt. Im Verhältnis zu dem fiktiven Gesamtstreitwert aller Teilgegenstände von 6.154,45 € fällt das Teilobsiegen mit weniger als 10 v.H. ins Gewicht. 63Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO). 64Rechtsmittelbelehrung: 65Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 661. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 672. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 683. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 694. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 705. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 71Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV), bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV, einzureichen. 72Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO. | der bescheid vom wird aufgehoben, soweit der kläger darin aufgefordert wird, seinen führerschein bei der beklagten abzugeben (abschnitt i., absatz 1 satz 2 der ordnungsverfügung). im übrigen wird die klage abgewiesen. die kosten des verfahrens werden dem kläger auferlegt. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2der am 20. januar 1971 geborene kläger war seit dem 27. juni 1989 inhaber einer fahrerlaubnis der klasse b. 3am gegen 14:46 uhr wurden bei dem kläger im rahmen einer verkehrskontrolle bei q. auffälligkeiten hinsichtlich drogenkonsums festgestellt. wegen der weiteren einzelheiten hierzu wird auf den insoweit unstreitigen sachverhalt verwiesen (bl. 3-5 vv). ein drogenvortest schlug positiv auf kokain aus. danach wurde bei dem kläger die entnahme einer blutprobe angeordnet. die forensische begutachtung der um 16:26 uhr entnommenen blutprobe durch das institut für rechtsmedizin der universitätsmedizin n. vom 30. august 2019 ergab einen wert von 11 ng/ml benzoylecgonin (kokainabbauprodukt) und 2 ng/ml methylecgonin in dieser blutprobe. auf einem mit der überschrift „strafanzeige“ und dem datum „02.08.2019, 14:46 uhr“ versehenen bogen ist zu der frage „seit wann ist der/die besch./betr. drogenkonsument“ als antwort „seit 2017“, auf die frage „wann wurden letztmals welche drogen konsumiert?“ als antwort „montag, den 29.07.2019“ und auf die frage „wann, wo und von wem wurden letztmals drogen erworben (preis)?“ als antwort „bahnhof f. “ vermerkt. unterschrieben wurde der bogen von dem zeugen h. und dem kläger selbst. auf einem bogen mit der überschrift „blutprobe“ ist unter „angaben zur alkohol-, medikamenten-, betäubungsmitteleinnahme sowie nahrungsaufnahme: – ggf. länger als 24 stunden vor dem ereignis“ vermerk: „eine line am montag“. unterschrieben wurde der bogen von dem zeugen h. , von dem kläger nicht. auf dem ärztlich unterschriebenen anamnesebogen ist vermerkt „montag 1 line cocain“. der führerschein wurde sichergestellt. 4unter dem 23. juni 2020 vermerkte die beklagte, dass der führerschein zu ihr übersandt wurde und der kläger den führerschein abholen wolle. zu einer abholung des führerscheins kam es jedoch in der folgezeit nicht. 5unter dem 3. juli 2020 hörte die beklagte den kläger hinsichtlich der beabsichtigten entziehung der fahrerlaubnis an und gab ihm gelegenheit zur stellungnahme. 6unter dem 3. august 2020 nahm der kläger stellung. er führte insbesondere aus, seinen führerschein habe er nicht abgeholt; er habe auch nicht wunschgemäß nach t. übersandt werden können. er habe nie in seinem leben aktiv konsumiert. kokain habe er im rahmen des geschlechtsverkehrs mit dem zeugen t. insbesondere über die schleimhäute aufgenommen. die aufnahme über die schleimhäute werde durch die geringe konzentration des abbauwertes benzoylecgonin bestätigt. bei der angabe, er habe am montag, 29. juli 2019 am bahnhof f. das betäubungsmittel erworben und noch am gleichen tag eine „line“ konsumiert, handele es sich um ein missverständnis. er sei seit 2017 immer wieder mit betäubungsmitteln in berührung gekommen. dies liege darin begründet, dass er als türsteher und in der security tätig gewesen sei und immer wieder gäste nach betäubungsmitteln habe durchsuchen müssen. es habe mitgeteilt, es sei kein problem gewesen, an betäubungsmittel „dran“ zu kommen, an „jeder ecke“, wie z.b. am „bahnhof f. “, könne man sie erwerben. dahin, dass er selbst konsumiert habe, habe er sich zu keinem zeitpunkt eingelassen. 7am 14. august 2020 teilte das institut für rechtsmedizin der universitätsmedizin n. auf anfrage der beklagten mit, es gebe nach wissenschaftlichem erkenntnisstand keinerlei beleg dafür, dass eine benzoylecgonin-konzentration im blut von 11 ng/ml lediglich durch geschlechtsverkehr mit einer person, die cocain konsumiert habe, zustande gekommen sein könne, selbst dann nicht, wenn es z.b. zu einer verletzung des anus gekommen sein sollte. 8die beklagte entzog dem kläger mit bescheid vom 13. august 2020, abgesandt am 18. august 2020 und dem prozessbevollmächtigten des klägers zugestellt am 19. august 2020, seine fahrerlaubnis und forderte ihn auf, seinen führerschein sowie einen evtl. vorhandenen internationalen führerschein unverzüglich nach erhalt dieser ordnungsverfügung bei der beklagten abzugeben. die beklagte ordnete die sofortige vollziehung an. für den fall, dass der kläger dieser verpflichtung nicht binnen einer woche nach zustellung dieser verfügung nachkomme, drohte die beklagte ein zwangsgeld in höhe von 500,00 € an. die beklagte setzte kosten i.h.v. 154,45 €, davon 150,00 € als gebühr für die entziehung der fahrerlaubnis gemäß nr. 206 der gebührenordnung für maßnahmen im straßenverkehr – gebost – fest. die gebührenfestsetzung begründete die beklagte ausgehend von dem durch nr. 206 festgelegten ermessensrahmen mit dem verbundenen verwaltungsaufwand der sache, die vorliegend als mittlerer fall zu qualifizieren sei. zur begründung der entziehung der fahrerlaubnis bezog sich die beklagte auf das ergebnis der forensisch-toxikologischen untersuchung der entnommenen blutprobe. die einlassungen im rahmen der stellungnahme seien als schutzbehauptung zu werten. wegen der einzelheiten der begründung im übrigen wird auf den inhalt der ordnungsverfügung verwiesen. 9unter dem 1. september 2020 teilte die beklagte dem kläger über seine prozessbevollmächtigten mit, sie bestätige ihm, dass sich der führerschein in der fahrerlaubnisakte befinde. 10am montag, 21. september 2020 hat der kläger klage erhoben. 11zur begründung verweist er insbesondere auf seine stellungnahme vom 3. august 2020 und führt ergänzend aus, seine erklärungen als schutzbehauptung zu werten, stelle eine vernachlässigung der aufklärungspflicht hinsichtlich des sachverhalts dar. es sei plausibel, dass die festgestellte droge im rahmen des geschlechtsverkehrs über die schleimhäute bzw. über das zahnfleisch habe aufgenommen werden können. dies erkläre die festgestellten niedrigen werte. sie habe den sachverhalt von amts wegen zu ermitteln. dazu gehöre, dass sie sich von der seriosität der mitteilung unter hinzuziehung der meinung eines mediziners zu überzeugen hätte. auch die orale aufnahme durch befeuchtete finger könne zu einem positiven befund führen. der kläger habe ebenfalls die um stellungnahme zu diesem medizinischen zusammenhang ersucht. im übrigen sei die entziehung der fahrerlaubnis unverhältnismäßig. 12der kläger beantragt, 13den bescheid vom 18. august 2020 aufzuheben. 14die beklagte beantragt, 15die klage abzuweisen. 16sie verweist insbesondere auf die begründung der ordnungsverfügung. ergänzend führt sie aus, der kläger habe forensisch nachgewiesen kokain konsumiert. seine erklärungen hierzu würden als schutzbehauptung gewertet. durch die stellungnahme der universitätsmedizin n. vom 14. august 2020 sei die annahme widerlegt, die droge hätte über die schleimhäute aufgenommen werden können. 17das gericht hat durch vernehmung der zeugen t1. und h. beweis erhoben. wegen des inhalts der beweisaufnahme wird auf die niederschrift der mündlichen verhandlung bezug genommen. wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die gerichtsakte und den beigezogenen verwaltungsvorgang verwiesen. 18 | 19der einzelrichter ist zuständig, nachdem ihm der rechtsstreit mit beschluss der kammer vom 3. märz 2021 zur entscheidung übertragen worden ist (§ 6 abs. 1 satz 1 verwaltungsgerichtsordnung – vwgo). 20der in der mündlichen verhandlung gestellte antrag, den bescheid vom 18. august 2020 aufzuheben, ist bei verständiger würdigung des begehrens (§ 88 vwgo) dahin auszulegen, dass er sich auf den bescheid vom 13. august 2020 bezieht. die abweichende datumsangabe beruht auf einem offensichtlichen diktierversehen. 21soweit sich die klage gegen die in dem bescheid vom 13. august 2020 enthaltene zwangsgeldandrohung richtet, ist die klage unzulässig. 22anerkannt ist, dass die zur vollstreckung der abgabe eines führerscheins erlassene zwangsgeldandrohung sich regelmäßig dadurch erledigt, dass der pflichtige den führerschein wie gefordert bei der beklagten abgibt. 23vgl. ovg nrw, beschluss vom 16. februar 2021 – 16 b 1496/20 – juris rn. 20; vgl. auch bayvgh, beschluss vom 5. februar 2021 – 11 zb 20.2611 – juris rn. 23. 24dem liegt zu grunde, dass nach erfüllung der verpflichtung, den führerschein abzugeben, dem gegen die zwangsgeldandrohung gerichteten rechtsbehelf – jedenfalls – das rechtsschutzbedürfnis fehlt, sofern nicht die behörde zu erkennen gibt, dass sie das zwangsgeld gleichwohl beizutreiben beabsichtige. 25vgl. bayvgh, beschluss vom 5. februar 2021 – 11 zb 20.2611 – juris rn. 23. 26vergleichbar liegt der hier zu entscheidende fall. 27der führerschein befand sich spätestens seit dem 23. juni 2020 im verwaltungsvorgang. angesichts dessen hätte es keiner mit einer zwangsgeldandrohung versehenen aufforderung, den führerschein bei der beklagten abzuliefern, bedurft. gleichwohl hat sich die zwangsgeldandrohung bereits vor klageerhebung erledigt. die beklagte hat dem kläger gegenüber verdeutlicht, dass die mit dem streitgegenständlichen bescheid erlassene aufforderung, den führerschein abzugeben, nicht vollstreckt wird. mit schreiben vom 1. september 2020 hat sie ihm über seine prozessbevollmächtigten mitgeteilt, sie „bestätige“ ihm, dass sich sein führerscheindokument in der fahrerlaubnisakte befinde. aus dem maßgeblichen empfängerhorizont (§§ 133, 157 bgb analog) lässt sich die bestätigung, der führerschein liege der beklagten vor, nur dahin verstehen, dass die abgabe des führerscheins – und damit auch die vollstreckung dieser anordnung – nicht weiterverfolgt wird. auch der kläger und seine prozessbevollmächtigten dürften die bestätigung so verstanden haben. auf dem mit der klageschrift übermittelten bescheid wurde zur zwangsgeldandrohung über die worte „verpflichtung binnen einer woche“ vermerkt „nicht erf.“. der kläger wusste, dass sein führerschein der beklagten vorliegt, weil er ihn nicht abgeholt hatte. anhaltspunkte, dass vollstreckungsmaßnahmen ergriffen wurden oder werden sollten oder der kläger solche maßnahmen erwartete, sind demgegenüber weder vorgetragen noch ersichtlich. 28im übrigen ist die klage zulässig. 29dies gilt auch, soweit sich die klage gegen die aufforderung, den führerschein abzugeben, richtet. die mit bekanntgabe wirksame (§ 43 abs. 1 satz 2 vwvfg nrw) aufforderung hat sich im unterschied zu der zwangsgeldandrohung nicht nachträglich durch die bestätigung vom 1. september 2020 erledigt. von dieser bestätigung bleibt die durch die ordnungsverfügung begründete rechtspflicht, den führerschein abzugeben, unberührt. nach der auslegung aus dem empfängerhorizont enthält sie eine wissenserklärung, die vollstreckungsmaßnahmen nicht erwarten lässt, aber keine zur erledigung der aufforderung, den führerschein abzugeben, führende gestaltungserklärung, insbesondere nicht rücknahme oder widerruf im sinne des § 43 abs. 2 satz 1 vwvfg nrw. eine erledigung in sonstiger weise gemäß § 43 abs. 2 satz 1 vwvfg nrw scheidet ebenfalls aus. mit der bestätigung als insoweit schlichter wissenserklärung fehlt es an einem die rechtswirkungen der auferlegten handlungspflicht beendenden ereignis. 30die klage gegen die anordnung der abgabe des führerscheins ist begründet. die aufforderung, den führerschein abzugeben, ist rechtswidrig und verletzt den kläger in seinen rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). rechtsgrundlage der aufforderung, den führerschein unverzüglich bei der beklagten vorzulegen, ist § 3 abs. 2 satz 3 stvg. danach ist nach der entziehung der führerschein der fahrerlaubnisbehörde abzuliefern oder zur eintragung der entscheidung vorzulegen. tatbestandlich setzt die bestimmung voraus, dass die behörde nicht im besitz des führerscheins ist. dies war aber im maßgeblichen zeitpunkt des erlasses der ordnungsverfügung der fall. der führerschein befand sich spätestens seit dem 23. juni 2020 im verwaltungsvorgang der beklagten. das fortbestehen einer handlungspflicht, die der kläger nicht erfüllen kann, verletzt ihn in seinen rechten. 31im übrigen ist die klage unbegründet. 32die entziehung der fahrerlaubnis ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). er findet seine rechtsgrundlage in § 3 abs. 1 satz 1 des straßenverkehrsgesetzes – stvg – in verbindung mit § 46 abs. 1 satz 1 der fahrerlaubnisverordnung – fev –. danach hat die fahrerlaubnisbehörde die fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren inhaber als ungeeignet zum führen von kraftfahrzeugen erweist. ungeeignet ist u.a. derjenige, der die notwendigen körperlichen oder geistigen voraussetzungen nicht erfüllt (vgl. § 2 abs. 4 satz 1 stvg). dies ist nach § 46 abs. 1 satz 2 fev insbesondere der fall, wenn erkrankungen oder mängel nach den anlagen 4, 5 oder 6 fev vorliegen, welche die eignung zum führen von kraftfahrzeugen ausschließen. 33der kläger hat sich als zum führen von kraftfahrzeugen ungeeignet erwiesen. der einzelrichter ist davon überzeugt, dass der kläger in der vergangenheit jedenfalls einmal kokain konsumiert und daher seine fahreignung verloren hat, ohne diese bis zum maßgeblichen zeitpunkt des erlasses des bescheides vom 13. august 2020 wiedererlangt zu haben. 34nach nr. 9.1 der anlage 4 zur fev besitzt die notwendige eignung zum führen von kraftfahrzeugen nicht, wer betäubungsmittel (außer cannabis) eingenommen hat. gemäß nr. 9.5 der anlage 4 zur fev ist die fahreignung nach entgiftung und entwöhnung nach einjähriger abstinenz wieder gegeben. 35gemäß nr. 3 der vorbemerkung zu anlage 4 zur fev gelten diese bewertungen für den regelfall. kompensationen durch besondere menschliche veranlagung, durch gewöhnung, durch besondere einstellung oder durch besondere verhaltenssteuerungen und -umstellungen sind möglich. ergeben sich im einzelfall in dieser hinsicht zweifel, kann eine medizinisch-psychologische begutachtung angezeigt sein. gemäß nr. 2 der vorbemerkung zu anlage 4 zur fev ist grundlage der im rahmen der §§ 11, 13 oder 14 vorzunehmenden beurteilung, ob im einzelfall eignung oder bedingte eignung vorliegt, in der regel ein ärztliches gutachten (§ 11 absatz 2 satz 3), in besonderen fällen ein medizinisch-psychologisches gutachten (§ 11 absatz 3) oder ein gutachten eines amtlich anerkannten sachverständigen oder prüfers für den kraftfahrzeugverkehr (§ 11 absatz 4). 36beim konsum von anderen drogen als cannabis ist es hiernach unerheblich, ob es sich um einen einmaligen, gelegentlichen oder regelmäßigen konsum handelt. nr. 9.1 der anlage 4 zur fev stellt für den regelfall weder auf die häufigkeit der einnahme noch auf ihren bezug zum führen eines kraftfahrzeuges ab. es wird weder der missbräuchliche konsum, eine abhängigkeit, noch eine gelegentliche oder häufige einnahme vorausgesetzt, sondern lediglich die „einnahme“ selbst. deshalb ist im regelfall von einer ungeeignetheit zum führen von kraftfahrzeugen auch dann auszugehen, wenn es sich lediglich um einen einmaligen vorfall gehandelt hat und zwar unabhängig davon, ob unter dem einfluss der betäubungsmittel ein kraftfahrzeug geführt wurde. 37ständige rechtsprechung des ovg nrw, vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 2. april 2012 – 16 b 356/12 -, juris rn. 2, vom 6. märz 2007 – 16 b 332/07 –, juris, m.w.n.; so auch ovg sachsen-anhalt, beschluss vom 13. april 2012 – 3 m 47/12 –, juris rn. 6; bayvgh, beschluss vom 14. februar 2012 – 11 cs 12.28 –, juris rn. 9; vgh baden-württemberg, beschluss vom 24. mai 2002, – 10 s 835/02 –, juris rn. 6; ovg mecklenburg-vorpommern, beschluss vom 2. september 2009 – 1 m 114/09 – juris rn. 11; ovg rheinland-pfalz, beschluss vom 25. juli 2008 – 10 b 10646/08 –, juris rn. 4. anders verhält es sich nach der rechtsprechung des bundesverfassungsgerichts (beschlüsse vom 20. juni 2002 – 1 bvr 2062/96 –, juris rn. 44 ff. und vom 8. juli 2002, juris rn. 7) nur hinsichtlich der frage des zusammenhangs von gelegentlichem cannabis-konsum und kraftfahrereignung. 38nach allgemeiner lebenserfahrung geht einem positiven drogennachweis typischerweise ein – was voraussetzung einer „einnahme“ ist – von einem entsprechenden willensakt begleiteter drogenkonsum voraus. der von dem kläger als mögliches alternativgeschehen behauptete fall einer versehentlichen, durch dritte herbeigeführten rauschmittelvergiftung stellt sich dagegen als ein ausnahmetatbestand dar, zu dem nur der betroffene als der unmittelbar beteiligte klärendes beisteuern kann und der daher von diesem jedenfalls glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden muss. erst nach einer solchen schilderung kann sich die frage ergeben, zu wessen nachteil eine gleichwohl verbleibende ungewissheit über den genauen hergang der ereignisse ausschlägt. 39vgl. hierzu ovg nrw, beschluss vom 22. märz 2012 – 16 b 231/12 –, rn. 6, juris, beschluss vom 06. märz 2013 – 16 b 1378/12 –, rn. 4, juris; beschluss vom 7. april 2014 – 16 b 89/14 –, rn. 8, juris, beschluss vom 27. oktober 2014 – 16 b 1032/14 –, rn. 7, juris. 40gesichtspunkte einer solchen nachvollziehbaren und plausiblen darlegung können insbesondere sein, 1. wer, 2. aus welchem grund und 3. auf welche weise die drogen verabreicht haben soll; allein eine unsubstantiierte vermutung, die drogen könnten von fremden dritten unwissentlich verabreicht worden sein, reicht hierfür nicht aus. 41ovg nrw, beschluss vom 18. februar 2008 – 16 b 2113/07 –, juris. 42nach diesen maßstäben ist der einzelrichter davon überzeugt, dass der kläger mindestens einmal, nämlich im vorfeld der verkehrskontrolle, kokain willentlich konsumiert hat. 43es ist forensisch gesichert, dass der kläger kokain aufgenommen hat. das gericht legt das ergebnis der forensisch-toxikologischen untersuchung der am 2. august 2019 um 16:26 uhr bei dem kläger entnommenen blutprobe durch das institut für rechtsmedizin der universitätsmedizin n. zu grunde, wonach im blut des klägers unter anderem 11 ng/ml benzoylecgonin (kokainabbauprodukt) festgestellt wurden. 44dass die droge durch den kläger bewusst aufgenommen, also konsumiert, wurde, ergibt sich aus den einlassungen des klägers im rahmen der verkehrskontrolle am 2. august 2019, die der kläger zur überzeugung des einzelrichters so, wie sie vermerkt wurden, getätigt hat. 45ein eingeständnis des drogenkonsums durch den betroffenen stellt regelmäßig einen weiteren umstand – insbesondere neben einem positiven drogenvortest – dar, um die fahrungeeignetheit als erwiesen anzusehen. 46vgl. ovg nrw, beschluss vom 5. januar 2015 – 16 b 1026/14 –, rn. 5, 12, juris; vgl. auch vg gelsenkirchen, urteil vom 16. mai 2018 – 7 k 3157/17 –, juris, leitsatz; bayvgh, beschluss vom 7. dezember 2009 - 11 cs 09.1996 -, a.a.o., rn. 20; vg münchen, beschluss vom 14. märz 2014 - m 6b s 14.115 -, juris, rn. 52. 47an derartigen eingeständnissen müssen sich betroffene regelmäßig festhalten lassen. gegenüber einer staatlichen stelle erfolgte eigene bekundungen des betroffenen zu seinem betäubungsmittelkonsum können grundsätzlich im rahmen des fahrerlaubnisentziehungsverfahrens berücksichtigt werden. 48vg gelsenkirchen, urteil vom 16. mai 2018 – 7 k 3157/17 –, rn. 20, juris, vgl. ferner bayvgh, beschluss vom 19. september 2011 – 11 cs 11.2097 –, rn. 14 f., juris; vgh baden-württemberg, urteil vom 27. juli 2016 - 10 s 1880/15 -, juris, rn. 25; beschluss vom 07. april 2014 – 10 s 404/14 –, rn. 7, juris 49der einzelrichter ist nach dem ergebnis der beweisaufnahme überzeugt, dass der kläger sich nach konfrontation mit dem ergebnis des hinsichtlich auf kokain positiven drogenvortests wie in den beiden zu der anordnung der blutprobe und der aufnahme der strafanzeige von dem zeugen h. unterzeichneten formularen eingelassen hat. demnach hat er bekundet, er sei seit 2017 betäubungsmittelkonsument, habe am montag, 29. juli 2019 zuletzt drogen konsumiert und diese zuletzt am bahnhof f. erworben. er habe „eine line am montag“ genommen. 50der einzelrichter stützt seine überzeugung auf die bekundungen des zeugen h. . der zeuge h. bestätigt die richtigkeit der von ihm unterzeichneten vermerke, indem er bekundete, dass die im zusammenhang mit der blutentnahme auszufüllenden formulare nach belehrung und hinweis auf das aussageverweigerungsrecht von demjenigen ausgefüllt werden, der die fragen stellt, indem die antwort so, wie sie gesagt wird, niedergeschrieben wird. er schreibe generell nichts auf, was ihm nicht gesagt werde. fragen und antworten würden entsprechend den antworten des betroffenen dokumentiert. diese bekundung ist im hinblick auf die frage, ob sich der kläger gegenüber der polizei zu einem vergangenen drogenkonsum eingelassen hat, positiv ergiebig, denn sie bestätigt die richtigkeit der auf den formularen „strafanzeige“ und „blutprobe“ schriftlich vermerkten einlassungen. 51die bekundung des zeugen h. ist glaubhaft. die glaubhaftigkeit der bestätigung des polizeivermerks folgt aus den schilderungen des zeugen in der mündlichen verhandlung im übrigen, die keine zweifel daran erkennen lassen, dass der zeuge das während des einsatzes erlebte und noch in seiner erinnerung vorhandene schlüssig und widerspruchsfrei wiedergibt. 52hinsichtlich der vermerke ist es plausibel, dass der zeuge die angaben des klägers so, wie von ihm bekundet, niedergeschrieben hat. die angaben sind so konkret, dass eine völlig abweichende darstellung von geschehnissen aus der sphäre des klägers eine bewusste manipulation der aussagen voraussetzen würde. hierfür bestehen im ansatz keine anhaltspunkte. während der mündlichen verhandlung mussten auch der kläger bzw. sein prozessbevollmächtigter einräumen, dass solche anhaltspunkte oder verdachtsmomente nicht greifbar bestehen. vielmehr ist schlüssig und lebensnah, dass der zeuge h. pflichtgemäß die bekundungen so dokumentiert hat, wie sie erfolgt sind. auch losgelöst von dem akteninhalt schildert der zeuge das nunmehr mehr als zwei jahre zurückliegende einsatzgeschehen stimmig. er schildert die kontrollsituation, und dass die nissenleuchten geräuschvoll umgefahren wurden. er erinnert sich daran, dass an jenem tag abweichend von den üblichkeiten er selbst, und nicht auch der die verkehrskontrolle durchführende kollege, die formulare ausgefüllt hat. plausibel ist die darlegung, es habe an jenem tag wenige, etwa fünf blutentnahmeanordnungen gegeben. dass nur bei einem bruchteil kontrollierter verkehrsteilnehmer eine blutentnahme veranlasst ist, ist plausibel. 53den wahrheitsgehalt der bekundungen zieht dagegen nicht in zweifel, dass sich der zeuge an details des einsatzes nicht mehr oder nicht mehr sicher erinnern kann. soweit er zunächst bekundet, auch den hinweis auf die belehrung und das aussageverweigerungsrecht abgearbeitet zu haben, sich auf nachfrage des prozessbevollmächtigten des klägers nicht mehr sicher erinnern kann, ob ein vernehmungsbogen ausgefüllt wurde oder nicht, oder ob der kollege dies erledigt habe, stellt dies die hier maßgeblichen bekundungen nicht in frage. der zeuge legt glaubhaft offen, dass er einen mehr als zwei jahre zurückliegenden routinevorgang nicht mehr bis zum letzten detail aus dem gedächtnis rekonstruieren kann. dies ist glaubhaft und steht nicht im widerspruch zu seiner ebenfalls glaubhaften bekundung, dass die von ihm unterzeichneten formulare inhaltlich zutreffen. hierzu hat er klargestellt, dass er – was lebensnah ist – die von ihm unterzeichneten bögen von ihm auf grund eigener wahrnehmung niedergeschrieben hat. 54auch im übrigen legt der zeuge erinnerungslücken glaubhaft offen. soweit sie nach seinen bekundungen bestehen, beziehen sie sich sämtlich auf routinevorgänge im zusammenhang mit einsätzen, deren ergebnisse standardmäßig veraktet werden. dass standardmäßig veraktete vorgänge genau deshalb nicht mehr im detail präsent sind, ist lebensnah. der kläger vermag vor diesem hintergrund nicht die glaubhaftigkeit der bekundungen in zweifel zu ziehen, indem er moniert, dass dem zeugen nicht mehr jegliche einzelaspekte eines zwei jahre zurückliegenden einsatzes erinnerlich sind. 55an der glaubwürdigkeit der person des zeugen bestehen keinerlei zweifel. 56demgegenüber folgt der einzelrichter nicht dem wiederholten bestreiten des klägers, entsprechende angaben gemacht zu haben. die darstellung, er habe lediglich mitgeteilt, am letzten montag – gemeint war der 29. juli 2019 – kontakt mit leuten gehabt zu haben, die drogen konsumieren, und er habe nicht die verschriftlichte bekundung, „eine line am montag“ genommen, nicht zur kenntnis genommen, aber trotzdem unterschrieben, erscheint als unglaubhafte schutzbehauptung. auf ausführliche befragung in der mündlichen verhandlung und vorhalt des inhalts der vermerke hat der kläger nicht im ansatz plausibel dargelegt, wie derlei konkrete, aus seiner sphäre stammenden angaben auf entsprechend klare und konkrete fragen in den vernehmungsbogen gelangt sein sollen, wenn er nicht selbst diese angaben gemacht hat. die von dem kläger erstmals mit stellungnahme vom 3. august 2020 als zutreffend vorgetragenen und in der mündlichen verhandlung wiederholten antworten passen nicht zu den jeweiligen fragestellungen. über die behauptung hinaus, er habe etwas völlig anderes geantwortet als das, was im vernehmungsbogen steht, trägt der kläger nichts vor, was den bedeutungsgehalt der unterschiedlichen darstellungen verbinden könnte. träfe die darstellung des klägers zu, müsste der zeuge h. an den angaben des klägers vorbei völlig andere antworten erfunden haben. dies ist hinsichtlich konkreter angaben aus der sphäre des klägers abwegig. zudem ist lebensfremd, dass der kläger den mit „strafanzeige“ überschriebenen und äußerst übersichtlichen vernehmungsbogen ohne genaue prüfung seines inhalts unterschrieben oder die angabe, er habe am montag, 29. juli 2019 zuletzt drogen konsumiert, überlesen haben soll. ein mit der überschrift „strafanzeige“ versehener bogen dürfte von niemandem – und so mangels plausibler erklärungen hierfür auch nicht von dem kläger – unterschrieben werden, ohne den inhalt der angaben zu prüfen. die folgen von erklärungen in solchen fragebögen erscheinen viel zu weitreichend, um schlicht zu unterstellen, dass der kläger ihn belastende angaben einfach nur gedankenlos gegengezeichnet haben soll. 57die bekundungen des zeugen t1. sind im hinblick auf die richtigkeit des im polizeivermerk niedergelegten eingeständnisses des klägers unergiebig. selbst wenn der kläger drogenkonsum am ort der verkehrskontrolle verneint haben soll, belegt dies nichts hinsichtlich seines aussageverhaltens im zusammenhang mit der durchgeführten blutabnahme, bei der der zeuge t1. auch nach eigenem bekunden nicht anwesend war. 58dem in der mündlichen verhandlung gestellten beweisantrag musste der einzelrichter nicht nachgehen. auf die zu protokoll diktierte begründung wird verwiesen: „der beweisantrag, der als aus mehreren teilbeweisanträgen aufzufassen ist, war als unsubstantiiert abzulehnen, soweit der kläger unter beweis stellt, dass die werte durch unbewussten konsum zustande gekommen sein sollen. insoweit bedürfte es einer substantiierten darlegung, wer, unter welchen umständen und zu welchen zeitpunkten unbewusste aufnahme einer droge herbeigeführt haben sollte. hieran fehlt es. es ist die rede von kontakt mit dritten personen. der beweisantrag war weiter als unsubstantiiert abzulehnen, soweit unter beweis gestellt wurde, dass die werte auf das zusammenleben mit einem drogenkonsumenten zurückzuführen wären. das schlichte zusammenleben mit einem drogenkonsumenten dürfte nicht zu der aufnahme einer harten droge führen. schließlich war der beweisantrag als unsubstantiiert abzulehnen, soweit unter beweis gestellt wird, dass die werte durch geschlechtsverkehr entstanden sein könnten. nach der auskunft des uniklinikum n. vom 14. august 2020 im verwaltungsverfahren (bl. 60 vv) gibt es nach dem derzeitigen wissenschaftlichen erkenntnisstand keine belege dafür, das die gemessene konzentration lediglich durch geschlechtsverkehr mit einer person, die kokain konsumiert hatte, zustandegekommen sein kann. durchgreifende anhaltspunkte, die diese sichtweise infrage stellen und die auch dem gericht im ansatz plausibel erscheint, dass die verletzungen beim geschlechtsverkehr nicht die aufnahme drogen im hinblick auf die forensisch nachgewiesen blutwerte ersetzen, sind nicht vorgetragen worden oder sonst ersichtlich.“ 59die mit der ordnungsverfügung verbundene gebührenfestsetzung ist nach § 6a abs. 1 nr. 1a, abs. 2 stvg, § 1 abs. 1, § 4 abs. 1 nr. 1 gebührenordnung für maßnahmen im straßenverkehr – gebost – und nr. 206 der anlage zu § 1 gebost und § 6a abs. 1 nr. 1a, abs. 2 stvg, § 2 abs. 1 nr. 1 gebost rechtmäßig. bezugspunkt der nr. 206 der anlage zu § 1 gebost ist allein die – vorliegend rechtmäßige – entziehung der fahrerlaubnis und nicht auch die rechtswidrige aufforderung zur abgabe des führerscheins. die beklagte hat den vorliegenden fall ermessensfehlerfrei als mittleren fall angesehen und eine gemäß § 114 vwgo vertretbar begründete gebühr festgesetzt. 60die kostenentscheidung beruht auf § 155 abs. 1 satz 3 vwgo. danach können einem beteiligten die kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen teil unterlegen ist. die praxis nimmt ein geringfügiges obsiegen des kostenschuldners bei 10 v.h. oder weniger an. 61ovg nrw, beschluss vom 10. mai 2013 – 16 e 222/13 – juris rn. 3; vgl. hartung/zimmermann-kreher, in: posser/wolff, vwgo = beckok, 59. ed. 1.10.2021, vwgo § 155 rn. 4; zu § 92 abs. 2 zpo vgl. bgh, urteil vom 10. april 2019 – viii zr 12/18 – juris rn. 56. 62dies ist hier der fall. gegenüber dem wert der entziehung der fahrerlaubnis, der mit 5.000,00 € bemessen wird zuzüglich der gebühr in höhe von 154,45 € fällt die aufforderung, den führerschein abzugeben, nicht erheblich ins gewicht. zu grunde gelegt wird ein – fiktiven – streitwert von – maximal – 500,00 €. dieser orientiert sich in anlehnung an nr. 1.7.2 satz 2 des streitwertkataloges für die verwaltungsgerichtsbarkeit an der höhe der ebenfalls mit 500,00 € bemessenen zwangsgeldandrohung, weil anzunehmen ist, dass das wirtschaftliche interesse an der abgabe des führerscheins jedenfalls die höhe der zwangsgeldandrohung nicht übersteigt. im verhältnis zu dem fiktiven gesamtstreitwert aller teilgegenstände von 6.154,45 € fällt das teilobsiegen mit weniger als 10 v.h. ins gewicht. 63die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 abs. 1 satz 1 vwgo i.v.m. § 708 nr. 11, 711 der zivilprozessordnung (zpo). 64rechtsmittelbelehrung: 65gegen dieses urteil steht den beteiligten die berufung an das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. die berufung ist nur zuzulassen, wenn 661. ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 672. die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 683. die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 694. das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 705. ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 71die zulassung der berufung ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils schriftlich oder als elektronisches dokument, letzteres nach maßgabe des § 55a der verwaltungsgerichtsordnung – vwgo – und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer-rechtsverkehr-verordnung – ervv), bei dem verwaltungsgericht gelsenkirchen, bahnhofsvorplatz 3, 45879 gelsenkirchen, zu beantragen. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen, aegidiikirchplatz 5, 48143 münster, schriftlich oder als elektronisches dokument, letzteres nach maßgabe des § 55a vwgo und der ervv, einzureichen. 72im berufungsverfahren muss sich jeder beteiligte durch einen prozessbevollmächtigten vertreten lassen. dies gilt auch für den antrag auf zulassung der berufung. der kreis der als prozessbevollmächtigte zugelassenen personen und organisationen bestimmt sich nach § 67 abs. 4 vwgo. | Klaeger*in | 1 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327,095 | 1 K 1177/17.A | 2020-03-30T00:00:00 | Urteil | Tenor Ziffer 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. Januar 2017 wird aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Beklagte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin wurde am 16. August 2015 in Deutschland geboren und besitzt nach Ihren Eltern die somalische Staatsangehörigkeit. Für Ihre am 1. Januar 1996 geborene Mutter sowie ihren ebenfalls am 1. Januar 1996 geborenen Vater hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) mit Bescheiden vom 20. September 2017 bzw. 28. September 2017 ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt. Aufgrund einer entsprechenden Erklärung vom 24. November 2015 üben ihre Eltern das Sorgerecht für die Klägerin gemeinsam aus. 3Am 3. September 2015 ging eine die Klägerin betreffende "Meldung gemäß § 14a Abs. 2 AsylG" des Kreises I1. beim Bundesamt ein. Mit Schreiben vom 7. September 2015 teilte das Bundesamt der Mutter der Klägerin mit, dass für die Klägerin mit dem 3. September 2015 ein Asylantrag als gestellt gelte. Das auf Deutsch verfasste Schreiben enthielt den folgenden Hinweis: 4"Auf die Regelung des §14a Abs. 3 AsylVfG wird hingewiesen. Danach kann der gesetzliche Vertreter des Kindes bis zur Zustellung der Entscheidung des Bundesamtes auf die Durchführung eines Asylverfahrens für das Kind verzichten, indem er erklärt, dass für das Kind keine Gründe geltend gemacht werden, die das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG rechtfertigen, bzw. dem Kind in seinem Heimatland kein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 AsylVfG droht. Allein der Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens für das Kind schließt die Erteilung eines Aufenthaltstitels z.B. aus humanitären Gründen durch die Ausländerbehörde nicht aus." 5Laut einem in dem Schreiben enthaltenen Hinweis wurden dem Schreiben die folgenden Anlagen beigefügt: 6"Niederschrift Teil 1 7Belehrung(en) gem. § 10 AsylVfG (deutsch und ggfs. fremdsprachig) 8Belehrung(en) gem. § 14 Abs. 1 AsylVfG (deutsch und ggfs. fremdsprachig) 9Erklärung". 10In einem weiteren, ebenfalls auf Deutsch verfassten Schreiben vom 7. September 2015 wurde der Mutter der Klägerin (nochmals) mitgeteilt, dass für die Klägerin ein Asylverfahren eingeleitet worden sei. Das Schreiben enthält u.a. den folgenden Hinweis: 11"Sie haben die Möglichkeit, bis zur Zustellung der Entscheidung des Bundesamtes auf die Durchführung eines Asylverfahrens für das Kind zu verzichten, indem Sie erklären, dass für das Kind keine Gründe geltend gemacht werden, die das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG oder der Asylberechtigung nach Art. 16a Abs. 1 GG rechtfertigen, bzw. dem Kind in seinem Heimatland kein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 AsylVfG droht. 12Bei einem Verzicht ergeht ein Einstellungsbescheid hinsichtlich Asyl- und Flüchtlingsanerkennung, der nur noch eine Entscheidung zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG beinhaltet. Werden keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG festgestellt, wird eine Abschiebungsandrohung erlassen. Ungeachtet des Verzichts können Sie daher mit der Rücksendung des nachstehenden Dokuments Angaben dazu machen, welche Gründe einer Rückkehr ins Herkunftsland entgegenstehen. Wird das Verfahren eingestellt, wirkt sich dies nicht auf die mögliche Erteilung eines Aufenthaltstitels aus. Die zuständige Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel zu erteilen. 13Für den Fall, dass Sie nicht auf die Durchführung des Asylverfahrens verzichten, bitte ich Sie, dass Sie innerhalb eines Monats schriftlich die Gründe darlegen, die Sie zu der Annahme berechtigen, dass bei dem Kind die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG vorliegt oder dem Kind in seinem Heimatland ein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 AsylVfG droht." 14Laut diesem Schreiben war ihm als Anlage "1 Erklärung" beigefügt. Die beiden Schreiben vom 7.September 2015 wurden der Mutter der Klägerin ausweislich einer im Verwaltungsvorgang des Bundesamts befindlichen Zustellungsurkunde am 8. September 2015 zugestellt. Hinweise darauf, dass den beiden Schreiben vom 7. September 2015 Übersetzungen dieser Schreiben beigefügt waren, sind dem Verwaltungsvorgang des Bundesamts nicht zu entnehmen. 15Am 21. September 2015 ging beim Bundesamt eine Erklärung vom 18. September 2015 mit u.a. folgendem Text ein: 16"Als gesetzlicher Vertreter von 17Name: Vorname: Geburtsdatum: 18erkläre ich, dass bei dem/der o.g. Minderjährigen keine Merkmale für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG und für die Asylberechtigung nach Art. 16a Abs. 1 GG vorliegen bzw. in seinem/ihrem Heimatland kein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 AylVfG droht, und verzichte auf die Durchführung eines Asylverfahrens." 19In der Erklärung waren handschriftlich der Nachname, der Vorname und das Geburtsdatum der Klägerin eingetragen. Auf der Erklärung befindet sich eine Unterschrift. Von wem diese Unterschrift stammt, ist auf der Erklärung nicht vermerkt. 20Mit Bescheid vom 24. Januar 2017, als Einschreiben zur Post gegeben am 25. Januar 2017, stellte das Bundesamt fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist (Ziffer 1) und dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt (Ziffer 2). Zur Begründung der Ziffer 1 verwies das Bundesamt darauf, dass die Mutter der Klägerin am 18. September 2015 für die Klägerin auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet habe. 21Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 10. Februar 2017 Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ausführt, dass nicht ihre Mutter, sondern ihr Vater die Erklärung vom 18. September 2015 unterschrieben habe. Ihr Vater sei bei seiner Unterschrift davon ausgegangen, dass er damit das Asylverfahren für sie in Gang setze. Er habe zum damaligen Zeitpunkt weder Deutsch gesprochen, noch habe er zum damaligen Zeitpunkt für sie das Sorgerecht innegehabt. 22Die Klägerin beantragt, 23Ziffer 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. Januar 2017 aufzuheben. 24Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, 25die Klage abzuweisen. 26Zur Begründung trägt sie u.a. vor, dass die Eltern der Klägerin ordnungsgemäß über die Folgen eines Verzichts hingewiesen worden seien. In der den Anhörungsschreiben beigefügten Belehrung gemäß § 14 AsylG sei sowohl auf Deutsch als auch auf Somali über die Folgen einer Rücknahme des Asylantrags belehrt worden. Ein Verzicht sei nichts anderes als eine Rücknahme. 27Mit Beschluss vom 11. September 2018 hat die Kammer das Verfahren dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, dieser hat der Klägerin auf deren Antrag mit Beschluss vom 2. Oktober 2018 unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe bewilligt. 28In der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2018 hat das Gericht die Mutter und den Vater der Klägerin, in der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2019 die Sozialarbeiterin C. als Zeugen vernommen. Wegen ihrer Aussagen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge des Bundesamts für die Klägerin (ein Hefter), ihre Mutter (zwei Hefter) und ihren Vater (ein Hefter) sowie die über die Klägerin geführte Ausländerakte (ein Hefter) Bezug genommen. 29Entscheidungsgründe: 30Das Gericht entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung. Die Klägerin hat ihr Einverständnis mit einer solchen Entscheidung durch Schriftsatz vom 29. April 2019 wirksam erklärt. Das Einverständnis der Beklagten gilt aufgrund der allgemeinen Prozesserklärung des Bundesamts vom 27. Juni 2017 (234-7604/1.17) als erteilt. Die besondere Prozessbeobachtung, für deren Anordnung das Einverständnis der Beklagten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ausweislich ihrer allgemeinen Prozesserklärung nicht gilt, ist ausweislich des Formblatts "Kurzübersicht Entscheidung" nicht angeordnet. 31Die Klage ist zulässig und begründet. 32A) Die als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthafte Klage 33- vgl. BVerwG, Urteile vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 -, DVBl. 1995, 857 (juris Rn. 12 ff), sowie vom 5. September 2013 - 10 C 1.13 -, BVerwGE 147, 329, Rn. 14 - 34ist auch ansonsten zulässig, insbesondere ist die zweiwöchige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG gewahrt. Der angefochtene Bescheid ist ausweislich des Verwaltungsvorgangs am 25. Januar 2017 als Einschreiben zur Post gegeben worden, so dass er gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG am 28. Januar 2017 als zugestellt gilt und die am 10. Februar 2017 beim Verwaltungsgericht eingegangene Klage fristgerecht erhoben wurde. 35B) Die Klage ist auch begründet. Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Keiner weiteren Vertiefung bedarf, wer die Verzichtserklärung vom 18. September 2015 unterschrieben hat und ob diese Person zu diesem Zeitpunkt das alleinige Sorgerecht für die Klägerin innehatte 36- leben wie hier beide Eltern im Bundesgebiet, ist der Verzicht bei gemeinsamem Sorgerecht von beiden Eltern zu erklären, vgl. Funke-Kaiser, in: Fritz/Vormeier, GKAsylG, § 14a Rn. 27 (Stand: Dezember 2019); Marx, AsylG, 10. Auflage 2019, § 14a Rn. 16 -, 37was sich gemäß Art. 21 EGBGB nach dem Recht des Staates richtet, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids ist jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil das Bundesamt den ihm obliegenden Informationspflichten nicht nachgekommen ist. 38I. § 24 Abs. 1 Satz 2 AsylG bestimmt, dass das Bundesamt Antragsteller in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, über den Ablauf des Verfahrens und über ihre Rechte und Pflichten im Verfahren, insbesondere auch über Fristen und die Folgen einer Fristversäumung unterrichtet. Bei der im Wege der Auslegung zu ermittelnden Reichweite dieser Informationspflicht ist Art. 12 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie 2013/32/EU des Europäische Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180, S. 60, sog. Verfahrensrichtlinie, im Folgenden: RL 2013/32/EU) heranzuziehen. Danach ist ein Antragsteller in einer Sprache, die er versteht oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass er sie versteht, auch über die Folgen einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Rücknahme des Antrags zu informieren. Der Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens i.S.d. § 14a Abs. 3 AsylG, den die Richtlinie 2013/32 EU nicht kennt, fällt unter den Begriff "Rücknahme" i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a) und Art. 27 Abs. 1 RL 2013/32/EU. Die Rücknahme eines Antrags auf internationalen Schutz bzw. eines Asylantrags hat sowohl nach dieser Richtlinie als auch nach deutschem Recht im Wesentlichen zwei asylrechtliche Rechtsfolgen: Die Einstellung des Asylverfahrens (Art. 27 Abs. 1 Alt. 1 RL 2013/13/EU, § 32 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylG) und die Behandlung eines weiteren Antrags als Folgeantrag (Art. 2 lit. q) RL 2013/32/EU, § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Der Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens ist gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 und § 71 Abs. 1 Satz 2 AsylG in beiden Aspekten der Rücknahme des Antrags gleichgestellt, so dass er unter den Begriff "Rücknahme" i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a) und Art. 27 Abs. 1 RL 2013/32/EU fällt und das Bundesamt den gesetzlichen Vertreter eines Kindes in einer Sprache, die er versteht oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass er sie versteht, über die Folgen eines solchen Verzichts zu informieren hat. 39Im Ergebnis so wohl auch Funke-Kaiser, in: Fritz/Vormeier, GKAsylG, § 14a Rn. 29 (Stand: Dezember 2019). 40Dass der Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens im Hinblick auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 10 Abs. 3 AufenthG weniger weitreichende Folgen als die Rücknahme des Asylantrags hat, lässt die asylrechtliche Qualifizierung des Verzichts als Rücknahme unberührt. 41II. Danach ist Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids rechtswidrig. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Person(en), die zum Zeitpunkt der Abfassung der Verzichtserklärung vom 18. September 2015 für die Klägerin sorgeberechtigt war(en), ordnungsgemäß über die Folgen eines Verzichts auf die Durchführung eines Asylverfahrens für die Klägerin belehrt worden war(en). 421. Entgegen der Ansicht der Beklagten entspricht die auch auf Somali verfasste "Belehrung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG" (Bl. 14 Beiakte 1) schon deshalb nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Information zu den Folgen einer Rücknahme des Asylantrags oder eines Verzichts auf die Durchführung eines Asylverfahrens, weil sie sich nicht - wie erforderlich - zu den asylrechtlichen Folgen der Rücknahme bzw. eines Verzichts, sondern nur zu aufenthaltsrechtlichen Folgen verhält. Die Information ist zudem bezogen auf einen Verzicht unzutreffend, da der Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens gerade nicht von § 10 Abs. 3 AufenthG erfasst wird, so dass die in der Belehrung dargestellten aufenthaltsrechtlichen Einschränkungen als Folge einer Rücknahme des Asylantrags für einen Verzicht auf die Durchführung des Asylverfahrens nicht gelten. 432. Die ebenfalls sowohl auf Deutsch als auch auf Somali verfasste "Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten" (Bl. 6 ff. Beiakte 1) enthält keine Ausführungen zu den Folgen einer Rücknahme der Klage oder des Verzichts auf die Durchführung eines Asylverfahrens. 443. Dahingestellt bleiben kann, ob der im Tatbestand wiedergegebene Hinweis aus dem zweiten Schreiben an die Mutter der Klägerin vom 7. September 2015 (Bl. 20 f. Beiakte 1) inhaltlich den Anforderungen gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 AsylG und Art. 12 Abs. 1 lit. a) RL 2013/32/EU genügt. Zweifel daran ergeben sich zum einen bezüglich der Verständlichkeit und der Vollständigkeit der Darstellung der unmittelbaren Folgen einer Verzichtserklärung ("ergeht ein Einstellungsbescheid hinsichtlich Asyl- und Flüchtlingsanerkennung, der nur noch eine Entscheidung zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenhtG beinhaltet") und zum anderen aus dem Fehlen eines Hinweises auf die Folgen für die Stellung eines weiteren Asylantrags. Diese Frage bedarf jedoch keiner weiteren Vertiefung, weil dieses Schreiben nur auf Deutsch und damit nicht in einer Sprache verfasst war, deren Kenntnis bei dem bzw. den Erziehungsberechtigten der Klägerin vernünftigerweise vorausgesetzt werden konnte. Davon, dass noch im November 2018 weder die Mutter noch der Vater der Klägerin über ausreichende Deutschkenntnisse verfügten, um das Schreiben vom 7. September 2015 zu verstehen, hat sich das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2018 überzeugt. 45III. Da die Informationspflichten gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 AsylG und Art. 12 Abs. 1 lit. a) RL 2013/32/EU dem Schutz von Asylbewerbern dienen, ist die Klägerin durch die unterbliebene Information auch in ihren Rechten verletzt. 46Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. Mai 2017 - 4 LA 45/17 -, juris Rn. 16; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Januar 2018 - A 9 S 350/17 -, juris Rn. 24 (jeweils zum Hinweis nach § 33 Abs. 4 AsylG). 47Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. | ziffer 1 des bescheids des bundesamts für migration und flüchtlinge vom 24. januar 2017 wird aufgehoben. die kosten des verfahrens, für das gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die beklagte. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der beklagten wird nachgelassen, die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des beizutreibenden betrags abzuwenden, wenn nicht die klägerin zuvor sicherheit in gleicher höhe leistet. 1 | 2die klägerin wurde am 16. august 2015 in deutschland geboren und besitzt nach ihren eltern die somalische staatsangehörigkeit. für ihre am 1. januar 1996 geborene mutter sowie ihren ebenfalls am 1. januar 1996 geborenen vater hat das bundesamt für migration und flüchtlinge (im folgenden: bundesamt) mit bescheiden vom 20. september 2017 bzw. 28. september 2017 ein abschiebungsverbot gemäß § 60 abs. 5 aufenthg festgestellt. aufgrund einer entsprechenden erklärung vom 24. november 2015 üben ihre eltern das sorgerecht für die klägerin gemeinsam aus. 3am 3. september 2015 ging eine die klägerin betreffende "meldung gemäß § 14a abs. 2 asylg" des kreises i1. beim bundesamt ein. mit schreiben vom 7. september 2015 teilte das bundesamt der mutter der klägerin mit, dass für die klägerin mit dem 3. september 2015 ein asylantrag als gestellt gelte. das auf deutsch verfasste schreiben enthielt den folgenden hinweis: 4"auf die regelung des §14a abs. 3 asylvfg wird hingewiesen. danach kann der gesetzliche vertreter des kindes bis zur zustellung der entscheidung des bundesamtes auf die durchführung eines asylverfahrens für das kind verzichten, indem er erklärt, dass für das kind keine gründe geltend gemacht werden, die das vorliegen der flüchtlingseigenschaft nach § 3 abs. 1 asylvfg rechtfertigen, bzw. dem kind in seinem heimatland kein ernsthafter schaden nach § 4 abs. 1 asylvfg droht. allein der verzicht auf die durchführung eines asylverfahrens für das kind schließt die erteilung eines aufenthaltstitels z.b. aus humanitären gründen durch die ausländerbehörde nicht aus." 5laut einem in dem schreiben enthaltenen hinweis wurden dem schreiben die folgenden anlagen beigefügt: 6"niederschrift teil 1 7belehrung(en) gem. § 10 asylvfg (deutsch und ggfs. fremdsprachig) 8belehrung(en) gem. § 14 abs. 1 asylvfg (deutsch und ggfs. fremdsprachig) 9erklärung". 10in einem weiteren, ebenfalls auf deutsch verfassten schreiben vom 7. september 2015 wurde der mutter der klägerin (nochmals) mitgeteilt, dass für die klägerin ein asylverfahren eingeleitet worden sei. das schreiben enthält u.a. den folgenden hinweis: 11"sie haben die möglichkeit, bis zur zustellung der entscheidung des bundesamtes auf die durchführung eines asylverfahrens für das kind zu verzichten, indem sie erklären, dass für das kind keine gründe geltend gemacht werden, die das vorliegen der flüchtlingseigenschaft nach § 3 abs. 1 asylvfg oder der asylberechtigung nach art. 16a abs. 1 gg rechtfertigen, bzw. dem kind in seinem heimatland kein ernsthafter schaden nach § 4 abs. 1 asylvfg droht. 12bei einem verzicht ergeht ein einstellungsbescheid hinsichtlich asyl- und flüchtlingsanerkennung, der nur noch eine entscheidung zu abschiebungsverboten nach § 60 abs. 5 oder 7 aufenthg beinhaltet. werden keine abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 oder 7 aufenthg festgestellt, wird eine abschiebungsandrohung erlassen. ungeachtet des verzichts können sie daher mit der rücksendung des nachstehenden dokuments angaben dazu machen, welche gründe einer rückkehr ins herkunftsland entgegenstehen. wird das verfahren eingestellt, wirkt sich dies nicht auf die mögliche erteilung eines aufenthaltstitels aus. die zuständige ausländerbehörde hat die möglichkeit, einen aufenthaltstitel zu erteilen. 13für den fall, dass sie nicht auf die durchführung des asylverfahrens verzichten, bitte ich sie, dass sie innerhalb eines monats schriftlich die gründe darlegen, die sie zu der annahme berechtigen, dass bei dem kind die flüchtlingseigenschaft nach § 3 abs. 1 asylvfg vorliegt oder dem kind in seinem heimatland ein ernsthafter schaden nach § 4 abs. 1 asylvfg droht." 14laut diesem schreiben war ihm als anlage "1 erklärung" beigefügt. die beiden schreiben vom 7.september 2015 wurden der mutter der klägerin ausweislich einer im verwaltungsvorgang des bundesamts befindlichen zustellungsurkunde am 8. september 2015 zugestellt. hinweise darauf, dass den beiden schreiben vom 7. september 2015 übersetzungen dieser schreiben beigefügt waren, sind dem verwaltungsvorgang des bundesamts nicht zu entnehmen. 15am 21. september 2015 ging beim bundesamt eine erklärung vom 18. september 2015 mit u.a. folgendem text ein: 16"als gesetzlicher vertreter von 17name: vorname: geburtsdatum: 18erkläre ich, dass bei dem/der o.g. minderjährigen keine merkmale für die zuerkennung der flüchtlingseigenschaft nach § 3 abs. 1 asylvfg und für die asylberechtigung nach art. 16a abs. 1 gg vorliegen bzw. in seinem/ihrem heimatland kein ernsthafter schaden nach § 4 abs. 1 aylvfg droht, und verzichte auf die durchführung eines asylverfahrens." 19in der erklärung waren handschriftlich der nachname, der vorname und das geburtsdatum der klägerin eingetragen. auf der erklärung befindet sich eine unterschrift. von wem diese unterschrift stammt, ist auf der erklärung nicht vermerkt. 20mit bescheid vom 24. januar 2017, als einschreiben zur post gegeben am 25. januar 2017, stellte das bundesamt fest, dass das asylverfahren eingestellt ist (ziffer 1) und dass ein abschiebungsverbot gemäß § 60 abs. 5 aufenthg vorliegt (ziffer 2). zur begründung der ziffer 1 verwies das bundesamt darauf, dass die mutter der klägerin am 18. september 2015 für die klägerin auf die durchführung eines asylverfahrens verzichtet habe. 21gegen diesen bescheid hat die klägerin am 10. februar 2017 klage erhoben, zu deren begründung sie im wesentlichen ausführt, dass nicht ihre mutter, sondern ihr vater die erklärung vom 18. september 2015 unterschrieben habe. ihr vater sei bei seiner unterschrift davon ausgegangen, dass er damit das asylverfahren für sie in gang setze. er habe zum damaligen zeitpunkt weder deutsch gesprochen, noch habe er zum damaligen zeitpunkt für sie das sorgerecht innegehabt. 22die klägerin beantragt, 23ziffer 1 des bescheids des bundesamts für migration und flüchtlinge vom 24. januar 2017 aufzuheben. 24die beklagte beantragt schriftsätzlich, 25die klage abzuweisen. 26zur begründung trägt sie u.a. vor, dass die eltern der klägerin ordnungsgemäß über die folgen eines verzichts hingewiesen worden seien. in der den anhörungsschreiben beigefügten belehrung gemäß § 14 asylg sei sowohl auf deutsch als auch auf somali über die folgen einer rücknahme des asylantrags belehrt worden. ein verzicht sei nichts anderes als eine rücknahme. 27mit beschluss vom 11. september 2018 hat die kammer das verfahren dem berichterstatter als einzelrichter zur entscheidung übertragen, dieser hat der klägerin auf deren antrag mit beschluss vom 2. oktober 2018 unter beiordnung ihrer prozessbevollmächtigten prozesskostenhilfe bewilligt. 28in der mündlichen verhandlung vom 27. november 2018 hat das gericht die mutter und den vater der klägerin, in der mündlichen verhandlung vom 8. februar 2019 die sozialarbeiterin c. als zeugen vernommen. wegen ihrer aussagen wird auf das protokoll der mündlichen verhandlung, wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands auf die gerichtsakte, die verwaltungsvorgänge des bundesamts für die klägerin (ein hefter), ihre mutter (zwei hefter) und ihren vater (ein hefter) sowie die über die klägerin geführte ausländerakte (ein hefter) bezug genommen. 29 | 30das gericht entscheidet gemäß § 101 abs. 2 vwgo ohne mündliche verhandlung. die klägerin hat ihr einverständnis mit einer solchen entscheidung durch schriftsatz vom 29. april 2019 wirksam erklärt. das einverständnis der beklagten gilt aufgrund der allgemeinen prozesserklärung des bundesamts vom 27. juni 2017 (234-7604/1.17) als erteilt. die besondere prozessbeobachtung, für deren anordnung das einverständnis der beklagten mit einer entscheidung ohne mündliche verhandlung ausweislich ihrer allgemeinen prozesserklärung nicht gilt, ist ausweislich des formblatts "kurzübersicht entscheidung" nicht angeordnet. 31die klage ist zulässig und begründet. 32a) die als anfechtungsklage (§ 42 abs. 1 alt. 1 vwgo) statthafte klage 33- vgl. bverwg, urteile vom 7. märz 1995 - 9 c 264.94 -, dvbl. 1995, 857 (juris rn. 12 ff), sowie vom 5. september 2013 - 10 c 1.13 -, bverwge 147, 329, rn. 14 - 34ist auch ansonsten zulässig, insbesondere ist die zweiwöchige klagefrist des § 74 abs. 1 halbsatz 1 asylg gewahrt. der angefochtene bescheid ist ausweislich des verwaltungsvorgangs am 25. januar 2017 als einschreiben zur post gegeben worden, so dass er gemäß § 4 abs. 2 satz 2 vwzg am 28. januar 2017 als zugestellt gilt und die am 10. februar 2017 beim verwaltungsgericht eingegangene klage fristgerecht erhoben wurde. 35b) die klage ist auch begründet. ziffer 1 des angefochtenen bescheids ist rechtswidrig und verletzt die klägerin in ihren rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). keiner weiteren vertiefung bedarf, wer die verzichtserklärung vom 18. september 2015 unterschrieben hat und ob diese person zu diesem zeitpunkt das alleinige sorgerecht für die klägerin innehatte 36- leben wie hier beide eltern im bundesgebiet, ist der verzicht bei gemeinsamem sorgerecht von beiden eltern zu erklären, vgl. funke-kaiser, in: fritz/vormeier, gkasylg, § 14a rn. 27 (stand: dezember 2019); marx, asylg, 10. auflage 2019, § 14a rn. 16 -, 37was sich gemäß art. 21 egbgb nach dem recht des staates richtet, in dem das kind seinen gewöhnlichen aufenthalt hat. ziffer 1 des angefochtenen bescheids ist jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil das bundesamt den ihm obliegenden informationspflichten nicht nachgekommen ist. 38i. § 24 abs. 1 satz 2 asylg bestimmt, dass das bundesamt antragsteller in einer sprache, deren kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, über den ablauf des verfahrens und über ihre rechte und pflichten im verfahren, insbesondere auch über fristen und die folgen einer fristversäumung unterrichtet. bei der im wege der auslegung zu ermittelnden reichweite dieser informationspflicht ist art. 12 abs. 1 lit. a) der richtlinie 2013/32/eu des europäische parlaments und des rates vom 26. juni 2013 (abl. l 180, s. 60, sog. verfahrensrichtlinie, im folgenden: rl 2013/32/eu) heranzuziehen. danach ist ein antragsteller in einer sprache, die er versteht oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass er sie versteht, auch über die folgen einer ausdrücklichen oder stillschweigenden rücknahme des antrags zu informieren. der verzicht auf die durchführung eines asylverfahrens i.s.d. § 14a abs. 3 asylg, den die richtlinie 2013/32 eu nicht kennt, fällt unter den begriff "rücknahme" i.s.d. art. 12 abs. 1 lit. a) und art. 27 abs. 1 rl 2013/32/eu. die rücknahme eines antrags auf internationalen schutz bzw. eines asylantrags hat sowohl nach dieser richtlinie als auch nach deutschem recht im wesentlichen zwei asylrechtliche rechtsfolgen: die einstellung des asylverfahrens (art. 27 abs. 1 alt. 1 rl 2013/13/eu, § 32 abs. 1 satz 1 alt. 1 asylg) und die behandlung eines weiteren antrags als folgeantrag (art. 2 lit. q) rl 2013/32/eu, § 71 abs. 1 satz 1 asylg). der verzicht auf die durchführung eines asylverfahrens ist gemäß § 32 abs. 1 satz 1 alt. 2 und § 71 abs. 1 satz 2 asylg in beiden aspekten der rücknahme des antrags gleichgestellt, so dass er unter den begriff "rücknahme" i.s.d. art. 12 abs. 1 lit. a) und art. 27 abs. 1 rl 2013/32/eu fällt und das bundesamt den gesetzlichen vertreter eines kindes in einer sprache, die er versteht oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass er sie versteht, über die folgen eines solchen verzichts zu informieren hat. 39im ergebnis so wohl auch funke-kaiser, in: fritz/vormeier, gkasylg, § 14a rn. 29 (stand: dezember 2019). 40dass der verzicht auf die durchführung eines asylverfahrens im hinblick auf die erteilung eines aufenthaltstitels gemäß § 10 abs. 3 aufenthg weniger weitreichende folgen als die rücknahme des asylantrags hat, lässt die asylrechtliche qualifizierung des verzichts als rücknahme unberührt. 41ii. danach ist ziffer 1 des angefochtenen bescheids rechtswidrig. es lässt sich nicht feststellen, dass die person(en), die zum zeitpunkt der abfassung der verzichtserklärung vom 18. september 2015 für die klägerin sorgeberechtigt war(en), ordnungsgemäß über die folgen eines verzichts auf die durchführung eines asylverfahrens für die klägerin belehrt worden war(en). 421. entgegen der ansicht der beklagten entspricht die auch auf somali verfasste "belehrung nach § 14 abs. 1 satz 2 asylvfg" (bl. 14 beiakte 1) schon deshalb nicht den anforderungen an eine ordnungsgemäße information zu den folgen einer rücknahme des asylantrags oder eines verzichts auf die durchführung eines asylverfahrens, weil sie sich nicht - wie erforderlich - zu den asylrechtlichen folgen der rücknahme bzw. eines verzichts, sondern nur zu aufenthaltsrechtlichen folgen verhält. die information ist zudem bezogen auf einen verzicht unzutreffend, da der verzicht auf die durchführung eines asylverfahrens gerade nicht von § 10 abs. 3 aufenthg erfasst wird, so dass die in der belehrung dargestellten aufenthaltsrechtlichen einschränkungen als folge einer rücknahme des asylantrags für einen verzicht auf die durchführung des asylverfahrens nicht gelten. 432. die ebenfalls sowohl auf deutsch als auch auf somali verfasste "belehrung für erstantragsteller über mitwirkungspflichten" (bl. 6 ff. beiakte 1) enthält keine ausführungen zu den folgen einer rücknahme der klage oder des verzichts auf die durchführung eines asylverfahrens. 443. dahingestellt bleiben kann, ob der im tatbestand wiedergegebene hinweis aus dem zweiten schreiben an die mutter der klägerin vom 7. september 2015 (bl. 20 f. beiakte 1) inhaltlich den anforderungen gemäß § 24 abs. 1 satz 2 asylg und art. 12 abs. 1 lit. a) rl 2013/32/eu genügt. zweifel daran ergeben sich zum einen bezüglich der verständlichkeit und der vollständigkeit der darstellung der unmittelbaren folgen einer verzichtserklärung ("ergeht ein einstellungsbescheid hinsichtlich asyl- und flüchtlingsanerkennung, der nur noch eine entscheidung zu abschiebungsverboten nach § 60 abs. 5 und abs. 7 aufenhtg beinhaltet") und zum anderen aus dem fehlen eines hinweises auf die folgen für die stellung eines weiteren asylantrags. diese frage bedarf jedoch keiner weiteren vertiefung, weil dieses schreiben nur auf deutsch und damit nicht in einer sprache verfasst war, deren kenntnis bei dem bzw. den erziehungsberechtigten der klägerin vernünftigerweise vorausgesetzt werden konnte. davon, dass noch im november 2018 weder die mutter noch der vater der klägerin über ausreichende deutschkenntnisse verfügten, um das schreiben vom 7. september 2015 zu verstehen, hat sich das gericht in der mündlichen verhandlung vom 27. november 2018 überzeugt. 45iii. da die informationspflichten gemäß § 24 abs. 1 satz 2 asylg und art. 12 abs. 1 lit. a) rl 2013/32/eu dem schutz von asylbewerbern dienen, ist die klägerin durch die unterbliebene information auch in ihren rechten verletzt. 46vgl. ovg schleswig-holstein, beschluss vom 12. mai 2017 - 4 la 45/17 -, juris rn. 16; vgh baden-württemberg, urteil vom 23. januar 2018 - a 9 s 350/17 -, juris rn. 24 (jeweils zum hinweis nach § 33 abs. 4 asylg). 47die kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 abs. 1 vwgo, 83b asylg. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit der kostenentscheidung beruht auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 711 zpo. | Klaeger*in | 1 |
143,775 | 02 O 61/15 | 2015-11-02T00:00:00 | Urteil | Tenor Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.390,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.02.2014 zu zahlen. Der Beklagte wird ferner verurteilt, die Klägerin von Honorarforderungen des Rechtsanwalt X in Höhe von 430,40 € freizustellen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 1Tatbestand: 2Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Ausschüttungen, welche die Klägerin an den Beklagten als Kommanditist geleistet hat. 3Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, die als Publikumsgesellschaft mit über 300 Kommanditisten ausgestaltet ist. Geschäftsgegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Bau und der Betrieb des Containerschiffes MS „SANTA GIOVANNA“. Der Beklagte ist mit einer Einlage von 50.000,00 € (ursprünglich 100.000,00 DM) am Kapital der Klägerin als Kommanditist beteiligt. Aufgrund von Ausschüttungen wegen nicht benötigter Liquidität hat der Beklagte von der Klägerin in den Geschäftsjahren 1996, 1997, 1998 und 2004 bis 2008 insgesamt 24.635,51 € erhalten. Dabei orientierte sich die jeweilige Ausschüttung am Anteil des Beklagten (vgl. tabellarische Auflistung der Klägerin in der Klageschrift vom 06.02.2015, Bl. 3 d. A.). 4In dem zum Zeitpunkt aller Zahlungen maßgeblichen Gesellschaftsvertrag der Klägerin ist Folgendes geregelt: 5„§ 12 Ziffer 4: 6Liquiditätsausschüttungen an die Gesellschafter- auch im Wege einer Darlehensgewährung- dürfen nur dann vorgenommen werden, wenn keine Kapitaldienstleistungsrückstände hinsichtlich der langfristigen Investitionsfinanzierung bestehen und der Ausgleich der laufenden Betriebskosten sowie der Kapitaldienstraten auf die Schiffshypothekendarlehen für das laufende Geschäftsjahr gesichert sind und bankseitig diesen Zahlungen zugestimmt worden ist. 7Über die Verwendung von Liquiditätsüberschüssen entscheidet auf Vorschlag der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beirat, sofern nicht die Gesellschafterversammlung entsprechende Beschlüsse fasst. Liquiditätsausschüttungen erfolgen im Verhältnis der Festeinlagen der Gesellschafter untereinander. Solange Verlustsonderkonten (II) bestehen, stellen die Liquiditätsausschüttung Darlehen an die Gesellschafter dar.“ 8Ferner ist in § 15 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrages geregelt: 9„Für jeden Gesellschafter werden ein festes Kapitalkonto (I) und ein Ergebnissonderkonto (II) geführt. 10a) Auf dem Kapitalkonto (I) werden die Kommanditeinlagen gebucht. Das Kapitalkonto ist fest und unveränderlich. Es ist maßgebend für das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung (siehe § 14 Abs. 13), die Ergebnisverteilung sowie den Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben. 11b) Auf dem Ergebnissonderkonto (II) werden die Verluste gebucht, auch soweit diese das feste Kapitalkonto (I) übersteigen. Gewinne werden ebenfalls auf dem Ergebniskonto gutgebracht. Ein Saldo auf dem Ergebnissonderkonto begründet keine Nachschussverpflichtung der Kommanditisten. 12Liquiditätsausschüttungen sind auf gesonderten unverzinslichen Darlehenskonten der Gesellschafter zu erfassen.“ 13Hinsichtlich der weiteren Regelungen wird auf den als Anlage K 1 eingereichten Gesellschaftsvertrag verwiesen (vgl. Anlage K 1, Bl. 16 d. A.). 14Zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Auszahlungen an den Beklagten als Kommanditist war sein Ergebnissonderkonto als Verlustkonto geführt, da bereits im Jahr 1996 erhebliche, für die Gesellschafter steuerlich nutzbare Anfangsverluste von über 20.000,00 € entstanden waren, die zum Zeitpunkt der Auszahlungen noch nicht durch Gewinne ausgeglichen waren. Die Auszahlungen wurden auch in den jeweiligen Jahresabschlussbilanzen der Klägerin auf der Aktivseite als „Darlehnsposition“ geführt (vgl. dazu Anlage VII zur Bilanz 31.12.2012, Bl. 48 d. A.). 15Ende 2013 benötigte die Klägerin aufgrund der Krise in der Schifffahrtsbranche im Jahr 2008 neues Kapital, um den Kapitaldienst an die den Schiffbau finanzierenden Banken bezahlen zu können. Mit Schreiben vom 01.11.2013 zeigte die Klägerin den Gesellschaftern die Folge der sofortigen Veräußerung des Containerschiffes und andererseits den Fortbetrieb des Schiffes an. Die Klägerin, die – was zwischen den Parteien streitig ist- meint, dass die Ausschüttungen an den Beklagten als Darlehen anzusehen sind, teilte in dem Schreiben zudem mit, dass für den Fall, dass es nicht zu einer Veräußerung kommen werde, in jedem Fall die an die Gesellschafter gewährten Darlehn wegen einem Finanzierungsbedarf in Höhe von 2.265.000,00 € teilweise gekündigt werden müssen (vgl. Schreiben der Klägerin vom 01.11.2013, Bl. 67 ff. d. A.). Zugleich erklärte die Klägerin ausdrücklich die Kündigung der an die jeweiligen Gesellschafter gewährten Darlehn in Höhe von 30 % (7.390,65 €) zum 26.02.2014 (vgl. Bl. 69 d. A, Schreiben vom 01.11.2014). Nachdem keine Zahlung des Beklagten erfolgte, forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 07.03.2013 mit Fristsetzung bis zum 24.03.2014 zur Zahlung auf (vgl. Schreiben vom 07.03.2014, Bl. 72 d. A.). 16Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin gegenüber dem Beklagten die Rückzahlung gewinnunabhängiger Ausschüttungen in Höhe von 30 % für die Jahre 1996, 1997, 1998 und 2004 bis 2008 in Höhe eines Betrages von 7.390,65 € geltend. 17Die Klägerin ist der Ansicht, die streitigen Liquiditätsausschüttungen an den Beklagten seien diesem als Darlehen gewährt worden. Dies ergebe sich aus § 12 Ziffer 4 und § 15 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrages. Dort sei eindeutig und für jeden außenstehenden Dritten verständlich geregelt, dass nicht durch Gewinne gedeckte Ausschüttungen als Darlehen zu qualifizieren und als solches auf einem Verlustsonderkonto zu buchen seien. Da dies hier der Fall sei, sei die Beklagte zur Rückgewähr des Darlehens im Umfang von gekündigten 30 %, hier der mit der Klage geltend gemachten Summe, verpflichtet. 18Die Klägerin beantragt, 191. 20den Beklagten zu verurteilen, an sie 7.390,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen gültigen Basiszinssatz seit dem 27.02.2014 zu bezahlen, 212. 22den Beklagten zu verurteilen, sie von Honorarforderungen des Rechtsanwalts X in Höhe von 430,40 € freizustellen. 23Der Beklagte beantragt, 24 die Klage abzuweisen. 25Er ist der Ansicht, ein Rückgriff auf die Regelungen des Darlehensrechts im BGB sei im vorliegenden Fall nicht möglich. Aus dem Gesellschaftsvertrag gehe unter Berücksichtigung der Maßgaben der Rechtsprechung zur Auslegung von Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften nicht in hinreichender Deutlichkeit hervor, dass er zur Rückzahlung der Ausschüttungen verpflichtet sei. Der Begriff Liquidationsausschüttung sei zu unbestimmt. Zwar sei im Vertrag geregelt, dass solange Verlustsonderkonten bestehen, Liquiditätsausschüttungen Darlehen an Gesellschafter sind (§ 12 Ziffer 4 S. 2 des Vertrages). Der Begriff Verlustsonderkonto sei jedoch nicht definiert, dies könne dem Gesellschaftsvertrag nicht entnommen werden. Auch sei dies für den einzelnen Gesellschafter nicht prüfbar. Die Überschrift des § 12 „Ausschüttungen“ des Gesellschaftsvertrages suggeriere, dass es sich um Gewinne im Sinne des Handelsgesetzbuch (HGB) handele. Der Begriff Ausschüttungen und Liquiditätsausschüttungen sei im Vertrag nach Belieben verwendet worden. Nach dem Gebot der Auslegung im Zweifel zulasten des Verwenders sei nicht erkennbar, wann überhaupt Darlehn an die Gesellschafter vorliegen. 26Ihm gegenüber seien unter anderem durch das Prospekt der Firma MPC über die Klägerin, den Prüfbericht der T.O.R Treuhand-Organisation-Revision GmbH sowie durch diverse an ihn gerichtete Schreiben ausschließlich „Ausschüttungen“ in Verbindung mit der persönlichen Haftung des Kommanditisten im Sinne des § 172 HGB erwähnt worden. Insoweit habe er aufgrund der Gesamtumstände davon ausgehen können, dass Ausschüttungen nicht nur darlehensweise erfolgen würden, da eine solche Art von Ausschüttungen in den Schreiben und Prospekten nicht erwähnt worden seien. 27Einem Rückzahlungsanspruch der Klägerin stehe insoweit der Einwand des widersprüchlichen Verhaltens sowie der Einwand der Verwirkung entgegen. Die Klägerin habe in zurechenbarer Weise dem Beklagten gegenüber vermittelt, die Ausschüttungen könne er behalten. Darauf habe er vertraut. Letztlich sei ein Anspruch auf Rückzahlung verjährt, da in Ermangelung einer vertraglichen Regelung über die Rückzahlung etwaiger Darlehn diese sofort fällig gewesen seien. 28Wegen des weitergehenden Sachvortrages und der Rechtsansichten der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2015 (Bl. 186 d. A.). 29Entscheidungsgründe: 30Die zulässige Klage ist begründet. 31I. 32Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 7.390,65 € nach § 488 Abs. 1 S. 2 BGB zu. Die Parteien haben im Gesellschaftsvertrag eindeutig geregelt, dass die Liquiditätsausschüttungen unter den hier gegebenen Voraussetzungen als Darlehen zu qualifizieren sind und deshalb nach § 488 Abs. 1 S. 2 BGB zurückgefordert werden können. 331. 34Ein Anspruch auf Rückzahlung gewinnunabhängiger Ausschüttungen entsteht nicht schon dann, wenn an einen Kommanditisten auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages von § 169 Abs. 1 HGB nicht gedeckte - weil gewinnunabhängige - Auszahlungen zulasten seines Kapitalanteils geleistet werden, sondern setzt stets voraus, dass der Gesellschaftsvertrag eine solche Rückzahlung vorsieht (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2013 – Az. II ZR 73/11, Rz. 9, 10). Nach der gesetzlichen Regelung in § 169 Abs. 1 S. 2 HGB hat ein Kommanditist nur einen Anspruch auf Auszahlung des ihm zukommenden Gewinns. Der auf den Kommanditisten anteilig entfallende Jahresüberschuss kann von diesem aber nicht gefordert werden, solange sein Kapitalanteil durch Verlust unter den auf die bedungene Einlage geleisteten Betrag herabgemindert ist oder durch die Auszahlung unter diesen Betrag herabgemindert würde. Nach der gesetzlichen Vorgabe sind Gewinne danach vorrangig zum Verlustausgleich zu verwenden. Über die Regelung des § 169 Abs. 1 HGB hinaus sind nach allgemeiner Ansicht aber auch gewinnunabhängige Ausschüttungen an die Kommanditisten zulässig und ihnen zu belassen, wenn der Gesellschaftsvertrag dies - wie vorliegend in § 12 Ziffer 4 - vorsieht oder die Ausschüttung durch das Einverständnis aller Gesellschafter gedeckt ist (BGH, Urteil vom 12.03.2013 - Az. II ZR 73/11). Bei einer Rückzahlung der Einlage entsteht ein Rückgewähranspruch der Gesellschaft (im Innenverhältnis) damit nicht automatisch, sondern kann sich nur aus anderen Rechtsgründen ergeben, insbesondere aus einer entsprechenden vertraglichen Abrede (BGH, a.a.O.). 352. 36Der hier in Rede stehende Gesellschaftsvertrag, der inhaltliche Abweichungen zu dem Gesellschaftsvertrag aufweist, über den der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 12.03.2013 zu befinden hatte, enthält nach Auffassung des Gerichts § 12 Ziffer 4 und § 15 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrages Regelungen, aus der sich ein Vorbehalt der Rückforderung wegen einer Darlehnsgewährung entnehmen lässt. 37a) 38Dabei sind Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften nach ständiger Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.03.2013 - Aktenzeichen ZR 73/11), der das Gericht folgt, allein nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt auszulegen und unterliegen einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen, so dass in Anlehnung an § 305c Abs. 2 BGB Zweifel bei der Auslegung zulasten des Verwenders gehen (BGH, Urteil vom 12.03.2013 - Aktenzeichen II ZR 73/11; OLG Hamm, Urteil vom 09.02.2015 - Aktenzeichen 8 U 104/14). Dies bedeutet für den einer Publikumsgesellschaft beitretenden Gesellschafter, dass sich die mit dem Beitritt verbundenen, nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag klar ergeben müssen (BGH, Urteil vom 12.03.2013 – Az. II ZR 73/11). Im Rahmen der Auslegung des Darlehensvertrages kommt es auch entgegen der Auffassung des Beklagten nicht auf die äußeren Umstände an, sondern allein darauf, wie die Regelungen des Vertrages objektiv aus der Sicht eines durchschnittlichen Empfängers zu verstehen sind. 39Gemessen daran enthält der hier auszulegende Gesellschaftsvertrag hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Kommanditisten Auszahlungen gem. § 12 Ziffer 4 des Gesellschaftsvertrages unter dem Vorbehalt einer Rückforderung erhalten haben. 40Anders als in dem am 12.03.2013 vom BGH entschieden Fall ist hier in § 12 Ziffer 4 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich geregelt, dass den Kommanditisten nicht gewinndeckende Auszahlungen als zinslose „Darlehen“ gewährt und jeweils als Forderung gebucht werden. Dies ist nach der Regelung in § 12 Ziffer 4 des Vertrages immer dann der Fall, wenn – wie hier- im Zeitpunkt der Auszahlung Verlustsonderkonten bestehen also eine gewinndeckende Ausschüttung von Gesellschaftskapital an die Gesellschafter nicht in Betracht kommt. Eine verständige Auslegung der Klausel führt Auffassung des Gerichts aus Sicht eines objektiven Empfängers hinreichend klar zu der Erkenntnis, dass eine Darlehnsgewährung immer dann vorliegt, wenn Liquidität an die Gesellschafter ausgeschüttet wird und die für sie geführten Ergebnissonderkonten aufgrund von Verlusten der Gesellschaft ein negatives Saldo aufweisen. Bei der Auslegung ist zudem zu berücksichtigen, dass für alle Gesellschafter offenkundig war, dass die Gesellschaft zunächst Verluste erwirtschaften soll. Der Begriff des "Darlehens" hat darüber hinaus sowohl als Rechtsbegriff als auch im allgemeinen Sprachgebrauch einen ganz klaren und nicht auslegungsfähigen Bedeutungsgehalt: Leistungen, die als Darlehen gewährt werden, erhält der Empfänger nicht auf Dauer und unentziehbar, sondern sie stehen per se unter einem Rückforderungsvorbehalt. Das weiß nach Auffassung des Gerichts auch ein rechtlich nicht vorgebildeter durchschnittlicher Erwerber einer Kapitalanlage, die mit einer Gesellschaftsbeteiligung verbunden ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass dieses Gesellschafterkonto, auf das die Auszahlungen gebucht werden, nicht auch ausdrücklich als „Darlehenskonto“ bezeichnet wird. Die zivilrechtliche Bedeutung eines Kontos richtet sich nicht nach ihrer Bezeichnung: Führt die Buchung eines Zahlung auf einem als Darlehenskonto bezeichneten Konto nach der bereits zitierten Entscheidung des BGH (Az. II ZR 73/11), nicht dazu, dass die Zahlung als Darlehen auszulegen ist, so kann auch die Buchung einer Zahlung auf einem nicht als Darlehenskonto bezeichneten Gesellschafterkonto nicht dazu führen, dass entgegen des Wortlauts kein Darlehen gewährt worden ist (BGH a.a.O.). 41Das in § 12 Ziffer 4 des Vertrages in Bezug genommene „Verlustsonderkonto“ wird in § 15 Ziffer 3 entgegen der Auffassung des Beklagten auch aus Sicht eines durchschnittlich gebildeten Anliegers verständlich definiert. In § 15 Ziffer 3 a) des Gesellschaftsvertrages ist ausdrücklich vorgesehen, welche Konten im Einzelnen geführt werden. Neben dem festen Kapitalkonto I, welches unveränderlich ist, wird ein variables Kapitalkonto II (Ergebnissonderkonto) geführt, auf dem allein die Gewinn- und Verlustanteile des Kommanditisten verbucht werden. Das Kapitalkonto II erfasst damit die nicht entnahmefähigen Gewinne und die Verluste. Zum Zeitpunkt sämtlicher Auszahlungen an die Kommaditisten war das Ergebnissonderkonto als Verlustkonto geführt, weil entsprechend dem Konzept der Gesellschaft bereits im Jahr 1996 erhebliche, für die Gesellschafter steuerlich nutzbare Anfangsverluste von über 20 Mio. € entstanden waren, die zum Zeitpunkt der Auszahlungen noch nicht durch Gewinne ausgeglichen worden waren. Gemäß § 15 Ziffer 3 S. 2 des Gesellschaftsvertrages sind die Auszahlungen an die Gesellschafter auf gesonderten unverzinslichen Darlehnskonten zu erfassen. 42So ist die Klägerin hier bei ihren jeweiligen Jahresabschlüssen verfahren. Die durch die Auszahlung an die Kommanditisten entstandenen Darlehnsansprüche der Klägerin wurden hier auf der Aktivseite der Bilanz ausdrücklich als „Darlehnsansprüche“ gebucht und als Vermögen qualifiziert und gerade nicht, wie es bei einer Auszahlung von Eigenkapital der Fall wäre, als Abzugsposten zum Eigenkapital (vgl. Anlage K 5, Bl. 48 d. A.). Dass die Voraussetzungen für ein Verlustsonderkonto vorlagen, konnte der Beklagte auch anhand des ihm bei jeder Beschlussfassung über Liquiditätsauszahlungen vorliegenden Jahresabschlusses prüfen und so feststellen, dass ausschüttungsfähige Gewinne nicht vorlagen, mithin Darlehn gewährt wurden. Die Klägerin musste auch nicht gesondert darauf hinweisen, dass sie die jeweiligen Liquiditätsausschüttungen als Darlehn auszahlt. Die von den Gesellschaftern beschlossene Auszahlung war nach dem Gesellschaftsvertrag und der jeweils aktuellen Bilanz erkennbar und eindeutig als Darlehen zu qualifizieren. Der Beklagte hat nicht einmal konkret behauptet, dass ihm Gewinne zugestanden hätten, er hat lediglich bestritten, dass es sich nicht um Gewinnauszahlungen gehandelt habe. 43Die vom Wortlaut her eindeutig auf Rückforderungsvorbehalt ausgelegte Regelung wird auch nicht durch den Zusammenhang mit anderen vertraglichen Regelungen oder Überschriften unklar oder überraschend. Einer Auslegung in dem oben genannten Sinne stehen nicht die für §§ 12 und 15 gewählten Überschriften im Gesellschaftsvertrag, hier „Gewinn- und Verlustverteilung, Ausschüttungen (§ 12) und „Liquiditätsausschüttungen“ (§ 15) entgegen. Zwar ist dem Beklagte insoweit zuzustimmen, dass durch diese Begriffe im Handelsgesetzbuch in Zusammenhang mit der Auszahlung von Gewinnen verwendet wird, z.B. in § 268 Abs. 8 HGB. Maßgeblich ist hier jedoch, dass § 12 Ziff. 4 unmissverständlich definiert, dass Darlehen gewährt werden können und wann die Voraussetzungen für eine solche Ausschüttung als Darlehen vorliegen. 44b) 45Vorliegend sind auch die Voraussetzungen für eine Rückforderbarkeit der Auszahlungen (noch) hinreichend konkretisiert. Zwar wird die Liquiditätslage, die eine Rückforderung notwendig machen soll, nicht näher umschrieben. Jedoch folgt aus der weiteren Formulierung in § 12 Ziffer 4 des Gesellschaftsvertrages, dass die Notwendigkeit der Rückforderung durch die Geschäftsführung festgestellt werden muss (§ 12 Ziffer 4), ein hinreichender Anhaltspunkt für eine Auslegung des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich der Ausgestaltung der die Rückforderbarkeit auslösenden Liquiditätslage. Da die Geschäftsführung an den Gesellschaftszweck gebunden ist, erscheint es hier angängig, die Regelung dahin zu verstehen, dass es sich um eine im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des Schiffsbetriebes kritische Liquiditätslage handeln muss. Der Beklagte hat insoweit auch nicht bestritten, dass es aufgrund der Liquiditätsschwierigkeiten im Jahr erforderlich war, die Auszahlungen zurückzufordern. Im Übrigen hat der BGH in seiner Entscheidung vom 12.03.2013 (Az. II ZR 73/11, Rz. 23) nicht verlangt, dass ein Gesellschaftsvertrag eine eindeutige Regelung zur Beendigung des Darlehns enthalten muss. Angesichts des hier im vorliegenden Fall klar gewählten Wortlauts musste ein Empfänger der Zahlungen durch die Klägerin in Kenntnis des Gesellschaftsvertrages von einer Rückforderbarkeit ausgehen. 46c) 47Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 12 Ziffer 4 i.V.m. § 15 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages gezahlte Liquiditätsausschüttungen in Höhe von insgesamt 7.390,65 € von dem Beklagten zurückgefordert werden können, liegen vor. Aus Anlagen K 5 (Bl. 47 ff. d. A.) und K 4 (Bl. 18, 19 des Jahresabschlussberichts 2006 Anlage K 4 , Bl. 43, 44 d. A) ergibt sich, dass die Liquiditätsausschüttungen als Forderung der Klägerin (Aktiva) und damit als Darlehn gebucht worden ist. Aus Anlage K 3 (Bl. 27 d. A.) ist auch ersichtlich, dass zum Zeitpunkt sämtlicher Zahlungen an die Gesellschafter die auf den Ergebnissonderkonten der Gesellschaft verbuchten Verluste durch Gewinne nicht wieder ausgeglichen waren. 483. 49Das dem Beklagten gewährte Darlehen in Höhe von insgesamt 24.635,51 € ist nach entsprechender Teilkündigung durch die Klägerin in Höhe eines Betrages von 7.390,65 € zum 26.02.2014 zur Rückzahlung fällig gestellt worden, § 488 Abs. 3 Satz 1 BGB. Da für die Rückzahlung des Darlehens keine Zeit bestimmt war, konnte die Klägerin mit einer Frist von drei Monaten kündigen. 50a) 51§ 488 Abs. 3 Satz 1 BGB ist anwendbar. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich aus der Entscheidung des BGH vom 12.03.2013 (Az. II ZR 73/13) nicht, dass hier die darlehensrechtlichen Regelungen des BGB unanwendbar wären. Zwar hat sich der BGH in der genannten Entscheidung dahingehend geäußert, dass ein Rückgriff auf gesetzliche Regelungen des bürgerlich-rechtlichen Darlehensrechts dem im Gesellschaftsvertrag zum Ausdruck kommenden Willen der Gesellschafter nicht gerecht würde, es sei widersprüchlich, wenn die Gesellschafter regelmäßig aus Liquiditätsüberschüssen Zahlungen von der Gesellschaft erhalten sollten, ihnen diese aber - möglicherweise über erhebliche Zeiträume hinweg geleisteten - Zahlungen ohne besonderen Grund binnen einer Frist von drei Monaten wieder entzogen werden könnten. Diese Erwägungen hat der BGH aber innerhalb der Auslegung der maßgeblichen Gesellschaftsvertragsbestimmungen dahingehend, ob diesen Bestimmungen ein Rückzahlungsvorbehalt entnommen werden kann, angestellt. Ein Verbot des Rückgriffs auf das Darlehensrecht des BGH auch dann, wenn wie hier die Auslegung zweifelsfrei die darlehensweise Auszahlung von Liquiditätsüberschüssen ergibt, lässt sich diesen Erwägungen nicht entnehmen. 52b) 53Die erforderliche Kündigung hat die Klägerin am 01.11.2013 in Form einer Teilkündigung in Höhe von 30 % des jeweiligen Kommanditkapitals ausgesprochen, sie ist dem Beklagten auch unstreitig zugegangen. Die Kündigungsfrist von drei Monaten hat die Klägerin eingehalten, indem sie im Kündigungsschreiben vom 01.11.2013 zum 26.02.2014 zurückgefordert hat. 544. 55Ein Anspruch der Klägerin ist nicht verjährt. Mangels anderweitiger Regelung war das Darlehn nach § 488 Abs. 3 BGB mit einer Frist von 3 Monaten kündbar (§ 488 Abs. 3 BGB; §§ 607, 609 Abs. 2 BGB a.F.), hier ist dies zum 26.02.2014 erfolgt. Eine Verjährung ist somit nicht gegeben, Klage wurde im Februar 2015 erhoben. 565. 57Letztlich steht einem Rückforderungsanspruch steht auch nicht der Einwand treuwidrigen Verhaltens oder der Verwirkung entgegen, § 242 BGB. 58§ 242 BGB erfordert in allen Anwendungsfällen eine umfassende Interessenabwägung (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB Kommentar, 74. Aufl. 2015, § 242 Rn. 7 m.w.N.). Diese fällt hier zulasten des Beklagten aus. Ein Anspruch wäre auch nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechts infolge Zeitablaufs bedeutet, dass dem Inhaber die Ausübung eines Rechts versagt wird, weil er über einen längeren Zeitraum von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht und dadurch bei der Gegenseite den Eindruck erweckt hat, mit der Inanspruchnahme des Rechts werde in Zukunft nicht mehr zu rechnen sein (Roth/Schubert, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 242 Rn. 329). Nach der Rechtsprechung kommt es darauf an, ob sich ein Schuldner bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, der Gläubiger werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Dies ist hier nicht der Fall. 59Zwar ist dem Beklagten zuzustimmen, dass in den von ihm vorgelegten Prospekten der Fa. MPC (B1, Bl. 94 ff. d. A.), dem Prüfgutachten der T.O.R Treuhand-Organisation-Revision GmbH (B2, Bl. 96 d. A.), dem Schreiben des Vermittlers N (B 3, Bl. 99 d. A.) und auch in dem Schreiben der TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH (B 5, Bl. 101 d. A.) nur von „Ausschüttungen“ die Rede war und auch lediglich als Risiko einer Beteiligung die Auflebung der persönlichen Haftung als Kommanditist i.S.d. HGB erwähnt ist. Von einer Darlehensgewährung ist nicht die Rede, sodass bei ausschließlicher Betrachtung der äußeren Umstände hier angenommen werden könnte, eine Darlehensgewährung und damit eine Rückforderbarkeit verstieße gegen Treu und Glauben, wenn dem Anlieger im Rahmen von Prospekten und Schreiben etwas völlig anderes vermittelt worden wäre, nämlich dass Ausschüttungen als endgültiger Kapitalrückfluss anzusehen seien. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass hier schon im Bericht der T.O.R. auf die Regelung in § 12 Ziffer 4 eindeutig hingewiesen ist (vgl. Anlage B 2, Bl. 96 d. A.). Auch war der Gesellschaftsvertrag dem Prospekt der Fa. MPC angefügt. Von einem durchschnittlich gebildeten Anlieger konnte hier somit gefordert werden, dass er neben dem Prospekt zur Anlegervermittlung vor allem den Gesellschaftsvertrag besonders aufmerksam und sorgfältig liest. In diesem ist die Möglichkeit von Liquidationsgewährung als Darlehen ausdrücklich und erkennbar geregelt (s.o.). Bei der gebotenen Aufmerksamkeit erschließt sich einem durchschnittlich begabten Interessenten bzw. Anleger bereits mit den hier ausreichend klaren Formulierungen „Darlehn“ und "Buchung auf Darlehenskonto", dass die Ausschüttungen im Verhältnis zur Gesellschaft nicht unwiderruflich erfolgen sollten (siehe obige Ausführungen). Einer Rückforderung steht nach einer Gesamtabwägung aller Umstände der Einwand von Treu und Glauben mithin nicht entgegen steht. Auch ist nach der Lebenserfahrung hier nicht davon auszugehen, dass der Kläger bei gehöriger Aufklärung über die Rückforderbarkeit von Ausschüttungen bzw. ausdrücklicher Erwähnung von Darlehn vom Erwerb der Beteiligung abgesehen hätte. Dies hat er im Übrigen auch nicht vorgetragen. Insoweit fehlt es aus den oben genannten Gründen auch schon an dem für die Annahme einer Verwirkung i.S.d. § 242 BGB erforderlichen besonderen Vertrauens- und Umstandsmoment. 606. 61Letztlich war hier dem Beklagten auf den Schriftsatz der Klägerin vom 21.09.2015 auch keine Schriftsatzfrist mehr im Sinne des § 283 ZPO zu gewähren, da dieser Schriftsatz keine neuen Tatsachen, sondern vielmehr bereits in vorangegangenen Schriftsätzen geäußerte Rechtsansichten der Klägerin enthielt, das Vorbringen erschöpfte sich mithin allein in der Wiederholung früheren Vorbringens (vgl. Zöller/Greger, ZPO Kommentar, 30. Aufl. 2014, § 283, Rn. 2 a). Darüber hinaus hatte der Beklagtenvertreter ausreichend Gelegenheit, in der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2015 zu den Rechtsansichten der Klägerin Stellung zu nehmen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schriftsatz des Beklagten vom 19.10.2015, eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war nicht geboten. Der Schriftsatz vom 19.10.2015 war nicht nachgelassen. Im Übrigen ist nach Auffassung des Gerichts aus den oben genannten Gründen angesichts der eindeutigen Regelung im Gesellschaftsvertrag eine Haftung der Klägerin nach §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB nicht ersichtlich, einem Anspruch der Klägerin steht der Einwand des § 242 BGB nicht entgegen. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. 627. 63Die begehrte Verzinsung ihrer Klageforderung mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz kann die Klägerin nach §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB ab dem 27.02.2014 verlangen. 64Die Klage ist auch begründet, soweit die Klägerin die Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, deren zutreffende Berechnung von dem Beklagten nicht beanstandet worden ist, begehrt. Der Anspruch rechtfertigt sich aus Verzug nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 2, 257 BGB, weil der Beklagte nach Fälligkeit des Darlehensanspruches am 27.02.2014 nicht geleistet hat. 65II. 66Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 2 ZPO. 67Der Streitwert wird auf 7.390,65 EUR festgesetzt. 68 | der beklagte wird verurteilt, an die klägerin 7.390,65 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 27.02.2014 zu zahlen. der beklagte wird ferner verurteilt, die klägerin von honorarforderungen des rechtsanwalt x in höhe von 430,40 € freizustellen. die kosten des rechtsstreits hat der beklagte zu tragen. das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. 1 | 2die parteien streiten über die rückzahlung von ausschüttungen, welche die klägerin an den beklagten als kommanditist geleistet hat. 3die klägerin ist eine kommanditgesellschaft, die als publikumsgesellschaft mit über 300 kommanditisten ausgestaltet ist. geschäftsgegenstand des unternehmens der klägerin ist der bau und der betrieb des containerschiffes ms „santa giovanna“. der beklagte ist mit einer einlage von 50.000,00 € (ursprünglich 100.000,00 dm) am kapital der klägerin als kommanditist beteiligt. aufgrund von ausschüttungen wegen nicht benötigter liquidität hat der beklagte von der klägerin in den geschäftsjahren 1996, 1997, 1998 und 2004 bis 2008 insgesamt 24.635,51 € erhalten. dabei orientierte sich die jeweilige ausschüttung am anteil des beklagten (vgl. tabellarische auflistung der klägerin in der klageschrift vom 06.02.2015, bl. 3 d. a.). 4in dem zum zeitpunkt aller zahlungen maßgeblichen gesellschaftsvertrag der klägerin ist folgendes geregelt: 5„§ 12 ziffer 4: 6liquiditätsausschüttungen an die gesellschafter- auch im wege einer darlehensgewährung- dürfen nur dann vorgenommen werden, wenn keine kapitaldienstleistungsrückstände hinsichtlich der langfristigen investitionsfinanzierung bestehen und der ausgleich der laufenden betriebskosten sowie der kapitaldienstraten auf die schiffshypothekendarlehen für das laufende geschäftsjahr gesichert sind und bankseitig diesen zahlungen zugestimmt worden ist. 7über die verwendung von liquiditätsüberschüssen entscheidet auf vorschlag der persönlich haftenden gesellschafterin der beirat, sofern nicht die gesellschafterversammlung entsprechende beschlüsse fasst. liquiditätsausschüttungen erfolgen im verhältnis der festeinlagen der gesellschafter untereinander. solange verlustsonderkonten (ii) bestehen, stellen die liquiditätsausschüttung darlehen an die gesellschafter dar.“ 8ferner ist in § 15 ziffer 3 des gesellschaftsvertrages geregelt: 9„für jeden gesellschafter werden ein festes kapitalkonto (i) und ein ergebnissonderkonto (ii) geführt. 10a) auf dem kapitalkonto (i) werden die kommanditeinlagen gebucht. das kapitalkonto ist fest und unveränderlich. es ist maßgebend für das stimmrecht in der gesellschafterversammlung (siehe § 14 abs. 13), die ergebnisverteilung sowie den anspruch auf das auseinandersetzungsguthaben. 11b) auf dem ergebnissonderkonto (ii) werden die verluste gebucht, auch soweit diese das feste kapitalkonto (i) übersteigen. gewinne werden ebenfalls auf dem ergebniskonto gutgebracht. ein saldo auf dem ergebnissonderkonto begründet keine nachschussverpflichtung der kommanditisten. 12liquiditätsausschüttungen sind auf gesonderten unverzinslichen darlehenskonten der gesellschafter zu erfassen.“ 13hinsichtlich der weiteren regelungen wird auf den als anlage k 1 eingereichten gesellschaftsvertrag verwiesen (vgl. anlage k 1, bl. 16 d. a.). 14zum zeitpunkt der streitgegenständlichen auszahlungen an den beklagten als kommanditist war sein ergebnissonderkonto als verlustkonto geführt, da bereits im jahr 1996 erhebliche, für die gesellschafter steuerlich nutzbare anfangsverluste von über 20.000,00 € entstanden waren, die zum zeitpunkt der auszahlungen noch nicht durch gewinne ausgeglichen waren. die auszahlungen wurden auch in den jeweiligen jahresabschlussbilanzen der klägerin auf der aktivseite als „darlehnsposition“ geführt (vgl. dazu anlage vii zur bilanz 31.12.2012, bl. 48 d. a.). 15ende 2013 benötigte die klägerin aufgrund der krise in der schifffahrtsbranche im jahr 2008 neues kapital, um den kapitaldienst an die den schiffbau finanzierenden banken bezahlen zu können. mit schreiben vom 01.11.2013 zeigte die klägerin den gesellschaftern die folge der sofortigen veräußerung des containerschiffes und andererseits den fortbetrieb des schiffes an. die klägerin, die – was zwischen den parteien streitig ist- meint, dass die ausschüttungen an den beklagten als darlehen anzusehen sind, teilte in dem schreiben zudem mit, dass für den fall, dass es nicht zu einer veräußerung kommen werde, in jedem fall die an die gesellschafter gewährten darlehn wegen einem finanzierungsbedarf in höhe von 2.265.000,00 € teilweise gekündigt werden müssen (vgl. schreiben der klägerin vom 01.11.2013, bl. 67 ff. d. a.). zugleich erklärte die klägerin ausdrücklich die kündigung der an die jeweiligen gesellschafter gewährten darlehn in höhe von 30 % (7.390,65 €) zum 26.02.2014 (vgl. bl. 69 d. a, schreiben vom 01.11.2014). nachdem keine zahlung des beklagten erfolgte, forderte der prozessbevollmächtigte der klägerin den beklagten mit schreiben vom 07.03.2013 mit fristsetzung bis zum 24.03.2014 zur zahlung auf (vgl. schreiben vom 07.03.2014, bl. 72 d. a.). 16mit der vorliegenden klage macht die klägerin gegenüber dem beklagten die rückzahlung gewinnunabhängiger ausschüttungen in höhe von 30 % für die jahre 1996, 1997, 1998 und 2004 bis 2008 in höhe eines betrages von 7.390,65 € geltend. 17die klägerin ist der ansicht, die streitigen liquiditätsausschüttungen an den beklagten seien diesem als darlehen gewährt worden. dies ergebe sich aus § 12 ziffer 4 und § 15 ziffer 3 des gesellschaftsvertrages. dort sei eindeutig und für jeden außenstehenden dritten verständlich geregelt, dass nicht durch gewinne gedeckte ausschüttungen als darlehen zu qualifizieren und als solches auf einem verlustsonderkonto zu buchen seien. da dies hier der fall sei, sei die beklagte zur rückgewähr des darlehens im umfang von gekündigten 30 %, hier der mit der klage geltend gemachten summe, verpflichtet. 18die klägerin beantragt, 191. 20den beklagten zu verurteilen, an sie 7.390,65 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen gültigen basiszinssatz seit dem 27.02.2014 zu bezahlen, 212. 22den beklagten zu verurteilen, sie von honorarforderungen des rechtsanwalts x in höhe von 430,40 € freizustellen. 23der beklagte beantragt, 24 die klage abzuweisen. 25er ist der ansicht, ein rückgriff auf die regelungen des darlehensrechts im bgb sei im vorliegenden fall nicht möglich. aus dem gesellschaftsvertrag gehe unter berücksichtigung der maßgaben der rechtsprechung zur auslegung von gesellschaftsverträgen von publikumsgesellschaften nicht in hinreichender deutlichkeit hervor, dass er zur rückzahlung der ausschüttungen verpflichtet sei. der begriff liquidationsausschüttung sei zu unbestimmt. zwar sei im vertrag geregelt, dass solange verlustsonderkonten bestehen, liquiditätsausschüttungen darlehen an gesellschafter sind (§ 12 ziffer 4 s. 2 des vertrages). der begriff verlustsonderkonto sei jedoch nicht definiert, dies könne dem gesellschaftsvertrag nicht entnommen werden. auch sei dies für den einzelnen gesellschafter nicht prüfbar. die überschrift des § 12 „ausschüttungen“ des gesellschaftsvertrages suggeriere, dass es sich um gewinne im sinne des handelsgesetzbuch (hgb) handele. der begriff ausschüttungen und liquiditätsausschüttungen sei im vertrag nach belieben verwendet worden. nach dem gebot der auslegung im zweifel zulasten des verwenders sei nicht erkennbar, wann überhaupt darlehn an die gesellschafter vorliegen. 26ihm gegenüber seien unter anderem durch das prospekt der firma mpc über die klägerin, den prüfbericht der t.o.r treuhand-organisation-revision gmbh sowie durch diverse an ihn gerichtete schreiben ausschließlich „ausschüttungen“ in verbindung mit der persönlichen haftung des kommanditisten im sinne des § 172 hgb erwähnt worden. insoweit habe er aufgrund der gesamtumstände davon ausgehen können, dass ausschüttungen nicht nur darlehensweise erfolgen würden, da eine solche art von ausschüttungen in den schreiben und prospekten nicht erwähnt worden seien. 27einem rückzahlungsanspruch der klägerin stehe insoweit der einwand des widersprüchlichen verhaltens sowie der einwand der verwirkung entgegen. die klägerin habe in zurechenbarer weise dem beklagten gegenüber vermittelt, die ausschüttungen könne er behalten. darauf habe er vertraut. letztlich sei ein anspruch auf rückzahlung verjährt, da in ermangelung einer vertraglichen regelung über die rückzahlung etwaiger darlehn diese sofort fällig gewesen seien. 28wegen des weitergehenden sachvortrages und der rechtsansichten der parteien wird auf die gewechselten schriftsätze nebst anlagen bezug genommen sowie auf das protokoll der mündlichen verhandlung vom 28.09.2015 (bl. 186 d. a.). 29 | 30die zulässige klage ist begründet. 31i. 32der klägerin steht gegen den beklagten ein anspruch auf zahlung von 7.390,65 € nach § 488 abs. 1 s. 2 bgb zu. die parteien haben im gesellschaftsvertrag eindeutig geregelt, dass die liquiditätsausschüttungen unter den hier gegebenen voraussetzungen als darlehen zu qualifizieren sind und deshalb nach § 488 abs. 1 s. 2 bgb zurückgefordert werden können. 331. 34ein anspruch auf rückzahlung gewinnunabhängiger ausschüttungen entsteht nicht schon dann, wenn an einen kommanditisten auf der grundlage des gesellschaftsvertrages von § 169 abs. 1 hgb nicht gedeckte - weil gewinnunabhängige - auszahlungen zulasten seines kapitalanteils geleistet werden, sondern setzt stets voraus, dass der gesellschaftsvertrag eine solche rückzahlung vorsieht (vgl. bgh, urteil vom 12.03.2013 – az. ii zr 73/11, rz. 9, 10). nach der gesetzlichen regelung in § 169 abs. 1 s. 2 hgb hat ein kommanditist nur einen anspruch auf auszahlung des ihm zukommenden gewinns. der auf den kommanditisten anteilig entfallende jahresüberschuss kann von diesem aber nicht gefordert werden, solange sein kapitalanteil durch verlust unter den auf die bedungene einlage geleisteten betrag herabgemindert ist oder durch die auszahlung unter diesen betrag herabgemindert würde. nach der gesetzlichen vorgabe sind gewinne danach vorrangig zum verlustausgleich zu verwenden. über die regelung des § 169 abs. 1 hgb hinaus sind nach allgemeiner ansicht aber auch gewinnunabhängige ausschüttungen an die kommanditisten zulässig und ihnen zu belassen, wenn der gesellschaftsvertrag dies - wie vorliegend in § 12 ziffer 4 - vorsieht oder die ausschüttung durch das einverständnis aller gesellschafter gedeckt ist (bgh, urteil vom 12.03.2013 - az. ii zr 73/11). bei einer rückzahlung der einlage entsteht ein rückgewähranspruch der gesellschaft (im innenverhältnis) damit nicht automatisch, sondern kann sich nur aus anderen rechtsgründen ergeben, insbesondere aus einer entsprechenden vertraglichen abrede (bgh, a.a.o.). 352. 36der hier in rede stehende gesellschaftsvertrag, der inhaltliche abweichungen zu dem gesellschaftsvertrag aufweist, über den der bundesgerichtshof in der entscheidung vom 12.03.2013 zu befinden hatte, enthält nach auffassung des gerichts § 12 ziffer 4 und § 15 ziffer 3 des gesellschaftsvertrages regelungen, aus der sich ein vorbehalt der rückforderung wegen einer darlehnsgewährung entnehmen lässt. 37a) 38dabei sind gesellschaftsverträge von publikumsgesellschaften nach ständiger rechtsprechung des bgh (urteil vom 12.03.2013 - aktenzeichen zr 73/11), der das gericht folgt, allein nach ihrem objektiven erklärungsinhalt auszulegen und unterliegen einer ähnlichen auslegung und inhaltskontrolle wie allgemeine geschäftsbedingungen, so dass in anlehnung an § 305c abs. 2 bgb zweifel bei der auslegung zulasten des verwenders gehen (bgh, urteil vom 12.03.2013 - aktenzeichen ii zr 73/11; olg hamm, urteil vom 09.02.2015 - aktenzeichen 8 u 104/14). dies bedeutet für den einer publikumsgesellschaft beitretenden gesellschafter, dass sich die mit dem beitritt verbundenen, nicht unmittelbar aus dem gesetz folgenden rechte und pflichten aus dem gesellschaftsvertrag klar ergeben müssen (bgh, urteil vom 12.03.2013 – az. ii zr 73/11). im rahmen der auslegung des darlehensvertrages kommt es auch entgegen der auffassung des beklagten nicht auf die äußeren umstände an, sondern allein darauf, wie die regelungen des vertrages objektiv aus der sicht eines durchschnittlichen empfängers zu verstehen sind. 39gemessen daran enthält der hier auszulegende gesellschaftsvertrag hinreichende anhaltspunkte dafür, dass die kommanditisten auszahlungen gem. § 12 ziffer 4 des gesellschaftsvertrages unter dem vorbehalt einer rückforderung erhalten haben. 40anders als in dem am 12.03.2013 vom bgh entschieden fall ist hier in § 12 ziffer 4 des gesellschaftsvertrages ausdrücklich geregelt, dass den kommanditisten nicht gewinndeckende auszahlungen als zinslose „darlehen“ gewährt und jeweils als forderung gebucht werden. dies ist nach der regelung in § 12 ziffer 4 des vertrages immer dann der fall, wenn – wie hier- im zeitpunkt der auszahlung verlustsonderkonten bestehen also eine gewinndeckende ausschüttung von gesellschaftskapital an die gesellschafter nicht in betracht kommt. eine verständige auslegung der klausel führt auffassung des gerichts aus sicht eines objektiven empfängers hinreichend klar zu der erkenntnis, dass eine darlehnsgewährung immer dann vorliegt, wenn liquidität an die gesellschafter ausgeschüttet wird und die für sie geführten ergebnissonderkonten aufgrund von verlusten der gesellschaft ein negatives saldo aufweisen. bei der auslegung ist zudem zu berücksichtigen, dass für alle gesellschafter offenkundig war, dass die gesellschaft zunächst verluste erwirtschaften soll. der begriff des "darlehens" hat darüber hinaus sowohl als rechtsbegriff als auch im allgemeinen sprachgebrauch einen ganz klaren und nicht auslegungsfähigen bedeutungsgehalt: leistungen, die als darlehen gewährt werden, erhält der empfänger nicht auf dauer und unentziehbar, sondern sie stehen per se unter einem rückforderungsvorbehalt. das weiß nach auffassung des gerichts auch ein rechtlich nicht vorgebildeter durchschnittlicher erwerber einer kapitalanlage, die mit einer gesellschaftsbeteiligung verbunden ist. dem steht auch nicht entgegen, dass dieses gesellschafterkonto, auf das die auszahlungen gebucht werden, nicht auch ausdrücklich als „darlehenskonto“ bezeichnet wird. die zivilrechtliche bedeutung eines kontos richtet sich nicht nach ihrer bezeichnung: führt die buchung eines zahlung auf einem als darlehenskonto bezeichneten konto nach der bereits zitierten entscheidung des bgh (az. ii zr 73/11), nicht dazu, dass die zahlung als darlehen auszulegen ist, so kann auch die buchung einer zahlung auf einem nicht als darlehenskonto bezeichneten gesellschafterkonto nicht dazu führen, dass entgegen des wortlauts kein darlehen gewährt worden ist (bgh a.a.o.). 41das in § 12 ziffer 4 des vertrages in bezug genommene „verlustsonderkonto“ wird in § 15 ziffer 3 entgegen der auffassung des beklagten auch aus sicht eines durchschnittlich gebildeten anliegers verständlich definiert. in § 15 ziffer 3 a) des gesellschaftsvertrages ist ausdrücklich vorgesehen, welche konten im einzelnen geführt werden. neben dem festen kapitalkonto i, welches unveränderlich ist, wird ein variables kapitalkonto ii (ergebnissonderkonto) geführt, auf dem allein die gewinn- und verlustanteile des kommanditisten verbucht werden. das kapitalkonto ii erfasst damit die nicht entnahmefähigen gewinne und die verluste. zum zeitpunkt sämtlicher auszahlungen an die kommaditisten war das ergebnissonderkonto als verlustkonto geführt, weil entsprechend dem konzept der gesellschaft bereits im jahr 1996 erhebliche, für die gesellschafter steuerlich nutzbare anfangsverluste von über 20 mio. € entstanden waren, die zum zeitpunkt der auszahlungen noch nicht durch gewinne ausgeglichen worden waren. gemäß § 15 ziffer 3 s. 2 des gesellschaftsvertrages sind die auszahlungen an die gesellschafter auf gesonderten unverzinslichen darlehnskonten zu erfassen. 42so ist die klägerin hier bei ihren jeweiligen jahresabschlüssen verfahren. die durch die auszahlung an die kommanditisten entstandenen darlehnsansprüche der klägerin wurden hier auf der aktivseite der bilanz ausdrücklich als „darlehnsansprüche“ gebucht und als vermögen qualifiziert und gerade nicht, wie es bei einer auszahlung von eigenkapital der fall wäre, als abzugsposten zum eigenkapital (vgl. anlage k 5, bl. 48 d. a.). dass die voraussetzungen für ein verlustsonderkonto vorlagen, konnte der beklagte auch anhand des ihm bei jeder beschlussfassung über liquiditätsauszahlungen vorliegenden jahresabschlusses prüfen und so feststellen, dass ausschüttungsfähige gewinne nicht vorlagen, mithin darlehn gewährt wurden. die klägerin musste auch nicht gesondert darauf hinweisen, dass sie die jeweiligen liquiditätsausschüttungen als darlehn auszahlt. die von den gesellschaftern beschlossene auszahlung war nach dem gesellschaftsvertrag und der jeweils aktuellen bilanz erkennbar und eindeutig als darlehen zu qualifizieren. der beklagte hat nicht einmal konkret behauptet, dass ihm gewinne zugestanden hätten, er hat lediglich bestritten, dass es sich nicht um gewinnauszahlungen gehandelt habe. 43die vom wortlaut her eindeutig auf rückforderungsvorbehalt ausgelegte regelung wird auch nicht durch den zusammenhang mit anderen vertraglichen regelungen oder überschriften unklar oder überraschend. einer auslegung in dem oben genannten sinne stehen nicht die für §§ 12 und 15 gewählten überschriften im gesellschaftsvertrag, hier „gewinn- und verlustverteilung, ausschüttungen (§ 12) und „liquiditätsausschüttungen“ (§ 15) entgegen. zwar ist dem beklagte insoweit zuzustimmen, dass durch diese begriffe im handelsgesetzbuch in zusammenhang mit der auszahlung von gewinnen verwendet wird, z.b. in § 268 abs. 8 hgb. maßgeblich ist hier jedoch, dass § 12 ziff. 4 unmissverständlich definiert, dass darlehen gewährt werden können und wann die voraussetzungen für eine solche ausschüttung als darlehen vorliegen. 44b) 45vorliegend sind auch die voraussetzungen für eine rückforderbarkeit der auszahlungen (noch) hinreichend konkretisiert. zwar wird die liquiditätslage, die eine rückforderung notwendig machen soll, nicht näher umschrieben. jedoch folgt aus der weiteren formulierung in § 12 ziffer 4 des gesellschaftsvertrages, dass die notwendigkeit der rückforderung durch die geschäftsführung festgestellt werden muss (§ 12 ziffer 4), ein hinreichender anhaltspunkt für eine auslegung des gesellschaftsvertrages hinsichtlich der ausgestaltung der die rückforderbarkeit auslösenden liquiditätslage. da die geschäftsführung an den gesellschaftszweck gebunden ist, erscheint es hier angängig, die regelung dahin zu verstehen, dass es sich um eine im hinblick auf die aufrechterhaltung des schiffsbetriebes kritische liquiditätslage handeln muss. der beklagte hat insoweit auch nicht bestritten, dass es aufgrund der liquiditätsschwierigkeiten im jahr erforderlich war, die auszahlungen zurückzufordern. im übrigen hat der bgh in seiner entscheidung vom 12.03.2013 (az. ii zr 73/11, rz. 23) nicht verlangt, dass ein gesellschaftsvertrag eine eindeutige regelung zur beendigung des darlehns enthalten muss. angesichts des hier im vorliegenden fall klar gewählten wortlauts musste ein empfänger der zahlungen durch die klägerin in kenntnis des gesellschaftsvertrages von einer rückforderbarkeit ausgehen. 46c) 47die voraussetzungen, unter denen gemäß § 12 ziffer 4 i.v.m. § 15 abs. 3 des gesellschaftsvertrages gezahlte liquiditätsausschüttungen in höhe von insgesamt 7.390,65 € von dem beklagten zurückgefordert werden können, liegen vor. aus anlagen k 5 (bl. 47 ff. d. a.) und k 4 (bl. 18, 19 des jahresabschlussberichts 2006 anlage k 4 , bl. 43, 44 d. a) ergibt sich, dass die liquiditätsausschüttungen als forderung der klägerin (aktiva) und damit als darlehn gebucht worden ist. aus anlage k 3 (bl. 27 d. a.) ist auch ersichtlich, dass zum zeitpunkt sämtlicher zahlungen an die gesellschafter die auf den ergebnissonderkonten der gesellschaft verbuchten verluste durch gewinne nicht wieder ausgeglichen waren. 483. 49das dem beklagten gewährte darlehen in höhe von insgesamt 24.635,51 € ist nach entsprechender teilkündigung durch die klägerin in höhe eines betrages von 7.390,65 € zum 26.02.2014 zur rückzahlung fällig gestellt worden, § 488 abs. 3 satz 1 bgb. da für die rückzahlung des darlehens keine zeit bestimmt war, konnte die klägerin mit einer frist von drei monaten kündigen. 50a) 51§ 488 abs. 3 satz 1 bgb ist anwendbar. entgegen der auffassung des beklagten ergibt sich aus der entscheidung des bgh vom 12.03.2013 (az. ii zr 73/13) nicht, dass hier die darlehensrechtlichen regelungen des bgb unanwendbar wären. zwar hat sich der bgh in der genannten entscheidung dahingehend geäußert, dass ein rückgriff auf gesetzliche regelungen des bürgerlich-rechtlichen darlehensrechts dem im gesellschaftsvertrag zum ausdruck kommenden willen der gesellschafter nicht gerecht würde, es sei widersprüchlich, wenn die gesellschafter regelmäßig aus liquiditätsüberschüssen zahlungen von der gesellschaft erhalten sollten, ihnen diese aber - möglicherweise über erhebliche zeiträume hinweg geleisteten - zahlungen ohne besonderen grund binnen einer frist von drei monaten wieder entzogen werden könnten. diese erwägungen hat der bgh aber innerhalb der auslegung der maßgeblichen gesellschaftsvertragsbestimmungen dahingehend, ob diesen bestimmungen ein rückzahlungsvorbehalt entnommen werden kann, angestellt. ein verbot des rückgriffs auf das darlehensrecht des bgh auch dann, wenn wie hier die auslegung zweifelsfrei die darlehensweise auszahlung von liquiditätsüberschüssen ergibt, lässt sich diesen erwägungen nicht entnehmen. 52b) 53die erforderliche kündigung hat die klägerin am 01.11.2013 in form einer teilkündigung in höhe von 30 % des jeweiligen kommanditkapitals ausgesprochen, sie ist dem beklagten auch unstreitig zugegangen. die kündigungsfrist von drei monaten hat die klägerin eingehalten, indem sie im kündigungsschreiben vom 01.11.2013 zum 26.02.2014 zurückgefordert hat. 544. 55ein anspruch der klägerin ist nicht verjährt. mangels anderweitiger regelung war das darlehn nach § 488 abs. 3 bgb mit einer frist von 3 monaten kündbar (§ 488 abs. 3 bgb; §§ 607, 609 abs. 2 bgb a.f.), hier ist dies zum 26.02.2014 erfolgt. eine verjährung ist somit nicht gegeben, klage wurde im februar 2015 erhoben. 565. 57letztlich steht einem rückforderungsanspruch steht auch nicht der einwand treuwidrigen verhaltens oder der verwirkung entgegen, § 242 bgb. 58§ 242 bgb erfordert in allen anwendungsfällen eine umfassende interessenabwägung (vgl. palandt/grüneberg, bgb kommentar, 74. aufl. 2015, § 242 rn. 7 m.w.n.). diese fällt hier zulasten des beklagten aus. ein anspruch wäre auch nicht verwirkt. die verwirkung eines rechts infolge zeitablaufs bedeutet, dass dem inhaber die ausübung eines rechts versagt wird, weil er über einen längeren zeitraum von seinem recht keinen gebrauch gemacht und dadurch bei der gegenseite den eindruck erweckt hat, mit der inanspruchnahme des rechts werde in zukunft nicht mehr zu rechnen sein (roth/schubert, in: münchener kommentar zum bgb, 6. auflage 2012, § 242 rn. 329). nach der rechtsprechung kommt es darauf an, ob sich ein schuldner bei objektiver beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, der gläubiger werde sein recht nicht mehr geltend machen. dies ist hier nicht der fall. 59zwar ist dem beklagten zuzustimmen, dass in den von ihm vorgelegten prospekten der fa. mpc (b1, bl. 94 ff. d. a.), dem prüfgutachten der t.o.r treuhand-organisation-revision gmbh (b2, bl. 96 d. a.), dem schreiben des vermittlers n (b 3, bl. 99 d. a.) und auch in dem schreiben der tvp treuhand- und verwaltungsgesellschaft für publikumsfonds mbh (b 5, bl. 101 d. a.) nur von „ausschüttungen“ die rede war und auch lediglich als risiko einer beteiligung die auflebung der persönlichen haftung als kommanditist i.s.d. hgb erwähnt ist. von einer darlehensgewährung ist nicht die rede, sodass bei ausschließlicher betrachtung der äußeren umstände hier angenommen werden könnte, eine darlehensgewährung und damit eine rückforderbarkeit verstieße gegen treu und glauben, wenn dem anlieger im rahmen von prospekten und schreiben etwas völlig anderes vermittelt worden wäre, nämlich dass ausschüttungen als endgültiger kapitalrückfluss anzusehen seien. zu berücksichtigen ist jedoch, dass hier schon im bericht der t.o.r. auf die regelung in § 12 ziffer 4 eindeutig hingewiesen ist (vgl. anlage b 2, bl. 96 d. a.). auch war der gesellschaftsvertrag dem prospekt der fa. mpc angefügt. von einem durchschnittlich gebildeten anlieger konnte hier somit gefordert werden, dass er neben dem prospekt zur anlegervermittlung vor allem den gesellschaftsvertrag besonders aufmerksam und sorgfältig liest. in diesem ist die möglichkeit von liquidationsgewährung als darlehen ausdrücklich und erkennbar geregelt (s.o.). bei der gebotenen aufmerksamkeit erschließt sich einem durchschnittlich begabten interessenten bzw. anleger bereits mit den hier ausreichend klaren formulierungen „darlehn“ und "buchung auf darlehenskonto", dass die ausschüttungen im verhältnis zur gesellschaft nicht unwiderruflich erfolgen sollten (siehe obige ausführungen). einer rückforderung steht nach einer gesamtabwägung aller umstände der einwand von treu und glauben mithin nicht entgegen steht. auch ist nach der lebenserfahrung hier nicht davon auszugehen, dass der kläger bei gehöriger aufklärung über die rückforderbarkeit von ausschüttungen bzw. ausdrücklicher erwähnung von darlehn vom erwerb der beteiligung abgesehen hätte. dies hat er im übrigen auch nicht vorgetragen. insoweit fehlt es aus den oben genannten gründen auch schon an dem für die annahme einer verwirkung i.s.d. § 242 bgb erforderlichen besonderen vertrauens- und umstandsmoment. 606. 61letztlich war hier dem beklagten auf den schriftsatz der klägerin vom 21.09.2015 auch keine schriftsatzfrist mehr im sinne des § 283 zpo zu gewähren, da dieser schriftsatz keine neuen tatsachen, sondern vielmehr bereits in vorangegangenen schriftsätzen geäußerte rechtsansichten der klägerin enthielt, das vorbringen erschöpfte sich mithin allein in der wiederholung früheren vorbringens (vgl. zöller/greger, zpo kommentar, 30. aufl. 2014, § 283, rn. 2 a). darüber hinaus hatte der beklagtenvertreter ausreichend gelegenheit, in der mündlichen verhandlung vom 28.09.2015 zu den rechtsansichten der klägerin stellung zu nehmen. etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem schriftsatz des beklagten vom 19.10.2015, eine wiedereröffnung der mündlichen verhandlung war nicht geboten. der schriftsatz vom 19.10.2015 war nicht nachgelassen. im übrigen ist nach auffassung des gerichts aus den oben genannten gründen angesichts der eindeutigen regelung im gesellschaftsvertrag eine haftung der klägerin nach §§ 823 abs. 2 bgb i.v.m. § 263 stgb nicht ersichtlich, einem anspruch der klägerin steht der einwand des § 242 bgb nicht entgegen. insoweit wird auf die obigen ausführungen verwiesen. 627. 63die begehrte verzinsung ihrer klageforderung mit 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz kann die klägerin nach §§ 286 abs. 1, 288 abs. 1 bgb ab dem 27.02.2014 verlangen. 64die klage ist auch begründet, soweit die klägerin die freistellung von den vorgerichtlichen rechtsanwaltskosten, deren zutreffende berechnung von dem beklagten nicht beanstandet worden ist, begehrt. der anspruch rechtfertigt sich aus verzug nach §§ 280 abs. 1, 2, 286 abs. 1, 2, 257 bgb, weil der beklagte nach fälligkeit des darlehensanspruches am 27.02.2014 nicht geleistet hat. 65ii. 66die nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 abs. 1 s. 1, 709 s. 2 zpo. 67der streitwert wird auf 7.390,65 eur festgesetzt. 68 | Klaeger*in | 1 |
167,477 | 13 A 1378/14 | 2015-02-25T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Mai 2014 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie wendet sich gegen den Widerruf der Zulassung des Fertigarzneimittels Kava-S. -Tropfen N, das bis zum Jahr 2001 im Verkehr war und dessen Zulassungsinhaberin sie seit dem 21. Oktober 2014 ist. Dabei handelt es sich um einen pflanzlichen Angstlöser (Anxiolytikum) zur Anwendung bei nervösen Angst‑, Spannungs- und Unruhezuständen, der als Wirkstoff den Kava-Kava-Wurzelstock-Trockenextrakt - Piperis methystici rhizoma - in Gestalt eines ethanolischen Auszugs enthält. Die beantragte Nachzulassung wurde bisher nicht erteilt. Die Anwendungsgebiete des Arzneimittels der Klägerin entsprachen den Vorgaben der Monographie der Kommission E vom 1. Juni 1990. Die Dosierungsempfehlung lautet 3 mal täglich 20 Tropfen (= 60 mg Kavapyrone täglich). Nach der Fach- und Gebrauchsinformation (Stand Juli 2001) soll das Arzneimitteil ohne ärztlichen Rat nicht länger als drei Monate eingenommen werden. Unter „Gegenanzeigen“ sind endogene Depressionen und eine bestehende Leberschädigung aufgeführt. In der Rubrik „Nebenwirkungen“ heißt es: keine. Als Wechselwirkung sei eine Wirkungsverstärkung von zentral wirksamen Substanzen wie Alkohol, Barbituraten und Psychopharmaka möglich; Alkohol sei zu meiden. 3Im Jahr 2001 leitete das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgrund von Berichten über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen in Gestalt lebertoxischer Effekte bei acetonischen Kava-Kava-Auszügen insbesondere aus der Schweiz ein Stufenplanverfahren nach § 63 AMG ein. Im Jahr 2002 wurde die Verschreibungspflicht für Kava-Kava-Arzneimittel beschlossen. Nach Anhörung der betroffenen pharmazeutischen Unternehmen widerrief das BfArM mit Bescheid vom 14. Juni 2002 erstmals die Zulassungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel bis zu einer homöopathischen Verdünnung von D4. Hiergegen legten die betroffenen Unternehmen Widerspruch ein, woraufhin das BfArM an der Widerrufsentscheidung nicht festhielt, sondern stattdessen mit Bescheid vom 12. Mai 2005 ein befristetes Ruhen der betroffenen Zulassungen anordnete. 4Nachdem zwischen den beteiligten Unternehmen, ihren Verbänden und dem BfArM über die Art des vorzulegenden wissenschaftlichen Erkenntnismaterials keine Einigung erzielt werden konnte, widerrief die Behörde mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 21. Dezember 2007 die Zulassungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel und homöopathischer Zubereitungen aus Kava-Kava-Zubereitungen. Es bestehe weiterhin der Widerrufsgrund des § 30 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG, da der begründete Verdacht schädlicher Wirkungen auch unter Berücksichtigung der von den betroffenen Unternehmen und ihren Verbänden vorgelegten Unterlagen fortbestehe. Das Ruhen der Zulassungen sei angeordnet worden, um den betroffenen Unternehmen Gelegenheit zu geben, Studienergebnisse vorzulegen, die die Wirksamkeit in dem beanspruchten Anwendungsgebiet in einem Maße belegten, dass die bekannten hepatotoxischen Risiken vertretbar seien. Die vorgelegten toxikologischen Untersuchungen lieferten keine hinreichende Grundlage für die Risikoabschätzung. Anhand der in-vitro-Studien könne zwar ein gewisser Toxizitätsvergleich der untersuchten Kava-Kava-Extrakte bzw. Kavalactone aufgestellt werden. Eine direkte Risikoabschätzung bzw. ein Unbedenklichkeitsnachweis für die Anwendung sämtlicher Arten von Kava-Kava-Extrakten am Menschen könne daraus aber nicht abgeleitet werden. Die in-vivo-Studien wiesen methodische Mängel auf und seien deswegen nicht bewertungsfähig. Zudem beschränke sich die Aussagekraft der Studie von DiSilvestro et al. auf einen bestimmten Kava-Kava-Extrakt und könne deswegen nicht zur Risikoabschätzung von Kava-Kava-Arzneimitteln allgemein herangezogen werden. In der Studie von L. Sorrentino et al. seien nicht genügend Parameter zum Ausschluss der Lebertoxizität erhoben worden. Zudem fehlten Daten zur Pharmakokinetik bzw. Toxikokinetik der potentiell toxischen Inhaltsstoffe. Es sei weiterhin unklar, ob die Ratte die geeignete Tierspezies sei, um vergleichbare hepatotoxische Effekte auszulösen, wie sie aufgetreten seien. Die nachgereichten Publikationen lieferten keine Erkenntnisse, die eine Hepatotoxizität der von dem Stufenplan betroffenen deutschen Kava-Kava-haltigen Arzneimittel ausschlössen oder relativierten. Deren Fehlen in den vorliegenden Untersuchungen stehe im Widerspruch zu den klinischen Befunden. Mangels weiterer Untersuchungen, die die pharmazeutischen Unternehmen zwar angekündigt, aber nicht durchgeführt hätten, seien nach wie vor weder die Mechanismen der klinisch aufgetretenen hepatotoxischen Effekte noch das klinisch relevante Toxin bekannt. 5Der Bescheid enthält eine Zusammenfassung der vorliegenden Erkenntnisse zum Risiko der Einnahme Kava-Kava-haltiger Präparate und verweist insoweit auf einen Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2007, der eine Bewertung von 93 Fallberichten zu Leberschädigungen enthalte. Außerdem wird in dem Bescheid auf den Bericht der britischen Gesundheitsbehörde Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) vom 27. Juni 2006 verwiesen, in dem - nach Ländern gegliedert - die bei der MHRA eingegangenen Meldungen zu 110 Nebenwirkungsverdachtsfällen weltweit - darunter die überwiegende Anzahl aus Deutschland - aufgeführt sind. 6Den hiernach bestehenden Risiken stehe der Umstand gegenüber, dass neuere Untersuchungen zum Beleg der Wirksamkeit Kava-Kava- sowie Kavalacton-haltiger Arzneimittel nicht vorgelegt worden seien. Bei Arzneimitteln, für die es - jedenfalls bei der vorgeschlagenen Dosierung - keine ausreichenden Wirksamkeitsbelege gebe, sei ein nicht zu eliminierendes Risiko nicht hinnehmbar, wenn es um schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) gehe. Risikominimierende Maßnahmen wie die Unterstellung unter die Verschreibungspflicht, die Begrenzung der Dosierung und Leberfunktionstests rechtfertigten keine abweichende Bewertung, zumal bei der Behandlung von Angststörungen mit Benzodiazepinen, Buspiron und einigen Serotoninwiederaufnahmehemmern wie Paroxetin und Citalopram therapeutische Alternativen zur Verfügung stünden. Deren Wirksamkeit in der Behandlung von unterschiedlichen Formen von Angststörungen sei im Gegensatz zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln in mehreren klinischen Studien gut untersucht und belegt worden. Das bei Benzodiazepinen bestehende Abhängigkeitsrisiko rechtfertige es nicht, das mit Kava-Kava-Produkten verbundene Risiko hinzunehmen. 7In einer zusammenfassenden Bewertung führte das BfArM aus, dass bei monographiekonformer Dosierung bis 120 mg als Tagesdosis Kava-Pyronen das Risiko von Leberschädigungen zwar geringer, aber immer noch deutlich vorhanden sei. Bei Dosierungen oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone bestehe zwar ein gewisser Anhalt für die Wirksamkeit; das Risiko für Leberschäden sei dann aber zu groß. 8Die Klägerin erhob gegen den Bescheid Widerspruch. In einer Stellungnahme des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller e.V. (BAH) zum Widerruf der Zulassungen, die sich die Klägerin zu eigen machte, führte der Verband aus, die Annahme schädlicher Wirkungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel sei unzutreffend. Das BfArM habe die neu vorgelegten toxikologischen Untersuchungen nicht bewertet bzw. keinen nachvollziehbaren Bewertungskriterien unterworfen. Die Kommission E habe in ihrer Sitzung vom 27. Februar 2002 unter dem Vorbehalt bestimmter Sicherheitsmaßnahmen ein klares Votum zur weiteren Verkehrsfähigkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel abgegeben. Auch berücksichtige der Bescheid nicht, dass § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG in seiner seit dem 6. September 2005 geltenden Fassung keinen „begründeten Verdacht schädlicher Wirkungen“, sondern ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis voraussetze. Kava-Kava erfülle die Voraussetzungen eines „well-established use“. Es werde seit Jahrzehnten in der Europäischen Union medizinisch verwendet. Wirkungen und Nebenwirkungen seien bekannt. Neue klinische Studien könnten folglich nicht verlangt werden. Zudem könne eine klinische Studie keine Erkenntnisse über seltene Nebenwirkungen liefern. Anlass zu Kritik an den eingereichten toxikologischen Studien bestehe nicht. Andere therapeutische Ansätze wie z.B. Benzodiazepine stellten aufgrund ihrer Risiken keine therapeutische Alternative dar. Andere Arzneistoffe wiesen das gleiche oder sogar ein höheres Risiko für Leberschädigungen und zudem weitere schwerwiegendere unerwünschte Effekte als Kava-Kava auf, insbesondere sei ein Anstieg der Suizidrate bekannt. Die Ergebnisse des Berichts der MHRA seien wegen der gänzlich anderen Indikation in Großbritannien (Blasenerkrankungen) nicht übertragbar. Die Bewertung der vorliegenden Fallmeldungen sei nicht sachgerecht. Ihre Inzidenzrate werde vom BfArM nach wie vor nicht berücksichtigt. 9In der Folgezeit führten Gespräche und Schriftwechsel zwischen den pharmazeutischen Unternehmen und dem BfArM zu keinem Ergebnis. 10Durch Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2012 wies das BfArM den Widerspruch der Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung seiner vorherigen Ausführungen zum Risiko der Anwendung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel als unbegründet zurück. In Deutschland seinen 48 Fälle lebertoxischer Reaktionen registriert worden, von denen 26 ausreichend gut dokumentiert seien. In sieben Fällen habe eine Lebertransplantation vorgenommen werden müssen. Zwei dieser Patienten und eine Patientin ohne Lebertransplantation seien verstorben. In zwei Fällen sei die lebertoxische Reaktion nach Absetzen des Kava-Kava-Produkts zurückgegangen und bei Reexposition erneut aufgetreten. In dreizehn Fällen sei aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs, des Fehlens lebertoxischer Faktoren und einer entsprechenden Komedikation ein Kausalzusammenhang wahrscheinlich. In einzelnen dieser Fälle sei eine synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels (z.B. eines Estrogens) als möglich anzusehen, ohne dass dies die Annahme gerechtfertigt hätte, dass das Kava-Kava-Arzneimittel nicht an der hepatotoxischen Reaktion beteiligt gewesen wäre. In weiteren fünf spontan gemeldeten Fällen sei ein Kausalzusammenhang „möglich bis wahrscheinlich“ und in den restlichen Fällen „möglich“. Aus den dargestellten Fällen gehe hervor, dass Kava-Kava eindeutig das Potential zu schwerer Lebertoxizität habe. Der Effekt weise ein durchaus charakteristisches Muster auf mit einem zeitlichen Gipfel bei drei bis vier Monaten nach Medikationsbeginn und einer wahrscheinlich höheren Toxizität bei höheren Dosen. Zur toxikologischen Bewertung von Kava-Kava-Extrakten fehlten weiterhin nach heutigen Standards durchgeführte Tierstudien. Die Wirksamkeit der ethanolischen Kava-Kava-Auszüge als Anxiolytikum sei unverändert als nicht belegt anzusehen. Ein Vergleich des Nutzen-Risiko-Profils mit therapeutischen Alternativen setze diesen Wirksamkeitsnachweis aber voraus. 11Die Klägerin hat am 26. März 2012 Klage erhoben. 12Zur Begründung der Klage hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Der Widerruf der Zulassungen sei rechtswidrig. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis für Kava-Kava-haltige Arzneimittel, die auf einem ethanolischen Extrakt des Kava-Kava-Wurzelstocks basierten, sei nicht ungünstig. Die Wirksamkeit des Arzneimittels sei bei einer Dosierung von 240 mg Kava-Pyrone, berechnet nach der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie-Methode - engl. high performance liquid chromatography – (HPLC-Methode) auf sechs Kava-Pyrone, belegt. Die von der Kommission E angegebenen 120 mg Kava-Pyrone seien mittels Dünnschichtchromatographie (DC) beschränkt auf drei Kava-Pryrone berechnet worden. Deswegen entsprächen 120 mg Kava-Pyrone berechnet nach der DC-Methode 240 mg Kava-Pyrone berechnet nach der HPLC-Methode. Überdies sei Ende der achtziger Jahre eine exakte quantitative Bestimmung aller maßgeblichen sechs Kavalactone auch mit Hilfe der HPLC-Methode nicht möglich gewesen. Demzufolge entsprächen die in der Monographie ermittelten 120 mg nicht dem Gesamtgehalt an Kavalactonen. Vielmehr sei der Kavalactongehalt der Kava-Produkte, die in der Monographie Berücksichtigung gefunden hätten, nach heutigen Standards wesentlich höher anzusetzen. 13Der Einwand des BfArM, die Mittel seien nicht wirksam, beruhe darauf, dass die betroffenen Unternehmen auf entsprechende Forderung des BfArM die Dosierung halbiert hätten, um sich numerisch an die Monographie anzupassen. Das sei inzwischen mit Blick auf die unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen durch die mit der Änderungsanzeige erfolgte Anhebung auf die alte Menge von 240 mg Kava-Pyrone korrigiert worden. Bei der Bewertung der Wirksamkeit müsse deswegen nach aktuellem Stand der Zulassung für alle betroffenen Arzneimittel eine Dosierung von 240 mg Kava-Pyrone zugrunde gelegt werden. 14Die vorliegenden Fälle unerwünschter Ereignisse im Zusammenhang mit Kava-Kava seien vom BfArM unrichtig und teilweise anders als von anderen Institutionen bewertet worden. Auf der Grundlage der Auswertung durch Teschke et al. aus dem Jahr 2008 ergäben sich lediglich drei Fälle, in denen überhaupt von einer Auslösung durch Kava-Kava auszugehen sei. In zwei dieser Fälle habe es sich um acetonische Extrakte gehandelt. Der verbleibende Fall stehe im Zusammenhang mit einer Allergie. Die Häufung von UAW-Meldungen in den Jahren 2001 und 2002 sei zudem durch die aktive negative Informationspolitik des BfArM zu erklären. Im Gegensatz zum BfArM habe die schweizerische Behörde nicht auf Vorlage präklinischer Studien bestanden, sondern nur eine Anwendungsbeobachtung gefordert, die jedoch wegen des deutschen Kava-Kava-Verbots abgebrochen worden sei. In den USA würden Kava-Kava-Produkte nach wie vor als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht. 15Die Risiken in Betracht zu ziehender Alternativpräparate - insbesondere Benzodiazepine und Antidepressiva - seien ungleich höher als die der betroffenen Kava-Kava-Produkte. Das angestrebte Ziel der Verminderung von Therapierisiken könne mit dem Widerruf nicht erreicht werden. Anstelle des geringeren Risikos von Kava-Kava-Produkten lasse das BfArM zu, Arzneimittel einzusetzen, deren Anwendung für die Patienten mit weit größeren Risiken verbunden sei. Noch bis zum Jahr 2001 habe das BfArM Neuzulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt. 16Mit Auflagenbeschluss vom 30. Oktober 2012 hat das Verwaltungsgericht der Beklagten in mehreren Parallelverfahren aufgegeben, eine Zusammenstellung nebst Wirksamkeitsbelegen und Nebenwirkungsprofil von Benzodiazepin-haltigen, in Deutschland verkehrsfähigen Arzneimitteln vorzulegen, deren Anwendungsgebiet ganz oder teilweise der Indikation „Nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände“ entspricht. Zugleich hat es der Klägerin aufgegeben, darzulegen, ob und unter welchen Voraussetzungen toxikologische Untersuchungen in vivo mit dem Wirkstoff ihres Arzneimittels an einer weiteren Tierart, die nicht Nagetier ist, durchgeführt werden können. 17Die Beklagte ist diesen Auflagen in den Parallelverfahren nachgekommen und hat hierzu erwidert, es sei reine Spekulation und durch nichts belegt, dass Patienten nach dem Verbot von Kava-Kava auf Benzodiazepine übergegangen seien. Deren Verwendung sei durch die Hinweise an die Ärzte zum bestimmungsgemäßen Gebrauch von Benzodiazepin-haltigen Präparaten limitiert. Auch weise die Fachinformation auf den überwiegenden Einsatz dieser Arzneistoffe bei schweren Angstzuständen, Schlafstörungen sowie zur Behandlung von Muskelverspannungen und Epilepsien sowie die zeitliche Begrenzung einer Behandlung hin. Zur symptomatischen Behandlung von Angstzuständen (Leitsymptomatik: Angst, innere Unruhe, Spannungszustände) stehe der Wirkstoff Buspiron zur Verfügung, ein Serotonin ohne erhöhtes Abhängigkeitspotential, aber mit verzögertem Wirkungseintritt. Daneben hat das BfArM auf unterschiedliche Psychopharmaka, ferner auf andere pflanzliche Präparate wie Baldrian, Hopfen, Melisse, Passionsblume oder Johanniskraut verwiesen. Die von Klägerseite vertretene Annahme unterschiedlicher Risiken verschiedener Kava-Kava-Kultivare sei spekulativ, da sich die Nebenwirkungsmeldungen gleichmäßig auf die verschiedenen Kultivare und Extrakte verteilten. In einem Fall sei es sogar zu einer „positiven Rechallenge“ - einem Wiederauftreten der Nebenwirkung nach erneuter Gabe - gekommen, was eine gesicherte Kausalität begründe. Zudem habe sich in mehreren vom National Toxicology Program (NTP) der USA mit einem handelsüblichen Kava-Kava-Extrakt durchgeführten Studien ergeben, dass die Leber Hauptzielorgan toxischer und kanzerogener Effekte sei. 18Die dortigen Klägerinnen, auf deren Vortrag die Klägerin im vorliegenden Verfahren Bezug genommen hat, haben sich in ihrer Gegenäußerung zum Auflagenbeschluss gegen das Erfordernis weiterer tierexperimenteller Toxizitätsstudien gewandt und dazu ausgeführt: Das bisherige Datenmaterial habe ein hepatotoxisches Potential von Kava-Kava nicht belegen können. Nebenwirkungen seien insoweit in der Vergangenheit in erster Linie bei acetonischen Kava-Kava-Extrakten und minderwertigen Sorten aufgetreten. Unter Zugrundelegung des zutreffenden Bewertungsschemas wären zahlreiche Meldungen nicht auf Kava-Kava zurückzuführen. Der einzelne Fall einer Rechallenge hätte in diesem Licht unter dem Gesichtspunkt einer Allergie bewertet werden müssen. Zur Gewinnung weiterer Erkenntnisse über das Risiko am Menschen sei eine Beobachtung von Patienten im Rahmen der laufenden Behandlung geeignet (sog. Post Authorisation Safety Study, „PASS“). Entsprechendes sei vom BfArM auch im Fall von Pelargonium („Umckaloabo“) akzeptiert worden. Die bestehende toxikologische Datenlage reiche aus. Es lägen allein in Deutschland Erfahrungswerte über einen Zeitraum von 100 Jahren vor. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang u.a. auf eine Reihe - teils neuerer - Studien, die ein hepatotoxisches Risiko des ethanolischen Extrakts, insbesondere bei einer Anwendungsdauer von bis zu vier Wochen, nicht hätten belegen können. In den USA sei Kava-Kava nach wie vor unbeanstandet als Nahrungsergänzungsmittel verkehrsfähig. Kanzerogene Effekte seien bei Mäusen festgestellt worden; dieses Spezies-spezifische Phänomen trete in dieser Form auch bei Benzodiazepinen auf und erfordere eine Langzeitgabe sehr hoher Dosen. Zudem hätten andere Studien gezeigt, dass Kava-Kava nicht mutagen sei. Die Beklagte lasse - der Zulassungspraxis des BfArM widersprechend - bei der Auswertung der Nebenwirkungsmeldungen konsequent die erforderliche Differenzierung der Arzneimittel nach Art der Droge und Extraktionsmittel vermissen. 19Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten seien Benzodiazepine bei der Nutzen-Risiko-Abwägung von Kava-Kava durchaus in den Blick zu nehmen. Die Beklagte selbst benenne Benzodiazepine als risikoärmere Alternative zu Kava-Kava. Angesichts des teilweise identischen Anwendungsgebiets von Kava-Kava und mit Blick auf die Verschreibungszahlen 1998 und 1999 lasse sich feststellen, dass bei etwa jeder 10. Verordnung die Wahl auf Kava-Kava als risikoärmere Alternative zu Benzodiazepinen gefallen sei. Das von der Beklagten aufgrund des Auflagenbeschlusses vorgelegte Material belege ein erhebliches Nebenwirkungspotential von Benzodiazepinen, die in ihrer Schwere einer Hepatotoxizität entsprächen oder über diese hinausgingen, wie etwa die Gefahr einer missbräuchlichen Überdosierung und Selbsttötungen unter Zuhilfenahme von Benzodiazepinen. Auch das von der Beklagten angeführte Buspiron weise ein größeres Abhängigkeitspotential als Kava-Kava auf und sei nebenwirkungsbehaftet. Vergleichbares gelte für Antidepressiva, auch in Bezug auf Leberschädigungen. Johanniskraut zeige Wechselwirkungen zu anderen Arzneimitteln, führe zu Lichtempfindlichkeit und müsse über einen längeren Zeitraum eingenommen werden, um überhaupt eine Wirkung zu zeitigen. 20Auch bestehe eine Asymmetrie in der Risikobewertung des BfArM bei Phytopharmaka. Es stelle sich die Frage, warum bei einem freiverkäuflichen Arzneimittel wie „Umckaloabo“ mit dem Wirkstoff aus der Pelargoniumwurzel, das ebenfalls im Verdacht stehe, Leberschädigungen hervorzurufen, dieses Risiko in Kauf genommen werde, bei Kava-Kava jedoch trotz von den Unternehmen angebotener Transaminasen-Kontrollen, der Verschreibungspflicht und des hochwertigen Anwendungsgebiets die Zulassungen widerrufen würden. 21Die Klägerin hat beantragt, 22den Bescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2012 aufzuheben. 23Die Beklagte hat beantragt, 24 die Klage abzuweisen. 25Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft und ergänzend Folgendes ausgeführt: Die von der britischen Gesundheitsbehörde in ihrem Bericht aus dem Jahr 2006 aufgeführten 110 Nebenwirkungsverdachtsfälle beschränkten sich nicht auf acetonische Extrakte, sondern hätten in der Mehrzahl der Fälle ethanolische Extrakte betroffen. Die seitens der Unternehmen vorgelegten toxikologischen Untersuchungen seien nicht geeignet, die Risikofreiheit des Wirkstoffs zu belegen. Insbesondere geeignete Tierstudien stünden aus. Eine Kurzzeitanwendung von nur vier Wochen sei angesichts des Krankheitsbildes auch wenig realistisch. Die einschlägigen Guidelines forderten eine Studiendauer bei Nicht-Nagern von neun Monaten. Auch die Wirksamkeit sei nicht hinreichend belegt. Insbesondere sei die Darstellung, die Monographie der Kommission E beruhe auf einer DC-Messung, nicht belegt. Aus den Unterlagen zur Monographieerstellung der Kommission E gehe hervor, dass die Bestimmung auch zum damaligen Zeitpunkt schon mit der HPLC-Methode erfolgt sei. Die zwischenzeitliche Erhöhung der Tagesdosis über den monographiekonformen Wert von 60 bis 120 mg Kava-Pyrone hinaus sei nicht geeignet, das negative Nutzen-Risiko-Verhältnis zu ändern. Der Klägerin sei zwar darin zuzustimmen, dass in der Phytotherapie der arzneilich wirksame Bestandteil durch das Extraktionsmittel und das Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) eindeutig gekennzeichnet sei und eine Änderung des Extraktionsmittels bzw. des DEV auch zu einem anderen Wirkstoff führe. Nur die Berücksichtigung ethanolischer Extrakte reduziere aber auch das zugunsten der Klägerin vorgelegte Studienmaterial immens, da dann alle Ergebnisse zu wässrigen, acetonischen oder CO2-Extrakten nicht berücksichtigungsfähig seien. Die Beklagte sieht sich durch die NTP-Studie in ihrer Risikobewertung bestätigt. Dass die US-amerikanische Behörde hieraus keinen Handlungsbedarf abgeleitet habe, sei ohne Belang. Die von der Klägerin herangezogenen neueren Studien seien nicht hinreichend aussagekräftig. Die Möglichkeit der Anordnung von Post Authorization Safety Studies sei erst durch das 2. AMG-Änderungsgesetz vom 19. Oktober 2012 geschaffen worden. 26Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2012 durch Urteil vom 20. Mai 2014 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Nutzen-Risiko-Verhältnis Kava-Kava-haltiger Arzneimittel der hier streitgegenständlichen Art erweise sich nicht als ungünstig. Wenngleich die Monographie „Piperis methystici rhizoma" der Kommission E vom 1. Juni 1990, aus der die Klägerin die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel im Wesentlichen herleite, nicht auf einer aktuellen Erfordernissen genügenden klinischen Erprobung des Wirkstoffs beruhe, sei sie in der Folgezeit Grundlage für eine Vielzahl von Zulassungen und Nachzulassungen Kava-Kava-haltiger Präparaten gewesen, ohne dass insoweit eine sachliche Unterscheidung zwischen ethanolischen und anderen Auszügen erfolgt sei. Diese Wirksamkeitsaussage habe das BfArM im gerichtlichen Verfahren nicht substantiiert angegriffen. Auch habe sich die Kommission E noch im Jahre 2002 in Kenntnis der bekannten Risikoaspekte für die Verkehrsfähigkeit der Produkte unter dem Vorbehalt bestimmter Sicherheitsmaßnahmen ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund könne den vom Widerruf betroffenen Arzneimitteln ungeachtet ihrer Dosierung nicht jede Wirksamkeit von vornherein abgesprochen werden. Wegen des abweichenden Prüfungsmaßstabs des § 30 Abs. 1 AMG komme es auf die Frage, ob die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in einer den Anforderungen des § 22 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 AMG genügenden Weise begründbar sei, nicht an. 27Dem durch die Zulassungsbescheide belegten Nutzen der Präparate in den Anwendungsgebieten „nervöse Angst, Spannungs- und Unruhezustände" stünden Anwendungsrisiken in Gestalt hepatotoxischer Ereignisse gegenüber. Die in dem Bericht der WHO dokumentierten Fälle lebertoxischer Reaktionen seien im Rahmen einer quantitativen Gewichtung angesichts der weiten Verbreitung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel als „selten" oder „sehr selten" auftretende Nebenwirkungen auszuweisen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin nachvollziehbar dargelegt habe, dass in die Berichte der WHO und der MHRA auch Meldungen aus Deutschland eingeflossen seien und deswegen eine doppelte Berücksichtigung ein und desselben Ereignisses nahe liege. Inhaltlich sei das zu den hepatotoxischen Nebenwirkungen vorliegende Zahlenmaterial nicht konsistent. Das aus Großbritannien ausgewertete Zahlenmaterial beziehe sich auf die Anwendung von Kava-Kava in einem anderen Anwendungsgebiet, nämlich Blasenerkrankungen. Zudem erschwere die Multikausalität von Leberschädigungen die Zuordnung zu einer bestimmten Medikamentengabe. Die Klägerin habe nachvollziehbar dargelegt, dass es auch in sog. „Rechallenge-Fällen" einer Dokumentation der Komedikation bedürfe, um eine tragfähige Wahrscheinlichkeitsaussage treffen zu können. In der vorliegenden Gestalt lasse das Zahlenmaterial nur die Aussage einer möglichen Verknüpfung von Nebenwirkungen durch Kava-Kava-Gabe zu. Dies gelte auch für ethanolische Extrakte. 28Im Rahmen der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses hat das Verwaltungsgericht zunächst darauf hingewiesen, dass das monographierte Anwendungsgebiet „nervöse Angst, Spannungs- und Unruhezustände" sich mit dem für Benzodiazepine zugelassenen Anwendungsgebiet überschneide. Obwohl es sich bei Letzteren um zugelassene und verschreibungspflichtige Arzneimittel handele, gingen von diesen Wirkstoffen erhebliche Gefahren aus. Es bestehe schon bei therapeutischen Dosierungen ein sehr hohes Abhängigkeitspotential. Benzodiazepine würden weltweit als Medikamente mit der höchsten Missbrauchsrate gelten. Seit 2002 habe es für Benzodiazepine insgesamt 4.478 UAW-Meldungen gegeben, die sich über eine Vielzahl von unerwünschten Nebenwirkungen erstreckten und - soweit schwer - bei Suizidversuchen und Suchtmissbrauch deutliche Spitzen aufwiesen, vereinzelt aber auch Leberschädigungen zeigten. Vor diesem Hintergrund könne nicht von einer risikoärmeren Alternative zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln ausgegangen werden. Das gelte in abgeschwächter Form auch für das vom BfArM angeführte Buspiron und die erwähnten Antidepressiva. Zudem seien im Rahmen einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Übermaßverbot orientierten Nutzen-Risiko-Abwägung andere regulatorische Maßnahmen zur Risikominimierung zu berücksichtigen, die eine weitere Verkehrsfähigkeit der Produkte ohne unvertretbare Gefahren für die öffentliche Gesundheit gewährleisteten. Hierzu zählten die Verschreibungspflicht, Gegenanzeigen, Anwendungsbeschränkungen, eine ausdrückliche Beschränkung der Anwendungsdauer sowie eine begleitende regelmäßige Erhebung der Leberwerte. Hinzu trete die nunmehr gemäß § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG auch nach Erteilung der Zulassung bestehende Möglichkeit der Bundesoberbehörde, im Wege der Auflage anzuordnen, Unbedenklichkeitsprüfungen durchzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich sei. Angesichts des Umstandes, dass bislang die Anhaltspunkte für ein hepatotoxisches Risiko der streitbefangenen Produkte nicht mit der genügenden Sicherheit hätten verifiziert werden können, wäre eine solche nachgelagerte Erprobung bei fortbestehender Marktfähigkeit unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten naheliegend und das gegenüber dem Widerruf mildere Mittel. 29Die Beklagte hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht: Die Möglichkeit, eine Unbedenklichkeitsstudie anzuordnen, bestehe nicht. Das materielle Recht, insbesondere § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG, eröffne nicht die Möglichkeit, nach Zulassung eine Unbedenklichkeitsstudie anzuordnen. Es bestehe kein Ansatz dafür, dass die Vorschrift auf vor ihrem Inkrafttreten eingeleitete (und abgeschlossene) Risikoverfahren Anwendung finde. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass die aktuelle Bewertung der Wirksamkeit des Arzneimittels ein maßgeblicher Abwägungsbelang bei der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses sei. Die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel sei bereits bei Erstellung der Monographie der Kommission E fraglich gewesen. Wegen der geringen Bedeutung von Kava-Kava sei zunächst eine Negativmonographie erstellt worden. Die von der Kommission E in Bezug auf die Wirksamkeit angenommene Plausibilität würde und könnte unter den heutigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer traditionellen Registrierung gemäß § 39c AMG führen, womit allerdings eine sehr viel kritischere Nutzen-Risiko-Bewertung einhergehe. Schon zum Zeitpunkt der Stufenplanentscheidung hätten dem BfArM keine Studien vorgelegen, die eine Wirksamkeit ausreichend belegt hätten. Das Herbal Medicinal Product Commitee (HMPC) habe in einer öffentlichen Stellungnahme „Piperis methystici rhizoma“ als einen der Wirkstoffe benannt, für die die Erstellung einer Positivmonographie nicht erfolgversprechend erscheine. Das angegriffene Urteil überspanne die Anforderungen an den Verdachtsgrad schädlicher Nebenwirkungen. Wenn - wie vorliegend - eine größere Anzahl von Verdachtsfällen zusammenkomme, ergebe sich der begründete Verdacht des Auftretens unvertretbarer schädlicher Wirkungen mit zumindest möglicher Kausalität. Da es sich hier um sehr schwerwiegende Nebenwirkungen mit ernsten Konsequenzen gehandelt habe, seien zum Schutz der Patienten einschneidende Maßnahmen gerechtfertigt gewesen. Die vom Gericht beanstandete fehlende Häufigkeit der Nebenwirkungen sei aus den Daten der Spontanerfassung bekanntermaßen nicht verlässlich ableitbar. Insoweit sei insbesondere die hohe Dunkelziffer zu berücksichtigen. Quantitative Aussagen zur Häufigkeit von Nebenwirkungen seien nur durch Studien mit systematischer Datenerfassung und ausreichender Anzahl eingeschlossener Patienten zu treffen. Entscheidend sei das Vorliegen einer Reihe von Fällen schwerwiegender Nebenwirkungen, bei denen ein kausaler Zusammenhang mit der Anwendung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln zumindest möglich erscheine. Dieser sei nach den dem BfArM vorliegenden - im Folgenden nochmals zusammengefassten - Erkenntnissen gegeben. Daraus gehe hervor, dass Kava-Kava eindeutig das Potential zu schwerer Lebertoxizität habe, wobei auch idosynkratische Leberschädigungen eine denkbare Erklärungsmöglichkeit seien. Die Darstellung der Klägerin zu Inzidenzraten bleibe unklar. An der Arbeit von Teschke et al. sei auffällig, dass der Kausalzusammenhang in 13 Fällen wegen anderer nicht medikamentöser Ursachen verneint worden sei und dies in drei beispielhaft aufgeführten Fällen nicht mit den differenzialdiagnostischen Feststellungen der Ärzte, von denen diese Fallberichte stammten, in Einklang stehe. In der bisherigen Diskussion zu Noble-Kava und den zu erwartenden Qualitätsunterschieden habe die Klägerin bislang nicht belegt, welche Kava-Qualität sie in den 80er/90er Jahren verwendet habe. Es sei auch nicht dargelegt, ob die klinischen Studien, die der damaligen Zulassung zugrunde lagen, ausschließlich mit Noble-Kava durchgeführt worden seien. 30Auch wenn der für die NTP-Studie verwendete Extrakt mit überkritischem Kohlendioxyd nicht mit den ethanolischen Extrakten vergleichbar sei - was sich angesichts der 96%igen Ethanolkonzentration jedoch diskutieren ließe -, seien die dort gewonnen Schlussfolgerungen als Hintergrundinformation bei der Bewertung mit einzubeziehen. Mit Bezug auf den Mechanismus der Hepatotoxizität seien zudem die Ergebnisse weiterer im Einzelnen aufgeführter Publikationen aus den Jahren 2011 und 2012 zu berücksichtigen. 31Die Nutzen-Risiko-Abwägung des Verwaltungsgerichts verdiene Kritik. Die dort angeführte Überschneidung der Anwendungsgebiete von Benzodiazepin- und Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln wiege die Unterschiede beider Arzneimittel nicht auf. Vielmehr sei mit Blick auf etwaige Behandlungsalternativen insbesondere die interdisziplinäre S3-Leitlinie „Behandlung von Angststörungen" in den Blick zu nehmen. Benzodiazepine zählten danach weder zu den Arzneimitteln der ersten noch der zweiten Wahl für die Angstbehandlung. Dazu zählten demgegenüber selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, Pregabalin, Buspiron, Opipramol, Hydroxyzin und damit Arzneimittel mit einem guten Nutzen-Risiko-Verhältnis. Abgesehen davon handele es sich bei der mit einer Behandlung mit Benzodiazepinen vielfach auftretenden Abhängigkeit um eine Niedrigdosisabhängigkeit, die keine Abhängigkeit im eigentlichen Sinne sei. Das Verwaltungsgericht setze sich auch in Widerspruch zu den von ihm selbst aufgestellten Kriterien, wenn es die missbräuchliche Verwendung von Benzodiazepinen in die Abwägung einfließen lasse. Darüber hinaus stünden auch aus dem Bereich der pflanzlichen Arzneimittel Behandlungsalternativen, etwa Baldrianwurzelzubereitungen oder Lavendelöl, zur Verfügung. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass dem Widerruf die Anordnung des Ruhens als milderes Mittel vorausgegangen sei. Die Widerrufsentscheidung habe darauf beruht, dass die Zulassungsinhaber nicht bereit gewesen seien, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen bzw. weiteres wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorzulegen. Auch wenn man die geänderte Rechtslage zugrundelegte, wäre die Anordnung einer Unbedenklichkeitsstudie kein gleich geeignetes, erst recht kein milderes Mittel. Denn sie lasse nicht den Versagungsgrund des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses entfallen, sondern diene allein dem Gewinn neuer Erkenntnisse und der Erforschung der Risiken. Folglich führe eine solche Studie nicht zu einer Risikominimierung und wirke sich deswegen nicht positiv auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis aus. Das Risikoverfahren zu pelargoniumwurzelhaltigen Arzneimitteln sei mit dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbar und müsse differenziert bewertet werden. 32Die Beklagte beantragt, 33das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Mai 2014 zu ändern und die Klage abzuweisen. 34Die Klägerin beantragt, 35die Berufung zurückzuweisen. 36Zur Begründung führt sie aus: Nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden materiellen Recht hätte die Beklagte die Durchführung einer PASS anordnen können. Zudem sei es eine stets geübte Praxis des BfArM gewesen, auf der Grundlage von § 30 AMG i.V.m. § 36 VwVfG entsprechende Anordnungen zu treffen. Die Ausführungen der Beklagten zur Nutzen-Risiko-Bewertung des Verwaltungsgerichts seien nicht überzeugend. Nach Erstellung der Monographie der Kommission E habe sich die Erkenntnislage eindeutig zu Gunsten von Kava-Kava verbessert. Das BfArM habe dies dadurch bestätigt, dass es gestützt auf diese Monographie und die nachfolgend publizierten klinischen Prüfungen sehr viele Zulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt habe und zwar mit einem Status nach § 22 Abs. 3 AMG. Die von der Beklagten zitierte öffentliche Stellungnahme des HMPC führe zu keiner anderen Bewertung der Wirksamkeit von Kava-Kava. Die darin enthaltenen Aussagen beträfen traditionelle pflanzliche Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig seien, und könnten nicht auf die hier streitbefangenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel erstreckt werden. In Bezug auf die in Rede stehenden Nebenwirkungen sei zwischen Kava-Kava-Präparaten aus Noble-Kava mit ethanolischem Extrakt und solchen aus Two-Day-Kava mit acetonischem Extrakt zu unterscheiden. Bei Ersteren ergebe sich aus den vorliegenden Erkenntnissen allenfalls ein schwacher Verdacht für Nebenwirkungen. Im Zusammenhang mit möglichen Behandlungsalternativen führe die Beklagte Arzneimittel an, die für andere Anwendungsgebiete zugelassen seien als Kava-Kava, und verharmlose überdies das bei einer Behandlung mit Benzodiazepinen bestehende Abhängigkeitsrisiko. Entsprechendes gelte mit Bezug auf die in der interdisziplinären S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen aufgeführten Arzneimittel. Die von der Beklagten als Behandlungsalternative benannten pflanzlichen Arzneimittel deckten nicht die gleichen Erkrankungen ab. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehe bei Pelargoniumwurzelpräparaten und Kava-Kava-Präparaten in fachlich-medizinischer Hinsicht eine vergleichbare Situation. Insofern sei es bemerkenswert, dass das BfArM nur bei Ersteren, nicht hingegen bei Letzteren die Möglichkeit gesehen habe, eine PASS durchzuführen. 37Durch Änderungsanzeige vom 12. Februar 2015 hat die Klägerin die Erhöhung der Dosierung auf dreimal täglich 4 ml (entsprechend 240 mg Kava-Pyrone täglich) angezeigt. 38Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten. 39Entscheidungsgründe: 40Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. 41Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der 42Widerrufsbescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Februar 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 43Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung des Arzneimittels Kava-S. -Tropfen N sind nicht erfüllt. 44Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheides ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz, hier also der Berufungsverhandlung, entscheidend. Der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts richtet sich nach dem jeweiligen materiellen Recht. Für die Anfechtungsklage gilt im Allgemeinen, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, es sei denn, das materielle Recht regelt etwas Abweichendes. 45Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 1989 - 7 C 39.87 -, juris, Rn. 8, und vom 1. Juni 2011 - 8 C 4.10 -, juris, Rn. 19. 46Letzteres muss nicht zwingend in Gestalt einer ausdrücklichen fachgesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommen, sondern kann sich auch aus dem Sinn und Zweck des jeweils einschlägigen Normgefüges ergeben. 47Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, 2014, § 113, Rn. 96. 48Dies ist hier der Fall. Einerseits erfordert der in § 1 AMG niedergelegte Gesetzeszweck der Arzneimittelsicherheit - wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend festgestellt hat - die Berücksichtigung von Änderungen der Sach- und Rechtslage nach der letzten behördlichen Entscheidung. 49Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 -, juris, Rn. 28 f. 50Andererseits gebietet dies die besondere Eingriffsintensität des Widerrufs in die Grundrechte der pharmazeutischen Unternehmer. Denn die Wiedererlangung der Zulassung ist nach deren bestandskräftigem Widerruf erheblich erschwert. Das folgt daraus, dass die Versagungsgründe des § 25 Abs. 2 AMG nicht deckungsgleich mit den Widerrufsgründen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMG sind. Insbesondere ist der Widerruf der Zulassung nicht vorgesehen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Nr. 2 AMG nachträglich eingetreten ist, also dann, wenn das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 AMG nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entspricht. Angesichts dessen ist es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten geboten, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Bestätigt wird dies durch den in § 30 Abs. 2a AMG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken einer gegenüber dem Widerruf vorrangigen Anpassung der Zulassung nach Maßgabe der jeweils geltenden Sach- und Rechtslage. 51Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung richtet sich deswegen nach § 30 Abs. 1, 2a AMG in der Fassung vom 19. Dezember 2012. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMG ist die Arzneimittelzulassung zu widerrufen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG nachträglich eingetreten ist, das heißt, wenn sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Präparats nachträglich als ungünstig erweist. Gemäß § 30 Abs. 2a Satz 1 1. Alt. AMG ist die Zulassung zu ändern, wenn dadurch der in Absatz 1 genannte betreffende Versagungsgrund entfällt. Ein Widerruf der Zulassung ist danach nur gerechtfertigt, wenn das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines Arzneimittels ungünstig ist und dem durch eine Änderung der Zulassung nicht abgeholfen werden kann. Die Zulassungsänderung hat damit bei Vorliegen eines Versagungsgrundes Vorrang gegenüber dem Widerruf, mit der Folge, dass dieser rechtswidrig ist, wenn die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2a AMG erfüllt sind. 52Vgl. zu § 30 AMG a.F. Krüger, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 30, Rn. 34. 53Das ist hier der Fall. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis des streitbefangenen Arzneimittels ist derzeit ungünstig (I.). Dies rechtfertigt aber nicht den Widerruf der Zulassung, weil dieser Versagungsgrund bereits durch deren Änderung ausgeräumt werden kann (II.). 54(I.) Das Nutzen-Risiko-Verhältnis umfasst nach § 4 Abs. 28 AMG eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko nach Absatz 27 lit. a. Dies ist jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten. Mit dem Begriff des Risikos wird ebenso wie bei der früheren Gesetzesfassung des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG jede Art von schädlichen Wirkungen erfasst, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Nach der bis zum 5. September 2005 geltenden Vorschrift durfte die Zulassung versagt werden, wenn bei dem Arzneimittel der begründete Verdacht bestand, dass es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen (vgl. auch § 5 Abs. 2 AMG). Mit der Änderung des Wortlauts des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG, die der Angleichung an die Richtlinienvorgaben diente, ist keine inhaltliche Änderung verbunden. Beide Fassungen erstrecken sich auf jegliche Nebenwirkungen. Unter Nebenwirkungen sind die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittels auftretenden schädlichen unbeabsichtigten Reaktionen zu verstehen (§ 4 Abs. 13 AMG), also nicht nur pharmakologisch-toxikologische Wirkungen, sondern jedwede unerwünschte Folge. Der erforderliche Verdacht schädlicher Wirkungen liegt vor, wenn ernstzunehmende Erkenntnisse den Schluss nahelegen, dass das Arzneimittel unvertretbare Nebenwirkungen hat. 55Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, NVwZ-RR 2010, 330 = juris, Rn. 32 ff., sowie Beschluss vom 12. Juni 2012 - 3 B 88.11 - , juris, Rn. 3; OVG NRW, Urteile vom 7. November 2012 - 13 A 2710/08 -, juris, Rn. 39 ff. und vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 - , juris, Rn. 34; BT-Drs. 15/5316, S. 38. 56Dafür bedarf es keines positiven Nachweises der kausalen Beziehung zwischen der Einnahme des Arzneimittels und aufgetretenen Nebenwirkungen, weil dies dem Gebot der Arzneimittelsicherheit zuwiderlaufen würde. 57Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 3 C 36.06 -, Pharma Recht 2007, 423 = NVwZ-RR 2007, 774; OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2009 - 13 A 1428/08 -, juris, Rn. 11; OVG Berlin, Urteil vom 16. September 1999 - 5 B 34.97 -, juris, Rn. 17; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand: 2012, § 25, Rn. 76, m. w. N. 58Insbesondere dann, wenn schwere Gesundheitsgefahren in Rede stehen, reicht es aus, wenn die entfernte Möglichkeit einer Risikoverwirklichung besteht. 59Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2009 - 13 A 1428/08 -, juris, Rn. 13. 60Ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis folgt nicht bereits daraus, dass die bezweckte therapeutische Wirksamkeit eines Arzneimittels nicht (mehr) belegt ist. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, begründen Zweifel an der Wirksamkeit oder eine unzureichende Wirksamkeitsbegründung nicht automatisch die Annahme eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses und rechtfertigen daher für sich genommen nicht die Aufhebung der Zulassung, die nur auf die feststehende fehlende Wirksamkeit gestützt werden kann (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG). 61Vgl. dazu Krüger, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 30, Rn. 15. 62Nach aktuellem Erkenntnisstand bestehende Zweifel an der Wirksamkeit eines Arzneimittels sind für die im Rahmen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG zu treffende Prognoseentscheidung gleichwohl von Bedeutung. Denn unter der Voraussetzung, dass die insoweit darlegungs- und materiell beweispflichtige Behörde sie konkret begründet hat, bilden sie einen Abwägungsbelang, der auf dritter Stufe bei der Abwägung des festgestellten Nutzens und der Risiken eines Arzneimittels zu berücksichtigen ist. 63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 -, juris, Rn. 43. 64Hierbei sind Gesichtspunkte wie Indikation, Schwere des zu behandelnden Defekts, Behandlungsnotwendigkeit, Chancen eines Behandlungserfolges sowie eventuelle Behandlungsalternativen gegen solche wie Schweregrad und Häufigkeit der unerwünschten Nebenwirkung, die Rückbildungswahrscheinlichkeit (Reversibilität), mutmaßliche Gegenmaßnahmen und Suchtpotential im Sinne einer Vertretbarkeitsentscheidung gegeneinander abzuwägen. 65Vgl. zu den Abwägungskriterien: Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand 2012, § 25 Rn. 77; Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, § 25, Rn. 56. 66Voraussetzung für den Widerruf ist, dass die mit dem Verdacht schädlicher Wirkungen verbundenen Risiken gegenüber dem therapeutischen Nutzen des Arzneimittels überwiegen. 67Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 3 C 36.06 -, Pharma Recht 2007, 423 = NVwZ-RR 2007, 774. 68Die materielle Beweislast für das Vorliegen sämtlicher tatbestandlichen Voraussetzungen des den Widerruf der Zulassung auslösenden Versagungsgrundes trägt die Beklagte, 69vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1993 - 3 C 46.91 -, juris, Rn. 31; Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 58, 70mit der Folge, dass insoweit verbleibende Zweifel zu ihren Lasten gehen und sie das Risiko der Unaufklärbarkeit des Sachverhalts trägt. 71Hiervon ausgehend gilt für die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des hier streitgegenständlichen Arzneimittels Folgendes: 72(1) Kernkriterium für die Bewertung des Nutzens eines Arzneimittels ist seine therapeutische Wirksamkeit. Diese ist für das Präparat Kava-S. -Tropfen N mit einer Tagesdosierung von 240 mg Kava-Pyrone zu bejahen. Mit dieser Dosierung gilt das Präparat Kava-S. -Tropfen N, für das bislang keine Nachzulassung erteilt worden ist, als zugelassen. Für das Arzneimittel hat die Klägerin im Februar 2015 eine Dosierungsänderung angezeigt, die mangels bestehender Genehmigungspflicht zu einer entsprechenden Modifizierung der fiktiven Zulassung geführt hat (vgl. § 105 Abs. 3a Satz 1 AMG). Unschädlich ist insoweit, dass die Änderungsanzeige erst im laufenden Berufungsverfahren gestellt worden ist. Denn der sofortige Vollzug des Widerrufs berührt die Wirksamkeit der Zulassung nicht. 73Die Wirksamkeit des streitgegenständlichen Präparats wird weder durch das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten noch durch ihr Vorbringen im Berufungsverfahren durchgreifend in Zweifel gezogen. 74Mit ihrer Monographie „Piperis methystici rhizoma“ („Kava-Kava-Wurzelstock“) vom 1. Juni 1990 hat die Kommission E die anxiolytische, also angstlösende Wirkung des Wirkstoffs für die Anwendungsgebiete „Nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände“ unter Angabe einer Tagesdosis von Droge und Zubereitung entsprechend 60-120 mg Kava-Pyrone festgestellt. In weitgehender Übereinstimmung damit steht die Aussage der entsprechenden im Jahr 2003 veröffentlichten Monographie der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP), des europäischen Dachverbandes der nationalen Gesellschaften für Phytotherapie. Darin ist als Anwendungsgebiet „Anxiety, tension and restlessness arising from various causes of non psychotic origin“ mit einer Tagesdosierung von 60-120 mg Kavalactonen angegeben. 75Vgl. ESCOP Monographs, 2003, The scientific foundation for herbal medicinal products, S. 365 ff. 76Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt den von den unterschiedlichen Kommissionen aufgestellten Kriterien und Empfehlungen die Qualität antizipierter Sachverständigengutachten zu. 77Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, juris, Rn. 25, und vom 16. Oktober 2008 - 3 C 24.07 -, juris, Rn 20. 78Sie geben den jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wieder und sind einer Neubewertung zugänglich. Stellungnahmen der Kommissionen sind anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG. Die Zulassungsbehörde ist nicht an die in der Monographie getroffene Aussage gebunden. 79Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 177. 80Da sachverständige Feststellungen bei besserer Erkenntnis ersetzt werden können (und müssen), darf die Kommission von früheren Feststellungen in Aufbereitungsmonographien abweichen. 81Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, juris, Rn. 27. 82Handelt es sich dabei um allgemeine Aussagen, sind diese als sachverständige Äußerung zu bewerten. 83Vgl. dazu Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 178. 84Die Kommission E verfügt über besondere Sach- und Fachkunde. Hieraus und nicht zuletzt deswegen, weil es sich dabei um ein neutrales Sachverständigengremium handelt, folgt die besondere Bedeutung ihrer Stellungnahmen. Die Mitglieder der Kommission E sind Sachverständige mit besonderen Kenntnissen der wissenschaftlichen und/oder praktischen Phytotherapie. Die Kommission ist interdisziplinär mit Experten für Toxikologie, experimentelle Pharmakologie, Biometrie, pharmazeutische Biologie sowie Ärzten und Heilpraktikern, die Phytopharmaka praktisch einsetzen, zusammengesetzt. Diese werden alle drei Jahre von Verbänden der Fachrichtung vorgeschlagen und vom Bundesgesundheitsministerium benannt. 85Vergleichbares gilt bezogen auf die Monographien der ESCOP. Wenngleich sie keinen gesetzlichen Standard definieren, dienen sie dazu, die beste verfügbare wissenschaftliche Evidenz auf der Basis der aktuellen Literatur zusammenzustellen. 86Vgl. Pharmazeutische Zeitung online „Monographien als Richtschnur“ 13/2014 abrufbar unter: http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=51461. 87Die Beklagte hat die Monographie der Kommission E aus 1990 im Zulassungsverfahren als Wirksamkeitsbeleg zugrunde gelegt, ohne weitere Erkenntnisse zu fordern oder beizuziehen. Angesichts dessen sieht der Senat keine Veranlassung, die Wirksamkeit des Arzneimittels bezogen auf diesen Zeitpunkt anzuzweifeln, zumal die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid selbst konstatiert, dass das Votum der Kommission E dem Erkenntnisstand der frühen 1990er Jahre entsprochen habe. 88Demgegenüber fehlen Vortrag und Anhalt dafür, dass dieser Erkenntnisstand durch neuere Erkenntnisse, die ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel begründen, überholt ist. Im Gegenteil: Die Kommission E hat sich aufgrund der Einleitung des Stufenplanverfahrens und nach näherer Befassung mit der Angelegenheit veranlasst gesehen, in einer Anfang des Jahres 2002 verfassten öffentlichen Erklärung mitzuteilen, dass ihre Mitglieder nach wie vor von den vorgelegten wissenschaftlichen Daten zur Wirksamkeit von Kava-Kava überzeugt seien. Das impliziert, dass zum damaligen Zeitpunkt aus Expertensicht keine abweichenden neuen Erkenntnisse vorlagen. Nichts spricht dafür, dass die Kommission E zwischenzeitlich angesichts aktuellerer Forschungsergebnisse von diesem Standpunkt abgerückt ist. Insbesondere hat sie bis heute keine anderslautende Stellungnahme abgegeben. Entsprechendes gilt für die ESCOP. Die für „Piperis methystici rhizoma“ erstellte Monographie gehörte zu den ersten 80 Monographien, die die ESCOP im Jahr 2003 veröffentlicht hat. 89Vgl. ESCOP Monographs, 2003, The scientific foundation for herbal medicinal products, S. 365 ff. 90Obgleich die ESCOP ihre Monographien regelmäßig überarbeitet und aktualisiert, hat diejenige für „Piperis methystici rhizoma“ bislang keine Änderung erfahren. 91Hinzu kommt, dass die WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007 (Coulter et al., „Assessment of the risk of hepatotoxicity with kava products“) offensichtlich ebenfalls von der Wirksamkeit von Kava-Kava ausgeht. Dort heißt es, 16 gut kontrollierte Doppelblindstudien hätten die angstlösende Wirkung von Kava-Kava gezeigt (vgl. Tabelle 3, S. 6, 11). Diese Bewertung entspricht der mit dem Ziel der Untersuchung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel durchgeführten Metaanalyse einer Reihe randomisierter placebokontrollierter Doppelblindstudien von Pittler und Ernst (zuletzt, „Kava extract versus placebo for treating anxiety“, 2003). Diese hat zur Wirksamkeit der Behandlung von Angststörungen, gemessen an den Kriterien der Hamilton Anxiety Scale (HAMA) die Überlegenheit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel gegenüber Placebopräparaten ergeben. Eventuelle Mängel der analysierten Einzelstudien vermögen die Indizwirkung des Ergebnisses der Metaanalyse im Zusammenhang mit dem weiteren Erkenntnismaterial nicht zu entkräften. 92Letztlich konzediert die Beklagte selbst eine - wenngleich dosisabhängige - Wirksamkeit, wenn es in dem angefochtenen Bescheid heißt, bei Dosierungen oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone pro Tag bestehe ein gewisser Anhalt für eine Wirksamkeit in den beanspruchten Indikationen. Angesichts dessen sind Wirksamkeitszweifel auch nicht etwa deswegen angezeigt, weil die Dosierung des streitgegenständlichen Präparats - worauf noch einzugehen sein wird - über die Monographieempfehlung hinaus geht, zumal das übrige in das Verfahren eingeführte Erkenntnismaterial hierfür ebenfalls keinen Anknüpfungspunkt bietet. Hinzu kommt, dass aus dem angefochtenen Bescheid hervorgeht, dass die Wirksamkeitszweifel des BfArM nicht auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützt sind, wenn es darin heißt, aus den Ausführungen zur Wirksamkeit ergäben sich keine neuen Erkenntnisse gegenüber dem früheren Kenntnisstand (Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2012, S. 6). 93Angesichts dieser Erkenntnissituation vermag der Umstand, dass das vorliegende Studienmaterial heute nicht in jeder Hinsicht den speziell für Angsterkrankungen entwickelten Anforderungen der Guidelines der European Medicines Agency (EMA) entspricht, keine nachhaltigen Zweifel am Nutzen des Präparats zu wecken. Das gilt bereits bei einer monographiekonformen Dosierung. Da die Kommission E eine Dosierung oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone nicht vorgegeben hat, kommt es hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit auf die unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten hinsichtlich der jeweils zugrunde liegenden Berechnungsgrundlagen nicht entscheidungserheblich an. 94Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, aus der nicht zureichend belegten Wirksamkeit resultierten automatisch Wirksamkeitszweifel, ist dieser Rückschluss ohne das Hinzutreten tatsächlicher Anhaltspunkte für solche Zweifel nicht gerechtfertigt. Denn in der Konsequenz würde dies in einer nicht überschaubaren Anzahl von Fällen dazu führen, dass während der Geltungsdauer einer Zulassung die Wirksamkeit eines Arzneimittels fortlaufend neu zu belegen wäre. Überdies geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass bei der Forderung nach einer guidelinekonformen Studie die Absicht im Vordergrund steht, Daten für die weitere Nutzen-Risiko-Abwägung zu generieren. Zumindest bietet dies einen Erklärungsansatz dafür, warum das BfArM im Stufenplanbescheid auf die CPMP-Guidelinie zur klinischen Prüfung von Arzneimitteln zur Behandlung von Angststörungen in der Fassung aus den Jahren 1993/94 verwiesen hat, obgleich es - dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin zufolge - zugleich bis in das Jahr 2001 Neuzulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt hat, ohne die Vorlage entsprechender Studien verlangt zu haben. 95Die weiteren Einwände der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigen keine andere Bewertung: Ihr Hinweis darauf, dass die Kommission E im Zuge der 96Ausarbeitung der Monographie angesichts der geringen Bedeutung von Kava-Kava als Droge oder Drogenzubereitung zunächst beabsichtigte, eine Negativmonographie zu erstellen, ist unerheblich. Denn abgesehen davon, dass die geringe Bedeutung eines Wirkstoffs nichts über seine Wirksamkeit aussagt, hat die Kommission E diese Einschätzung - was entscheidend ist - letztlich revidiert und eine Positivmonographie erstellt. Darin hat sie folgende Überlegungen zur Wirksamkeit von Kava-Kava angestellt: 97 „Aufgrund der Wirkungen der isolierten Inhaltsstoffe ist eine 98 schwache, zentral relaxierende Wirkung ähnlich wie bei 99Benzodiazepinen anzunehmen. Durch Kava-Kava-Extrakt zeigt sich im quantitativen EEG eine für das anxiolytische Pharmako-EEG-Profil von Benzodiazepinen typische Steigerung der ß-Aktivität bei gleichzeitiger Abnahme der alpha-Aktivität (Johnson 1989). Neuere Studien weisen eine Wirksamkeit von Kava-Kava-Extrakt bei ,Angst, Spannungs- und Unruhezuständen‘ nach (Warnecke 1989, Bhate 1989).“ 100Soweit die Beklagte sinngemäß beanstandet, dieser Monographie liege letztlich nur eine Plausibilitätsprüfung zugrunde, ist dem entgegenzuhalten, dass die Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 ausdrücklich erklärt hat, „von den vorgelegten wissenschaftlichen Daten zur Wirksamkeit von Kava-Kava überzeugt zu sein“. Abgesehen davon sind die Überlegungen der Beklagten zu § 39c AMG bereits deswegen nicht tragfähig, weil es sich bei Kava-Kava-Präparaten um Arzneimittel handelt, die der Verschreibungspflicht unterliegen, und eine Registrierung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel deswegen ausscheidet (§ 39c Abs. 2 Nr. 2 AMG). 101Ebenso wenig stützt die Stellungnahme des Comittee on Herbal Medicine Products (HMPC) der EMA vom 6. Mai 2014 die Position der Beklagten. Zwar prognostiziert das HMPC darin, dass u.a. für den Wirkstoff „Piperis methystici rhizoma“ angesichts des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses voraussichtlich keine Monographie erteilt werden wird. Hierbei handelt es sich - was sprachlich durch die Formulierung „es ist nicht wahrscheinlich, auf ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis zu schließen“ zum Ausdruck gebracht wird - nicht um eine sichere Voraussage, sondern um eine Vorabeinschätzung. Da dieser - wie sich aus dem Bericht ergibt - aber gerade keine detaillierte Prüfung zugrunde liegt, kommt ihr kein entscheidendes Gewicht zu. Eine isolierte Aussage über die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel lässt sich auf der Grundlage dieser Aussage ohnehin nicht treffen. Hinzu kommt, dass sich der Bericht auf Wirkstoffe bezieht, die als Grundlage einer späteren Registrierung (§ 39 AMG) eine Monographie als traditionelle pflanzliche Arzneimittel erhalten sollen, bei denen sich die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses nach anderen Maßstäben richtet als bei dem verfahrensgegenständlichen verschreibungspflichtigen Präparat. 102Ist danach von der therapeutischen Wirksamkeit des streitgegenständlichen Kava-Kava-Präparats auszugehen, sprechen für seinen Nutzen weiterhin die Art und Schwere der in Rede stehenden Erkrankung sowie deren Behandlungsnotwendigkeit. Jedenfalls soweit das monographierte Anwendungsgebiet auf die Behandlung von Angststörungen abzielt, handelt es sich nicht um eine Bagatelldiagnose, sondern um eine ernsthafte, weitverbreitete psychische Erkrankung. Bei dieser stehen Symptome der Angst in Gestalt einer anhaltenden Angstreaktion, mangelnder Kontrolle der Angst, eventueller körperlicher Reaktionen einschließlich katastrophisierender Fehlinterpretationen und Beeinträchtigung in wichtigen Funktionen des Berufs-, Alltags- und Familienlebens im Vordergrund. 103Vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 263. Auflage 2012, „Angststörung“. 104Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Ihre Verbreitung nimmt zu. Je nach Schweregrad können sie mit erheblichen psychosozialen, somatischen und ökonomischen Folgen einhergehen. Dazu zählen Arbeitsunfähigkeit, ein erhöhtes Risiko für sekundäre komorbide Erkrankungen - beispielsweise Suchterkrankungen -, eine erhöhte Suizidrate sowie eine übermäßige Inanspruchnahme medizinischer Leistungen. 105Vgl. Deutsches Ärzteblatt, „Angststörungen/Panikattacken: Angst aus heiterem Himmel“, Dezember 2005, 557. 106Bereits bei mittlerem Leidensdruck des Patienten, psychosozialen Einschränkungen sowie Komplikationen der Angsterkrankung ist eine Behandlung in Gestalt von Psycho- oder Pharmakotherapie oder einer Kombination aus beidem indiziert. 107Vgl. Deutsches Ärzteblatt, „Diagnostik und Therapieempfehlungen bei Angststörungen“, Juli 2014, 475 ff. 108Unter diesen Gesichtspunkten erschließt sich der besondere Nutzen einer wirksamen anxiolytischen Medikation. Bezogen auf Kava-Kava-haltige-Präparate ist insoweit zu berücksichtigen, dass deren Anwendung nur für leichte und mittelschwere Formen von Angststörungen indiziert ist, die damit nach Einschätzung von Experten üblicherweise innerhalb eines Monats gut therapiert werden können. Für schwere Angststörungen wird von einer Kontraindikation ausgegangen. 109Vgl. Teschke, Deutsches Ärzteblatt, „Hepatoxizität durch Kava-Kava: Risikofaktoren und Prävention“, 2002, 99. 110(2) In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass dem vorstehend beschriebenen Nutzen des verfahrensgegenständlichen Arzneimittels Anwendungsrisiken in Form hepatotoxischer Ereignisse gegenüberstehen, also ein begründeter Verdacht für derartige Nebenwirkungen besteht. Angesichts dessen ist der sinngemäße Einwand der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Bewertung die Anforderungen, die an die Annahme eines begründeten Nebenwirkungsverdachts zu stellen sind, überspannt, nicht nachvollziehbar. 111Die von der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007 dokumentierten Fälle sind als Beleg für die Möglichkeit hepatotoxischer Wirkungen des hier in Rede stehenden Kava-Kava-Präparats zu werten. Entsprechendes gilt für die dem BfArM vorliegenden Fallberichte zu Leberreaktionen. Zwar wird dies durch den Bericht der MHRA aus dem Jahr 2006 („Report of the Committee on Safety of Medicines Export Working Group") gestützt. Allerdings ist der Senat übereinstimmend mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass der darin enthaltenen Risikobeurteilung, die - unter Einschluss des vom BfArM übermittelten Fallmaterials aus Deutschland - nicht die Begutachtung von Kava-Kava als Anxiolytikum, sondern bei Oberbauch- und Blasenbeschwerden zum Gegenstand hatte, keine besondere Bedeutung beizumessen ist. 112Der Bericht der WHO enthält eine Auswertung von 93 Fallberichten - darunter einige der vom BfArM dokumentierten Fälle aus Deutschland - über hypothetisch mit der Einnahme von Kava-Kava-Extrakten im Zusammenhang stehende Leberschädigungen. In vierzehn Fällen erfolgte eine Lebertransplantation. Sieben Fälle endeten tödlich. Die WHO-Expertengruppe bewertete die Kausalität zwischen hepatotoxischer Schädigung und der Einnahme von Kava-Kava-Präparaten in keinem Fall als sicher, in acht Fällen als wahrscheinlich, in 54 Fällen als möglich und in 28 Fällen als nicht bewertbar. 113Die Beklagte verweist auf 41 Fälle in Deutschland aufgetretener lebertoxischer Reaktionen. Hiervon seien 20 hinreichend gut dokumentiert, um eine fundierte Kausalitätsbewertung vornehmen zu können. In sieben dieser Fälle sei eine Lebertransplantation erforderlich gewesen. Insgesamt seien drei Patienten verstorben. In zwei Fällen sei die lebertoxische Reaktion nach Absetzen des Kava-Kava-Präparats zurückgegangen und bei Reexposition erneut aufgetreten. Bei zwölf spontan gemeldeten Fällen und einem in einer Publikation dargestellten Fall sei der Kausalzusammenhang wahrscheinlich. Diese Bewertung beruhe auf dem deutlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Beginn der Kava-Kava-Medikation und dem Auftreten der Symptome bzw. pathologischen Veränderungen einerseits und dem Zurückgehen der Lebererkrankung nach Absetzen der Kava-Kava-Medikation und/oder des Fehlens lebertoxischer Faktoren wie einer entsprechenden Komedikation andererseits. In einigen dieser Fälle sei die synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels jedoch möglich. 114Diese Auswertungsergebnisse reichen für die Annahme eines begründeten Verdachts leberschädigender Wirkungen aus, weil insoweit geringe Kausalitätsanforderungen gelten. Für die Nutzen-Risiko-Abwägung ist aber der Verdacht graduell und qualitativ näher zu bestimmen. 115Allerdings bietet die gegenwärtige Studienlage hierfür keine tragfähigen Anknüpfungspunkte. Bei Gesamtbetrachtung ist sie uneinheitlich und deswegen nicht ergiebig. Herkömmliche klinische Studien sind - darüber sind sich die Beteiligten einig - aufgrund der zu geringen Population nicht geeignet, tragfähige Erkenntnisse über das lebertoxische Risiko zu gewinnen. Toxizitätsstudien haben weder potentiell toxische Bestandteile von Kava-Kava noch einen lebertoxischen Mechanismus aufzeigen können. Die Ergebnisse der NTP-Studie, auf die die Beklagte verweist, mögen zwar einen Toxizitätsbeleg begründen. Das gilt aber nur für die darin einbezogenen Präparate mit einem CO²-Extrakt. Für eine Übertragbarkeit der gefundenen Ergebnisse auf die hier streitgegenständlichen Präparate mit ethanolischen Auszügen hat die Beklagte keine überzeugenden Gesichtspunkte benannt. Abgesehen davon gibt der Nachweis toxischer Effekte eines bestimmten Präparats als solcher - was auch die Beklagte anerkennt - weder Aufschluss über die potentiell toxischen Einzelstoffe noch über den Mechanismus einer lebertoxischen Wirkweise, sondern untermauert lediglich das, wovon bereits auf der Grundlage der Fallberichte auszugehen ist. Auch das restliche vorliegende Studienmaterial bietet hierzu keine belastbaren und konsistenten Erkenntnisse. Anders als die Beklagte meint, geht dieser Umstand zu ihren Lasten. Denn sie trägt das Risiko der Unerweislichkeit der Umstände, die ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis begründen. 116Demgegenüber erlauben die folgenden relativierenden Faktoren eine nähere Eingrenzung der bestehenden Verdachtsmomente für eine hepatotoxische Wirkung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln. Wenngleich sie den geweckten Verdacht nicht auszuräumen vermögen, schwächen sie ihn ab. 117Von Bedeutung ist insoweit zunächst, dass die Auswertungsergebnisse der WHO und des BfArM nicht für eine hohe, sondern im Gegenteil für eine schwache Inzidenzrate sprechen. Zwar lässt sich diese auf der Grundlage des vorliegenden Erkenntnismaterials nicht genau bestimmen. Andererseits gibt es aber bereits im Ausgangspunkt keine tragfähigen Belege dafür, dass hepatotoxische Ereignisse im Zusammenhang mit der Anwendung von Kava-Kava-Präparaten gehäuft auftreten, also eine hohe Inzidenzrate besteht. Umgekehrt sprechen deutschlandweit 20 und nach der Datenlage des WHO-Berichts weltweit 62 Fälle, in denen eine derartige Relation festgestellt werden konnte, bei einem Anwendungsvolumen von - dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin zufolge - 250 Millionen Tagesdosen bezogen auf einen Zehnjahreszeitraum für eine sehr geringe lnzidenzrate. Das gilt auch unter Berücksichtigung der mit dem zugrundeliegenden Spontanerfassungssystem verbundenen Abbildungsdefizite, zumal wenn man berücksichtigt, dass ein Großteil dieser Meldungen in zeitlichem Zusammenhang mit dem Stufenplanverfahren und der öffentlich geführten Debatte um die potentielle Toxizität Kava-Kava-haltiger Arzneimittel steht. Dem entspricht die Einschätzung der Expertengruppe der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007, in dem es heißt, die genaue Inzidenzrate von Nebenwirkungen, die mit der Einnahme von Kava-Kava in Zusammenhang stünden, sei nicht bekannt, scheine aber ziemlich niedrig zu sein (vgl. WHO-Bericht, S. 60). 118Unabhängig von diesem quantitativen Gesichtspunkt ist die Aussagekraft der Fälle, in denen ein Kausalzusammenhang als wahrscheinlich oder möglich angesehen worden ist, unter qualitativen Aspekten begrenzt. 119Bezogen auf den Bericht der WHO ergibt sich dies aus Folgendem: Nach dessen Ergebnis konnte nur in knapp zwei Dritteln der untersuchten Fälle (62 von 93) überhaupt eine Relation zwischen hepatotoxischen Wirkungen und der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln hergestellt werden. In keinem dieser Fälle wurde ein sicherer Kausalzusammenhang festgestellt. In 54 Fällen - darunter in allen sieben Todesfällen und in zehn Fällen mit Lebertransplantation - wurde der Kausalzusammenhang als „möglich“ und in acht Fällen als „wahrscheinlich“ eingestuft. Dass sich unter den zuletzt genannten Fällen nicht solche mit tödlichem Ausgang oder Lebertransplantation finden, beruht nicht lediglich auf der Definition der Kausalitätskriterien der WHO für einen wahrscheinlichen Kausalzusammenhang. Denn für elf der insgesamt 14 Patienten mit Lebertransplantation ist eine Begleitmedikation dokumentiert, die ebenfalls Auslöser der aufgetretenen Leberreaktionen gewesen sein könnte (vgl. WHO-Bericht, Tabelle 11a und 11 b, S. 46). Das gilt gleichermaßen für sämtliche Fälle mit tödlichem Ausgang (vgl. WHO-Bericht, Tabelle 12, S. 48). Es erscheint deswegen durchaus nicht fernliegend, die schwache lnzidenz schwerer Nebenwirkungen bei alleiniger Gabe Kava-Kava-haltiger Präparate als ein diesen Wirkstoff entlastendes lndiz zu werten. 120Hierzu passt die Einschätzung der Expertengruppe der WHO, wonach ein direkter Kausalzusammenhang zwischen der Einnahme Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in der Mehrzahl der untersuchten Fälle schwierig nachzuweisen ist und die verfügbaren Fallberichte insoweit keinen Beweis für ein Ursache-Wirkungs-Verhältnis liefern (vgl. WHO-Bericht, S. 17). Als Ergebnis enthält der Bericht mit Blick darauf die - relativierende - Feststellung, dass Kavalactone durch die Wechselwirkungen von Kava-Kava und anderen Arzneimitteln, exzessiven Alkoholkonsum, metabolisch oder immunologisch bedingte Idiosynkrasie oder aufgrund einer vorbestehenden Lebererkrankung in jeder Art von Präparat selten hepatische Nebenwirkungen hervorrufen können (vgl. WHO-Bericht, S.63). Damit sind zugleich besondere Risikofaktoren angesprochen, die die WHO auch an anderer Stelle ihres Berichts noch gesondert aufführt (vgl. WHO-Bericht, S.61). Das impliziert, dass hepatotoxische Ereignisse, was im Übrigen wissenschaftlich anerkannt sein dürfte, 121vgl. etwa Russmann/Kullak-Ublick, Beurteilung und Meldung medikamentöser Leberschäden, swissmedic, Jubiläumsausgabe Dezember 2012, 11/26, 122multifaktorielle Ereignisse sind und sich dies erschwerend auf die Möglichkeit der Zuordnung ihrer Ursachen auswirkt. 123Zudem sind die Auswertungsergebnisse der WHO auch deswegen nur bedingt aussagekräftig, weil sie sich auf sämtliche Arten Kava-Kava-haltiger Arzneimittel beziehen. Aus dem in das Verfahren eingeführten wissenschaftlichen Erkenntnismaterial geht hervor, dass weder die potentiell toxischen Einzelstoffe noch der Mechanismus einer lebertoxischen Wirkung von Kava-Kava bekannt sind. Vermutet wird, dass neben Anwendungsdauer und Dosierung auch Extrakt und Kultivar insoweit eine Rolle spielen könnten. Hierzu hat die Klägerin plausible und von dem Experten Dr. N. T. in mehreren Stellungnahmen untermauerte Überlegungen angestellt, denen die Beklagte in der Sache nicht substantiiert entgegengetreten ist. Der Bericht der WHO enthält keine differenzierte Auswertung nach Extrakt und Kultivar. Vielmehr bezieht sich die Auswertung und dementsprechend auch die getroffene Risikoaussage auf sämtliche Arten Kava-Kava-haltiger Präparate. Demgegenüber handelt es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Präparat unbestritten um eines mit einem ethanolischen Auszug. Da aber Risikoaussagen zu einer Auszugsart nicht ohne weiteres auf eine andere übertragen werden können, 124vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2010 - 13 A 2807/09 -, juris, Rn. 10, 125sind die Ergebnisse in dem Bericht der WHO für das vorliegende Verfahren nur eingeschränkt aussagekräftig. 126Auch die von der Beklagten selbst auf der Grundlage des Fallmaterials des BfArM vorgenommene Risikobeurteilung ist unter verschiedenen Gesichtspunkten zweifelhaft. Ihr Vorbringen suggeriert eine „fundierte Kausalitätsbewertung" in 20 von 41 Fällen. Hiervon seien 18 spontan gemeldet worden und in zwei Fällen handele es sich um Berichte aus der Literatur. Demgegenüber ist der Kausalzusammenhang nur für 15 Fälle nachvollziehbar dargelegt, wobei in „einigen“ - weder benannten noch bezifferten - dieser Fälle die synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels möglich gewesen sein soll. Dieses Vorbringen bezieht sich offensichtlich auf die in dem Bescheid vom 12. Mai 2005 detailliert aufgeführten 26 Fallberichte und überschneidet sich damit. Bei deren Auswertung war das BfArM in 19 Fällen von einem Kausalzusammenhang im Bereich „wahrscheinlich“ - hiervon in drei Fällen als „wahrscheinlich bis gesichert“ - und in sechs Fällen von einer „möglichen“ Kausalität ausgegangen. Einen Fall hatte es für nicht auswertbar erachtet. Der Senat ist unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vorbringens und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse nicht zu der Überzeugung gelangt, dass diese Bewertung insgesamt zutrifft. Denn sie steht tiefgreifend in Widerspruch mit den Bewertungen anderer Institutionen, die jedenfalls nicht weniger plausibel hergeleitet und unabhängig voneinander durchgehend zu weniger besorgniserregenden Ergebnissen gelangt sind. Dies folgt aus der Übersicht in der Stellungnahme von Dr. N. T. vom 6. Februar 2012, in der dieser sich außerdem detailliert mit den einzelnen Fallberichten und deren Bewertung durch das BfArM auseinandergesetzt und diese durchgreifend in Zweifel gezogen hat (vgl. dort S. 9 ff.). Die Beklagte ist den darin enthaltenen Einwänden inhaltlich nicht substantiiert entgegen getreten. Unabhängig davon erscheint die Annahme eines „wahrscheinlichen“ Kausalzusammenhangs schon aufgrund der in der Mehrzahl der Fälle jeweils dokumentierten Begleitmedikation vielfach zweifelhaft. Entgegen der Auffassung der Beklagten rechtfertigt auch der Umstand, dass die festgestellten Leberreaktionen in zwei Fällen nach Absetzen des Kava-Kava-Präparats zurückgegangen und nach Reexposition erneut aufgetreten sind, mangels ausreichender Dokumentation der Begleitmedikation jedenfalls nicht die Bewertung eines „gesicherten“ Kausalzusammenhangs (BfArM 01003950/01003951). 127Weitere Bedenken gegen die Kausalitätsbewertung der Beklagten ergeben sich auf der Grundlage der Publikation von Teschke et al. („Kava hepatotoxicity: a clinical survey and critical analysis of 26 suspected cases“, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.). Nach den stimmigen und transparent hergeleiteten dortigen Ausführungen, auf die Bezug genommen wird, bestand lediglich in acht Fällen ein Kausalzusammenhang, wobei lediglich in einem dieser Fälle eine monographiekonforme Anwendung dokumentiert war. 128Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 26. Januar 2015 die in dieser Publikation getroffene Feststellung des Fehlens einer medikamentösen Ursache in 13 Fällen beanstandet, und, um dies zu wiederlegen, bezogen auf drei Fälle auf den Inhalt der hierzu gefertigten Arztberichte verwiesen hat, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Denn daraus geht jedenfalls nicht hervor, dass die beobachtete Leberschädigung durch Kava-Kava und nicht durch die jeweils dokumentierte Begleitmedikation verursacht worden ist. Unter diesen Umständen ergibt sich dies nicht bereits daraus, dass nach ärztlicher Einschätzung von einer medikamentös induzierten Leberschädigung auszugehen ist. 129Relativierend ist zuletzt der ebenfalls vom Verwaltungsgericht bereits angesprochene Aspekt in den Blick zu nehmen, dass das streitbefangene Präparat auf eine Kurzzeitbehandlung angelegt ist und eine Begrenzung von Anwendungsdauer und Dosierung vorgesehen ist. Auch hieraus folgt die nur begrenzte Aussagekraft der Auswertungen des BfArM und der WHO, in denen nicht nach diesen von der Beklagten selbst als risikobeeinflussend eingestuften Kriterien differenziert wird. Da eine lange Exposition einerseits und eine erhöhte Dosierung andererseits mit einer Risikoerhöhung assoziiert werden, liegt es auf der Hand, dass die Auswertung eines Kollektivs von Fällen, in denen diese Differenzierung nicht getroffen wird, keine einheitliche Risikoaussage erlaubt. Die Vielzahl der Fälle, in denen Leberschädigungen im Zusammenhang mit einer Überdosierung, einer überlangen Anwendungsdauer oder einer potentiell lebertoxischen Begleitmedikation aufgetreten sind, ist aber umgekehrt als Beleg dafür zu werten, dass es sich hierbei um Risikofaktoren handelt. Dies wird auch von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt. 130Auf der Basis aller in das Verfahren eingeführter Erkenntnisse geht der Senat davon aus, dass toxische Lebererkrankungen durch Kava-Kava-Extrakte sehr selten sind, im Einzelfall aber potenziell lebensbedrohend verlaufen können und durch eine Vielzahl von Risikofaktoren wie Dosierung, Anwendungsdauer, Begleitmedikation, Alkoholkonsum und Lebervorschädigung beeinflusst werden. Hinsichtlich dieser Risikofaktoren stimmen die Beteiligten überein, wenngleich ihre Einschätzungen zu den Risiken der Verwendung unterschiedlicher Auszüge und Kultivare auseinandergehen. 131(3) Hiervon ausgehend ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis des streitgegenständlichen Arzneimittels derzeit ungünstig. Dieser Einschätzung liegt zugrunde, dass hinsichtlich Kava-Kava-haltiger Arzneimittel zwar nicht generell, aber dann von einem ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis ausgegangen werden muss, wenn nicht alle Maßnahmen umgesetzt worden sind, um die damit einhergehenden Risiken bestmöglich einzudämmen. Letzteres ist hier der Fall. 132Der Umstand, dass die zuvor erwähnten Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Hepatotoxizität von Kava-Kava bekannt sind, führt in der Publikation von Teschke et al. („Kava hepatotoxicity: a clinical survey and critical analysis of 26 suspected cases“, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.) zu der überzeugenden Schlussfolgerung, dass hepatotoxische Ereignisse im Zusammenhang mit Kava-Kava weitgehend vermeidbar sind. Dies, die nur schwache Inzidenzrate und der belegte Nutzen Kava-Kava-haltiger Arzneimittel stehen der generellen - also nicht präparatspezifischen, sondern rein wirkstoffbezogenen - Annahme eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses entgegen. Andererseits sind angesichts der Schwere möglicher Nebenwirkungen vermeidbare Risiken nicht hinnehmbar. 133Insoweit bilden die Empfehlungen der Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 nach Auffassung des Senats einen tauglichen und deshalb einzuhaltenden Maßstab zur Risikominimierung und führen bei Beachtung im Ergebnis zu einem günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis. Sie beruhen auf den Unterlagen, die das BfArM der Kommission E zur Verfügung gestellt hat und sind auf der Grundlage einer eingehenden Befassung mit der Kava-Kava-Thematik abgegeben worden (vgl. Ruhensbescheid des BfArM vom 12. Mai 2005, S. 52). 134Die Kommission E hat darin unter Hinweis darauf, weiterhin von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis auszugehen und die Auffassung des BfArM bezüglich der Risiken bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht zu teilen, folgende Regularien zu deren Eindämmung empfohlen: 135136Ärztliche Verschreibungspflicht für Kava-Kava-haltige Arzneimittel 137Klare Indikationsstellung: Leichte bis mittelschwere generalisierte Angststörungen. Depression ist keine Indikation. 138Maximale Tagesdosis entsprechend 120 mg Kava-Pyrone. 139140Packungsgröße bei 120 mg Kava-Pyrone maximal 30 Einheiten 141Übliche Therapiedauer 1 Monat, maximal 2 Monate 142Bestimmung der Leberwerte (GPT und -GT vor Beginn der Behandlung und dann einmal wöchentlich) 143Optional: Bestimmung der Leberwerte am Ende der Behandlung (wichtig für evtl. spätere erneute Behandlung) 144Vermeidung einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, insbesondere auch Betablockern, Antidepressiva und Migränemitteln. Vorsicht bei Alkohol. 145Der Senat sieht in Ansehung des Berufungsvorbringens keine Veranlassung, diese sachverständige Einschätzung in Frage zu stellen. Sie wird durch die Aussage der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007, wonach ein Verkehrsverbot für Kava-Kava nach gegenwärtigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht zu rechtfertigen ist (vgl. WHO Bericht, S. 18), gestützt. Auch Teschke spricht sich in seiner Veröffentlichung „Hepatotoxizität durch Kava-Kava: Risikofaktoren und Prävention“ (Deutsches Ärzteblatt 2002, 99 (50)) für entsprechende Maßnahmen aus. Aktuellere wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Empfehlungen der Kommission E durchgreifend in Zweifel ziehen, liegen nicht vor. 146Diese sind auch geeignet, die bestehenden hepatotoxischen Risiken - soweit sie vorhersehbar sind - weitgehend wirkungsvoll auszuschalten. 147Besondere Bedeutung kommt hierbei der Unterstellung unter die Verschreibungspflicht zu. Hierdurch wird eine ärztliche Indikationsstellung sichergestellt und einer unsachgemäßen Selbstmedikation entgegengewirkt. Der Einwand der Beklagten, eine Verschreibungspflicht sei unzureichend, weil der hepatotoxische Wirkmechanismus von Kava-Kava nicht hinreichend geklärt sei und der verordnende Arzt nicht mit genügender Sicherheit vorhersehen könne, welcher Patient gefährdet sei, greift nicht durch. Er eignet sich schon deswegen nicht als Argument gegen die Verschreibungspflicht, weil das Arzneimittelgesetz in § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AMG als eine Fallgruppe verschreibungspflichtiger Arzneimittel diejenigen vorsieht, die Stoffe mit in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannten Wirkungen oder Zubereitungen solcher Stoffe enthalten. Abgesehen davon ist es einem Arzt in Bezug auf ein Kava-Kava-haltiges Präparat anhand der bekannten Risikofaktoren auch ungeachtet des genauen Wirkmechanismus möglich, das Risikoprofil eines Patienten abzustecken. Denn in einem ersten Schritt können - nach anamnestischer Abklärung - Fälle mit relevanter Begleitmedikation, erheblichem Alkoholkonsum, Lebererkrankung oder Lebervorschädigung sowie nicht zutreffender Indikation herausgefiltert werden. Erfolgt nach Abklärung dieser Gesichtspunkte eine Verschreibung, kann den von der Krankenvorgeschichte unabhängigen Risikofaktoren wirksam durch eine Begrenzung von Anwendungsdauer und Dosierung entsprechend den Vorgaben der Fachinformationen entgegengewirkt werden. Hinzuweisen ist darin außerdem auf die Risiken bei erheblichem Alkoholkonsum und einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, wie Betablockern, Antidepressiva und Migränemitteln. 148Dabei sind die Einhaltung der vorgesehen Dosierung von 120 mg Kava-Pyrone und die Begrenzung der Anwendungsdauer entsprechend den aktualisierten Erkenntnissen der Kommission E auf einen, maximal zwei Monate entscheidend. Eine höhere Dosierung ist einerseits deswegen nicht vertretbar, weil die Wirksamkeit für eine Dosierung von 60 mg-120 mg Kava-Pyrone belegt ist und deswegen keine Rechtfertigung dafür besteht, potentiell mit einer höheren Dosierung einhergehende Zusatzrisiken einzugehen. Abgesehen davon bestehen den genannten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine höhere Dosierung das Risiko für leberschädigende Nebenwirkungen erhöht. Entsprechendes gilt bezogen auf eine längere Anwendungsdauer. 149Flankierend zu den bereits erwähnten Maßnahmen wirkt die von der Kommission E vorgeschlagene Begrenzung der Packungsgröße auf maximal 30 Einheiten bei 120 mg Kava-Pyronen. Durch diese Maßnahme wird der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung vorgebeugt und auf einen bestimmungsgemäßer Gebrauch hingewirkt. Dabei ist zu sehen, dass die Missbrauchsgefahr jedenfalls bei indikationskonformer Anwendung Kava-Kava-haltiger Präparate nicht gleichermaßen hoch sein dürfte, wie bei Arzneimitteln, die - wie z.B. Benzodiazepine - Abhängigkeiten auslösen. Allerdings ist insoweit darauf hinzuweisen, dass diesem Aspekt im Rahmen der Nutzen-Risiko-Abwägung, die sich an dem bestimmungsgemäßen Gebrauch zu orientieren hat, keine eigenständige Bedeutung zukommt. Abweichungen der von der Kommission E empfohlenen Packungsgröße begründen daher ohne das Hinzutreten weiterer Abweichungen kein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis. 150Die vorgesehene Bestimmung der Leberwerte vor Beginn der Behandlung und deren fortlaufende wöchentliche Kontrolle ermöglicht eine zeitnahe Reaktion auf festgestellte Veränderungen und zielt darauf ab, irreversiblen Schädigungen vorzubeugen. 151Der Senat verkennt nicht, dass mit den genannten Maßnahmen nicht in jedem Einzelfall ein Risikoausschluss garantiert werden kann, geht aber davon aus, dass bedingt durch ihre Zielrichtung, Wirkweise und ihr Ineinandergreifen die nach derzeitigem Erkenntnisstand prognostizierbaren Risiken in Relation zum Nutzen von Kava-Kava-Präparaten auf ein vertretbares Maß reduziert werden können. 152Das wird daran deutlich, dass mit Ausnahme eines Falls in sämtlichen Fällen, auf die das BfArM seine Risikoeinschätzung stützt, zumindest einer der durch die vorgenannten Maßnahmen begrenzbaren Risikofaktoren vorlag. Entweder es war eine Begleitmedikation verordnet oder die Anwendung dauerte länger als drei Monate an oder es wurde eine Überdosierung festgestellt. Zumeist war sogar eine Kombination aus mehreren dieser Faktoren gegeben. 153Vgl. die Übersicht in Table 1 bei Teschke/Schwarzenboeck/Hennermann “Kava hepatotoxcity: a clinical survey and critical analysis of 26 cases”, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff. 154Dieser Einschätzung steht auch nicht das vermehrte Auftreten idiosynkratischer, d.h. unvorhersehbarer Leberreaktionen im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-Präparaten entgegen. Die Auswertung der Fallberichte des BfArM liefert hierfür keinen Beleg. Letztlich scheint die Beklagte selbst - wenngleich sie diesen Aspekt besonders hervorgehoben hat - nicht hiervon auszugehen, wenn sie diese Fälle als „Ausreißer“ bezeichnet und andererseits meint, ein „charakteristisches Muster“ für die potentielle Lebertoxizität von Kava-Kava-Präparaten ausmachen zu können. Abgesehen davon ist die Möglichkeit einer idiosynkratischen Leberschädigung deswegen kein durchgreifendes Argument für ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis des hier in Rede stehenden Kava-Kava-Präparats, weil es sich dabei um ein generelles Problem im Hinblick auf die Lebertoxizität von Medikamenten handelt. Der Mechanismus der Idiosynkrasie, also einer angeborenen oder erworbenen Überempfindlichkeit schon beim ersten Kontakt gegen bestimmte, von außen zugeführte Stoffe, die nicht durch eine Reaktion des Immunsystems hervorgerufen wird, sondern durch Fehlfunktion/Nichtfunktion defekter oder Fehlen intakter Enzyme, 155vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Idiosynkrasie, 156beschränkt sich nicht auf Kava-Kava-haltige Arzneimittel. 157Ungefähr 1000 Arzneistoffe gelten als lebertoxisch. Hierzu gehören beispielsweise Paracetamol, Diclofenac und Penicillin. 158Vgl. Schlatter, Entgiftung zum Gift, Nebenwirkung Leberschaden, Pharmazeutische Zeitung Ausgabe 35/2009. 159Obgleich bei all diesen Arzneistoffen unvorhersehbare, also idiosynkratische, Leberreaktionen möglich sind, befindet sich eine Vielzahl von Präparaten, die diese Wirkstoffe enthalten, auf dem Markt. 160An der getroffenen Bewertung ändern auch bestehende Behandlungsalternativen nichts, insbesondere fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung mit Blick darauf nicht generell zu Ungunsten des streitbefangenen Präparats aus. Abwägungsrelevant könnte dieser Aspekt sein, wenn deren Ersetzbarkeit durch andere Arzneimittel mit günstigerem Nebenwirkungsprofil gewährleistet wäre. Das ist aber nicht der Fall. Denn soweit die Beklagte Bezug auf den Inhalt der S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen nimmt und auf selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) und Pregabalin als Mittel der ersten Wahl sowie auf trizyklische Antidepressiva (TZA), Buspiron, Benzodiazepine, Hydroxin und Opipramol als Mittel der zweiten Wahl verweist, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Es erscheint schon zweifelhaft, ob es sich dabei überhaupt um einen geeigneten Ersatz für Kava-Kava-Präparate handelt. Das gilt ungeachtet der fehlenden vollständigen Übereinstimmung der Anwendungsgebiete insbesondere deswegen, weil jene Arzneimittel im Gegensatz zu den auf eine Kurzzeitbehandlung mit raschem Wirkeintritt gerichteten Kava-Kava-Präparaten größtenteils eine längere Wirklatenz von bis zu sechs Wochen haben. Überdies kann für keines der von der Beklagten empfohlenen synthetischen Alternativarzneimittel ein günstigeres Nebenwirkungsprofil festgestellt werden. Das ergibt sich daraus, dass das Spektrum möglicher Nebenwirkungen weitgehend breiter gefächert ist als beim verfahrensgegenständlichen Kava-Kava-Präparat, zum Teil auch schwere Nebenwirkungen umfasst und vielfach Absetzphänomene, Abhängigkeitsrisiken und sedierende Effekte mit dem damit einhergehenden negativen Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit beschrieben werden. Wegen der Einzelheiten dazu wird auf die tabellarische Übersicht bei B. Bandelow, R. Boerner, S. Kasper, M.Linden, H.-U. Wittchen und H.-J. Möller „Generalisierte Angststörung: Diagnostik und Therapie“, Deutsches Ärzteblatt 2013, S. 303, und die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen. 161Die von der Beklagten angesprochenen traditionellen Phytopharamka, namentlich Baldrianwurzelzubereitungen und Lavendelöl sind schon deswegen keine geeignete Alternative, weil ihr Anwendungsgebiet nicht deckungsgleich mit dem Kava-Kava-haltiger Arzneimittel ist, sondern sich insoweit nur gewisse Überschneidungen ergeben. 162Gemessen an den vorstehenden Überlegungen ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis des streitbefangenen Arzneimittels ungünstig. Denn unter Zugrundelegung des Inhalts der Änderungsanzeige und der vorstehenden Ausführungen sind die bisher umgesetzten Maßnahmen zur Minimierung der bestehenden Risiken nicht ausreichend. 163Dies bezieht sich in erster Linie auf die Dosierung. Es fehlt nach der Änderungsanzeige vom Februar 2015 an einer der Monographie der Kommission E bzw. deren Empfehlungen aus dem Jahr 2002 entsprechenden Dosierung von 60-120 mg Kava-Pyrone (= Kavalactone). Damit hat die Klägerin die Tagesdosis für Kava-S. -Tropfen N von dreimal täglich 20 Tropfen (= 60 mg Kava-Pyrone täglich) auf dreimal täglich 4 ml (= 240 mg Kava-Pyrone täglich) erhöht. Diese Dosierung ist - wenngleich die Abweichung im vorliegenden Fall vergleichsweise geringfügig ist - nicht monographiekonform. Diese Feststellung beruht auf Folgendem: Der Senat ist aufgrund der plausiblen und durchgehend nachvollziehbaren sachverständigen Erläuterungen von Frau Dr. H. und Herrn Dr. T. , denen die Beklagte nichts Durchgreifendes entgegen gesetzt hat, zu der Überzeugung gelangt, dass sich die in der Monographie der Kommission E angegebene Dosierungsspanne von 60-120 mg Kava-Pyrone auf die DC-Methode und nicht - auch nicht teilweise - auf die HPLC-Methode bezieht. 164In der Monographie selber ist keine Aussage zu der zugrunde liegenden Messmethode getroffen worden. Das sich bei den Unterlagen zur 165Monographieerstellung befindliche Gutachten von Dr. K. M. aus dem Jahr 1986 erlaubt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht den Rückschluss, dass sich die Dosierungsangabe auf die HPLC- Methode bezieht. Denn daraus geht lediglich hervor, dass zu diesem Zeitpunkt bereits alle sechs Kava-Pyrone bekannt waren und es die HPLC-Methode gab. Zum Umfang ihres Einsatzes und dazu, ob die für die Erstellung der Positivmonographie maßgebenden Studien mit Extrakten durchgeführt worden sind, deren Kavalactongehalt mit dieser Methode gemessen worden ist, ergibt sich daraus hingegen nichts. 166Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung auch nicht in Abrede gestellt, 167dass es die HPLC-Methode zu diesem Zeitpunkt bereits gab, sondern hat vielmehr bestätigt, dass sie bereits damals im universitären Bereich Anwendung gefunden hat. Etwas anderes gelte indes für die Industrie. Dort habe man zur Zeit der Monographieerstellung nicht über die entsprechenden Reinsubstanzen verfügt, um alle sechs Kava-Pyrone quantifizieren zu können. Da die der Monographieerstellung zugrundeliegenden Studien mit Industriepräparaten durchgeführt worden seien, beziehe sich die in der Monographie angegebene Dosierung demzufolge auf die DC-Methode. Dass die Studien mit Industriepräparaten durchgeführt worden sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Hierzu hat Frau Dr. H. - von der Beklagten unwidersprochen - darauf hingewiesen, dass die Firma G. , bei der sie zum damaligen Zeitpunkt angestellt war, damals allein mit der DC-Methode gemessene Kava-Extrakte hergestellt und an pharmazeutische Unternehmen geliefert und insoweit einen 95 prozentigen Marktanteil gehalten habe. 168Angesichts dessen konnte die Beklagte auch lediglich auf die Extrakte der Firma T1. , die erst zu einem späteren Zeitpunkt Kundin der Firma G. geworden war, verweisen. Sie gehe davon aus, dass die Firma T1. ab dem Jahr 1990 Extrakte hergestellt habe, die nach der HPLC-Methode bemessen worden seien und davon, dass mit deren Präparaten die Studien von Warnecke, die für die Erstellung der Monographie maßgebend waren, durchgeführt worden seien. Hierbei handelt es sich indes um eine durch die von Herrn Dr. T. angestellten Ermittlungen widerlegte Vermutung. Denn daraus geht hervor, dass in der Monographie nicht auf die erst später erstellten Studien von Warnecke zu dem Präparat Laitan, sondern lediglich auf zwei der Komission E im Zeitraum von April bis September 1989 vorgelegte Studienberichte Bezug genommen wird. Das folge - so Herr Dr. T. - daraus, dass sich die Untersuchungen von Warnecke ausweislich der Monographie auf ein mit 60 mg Kava-Pyrone dosiertes Präparat und die erst nach Erstellung der Monographie veröffentlichten Studien hingegen auf das sich erst seit Dezember 1989 auf dem Markt befindliche Präparat Laitan mit einer Dosierung von 70-210 mg Kava-Pyrone bezogen hätten. Diese unterschiedlichen Dosierungen können einerseits als Hinweis darauf gedeutet werden, dass im Zeitraum zwischen den Studienberichten und der Veröffentlichung der Studien eine Umrechnung stattgefunden hat, für die aber nur dann ein Erfordernis bestand, wenn das den Studienberichten zugrundeliegende Präparat mittels DC-Methode gemessen war. Als weitere denkbare Erklärungsmöglichkeit kommt allein in Betracht, dass sich Studien und Studienberichte auf unterschiedliche Präparate bezogen haben. Aber auch daraus ergibt sich kein Anhalt dafür, dass das Präparat, zu dem sich der Studienbericht verhält, bereits nach der HPLC-Methode gemessen war. Dagegen spricht, dass es sich dabei um ein - an der damals standardisierten DC-Methode gemessen - erheblich aus dem Rahmen fallendes, weil deutlich unterhalb der angenommen Wirksamkeitsschwelle dosiertes Präparat gehandelt hätte. Hinzu kommt, dass die entgegengesetzte Annahme der Beklagten nicht auf validen Erkenntnissen beruht, sondern auf einer Mitteilung, die die Firma T1. erst zu einem viel späteren Zeitpunkt, nämlich im Zulassungsverfahren gemacht hat. Demgegenüber hat Herr Dr. T. anhand der Studienberichte die dem Präparat der Firma T1. zugrundeliegende Analytik selbst geprüft und hat dabei keinen Hinweis darauf gefunden, dass dies nach der HPLC-Methode bemessen wurde. 169Vor diesem Hintergrund ist auch die weitere Vermutung der Beklagten, dass der in der Monographie angegebene Wert von 60 mg Kava-Pyrone auf der DC-Methode beruhte und der Wert von 120 mg auf der HPLC-Methode, fernliegend und durch nichts belegt. Denn einerseits ginge damit einher, dass die für Phytopharmaka charakteristische Dosierungsspanne weitgehend entfiele. Andererseits hält der Senat es mit Frau Dr. H. für abwegig, dass in einer Dosisempfehlung, die eine Spannbreite angibt, zwei Werte genannt werden, die auf unterschiedlichen Mess- und Analysemethoden beruhen. 170Angesichts dessen ist der Klägerin darin zu folgen, dass die Deklarierung der Dosierung an die heute standardisierte HPLC-Methode angepasst werden muss. Der Senat stimmt aber darin nicht mit der Klägerin überein, dass dies im Sinne einer Verdoppelung zu erfolgen hat. Der Umstand, dass die Bestimmung nach der DC-Methode mit drei Kava-Pyronen erfolgt und die nach der HPLC-Methode mit sechs Kava-Pyronen, rechtfertigt dies nicht, weil der Lactongehalt der unterschiedlichen Pyrone variiert. Das erfordert die Bestimmung eines anderen Umrechnungsfaktors. Frau Dr. H. hat 1,61 als Korrelationsfaktor angegeben und dessen Herleitung anhand einer gut nachvollziehbaren und stimmigen Berechnungsübersicht erläutert. Die Beklagte ist dem nicht entgegen getreten. Der Senat hat auch unter Berücksichtigung der übrigen in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse keine Zweifel, dass dieser Korrelationsfaktor zutrifft. Bei seiner Anwendung ergibt sich, dass der in der Monographie genannten Dosierungsspanne von 60-120 mg Kava-Pyrone nach der DC-Methode einer Dosierungsspanne von 97-193 mg Kava-Pyrone nach der HPLC-Methode entspricht und das hier streitgegenständliche Präparat deswegen bei der Dosierung von dreimal täglich 4 ml (= 240 mg Kava-Pyrone) überdosiert ist. 171Neben der Dosierung entsprechen auch die dem Senat vorliegenden Gebrauchs- und Fachinformation Stand Februar 2015 - unterstellt, die darin enthaltenen Änderungen von für die Zulassung wesentlichen Angaben sind im Wege der Änderungsanzeige wirksam geworden - nicht vollständig den Empfehlungen der Kommission E. Das betrifft die Nebenwirkungen, die mit „keine“ angegeben sind, die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (der Hinweis auf die Vermeidung einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, insbesondere auch Betablockern, Antidepressiva und Migränemitteln fehlt), die darin vorgesehene Bestimmung der Leberwerte vor Beginn der Behandlung, sodann wöchentlich und optional nach Abschluss der Behandlung, sowie die Anwendungsdauer. 172(II.) Wenngleich die festgestellten Abweichungen ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis begründen, rechtfertigen sie nicht den Widerruf der Zulassung, weil eine Änderung der Zulassung auf der Grundlage von § 30 Abs. 2a Satz 1 AMG vorrangig ist. Mit dieser in der Fassung vom 19. Dezember 2012 geltenden Vorschrift, die als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu interpretieren ist, besteht eine Grundlage dafür, Änderungen auf Ebene der Zulassung vorzunehmen. 173Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 18. April 2012, BT-Drs. 17/9341, S. 54. 174Wie ausgeführt, ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis des hier streitgegenständlichen Präparats - insbesondere wegen der zu hohen Dosierung, aber auch im Hinblick auf die übrigen Abweichungen von den Empfehlungen der Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 als ungünstig zu bewerten, erwiese sich aber nach entsprechender Anpassung an diese Empfehlungen nicht mehr als ungünstig, mit der Folge, dass der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG entfällt. Zur Begründung dafür wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen. 175Lassen sich die mit der Anwendung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in Verbindung gebrachten Nebenwirkungen danach bereits durch die von der Kommission E vorgeschlagenen regulatorischen Maßnahmen auf ein vertretbares Maß reduzieren, kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Beklagte vorrangig unter der Voraussetzungen des § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG eine Unbedenklichkeitsstudie („PASS“) hätte anordnen können und müssen. 176Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. 177Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO. 178Die Revision ist zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen. | die berufung der beklagten gegen das urteil des verwaltungsgerichts köln vom 20. mai 2014 wird zurückgewiesen. die beklagte trägt die kosten des berufungsverfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des auf grund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die klägerin vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision wird zugelassen. 1 | 2die klägerin ist ein pharmazeutisches unternehmen. sie wendet sich gegen den widerruf der zulassung des fertigarzneimittels kava-s. -tropfen n, das bis zum jahr 2001 im verkehr war und dessen zulassungsinhaberin sie seit dem 21. oktober 2014 ist. dabei handelt es sich um einen pflanzlichen angstlöser (anxiolytikum) zur anwendung bei nervösen angst‑, spannungs- und unruhezuständen, der als wirkstoff den kava-kava-wurzelstock-trockenextrakt - piperis methystici rhizoma - in gestalt eines ethanolischen auszugs enthält. die beantragte nachzulassung wurde bisher nicht erteilt. die anwendungsgebiete des arzneimittels der klägerin entsprachen den vorgaben der monographie der kommission e vom 1. juni 1990. die dosierungsempfehlung lautet 3 mal täglich 20 tropfen (= 60 mg kavapyrone täglich). nach der fach- und gebrauchsinformation (stand juli 2001) soll das arzneimitteil ohne ärztlichen rat nicht länger als drei monate eingenommen werden. unter „gegenanzeigen“ sind endogene depressionen und eine bestehende leberschädigung aufgeführt. in der rubrik „nebenwirkungen“ heißt es: keine. als wechselwirkung sei eine wirkungsverstärkung von zentral wirksamen substanzen wie alkohol, barbituraten und psychopharmaka möglich; alkohol sei zu meiden. 3im jahr 2001 leitete das bundesinstitut für arzneimittel und medizinprodukte (bfarm) aufgrund von berichten über verdachtsfälle von nebenwirkungen in gestalt lebertoxischer effekte bei acetonischen kava-kava-auszügen insbesondere aus der schweiz ein stufenplanverfahren nach § 63 amg ein. im jahr 2002 wurde die verschreibungspflicht für kava-kava-arzneimittel beschlossen. nach anhörung der betroffenen pharmazeutischen unternehmen widerrief das bfarm mit bescheid vom 14. juni 2002 erstmals die zulassungen kava-kava- und kavain-haltiger arzneimittel bis zu einer homöopathischen verdünnung von d4. hiergegen legten die betroffenen unternehmen widerspruch ein, woraufhin das bfarm an der widerrufsentscheidung nicht festhielt, sondern stattdessen mit bescheid vom 12. mai 2005 ein befristetes ruhen der betroffenen zulassungen anordnete. 4nachdem zwischen den beteiligten unternehmen, ihren verbänden und dem bfarm über die art des vorzulegenden wissenschaftlichen erkenntnismaterials keine einigung erzielt werden konnte, widerrief die behörde mit dem streitgegenständlichen bescheid vom 21. dezember 2007 die zulassungen kava-kava- und kavain-haltiger arzneimittel und homöopathischer zubereitungen aus kava-kava-zubereitungen. es bestehe weiterhin der widerrufsgrund des § 30 abs. 1 i.v.m. § 25 abs. 2 satz 1 nr. 5 amg, da der begründete verdacht schädlicher wirkungen auch unter berücksichtigung der von den betroffenen unternehmen und ihren verbänden vorgelegten unterlagen fortbestehe. das ruhen der zulassungen sei angeordnet worden, um den betroffenen unternehmen gelegenheit zu geben, studienergebnisse vorzulegen, die die wirksamkeit in dem beanspruchten anwendungsgebiet in einem maße belegten, dass die bekannten hepatotoxischen risiken vertretbar seien. die vorgelegten toxikologischen untersuchungen lieferten keine hinreichende grundlage für die risikoabschätzung. anhand der in-vitro-studien könne zwar ein gewisser toxizitätsvergleich der untersuchten kava-kava-extrakte bzw. kavalactone aufgestellt werden. eine direkte risikoabschätzung bzw. ein unbedenklichkeitsnachweis für die anwendung sämtlicher arten von kava-kava-extrakten am menschen könne daraus aber nicht abgeleitet werden. die in-vivo-studien wiesen methodische mängel auf und seien deswegen nicht bewertungsfähig. zudem beschränke sich die aussagekraft der studie von disilvestro et al. auf einen bestimmten kava-kava-extrakt und könne deswegen nicht zur risikoabschätzung von kava-kava-arzneimitteln allgemein herangezogen werden. in der studie von l. sorrentino et al. seien nicht genügend parameter zum ausschluss der lebertoxizität erhoben worden. zudem fehlten daten zur pharmakokinetik bzw. toxikokinetik der potentiell toxischen inhaltsstoffe. es sei weiterhin unklar, ob die ratte die geeignete tierspezies sei, um vergleichbare hepatotoxische effekte auszulösen, wie sie aufgetreten seien. die nachgereichten publikationen lieferten keine erkenntnisse, die eine hepatotoxizität der von dem stufenplan betroffenen deutschen kava-kava-haltigen arzneimittel ausschlössen oder relativierten. deren fehlen in den vorliegenden untersuchungen stehe im widerspruch zu den klinischen befunden. mangels weiterer untersuchungen, die die pharmazeutischen unternehmen zwar angekündigt, aber nicht durchgeführt hätten, seien nach wie vor weder die mechanismen der klinisch aufgetretenen hepatotoxischen effekte noch das klinisch relevante toxin bekannt. 5der bescheid enthält eine zusammenfassung der vorliegenden erkenntnisse zum risiko der einnahme kava-kava-haltiger präparate und verweist insoweit auf einen bericht der weltgesundheitsorganisation (who) aus dem jahr 2007, der eine bewertung von 93 fallberichten zu leberschädigungen enthalte. außerdem wird in dem bescheid auf den bericht der britischen gesundheitsbehörde medicines and healthcare products regulatory agency (mhra) vom 27. juni 2006 verwiesen, in dem - nach ländern gegliedert - die bei der mhra eingegangenen meldungen zu 110 nebenwirkungsverdachtsfällen weltweit - darunter die überwiegende anzahl aus deutschland - aufgeführt sind. 6den hiernach bestehenden risiken stehe der umstand gegenüber, dass neuere untersuchungen zum beleg der wirksamkeit kava-kava- sowie kavalacton-haltiger arzneimittel nicht vorgelegt worden seien. bei arzneimitteln, für die es - jedenfalls bei der vorgeschlagenen dosierung - keine ausreichenden wirksamkeitsbelege gebe, sei ein nicht zu eliminierendes risiko nicht hinnehmbar, wenn es um schwerwiegende unerwünschte arzneimittelwirkungen (uaw) gehe. risikominimierende maßnahmen wie die unterstellung unter die verschreibungspflicht, die begrenzung der dosierung und leberfunktionstests rechtfertigten keine abweichende bewertung, zumal bei der behandlung von angststörungen mit benzodiazepinen, buspiron und einigen serotoninwiederaufnahmehemmern wie paroxetin und citalopram therapeutische alternativen zur verfügung stünden. deren wirksamkeit in der behandlung von unterschiedlichen formen von angststörungen sei im gegensatz zu kava-kava-haltigen arzneimitteln in mehreren klinischen studien gut untersucht und belegt worden. das bei benzodiazepinen bestehende abhängigkeitsrisiko rechtfertige es nicht, das mit kava-kava-produkten verbundene risiko hinzunehmen. 7in einer zusammenfassenden bewertung führte das bfarm aus, dass bei monographiekonformer dosierung bis 120 mg als tagesdosis kava-pyronen das risiko von leberschädigungen zwar geringer, aber immer noch deutlich vorhanden sei. bei dosierungen oberhalb von 120 mg kava-pyrone bestehe zwar ein gewisser anhalt für die wirksamkeit; das risiko für leberschäden sei dann aber zu groß. 8die klägerin erhob gegen den bescheid widerspruch. in einer stellungnahme des bundesverbandes der arzneimittelhersteller e.v. (bah) zum widerruf der zulassungen, die sich die klägerin zu eigen machte, führte der verband aus, die annahme schädlicher wirkungen kava-kava- und kavain-haltiger arzneimittel sei unzutreffend. das bfarm habe die neu vorgelegten toxikologischen untersuchungen nicht bewertet bzw. keinen nachvollziehbaren bewertungskriterien unterworfen. die kommission e habe in ihrer sitzung vom 27. februar 2002 unter dem vorbehalt bestimmter sicherheitsmaßnahmen ein klares votum zur weiteren verkehrsfähigkeit kava-kava-haltiger arzneimittel abgegeben. auch berücksichtige der bescheid nicht, dass § 25 abs. 2 satz 1 nr. 5 amg in seiner seit dem 6. september 2005 geltenden fassung keinen „begründeten verdacht schädlicher wirkungen“, sondern ein ungünstiges nutzen-risiko-verhältnis voraussetze. kava-kava erfülle die voraussetzungen eines „well-established use“. es werde seit jahrzehnten in der europäischen union medizinisch verwendet. wirkungen und nebenwirkungen seien bekannt. neue klinische studien könnten folglich nicht verlangt werden. zudem könne eine klinische studie keine erkenntnisse über seltene nebenwirkungen liefern. anlass zu kritik an den eingereichten toxikologischen studien bestehe nicht. andere therapeutische ansätze wie z.b. benzodiazepine stellten aufgrund ihrer risiken keine therapeutische alternative dar. andere arzneistoffe wiesen das gleiche oder sogar ein höheres risiko für leberschädigungen und zudem weitere schwerwiegendere unerwünschte effekte als kava-kava auf, insbesondere sei ein anstieg der suizidrate bekannt. die ergebnisse des berichts der mhra seien wegen der gänzlich anderen indikation in großbritannien (blasenerkrankungen) nicht übertragbar. die bewertung der vorliegenden fallmeldungen sei nicht sachgerecht. ihre inzidenzrate werde vom bfarm nach wie vor nicht berücksichtigt. 9in der folgezeit führten gespräche und schriftwechsel zwischen den pharmazeutischen unternehmen und dem bfarm zu keinem ergebnis. 10durch widerspruchsbescheid vom 22. februar 2012 wies das bfarm den widerspruch der klägerin unter wiederholung und vertiefung seiner vorherigen ausführungen zum risiko der anwendung kava-kava-haltiger arzneimittel als unbegründet zurück. in deutschland seinen 48 fälle lebertoxischer reaktionen registriert worden, von denen 26 ausreichend gut dokumentiert seien. in sieben fällen habe eine lebertransplantation vorgenommen werden müssen. zwei dieser patienten und eine patientin ohne lebertransplantation seien verstorben. in zwei fällen sei die lebertoxische reaktion nach absetzen des kava-kava-produkts zurückgegangen und bei reexposition erneut aufgetreten. in dreizehn fällen sei aufgrund des zeitlichen zusammenhangs, des fehlens lebertoxischer faktoren und einer entsprechenden komedikation ein kausalzusammenhang wahrscheinlich. in einzelnen dieser fälle sei eine synergistische beteiligung eines anderen arzneimittels (z.b. eines estrogens) als möglich anzusehen, ohne dass dies die annahme gerechtfertigt hätte, dass das kava-kava-arzneimittel nicht an der hepatotoxischen reaktion beteiligt gewesen wäre. in weiteren fünf spontan gemeldeten fällen sei ein kausalzusammenhang „möglich bis wahrscheinlich“ und in den restlichen fällen „möglich“. aus den dargestellten fällen gehe hervor, dass kava-kava eindeutig das potential zu schwerer lebertoxizität habe. der effekt weise ein durchaus charakteristisches muster auf mit einem zeitlichen gipfel bei drei bis vier monaten nach medikationsbeginn und einer wahrscheinlich höheren toxizität bei höheren dosen. zur toxikologischen bewertung von kava-kava-extrakten fehlten weiterhin nach heutigen standards durchgeführte tierstudien. die wirksamkeit der ethanolischen kava-kava-auszüge als anxiolytikum sei unverändert als nicht belegt anzusehen. ein vergleich des nutzen-risiko-profils mit therapeutischen alternativen setze diesen wirksamkeitsnachweis aber voraus. 11die klägerin hat am 26. märz 2012 klage erhoben. 12zur begründung der klage hat sie im wesentlichen ausgeführt: der widerruf der zulassungen sei rechtswidrig. das nutzen-risiko-verhältnis für kava-kava-haltige arzneimittel, die auf einem ethanolischen extrakt des kava-kava-wurzelstocks basierten, sei nicht ungünstig. die wirksamkeit des arzneimittels sei bei einer dosierung von 240 mg kava-pyrone, berechnet nach der hochleistungsflüssigkeitschromatographie-methode - engl. high performance liquid chromatography – (hplc-methode) auf sechs kava-pyrone, belegt. die von der kommission e angegebenen 120 mg kava-pyrone seien mittels dünnschichtchromatographie (dc) beschränkt auf drei kava-pryrone berechnet worden. deswegen entsprächen 120 mg kava-pyrone berechnet nach der dc-methode 240 mg kava-pyrone berechnet nach der hplc-methode. überdies sei ende der achtziger jahre eine exakte quantitative bestimmung aller maßgeblichen sechs kavalactone auch mit hilfe der hplc-methode nicht möglich gewesen. demzufolge entsprächen die in der monographie ermittelten 120 mg nicht dem gesamtgehalt an kavalactonen. vielmehr sei der kavalactongehalt der kava-produkte, die in der monographie berücksichtigung gefunden hätten, nach heutigen standards wesentlich höher anzusetzen. 13der einwand des bfarm, die mittel seien nicht wirksam, beruhe darauf, dass die betroffenen unternehmen auf entsprechende forderung des bfarm die dosierung halbiert hätten, um sich numerisch an die monographie anzupassen. das sei inzwischen mit blick auf die unterschiedlichen berechnungsgrundlagen durch die mit der änderungsanzeige erfolgte anhebung auf die alte menge von 240 mg kava-pyrone korrigiert worden. bei der bewertung der wirksamkeit müsse deswegen nach aktuellem stand der zulassung für alle betroffenen arzneimittel eine dosierung von 240 mg kava-pyrone zugrunde gelegt werden. 14die vorliegenden fälle unerwünschter ereignisse im zusammenhang mit kava-kava seien vom bfarm unrichtig und teilweise anders als von anderen institutionen bewertet worden. auf der grundlage der auswertung durch teschke et al. aus dem jahr 2008 ergäben sich lediglich drei fälle, in denen überhaupt von einer auslösung durch kava-kava auszugehen sei. in zwei dieser fälle habe es sich um acetonische extrakte gehandelt. der verbleibende fall stehe im zusammenhang mit einer allergie. die häufung von uaw-meldungen in den jahren 2001 und 2002 sei zudem durch die aktive negative informationspolitik des bfarm zu erklären. im gegensatz zum bfarm habe die schweizerische behörde nicht auf vorlage präklinischer studien bestanden, sondern nur eine anwendungsbeobachtung gefordert, die jedoch wegen des deutschen kava-kava-verbots abgebrochen worden sei. in den usa würden kava-kava-produkte nach wie vor als nahrungsergänzungsmittel in den verkehr gebracht. 15die risiken in betracht zu ziehender alternativpräparate - insbesondere benzodiazepine und antidepressiva - seien ungleich höher als die der betroffenen kava-kava-produkte. das angestrebte ziel der verminderung von therapierisiken könne mit dem widerruf nicht erreicht werden. anstelle des geringeren risikos von kava-kava-produkten lasse das bfarm zu, arzneimittel einzusetzen, deren anwendung für die patienten mit weit größeren risiken verbunden sei. noch bis zum jahr 2001 habe das bfarm neuzulassungen für kava-kava-haltige arzneimittel erteilt. 16mit auflagenbeschluss vom 30. oktober 2012 hat das verwaltungsgericht der beklagten in mehreren parallelverfahren aufgegeben, eine zusammenstellung nebst wirksamkeitsbelegen und nebenwirkungsprofil von benzodiazepin-haltigen, in deutschland verkehrsfähigen arzneimitteln vorzulegen, deren anwendungsgebiet ganz oder teilweise der indikation „nervöse angst-, spannungs- und unruhezustände“ entspricht. zugleich hat es der klägerin aufgegeben, darzulegen, ob und unter welchen voraussetzungen toxikologische untersuchungen in vivo mit dem wirkstoff ihres arzneimittels an einer weiteren tierart, die nicht nagetier ist, durchgeführt werden können. 17die beklagte ist diesen auflagen in den parallelverfahren nachgekommen und hat hierzu erwidert, es sei reine spekulation und durch nichts belegt, dass patienten nach dem verbot von kava-kava auf benzodiazepine übergegangen seien. deren verwendung sei durch die hinweise an die ärzte zum bestimmungsgemäßen gebrauch von benzodiazepin-haltigen präparaten limitiert. auch weise die fachinformation auf den überwiegenden einsatz dieser arzneistoffe bei schweren angstzuständen, schlafstörungen sowie zur behandlung von muskelverspannungen und epilepsien sowie die zeitliche begrenzung einer behandlung hin. zur symptomatischen behandlung von angstzuständen (leitsymptomatik: angst, innere unruhe, spannungszustände) stehe der wirkstoff buspiron zur verfügung, ein serotonin ohne erhöhtes abhängigkeitspotential, aber mit verzögertem wirkungseintritt. daneben hat das bfarm auf unterschiedliche psychopharmaka, ferner auf andere pflanzliche präparate wie baldrian, hopfen, melisse, passionsblume oder johanniskraut verwiesen. die von klägerseite vertretene annahme unterschiedlicher risiken verschiedener kava-kava-kultivare sei spekulativ, da sich die nebenwirkungsmeldungen gleichmäßig auf die verschiedenen kultivare und extrakte verteilten. in einem fall sei es sogar zu einer „positiven rechallenge“ - einem wiederauftreten der nebenwirkung nach erneuter gabe - gekommen, was eine gesicherte kausalität begründe. zudem habe sich in mehreren vom national toxicology program (ntp) der usa mit einem handelsüblichen kava-kava-extrakt durchgeführten studien ergeben, dass die leber hauptzielorgan toxischer und kanzerogener effekte sei. 18die dortigen klägerinnen, auf deren vortrag die klägerin im vorliegenden verfahren bezug genommen hat, haben sich in ihrer gegenäußerung zum auflagenbeschluss gegen das erfordernis weiterer tierexperimenteller toxizitätsstudien gewandt und dazu ausgeführt: das bisherige datenmaterial habe ein hepatotoxisches potential von kava-kava nicht belegen können. nebenwirkungen seien insoweit in der vergangenheit in erster linie bei acetonischen kava-kava-extrakten und minderwertigen sorten aufgetreten. unter zugrundelegung des zutreffenden bewertungsschemas wären zahlreiche meldungen nicht auf kava-kava zurückzuführen. der einzelne fall einer rechallenge hätte in diesem licht unter dem gesichtspunkt einer allergie bewertet werden müssen. zur gewinnung weiterer erkenntnisse über das risiko am menschen sei eine beobachtung von patienten im rahmen der laufenden behandlung geeignet (sog. post authorisation safety study, „pass“). entsprechendes sei vom bfarm auch im fall von pelargonium („umckaloabo“) akzeptiert worden. die bestehende toxikologische datenlage reiche aus. es lägen allein in deutschland erfahrungswerte über einen zeitraum von 100 jahren vor. die klägerin verweist in diesem zusammenhang u.a. auf eine reihe - teils neuerer - studien, die ein hepatotoxisches risiko des ethanolischen extrakts, insbesondere bei einer anwendungsdauer von bis zu vier wochen, nicht hätten belegen können. in den usa sei kava-kava nach wie vor unbeanstandet als nahrungsergänzungsmittel verkehrsfähig. kanzerogene effekte seien bei mäusen festgestellt worden; dieses spezies-spezifische phänomen trete in dieser form auch bei benzodiazepinen auf und erfordere eine langzeitgabe sehr hoher dosen. zudem hätten andere studien gezeigt, dass kava-kava nicht mutagen sei. die beklagte lasse - der zulassungspraxis des bfarm widersprechend - bei der auswertung der nebenwirkungsmeldungen konsequent die erforderliche differenzierung der arzneimittel nach art der droge und extraktionsmittel vermissen. 19im gegensatz zur auffassung der beklagten seien benzodiazepine bei der nutzen-risiko-abwägung von kava-kava durchaus in den blick zu nehmen. die beklagte selbst benenne benzodiazepine als risikoärmere alternative zu kava-kava. angesichts des teilweise identischen anwendungsgebiets von kava-kava und mit blick auf die verschreibungszahlen 1998 und 1999 lasse sich feststellen, dass bei etwa jeder 10. verordnung die wahl auf kava-kava als risikoärmere alternative zu benzodiazepinen gefallen sei. das von der beklagten aufgrund des auflagenbeschlusses vorgelegte material belege ein erhebliches nebenwirkungspotential von benzodiazepinen, die in ihrer schwere einer hepatotoxizität entsprächen oder über diese hinausgingen, wie etwa die gefahr einer missbräuchlichen überdosierung und selbsttötungen unter zuhilfenahme von benzodiazepinen. auch das von der beklagten angeführte buspiron weise ein größeres abhängigkeitspotential als kava-kava auf und sei nebenwirkungsbehaftet. vergleichbares gelte für antidepressiva, auch in bezug auf leberschädigungen. johanniskraut zeige wechselwirkungen zu anderen arzneimitteln, führe zu lichtempfindlichkeit und müsse über einen längeren zeitraum eingenommen werden, um überhaupt eine wirkung zu zeitigen. 20auch bestehe eine asymmetrie in der risikobewertung des bfarm bei phytopharmaka. es stelle sich die frage, warum bei einem freiverkäuflichen arzneimittel wie „umckaloabo“ mit dem wirkstoff aus der pelargoniumwurzel, das ebenfalls im verdacht stehe, leberschädigungen hervorzurufen, dieses risiko in kauf genommen werde, bei kava-kava jedoch trotz von den unternehmen angebotener transaminasen-kontrollen, der verschreibungspflicht und des hochwertigen anwendungsgebiets die zulassungen widerrufen würden. 21die klägerin hat beantragt, 22den bescheid des bfarm vom 21. dezember 2007 in gestalt des widerspruchsbescheides vom 22. februar 2012 aufzuheben. 23die beklagte hat beantragt, 24 die klage abzuweisen. 25sie hat ihr vorbringen aus dem verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft und ergänzend folgendes ausgeführt: die von der britischen gesundheitsbehörde in ihrem bericht aus dem jahr 2006 aufgeführten 110 nebenwirkungsverdachtsfälle beschränkten sich nicht auf acetonische extrakte, sondern hätten in der mehrzahl der fälle ethanolische extrakte betroffen. die seitens der unternehmen vorgelegten toxikologischen untersuchungen seien nicht geeignet, die risikofreiheit des wirkstoffs zu belegen. insbesondere geeignete tierstudien stünden aus. eine kurzzeitanwendung von nur vier wochen sei angesichts des krankheitsbildes auch wenig realistisch. die einschlägigen guidelines forderten eine studiendauer bei nicht-nagern von neun monaten. auch die wirksamkeit sei nicht hinreichend belegt. insbesondere sei die darstellung, die monographie der kommission e beruhe auf einer dc-messung, nicht belegt. aus den unterlagen zur monographieerstellung der kommission e gehe hervor, dass die bestimmung auch zum damaligen zeitpunkt schon mit der hplc-methode erfolgt sei. die zwischenzeitliche erhöhung der tagesdosis über den monographiekonformen wert von 60 bis 120 mg kava-pyrone hinaus sei nicht geeignet, das negative nutzen-risiko-verhältnis zu ändern. der klägerin sei zwar darin zuzustimmen, dass in der phytotherapie der arzneilich wirksame bestandteil durch das extraktionsmittel und das droge-extrakt-verhältnis (dev) eindeutig gekennzeichnet sei und eine änderung des extraktionsmittels bzw. des dev auch zu einem anderen wirkstoff führe. nur die berücksichtigung ethanolischer extrakte reduziere aber auch das zugunsten der klägerin vorgelegte studienmaterial immens, da dann alle ergebnisse zu wässrigen, acetonischen oder co2-extrakten nicht berücksichtigungsfähig seien. die beklagte sieht sich durch die ntp-studie in ihrer risikobewertung bestätigt. dass die us-amerikanische behörde hieraus keinen handlungsbedarf abgeleitet habe, sei ohne belang. die von der klägerin herangezogenen neueren studien seien nicht hinreichend aussagekräftig. die möglichkeit der anordnung von post authorization safety studies sei erst durch das 2. amg-änderungsgesetz vom 19. oktober 2012 geschaffen worden. 26das verwaltungsgericht hat den bescheid des bfarm vom 21. dezember 2007 in gestalt des widerspruchsbescheides vom 22. februar 2012 durch urteil vom 20. mai 2014 aufgehoben. zur begründung hat es ausgeführt: das nutzen-risiko-verhältnis kava-kava-haltiger arzneimittel der hier streitgegenständlichen art erweise sich nicht als ungünstig. wenngleich die monographie „piperis methystici rhizoma" der kommission e vom 1. juni 1990, aus der die klägerin die wirksamkeit kava-kava-haltiger arzneimittel im wesentlichen herleite, nicht auf einer aktuellen erfordernissen genügenden klinischen erprobung des wirkstoffs beruhe, sei sie in der folgezeit grundlage für eine vielzahl von zulassungen und nachzulassungen kava-kava-haltiger präparaten gewesen, ohne dass insoweit eine sachliche unterscheidung zwischen ethanolischen und anderen auszügen erfolgt sei. diese wirksamkeitsaussage habe das bfarm im gerichtlichen verfahren nicht substantiiert angegriffen. auch habe sich die kommission e noch im jahre 2002 in kenntnis der bekannten risikoaspekte für die verkehrsfähigkeit der produkte unter dem vorbehalt bestimmter sicherheitsmaßnahmen ausgesprochen. vor diesem hintergrund könne den vom widerruf betroffenen arzneimitteln ungeachtet ihrer dosierung nicht jede wirksamkeit von vornherein abgesprochen werden. wegen des abweichenden prüfungsmaßstabs des § 30 abs. 1 amg komme es auf die frage, ob die wirksamkeit kava-kava-haltiger arzneimittel in einer den anforderungen des § 22 abs. 2 s. 1 nr. 3, abs. 3 amg genügenden weise begründbar sei, nicht an. 27dem durch die zulassungsbescheide belegten nutzen der präparate in den anwendungsgebieten „nervöse angst, spannungs- und unruhezustände" stünden anwendungsrisiken in gestalt hepatotoxischer ereignisse gegenüber. die in dem bericht der who dokumentierten fälle lebertoxischer reaktionen seien im rahmen einer quantitativen gewichtung angesichts der weiten verbreitung kava-kava-haltiger arzneimittel als „selten" oder „sehr selten" auftretende nebenwirkungen auszuweisen. dabei sei zu berücksichtigen, dass die klägerin nachvollziehbar dargelegt habe, dass in die berichte der who und der mhra auch meldungen aus deutschland eingeflossen seien und deswegen eine doppelte berücksichtigung ein und desselben ereignisses nahe liege. inhaltlich sei das zu den hepatotoxischen nebenwirkungen vorliegende zahlenmaterial nicht konsistent. das aus großbritannien ausgewertete zahlenmaterial beziehe sich auf die anwendung von kava-kava in einem anderen anwendungsgebiet, nämlich blasenerkrankungen. zudem erschwere die multikausalität von leberschädigungen die zuordnung zu einer bestimmten medikamentengabe. die klägerin habe nachvollziehbar dargelegt, dass es auch in sog. „rechallenge-fällen" einer dokumentation der komedikation bedürfe, um eine tragfähige wahrscheinlichkeitsaussage treffen zu können. in der vorliegenden gestalt lasse das zahlenmaterial nur die aussage einer möglichen verknüpfung von nebenwirkungen durch kava-kava-gabe zu. dies gelte auch für ethanolische extrakte. 28im rahmen der bewertung des nutzen-risiko-verhältnisses hat das verwaltungsgericht zunächst darauf hingewiesen, dass das monographierte anwendungsgebiet „nervöse angst, spannungs- und unruhezustände" sich mit dem für benzodiazepine zugelassenen anwendungsgebiet überschneide. obwohl es sich bei letzteren um zugelassene und verschreibungspflichtige arzneimittel handele, gingen von diesen wirkstoffen erhebliche gefahren aus. es bestehe schon bei therapeutischen dosierungen ein sehr hohes abhängigkeitspotential. benzodiazepine würden weltweit als medikamente mit der höchsten missbrauchsrate gelten. seit 2002 habe es für benzodiazepine insgesamt 4.478 uaw-meldungen gegeben, die sich über eine vielzahl von unerwünschten nebenwirkungen erstreckten und - soweit schwer - bei suizidversuchen und suchtmissbrauch deutliche spitzen aufwiesen, vereinzelt aber auch leberschädigungen zeigten. vor diesem hintergrund könne nicht von einer risikoärmeren alternative zu kava-kava-haltigen arzneimitteln ausgegangen werden. das gelte in abgeschwächter form auch für das vom bfarm angeführte buspiron und die erwähnten antidepressiva. zudem seien im rahmen einer am verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem übermaßverbot orientierten nutzen-risiko-abwägung andere regulatorische maßnahmen zur risikominimierung zu berücksichtigen, die eine weitere verkehrsfähigkeit der produkte ohne unvertretbare gefahren für die öffentliche gesundheit gewährleisteten. hierzu zählten die verschreibungspflicht, gegenanzeigen, anwendungsbeschränkungen, eine ausdrückliche beschränkung der anwendungsdauer sowie eine begleitende regelmäßige erhebung der leberwerte. hinzu trete die nunmehr gemäß § 28 abs. 3b satz 1 nr. 2 amg auch nach erteilung der zulassung bestehende möglichkeit der bundesoberbehörde, im wege der auflage anzuordnen, unbedenklichkeitsprüfungen durchzuführen, wenn dies im interesse der arzneimittelsicherheit erforderlich sei. angesichts des umstandes, dass bislang die anhaltspunkte für ein hepatotoxisches risiko der streitbefangenen produkte nicht mit der genügenden sicherheit hätten verifiziert werden können, wäre eine solche nachgelagerte erprobung bei fortbestehender marktfähigkeit unter verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten naheliegend und das gegenüber dem widerruf mildere mittel. 29die beklagte hat die vom verwaltungsgericht zugelassene berufung eingelegt und zur begründung im wesentlichen geltend gemacht: die möglichkeit, eine unbedenklichkeitsstudie anzuordnen, bestehe nicht. das materielle recht, insbesondere § 28 abs. 3b satz 1 nr. 2 amg, eröffne nicht die möglichkeit, nach zulassung eine unbedenklichkeitsstudie anzuordnen. es bestehe kein ansatz dafür, dass die vorschrift auf vor ihrem inkrafttreten eingeleitete (und abgeschlossene) risikoverfahren anwendung finde. das verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass die aktuelle bewertung der wirksamkeit des arzneimittels ein maßgeblicher abwägungsbelang bei der bewertung des nutzen-risiko-verhältnisses sei. die wirksamkeit kava-kava-haltiger arzneimittel sei bereits bei erstellung der monographie der kommission e fraglich gewesen. wegen der geringen bedeutung von kava-kava sei zunächst eine negativmonographie erstellt worden. die von der kommission e in bezug auf die wirksamkeit angenommene plausibilität würde und könnte unter den heutigen rechtlichen rahmenbedingungen zu einer traditionellen registrierung gemäß § 39c amg führen, womit allerdings eine sehr viel kritischere nutzen-risiko-bewertung einhergehe. schon zum zeitpunkt der stufenplanentscheidung hätten dem bfarm keine studien vorgelegen, die eine wirksamkeit ausreichend belegt hätten. das herbal medicinal product commitee (hmpc) habe in einer öffentlichen stellungnahme „piperis methystici rhizoma“ als einen der wirkstoffe benannt, für die die erstellung einer positivmonographie nicht erfolgversprechend erscheine. das angegriffene urteil überspanne die anforderungen an den verdachtsgrad schädlicher nebenwirkungen. wenn - wie vorliegend - eine größere anzahl von verdachtsfällen zusammenkomme, ergebe sich der begründete verdacht des auftretens unvertretbarer schädlicher wirkungen mit zumindest möglicher kausalität. da es sich hier um sehr schwerwiegende nebenwirkungen mit ernsten konsequenzen gehandelt habe, seien zum schutz der patienten einschneidende maßnahmen gerechtfertigt gewesen. die vom gericht beanstandete fehlende häufigkeit der nebenwirkungen sei aus den daten der spontanerfassung bekanntermaßen nicht verlässlich ableitbar. insoweit sei insbesondere die hohe dunkelziffer zu berücksichtigen. quantitative aussagen zur häufigkeit von nebenwirkungen seien nur durch studien mit systematischer datenerfassung und ausreichender anzahl eingeschlossener patienten zu treffen. entscheidend sei das vorliegen einer reihe von fällen schwerwiegender nebenwirkungen, bei denen ein kausaler zusammenhang mit der anwendung von kava-kava-haltigen arzneimitteln zumindest möglich erscheine. dieser sei nach den dem bfarm vorliegenden - im folgenden nochmals zusammengefassten - erkenntnissen gegeben. daraus gehe hervor, dass kava-kava eindeutig das potential zu schwerer lebertoxizität habe, wobei auch idosynkratische leberschädigungen eine denkbare erklärungsmöglichkeit seien. die darstellung der klägerin zu inzidenzraten bleibe unklar. an der arbeit von teschke et al. sei auffällig, dass der kausalzusammenhang in 13 fällen wegen anderer nicht medikamentöser ursachen verneint worden sei und dies in drei beispielhaft aufgeführten fällen nicht mit den differenzialdiagnostischen feststellungen der ärzte, von denen diese fallberichte stammten, in einklang stehe. in der bisherigen diskussion zu noble-kava und den zu erwartenden qualitätsunterschieden habe die klägerin bislang nicht belegt, welche kava-qualität sie in den 80er/90er jahren verwendet habe. es sei auch nicht dargelegt, ob die klinischen studien, die der damaligen zulassung zugrunde lagen, ausschließlich mit noble-kava durchgeführt worden seien. 30auch wenn der für die ntp-studie verwendete extrakt mit überkritischem kohlendioxyd nicht mit den ethanolischen extrakten vergleichbar sei - was sich angesichts der 96%igen ethanolkonzentration jedoch diskutieren ließe -, seien die dort gewonnen schlussfolgerungen als hintergrundinformation bei der bewertung mit einzubeziehen. mit bezug auf den mechanismus der hepatotoxizität seien zudem die ergebnisse weiterer im einzelnen aufgeführter publikationen aus den jahren 2011 und 2012 zu berücksichtigen. 31die nutzen-risiko-abwägung des verwaltungsgerichts verdiene kritik. die dort angeführte überschneidung der anwendungsgebiete von benzodiazepin- und kava-kava-haltigen arzneimitteln wiege die unterschiede beider arzneimittel nicht auf. vielmehr sei mit blick auf etwaige behandlungsalternativen insbesondere die interdisziplinäre s3-leitlinie „behandlung von angststörungen" in den blick zu nehmen. benzodiazepine zählten danach weder zu den arzneimitteln der ersten noch der zweiten wahl für die angstbehandlung. dazu zählten demgegenüber selektive serotonin-wiederaufnahmehemmer, selektive serotonin-noradrenalin-wiederaufnahmehemmer, pregabalin, buspiron, opipramol, hydroxyzin und damit arzneimittel mit einem guten nutzen-risiko-verhältnis. abgesehen davon handele es sich bei der mit einer behandlung mit benzodiazepinen vielfach auftretenden abhängigkeit um eine niedrigdosisabhängigkeit, die keine abhängigkeit im eigentlichen sinne sei. das verwaltungsgericht setze sich auch in widerspruch zu den von ihm selbst aufgestellten kriterien, wenn es die missbräuchliche verwendung von benzodiazepinen in die abwägung einfließen lasse. darüber hinaus stünden auch aus dem bereich der pflanzlichen arzneimittel behandlungsalternativen, etwa baldrianwurzelzubereitungen oder lavendelöl, zur verfügung. im rahmen der verhältnismäßigkeitsprüfung habe das verwaltungsgericht zu unrecht nicht berücksichtigt, dass dem widerruf die anordnung des ruhens als milderes mittel vorausgegangen sei. die widerrufsentscheidung habe darauf beruht, dass die zulassungsinhaber nicht bereit gewesen seien, die erforderlichen maßnahmen zu ergreifen bzw. weiteres wissenschaftliches erkenntnismaterial vorzulegen. auch wenn man die geänderte rechtslage zugrundelegte, wäre die anordnung einer unbedenklichkeitsstudie kein gleich geeignetes, erst recht kein milderes mittel. denn sie lasse nicht den versagungsgrund des ungünstigen nutzen-risiko-verhältnisses entfallen, sondern diene allein dem gewinn neuer erkenntnisse und der erforschung der risiken. folglich führe eine solche studie nicht zu einer risikominimierung und wirke sich deswegen nicht positiv auf das nutzen-risiko-verhältnis aus. das risikoverfahren zu pelargoniumwurzelhaltigen arzneimitteln sei mit dem vorliegenden verfahren nicht vergleichbar und müsse differenziert bewertet werden. 32die beklagte beantragt, 33das urteil des verwaltungsgerichts köln vom 20. mai 2014 zu ändern und die klage abzuweisen. 34die klägerin beantragt, 35die berufung zurückzuweisen. 36zur begründung führt sie aus: nach dem im zeitpunkt der gerichtlichen entscheidung geltenden materiellen recht hätte die beklagte die durchführung einer pass anordnen können. zudem sei es eine stets geübte praxis des bfarm gewesen, auf der grundlage von § 30 amg i.v.m. § 36 vwvfg entsprechende anordnungen zu treffen. die ausführungen der beklagten zur nutzen-risiko-bewertung des verwaltungsgerichts seien nicht überzeugend. nach erstellung der monographie der kommission e habe sich die erkenntnislage eindeutig zu gunsten von kava-kava verbessert. das bfarm habe dies dadurch bestätigt, dass es gestützt auf diese monographie und die nachfolgend publizierten klinischen prüfungen sehr viele zulassungen für kava-kava-haltige arzneimittel erteilt habe und zwar mit einem status nach § 22 abs. 3 amg. die von der beklagten zitierte öffentliche stellungnahme des hmpc führe zu keiner anderen bewertung der wirksamkeit von kava-kava. die darin enthaltenen aussagen beträfen traditionelle pflanzliche arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig seien, und könnten nicht auf die hier streitbefangenen verschreibungspflichtigen arzneimittel erstreckt werden. in bezug auf die in rede stehenden nebenwirkungen sei zwischen kava-kava-präparaten aus noble-kava mit ethanolischem extrakt und solchen aus two-day-kava mit acetonischem extrakt zu unterscheiden. bei ersteren ergebe sich aus den vorliegenden erkenntnissen allenfalls ein schwacher verdacht für nebenwirkungen. im zusammenhang mit möglichen behandlungsalternativen führe die beklagte arzneimittel an, die für andere anwendungsgebiete zugelassen seien als kava-kava, und verharmlose überdies das bei einer behandlung mit benzodiazepinen bestehende abhängigkeitsrisiko. entsprechendes gelte mit bezug auf die in der interdisziplinären s3-leitlinie zur behandlung von angststörungen aufgeführten arzneimittel. die von der beklagten als behandlungsalternative benannten pflanzlichen arzneimittel deckten nicht die gleichen erkrankungen ab. entgegen der auffassung der beklagten bestehe bei pelargoniumwurzelpräparaten und kava-kava-präparaten in fachlich-medizinischer hinsicht eine vergleichbare situation. insofern sei es bemerkenswert, dass das bfarm nur bei ersteren, nicht hingegen bei letzteren die möglichkeit gesehen habe, eine pass durchzuführen. 37durch änderungsanzeige vom 12. februar 2015 hat die klägerin die erhöhung der dosierung auf dreimal täglich 4 ml (entsprechend 240 mg kava-pyrone täglich) angezeigt. 38wegen der einzelheiten des sach- und streitstandes wird bezug genommen auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten. 39 | 40die berufung der beklagten hat keinen erfolg. sie ist zulässig, aber unbegründet. 41das verwaltungsgericht hat der klage im ergebnis zu recht stattgegeben. der 42widerrufsbescheid des bfarm vom 21. dezember 2007 in der gestalt des widerspruchsbescheids vom 15. februar 2012 ist rechtswidrig und verletzt die klägerin in ihren rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). 43die voraussetzungen für einen widerruf der zulassung des arzneimittels kava-s. -tropfen n sind nicht erfüllt. 44für die beurteilung der rechtmäßigkeit des widerrufsbescheides ist die sach- und rechtslage im zeitpunkt der letzten mündlichen verhandlung der tatsacheninstanz, hier also der berufungsverhandlung, entscheidend. der maßgebliche zeitpunkt der beurteilung der rechtmäßigkeit eines angefochtenen verwaltungsakts richtet sich nach dem jeweiligen materiellen recht. für die anfechtungsklage gilt im allgemeinen, dass die sach- und rechtslage im zeitpunkt der letzten behördenentscheidung maßgeblich ist, es sei denn, das materielle recht regelt etwas abweichendes. 45vgl. bverwg, urteile vom 28. juli 1989 - 7 c 39.87 -, juris, rn. 8, und vom 1. juni 2011 - 8 c 4.10 -, juris, rn. 19. 46letzteres muss nicht zwingend in gestalt einer ausdrücklichen fachgesetzlichen regelung zum ausdruck kommen, sondern kann sich auch aus dem sinn und zweck des jeweils einschlägigen normgefüges ergeben. 47vgl. wolff, in: sodan/ziekow, vwgo, 4. auflage, 2014, § 113, rn. 96. 48dies ist hier der fall. einerseits erfordert der in § 1 amg niedergelegte gesetzeszweck der arzneimittelsicherheit - wie das verwaltungsgericht bereits zutreffend festgestellt hat - die berücksichtigung von änderungen der sach- und rechtslage nach der letzten behördlichen entscheidung. 49vgl. ovg nrw, urteil vom 29. januar 2014 - 13 a 2730/12 -, juris, rn. 28 f. 50andererseits gebietet dies die besondere eingriffsintensität des widerrufs in die grundrechte der pharmazeutischen unternehmer. denn die wiedererlangung der zulassung ist nach deren bestandskräftigem widerruf erheblich erschwert. das folgt daraus, dass die versagungsgründe des § 25 abs. 2 amg nicht deckungsgleich mit den widerrufsgründen des § 30 abs. 1 satz 1 halbsatz 2 amg sind. insbesondere ist der widerruf der zulassung nicht vorgesehen, wenn der versagungsgrund des § 25 abs. 2 nr. 2 amg nachträglich eingetreten ist, also dann, wenn das arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten stand der wissenschaftlichen erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche erkenntnismaterial nach § 22 abs. 3 amg nicht dem jeweils gesicherten stand der wissenschaftlichen erkenntnis entspricht. angesichts dessen ist es unter verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten geboten, für die beurteilung der rechtmäßigkeit des widerrufs auf den zeitpunkt der letzten mündlichen verhandlung abzustellen. bestätigt wird dies durch den in § 30 abs. 2a amg zum ausdruck kommenden rechtsgedanken einer gegenüber dem widerruf vorrangigen anpassung der zulassung nach maßgabe der jeweils geltenden sach- und rechtslage. 51die beurteilung der rechtmäßigkeit des widerrufs der zulassung richtet sich deswegen nach § 30 abs. 1, 2a amg in der fassung vom 19. dezember 2012. nach § 30 abs. 1 satz 1 halbsatz 2 amg ist die arzneimittelzulassung zu widerrufen, wenn der versagungsgrund des § 25 abs. 2 satz 1 nr. 5 amg nachträglich eingetreten ist, das heißt, wenn sich das nutzen-risiko-verhältnis des präparats nachträglich als ungünstig erweist. gemäß § 30 abs. 2a satz 1 1. alt. amg ist die zulassung zu ändern, wenn dadurch der in absatz 1 genannte betreffende versagungsgrund entfällt. ein widerruf der zulassung ist danach nur gerechtfertigt, wenn das nutzen-risiko-verhältnis eines arzneimittels ungünstig ist und dem durch eine änderung der zulassung nicht abgeholfen werden kann. die zulassungsänderung hat damit bei vorliegen eines versagungsgrundes vorrang gegenüber dem widerruf, mit der folge, dass dieser rechtswidrig ist, wenn die voraussetzungen des § 30 abs. 2a amg erfüllt sind. 52vgl. zu § 30 amg a.f. krüger, in: kügel/müller/hoffmann, arzneimittelgesetz, 2012, § 30, rn. 34. 53das ist hier der fall. das nutzen-risiko-verhältnis des streitbefangenen arzneimittels ist derzeit ungünstig (i.). dies rechtfertigt aber nicht den widerruf der zulassung, weil dieser versagungsgrund bereits durch deren änderung ausgeräumt werden kann (ii.). 54(i.) das nutzen-risiko-verhältnis umfasst nach § 4 abs. 28 amg eine bewertung der positiven therapeutischen wirkungen des arzneimittels im verhältnis zu dem risiko nach absatz 27 lit. a. dies ist jedes risiko im zusammenhang mit der qualität, sicherheit oder wirksamkeit des arzneimittels für die gesundheit der patienten. mit dem begriff des risikos wird ebenso wie bei der früheren gesetzesfassung des § 25 abs. 2 satz 1 nr. 5 amg jede art von schädlichen wirkungen erfasst, die über ein nach den erkenntnissen der medizinischen wissenschaft vertretbares maß hinausgehen. nach der bis zum 5. september 2005 geltenden vorschrift durfte die zulassung versagt werden, wenn bei dem arzneimittel der begründete verdacht bestand, dass es bei bestimmungsgemäßem gebrauch schädliche wirkungen hat, die über ein nach den erkenntnissen der medizinischen wissenschaft vertretbares maß hinausgehen (vgl. auch § 5 abs. 2 amg). mit der änderung des wortlauts des § 25 abs. 2 satz 1 nr. 5 amg, die der angleichung an die richtlinienvorgaben diente, ist keine inhaltliche änderung verbunden. beide fassungen erstrecken sich auf jegliche nebenwirkungen. unter nebenwirkungen sind die beim bestimmungsgemäßen gebrauch eines arzneimittels auftretenden schädlichen unbeabsichtigten reaktionen zu verstehen (§ 4 abs. 13 amg), also nicht nur pharmakologisch-toxikologische wirkungen, sondern jedwede unerwünschte folge. der erforderliche verdacht schädlicher wirkungen liegt vor, wenn ernstzunehmende erkenntnisse den schluss nahelegen, dass das arzneimittel unvertretbare nebenwirkungen hat. 55vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 - 3 c 10.09 -, nvwz-rr 2010, 330 = juris, rn. 32 ff., sowie beschluss vom 12. juni 2012 - 3 b 88.11 - , juris, rn. 3; ovg nrw, urteile vom 7. november 2012 - 13 a 2710/08 -, juris, rn. 39 ff. und vom 29. januar 2014 - 13 a 2730/12 - , juris, rn. 34; bt-drs. 15/5316, s. 38. 56dafür bedarf es keines positiven nachweises der kausalen beziehung zwischen der einnahme des arzneimittels und aufgetretenen nebenwirkungen, weil dies dem gebot der arzneimittelsicherheit zuwiderlaufen würde. 57vgl. bverwg, urteil vom 26. april 2007 - 3 c 36.06 -, pharma recht 2007, 423 = nvwz-rr 2007, 774; ovg nrw, beschluss vom 17. september 2009 - 13 a 1428/08 -, juris, rn. 11; ovg berlin, urteil vom 16. september 1999 - 5 b 34.97 -, juris, rn. 17; kloesel/cyran, arzneimittelrecht, kommentar, stand: 2012, § 25, rn. 76, m. w. n. 58insbesondere dann, wenn schwere gesundheitsgefahren in rede stehen, reicht es aus, wenn die entfernte möglichkeit einer risikoverwirklichung besteht. 59vgl. ovg nrw, beschluss vom 17. september 2009 - 13 a 1428/08 -, juris, rn. 13. 60ein ungünstiges nutzen-risiko-verhältnis folgt nicht bereits daraus, dass die bezweckte therapeutische wirksamkeit eines arzneimittels nicht (mehr) belegt ist. wie das verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, begründen zweifel an der wirksamkeit oder eine unzureichende wirksamkeitsbegründung nicht automatisch die annahme eines ungünstigen nutzen-risiko-verhältnisses und rechtfertigen daher für sich genommen nicht die aufhebung der zulassung, die nur auf die feststehende fehlende wirksamkeit gestützt werden kann (vgl. § 30 abs. 1 satz 2 nr. 1 amg). 61vgl. dazu krüger, in: kügel/müller/hoffmann, arzneimittelgesetz, 2012, § 30, rn. 15. 62nach aktuellem erkenntnisstand bestehende zweifel an der wirksamkeit eines arzneimittels sind für die im rahmen des § 30 abs. 1 satz 1 halbsatz 2, § 25 abs. 2 satz 1 nr. 5 amg zu treffende prognoseentscheidung gleichwohl von bedeutung. denn unter der voraussetzung, dass die insoweit darlegungs- und materiell beweispflichtige behörde sie konkret begründet hat, bilden sie einen abwägungsbelang, der auf dritter stufe bei der abwägung des festgestellten nutzens und der risiken eines arzneimittels zu berücksichtigen ist. 63vgl. ovg nrw, urteil vom 29. januar 2014 - 13 a 2730/12 -, juris, rn. 43. 64hierbei sind gesichtspunkte wie indikation, schwere des zu behandelnden defekts, behandlungsnotwendigkeit, chancen eines behandlungserfolges sowie eventuelle behandlungsalternativen gegen solche wie schweregrad und häufigkeit der unerwünschten nebenwirkung, die rückbildungswahrscheinlichkeit (reversibilität), mutmaßliche gegenmaßnahmen und suchtpotential im sinne einer vertretbarkeitsentscheidung gegeneinander abzuwägen. 65vgl. zu den abwägungskriterien: kloesel/cyran, arzneimittelrecht, kommentar, stand 2012, § 25 rn. 77; kügel, in: kügel/müller/hoffmann, arzneimittelgesetz, § 25, rn. 56. 66voraussetzung für den widerruf ist, dass die mit dem verdacht schädlicher wirkungen verbundenen risiken gegenüber dem therapeutischen nutzen des arzneimittels überwiegen. 67vgl. bverwg, urteil vom 26. april 2007 - 3 c 36.06 -, pharma recht 2007, 423 = nvwz-rr 2007, 774. 68die materielle beweislast für das vorliegen sämtlicher tatbestandlichen voraussetzungen des den widerruf der zulassung auslösenden versagungsgrundes trägt die beklagte, 69vgl. bverwg, urteil vom 14. oktober 1993 - 3 c 46.91 -, juris, rn. 31; kügel, in: kügel/müller/hoffmann, arzneimittelgesetz, 2012, § 25, rn. 58, 70mit der folge, dass insoweit verbleibende zweifel zu ihren lasten gehen und sie das risiko der unaufklärbarkeit des sachverhalts trägt. 71hiervon ausgehend gilt für die bewertung des nutzen-risiko-verhältnisses des hier streitgegenständlichen arzneimittels folgendes: 72(1) kernkriterium für die bewertung des nutzens eines arzneimittels ist seine therapeutische wirksamkeit. diese ist für das präparat kava-s. -tropfen n mit einer tagesdosierung von 240 mg kava-pyrone zu bejahen. mit dieser dosierung gilt das präparat kava-s. -tropfen n, für das bislang keine nachzulassung erteilt worden ist, als zugelassen. für das arzneimittel hat die klägerin im februar 2015 eine dosierungsänderung angezeigt, die mangels bestehender genehmigungspflicht zu einer entsprechenden modifizierung der fiktiven zulassung geführt hat (vgl. § 105 abs. 3a satz 1 amg). unschädlich ist insoweit, dass die änderungsanzeige erst im laufenden berufungsverfahren gestellt worden ist. denn der sofortige vollzug des widerrufs berührt die wirksamkeit der zulassung nicht. 73die wirksamkeit des streitgegenständlichen präparats wird weder durch das erstinstanzliche vorbringen der beklagten noch durch ihr vorbringen im berufungsverfahren durchgreifend in zweifel gezogen. 74mit ihrer monographie „piperis methystici rhizoma“ („kava-kava-wurzelstock“) vom 1. juni 1990 hat die kommission e die anxiolytische, also angstlösende wirkung des wirkstoffs für die anwendungsgebiete „nervöse angst-, spannungs- und unruhezustände“ unter angabe einer tagesdosis von droge und zubereitung entsprechend 60-120 mg kava-pyrone festgestellt. in weitgehender übereinstimmung damit steht die aussage der entsprechenden im jahr 2003 veröffentlichten monographie der european scientific cooperative on phytotherapy (escop), des europäischen dachverbandes der nationalen gesellschaften für phytotherapie. darin ist als anwendungsgebiet „anxiety, tension and restlessness arising from various causes of non psychotic origin“ mit einer tagesdosierung von 60-120 mg kavalactonen angegeben. 75vgl. escop monographs, 2003, the scientific foundation for herbal medicinal products, s. 365 ff. 76nach ständiger rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts kommt den von den unterschiedlichen kommissionen aufgestellten kriterien und empfehlungen die qualität antizipierter sachverständigengutachten zu. 77vgl. bverwg, urteile vom 19. november 2009 - 3 c 10.09 -, juris, rn. 25, und vom 16. oktober 2008 - 3 c 24.07 -, juris, rn 20. 78sie geben den jeweiligen wissenschaftlichen erkenntnisstand wieder und sind einer neubewertung zugänglich. stellungnahmen der kommissionen sind anderes wissenschaftliches erkenntnismaterial im sinne des § 22 abs. 3 amg. die zulassungsbehörde ist nicht an die in der monographie getroffene aussage gebunden. 79kügel, in: kügel/müller/hoffmann, arzneimittelgesetz, 2012, § 25, rn. 177. 80da sachverständige feststellungen bei besserer erkenntnis ersetzt werden können (und müssen), darf die kommission von früheren feststellungen in aufbereitungsmonographien abweichen. 81vgl. bverwg, urteil vom 19. november 2009 - 3 c 10.09 -, juris, rn. 27. 82handelt es sich dabei um allgemeine aussagen, sind diese als sachverständige äußerung zu bewerten. 83vgl. dazu kügel, in: kügel/müller/hoffmann, arzneimittelgesetz, 2012, § 25, rn. 178. 84die kommission e verfügt über besondere sach- und fachkunde. hieraus und nicht zuletzt deswegen, weil es sich dabei um ein neutrales sachverständigengremium handelt, folgt die besondere bedeutung ihrer stellungnahmen. die mitglieder der kommission e sind sachverständige mit besonderen kenntnissen der wissenschaftlichen und/oder praktischen phytotherapie. die kommission ist interdisziplinär mit experten für toxikologie, experimentelle pharmakologie, biometrie, pharmazeutische biologie sowie ärzten und heilpraktikern, die phytopharmaka praktisch einsetzen, zusammengesetzt. diese werden alle drei jahre von verbänden der fachrichtung vorgeschlagen und vom bundesgesundheitsministerium benannt. 85vergleichbares gilt bezogen auf die monographien der escop. wenngleich sie keinen gesetzlichen standard definieren, dienen sie dazu, die beste verfügbare wissenschaftliche evidenz auf der basis der aktuellen literatur zusammenzustellen. 86vgl. pharmazeutische zeitung online „monographien als richtschnur“ 13/2014 abrufbar unter: http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=51461. 87die beklagte hat die monographie der kommission e aus 1990 im zulassungsverfahren als wirksamkeitsbeleg zugrunde gelegt, ohne weitere erkenntnisse zu fordern oder beizuziehen. angesichts dessen sieht der senat keine veranlassung, die wirksamkeit des arzneimittels bezogen auf diesen zeitpunkt anzuzweifeln, zumal die beklagte in dem angegriffenen bescheid selbst konstatiert, dass das votum der kommission e dem erkenntnisstand der frühen 1990er jahre entsprochen habe. 88demgegenüber fehlen vortrag und anhalt dafür, dass dieser erkenntnisstand durch neuere erkenntnisse, die ernsthafte zweifel an der wirksamkeit kava-kava-haltiger arzneimittel begründen, überholt ist. im gegenteil: die kommission e hat sich aufgrund der einleitung des stufenplanverfahrens und nach näherer befassung mit der angelegenheit veranlasst gesehen, in einer anfang des jahres 2002 verfassten öffentlichen erklärung mitzuteilen, dass ihre mitglieder nach wie vor von den vorgelegten wissenschaftlichen daten zur wirksamkeit von kava-kava überzeugt seien. das impliziert, dass zum damaligen zeitpunkt aus expertensicht keine abweichenden neuen erkenntnisse vorlagen. nichts spricht dafür, dass die kommission e zwischenzeitlich angesichts aktuellerer forschungsergebnisse von diesem standpunkt abgerückt ist. insbesondere hat sie bis heute keine anderslautende stellungnahme abgegeben. entsprechendes gilt für die escop. die für „piperis methystici rhizoma“ erstellte monographie gehörte zu den ersten 80 monographien, die die escop im jahr 2003 veröffentlicht hat. 89vgl. escop monographs, 2003, the scientific foundation for herbal medicinal products, s. 365 ff. 90obgleich die escop ihre monographien regelmäßig überarbeitet und aktualisiert, hat diejenige für „piperis methystici rhizoma“ bislang keine änderung erfahren. 91hinzu kommt, dass die who in ihrem bericht aus dem jahr 2007 (coulter et al., „assessment of the risk of hepatotoxicity with kava products“) offensichtlich ebenfalls von der wirksamkeit von kava-kava ausgeht. dort heißt es, 16 gut kontrollierte doppelblindstudien hätten die angstlösende wirkung von kava-kava gezeigt (vgl. tabelle 3, s. 6, 11). diese bewertung entspricht der mit dem ziel der untersuchung kava-kava-haltiger arzneimittel durchgeführten metaanalyse einer reihe randomisierter placebokontrollierter doppelblindstudien von pittler und ernst (zuletzt, „kava extract versus placebo for treating anxiety“, 2003). diese hat zur wirksamkeit der behandlung von angststörungen, gemessen an den kriterien der hamilton anxiety scale (hama) die überlegenheit kava-kava-haltiger arzneimittel gegenüber placebopräparaten ergeben. eventuelle mängel der analysierten einzelstudien vermögen die indizwirkung des ergebnisses der metaanalyse im zusammenhang mit dem weiteren erkenntnismaterial nicht zu entkräften. 92letztlich konzediert die beklagte selbst eine - wenngleich dosisabhängige - wirksamkeit, wenn es in dem angefochtenen bescheid heißt, bei dosierungen oberhalb von 120 mg kava-pyrone pro tag bestehe ein gewisser anhalt für eine wirksamkeit in den beanspruchten indikationen. angesichts dessen sind wirksamkeitszweifel auch nicht etwa deswegen angezeigt, weil die dosierung des streitgegenständlichen präparats - worauf noch einzugehen sein wird - über die monographieempfehlung hinaus geht, zumal das übrige in das verfahren eingeführte erkenntnismaterial hierfür ebenfalls keinen anknüpfungspunkt bietet. hinzu kommt, dass aus dem angefochtenen bescheid hervorgeht, dass die wirksamkeitszweifel des bfarm nicht auf tatsächliche anhaltspunkte gestützt sind, wenn es darin heißt, aus den ausführungen zur wirksamkeit ergäben sich keine neuen erkenntnisse gegenüber dem früheren kenntnisstand (widerspruchsbescheid vom 15. februar 2012, s. 6). 93angesichts dieser erkenntnissituation vermag der umstand, dass das vorliegende studienmaterial heute nicht in jeder hinsicht den speziell für angsterkrankungen entwickelten anforderungen der guidelines der european medicines agency (ema) entspricht, keine nachhaltigen zweifel am nutzen des präparats zu wecken. das gilt bereits bei einer monographiekonformen dosierung. da die kommission e eine dosierung oberhalb von 120 mg kava-pyrone nicht vorgegeben hat, kommt es hinsichtlich der frage der wirksamkeit auf die unterschiedlichen auffassungen der beteiligten hinsichtlich der jeweils zugrunde liegenden berechnungsgrundlagen nicht entscheidungserheblich an. 94soweit die beklagte die auffassung vertritt, aus der nicht zureichend belegten wirksamkeit resultierten automatisch wirksamkeitszweifel, ist dieser rückschluss ohne das hinzutreten tatsächlicher anhaltspunkte für solche zweifel nicht gerechtfertigt. denn in der konsequenz würde dies in einer nicht überschaubaren anzahl von fällen dazu führen, dass während der geltungsdauer einer zulassung die wirksamkeit eines arzneimittels fortlaufend neu zu belegen wäre. überdies geht der senat mit dem verwaltungsgericht davon aus, dass bei der forderung nach einer guidelinekonformen studie die absicht im vordergrund steht, daten für die weitere nutzen-risiko-abwägung zu generieren. zumindest bietet dies einen erklärungsansatz dafür, warum das bfarm im stufenplanbescheid auf die cpmp-guidelinie zur klinischen prüfung von arzneimitteln zur behandlung von angststörungen in der fassung aus den jahren 1993/94 verwiesen hat, obgleich es - dem unwidersprochenen vortrag der klägerin zufolge - zugleich bis in das jahr 2001 neuzulassungen für kava-kava-haltige arzneimittel erteilt hat, ohne die vorlage entsprechender studien verlangt zu haben. 95die weiteren einwände der beklagten im berufungsverfahren rechtfertigen keine andere bewertung: ihr hinweis darauf, dass die kommission e im zuge der 96ausarbeitung der monographie angesichts der geringen bedeutung von kava-kava als droge oder drogenzubereitung zunächst beabsichtigte, eine negativmonographie zu erstellen, ist unerheblich. denn abgesehen davon, dass die geringe bedeutung eines wirkstoffs nichts über seine wirksamkeit aussagt, hat die kommission e diese einschätzung - was entscheidend ist - letztlich revidiert und eine positivmonographie erstellt. darin hat sie folgende überlegungen zur wirksamkeit von kava-kava angestellt: 97 „aufgrund der wirkungen der isolierten inhaltsstoffe ist eine 98 schwache, zentral relaxierende wirkung ähnlich wie bei 99benzodiazepinen anzunehmen. durch kava-kava-extrakt zeigt sich im quantitativen eeg eine für das anxiolytische pharmako-eeg-profil von benzodiazepinen typische steigerung der ß-aktivität bei gleichzeitiger abnahme der alpha-aktivität (johnson 1989). neuere studien weisen eine wirksamkeit von kava-kava-extrakt bei ,angst, spannungs- und unruhezuständen‘ nach (warnecke 1989, bhate 1989).“ 100soweit die beklagte sinngemäß beanstandet, dieser monographie liege letztlich nur eine plausibilitätsprüfung zugrunde, ist dem entgegenzuhalten, dass die kommission e in ihrer stellungnahme aus dem jahr 2002 ausdrücklich erklärt hat, „von den vorgelegten wissenschaftlichen daten zur wirksamkeit von kava-kava überzeugt zu sein“. abgesehen davon sind die überlegungen der beklagten zu § 39c amg bereits deswegen nicht tragfähig, weil es sich bei kava-kava-präparaten um arzneimittel handelt, die der verschreibungspflicht unterliegen, und eine registrierung als traditionelles pflanzliches arzneimittel deswegen ausscheidet (§ 39c abs. 2 nr. 2 amg). 101ebenso wenig stützt die stellungnahme des comittee on herbal medicine products (hmpc) der ema vom 6. mai 2014 die position der beklagten. zwar prognostiziert das hmpc darin, dass u.a. für den wirkstoff „piperis methystici rhizoma“ angesichts des ungünstigen nutzen-risiko-verhältnisses voraussichtlich keine monographie erteilt werden wird. hierbei handelt es sich - was sprachlich durch die formulierung „es ist nicht wahrscheinlich, auf ein positives nutzen-risiko-verhältnis zu schließen“ zum ausdruck gebracht wird - nicht um eine sichere voraussage, sondern um eine vorabeinschätzung. da dieser - wie sich aus dem bericht ergibt - aber gerade keine detaillierte prüfung zugrunde liegt, kommt ihr kein entscheidendes gewicht zu. eine isolierte aussage über die wirksamkeit kava-kava-haltiger arzneimittel lässt sich auf der grundlage dieser aussage ohnehin nicht treffen. hinzu kommt, dass sich der bericht auf wirkstoffe bezieht, die als grundlage einer späteren registrierung (§ 39 amg) eine monographie als traditionelle pflanzliche arzneimittel erhalten sollen, bei denen sich die bewertung des nutzen-risiko-verhältnisses nach anderen maßstäben richtet als bei dem verfahrensgegenständlichen verschreibungspflichtigen präparat. 102ist danach von der therapeutischen wirksamkeit des streitgegenständlichen kava-kava-präparats auszugehen, sprechen für seinen nutzen weiterhin die art und schwere der in rede stehenden erkrankung sowie deren behandlungsnotwendigkeit. jedenfalls soweit das monographierte anwendungsgebiet auf die behandlung von angststörungen abzielt, handelt es sich nicht um eine bagatelldiagnose, sondern um eine ernsthafte, weitverbreitete psychische erkrankung. bei dieser stehen symptome der angst in gestalt einer anhaltenden angstreaktion, mangelnder kontrolle der angst, eventueller körperlicher reaktionen einschließlich katastrophisierender fehlinterpretationen und beeinträchtigung in wichtigen funktionen des berufs-, alltags- und familienlebens im vordergrund. 103vgl. pschyrembel, klinisches wörterbuch, 263. auflage 2012, „angststörung“. 104angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen erkrankungen. ihre verbreitung nimmt zu. je nach schweregrad können sie mit erheblichen psychosozialen, somatischen und ökonomischen folgen einhergehen. dazu zählen arbeitsunfähigkeit, ein erhöhtes risiko für sekundäre komorbide erkrankungen - beispielsweise suchterkrankungen -, eine erhöhte suizidrate sowie eine übermäßige inanspruchnahme medizinischer leistungen. 105vgl. deutsches ärzteblatt, „angststörungen/panikattacken: angst aus heiterem himmel“, dezember 2005, 557. 106bereits bei mittlerem leidensdruck des patienten, psychosozialen einschränkungen sowie komplikationen der angsterkrankung ist eine behandlung in gestalt von psycho- oder pharmakotherapie oder einer kombination aus beidem indiziert. 107vgl. deutsches ärzteblatt, „diagnostik und therapieempfehlungen bei angststörungen“, juli 2014, 475 ff. 108unter diesen gesichtspunkten erschließt sich der besondere nutzen einer wirksamen anxiolytischen medikation. bezogen auf kava-kava-haltige-präparate ist insoweit zu berücksichtigen, dass deren anwendung nur für leichte und mittelschwere formen von angststörungen indiziert ist, die damit nach einschätzung von experten üblicherweise innerhalb eines monats gut therapiert werden können. für schwere angststörungen wird von einer kontraindikation ausgegangen. 109vgl. teschke, deutsches ärzteblatt, „hepatoxizität durch kava-kava: risikofaktoren und prävention“, 2002, 99. 110(2) in übereinstimmung mit dem verwaltungsgericht geht der senat davon aus, dass dem vorstehend beschriebenen nutzen des verfahrensgegenständlichen arzneimittels anwendungsrisiken in form hepatotoxischer ereignisse gegenüberstehen, also ein begründeter verdacht für derartige nebenwirkungen besteht. angesichts dessen ist der sinngemäße einwand der beklagten, das verwaltungsgericht habe bei seiner bewertung die anforderungen, die an die annahme eines begründeten nebenwirkungsverdachts zu stellen sind, überspannt, nicht nachvollziehbar. 111die von der who in ihrem bericht aus dem jahr 2007 dokumentierten fälle sind als beleg für die möglichkeit hepatotoxischer wirkungen des hier in rede stehenden kava-kava-präparats zu werten. entsprechendes gilt für die dem bfarm vorliegenden fallberichte zu leberreaktionen. zwar wird dies durch den bericht der mhra aus dem jahr 2006 („report of the committee on safety of medicines export working group") gestützt. allerdings ist der senat übereinstimmend mit dem verwaltungsgericht der auffassung, dass der darin enthaltenen risikobeurteilung, die - unter einschluss des vom bfarm übermittelten fallmaterials aus deutschland - nicht die begutachtung von kava-kava als anxiolytikum, sondern bei oberbauch- und blasenbeschwerden zum gegenstand hatte, keine besondere bedeutung beizumessen ist. 112der bericht der who enthält eine auswertung von 93 fallberichten - darunter einige der vom bfarm dokumentierten fälle aus deutschland - über hypothetisch mit der einnahme von kava-kava-extrakten im zusammenhang stehende leberschädigungen. in vierzehn fällen erfolgte eine lebertransplantation. sieben fälle endeten tödlich. die who-expertengruppe bewertete die kausalität zwischen hepatotoxischer schädigung und der einnahme von kava-kava-präparaten in keinem fall als sicher, in acht fällen als wahrscheinlich, in 54 fällen als möglich und in 28 fällen als nicht bewertbar. 113die beklagte verweist auf 41 fälle in deutschland aufgetretener lebertoxischer reaktionen. hiervon seien 20 hinreichend gut dokumentiert, um eine fundierte kausalitätsbewertung vornehmen zu können. in sieben dieser fälle sei eine lebertransplantation erforderlich gewesen. insgesamt seien drei patienten verstorben. in zwei fällen sei die lebertoxische reaktion nach absetzen des kava-kava-präparats zurückgegangen und bei reexposition erneut aufgetreten. bei zwölf spontan gemeldeten fällen und einem in einer publikation dargestellten fall sei der kausalzusammenhang wahrscheinlich. diese bewertung beruhe auf dem deutlichen zeitlichen zusammenhang zwischen dem beginn der kava-kava-medikation und dem auftreten der symptome bzw. pathologischen veränderungen einerseits und dem zurückgehen der lebererkrankung nach absetzen der kava-kava-medikation und/oder des fehlens lebertoxischer faktoren wie einer entsprechenden komedikation andererseits. in einigen dieser fälle sei die synergistische beteiligung eines anderen arzneimittels jedoch möglich. 114diese auswertungsergebnisse reichen für die annahme eines begründeten verdachts leberschädigender wirkungen aus, weil insoweit geringe kausalitätsanforderungen gelten. für die nutzen-risiko-abwägung ist aber der verdacht graduell und qualitativ näher zu bestimmen. 115allerdings bietet die gegenwärtige studienlage hierfür keine tragfähigen anknüpfungspunkte. bei gesamtbetrachtung ist sie uneinheitlich und deswegen nicht ergiebig. herkömmliche klinische studien sind - darüber sind sich die beteiligten einig - aufgrund der zu geringen population nicht geeignet, tragfähige erkenntnisse über das lebertoxische risiko zu gewinnen. toxizitätsstudien haben weder potentiell toxische bestandteile von kava-kava noch einen lebertoxischen mechanismus aufzeigen können. die ergebnisse der ntp-studie, auf die die beklagte verweist, mögen zwar einen toxizitätsbeleg begründen. das gilt aber nur für die darin einbezogenen präparate mit einem co²-extrakt. für eine übertragbarkeit der gefundenen ergebnisse auf die hier streitgegenständlichen präparate mit ethanolischen auszügen hat die beklagte keine überzeugenden gesichtspunkte benannt. abgesehen davon gibt der nachweis toxischer effekte eines bestimmten präparats als solcher - was auch die beklagte anerkennt - weder aufschluss über die potentiell toxischen einzelstoffe noch über den mechanismus einer lebertoxischen wirkweise, sondern untermauert lediglich das, wovon bereits auf der grundlage der fallberichte auszugehen ist. auch das restliche vorliegende studienmaterial bietet hierzu keine belastbaren und konsistenten erkenntnisse. anders als die beklagte meint, geht dieser umstand zu ihren lasten. denn sie trägt das risiko der unerweislichkeit der umstände, die ein ungünstiges nutzen-risiko-verhältnis begründen. 116demgegenüber erlauben die folgenden relativierenden faktoren eine nähere eingrenzung der bestehenden verdachtsmomente für eine hepatotoxische wirkung von kava-kava-haltigen arzneimitteln. wenngleich sie den geweckten verdacht nicht auszuräumen vermögen, schwächen sie ihn ab. 117von bedeutung ist insoweit zunächst, dass die auswertungsergebnisse der who und des bfarm nicht für eine hohe, sondern im gegenteil für eine schwache inzidenzrate sprechen. zwar lässt sich diese auf der grundlage des vorliegenden erkenntnismaterials nicht genau bestimmen. andererseits gibt es aber bereits im ausgangspunkt keine tragfähigen belege dafür, dass hepatotoxische ereignisse im zusammenhang mit der anwendung von kava-kava-präparaten gehäuft auftreten, also eine hohe inzidenzrate besteht. umgekehrt sprechen deutschlandweit 20 und nach der datenlage des who-berichts weltweit 62 fälle, in denen eine derartige relation festgestellt werden konnte, bei einem anwendungsvolumen von - dem unwidersprochenen vortrag der klägerin zufolge - 250 millionen tagesdosen bezogen auf einen zehnjahreszeitraum für eine sehr geringe lnzidenzrate. das gilt auch unter berücksichtigung der mit dem zugrundeliegenden spontanerfassungssystem verbundenen abbildungsdefizite, zumal wenn man berücksichtigt, dass ein großteil dieser meldungen in zeitlichem zusammenhang mit dem stufenplanverfahren und der öffentlich geführten debatte um die potentielle toxizität kava-kava-haltiger arzneimittel steht. dem entspricht die einschätzung der expertengruppe der who in ihrem bericht aus dem jahr 2007, in dem es heißt, die genaue inzidenzrate von nebenwirkungen, die mit der einnahme von kava-kava in zusammenhang stünden, sei nicht bekannt, scheine aber ziemlich niedrig zu sein (vgl. who-bericht, s. 60). 118unabhängig von diesem quantitativen gesichtspunkt ist die aussagekraft der fälle, in denen ein kausalzusammenhang als wahrscheinlich oder möglich angesehen worden ist, unter qualitativen aspekten begrenzt. 119bezogen auf den bericht der who ergibt sich dies aus folgendem: nach dessen ergebnis konnte nur in knapp zwei dritteln der untersuchten fälle (62 von 93) überhaupt eine relation zwischen hepatotoxischen wirkungen und der einnahme von kava-kava-haltigen arzneimitteln hergestellt werden. in keinem dieser fälle wurde ein sicherer kausalzusammenhang festgestellt. in 54 fällen - darunter in allen sieben todesfällen und in zehn fällen mit lebertransplantation - wurde der kausalzusammenhang als „möglich“ und in acht fällen als „wahrscheinlich“ eingestuft. dass sich unter den zuletzt genannten fällen nicht solche mit tödlichem ausgang oder lebertransplantation finden, beruht nicht lediglich auf der definition der kausalitätskriterien der who für einen wahrscheinlichen kausalzusammenhang. denn für elf der insgesamt 14 patienten mit lebertransplantation ist eine begleitmedikation dokumentiert, die ebenfalls auslöser der aufgetretenen leberreaktionen gewesen sein könnte (vgl. who-bericht, tabelle 11a und 11 b, s. 46). das gilt gleichermaßen für sämtliche fälle mit tödlichem ausgang (vgl. who-bericht, tabelle 12, s. 48). es erscheint deswegen durchaus nicht fernliegend, die schwache lnzidenz schwerer nebenwirkungen bei alleiniger gabe kava-kava-haltiger präparate als ein diesen wirkstoff entlastendes lndiz zu werten. 120hierzu passt die einschätzung der expertengruppe der who, wonach ein direkter kausalzusammenhang zwischen der einnahme kava-kava-haltiger arzneimittel in der mehrzahl der untersuchten fälle schwierig nachzuweisen ist und die verfügbaren fallberichte insoweit keinen beweis für ein ursache-wirkungs-verhältnis liefern (vgl. who-bericht, s. 17). als ergebnis enthält der bericht mit blick darauf die - relativierende - feststellung, dass kavalactone durch die wechselwirkungen von kava-kava und anderen arzneimitteln, exzessiven alkoholkonsum, metabolisch oder immunologisch bedingte idiosynkrasie oder aufgrund einer vorbestehenden lebererkrankung in jeder art von präparat selten hepatische nebenwirkungen hervorrufen können (vgl. who-bericht, s.63). damit sind zugleich besondere risikofaktoren angesprochen, die die who auch an anderer stelle ihres berichts noch gesondert aufführt (vgl. who-bericht, s.61). das impliziert, dass hepatotoxische ereignisse, was im übrigen wissenschaftlich anerkannt sein dürfte, 121vgl. etwa russmann/kullak-ublick, beurteilung und meldung medikamentöser leberschäden, swissmedic, jubiläumsausgabe dezember 2012, 11/26, 122multifaktorielle ereignisse sind und sich dies erschwerend auf die möglichkeit der zuordnung ihrer ursachen auswirkt. 123zudem sind die auswertungsergebnisse der who auch deswegen nur bedingt aussagekräftig, weil sie sich auf sämtliche arten kava-kava-haltiger arzneimittel beziehen. aus dem in das verfahren eingeführten wissenschaftlichen erkenntnismaterial geht hervor, dass weder die potentiell toxischen einzelstoffe noch der mechanismus einer lebertoxischen wirkung von kava-kava bekannt sind. vermutet wird, dass neben anwendungsdauer und dosierung auch extrakt und kultivar insoweit eine rolle spielen könnten. hierzu hat die klägerin plausible und von dem experten dr. n. t. in mehreren stellungnahmen untermauerte überlegungen angestellt, denen die beklagte in der sache nicht substantiiert entgegengetreten ist. der bericht der who enthält keine differenzierte auswertung nach extrakt und kultivar. vielmehr bezieht sich die auswertung und dementsprechend auch die getroffene risikoaussage auf sämtliche arten kava-kava-haltiger präparate. demgegenüber handelt es sich bei dem verfahrensgegenständlichen präparat unbestritten um eines mit einem ethanolischen auszug. da aber risikoaussagen zu einer auszugsart nicht ohne weiteres auf eine andere übertragen werden können, 124vgl. ovg nrw, beschluss vom 26. november 2010 - 13 a 2807/09 -, juris, rn. 10, 125sind die ergebnisse in dem bericht der who für das vorliegende verfahren nur eingeschränkt aussagekräftig. 126auch die von der beklagten selbst auf der grundlage des fallmaterials des bfarm vorgenommene risikobeurteilung ist unter verschiedenen gesichtspunkten zweifelhaft. ihr vorbringen suggeriert eine „fundierte kausalitätsbewertung" in 20 von 41 fällen. hiervon seien 18 spontan gemeldet worden und in zwei fällen handele es sich um berichte aus der literatur. demgegenüber ist der kausalzusammenhang nur für 15 fälle nachvollziehbar dargelegt, wobei in „einigen“ - weder benannten noch bezifferten - dieser fälle die synergistische beteiligung eines anderen arzneimittels möglich gewesen sein soll. dieses vorbringen bezieht sich offensichtlich auf die in dem bescheid vom 12. mai 2005 detailliert aufgeführten 26 fallberichte und überschneidet sich damit. bei deren auswertung war das bfarm in 19 fällen von einem kausalzusammenhang im bereich „wahrscheinlich“ - hiervon in drei fällen als „wahrscheinlich bis gesichert“ - und in sechs fällen von einer „möglichen“ kausalität ausgegangen. einen fall hatte es für nicht auswertbar erachtet. der senat ist unter berücksichtigung des wechselseitigen vorbringens und der in das verfahren eingeführten erkenntnisse nicht zu der überzeugung gelangt, dass diese bewertung insgesamt zutrifft. denn sie steht tiefgreifend in widerspruch mit den bewertungen anderer institutionen, die jedenfalls nicht weniger plausibel hergeleitet und unabhängig voneinander durchgehend zu weniger besorgniserregenden ergebnissen gelangt sind. dies folgt aus der übersicht in der stellungnahme von dr. n. t. vom 6. februar 2012, in der dieser sich außerdem detailliert mit den einzelnen fallberichten und deren bewertung durch das bfarm auseinandergesetzt und diese durchgreifend in zweifel gezogen hat (vgl. dort s. 9 ff.). die beklagte ist den darin enthaltenen einwänden inhaltlich nicht substantiiert entgegen getreten. unabhängig davon erscheint die annahme eines „wahrscheinlichen“ kausalzusammenhangs schon aufgrund der in der mehrzahl der fälle jeweils dokumentierten begleitmedikation vielfach zweifelhaft. entgegen der auffassung der beklagten rechtfertigt auch der umstand, dass die festgestellten leberreaktionen in zwei fällen nach absetzen des kava-kava-präparats zurückgegangen und nach reexposition erneut aufgetreten sind, mangels ausreichender dokumentation der begleitmedikation jedenfalls nicht die bewertung eines „gesicherten“ kausalzusammenhangs (bfarm 01003950/01003951). 127weitere bedenken gegen die kausalitätsbewertung der beklagten ergeben sich auf der grundlage der publikation von teschke et al. („kava hepatotoxicity: a clinical survey and critical analysis of 26 suspected cases“, european journal of gastroenterology & hepatology 2008, vol. 20, s. 1182 ff.). nach den stimmigen und transparent hergeleiteten dortigen ausführungen, auf die bezug genommen wird, bestand lediglich in acht fällen ein kausalzusammenhang, wobei lediglich in einem dieser fälle eine monographiekonforme anwendung dokumentiert war. 128soweit die beklagte mit schriftsatz vom 26. januar 2015 die in dieser publikation getroffene feststellung des fehlens einer medikamentösen ursache in 13 fällen beanstandet, und, um dies zu wiederlegen, bezogen auf drei fälle auf den inhalt der hierzu gefertigten arztberichte verwiesen hat, führt dies zu keiner anderen bewertung. denn daraus geht jedenfalls nicht hervor, dass die beobachtete leberschädigung durch kava-kava und nicht durch die jeweils dokumentierte begleitmedikation verursacht worden ist. unter diesen umständen ergibt sich dies nicht bereits daraus, dass nach ärztlicher einschätzung von einer medikamentös induzierten leberschädigung auszugehen ist. 129relativierend ist zuletzt der ebenfalls vom verwaltungsgericht bereits angesprochene aspekt in den blick zu nehmen, dass das streitbefangene präparat auf eine kurzzeitbehandlung angelegt ist und eine begrenzung von anwendungsdauer und dosierung vorgesehen ist. auch hieraus folgt die nur begrenzte aussagekraft der auswertungen des bfarm und der who, in denen nicht nach diesen von der beklagten selbst als risikobeeinflussend eingestuften kriterien differenziert wird. da eine lange exposition einerseits und eine erhöhte dosierung andererseits mit einer risikoerhöhung assoziiert werden, liegt es auf der hand, dass die auswertung eines kollektivs von fällen, in denen diese differenzierung nicht getroffen wird, keine einheitliche risikoaussage erlaubt. die vielzahl der fälle, in denen leberschädigungen im zusammenhang mit einer überdosierung, einer überlangen anwendungsdauer oder einer potentiell lebertoxischen begleitmedikation aufgetreten sind, ist aber umgekehrt als beleg dafür zu werten, dass es sich hierbei um risikofaktoren handelt. dies wird auch von keinem der beteiligten in abrede gestellt. 130auf der basis aller in das verfahren eingeführter erkenntnisse geht der senat davon aus, dass toxische lebererkrankungen durch kava-kava-extrakte sehr selten sind, im einzelfall aber potenziell lebensbedrohend verlaufen können und durch eine vielzahl von risikofaktoren wie dosierung, anwendungsdauer, begleitmedikation, alkoholkonsum und lebervorschädigung beeinflusst werden. hinsichtlich dieser risikofaktoren stimmen die beteiligten überein, wenngleich ihre einschätzungen zu den risiken der verwendung unterschiedlicher auszüge und kultivare auseinandergehen. 131(3) hiervon ausgehend ist das nutzen-risiko-verhältnis des streitgegenständlichen arzneimittels derzeit ungünstig. dieser einschätzung liegt zugrunde, dass hinsichtlich kava-kava-haltiger arzneimittel zwar nicht generell, aber dann von einem ungünstigen nutzen-risiko-verhältnis ausgegangen werden muss, wenn nicht alle maßnahmen umgesetzt worden sind, um die damit einhergehenden risiken bestmöglich einzudämmen. letzteres ist hier der fall. 132der umstand, dass die zuvor erwähnten risikofaktoren im zusammenhang mit der hepatotoxizität von kava-kava bekannt sind, führt in der publikation von teschke et al. („kava hepatotoxicity: a clinical survey and critical analysis of 26 suspected cases“, european journal of gastroenterology & hepatology 2008, vol. 20, s. 1182 ff.) zu der überzeugenden schlussfolgerung, dass hepatotoxische ereignisse im zusammenhang mit kava-kava weitgehend vermeidbar sind. dies, die nur schwache inzidenzrate und der belegte nutzen kava-kava-haltiger arzneimittel stehen der generellen - also nicht präparatspezifischen, sondern rein wirkstoffbezogenen - annahme eines ungünstigen nutzen-risiko-verhältnisses entgegen. andererseits sind angesichts der schwere möglicher nebenwirkungen vermeidbare risiken nicht hinnehmbar. 133insoweit bilden die empfehlungen der kommission e in ihrer stellungnahme aus dem jahr 2002 nach auffassung des senats einen tauglichen und deshalb einzuhaltenden maßstab zur risikominimierung und führen bei beachtung im ergebnis zu einem günstigen nutzen-risiko-verhältnis. sie beruhen auf den unterlagen, die das bfarm der kommission e zur verfügung gestellt hat und sind auf der grundlage einer eingehenden befassung mit der kava-kava-thematik abgegeben worden (vgl. ruhensbescheid des bfarm vom 12. mai 2005, s. 52). 134die kommission e hat darin unter hinweis darauf, weiterhin von einem positiven nutzen-risiko-verhältnis auszugehen und die auffassung des bfarm bezüglich der risiken bei bestimmungsgemäßem gebrauch nicht zu teilen, folgende regularien zu deren eindämmung empfohlen: 135136ärztliche verschreibungspflicht für kava-kava-haltige arzneimittel 137klare indikationsstellung: leichte bis mittelschwere generalisierte angststörungen. depression ist keine indikation. 138maximale tagesdosis entsprechend 120 mg kava-pyrone. 139140packungsgröße bei 120 mg kava-pyrone maximal 30 einheiten 141übliche therapiedauer 1 monat, maximal 2 monate 142bestimmung der leberwerte (gpt und -gt vor beginn der behandlung und dann einmal wöchentlich) 143optional: bestimmung der leberwerte am ende der behandlung (wichtig für evtl. spätere erneute behandlung) 144vermeidung einer begleitenden medikation mit potentiell hepatotoxischen medikamenten, insbesondere auch betablockern, antidepressiva und migränemitteln. vorsicht bei alkohol. 145der senat sieht in ansehung des berufungsvorbringens keine veranlassung, diese sachverständige einschätzung in frage zu stellen. sie wird durch die aussage der who in ihrem bericht aus dem jahr 2007, wonach ein verkehrsverbot für kava-kava nach gegenwärtigem wissenschaftlichen erkenntnisstand nicht zu rechtfertigen ist (vgl. who bericht, s. 18), gestützt. auch teschke spricht sich in seiner veröffentlichung „hepatotoxizität durch kava-kava: risikofaktoren und prävention“ (deutsches ärzteblatt 2002, 99 (50)) für entsprechende maßnahmen aus. aktuellere wissenschaftliche erkenntnisse, die die empfehlungen der kommission e durchgreifend in zweifel ziehen, liegen nicht vor. 146diese sind auch geeignet, die bestehenden hepatotoxischen risiken - soweit sie vorhersehbar sind - weitgehend wirkungsvoll auszuschalten. 147besondere bedeutung kommt hierbei der unterstellung unter die verschreibungspflicht zu. hierdurch wird eine ärztliche indikationsstellung sichergestellt und einer unsachgemäßen selbstmedikation entgegengewirkt. der einwand der beklagten, eine verschreibungspflicht sei unzureichend, weil der hepatotoxische wirkmechanismus von kava-kava nicht hinreichend geklärt sei und der verordnende arzt nicht mit genügender sicherheit vorhersehen könne, welcher patient gefährdet sei, greift nicht durch. er eignet sich schon deswegen nicht als argument gegen die verschreibungspflicht, weil das arzneimittelgesetz in § 48 abs. 2 satz 1 nr. 1 i.v.m. § 48 abs. 1 satz 1 nr. 3 amg als eine fallgruppe verschreibungspflichtiger arzneimittel diejenigen vorsieht, die stoffe mit in der medizinischen wissenschaft nicht allgemein bekannten wirkungen oder zubereitungen solcher stoffe enthalten. abgesehen davon ist es einem arzt in bezug auf ein kava-kava-haltiges präparat anhand der bekannten risikofaktoren auch ungeachtet des genauen wirkmechanismus möglich, das risikoprofil eines patienten abzustecken. denn in einem ersten schritt können - nach anamnestischer abklärung - fälle mit relevanter begleitmedikation, erheblichem alkoholkonsum, lebererkrankung oder lebervorschädigung sowie nicht zutreffender indikation herausgefiltert werden. erfolgt nach abklärung dieser gesichtspunkte eine verschreibung, kann den von der krankenvorgeschichte unabhängigen risikofaktoren wirksam durch eine begrenzung von anwendungsdauer und dosierung entsprechend den vorgaben der fachinformationen entgegengewirkt werden. hinzuweisen ist darin außerdem auf die risiken bei erheblichem alkoholkonsum und einer begleitenden medikation mit potentiell hepatotoxischen medikamenten, wie betablockern, antidepressiva und migränemitteln. 148dabei sind die einhaltung der vorgesehen dosierung von 120 mg kava-pyrone und die begrenzung der anwendungsdauer entsprechend den aktualisierten erkenntnissen der kommission e auf einen, maximal zwei monate entscheidend. eine höhere dosierung ist einerseits deswegen nicht vertretbar, weil die wirksamkeit für eine dosierung von 60 mg-120 mg kava-pyrone belegt ist und deswegen keine rechtfertigung dafür besteht, potentiell mit einer höheren dosierung einhergehende zusatzrisiken einzugehen. abgesehen davon bestehen den genannten wissenschaftlichen erkenntnissen zufolge konkrete anhaltspunkte dafür, dass eine höhere dosierung das risiko für leberschädigende nebenwirkungen erhöht. entsprechendes gilt bezogen auf eine längere anwendungsdauer. 149flankierend zu den bereits erwähnten maßnahmen wirkt die von der kommission e vorgeschlagene begrenzung der packungsgröße auf maximal 30 einheiten bei 120 mg kava-pyronen. durch diese maßnahme wird der gefahr einer missbräuchlichen verwendung vorgebeugt und auf einen bestimmungsgemäßer gebrauch hingewirkt. dabei ist zu sehen, dass die missbrauchsgefahr jedenfalls bei indikationskonformer anwendung kava-kava-haltiger präparate nicht gleichermaßen hoch sein dürfte, wie bei arzneimitteln, die - wie z.b. benzodiazepine - abhängigkeiten auslösen. allerdings ist insoweit darauf hinzuweisen, dass diesem aspekt im rahmen der nutzen-risiko-abwägung, die sich an dem bestimmungsgemäßen gebrauch zu orientieren hat, keine eigenständige bedeutung zukommt. abweichungen der von der kommission e empfohlenen packungsgröße begründen daher ohne das hinzutreten weiterer abweichungen kein ungünstiges nutzen-risiko-verhältnis. 150die vorgesehene bestimmung der leberwerte vor beginn der behandlung und deren fortlaufende wöchentliche kontrolle ermöglicht eine zeitnahe reaktion auf festgestellte veränderungen und zielt darauf ab, irreversiblen schädigungen vorzubeugen. 151der senat verkennt nicht, dass mit den genannten maßnahmen nicht in jedem einzelfall ein risikoausschluss garantiert werden kann, geht aber davon aus, dass bedingt durch ihre zielrichtung, wirkweise und ihr ineinandergreifen die nach derzeitigem erkenntnisstand prognostizierbaren risiken in relation zum nutzen von kava-kava-präparaten auf ein vertretbares maß reduziert werden können. 152das wird daran deutlich, dass mit ausnahme eines falls in sämtlichen fällen, auf die das bfarm seine risikoeinschätzung stützt, zumindest einer der durch die vorgenannten maßnahmen begrenzbaren risikofaktoren vorlag. entweder es war eine begleitmedikation verordnet oder die anwendung dauerte länger als drei monate an oder es wurde eine überdosierung festgestellt. zumeist war sogar eine kombination aus mehreren dieser faktoren gegeben. 153vgl. die übersicht in table 1 bei teschke/schwarzenboeck/hennermann “kava hepatotoxcity: a clinical survey and critical analysis of 26 cases”, european journal of gastroenterology & hepatology 2008, vol. 20, s. 1182 ff. 154dieser einschätzung steht auch nicht das vermehrte auftreten idiosynkratischer, d.h. unvorhersehbarer leberreaktionen im zusammenhang mit der einnahme von kava-kava-präparaten entgegen. die auswertung der fallberichte des bfarm liefert hierfür keinen beleg. letztlich scheint die beklagte selbst - wenngleich sie diesen aspekt besonders hervorgehoben hat - nicht hiervon auszugehen, wenn sie diese fälle als „ausreißer“ bezeichnet und andererseits meint, ein „charakteristisches muster“ für die potentielle lebertoxizität von kava-kava-präparaten ausmachen zu können. abgesehen davon ist die möglichkeit einer idiosynkratischen leberschädigung deswegen kein durchgreifendes argument für ein ungünstiges nutzen-risiko-verhältnis des hier in rede stehenden kava-kava-präparats, weil es sich dabei um ein generelles problem im hinblick auf die lebertoxizität von medikamenten handelt. der mechanismus der idiosynkrasie, also einer angeborenen oder erworbenen überempfindlichkeit schon beim ersten kontakt gegen bestimmte, von außen zugeführte stoffe, die nicht durch eine reaktion des immunsystems hervorgerufen wird, sondern durch fehlfunktion/nichtfunktion defekter oder fehlen intakter enzyme, 155vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/idiosynkrasie, 156beschränkt sich nicht auf kava-kava-haltige arzneimittel. 157ungefähr 1000 arzneistoffe gelten als lebertoxisch. hierzu gehören beispielsweise paracetamol, diclofenac und penicillin. 158vgl. schlatter, entgiftung zum gift, nebenwirkung leberschaden, pharmazeutische zeitung ausgabe 35/2009. 159obgleich bei all diesen arzneistoffen unvorhersehbare, also idiosynkratische, leberreaktionen möglich sind, befindet sich eine vielzahl von präparaten, die diese wirkstoffe enthalten, auf dem markt. 160an der getroffenen bewertung ändern auch bestehende behandlungsalternativen nichts, insbesondere fällt die nutzen-risiko-abwägung mit blick darauf nicht generell zu ungunsten des streitbefangenen präparats aus. abwägungsrelevant könnte dieser aspekt sein, wenn deren ersetzbarkeit durch andere arzneimittel mit günstigerem nebenwirkungsprofil gewährleistet wäre. das ist aber nicht der fall. denn soweit die beklagte bezug auf den inhalt der s3-leitlinie zur behandlung von angststörungen nimmt und auf selektive serotonin-wiederaufnahmehemmer (ssri), selektive serotonin-noradrenalin-wiederaufnahmehemmer (snri) und pregabalin als mittel der ersten wahl sowie auf trizyklische antidepressiva (tza), buspiron, benzodiazepine, hydroxin und opipramol als mittel der zweiten wahl verweist, sind diese voraussetzungen nicht erfüllt. es erscheint schon zweifelhaft, ob es sich dabei überhaupt um einen geeigneten ersatz für kava-kava-präparate handelt. das gilt ungeachtet der fehlenden vollständigen übereinstimmung der anwendungsgebiete insbesondere deswegen, weil jene arzneimittel im gegensatz zu den auf eine kurzzeitbehandlung mit raschem wirkeintritt gerichteten kava-kava-präparaten größtenteils eine längere wirklatenz von bis zu sechs wochen haben. überdies kann für keines der von der beklagten empfohlenen synthetischen alternativarzneimittel ein günstigeres nebenwirkungsprofil festgestellt werden. das ergibt sich daraus, dass das spektrum möglicher nebenwirkungen weitgehend breiter gefächert ist als beim verfahrensgegenständlichen kava-kava-präparat, zum teil auch schwere nebenwirkungen umfasst und vielfach absetzphänomene, abhängigkeitsrisiken und sedierende effekte mit dem damit einhergehenden negativen einfluss auf die geistige leistungsfähigkeit beschrieben werden. wegen der einzelheiten dazu wird auf die tabellarische übersicht bei b. bandelow, r. boerner, s. kasper, m.linden, h.-u. wittchen und h.-j. möller „generalisierte angststörung: diagnostik und therapie“, deutsches ärzteblatt 2013, s. 303, und die zutreffenden ausführungen des verwaltungsgerichts bezug genommen. 161die von der beklagten angesprochenen traditionellen phytopharamka, namentlich baldrianwurzelzubereitungen und lavendelöl sind schon deswegen keine geeignete alternative, weil ihr anwendungsgebiet nicht deckungsgleich mit dem kava-kava-haltiger arzneimittel ist, sondern sich insoweit nur gewisse überschneidungen ergeben. 162gemessen an den vorstehenden überlegungen ist das nutzen-risiko-verhältnis des streitbefangenen arzneimittels ungünstig. denn unter zugrundelegung des inhalts der änderungsanzeige und der vorstehenden ausführungen sind die bisher umgesetzten maßnahmen zur minimierung der bestehenden risiken nicht ausreichend. 163dies bezieht sich in erster linie auf die dosierung. es fehlt nach der änderungsanzeige vom februar 2015 an einer der monographie der kommission e bzw. deren empfehlungen aus dem jahr 2002 entsprechenden dosierung von 60-120 mg kava-pyrone (= kavalactone). damit hat die klägerin die tagesdosis für kava-s. -tropfen n von dreimal täglich 20 tropfen (= 60 mg kava-pyrone täglich) auf dreimal täglich 4 ml (= 240 mg kava-pyrone täglich) erhöht. diese dosierung ist - wenngleich die abweichung im vorliegenden fall vergleichsweise geringfügig ist - nicht monographiekonform. diese feststellung beruht auf folgendem: der senat ist aufgrund der plausiblen und durchgehend nachvollziehbaren sachverständigen erläuterungen von frau dr. h. und herrn dr. t. , denen die beklagte nichts durchgreifendes entgegen gesetzt hat, zu der überzeugung gelangt, dass sich die in der monographie der kommission e angegebene dosierungsspanne von 60-120 mg kava-pyrone auf die dc-methode und nicht - auch nicht teilweise - auf die hplc-methode bezieht. 164in der monographie selber ist keine aussage zu der zugrunde liegenden messmethode getroffen worden. das sich bei den unterlagen zur 165monographieerstellung befindliche gutachten von dr. k. m. aus dem jahr 1986 erlaubt entgegen der auffassung der beklagten nicht den rückschluss, dass sich die dosierungsangabe auf die hplc- methode bezieht. denn daraus geht lediglich hervor, dass zu diesem zeitpunkt bereits alle sechs kava-pyrone bekannt waren und es die hplc-methode gab. zum umfang ihres einsatzes und dazu, ob die für die erstellung der positivmonographie maßgebenden studien mit extrakten durchgeführt worden sind, deren kavalactongehalt mit dieser methode gemessen worden ist, ergibt sich daraus hingegen nichts. 166die klägerin hat in der mündlichen verhandlung auch nicht in abrede gestellt, 167dass es die hplc-methode zu diesem zeitpunkt bereits gab, sondern hat vielmehr bestätigt, dass sie bereits damals im universitären bereich anwendung gefunden hat. etwas anderes gelte indes für die industrie. dort habe man zur zeit der monographieerstellung nicht über die entsprechenden reinsubstanzen verfügt, um alle sechs kava-pyrone quantifizieren zu können. da die der monographieerstellung zugrundeliegenden studien mit industriepräparaten durchgeführt worden seien, beziehe sich die in der monographie angegebene dosierung demzufolge auf die dc-methode. dass die studien mit industriepräparaten durchgeführt worden sind, ist zwischen den beteiligten unstreitig. hierzu hat frau dr. h. - von der beklagten unwidersprochen - darauf hingewiesen, dass die firma g. , bei der sie zum damaligen zeitpunkt angestellt war, damals allein mit der dc-methode gemessene kava-extrakte hergestellt und an pharmazeutische unternehmen geliefert und insoweit einen 95 prozentigen marktanteil gehalten habe. 168angesichts dessen konnte die beklagte auch lediglich auf die extrakte der firma t1. , die erst zu einem späteren zeitpunkt kundin der firma g. geworden war, verweisen. sie gehe davon aus, dass die firma t1. ab dem jahr 1990 extrakte hergestellt habe, die nach der hplc-methode bemessen worden seien und davon, dass mit deren präparaten die studien von warnecke, die für die erstellung der monographie maßgebend waren, durchgeführt worden seien. hierbei handelt es sich indes um eine durch die von herrn dr. t. angestellten ermittlungen widerlegte vermutung. denn daraus geht hervor, dass in der monographie nicht auf die erst später erstellten studien von warnecke zu dem präparat laitan, sondern lediglich auf zwei der komission e im zeitraum von april bis september 1989 vorgelegte studienberichte bezug genommen wird. das folge - so herr dr. t. - daraus, dass sich die untersuchungen von warnecke ausweislich der monographie auf ein mit 60 mg kava-pyrone dosiertes präparat und die erst nach erstellung der monographie veröffentlichten studien hingegen auf das sich erst seit dezember 1989 auf dem markt befindliche präparat laitan mit einer dosierung von 70-210 mg kava-pyrone bezogen hätten. diese unterschiedlichen dosierungen können einerseits als hinweis darauf gedeutet werden, dass im zeitraum zwischen den studienberichten und der veröffentlichung der studien eine umrechnung stattgefunden hat, für die aber nur dann ein erfordernis bestand, wenn das den studienberichten zugrundeliegende präparat mittels dc-methode gemessen war. als weitere denkbare erklärungsmöglichkeit kommt allein in betracht, dass sich studien und studienberichte auf unterschiedliche präparate bezogen haben. aber auch daraus ergibt sich kein anhalt dafür, dass das präparat, zu dem sich der studienbericht verhält, bereits nach der hplc-methode gemessen war. dagegen spricht, dass es sich dabei um ein - an der damals standardisierten dc-methode gemessen - erheblich aus dem rahmen fallendes, weil deutlich unterhalb der angenommen wirksamkeitsschwelle dosiertes präparat gehandelt hätte. hinzu kommt, dass die entgegengesetzte annahme der beklagten nicht auf validen erkenntnissen beruht, sondern auf einer mitteilung, die die firma t1. erst zu einem viel späteren zeitpunkt, nämlich im zulassungsverfahren gemacht hat. demgegenüber hat herr dr. t. anhand der studienberichte die dem präparat der firma t1. zugrundeliegende analytik selbst geprüft und hat dabei keinen hinweis darauf gefunden, dass dies nach der hplc-methode bemessen wurde. 169vor diesem hintergrund ist auch die weitere vermutung der beklagten, dass der in der monographie angegebene wert von 60 mg kava-pyrone auf der dc-methode beruhte und der wert von 120 mg auf der hplc-methode, fernliegend und durch nichts belegt. denn einerseits ginge damit einher, dass die für phytopharmaka charakteristische dosierungsspanne weitgehend entfiele. andererseits hält der senat es mit frau dr. h. für abwegig, dass in einer dosisempfehlung, die eine spannbreite angibt, zwei werte genannt werden, die auf unterschiedlichen mess- und analysemethoden beruhen. 170angesichts dessen ist der klägerin darin zu folgen, dass die deklarierung der dosierung an die heute standardisierte hplc-methode angepasst werden muss. der senat stimmt aber darin nicht mit der klägerin überein, dass dies im sinne einer verdoppelung zu erfolgen hat. der umstand, dass die bestimmung nach der dc-methode mit drei kava-pyronen erfolgt und die nach der hplc-methode mit sechs kava-pyronen, rechtfertigt dies nicht, weil der lactongehalt der unterschiedlichen pyrone variiert. das erfordert die bestimmung eines anderen umrechnungsfaktors. frau dr. h. hat 1,61 als korrelationsfaktor angegeben und dessen herleitung anhand einer gut nachvollziehbaren und stimmigen berechnungsübersicht erläutert. die beklagte ist dem nicht entgegen getreten. der senat hat auch unter berücksichtigung der übrigen in das verfahren eingeführten erkenntnisse keine zweifel, dass dieser korrelationsfaktor zutrifft. bei seiner anwendung ergibt sich, dass der in der monographie genannten dosierungsspanne von 60-120 mg kava-pyrone nach der dc-methode einer dosierungsspanne von 97-193 mg kava-pyrone nach der hplc-methode entspricht und das hier streitgegenständliche präparat deswegen bei der dosierung von dreimal täglich 4 ml (= 240 mg kava-pyrone) überdosiert ist. 171neben der dosierung entsprechen auch die dem senat vorliegenden gebrauchs- und fachinformation stand februar 2015 - unterstellt, die darin enthaltenen änderungen von für die zulassung wesentlichen angaben sind im wege der änderungsanzeige wirksam geworden - nicht vollständig den empfehlungen der kommission e. das betrifft die nebenwirkungen, die mit „keine“ angegeben sind, die wechselwirkungen mit anderen medikamenten (der hinweis auf die vermeidung einer begleitenden medikation mit potentiell hepatotoxischen medikamenten, insbesondere auch betablockern, antidepressiva und migränemitteln fehlt), die darin vorgesehene bestimmung der leberwerte vor beginn der behandlung, sodann wöchentlich und optional nach abschluss der behandlung, sowie die anwendungsdauer. 172(ii.) wenngleich die festgestellten abweichungen ein ungünstiges nutzen-risiko-verhältnis begründen, rechtfertigen sie nicht den widerruf der zulassung, weil eine änderung der zulassung auf der grundlage von § 30 abs. 2a satz 1 amg vorrangig ist. mit dieser in der fassung vom 19. dezember 2012 geltenden vorschrift, die als ausprägung des verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu interpretieren ist, besteht eine grundlage dafür, änderungen auf ebene der zulassung vorzunehmen. 173vgl. gesetzentwurf der bundesregierung vom 18. april 2012, bt-drs. 17/9341, s. 54. 174wie ausgeführt, ist das nutzen-risiko-verhältnis des hier streitgegenständlichen präparats - insbesondere wegen der zu hohen dosierung, aber auch im hinblick auf die übrigen abweichungen von den empfehlungen der kommission e in ihrer stellungnahme aus dem jahr 2002 als ungünstig zu bewerten, erwiese sich aber nach entsprechender anpassung an diese empfehlungen nicht mehr als ungünstig, mit der folge, dass der versagungsgrund des § 25 abs. 2 satz 1 nr. 5 amg entfällt. zur begründung dafür wird auf die vorstehenden ausführungen bezug genommen. 175lassen sich die mit der anwendung kava-kava-haltiger arzneimittel in verbindung gebrachten nebenwirkungen danach bereits durch die von der kommission e vorgeschlagenen regulatorischen maßnahmen auf ein vertretbares maß reduzieren, kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die beklagte vorrangig unter der voraussetzungen des § 28 abs. 3b satz 1 nr. 2 amg eine unbedenklichkeitsstudie („pass“) hätte anordnen können und müssen. 176die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 2 vwgo. 177die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 abs. 1 und 2 vwgo i. v. m. § 708 nr. 10, § 711 satz 1 und 2, § 709 satz 2 zpo. 178die revision ist zuzulassen, weil die voraussetzungen des § 132 abs. 2 vwgo vorliegen. | Klaeger*in | 1 |
165,721 | 25 O 199/12 | 2015-05-05T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.07.2012 zu zahlen. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten gemäß der Rechnung des Rechtsanwalts X vom 21.06.2012 über einen Betrag von 489,45 € freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 1Tatbestand: 2Am 22.10.2010 kam es unter zwischen den Parteien streitigen Umständen zu einem Zusammentreffen der Parteien auf einer Veranstaltung in der Festhalle in Hürth-Gleuel. Es kam unter zwischen den Parteien ebenfalls streitigen Umständen zu einer im Einzelnen zwischen den Parteien streitigen Auseinandersetzung, zunächst im Eingangsbereich der Festhalle, später dann vor der Festhalle. Die Polizei wurde gerufen und der Vorfall polizeilich aufgenommen. 3Wegen des vorgenannten Vorfalles wurde ein Ermittlungsverfahren bei der StA Köln eingeleitet. Vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Brühl wurde ein Strafverfahren gegen die Beklagten wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung durchgeführt. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte StA Köln 172 Js 38/11 Bezug genommen. 4Der Kläger behauptet, er habe sich am fraglichen Abend in der Festhalle befunden, als die Beklagten ihn im vorgelagerten Eingangsbereich der Halle angepöbelt hätten. Sie hätten ihn unter anderem als „Hurensohn“ bezeichnet und ihn aufgefordert, mit ihnen vor die Festhalle zu kommen. Motivation für die Beklagten sei gewesen, dass der Kläger der Ex-Freund der Zeugin M2, der damaligen Freundin des Beklagen zu 2), gewesen sei. Es sei zu einem kurzen Handgemenge gekommen, durch welches er eine Platzwunde erlitten habe. Dieses sei durch die Zeugen S und C3, die als Sicherheitspersonal bei der Veranstaltung tätig waren, beendet und die Beklagten der Festhalle verwiesen worden. Der Kläger habe noch eine geraume Zeit gewartet und habe sodann die Festhalle verlassen wollen. Sofort nach Verlassen der Festhalle seien die Beklagten, die sich wider Erwarten nicht entfernt gehabt hätten, dann auf ihn losgegangen und hätten gemeinsam mit zwei anderen Personen auf ihn eingeschlagen, so dass er zu Boden gegangen sei. Auch dann hätten die Beklagten nicht von ihm abgelassen, sondern hätten weiter auf ihn eingetreten. Die Türsteher hätten einige Zeit gebraucht, um die Beklagten sowie die weiteren beiden Personen von dem Kläger abzuhalten. Der Kläger behauptet, er habe durch den Angriff neben zahlreichen Prellungen und einer Platzwunde im Gesicht einen Strecksehnenausriß am Kleinfingerendgelenk der rechten Hand erlitten. Diese habe durch eine Lengemann-Ausziehnaht operativ versorgt werden müssen. Nach 3 Monaten sei die Metallentfernung erfolgt. Er sei vom Tattag an bis zum 17.04.2011 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Noch am 18.03.2011 habe eine Schwellung über dem Endgelenk und eine stark schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Endgelenk bestanden. Eine deutliche Stufenbildung sei nachweisbar. Der Finger sei in der Beugefähigkeit dauerhaft beeinträchtigt. Ab dem 18.04.2011 sei eine Wiedereingliederung erfolgt. Er habe aber seine berufliche Tätigkeit zum 31.10.2011 beenden müssen. In Anbetracht der erlittenen Beeinträchtigungen hält der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 5.000 € für angemessen. Der Kläger verlangt des weiteren einen pauschalierten Auslagenersatz. 5Der Kläger beantragt, 61. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28.07.2012 zu zahlen; 72. die Beklagte als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 25 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; 83. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger hinsichtlich der mit der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung entstandenen Kosten, von der Rechnung des Rechtsanwalts X vom 21.06.2012 über einen Betrag von 546,69 € freizustellen. 9Die Beklagten beantragen, 10 die Klage kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar abzuweisen. 11Die Beklagten behaupten, es sei der Kläger gewesen, der die Zeugin M2, die Freundin des Beklagten zu 2), angesprochen habe, obwohl diese gegenüber dem Kläger bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht habe, dass sie mit ihm keinerlei Kontakt haben wolle. Daraufhin habe sich der Beklagte zu 2), der dies beobachtet habe, zu der Zeugin M2 begeben und den Kläger aufgefordert, die Zeugin M2 in Ruhe zu lassen. Daraufhin habe der Kläger ihm sinngemäß erklärt, er mache, was er wolle. Daraufhin habe der Beklagte zu 2) den Kläger gebeten, mit ihm vor die Festhalle zu gehen, um die Sache zu klären. Hintergrund dieser Bitte sei gewesen, dass die Musik in der Festhalle zu laut für eine Unterhaltung gewesen sei. Der Beklagte zu 2) habe dem Kläger lediglich die Gründe für seine Bitte, die Zeugin M2 in Ruhe zu lassen, erläutern wollen. Als der Kläger dies nicht gewollt habe, sei der Beklagte zu 2) die Zeugin M2 suchen gegangen. Der Beklagte zu 1), der das Geschehen beobachtet gehabt habe, habe sich sodann zu dem Kläger begeben und diesen angesprochen. Auf die Frage, was los gewesen sei und welchen Anlass das Gespräch des Klägers mit dem Beklagten zu 2) gehabt habe, habe der Kläger aggressiv reagiert und er befürchten müssen, von ihm angegriffen zu werden. Daraufhin habe er den Kläger zurückgestoßen. Danach sei der Beklagte zu 1) der Festhalle verwiesen worden. Vor der Festhalle habe er die Zeugin M2 getroffen. Er habe einen Ruf vernommen, den er auf sich bezogen habe. Als er zur Seite geblickt habe, habe er den Kläger gesehen, der ihm sofort einen Schlag in das Gesicht versetzt habe. Daraufhin habe er sich zur Wehr gesetzt und dem Kläger ebenfalls aus Notwehr und Reflex mindestens einen Schlag ins Gesicht versetzt. Der Beklagte zu 2) habe dies aus einer Entfernung von 20 m beobachtet und nachfolgend versucht, ihn zu beruhigen und von dem Geschehen fernzuhalten. Offensichtlich sei der Kläger an dem fraglichen Abend alkoholisiert gewesen und könne sich an das Geschehen nicht mehr erinnern. Er habe schließlich auch ausdrücklich auf die Stellung eines Strafantrages gegenüber den herbeigerufenen Polizisten verzichtet. Die Beklagten bestreiten die klägerseits behaupteten Verletzungen und die Arbeitsunfähigkeitszeiten. Sie bestreiten zudem die Kausalität zwischen etwaigen im Rahmen der Auseinandersetzung erlittenen Verletzungen und der von dem Kläger beklagten Beschwerden im Zusammenhang mit der Schwellung im Endgelenk des Kleinfingers. Sie bestreiten, dass der Kläger seine berufliche Tätigkeit aufgeben musste. 12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen. 13Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 28.11.2013 durch schriftliche und mündliche Zeugenvernehmung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Aussage der Zeugin M vom 13.09.2014 sowie die Protokolle der Sitzungen vom 11.11.2014, 16.12.2014 und vom 17.03.2015 Bezug genommen. Die Akte StA Köln172 Js 38/11 hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. 14Entscheidungsgründe: 15Die Klage ist ganz überwiegend begründet. Der Kläger hat Ansprüche gegen die Beklagten infolge des streitgegenständlichen Vorfalles aus §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 223 StGB, §§ 830 Abs. 1, 840 Abs. 1 BGB. 16Die Kammer geht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme von folgendem Sachverhalt aus: 17Am 22.10.2010 befanden sich beide Parteien in der Festhalle in Hürth-Gleuel. Der Beklagte zu 2) sah, dass der Kläger bei der Zeugin M2 stand. Er ging deshalb zu dem Kläger hin. Der Beklagte zu 1) kam ebenfalls hinzu. Es kam im weiteren Verlauf im Eingangsbereich, d.h. dem Bereich der Garderobe, zu einem Handgemenge, im Verlaufe dessen der Beklagte zu 2) dem Kläger in das Gesicht schlug. Der Kläger wiederum schlug den Beklagten zu 1), der zum Schlag ausgeholt hatte, bevor er ihn treffen konnte. Sodann wurden die Beklagten, die von den Zeugen C3 und S als Verursacher der Auseinandersetzung identifiziert wurden, seitens der beiden vorgenannten Zeugen der Festhalle verwiesen. Dort warteten sie, bis der Kläger nach einiger Zeit die Festhalle verließ. Sie gingen gemeinsam mit weiteren ihnen bekannten Personen auf den Kläger los und schlugen und traten ihn gemeinschaftlich. Dabei erlitt der Kläger eine blutende Platzwunde und Prellungen sowie einen Strecksehnenausriss am Kleinfingerendgelenk der rechten Hand. 18Dieser Sachverhalt steht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest, § 286 ZPO. Die Zeugin M3 hat glaubhaft ausgesagt, sie habe das Geschehen im Eingangsbereich aus nächster Nähe beobachten können, weil sie sich bei der Zeugin S2 an der Garderobe aufgehalten habe. Einer der Beklagten habe den Kläger beschimpft und mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. Der Kläger habe sich gewehrt und ebenfalls geschlagen. Daraufhin habe die Security die Beklagten rausgeschmissen. Sie hat weiter ausgesagt, sie sei hinter der Security nach draußen vor die Festhalle gegangen, um nachzusehen, was dort los gewesen sei. Da habe sie gesehen, dass der Kläger auf dem Boden gelegen habe und vier Leute auf ihm drauf waren und auf ihn eingeschlagen und eingetreten haben. Die Aussage der Zeugin ist stimmig und glaubhaft. Sie ist mit keinem der Parteien näher befreundet oder sonst verbunden. Auch den Kläger kennt sie nur flüchtig. Ein Grund, die Unwahrheit zu sagen, um ihm zu helfen, ist daher nicht ersichtlich. Entgegen der beklagtenseits geäußerten Auffassung spricht auch der Umstand, dass die Zeugin sich seinerzeit nicht bei der Polizei als Zeugin gemeldet hat, nicht gegen ihre Glaubwürdigkeit. Vielmehr hat die Zeugin dies nachvollziehbar und einleuchtend damit erklärt, sie habe am fraglichen Abend die Notwendigkeit nicht gesehen, da genügend Zeugen anwesend gewesen seien. Erst ein späteres zufälliges Treffen mit dem Kläger habe ihr bewusst gemacht, dass noch ein Rechtsstreit laufe. Aus diesem Grund habe sie angeboten, eine Aussage zu machen. Daran vermag die Kammer weder etwas Ungewöhnliches noch etwas Verdächtiges zu erkennen. Soweit ihre Aussage hinsichtlich der Beendigung der Auseinandersetzung vor der Festhalle durch die Security von den Aussagen der Zeugen C3 und S abweicht, ist zu sehen, dass die vorgenannten Zeugen beide bekundet haben, sie könnten sich an die genauen Ereignisse des fraglichen Abends nicht mehr erinnern. Der Zeuge C3 hat zu dem Geschehen vor der Festhalle gar keine Angaben machen können, der Zeuge S hat zwar ausgesagt, er habe nicht sehen können, dass irgendwer noch geschlagen habe, als er dazu kam. Er meine auch nicht, dass er den Kläger am Boden liegend gesehen habe. Er hat jedoch auch sehr deutlich gemacht, dass er nur noch eine rudimentäre Erinnerung an den fraglichen Abend hat. Von daher mag dies von Erinnerungslücken des Zeugen S beeinflusst sein. Die Kammer glaubt indes der Zeugin M3, dass das Sicherheitspersonal die Beklagten und den Kläger getrennt hat. Dass diese den für sie durchaus erinnerungswürdigen Vorfall eher und besser in Erinnerung behalten hat als die ständig auf Veranstaltungen als Sicherheitspersonal tätigen Zeugen C3 und S, für die derartige Szenen keine Seltenheit sind, sondern regelmäßiger Bestandteil ihrer beruflichen Tätigkeit, ist ohne weiteres nachzuvollziehen und leuchtet ein. 19Die Aussage der Zeugin M3 passt des weiteren auch weit eher als der von den Beklagten geschilderte Sachverhalt zu den Bekundungen der weiteren Zeugen C3 und S. Der Zeuge C3 konnte zwar angesichts des zwischenzeitlichen Zeitablaufs und der Vielzahl von Veranstaltungen, auf denen er als Sicherheitspersonal tätig ist, keine Einzelheiten mehr erinnern. Er konnte sich indes sehr wohl daran erinnern, dass er und der Zeuge S die Beklagten vor die Tür gesetzt haben, weil es Ärger gegeben habe, der von den Beklagten ausgegangen sei. Auch der Zeuge S konnte sich an den Verweis, den er und der Zeuge C3 den Beklagten erteilt hatten, noch erinnern. Im Verlaufe der Vernehmung konnte er sich zudem noch daran erinnern, dass die Beklagten bereits zuvor an dem fraglichen Abend aufgefallen waren und sich Gäste über sie beschwert hatten. Er hat weiter bekundet, es sei nicht der Kläger, sondern die Beklagten gewesen, die sich nicht hätten von ihm und dem Zeugen C3 beruhigen lassen. Die Aussagen der Zeugen erschienen wiederum glaubhaft und stimmig. Ihr Bemühen um eine wahrheitsgemäße Aussage zeigte sich daran, dass sie Erinnerungslücken unumwunden zugaben. Mangels persönlicher Nähestellung zu den Parteien ist auch ein Grund, warum die Zeugen die Unwahrheit sagen und die Beklagten fälschlich als die Unruhestifter bezeichnen sollten, nicht ersichtlich. Schließlich erscheint der von den Zeugen M3, C3 und S in Übereinstimmung mit der Einlassung des Klägers geschilderte Sachverhalt auch im Gesamtkontext stimmig. Es ist offensichtlich, dass der Beklagte zu 2) Probleme mit dem Kläger hatte, weil dieser in irgendeiner Beziehung zu der seinerzeitigen Freundin des Beklagten zu 2) stand. Ob dies nun eine Beziehung dergestalt war, dass er der Ex-Freund der Zeugin M2 war oder diese vor der fraglichen Veranstaltung entsprechend ihrer Aussage in irgendeiner Weise belästigt hatte, kann insoweit aus Sicht der Kammer letztlich dahinstehen. Fest steht in jedem Fall, dass der Beklagte zu 2) wegen der Zeugin M2 nicht gut auf den Kläger zu sprechen war und sich darüber ärgerte, dass der Kläger sich in der Nähe der Zeugin M2 befand und diese nach seinem Empfinden auf der fraglichen Veranstaltung angesprochen hatte. Die Kammer kann sich gut vorstellen, dass insoweit der Beklagte zu 1) seinem Bruder zu Hilfe kommen und ihn unterstützen wollte. Dies alles ergibt eine schlüssige und stimmige Motivationslage für einen Angriff auf den Kläger. Soweit die Zeugin M2 in Übereinstimmung mit den Beklagten bekundet hat, es sei vor der Festhalle der Kläger gewesen, der den Beklagten zu 1) zuerst geschlagen habe, vermag die Kammer dem keinen Glauben zu schenken. Insoweit fiel auf, dass die Zeugin, was den fraglichen Abend anbelangt, eine sehr punktuelle Erinnerung lediglich an den von ihr bekundeten Schlag des Klägers hatte, weitere Fragen jedoch nicht beantworten konnte und diese mit Erinnerungslücken begründet hat. Ihr Aussageverhalten kann bestenfalls als ausweichend bezeichnet werden. Soweit sie ausgesagt hat, sie habe sich vor der Festhalle ganz normal mit dem Beklagten zu 1) unterhalten, der in einer ganz normalen Stimmung gewesen sei und sich über nichts aufgeregt habe, so steht dies im Gegensatz zu den Bekundungen der Zeugen C3 und S und letztlich auch im Gegensatz zu dem unstreitig kurz zuvor erfolgten Rausschmiss des Beklagten zu 1) aus der Festhalle nach dem unstreitigen Zusammentreffen mit dem Kläger und dem Handgemenge im Eingangsbereich der Festhalle. Dass ein Verweis von einer solchen Veranstaltung den Beklagten zu 1) in keinster Weise aufgeregt hätte, erscheint der Kammer weder lebensnah noch glaubhaft. Auch die Aussage der Zeugin M2, sie habe den Beklagten zu 1) nach draußen gehen sehen und sei ihm gefolgt, erscheint nicht glaubhaft. Denn unstreitig ist der Beklagte zu 1) von den Zeugen C3 und S in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Handgemenge in der Eingangshalle vor die Tür gesetzt worden. Hätte die Zeugin M2 den Beklagten zu 1) die Festhalle verlassen sehen, dann hätte sie auch dies zwangsläufig wahrnehmen müssen. Denn nach eigener Einlassung betrat der Beklagte zu 1) die Festhalle nach seinem Rausschmiss nicht mehr. 20Die Aussage der Zeugin S2 ist nicht glaubhaft, denn sie hat sich in Widerspruch zu ihrer Aussage vom 06.01.2011 (Bl. 49 ff. d. Akte StA Köln172 Js 38/11) gesetzt. Diesen Widerspruch konnte sie auch nicht plausibel erklären. Insofern vermag die Kammer ihre Überzeugung nicht auf diese Aussage zu stützen. 21Bei der gegebenen Sachlage haften die Beklagten dem Kläger als Gesamtschuldner auf Schadensersatz, §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2BGB i. V. m. § 223 BGB, 830 Abs. 1, 840 Abs. 1 BGB. Sie haben den Kläger gemeinschaftlich vorsätzlich an der Gesundheit geschädigt. Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist gemäß § 830 Abs. 1 S. 1 BGB jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt nach § 830 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat. Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie gemäß § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner. Dies gilt insbesondere dann, wenn jeder von Ihnen gemäß § 830 Abs. 1 BGB haftet (Palandt/Sprau BGB § 840, Rn. 2). 22Die Kammer geht insoweit nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass der Kläger infolge der ihm von den Beklagten vor der Festhalle gemeinschaftlich versetzten Schläge und Tritte eine blutende Platzwunde, darüber hinaus Prellungen und eine Strecksehnenverletzung erlitt. Die blutende Platzwunde ergibt sich aus den Aussagen der Zeugin M3, aber auch der Zeugin M2 und des Zeugen C3 und S. Dass bei einem Vorfall wie dem vorliegend angenommen auch Prellungen entstehen, kann ebenfalls nach der Lebenserfahrung angenommen werden, § 287 ZPO. Soweit es die Strecksehnenverletzung angeht, hält die Kammer auch diese anhand der vorgelegten Arztberichte für belegt. Angesichts des zeitlichen Zusammenhangs der Behandlungen des Klägers wegen dieser Verletzung sowie der glaubhaften Einlassung des Klägers, er habe diese Verletzung an dem fraglichen Abend erlitten, geht die Kammer auch davon aus, dass sie kausal auf die Körperverletzungshandlungen zurückzuführen ist. In Anbetracht dieser Beeinträchtigungen und vor dem Hintergrund der vorsätzlichen und gemeinschaftlichen Körperverletzung erscheint ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € als angemessen. 23Ein Mitverschulden des Klägers im Sinne von § 254 BGB ist nach der Überzeugung der Kammer demgegenüber nicht feststellbar, denn die Auseinandersetzung wurde weder von dem Kläger provoziert noch ging sie - wie bereits dargelegt - von diesem aus. 24Der Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten steht dem Kläger in Höhe des Teilbetrages von 489,45 € zu. Die Ersatzpflicht des Schädigers gemäß § 249 BGB erstreckt sich auch auf die durch die Geltendmachung und Durchsetzung des Ersatzanspruchs verursachten Kosten. Der Höhe nach ist der Ersatzanspruch auf die Gebühren nach dem Wert der Ansprüche zu bemessen, die der Kläger in begründeter Weise gegen den Beklagten geltend machen kann. Mithin ist der Schmerzensgeldanspruch mit 5.000,- € zugrunde zu legen. Unter Ansatz dieses Gegenstandswertes beläuft sich der Anspruch auf Erstattung der zu Recht geltend gemachten 1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer nach Nr. 2300, 7002, 7008 VV RVG a. F. auf 489,45 €. 25Ein Anspruch des Klägers auf die geltend gemachte Auslagenpauschale besteht indes nicht. Eine solche ist bei Verkehrsunfällen in der Rechtsprechung anerkannt, nicht indes bei anderen Rechtsstreitigkeiten. Eine substantiierte Darlegung materieller Schäden, die ihm infolge des Vorfalles entstanden sind, ist dem Klägervortrag nicht zu entnehmen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Schätzung eines Mindestschadens der Kammer nicht möglich, § 287 ZPO. 26Der Zinsanspruch des Klägers beruht auf §§ 291, 187 Abs. 1 BGB. Die Klage ist den Beklagten unter dem 28.07.2012 zugestellt worden. Die Zinshöhe ergibt sich aus dem Gesetz. 27Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 100, 709 S. 1, 2 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers ist verhältnismäßig geringfügig und hat keine wesentlichen Mehrkosten verursacht. 28Der Streitwert wird auf 5.025 € festgesetzt. 29(Klageantrag zu 1): 5.000 € 30Klageantrag zu 2): 25 € 31Klageantrag zu 3): - , § 4 ZPO) | die beklagten werden als gesamtschuldner verurteilt, an den kläger ein schmerzensgeld in höhe von 5.000 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 29.07.2012 zu zahlen. die beklagten werden als gesamtschuldner verurteilt, den kläger von vorgerichtlichen anwaltskosten gemäß der rechnung des rechtsanwalts x vom 21.06.2012 über einen betrag von 489,45 € freizustellen. im übrigen wird die klage abgewiesen. die kosten des rechtsstreits tragen die beklagten als gesamtschuldner. das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 120 % des zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. 1 | 2am 22.10.2010 kam es unter zwischen den parteien streitigen umständen zu einem zusammentreffen der parteien auf einer veranstaltung in der festhalle in hürth-gleuel. es kam unter zwischen den parteien ebenfalls streitigen umständen zu einer im einzelnen zwischen den parteien streitigen auseinandersetzung, zunächst im eingangsbereich der festhalle, später dann vor der festhalle. die polizei wurde gerufen und der vorfall polizeilich aufgenommen. 3wegen des vorgenannten vorfalles wurde ein ermittlungsverfahren bei der sta köln eingeleitet. vor dem jugendschöffengericht des amtsgerichts brühl wurde ein strafverfahren gegen die beklagten wegen gemeinschaftlicher gefährlicher körperverletzung durchgeführt. wegen der diesbezüglichen einzelheiten wird auf die beigezogene akte sta köln 172 js 38/11 bezug genommen. 4der kläger behauptet, er habe sich am fraglichen abend in der festhalle befunden, als die beklagten ihn im vorgelagerten eingangsbereich der halle angepöbelt hätten. sie hätten ihn unter anderem als „hurensohn“ bezeichnet und ihn aufgefordert, mit ihnen vor die festhalle zu kommen. motivation für die beklagten sei gewesen, dass der kläger der ex-freund der zeugin m2, der damaligen freundin des beklagen zu 2), gewesen sei. es sei zu einem kurzen handgemenge gekommen, durch welches er eine platzwunde erlitten habe. dieses sei durch die zeugen s und c3, die als sicherheitspersonal bei der veranstaltung tätig waren, beendet und die beklagten der festhalle verwiesen worden. der kläger habe noch eine geraume zeit gewartet und habe sodann die festhalle verlassen wollen. sofort nach verlassen der festhalle seien die beklagten, die sich wider erwarten nicht entfernt gehabt hätten, dann auf ihn losgegangen und hätten gemeinsam mit zwei anderen personen auf ihn eingeschlagen, so dass er zu boden gegangen sei. auch dann hätten die beklagten nicht von ihm abgelassen, sondern hätten weiter auf ihn eingetreten. die türsteher hätten einige zeit gebraucht, um die beklagten sowie die weiteren beiden personen von dem kläger abzuhalten. der kläger behauptet, er habe durch den angriff neben zahlreichen prellungen und einer platzwunde im gesicht einen strecksehnenausriß am kleinfingerendgelenk der rechten hand erlitten. diese habe durch eine lengemann-ausziehnaht operativ versorgt werden müssen. nach 3 monaten sei die metallentfernung erfolgt. er sei vom tattag an bis zum 17.04.2011 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. noch am 18.03.2011 habe eine schwellung über dem endgelenk und eine stark schmerzhafte bewegungseinschränkung im endgelenk bestanden. eine deutliche stufenbildung sei nachweisbar. der finger sei in der beugefähigkeit dauerhaft beeinträchtigt. ab dem 18.04.2011 sei eine wiedereingliederung erfolgt. er habe aber seine berufliche tätigkeit zum 31.10.2011 beenden müssen. in anbetracht der erlittenen beeinträchtigungen hält der kläger ein schmerzensgeld in höhe von mindestens 5.000 € für angemessen. der kläger verlangt des weiteren einen pauschalierten auslagenersatz. 5der kläger beantragt, 61. die beklagten als gesamtschuldner zu verurteilen, an den kläger ein schmerzensgeld, dessen höhe in das ermessen des gerichts gestellt wird, nebst 5 % zinsen über dem basiszinssatz seit dem 28.07.2012 zu zahlen; 72. die beklagte als gesamtschuldner zu verurteilen, an den kläger 25 € nebst 5 % zinsen über dem basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu zahlen; 83. die beklagten als gesamtschuldner zu verurteilen, den kläger hinsichtlich der mit der vorgerichtlichen rechtsverfolgung entstandenen kosten, von der rechnung des rechtsanwalts x vom 21.06.2012 über einen betrag von 546,69 € freizustellen. 9die beklagten beantragen, 10 die klage kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar abzuweisen. 11die beklagten behaupten, es sei der kläger gewesen, der die zeugin m2, die freundin des beklagten zu 2), angesprochen habe, obwohl diese gegenüber dem kläger bereits mehrfach zum ausdruck gebracht habe, dass sie mit ihm keinerlei kontakt haben wolle. daraufhin habe sich der beklagte zu 2), der dies beobachtet habe, zu der zeugin m2 begeben und den kläger aufgefordert, die zeugin m2 in ruhe zu lassen. daraufhin habe der kläger ihm sinngemäß erklärt, er mache, was er wolle. daraufhin habe der beklagte zu 2) den kläger gebeten, mit ihm vor die festhalle zu gehen, um die sache zu klären. hintergrund dieser bitte sei gewesen, dass die musik in der festhalle zu laut für eine unterhaltung gewesen sei. der beklagte zu 2) habe dem kläger lediglich die gründe für seine bitte, die zeugin m2 in ruhe zu lassen, erläutern wollen. als der kläger dies nicht gewollt habe, sei der beklagte zu 2) die zeugin m2 suchen gegangen. der beklagte zu 1), der das geschehen beobachtet gehabt habe, habe sich sodann zu dem kläger begeben und diesen angesprochen. auf die frage, was los gewesen sei und welchen anlass das gespräch des klägers mit dem beklagten zu 2) gehabt habe, habe der kläger aggressiv reagiert und er befürchten müssen, von ihm angegriffen zu werden. daraufhin habe er den kläger zurückgestoßen. danach sei der beklagte zu 1) der festhalle verwiesen worden. vor der festhalle habe er die zeugin m2 getroffen. er habe einen ruf vernommen, den er auf sich bezogen habe. als er zur seite geblickt habe, habe er den kläger gesehen, der ihm sofort einen schlag in das gesicht versetzt habe. daraufhin habe er sich zur wehr gesetzt und dem kläger ebenfalls aus notwehr und reflex mindestens einen schlag ins gesicht versetzt. der beklagte zu 2) habe dies aus einer entfernung von 20 m beobachtet und nachfolgend versucht, ihn zu beruhigen und von dem geschehen fernzuhalten. offensichtlich sei der kläger an dem fraglichen abend alkoholisiert gewesen und könne sich an das geschehen nicht mehr erinnern. er habe schließlich auch ausdrücklich auf die stellung eines strafantrages gegenüber den herbeigerufenen polizisten verzichtet. die beklagten bestreiten die klägerseits behaupteten verletzungen und die arbeitsunfähigkeitszeiten. sie bestreiten zudem die kausalität zwischen etwaigen im rahmen der auseinandersetzung erlittenen verletzungen und der von dem kläger beklagten beschwerden im zusammenhang mit der schwellung im endgelenk des kleinfingers. sie bestreiten, dass der kläger seine berufliche tätigkeit aufgeben musste. 12wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die zwischen den parteien gewechselten schriftsätze sowie die zu den akten gereichten urkunden bezug genommen. 13die kammer hat beweis erhoben gemäß dem beweisbeschluss vom 28.11.2013 durch schriftliche und mündliche zeugenvernehmung. wegen des ergebnisses der beweisaufnahme wird auf die schriftliche aussage der zeugin m vom 13.09.2014 sowie die protokolle der sitzungen vom 11.11.2014, 16.12.2014 und vom 17.03.2015 bezug genommen. die akte sta köln172 js 38/11 hat vorgelegen und ist gegenstand der mündlichen verhandlung gewesen. 14 | 15die klage ist ganz überwiegend begründet. der kläger hat ansprüche gegen die beklagten infolge des streitgegenständlichen vorfalles aus §§ 823 abs. 1, 823 abs. 2 bgb i. v. m. § 223 stgb, §§ 830 abs. 1, 840 abs. 1 bgb. 16die kammer geht nach dem ergebnis der durchgeführten beweisaufnahme von folgendem sachverhalt aus: 17am 22.10.2010 befanden sich beide parteien in der festhalle in hürth-gleuel. der beklagte zu 2) sah, dass der kläger bei der zeugin m2 stand. er ging deshalb zu dem kläger hin. der beklagte zu 1) kam ebenfalls hinzu. es kam im weiteren verlauf im eingangsbereich, d.h. dem bereich der garderobe, zu einem handgemenge, im verlaufe dessen der beklagte zu 2) dem kläger in das gesicht schlug. der kläger wiederum schlug den beklagten zu 1), der zum schlag ausgeholt hatte, bevor er ihn treffen konnte. sodann wurden die beklagten, die von den zeugen c3 und s als verursacher der auseinandersetzung identifiziert wurden, seitens der beiden vorgenannten zeugen der festhalle verwiesen. dort warteten sie, bis der kläger nach einiger zeit die festhalle verließ. sie gingen gemeinsam mit weiteren ihnen bekannten personen auf den kläger los und schlugen und traten ihn gemeinschaftlich. dabei erlitt der kläger eine blutende platzwunde und prellungen sowie einen strecksehnenausriss am kleinfingerendgelenk der rechten hand. 18dieser sachverhalt steht nach dem ergebnis der durchgeführten beweisaufnahme zur überzeugung der kammer fest, § 286 zpo. die zeugin m3 hat glaubhaft ausgesagt, sie habe das geschehen im eingangsbereich aus nächster nähe beobachten können, weil sie sich bei der zeugin s2 an der garderobe aufgehalten habe. einer der beklagten habe den kläger beschimpft und mit der flachen hand ins gesicht geschlagen. der kläger habe sich gewehrt und ebenfalls geschlagen. daraufhin habe die security die beklagten rausgeschmissen. sie hat weiter ausgesagt, sie sei hinter der security nach draußen vor die festhalle gegangen, um nachzusehen, was dort los gewesen sei. da habe sie gesehen, dass der kläger auf dem boden gelegen habe und vier leute auf ihm drauf waren und auf ihn eingeschlagen und eingetreten haben. die aussage der zeugin ist stimmig und glaubhaft. sie ist mit keinem der parteien näher befreundet oder sonst verbunden. auch den kläger kennt sie nur flüchtig. ein grund, die unwahrheit zu sagen, um ihm zu helfen, ist daher nicht ersichtlich. entgegen der beklagtenseits geäußerten auffassung spricht auch der umstand, dass die zeugin sich seinerzeit nicht bei der polizei als zeugin gemeldet hat, nicht gegen ihre glaubwürdigkeit. vielmehr hat die zeugin dies nachvollziehbar und einleuchtend damit erklärt, sie habe am fraglichen abend die notwendigkeit nicht gesehen, da genügend zeugen anwesend gewesen seien. erst ein späteres zufälliges treffen mit dem kläger habe ihr bewusst gemacht, dass noch ein rechtsstreit laufe. aus diesem grund habe sie angeboten, eine aussage zu machen. daran vermag die kammer weder etwas ungewöhnliches noch etwas verdächtiges zu erkennen. soweit ihre aussage hinsichtlich der beendigung der auseinandersetzung vor der festhalle durch die security von den aussagen der zeugen c3 und s abweicht, ist zu sehen, dass die vorgenannten zeugen beide bekundet haben, sie könnten sich an die genauen ereignisse des fraglichen abends nicht mehr erinnern. der zeuge c3 hat zu dem geschehen vor der festhalle gar keine angaben machen können, der zeuge s hat zwar ausgesagt, er habe nicht sehen können, dass irgendwer noch geschlagen habe, als er dazu kam. er meine auch nicht, dass er den kläger am boden liegend gesehen habe. er hat jedoch auch sehr deutlich gemacht, dass er nur noch eine rudimentäre erinnerung an den fraglichen abend hat. von daher mag dies von erinnerungslücken des zeugen s beeinflusst sein. die kammer glaubt indes der zeugin m3, dass das sicherheitspersonal die beklagten und den kläger getrennt hat. dass diese den für sie durchaus erinnerungswürdigen vorfall eher und besser in erinnerung behalten hat als die ständig auf veranstaltungen als sicherheitspersonal tätigen zeugen c3 und s, für die derartige szenen keine seltenheit sind, sondern regelmäßiger bestandteil ihrer beruflichen tätigkeit, ist ohne weiteres nachzuvollziehen und leuchtet ein. 19die aussage der zeugin m3 passt des weiteren auch weit eher als der von den beklagten geschilderte sachverhalt zu den bekundungen der weiteren zeugen c3 und s. der zeuge c3 konnte zwar angesichts des zwischenzeitlichen zeitablaufs und der vielzahl von veranstaltungen, auf denen er als sicherheitspersonal tätig ist, keine einzelheiten mehr erinnern. er konnte sich indes sehr wohl daran erinnern, dass er und der zeuge s die beklagten vor die tür gesetzt haben, weil es ärger gegeben habe, der von den beklagten ausgegangen sei. auch der zeuge s konnte sich an den verweis, den er und der zeuge c3 den beklagten erteilt hatten, noch erinnern. im verlaufe der vernehmung konnte er sich zudem noch daran erinnern, dass die beklagten bereits zuvor an dem fraglichen abend aufgefallen waren und sich gäste über sie beschwert hatten. er hat weiter bekundet, es sei nicht der kläger, sondern die beklagten gewesen, die sich nicht hätten von ihm und dem zeugen c3 beruhigen lassen. die aussagen der zeugen erschienen wiederum glaubhaft und stimmig. ihr bemühen um eine wahrheitsgemäße aussage zeigte sich daran, dass sie erinnerungslücken unumwunden zugaben. mangels persönlicher nähestellung zu den parteien ist auch ein grund, warum die zeugen die unwahrheit sagen und die beklagten fälschlich als die unruhestifter bezeichnen sollten, nicht ersichtlich. schließlich erscheint der von den zeugen m3, c3 und s in übereinstimmung mit der einlassung des klägers geschilderte sachverhalt auch im gesamtkontext stimmig. es ist offensichtlich, dass der beklagte zu 2) probleme mit dem kläger hatte, weil dieser in irgendeiner beziehung zu der seinerzeitigen freundin des beklagten zu 2) stand. ob dies nun eine beziehung dergestalt war, dass er der ex-freund der zeugin m2 war oder diese vor der fraglichen veranstaltung entsprechend ihrer aussage in irgendeiner weise belästigt hatte, kann insoweit aus sicht der kammer letztlich dahinstehen. fest steht in jedem fall, dass der beklagte zu 2) wegen der zeugin m2 nicht gut auf den kläger zu sprechen war und sich darüber ärgerte, dass der kläger sich in der nähe der zeugin m2 befand und diese nach seinem empfinden auf der fraglichen veranstaltung angesprochen hatte. die kammer kann sich gut vorstellen, dass insoweit der beklagte zu 1) seinem bruder zu hilfe kommen und ihn unterstützen wollte. dies alles ergibt eine schlüssige und stimmige motivationslage für einen angriff auf den kläger. soweit die zeugin m2 in übereinstimmung mit den beklagten bekundet hat, es sei vor der festhalle der kläger gewesen, der den beklagten zu 1) zuerst geschlagen habe, vermag die kammer dem keinen glauben zu schenken. insoweit fiel auf, dass die zeugin, was den fraglichen abend anbelangt, eine sehr punktuelle erinnerung lediglich an den von ihr bekundeten schlag des klägers hatte, weitere fragen jedoch nicht beantworten konnte und diese mit erinnerungslücken begründet hat. ihr aussageverhalten kann bestenfalls als ausweichend bezeichnet werden. soweit sie ausgesagt hat, sie habe sich vor der festhalle ganz normal mit dem beklagten zu 1) unterhalten, der in einer ganz normalen stimmung gewesen sei und sich über nichts aufgeregt habe, so steht dies im gegensatz zu den bekundungen der zeugen c3 und s und letztlich auch im gegensatz zu dem unstreitig kurz zuvor erfolgten rausschmiss des beklagten zu 1) aus der festhalle nach dem unstreitigen zusammentreffen mit dem kläger und dem handgemenge im eingangsbereich der festhalle. dass ein verweis von einer solchen veranstaltung den beklagten zu 1) in keinster weise aufgeregt hätte, erscheint der kammer weder lebensnah noch glaubhaft. auch die aussage der zeugin m2, sie habe den beklagten zu 1) nach draußen gehen sehen und sei ihm gefolgt, erscheint nicht glaubhaft. denn unstreitig ist der beklagte zu 1) von den zeugen c3 und s in unmittelbarem zeitlichem zusammenhang mit dem handgemenge in der eingangshalle vor die tür gesetzt worden. hätte die zeugin m2 den beklagten zu 1) die festhalle verlassen sehen, dann hätte sie auch dies zwangsläufig wahrnehmen müssen. denn nach eigener einlassung betrat der beklagte zu 1) die festhalle nach seinem rausschmiss nicht mehr. 20die aussage der zeugin s2 ist nicht glaubhaft, denn sie hat sich in widerspruch zu ihrer aussage vom 06.01.2011 (bl. 49 ff. d. akte sta köln172 js 38/11) gesetzt. diesen widerspruch konnte sie auch nicht plausibel erklären. insofern vermag die kammer ihre überzeugung nicht auf diese aussage zu stützen. 21bei der gegebenen sachlage haften die beklagten dem kläger als gesamtschuldner auf schadensersatz, §§ 823 abs. 1, 823 abs. 2bgb i. v. m. § 223 bgb, 830 abs. 1, 840 abs. 1 bgb. sie haben den kläger gemeinschaftlich vorsätzlich an der gesundheit geschädigt. haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte handlung einen schaden verursacht, so ist gemäß § 830 abs. 1 s. 1 bgb jeder für den schaden verantwortlich. das gleiche gilt nach § 830 abs. 1 s. 2 bgb, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren beteiligten den schaden durch seine handlung verursacht hat. sind für den aus einer unerlaubten handlung entstehenden schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie gemäß § 840 abs. 1 bgb als gesamtschuldner. dies gilt insbesondere dann, wenn jeder von ihnen gemäß § 830 abs. 1 bgb haftet (palandt/sprau bgb § 840, rn. 2). 22die kammer geht insoweit nach dem ergebnis der durchgeführten beweisaufnahme davon aus, dass der kläger infolge der ihm von den beklagten vor der festhalle gemeinschaftlich versetzten schläge und tritte eine blutende platzwunde, darüber hinaus prellungen und eine strecksehnenverletzung erlitt. die blutende platzwunde ergibt sich aus den aussagen der zeugin m3, aber auch der zeugin m2 und des zeugen c3 und s. dass bei einem vorfall wie dem vorliegend angenommen auch prellungen entstehen, kann ebenfalls nach der lebenserfahrung angenommen werden, § 287 zpo. soweit es die strecksehnenverletzung angeht, hält die kammer auch diese anhand der vorgelegten arztberichte für belegt. angesichts des zeitlichen zusammenhangs der behandlungen des klägers wegen dieser verletzung sowie der glaubhaften einlassung des klägers, er habe diese verletzung an dem fraglichen abend erlitten, geht die kammer auch davon aus, dass sie kausal auf die körperverletzungshandlungen zurückzuführen ist. in anbetracht dieser beeinträchtigungen und vor dem hintergrund der vorsätzlichen und gemeinschaftlichen körperverletzung erscheint ein schmerzensgeld in höhe von 5.000 € als angemessen. 23ein mitverschulden des klägers im sinne von § 254 bgb ist nach der überzeugung der kammer demgegenüber nicht feststellbar, denn die auseinandersetzung wurde weder von dem kläger provoziert noch ging sie - wie bereits dargelegt - von diesem aus. 24der anspruch auf freistellung von den vorgerichtlichen rechtsanwaltskosten steht dem kläger in höhe des teilbetrages von 489,45 € zu. die ersatzpflicht des schädigers gemäß § 249 bgb erstreckt sich auch auf die durch die geltendmachung und durchsetzung des ersatzanspruchs verursachten kosten. der höhe nach ist der ersatzanspruch auf die gebühren nach dem wert der ansprüche zu bemessen, die der kläger in begründeter weise gegen den beklagten geltend machen kann. mithin ist der schmerzensgeldanspruch mit 5.000,- € zugrunde zu legen. unter ansatz dieses gegenstandswertes beläuft sich der anspruch auf erstattung der zu recht geltend gemachten 1,3 geschäftsgebühr zuzüglich auslagenpauschale und umsatzsteuer nach nr. 2300, 7002, 7008 vv rvg a. f. auf 489,45 €. 25ein anspruch des klägers auf die geltend gemachte auslagenpauschale besteht indes nicht. eine solche ist bei verkehrsunfällen in der rechtsprechung anerkannt, nicht indes bei anderen rechtsstreitigkeiten. eine substantiierte darlegung materieller schäden, die ihm infolge des vorfalles entstanden sind, ist dem klägervortrag nicht zu entnehmen. vor diesem hintergrund ist auch die schätzung eines mindestschadens der kammer nicht möglich, § 287 zpo. 26der zinsanspruch des klägers beruht auf §§ 291, 187 abs. 1 bgb. die klage ist den beklagten unter dem 28.07.2012 zugestellt worden. die zinshöhe ergibt sich aus dem gesetz. 27die prozessualen nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 abs. 2 nr. 1, 100, 709 s. 1, 2 zpo. die zuvielforderung des klägers ist verhältnismäßig geringfügig und hat keine wesentlichen mehrkosten verursacht. 28der streitwert wird auf 5.025 € festgesetzt. 29(klageantrag zu 1): 5.000 € 30klageantrag zu 2): 25 € 31klageantrag zu 3): - , § 4 zpo) | Klaeger*in | 1 |
173,131 | 6a K 2127/12.A | 2014-07-29T00:00:00 | Urteil | Tenor Soweit die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der am 19. Oktober 1993 in F. geborene Kläger ist armenischer Staatsangehöriger und armenischer Volkszugehöriger christlichen Glaubens. Er reiste nach eigenen Angaben am 18. Januar 2012 mit seiner Mutter, der Klägerin des Verfahrens 6a K 2129/12.A, und seinem Bruder, dem Kläger des Verfahrens 6a K 2128/12.A, mit dem Flugzeug nach Q. und von dort aus am 31. Januar 2012 mit einem Auto nach Q1. . Er stellte am 3. Februar 2012 einen Asylantrag. 3Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 13. März 2012 gab er zur Begründung seines Antrags im Wesentlichen an, sein Bruder und er hätten eine Knochenerkrankung. Wenn man gehe, reibe sich der Knochen am Hüftgelenk ab. Die Ärzte hätten ihnen nicht helfen können. Die Knochen bildeten sich auch zurück, so dass sein Bein von Jahr zu Jahr kürzer werde. Er habe von 2011 bis 2012 die staatliche Universität für Wirtschaft in F. besucht (Fakultät Versicherung, Betriebslehre). Er habe eine gute Aufnahmeprüfung an der Uni gemacht und man habe versucht, diesen Platz einem anderen zu geben. Außerdem wollten die Professoren immer Geld haben. Für das zweite Semester habe er nicht mehr genug Geld gehabt, um den Professor zu bezahlen. 4Durch Bescheid vom 11. April 2012 (Az. 5531916-422) lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 1.) und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (Ziffer 2.) und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 – 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 3.). Es forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Armenien auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen (Ziffer 4.). 5Der Kläger hat am 24. April 2012 die vorliegende Klage erhoben, die zunächst auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Feststellung subsidiären internationalen Schutzes und die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezogen gewesen ist. Zudem hat er einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt, den das Gericht mit Beschluss vom 16. Mai 2012 (6a L 532/12.A) abgelehnt hat. Zur Begründung seiner Klage wiederholt er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und das Vorbringen seiner Mutter in dem ihren Antrag betreffenden Verwaltungsverfahren. In der mündlichen Verhandlung legt er zudem ein ärztliches Attest der Fachärztin für Innere Medizin T. N. aus E. vom 23. Juli 2014 vor, wegen dessen Inhalts auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird. 6In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klage unter Klagerücknahme im Übrigen auf die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschränkt. 7Der Kläger beantragt, 8die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der jeweiligen Ziffern 3. und 4. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. April 2012 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Armeniens vorliegt. 9Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich), 10die Klage abzuweisen. 11Sie nimmt zur Begründung Bezug auf den angegriffenen Bescheid. 12Mit Beschluss vom 26. Juni 2014 hat die Kammer den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte des zugehörigen Eilverfahrens 6a L 532/12.A und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten (Az.: 5531916-422) sowie der Gerichtsakten betreffend das Verfahren seines Bruders – 6a K 2128/12.A und 6a L 533/12.A – und der Gerichtsakten betreffend das Verfahren seiner Mutter – 6a K 2129/12.A und 6a L 534/12.A – und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten zu diesen Verfahren (Az.: 5531931-422 und Az.: 5531940-422) Bezug genommen. 13Entscheidungsgründe: 14Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im Umfang der teilweisen Klagerücknahme einzustellen. In der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2014 hat der Kläger die Klage zurückgenommen, soweit nicht die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Teil der Ziffer 3.) und die damit zusammenhängende Angabe des Zielstaates in der Abschiebungsandrohung (Teil der Ziffer 4. des Bescheides vom 11. April 2012) betroffen sind. Die Entscheidung ergeht nach § 6 Abs. 1 VwGO durch die Einzelrichterin, da dieser der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 26. Juni 2014 zur Entscheidung übertragen worden ist. Das Gericht kann gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen eines Fernbleibens von der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden sind. 15Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 11. April 2012 ist – soweit er vorliegend noch angegriffen wird (Teile der Ziffern 3. und 4.) – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO. 16Der Kläger hat auf der Grundlage der gemäß § 77 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Feststellung eines (nationalen) Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht insoweit zunächst Bezug auf die Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid des Bundesamtes vom 11. April 2012, denen es folgt (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Darüber hinaus hat das Gericht bereits in seinem Beschluss vom 26. Juni 2014 betreffend den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers und in dem Beschluss vom 16. Mai 2012 betreffend das zugehörige Eilverfahren des Klägers ausgeführt: 17„Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lassen sich ebenfalls nicht feststellen. Auch insoweit wird zunächst auf die Ausführungen im Ablehnungsbescheid verwiesen. 18Im Ergebnis lässt sich derzeit auch kein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der Erkrankungen des Antragstellers, insbesondere seiner „Knochenerkrankung“ annehmen. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des ausreisepflichtigen Ausländers nach Abschiebung in seinen Heimatstaat verschlimmert, kann grundsätzlich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen. Hierfür ist allerdings erforderlich, dass sich der Gesundheitszustand alsbald nach einer Rückkehr in das Heimatland wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, etwa weil der Ausländer dort nur unzureichende Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden hat und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte. 19Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 – 9 C58.96 –, BVerwGE 105, 383; BVerfG, Beschluss vom 16. April 2002 – 2 BvR 553/02 –, Juris. 20Eine entsprechende Gefahr kann sich auch daraus ergeben, dass der erkrankte Ausländer eine an sich im Zielstaat verfügbare medizinische Behandlung dort tatsächlich nicht erlangen kann. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation dem betroffenen Ausländer aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. 21Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2002 – 1 C 1.02 –, DVBl. 2003, 463. 22Allerdings muss sich der Ausländer grundsätzlich auf den im Heimatstand vorhandenen Versorgungsstand im Gesundheitswesen verweisen lassen. Denn § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG garantiert auch für chronisch Erkrankte keinen Anspruch auf „optimale Behandlung“ einer Erkrankung oder auf Teilhabe an dem medizinischen Standard in Deutschland. Der Abschiebungsschutz soll den Ausländer vielmehr vor einer gravierenden Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter bewahren. 23Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Juni 2005 – 11 A 4518/02.A – und vom 30. Oktober 2006 – 13 A2820/04.A –, beide Juris. 24Gemessen daran lässt sich ein Abschiebungsverbot derzeit nicht feststellen. Nach den derzeitigen Erkenntnissen ist nicht ersichtlich, dass eine wesentliche Gesundheitsbeeinträchtigung des Antragstellers nach seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat deshalb droht, weil er eine ausreichende medizinische Versorgung dort nicht wird erlangen können. Der Antragsteller hat bereits nicht ausreichend dargelegt, unter welcher konkreten Erkrankung er leidet und wie diese voraussichtlich verlaufen wird. Er hat weder selbst ein Krankheitsbild benannt noch ein medizinisches Attest vorgelegt, welches Anhaltspunkte über die konkrete Krankheit sowie deren Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten geben könnte. Insoweit hat der Antragsteller in seiner Anhörung gegenüber dem Bundesamt lediglich angegeben, dass sein Bruder und er unter einer „Knochenkrankheit“ leiden würden. Beim Gehen würden sich die Knochen am Hüftgelenk abreiben. Der Knochen bilde sich zurück, so dass sein Bein von Jahr zu Jahr kürzer werde. Aufgrund dieser (knappen) Angaben lässt sich die für ein Abschiebungsverbot erforderliche Gefahr der Verschlimmerung der (behaupteten) Erkrankung aufgrund mangelnder Versorgung im Herkunftsland nicht erkennen. Auch die Aussage des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, die Erkrankung verschlimmere sich „von Jahr zu Jahr“ entbehrt jeglicher Substantiierung. Da es sich bei diesem nicht um einen Arzt handelt, dürfte ihm die fachkundige Einschätzung insoweit wohl nicht möglich sein. Schließlich führen auch die Angaben der Mutter sowie des Bruders des Antragstellers nicht dazu, dass ein Abschiebungsverbot im vorgenannten Sinne angenommen werden könnte. Die Mutter stellte in ihrer Anhörung ebenfalls nur sehr pauschal dar, dass ihre beiden Söhne an einer Knochenerkrankung leiden würden und ihr niemand habe sagen können, um welche Erkrankung es sich handele. Es handele sich um eine Erkrankung bei der sich die Knochen zurückentwickelten.“ 25Nach nochmaliger Überprüfung unter Berücksichtigung des im vorliegenden Verfahren anzulegenden Prüfungsmaßstabs hält das Gericht weiter an den obigen Ausführungen fest. 26Ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist auch nicht aufgrund des vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Attests der Fachärztin für Innere Medizin N. aus E. vom 23. Juli 2014 festzustellen. Ungeachtet der Frage, ob diese Bescheinigung im vorliegenden Verfahren überhaupt noch Berücksichtigung finden kann – die dem Kläger mit gerichtlicher Verfügung vom 3. Juli 2014 nach § 87b Abs. 2 VwGO gesetzte Frist zur Vorlage ärztlicher Bescheinigungen ist am 24. Juli 2014 abgelaufen – rechtfertigt sie nicht die Feststellung eines krankheitsbedingten Abschiebungshindernisses. Insoweit fehlt es an der dafür erforderlichen erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Klägers. 27Um ein durch eine Erkrankung begründetes Abschiebungshindernis feststellen zu können, ist stets eine hinreichend konkrete Darlegung der gesundheitlichen Situation erforderlich, die in der Regel durch ein ärztliches Attest zu untermauern ist. Zwar ist der Verwaltungsprozess grundsätzlich durch den in § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO statuierten Amtsermittlungsgrundsatz geprägt. Aus § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO und § 74 Abs. 2 AsylVfG ergibt sich jedoch die Pflicht der Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken, was in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen. Eine Erkrankung ist ein solcher Umstand. Insoweit muss von einem Kläger, der sich zur Begründung eines Abschiebungshindernisses auf eine Erkrankung beruft, ein Mindestmaß an substantiiertem, durch ein ärztliches Attest belegtem Vortrag erwartet werden. 28Vgl. dazu nur VG München, Urteil vom 24. Februar 2012 – M 22 K 10.30780 –, juris; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 11. Februar 2014 – 6a K 2325/12.A – und vom 17. Juli 2012 – 6a K 4667/10.A –, jeweils juris; siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 2. Januar 2012 – 13 A 2586/11.A –, juris; Bergmann, in: Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Aufl. 2013, § 74 AsylVfG Rdnr. 25 ff. 29Im Falle einer behaupteten psychischen Erkrankung ist angesichts der Unschärfe des Krankheitsbildes sowie der vielfältigen Symptome regelmäßig ein gewissen Mindestanforderungen genügendes fachärztliches Attest vorzulegen, aus dem sich nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Arzt zu seiner Diagnose gelangt ist und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. 30Grundlegend dazu BVerwG, Urteil vom 11. September 2007– 10 C 8.07 –, BVerwGE 129, 251 ff. 31Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer psychischen Erkrankung, etwa einer PTBS, auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. 32Vgl. zu den Anforderungen: BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 8/07 – und Beschluss vom 6. Februar 1995 – 1 B 205/93 –, jeweils juris. 33Ein den vorgenannten Anforderungen entsprechendes Vorbringen des Klägers liegt im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor (§ 77 Abs. 1 AsylVfG). Dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Attest vom 23. Juli 2014 ist schon nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Kläger an Erkrankungen leidet, die sich alsbald nach der Rückkehr in das Heimatland wesentlich zu verschlimmern drohen. Allein die Aufzählung der bei dem Kläger diagnostizierten Erkrankungen im Attest vom 23. Juli 2014 genügt den vorgenannten Anforderungen nicht. Es fehlen Angaben zu dem jeweiligen aktuellen Krankheitsstadium und zum konkreten Behandlungsbedarf des Klägers. Auch konkrete Angaben zu den Folgen eines Behandlungsabbruchs bzw. einer Nichtbehandlung enthält das Attest nicht. Im Hinblick auf die geltend gemachten psychischen Erkrankungen fehlt es bereits an jeglichen Angaben zur Grundlage der gestellten Diagnosen. Die pauschale Aussage, aus ärztlicher Sicht sei eine Verschlechterung des Krankheitsbildes zu erwarten, lässt zudem nicht einmal erkennen, ob sie sich auf die physische oder die psychische Verfassung des Klägers bezieht. 34Das Gericht war auch nicht gehalten, entsprechend der Anregung des Klägers in der mündlichen Verhandlung seine Ausländerpersonalakte beizuziehen. Dieser als bloße Beweisanregung – und nicht als verspätetes Vorbringen von Erklärungen und Beweismitteln im Sinne des § 87b Abs. 3 VwGO – zu verstehenden Anregung brauchte das Gericht – angesichts der Mitwirkungspflicht des Klägers betreffend die in seiner Sphäre liegenden Tatsachen – nicht nachzugehen, zumal unklar ist, ob die Ausländerpersonalakte des Klägers überhaupt ärztliche Atteste enthält und – bejahendenfalls – ob diese Atteste sich über die Frage der Reisefähigkeit bzw. anderer im Verfahren vor der Ausländerbehörde zu prüfender Fragen hinaus hinreichend konkret zu den Umständen verhalten, die Voraussetzung für die Feststellung eines krankheitsbedingten Abschiebungshindernisses sind. 35Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Zivilprozessordnung. | soweit die klage in der mündlichen verhandlung zurückgenommen worden ist, wird das verfahren eingestellt. im übrigen wird die klage abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens, für das gerichtskosten nicht erhoben werden. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. dem kläger wird nachgelassen, die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abzuwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2der am 19. oktober 1993 in f. geborene kläger ist armenischer staatsangehöriger und armenischer volkszugehöriger christlichen glaubens. er reiste nach eigenen angaben am 18. januar 2012 mit seiner mutter, der klägerin des verfahrens 6a k 2129/12.a, und seinem bruder, dem kläger des verfahrens 6a k 2128/12.a, mit dem flugzeug nach q. und von dort aus am 31. januar 2012 mit einem auto nach q1. . er stellte am 3. februar 2012 einen asylantrag. 3im rahmen seiner anhörung vor dem bundesamt für migration und flüchtlinge (bundesamt) am 13. märz 2012 gab er zur begründung seines antrags im wesentlichen an, sein bruder und er hätten eine knochenerkrankung. wenn man gehe, reibe sich der knochen am hüftgelenk ab. die ärzte hätten ihnen nicht helfen können. die knochen bildeten sich auch zurück, so dass sein bein von jahr zu jahr kürzer werde. er habe von 2011 bis 2012 die staatliche universität für wirtschaft in f. besucht (fakultät versicherung, betriebslehre). er habe eine gute aufnahmeprüfung an der uni gemacht und man habe versucht, diesen platz einem anderen zu geben. außerdem wollten die professoren immer geld haben. für das zweite semester habe er nicht mehr genug geld gehabt, um den professor zu bezahlen. 4durch bescheid vom 11. april 2012 (az. 5531916-422) lehnte das bundesamt den antrag auf anerkennung als asylberechtigter als offensichtlich unbegründet ab (ziffer 1.) und stellte fest, dass die voraussetzungen für die zuerkennung der flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (ziffer 2.) und dass abschiebungsverbote nach § 60 abs. 2 – 7 aufenthaltsgesetz (aufenthg) nicht vorliegen (ziffer 3.). es forderte den kläger unter androhung der abschiebung nach armenien auf, die bundesrepublik deutschland innerhalb einer woche nach bekanntgabe des bescheides zu verlassen (ziffer 4.). 5der kläger hat am 24. april 2012 die vorliegende klage erhoben, die zunächst auf die zuerkennung der flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die feststellung subsidiären internationalen schutzes und die feststellung von abschiebungsverboten nach § 60 abs. 5 und abs. 7 satz 1 aufenthg bezogen gewesen ist. zudem hat er einen antrag auf gewährung einstweiligen rechtsschutzes gestellt, den das gericht mit beschluss vom 16. mai 2012 (6a l 532/12.a) abgelehnt hat. zur begründung seiner klage wiederholt er sein vorbringen aus dem verwaltungsverfahren und das vorbringen seiner mutter in dem ihren antrag betreffenden verwaltungsverfahren. in der mündlichen verhandlung legt er zudem ein ärztliches attest der fachärztin für innere medizin t. n. aus e. vom 23. juli 2014 vor, wegen dessen inhalts auf die gerichtsakte bezug genommen wird. 6in der mündlichen verhandlung hat der kläger die klage unter klagerücknahme im übrigen auf die zuerkennung eines abschiebungsverbots gemäß § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg beschränkt. 7der kläger beantragt, 8die beklagte unter teilweiser aufhebung der jeweiligen ziffern 3. und 4. des bescheides des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 11. april 2012 zu verpflichten, festzustellen, dass ein abschiebungsverbot nach § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg hinsichtlich armeniens vorliegt. 9die beklagte beantragt (schriftsätzlich), 10die klage abzuweisen. 11sie nimmt zur begründung bezug auf den angegriffenen bescheid. 12mit beschluss vom 26. juni 2014 hat die kammer den antrag des klägers auf gewährung von prozesskostenhilfe abgelehnt. wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte, der gerichtsakte des zugehörigen eilverfahrens 6a l 532/12.a und des beigezogenen verwaltungsvorgangs der beklagten (az.: 5531916-422) sowie der gerichtsakten betreffend das verfahren seines bruders – 6a k 2128/12.a und 6a l 533/12.a – und der gerichtsakten betreffend das verfahren seiner mutter – 6a k 2129/12.a und 6a l 534/12.a – und der verwaltungsvorgänge der beklagten zu diesen verfahren (az.: 5531931-422 und az.: 5531940-422) bezug genommen. 13 | 14das verfahren ist gemäß § 92 abs. 3 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) im umfang der teilweisen klagerücknahme einzustellen. in der mündlichen verhandlung vom 29. juli 2014 hat der kläger die klage zurückgenommen, soweit nicht die feststellung eines abschiebungsverbots gemäß § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg (teil der ziffer 3.) und die damit zusammenhängende angabe des zielstaates in der abschiebungsandrohung (teil der ziffer 4. des bescheides vom 11. april 2012) betroffen sind. die entscheidung ergeht nach § 6 abs. 1 vwgo durch die einzelrichterin, da dieser der rechtsstreit durch beschluss der kammer vom 26. juni 2014 zur entscheidung übertragen worden ist. das gericht kann gemäß § 102 abs. 2 vwgo trotz des ausbleibens eines vertreters der beklagten in der mündlichen verhandlung entscheiden, da die beteiligten ordnungsgemäß geladen und auf die folgen eines fernbleibens von der mündlichen verhandlung hingewiesen worden sind. 15die klage ist zulässig, aber unbegründet. der bescheid des bundesamtes vom 11. april 2012 ist – soweit er vorliegend noch angegriffen wird (teile der ziffern 3. und 4.) – rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten, § 113 abs. 1 satz 1 und abs. 5 satz 1 vwgo. 16der kläger hat auf der grundlage der gemäß § 77 abs. 1 asylverfahrensgesetz (asylvfg) maßgeblichen sach- und rechtslage im zeitpunkt der mündlichen verhandlung keinen anspruch auf feststellung eines (nationalen) abschiebungsverbotes gemäß § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg. zur vermeidung von wiederholungen nimmt das gericht insoweit zunächst bezug auf die ausführungen in dem angegriffenen bescheid des bundesamtes vom 11. april 2012, denen es folgt (§ 77 abs. 2 asylvfg). darüber hinaus hat das gericht bereits in seinem beschluss vom 26. juni 2014 betreffend den prozesskostenhilfeantrag des klägers und in dem beschluss vom 16. mai 2012 betreffend das zugehörige eilverfahren des klägers ausgeführt: 17„abschiebungsverbote nach § 60 abs. 2 bis 7 aufenthg lassen sich ebenfalls nicht feststellen. auch insoweit wird zunächst auf die ausführungen im ablehnungsbescheid verwiesen. 18im ergebnis lässt sich derzeit auch kein abschiebungshindernis gemäß § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg wegen der erkrankungen des antragstellers, insbesondere seiner „knochenerkrankung“ annehmen. die gefahr, dass sich eine erkrankung des ausreisepflichtigen ausländers nach abschiebung in seinen heimatstaat verschlimmert, kann grundsätzlich ein zielstaatsbezogenes abschiebungshindernis nach § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg darstellen. hierfür ist allerdings erforderlich, dass sich der gesundheitszustand alsbald nach einer rückkehr in das heimatland wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, etwa weil der ausländer dort nur unzureichende möglichkeiten zur behandlung seiner leiden hat und anderswo wirksame hilfe nicht in anspruch nehmen könnte. 19vgl. bverwg, urteil vom 25. november 1997 – 9 c58.96 –, bverwge 105, 383; bverfg, beschluss vom 16. april 2002 – 2 bvr 553/02 –, juris. 20eine entsprechende gefahr kann sich auch daraus ergeben, dass der erkrankte ausländer eine an sich im zielstaat verfügbare medizinische behandlung dort tatsächlich nicht erlangen kann. dies kann beispielsweise dann der fall sein, wenn die notwendige behandlung oder medikation dem betroffenen ausländer aus finanziellen oder sonstigen gründen nicht zugänglich ist. 21vgl. bverwg, urteil vom 29. oktober 2002 – 1 c 1.02 –, dvbl. 2003, 463. 22allerdings muss sich der ausländer grundsätzlich auf den im heimatstand vorhandenen versorgungsstand im gesundheitswesen verweisen lassen. denn § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg garantiert auch für chronisch erkrankte keinen anspruch auf „optimale behandlung“ einer erkrankung oder auf teilhabe an dem medizinischen standard in deutschland. der abschiebungsschutz soll den ausländer vielmehr vor einer gravierenden beeinträchtigung seiner rechtsgüter bewahren. 23vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 14. juni 2005 – 11 a 4518/02.a – und vom 30. oktober 2006 – 13 a2820/04.a –, beide juris. 24gemessen daran lässt sich ein abschiebungsverbot derzeit nicht feststellen. nach den derzeitigen erkenntnissen ist nicht ersichtlich, dass eine wesentliche gesundheitsbeeinträchtigung des antragstellers nach seiner rückkehr in den herkunftsstaat deshalb droht, weil er eine ausreichende medizinische versorgung dort nicht wird erlangen können. der antragsteller hat bereits nicht ausreichend dargelegt, unter welcher konkreten erkrankung er leidet und wie diese voraussichtlich verlaufen wird. er hat weder selbst ein krankheitsbild benannt noch ein medizinisches attest vorgelegt, welches anhaltspunkte über die konkrete krankheit sowie deren verlauf und behandlungsmöglichkeiten geben könnte. insoweit hat der antragsteller in seiner anhörung gegenüber dem bundesamt lediglich angegeben, dass sein bruder und er unter einer „knochenkrankheit“ leiden würden. beim gehen würden sich die knochen am hüftgelenk abreiben. der knochen bilde sich zurück, so dass sein bein von jahr zu jahr kürzer werde. aufgrund dieser (knappen) angaben lässt sich die für ein abschiebungsverbot erforderliche gefahr der verschlimmerung der (behaupteten) erkrankung aufgrund mangelnder versorgung im herkunftsland nicht erkennen. auch die aussage des prozessbevollmächtigten des antragstellers, die erkrankung verschlimmere sich „von jahr zu jahr“ entbehrt jeglicher substantiierung. da es sich bei diesem nicht um einen arzt handelt, dürfte ihm die fachkundige einschätzung insoweit wohl nicht möglich sein. schließlich führen auch die angaben der mutter sowie des bruders des antragstellers nicht dazu, dass ein abschiebungsverbot im vorgenannten sinne angenommen werden könnte. die mutter stellte in ihrer anhörung ebenfalls nur sehr pauschal dar, dass ihre beiden söhne an einer knochenerkrankung leiden würden und ihr niemand habe sagen können, um welche erkrankung es sich handele. es handele sich um eine erkrankung bei der sich die knochen zurückentwickelten.“ 25nach nochmaliger überprüfung unter berücksichtigung des im vorliegenden verfahren anzulegenden prüfungsmaßstabs hält das gericht weiter an den obigen ausführungen fest. 26ein krankheitsbedingtes abschiebungsverbot nach § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg ist auch nicht aufgrund des vom kläger in der mündlichen verhandlung vorgelegten attests der fachärztin für innere medizin n. aus e. vom 23. juli 2014 festzustellen. ungeachtet der frage, ob diese bescheinigung im vorliegenden verfahren überhaupt noch berücksichtigung finden kann – die dem kläger mit gerichtlicher verfügung vom 3. juli 2014 nach § 87b abs. 2 vwgo gesetzte frist zur vorlage ärztlicher bescheinigungen ist am 24. juli 2014 abgelaufen – rechtfertigt sie nicht die feststellung eines krankheitsbedingten abschiebungshindernisses. insoweit fehlt es an der dafür erforderlichen erheblichen konkreten gefahr für leib, leben oder freiheit des klägers. 27um ein durch eine erkrankung begründetes abschiebungshindernis feststellen zu können, ist stets eine hinreichend konkrete darlegung der gesundheitlichen situation erforderlich, die in der regel durch ein ärztliches attest zu untermauern ist. zwar ist der verwaltungsprozess grundsätzlich durch den in § 86 abs. 1 satz 1 halbsatz 1 vwgo statuierten amtsermittlungsgrundsatz geprägt. aus § 86 abs. 1 satz 1 halbsatz 2 vwgo und § 74 abs. 2 asylvfg ergibt sich jedoch die pflicht der beteiligten, an der erforschung des sachverhalts mitzuwirken, was in besonderem maße für umstände gilt, die in die eigene sphäre des beteiligten fallen. eine erkrankung ist ein solcher umstand. insoweit muss von einem kläger, der sich zur begründung eines abschiebungshindernisses auf eine erkrankung beruft, ein mindestmaß an substantiiertem, durch ein ärztliches attest belegtem vortrag erwartet werden. 28vgl. dazu nur vg münchen, urteil vom 24. februar 2012 – m 22 k 10.30780 –, juris; vg gelsenkirchen, urteile vom 11. februar 2014 – 6a k 2325/12.a – und vom 17. juli 2012 – 6a k 4667/10.a –, jeweils juris; siehe auch ovg nrw, beschluss vom 2. januar 2012 – 13 a 2586/11.a –, juris; bergmann, in: renner, ausländerrecht, kommentar, 10. aufl. 2013, § 74 asylvfg rdnr. 25 ff. 29im falle einer behaupteten psychischen erkrankung ist angesichts der unschärfe des krankheitsbildes sowie der vielfältigen symptome regelmäßig ein gewissen mindestanforderungen genügendes fachärztliches attest vorzulegen, aus dem sich nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher grundlage der arzt zu seiner diagnose gelangt ist und wie sich die krankheit im konkreten fall darstellt. 30grundlegend dazu bverwg, urteil vom 11. september 2007– 10 c 8.07 –, bverwge 129, 251 ff. 31dazu gehören etwa angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der patient in ärztlicher behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten beschwerden durch die erhobenen befunde bestätigt werden. des weiteren sollte das attest aufschluss über die schwere der krankheit, deren behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen behandlungsverlauf (medikation und therapie) geben. wird das vorliegen einer psychischen erkrankung, etwa einer ptbs, auf traumatisierende erlebnisse im heimatland gestützt und werden die symptome erst längere zeit nach der ausreise aus dem heimatland vorgetragen, so ist in der regel auch eine begründung dafür erforderlich, warum die erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. 32vgl. zu den anforderungen: bverwg, urteil vom 11. september 2007 – 10 c 8/07 – und beschluss vom 6. februar 1995 – 1 b 205/93 –, jeweils juris. 33ein den vorgenannten anforderungen entsprechendes vorbringen des klägers liegt im hier maßgeblichen zeitpunkt der mündlichen verhandlung nicht vor (§ 77 abs. 1 asylvfg). dem in der mündlichen verhandlung vorgelegten attest vom 23. juli 2014 ist schon nicht mit hinreichender deutlichkeit zu entnehmen, dass der kläger an erkrankungen leidet, die sich alsbald nach der rückkehr in das heimatland wesentlich zu verschlimmern drohen. allein die aufzählung der bei dem kläger diagnostizierten erkrankungen im attest vom 23. juli 2014 genügt den vorgenannten anforderungen nicht. es fehlen angaben zu dem jeweiligen aktuellen krankheitsstadium und zum konkreten behandlungsbedarf des klägers. auch konkrete angaben zu den folgen eines behandlungsabbruchs bzw. einer nichtbehandlung enthält das attest nicht. im hinblick auf die geltend gemachten psychischen erkrankungen fehlt es bereits an jeglichen angaben zur grundlage der gestellten diagnosen. die pauschale aussage, aus ärztlicher sicht sei eine verschlechterung des krankheitsbildes zu erwarten, lässt zudem nicht einmal erkennen, ob sie sich auf die physische oder die psychische verfassung des klägers bezieht. 34das gericht war auch nicht gehalten, entsprechend der anregung des klägers in der mündlichen verhandlung seine ausländerpersonalakte beizuziehen. dieser als bloße beweisanregung – und nicht als verspätetes vorbringen von erklärungen und beweismitteln im sinne des § 87b abs. 3 vwgo – zu verstehenden anregung brauchte das gericht – angesichts der mitwirkungspflicht des klägers betreffend die in seiner sphäre liegenden tatsachen – nicht nachzugehen, zumal unklar ist, ob die ausländerpersonalakte des klägers überhaupt ärztliche atteste enthält und – bejahendenfalls – ob diese atteste sich über die frage der reisefähigkeit bzw. anderer im verfahren vor der ausländerbehörde zu prüfender fragen hinaus hinreichend konkret zu den umständen verhalten, die voraussetzung für die feststellung eines krankheitsbedingten abschiebungshindernisses sind. 35die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1, § 155 abs. 2 vwgo in verbindung mit § 83b asylvfg. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit der kosten ergibt sich aus § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 709 zivilprozessordnung. | Verklagte*r | 0 |
167,866 | 13 K 782/14 | 2015-02-09T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der Kläger stand bis zu seiner Pensionierung mit Ablauf des 31. August 2013 als Beamter in Diensten der Beklagten. Am 9. Mai 2001 heiratete er und zeigte die Heirat gegenüber dem Dienstherrn an. Dieser berechnete die Nettobezüge des Klägers fortan nach der Steuerklasse III. Familienzuschlag wurde nicht gezahlt. 3Am 5. September 2013 führte der Kläger mit der Service Niederlassung HR Operations Deutschland der Deutschen Post AG in N. ein Telefonat betreffend den Familienzuschlag. Unter dem 9. September 2013 reichte er eine Erklärung zum Familienzuschlag und eine Kopie der Heiratsurkunde bei der Beklagten ein. 4Mit Bescheid vom 10. September 2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass durch seinen Anruf vom 5. September 2013 bekannt geworden sei, dass er seit dem 19. Mai 2001 verheiratet sei. Im Rahmen der Verjährungsfristen könne der Familienzuschlag der Stufe I ab Januar 2010 nachgezahlt werden. Für die Zeit davor sei der Anspruch auf Familienzuschlag gemäß § 195 ff. BGB verjährt. 5Der Kläger erhob unter dem 24. September 2013 Widerspruch. Verjährung sei nicht gegeben. 6Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2014 zurück. Zur Begründung führte sie u. a. aus, dass dem Kläger bei genauerer Überprüfung der Bezügemitteilungen hätte auffallen müssen, dass Familienzuschlag nicht gezahlt worden war. 7Der Kläger hat am 7. Februar 2014 Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt, dass er anhand seiner Lohnabrechnungen hätte erkennen können, dass die Steuerklasse von I in III geändert worden sei und er auch etwa 300,00 DM mehr netto ausgezahlt bekommen hätte. Er sei davon ausgegangen, dass in diesem Betrag auch der Familienzuschlag enthalten gewesen sei. Erst als er sich im Sommer 2013 um seine Pension gekümmert habe, sei aufgefallen, dass der Familienzuschlag nicht ausbezahlt worden sei. Ihm sei nicht klar gewesen, dass sich die Verbesserung seiner Nettobezüge allein aus der geänderten Steuerklasse ergeben habe. 8Der Kläger beantragt, 9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. September 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2014 zu verurteilen, ihm Familienzuschlag der Stufe I für die Zeit vom 19. Mai 2001 bis zum 31. Dezember 2009 zu zahlen. 10Die Beklagte beantragt, 11die Klage abzuweisen. 12Sie beruft sich weiterhin auf Verjährung und weist darauf hin, dass der Familienzuschlag in den Bezügemitteilungen der Beamten auch als solcher ausgewiesen werde. Das Fehlen hätte dem Kläger auffallen müssen. 13Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten. 14Entscheidungsgründe: 15Der Einzelrichter ist für die Entscheidung zuständig, nachdem ihm die Sache mit Beschluss der Kammer vom 16. Dezember 2014 übertragen worden ist. Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des Familienzuschlags der Stufe I für Zeiten vor dem 1. Januar 2010. 16Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass dem Kläger nach seiner Eheschließung am 19. Mai 2001 der geltend gemachte Anspruch auf die Zahlung von Familienzuschlag der Stufe I materiell zugestanden hat. Die Beklagte hat insoweit jedoch mit Erfolg die Einrede der Verjährung erhoben. 17Besoldungsrechtliche Ansprüche verjähren nach der allgemeinen Verjährungsvorschrift des § 195 BGB innerhalb von drei Jahren. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB findet § 195 BGB, der mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) zum 1. Januar 2002 eingeführt worden ist, auch auf davor entstandene Ansprüche, hier also auf die das Jahr 2001 betreffenden Ansprüche, Anwendung. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (Nr. 1) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (Nr. 2). 18Für den im Jahr 2009 entstandenen Besoldungsanspruch des Klägers begann die Verjährungsfrist demnach mit dem Schluss des Jahres 2009, für davor liegende Jahrgänge jeweils noch früher. 19Der Kläger hatte auch von Anfang an von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis. Die Umstände, auf denen sein Anspruch auf Familienzuschlag beruht, bestehen in seiner Heirat, die ihm selbstverständlich bekannt war, ebenso wie die Person des Schuldners, die Beklagte. 20Selbst wenn man mit dem Kläger annimmt, dass zu den den Anspruch begründenden Umständen auch die Tatsache gehört, dass der Familienzuschlag seinerzeit tatsächlich nicht ausgezahlt wurde, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Es ist dem Kläger zwar zu glauben, dass er tatsächlich sich nicht des Umstandes bewusst geworden ist, dass der Familienzuschlag nicht ausgezahlt wurde. Insoweit muss er sich aber entgegenhalten lassen, dass er grob fahrlässig im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 2. Var. BGB handelte, als er die fehlende Auszahlung des Familienzuschlags nicht bemerkte. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht lässt. Von einem Beamten ist insoweit zu erwarten, dass er Besoldungsmitteilungen auf ihre Richtigkeit hin überprüft. Zwar kann von ihm nicht verlangt werden, die exakten Beträge, die den einzelnen Besoldungsbestandteilen oder der Nettoberechnung zuzuordnen sind, auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Er kann aber sehr wohl kontrollieren, ob die einzelnen Besoldungsbestandteile, die ihm zustehen, wie etwa Grundgehalt, Familienzuschlag oder sonstige Zuschläge, in der vom Dienstherrn vorgenommenen Berechnung berücksichtigt wurden. Diese Kontrollpflicht trifft den Beamten dann in besonderem Maße, wenn besoldungsrelevante Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich – hier seine Heirat – stattgreifen und somit Änderungen erwarten lassen. 21Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Oktober 2014 – 1 A 2375/12 –, juris, Rn. 45 ff. 22Der Kläger hätte sich demnach bei der Überprüfung seiner Besoldungsmitteilungen nach seiner Heirat nicht darauf beschränken dürfen, die gestiegene Netto-Auszahlung zur Kenntnis zu nehmen. Er hätte vielmehr in der Auflistung der einzelnen Besoldungsbestandteile kontrollieren müssen, ob hierbei der Familienzuschlag enthalten ist. Dies wäre auch leicht möglich gewesen. Ausweislich der durch die Beklagte im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Muster von Besoldungsmitteilungen des Klägers wäre insoweit zweierlei leicht zu erkennen gewesen. Einerseits fehlte in den Besoldungsmitteilungen ein Hinweis auf Familienzuschlag. Andererseits wurde auch nach der Heirat dasselbe Grundgehalt und dasselbe Gesamtbrutto ausgewiesen. Hier hätte auch einem besoldungsrechtlich nicht versierten Beamten auffallen müssen, dass die Zahlung eines Familienzuschlags unterblieb. 23Die erst im Jahr 2013 geltend gemachten Ansprüche unterfallen daher der Verjährung. 24Es ist auch vor dem Hintergrund des Fürsorgegrundsatzes nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte auf die Verjährung beruft. Der Dienstherr ist aus Gründen der Haushaltsdisziplin vielmehr regelmäßig gehalten, die Einrede der Verjährung gegenüber besoldungsrechtlichen Ansprüchen geltend zu machen. 25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 6 A 1461/13 –, juris, Rn. 6. 26Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. 27Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). 28Beschluss: 29Der Streitwert wird auf 11.126,35 Euro festgesetzt. 30Gründe: 31Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Absatz 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) erfolgt. Grundlage der Berechnung ist die im Schriftsatz der Beklagten vom 27. Januar 2015 enthaltene Aufstellung. | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch die beklagte durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe von 110 prozent des vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 prozent des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2der kläger stand bis zu seiner pensionierung mit ablauf des 31. august 2013 als beamter in diensten der beklagten. am 9. mai 2001 heiratete er und zeigte die heirat gegenüber dem dienstherrn an. dieser berechnete die nettobezüge des klägers fortan nach der steuerklasse iii. familienzuschlag wurde nicht gezahlt. 3am 5. september 2013 führte der kläger mit der service niederlassung hr operations deutschland der deutschen post ag in n. ein telefonat betreffend den familienzuschlag. unter dem 9. september 2013 reichte er eine erklärung zum familienzuschlag und eine kopie der heiratsurkunde bei der beklagten ein. 4mit bescheid vom 10. september 2013 teilte die beklagte dem kläger mit, dass durch seinen anruf vom 5. september 2013 bekannt geworden sei, dass er seit dem 19. mai 2001 verheiratet sei. im rahmen der verjährungsfristen könne der familienzuschlag der stufe i ab januar 2010 nachgezahlt werden. für die zeit davor sei der anspruch auf familienzuschlag gemäß § 195 ff. bgb verjährt. 5der kläger erhob unter dem 24. september 2013 widerspruch. verjährung sei nicht gegeben. 6die beklagte wies den widerspruch mit widerspruchsbescheid vom 8. januar 2014 zurück. zur begründung führte sie u. a. aus, dass dem kläger bei genauerer überprüfung der bezügemitteilungen hätte auffallen müssen, dass familienzuschlag nicht gezahlt worden war. 7der kläger hat am 7. februar 2014 klage erhoben, zu deren begründung er vorträgt, dass er anhand seiner lohnabrechnungen hätte erkennen können, dass die steuerklasse von i in iii geändert worden sei und er auch etwa 300,00 dm mehr netto ausgezahlt bekommen hätte. er sei davon ausgegangen, dass in diesem betrag auch der familienzuschlag enthalten gewesen sei. erst als er sich im sommer 2013 um seine pension gekümmert habe, sei aufgefallen, dass der familienzuschlag nicht ausbezahlt worden sei. ihm sei nicht klar gewesen, dass sich die verbesserung seiner nettobezüge allein aus der geänderten steuerklasse ergeben habe. 8der kläger beantragt, 9die beklagte unter aufhebung des bescheides vom 10. september 2013 und des widerspruchsbescheides vom 8. januar 2014 zu verurteilen, ihm familienzuschlag der stufe i für die zeit vom 19. mai 2001 bis zum 31. dezember 2009 zu zahlen. 10die beklagte beantragt, 11die klage abzuweisen. 12sie beruft sich weiterhin auf verjährung und weist darauf hin, dass der familienzuschlag in den bezügemitteilungen der beamten auch als solcher ausgewiesen werde. das fehlen hätte dem kläger auffallen müssen. 13hinsichtlich der einzelheiten des sach- und streitstandes wird bezug genommen auf den inhalt der gerichtsakte sowie der beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten. 14 | 15der einzelrichter ist für die entscheidung zuständig, nachdem ihm die sache mit beschluss der kammer vom 16. dezember 2014 übertragen worden ist. die klage hat keinen erfolg. sie ist als allgemeine leistungsklage zulässig, jedoch unbegründet. der kläger hat keinen anspruch auf zahlung des familienzuschlags der stufe i für zeiten vor dem 1. januar 2010. 16zwischen den beteiligten ist unstreitig, dass dem kläger nach seiner eheschließung am 19. mai 2001 der geltend gemachte anspruch auf die zahlung von familienzuschlag der stufe i materiell zugestanden hat. die beklagte hat insoweit jedoch mit erfolg die einrede der verjährung erhoben. 17besoldungsrechtliche ansprüche verjähren nach der allgemeinen verjährungsvorschrift des § 195 bgb innerhalb von drei jahren. gemäß art. 229 § 6 abs. 1 und 4 egbgb findet § 195 bgb, der mit dem schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. november 2001 (bgbl. i s. 3138) zum 1. januar 2002 eingeführt worden ist, auch auf davor entstandene ansprüche, hier also auf die das jahr 2001 betreffenden ansprüche, anwendung. gemäß § 199 abs. 1 bgb beginnt die verjährungsfrist mit dem schluss des jahres, in dem der anspruch entstanden ist (nr. 1) und der gläubiger von den den anspruch begründenden umständen und der person des schuldners kenntnis erlangt oder ohne grobe fahrlässigkeit erlangen müsste (nr. 2). 18für den im jahr 2009 entstandenen besoldungsanspruch des klägers begann die verjährungsfrist demnach mit dem schluss des jahres 2009, für davor liegende jahrgänge jeweils noch früher. 19der kläger hatte auch von anfang an von den den anspruch begründenden umständen und der person des schuldners kenntnis. die umstände, auf denen sein anspruch auf familienzuschlag beruht, bestehen in seiner heirat, die ihm selbstverständlich bekannt war, ebenso wie die person des schuldners, die beklagte. 20selbst wenn man mit dem kläger annimmt, dass zu den den anspruch begründenden umständen auch die tatsache gehört, dass der familienzuschlag seinerzeit tatsächlich nicht ausgezahlt wurde, führt dies nicht zu einem anderen ergebnis. es ist dem kläger zwar zu glauben, dass er tatsächlich sich nicht des umstandes bewusst geworden ist, dass der familienzuschlag nicht ausgezahlt wurde. insoweit muss er sich aber entgegenhalten lassen, dass er grob fahrlässig im sinne des § 199 abs. 1 nr. 2 2. var. bgb handelte, als er die fehlende auszahlung des familienzuschlags nicht bemerkte. grob fahrlässig handelt, wer die im verkehr erforderliche sorgfalt in ungewöhnlich hohem maße außer acht lässt. von einem beamten ist insoweit zu erwarten, dass er besoldungsmitteilungen auf ihre richtigkeit hin überprüft. zwar kann von ihm nicht verlangt werden, die exakten beträge, die den einzelnen besoldungsbestandteilen oder der nettoberechnung zuzuordnen sind, auf ihre richtigkeit hin zu überprüfen. er kann aber sehr wohl kontrollieren, ob die einzelnen besoldungsbestandteile, die ihm zustehen, wie etwa grundgehalt, familienzuschlag oder sonstige zuschläge, in der vom dienstherrn vorgenommenen berechnung berücksichtigt wurden. diese kontrollpflicht trifft den beamten dann in besonderem maße, wenn besoldungsrelevante änderungen im dienstlichen oder persönlichen bereich – hier seine heirat – stattgreifen und somit änderungen erwarten lassen. 21vgl. ovg nrw, urteil vom 15. oktober 2014 – 1 a 2375/12 –, juris, rn. 45 ff. 22der kläger hätte sich demnach bei der überprüfung seiner besoldungsmitteilungen nach seiner heirat nicht darauf beschränken dürfen, die gestiegene netto-auszahlung zur kenntnis zu nehmen. er hätte vielmehr in der auflistung der einzelnen besoldungsbestandteile kontrollieren müssen, ob hierbei der familienzuschlag enthalten ist. dies wäre auch leicht möglich gewesen. ausweislich der durch die beklagte im gerichtlichen verfahren vorgelegten muster von besoldungsmitteilungen des klägers wäre insoweit zweierlei leicht zu erkennen gewesen. einerseits fehlte in den besoldungsmitteilungen ein hinweis auf familienzuschlag. andererseits wurde auch nach der heirat dasselbe grundgehalt und dasselbe gesamtbrutto ausgewiesen. hier hätte auch einem besoldungsrechtlich nicht versierten beamten auffallen müssen, dass die zahlung eines familienzuschlags unterblieb. 23die erst im jahr 2013 geltend gemachten ansprüche unterfallen daher der verjährung. 24es ist auch vor dem hintergrund des fürsorgegrundsatzes nicht zu beanstanden, dass sich die beklagte auf die verjährung beruft. der dienstherr ist aus gründen der haushaltsdisziplin vielmehr regelmäßig gehalten, die einrede der verjährung gegenüber besoldungsrechtlichen ansprüchen geltend zu machen. 25vgl. ovg nrw, beschluss vom 18. dezember 2014 – 6 a 1461/13 –, juris, rn. 6. 26die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. 27die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 709 satz 2, 711 zivilprozessordnung (zpo). 28beschluss: 29der streitwert wird auf 11.126,35 euro festgesetzt. 30gründe: 31die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 absatz 3 satz 1 gerichtskostengesetz (gkg) erfolgt. grundlage der berechnung ist die im schriftsatz der beklagten vom 27. januar 2015 enthaltene aufstellung. | Verklagte*r | 0 |
126,520 | 6 K 3469/13 | 2016-02-03T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über die Erhebung von Gebühren für die Erteilung einer Baugenehmigung betreffend ein Einfamilienhaus mit Garage auf dem Grundstück K.-----------straße 47 (Gemarkung L. , Flur a, Flurstück °) in E. . 3Das vorgenannte Grundstück stand früher im Eigentum der Eheleute I. und L1. L2. . Diese erhielten Ende Juni 1994 die Baugenehmigung (°-°-°) für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage. Während der Errichtung des Gebäudes stellte die Beklagte fest, dass das Kellergeschoss abweichend von der Baugenehmigung auf die Fläche unter der Terrasse erweitert worden war. Die Bauarbeiten wurden daraufhin zunächst stillgelegt; mehrere Zwangsgelder zur Durchsetzung der Stilllegungsverfügung wurden festgesetzt. Schließlich wurde die Baustelle versiegelt. Überdies wurde der Rückbau der Terrassenunterkellerung auf ein abstandflächenrechtlich zulässiges Maß gefordert. In den Gesprächen mit den Grundstücksnachbarn und der Beklagten trat für die Eheleute L2. teilweise der Kläger, der Vater von Frau L2. , als „Bevollmächtigter“ auf. Die Terrassenunterkellerung wurde schließlich Anfang 1995 beseitigt. 4Im Sommer 1995 wies die Beklagte die Eheleute L2. erneut auf Abweichungen von der Baugenehmigung hin, nunmehr andere Teile des Gebäudes betreffend (Vorderwand, Drempelhöhe und Aufschüttung im Gartenbereich). Im August 1995 wurde die Baustelle erneut stillgelegt. Im Februar 1997 wurde den Eheleuten L2. die Beseitigung der Geländeaufschüttung im Gartenbereich aufgegeben, eine Forderung, von der später im Rahmen der mündlichen Verhandlung über das entsprechende Klageverfahren (10 K 2049/99) Abstand genommen wurde. Im August 1998 wurde die Nutzung des Grundstücks durch Ordnungsverfügung der Beklagten wegen formeller Illegalität untersagt. Anfang 1999 erging eine entsprechende „Räumungsverfügung“ an die inzwischen eingezogenen Mieter des Hauses. 5Am 25. Februar 1999 stellte der Kläger einen Bauantrag. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, dass der Bauantrag wegen bauordnungsrechtlicher Probleme nicht genehmigungsfähig sei. Sie sehe sich allerdings imstande, entsprechende Abweichungen zu erteilen, wenn der Kläger Nachbarzustimmungen vorlege. In den Folgejahren fanden wiederholt Gespräche zwischen den Beteiligten und auch zwischen dem Kläger und den Grundstücksnachbarn über die Voraussetzungen für eine entsprechende Einigung statt. Mit Bescheid vom 15. November 2005 lehnte die Beklagte den Bauantrag unter Hinweis auf einen Verstoß gegen das Abstandflächenrecht ab. Zugleich gab sie der Miteigentümerin L1. L2. auf, das Wohnhaus mit Garage binnen eines Monats zu beseitigen; ihr Ehemann erhielt eine Duldungsverfügung. 6Unter dem 30. November 2005 und unter dem 30. Oktober 2006 erteilten die beiden Grundstücksnachbarn die von der Beklagten verlangte Zustimmung zur abweichenden Ausführung des Gebäudes, nachdem der Kläger ihren Forderungen nach diversen Änderungen und Nachbesserungen nachgekommen war. 7Im Ortstermin vom 7. April 2009 betreffend die Klage des Klägers gegen die Ablehnung seines Bauantrages vom 25. Februar 1999 (10 K 3022/06) regte die Berichterstatterin an, auf der Grundlage der inzwischen vorliegenden Nachbarzustimmungen einen neuen Bauantrag zu stellen. Der Kläger nahm seine Klage zurück, nachdem die Beklagte die Vollziehung der (bestandskräftigen) Beseitigungsverfügung für noch ein Jahr befristet ausgesetzt hatte. 8Im Oktober 2009 ersteigerte der Kläger das in Rede stehende Grundstück im Zwangsversteigerungsverfahren (Amtsgericht E. , ° K °). 9Am 27. Januar 2010 reichte der Kläger einen neuen Bauantrag für ein „1-Fam-Haus, bereits erstellt, Baujahr 1994/1995“ ein und nahm im – nur teilweise ausgefüllten und ohne weitere Bauvorlagen übersandten – Antragsformular auf die Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht sowie die vorliegenden Nachbarzustimmungen Bezug. Die Beklagte antwortete unter dem 9. Februar 2010, es sei ein kompletter Bauantrag vorzulegen, die vorgelegten Unterlagen seien nicht prüffähig. Am 20. April 2010 ging sodann ein vollständiger Bauantrag betreffend das „Einfamilienhaus mit Garage“ ein. Als Bauherr war der Kläger angegeben, der das Antragsformular auch eigenhändig unterschrieben hatte. Mit Datum vom 8. Juni 2010 wurde die Baugenehmigung (Az. °/°-°-°) antragsgemäß erteilt. 10Inzwischen hatte der Kläger das Grundstück an die Eheleute C. /S. verkauft, die am 21. Mai 2010 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden waren. 11Nachdem ein erster Gebührenbescheid offenbar nicht hatte zugestellt werden können, erließ die Beklagte unter dem 2. Juli 2013 einen Gebührenbescheid zur Baugenehmigung über insgesamt 2.031,- € an den Kläger. Dabei ging sie von Rohbausummen in Höhe von 94.727,16 € für das Wohnhaus und 6.461,41 € für die Garage aus und verdreifachte die auf dieser Grundlage errechnete Genehmigungsgebühr gemäß Ziffer 2.8.1.1a des Gebührentarifs (nachträgliche Genehmigung). Zusammen mit den Gebühren für die Erteilung einer Abweichung und die Beteiligung der Angrenzer ergab sich die genannte Gesamtsumme. 12Der Kläger hat am 25. Juli 2013 Klage gegen den Gebührenbescheid erhoben, zu deren Begründung er ausführt: Er habe bis zum heutigen Tage keine Baugenehmigung von der Beklagten erhalten. Dass es um die nachträgliche Genehmigung eines Schwarzbaus gegangen sei, entspreche nicht den Tatsachen. Er sei lediglich Generalbevollmächtigter, nicht aber Bauherr bei dem Bauobjekt K.-----------straße 47 gewesen; Bauherren seien I. und L1. L2. gewesen. Er habe das Objekt erst am 2. Oktober 2009 ersteigert und anschließend den Bauantrag gestellt; als neuer Eigentümer könne er aber nicht mit den Kosten belastet werden. 13Der Kläger beantragt (schriftsätzlich) sinngemäß, 14den Gebührenbescheid der Beklagten vom 2. Juli 2013 aufzuheben. 15Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich), 16die Klage abzuweisen. 17Der Gebührenbescheid sei weder dem Grunde, noch der Höhe nach zu beanstanden. Auf den Zugang der Baugenehmigung komme es für das Entstehen der Gebührenschuld nicht an. 18Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. 19Entscheidungsgründe: 20Die Kammer entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im schriftlichen Verfahren, nachdem die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben. 21Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. 22Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 2. Juli 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). 23Rechtsgrundlage für den Erlass des angegriffenen Bescheides ist § 2 Abs. 1 Gebührengesetz (GebG) NRW in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Allgemeine Verwaltungsgebührenordnung NRW (AllgVwGebO NRW) sowie der Anlage zu dieser Verordnung (Allgemeiner Gebührentarif), hier den Tarifstellen 2.1.2 (Berechnung der Rohbausumme), 2.4.1.1 (Baugenehmigung für Gebäude i.S.d. § 68 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW), 2.8.1.1 a) (Prüfung von Bauvorlagen für ohne Baugenehmigung ausgeführte bauliche Anlagen oder Änderungen, wenn diese nachträglich genehmigt oder belassen werden), 2.5.3.1 (Entscheidung über die Erteilung von Abweichungen) und 2.5.3.2 (bei Abweichung durchgeführte Angrenzerbeteiligung). 24Zweifel an der Wirksamkeit der vorgenannten Rechtsgrundlage bestehen nicht. Den Bedenken des Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen gegen die Tarifstellen 2.4.1.1 bis 2.4.1.3 des Allgemeinen Gebührentarifs in seiner früheren Fassung, 25vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 9 A 1225/08 -, NWVBl. 2012, 34 ff., und Urteil vom 3. September 2012 - 9 A 1565/09 -, NWVBl. 2013, 60 ff., 26hat der Verordnungsgeber durch die – rückwirkend zum 30. September 2006 in Kraft gesetzte – 20. Verordnung zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung vom 13. September 2011 (GV NRW S. 467) hinreichend Rechnung getragen. 27Näher dazu die Urteile der Kammer vom 13. Dezember 2011 - 6 K 2339/07 und 6 K 2975/07 -, juris. 28In formaler Hinsicht hält die Beklagte mit dem angefochtenen Gebührenbescheid die Mindestanforderungen ein, die § 14 Abs. 1 GebG NRW an den Inhalt eines solchen Bescheides stellt. Hiernach brauchen bei Kostenbescheiden die rechtlichen und tatsächlichen Gründe für die Entscheidung nicht umfassend mitgeteilt zu werden und es bedarf – auch bei der Festsetzung einer Rahmengebühr durch Ausfüllung eines vorgegebenen Gebührenrahmens – keiner Darlegung der Gesichtspunkte, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. 29Vgl. OVG NRW, Urteil von 28. September 1988 - 9 A 2308/87 -. 30Auch in inhaltlicher Hinsicht erweist sich der Gebührenbescheid als rechtmäßig. 31Unzweifelhaft ist der Kläger richtiger Gebührenschuldner. Dies ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GebG NRW unter anderem derjenige, der die Amtshandlung zurechenbar verursacht oder zu wessen Gunsten sie vorgenommen wird. Vorliegend ist der Bauantrag vom 19. April 2010 durch den Kläger gestellt worden, der die Amtshandlung somit verursacht hat. 32Die Gebühr ist auch entstanden und fällig geworden. Die Beklagte hat den Bauantrag vollständig bearbeitet und am 8. Juni 2010 eine Baugenehmigung erlassen, deren komplette Zweitschrift sich in den beigezogenen Akten der Behörde befindet. Ob diese Baugenehmigung dem Kläger zugegangen ist, ist für die Rechtsmäßigkeit des Gebührenbescheides nicht von Bedeutung. Denn bei einer antragsgebundenen Amtshandlung entsteht die Gebührenschuld dem Grunde nach mit dem Eingang des Antrags und der Höhe nach mit Beendigung der gebührenpflichtigen Amtshandlung (§ 11 Abs. 1 GebG NRW). Als Beendigung der Amtshandlung ist insoweit der Zeitpunkt anzusehen, in dem die sachliche Bearbeitung abgeschlossen, das heißt die Entscheidung getroffen, unterschrieben und postversandfertig ist. Für ein solches Verständnis spricht insbesondere die Überlegung, dass nach § 14 GebG NRW die Kostenentscheidung möglichst mit der Sachentscheidung zusammen ergehen soll, was bei einer erst mit Zugang der Sachentscheidung eintretenden Entstehung der Gebührenschuld regelmäßig ausschiede. Auch für die Fälligkeit der Gebührenschuld (§ 17 GebG NRW) ist die Bekanntgabe der gebührenpflichtigen Amtshandlung an den Adressaten nicht erforderlich. 33Zu alledem überzeugend Lenders, in Weißauer/Lenders, Verwaltungsgesetze NRW, Kommentar, Stand: September 2013, Ziffer 5 zu § 11 GebG und Ziffer 5 zu § 17 GebG. 34Auch die Höhe der festgesetzten Gebühren ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die sich aus der Tarifstelle 2.4.1.1 des Allgemeinen Gebührentarifs ergebende Gebühr für die Entscheidung über die Erteilung der Baugenehmigung wie folgt bestimmt: 35Wohnhaus: Volumen 830,94 m3 x Rohbauwert 114,- € = Rohbausumme 94.727,16 € – gerundet: 95.000,- €, davon 6 v.T. = 570,- €. 36Garage: Volumen 81,79 m3 x Rohbauwert 79,- € = Rohbausumme 6.461,41 € - gerundet: 6.500,- €, davon 6 v.T. = 39,- €, daher Mindestgebühr 50,- € angesetzt. 37Bedenken gegen diese Berechnung sind nicht vorgetragen worden. Die angesetzten Rohbauwerte entsprechen der für das Jahr 2010 geltenden Tabelle (Bekanntmachung des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 23. September 2009 (MBl. NRW 2009, S. 472). 38Die Beklagte hat die genannten Gebühren auf der Grundlage von Ziffer 2.8.1.1 a) (Prüfung von Bauvorlagen einschließlich der erforderlichen örtlichen Überprüfungen für ohne Baugenehmigung ausgeführte bauliche Anlagen oder Änderungen, wenn diese nachträglich genehmigt werden) zutreffend auf (3 x 570,- € =) 1.710,- € und (3 x 50,- € =) 150,- € verdreifacht. Denn die den Eheleuten L2. erteilte Baugenehmigung vom 27. Juni 1994 ist seinerzeit nicht ausgenutzt worden, sondern es ist ein anderes – ungenehmigtes – Vorhaben verwirklicht worden. Die Baugenehmigung vom 27. Juni 1994 ist daher insgesamt erloschen und das Vorhaben musste vollständig (nachträglich) zur Genehmigung gestellt werden. Weicht der Bauherr deutlich von der Baugenehmigung ab, so wird die gesamte Anlage formell illegal, selbst wenn einzelne Teile auch nach der erteilten Genehmigung hätten errichtet werden dürfen; etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn die Abweichung – was vorliegend nicht der Fall ist – nur einen technisch und rechtlich abtrennbaren Teil des genehmigten Vorhabens betrifft. 39Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 13. Februar 1987 - 10 A 29/87 -, n.v., und Beschluss vom 17. Februar 1997 - 7 B 209/97 -, juris. 40Soweit der Kläger sinngemäß geltend macht, er sei seinerzeit nicht Bauherr gewesen, so dass man ihm das Abweichen von der Baugenehmigung nicht zum Vorwurf machen könne, vermag dies nicht zu überzeugen. Dabei ist schon fraglich, ob man den Kläger, der seinerzeit als „Generalbevollmächtigter“ der Bauherrn – seiner Tochter und seines Schwiegersohnes – aufgetreten ist und bereits den ersten zur nachträglichen Genehmigung des Gebäudes eingereichten Bauantrag vom 25. Februar 1999 gestellt hat, als „Unbeteiligten“ ansehen kann. Letztlich dürfte es darauf aber nicht ankommen. Denn der entsprechende Gebührentatbestand der Ziffer 2.8.1.1 a) stellt nicht auf die Person des Bauherrn ab, sondern lediglich auf den Umstand, dass die Baugenehmigung nachträglich erteilt wird. Die Notwendigkeit, die in dieser Form nicht genehmigte bauliche Anlage nachträglich legalisieren zu lassen und dafür den erhöhten Gebührensatz zu entrichten, lastete daher im Zeitpunkt der Ersteigerung auf dem Grundstück und ist durch den Kläger gleichsam mit übernommen worden. 41Dass die Beklagte schließlich zusätzliche Gebühren für die Erteilung der Abweichung von den bauordnungsrechtlichen Vorgaben (100,- €) sowie für die Beteiligung der Angrenzer (71,- €) eingerechnet hat, entspricht Ziffern 2.5.3.1 und 2.5.3.2 des Gebührentarifs und ist nach Lage der Dinge nicht zu beanstanden, wobei die Angrenzerbeteiligung im Wesentlichen bereits vor dem Bauantrag vom April 2010 stattgefunden hat. Einwände gegen die Höhe dieser Gebühren sind nicht erhoben worden. Hinsichtlich der Gebühr für die Erteilung der Abweichung entspricht die Höhe der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten, die in einer einschlägigen Ermessensleitlinie Niederschlag gefunden hat („Einfamilienhäuser – 100,- €“). Hinsichtlich der Angrenzerbeteiligung ist die Höhe der Gebühr von der Beklagten aus Billigkeit noch unter den in Ziffer 2.5.3.2 genannten Mindestbetrag der Rahmengebühr gesenkt worden und kann den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzen. 42Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. 43Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung. | die klage wird abgewiesen. die kosten des verfahrens trägt der kläger. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. dem kläger wird nachgelassen, die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abzuwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2die beteiligten streiten über die erhebung von gebühren für die erteilung einer baugenehmigung betreffend ein einfamilienhaus mit garage auf dem grundstück k.-----------straße 47 (gemarkung l. , flur a, flurstück °) in e. . 3das vorgenannte grundstück stand früher im eigentum der eheleute i. und l1. l2. . diese erhielten ende juni 1994 die baugenehmigung (°-°-°) für die errichtung eines einfamilienhauses mit garage. während der errichtung des gebäudes stellte die beklagte fest, dass das kellergeschoss abweichend von der baugenehmigung auf die fläche unter der terrasse erweitert worden war. die bauarbeiten wurden daraufhin zunächst stillgelegt; mehrere zwangsgelder zur durchsetzung der stilllegungsverfügung wurden festgesetzt. schließlich wurde die baustelle versiegelt. überdies wurde der rückbau der terrassenunterkellerung auf ein abstandflächenrechtlich zulässiges maß gefordert. in den gesprächen mit den grundstücksnachbarn und der beklagten trat für die eheleute l2. teilweise der kläger, der vater von frau l2. , als „bevollmächtigter“ auf. die terrassenunterkellerung wurde schließlich anfang 1995 beseitigt. 4im sommer 1995 wies die beklagte die eheleute l2. erneut auf abweichungen von der baugenehmigung hin, nunmehr andere teile des gebäudes betreffend (vorderwand, drempelhöhe und aufschüttung im gartenbereich). im august 1995 wurde die baustelle erneut stillgelegt. im februar 1997 wurde den eheleuten l2. die beseitigung der geländeaufschüttung im gartenbereich aufgegeben, eine forderung, von der später im rahmen der mündlichen verhandlung über das entsprechende klageverfahren (10 k 2049/99) abstand genommen wurde. im august 1998 wurde die nutzung des grundstücks durch ordnungsverfügung der beklagten wegen formeller illegalität untersagt. anfang 1999 erging eine entsprechende „räumungsverfügung“ an die inzwischen eingezogenen mieter des hauses. 5am 25. februar 1999 stellte der kläger einen bauantrag. die beklagte teilte dem kläger daraufhin mit, dass der bauantrag wegen bauordnungsrechtlicher probleme nicht genehmigungsfähig sei. sie sehe sich allerdings imstande, entsprechende abweichungen zu erteilen, wenn der kläger nachbarzustimmungen vorlege. in den folgejahren fanden wiederholt gespräche zwischen den beteiligten und auch zwischen dem kläger und den grundstücksnachbarn über die voraussetzungen für eine entsprechende einigung statt. mit bescheid vom 15. november 2005 lehnte die beklagte den bauantrag unter hinweis auf einen verstoß gegen das abstandflächenrecht ab. zugleich gab sie der miteigentümerin l1. l2. auf, das wohnhaus mit garage binnen eines monats zu beseitigen; ihr ehemann erhielt eine duldungsverfügung. 6unter dem 30. november 2005 und unter dem 30. oktober 2006 erteilten die beiden grundstücksnachbarn die von der beklagten verlangte zustimmung zur abweichenden ausführung des gebäudes, nachdem der kläger ihren forderungen nach diversen änderungen und nachbesserungen nachgekommen war. 7im ortstermin vom 7. april 2009 betreffend die klage des klägers gegen die ablehnung seines bauantrages vom 25. februar 1999 (10 k 3022/06) regte die berichterstatterin an, auf der grundlage der inzwischen vorliegenden nachbarzustimmungen einen neuen bauantrag zu stellen. der kläger nahm seine klage zurück, nachdem die beklagte die vollziehung der (bestandskräftigen) beseitigungsverfügung für noch ein jahr befristet ausgesetzt hatte. 8im oktober 2009 ersteigerte der kläger das in rede stehende grundstück im zwangsversteigerungsverfahren (amtsgericht e. , ° k °). 9am 27. januar 2010 reichte der kläger einen neuen bauantrag für ein „1-fam-haus, bereits erstellt, baujahr 1994/1995“ ein und nahm im – nur teilweise ausgefüllten und ohne weitere bauvorlagen übersandten – antragsformular auf die verhandlung vor dem verwaltungsgericht sowie die vorliegenden nachbarzustimmungen bezug. die beklagte antwortete unter dem 9. februar 2010, es sei ein kompletter bauantrag vorzulegen, die vorgelegten unterlagen seien nicht prüffähig. am 20. april 2010 ging sodann ein vollständiger bauantrag betreffend das „einfamilienhaus mit garage“ ein. als bauherr war der kläger angegeben, der das antragsformular auch eigenhändig unterschrieben hatte. mit datum vom 8. juni 2010 wurde die baugenehmigung (az. °/°-°-°) antragsgemäß erteilt. 10inzwischen hatte der kläger das grundstück an die eheleute c. /s. verkauft, die am 21. mai 2010 als eigentümer im grundbuch eingetragen worden waren. 11nachdem ein erster gebührenbescheid offenbar nicht hatte zugestellt werden können, erließ die beklagte unter dem 2. juli 2013 einen gebührenbescheid zur baugenehmigung über insgesamt 2.031,- € an den kläger. dabei ging sie von rohbausummen in höhe von 94.727,16 € für das wohnhaus und 6.461,41 € für die garage aus und verdreifachte die auf dieser grundlage errechnete genehmigungsgebühr gemäß ziffer 2.8.1.1a des gebührentarifs (nachträgliche genehmigung). zusammen mit den gebühren für die erteilung einer abweichung und die beteiligung der angrenzer ergab sich die genannte gesamtsumme. 12der kläger hat am 25. juli 2013 klage gegen den gebührenbescheid erhoben, zu deren begründung er ausführt: er habe bis zum heutigen tage keine baugenehmigung von der beklagten erhalten. dass es um die nachträgliche genehmigung eines schwarzbaus gegangen sei, entspreche nicht den tatsachen. er sei lediglich generalbevollmächtigter, nicht aber bauherr bei dem bauobjekt k.-----------straße 47 gewesen; bauherren seien i. und l1. l2. gewesen. er habe das objekt erst am 2. oktober 2009 ersteigert und anschließend den bauantrag gestellt; als neuer eigentümer könne er aber nicht mit den kosten belastet werden. 13der kläger beantragt (schriftsätzlich) sinngemäß, 14den gebührenbescheid der beklagten vom 2. juli 2013 aufzuheben. 15die beklagte beantragt (schriftsätzlich), 16die klage abzuweisen. 17der gebührenbescheid sei weder dem grunde, noch der höhe nach zu beanstanden. auf den zugang der baugenehmigung komme es für das entstehen der gebührenschuld nicht an. 18wegen der sonstigen einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen verwaltungsvorgänge ergänzend bezug genommen. 19 | 20die kammer entscheidet gemäß § 101 abs. 2 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo) im schriftlichen verfahren, nachdem die beteiligten auf die durchführung einer mündlichen verhandlung verzichtet haben. 21die klage ist zulässig, aber unbegründet. 22der gebührenbescheid der beklagten vom 2. juli 2013 ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten (§ 113 abs. 5 vwgo). 23rechtsgrundlage für den erlass des angegriffenen bescheides ist § 2 abs. 1 gebührengesetz (gebg) nrw in verbindung mit § 1 abs. 1 allgemeine verwaltungsgebührenordnung nrw (allgvwgebo nrw) sowie der anlage zu dieser verordnung (allgemeiner gebührentarif), hier den tarifstellen 2.1.2 (berechnung der rohbausumme), 2.4.1.1 (baugenehmigung für gebäude i.s.d. § 68 abs. 1 satz 1 bauo nrw), 2.8.1.1 a) (prüfung von bauvorlagen für ohne baugenehmigung ausgeführte bauliche anlagen oder änderungen, wenn diese nachträglich genehmigt oder belassen werden), 2.5.3.1 (entscheidung über die erteilung von abweichungen) und 2.5.3.2 (bei abweichung durchgeführte angrenzerbeteiligung). 24zweifel an der wirksamkeit der vorgenannten rechtsgrundlage bestehen nicht. den bedenken des oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen gegen die tarifstellen 2.4.1.1 bis 2.4.1.3 des allgemeinen gebührentarifs in seiner früheren fassung, 25vgl. ovg nrw, beschluss vom 28. juni 2011 - 9 a 1225/08 -, nwvbl. 2012, 34 ff., und urteil vom 3. september 2012 - 9 a 1565/09 -, nwvbl. 2013, 60 ff., 26hat der verordnungsgeber durch die – rückwirkend zum 30. september 2006 in kraft gesetzte – 20. verordnung zur änderung der allgemeinen verwaltungsgebührenordnung vom 13. september 2011 (gv nrw s. 467) hinreichend rechnung getragen. 27näher dazu die urteile der kammer vom 13. dezember 2011 - 6 k 2339/07 und 6 k 2975/07 -, juris. 28in formaler hinsicht hält die beklagte mit dem angefochtenen gebührenbescheid die mindestanforderungen ein, die § 14 abs. 1 gebg nrw an den inhalt eines solchen bescheides stellt. hiernach brauchen bei kostenbescheiden die rechtlichen und tatsächlichen gründe für die entscheidung nicht umfassend mitgeteilt zu werden und es bedarf – auch bei der festsetzung einer rahmengebühr durch ausfüllung eines vorgegebenen gebührenrahmens – keiner darlegung der gesichtspunkte, von denen die behörde bei der ausübung ihres ermessens ausgegangen ist. 29vgl. ovg nrw, urteil von 28. september 1988 - 9 a 2308/87 -. 30auch in inhaltlicher hinsicht erweist sich der gebührenbescheid als rechtmäßig. 31unzweifelhaft ist der kläger richtiger gebührenschuldner. dies ist nach § 13 abs. 1 nr. 1 gebg nrw unter anderem derjenige, der die amtshandlung zurechenbar verursacht oder zu wessen gunsten sie vorgenommen wird. vorliegend ist der bauantrag vom 19. april 2010 durch den kläger gestellt worden, der die amtshandlung somit verursacht hat. 32die gebühr ist auch entstanden und fällig geworden. die beklagte hat den bauantrag vollständig bearbeitet und am 8. juni 2010 eine baugenehmigung erlassen, deren komplette zweitschrift sich in den beigezogenen akten der behörde befindet. ob diese baugenehmigung dem kläger zugegangen ist, ist für die rechtsmäßigkeit des gebührenbescheides nicht von bedeutung. denn bei einer antragsgebundenen amtshandlung entsteht die gebührenschuld dem grunde nach mit dem eingang des antrags und der höhe nach mit beendigung der gebührenpflichtigen amtshandlung (§ 11 abs. 1 gebg nrw). als beendigung der amtshandlung ist insoweit der zeitpunkt anzusehen, in dem die sachliche bearbeitung abgeschlossen, das heißt die entscheidung getroffen, unterschrieben und postversandfertig ist. für ein solches verständnis spricht insbesondere die überlegung, dass nach § 14 gebg nrw die kostenentscheidung möglichst mit der sachentscheidung zusammen ergehen soll, was bei einer erst mit zugang der sachentscheidung eintretenden entstehung der gebührenschuld regelmäßig ausschiede. auch für die fälligkeit der gebührenschuld (§ 17 gebg nrw) ist die bekanntgabe der gebührenpflichtigen amtshandlung an den adressaten nicht erforderlich. 33zu alledem überzeugend lenders, in weißauer/lenders, verwaltungsgesetze nrw, kommentar, stand: september 2013, ziffer 5 zu § 11 gebg und ziffer 5 zu § 17 gebg. 34auch die höhe der festgesetzten gebühren ist nicht zu beanstanden. die beklagte hat die sich aus der tarifstelle 2.4.1.1 des allgemeinen gebührentarifs ergebende gebühr für die entscheidung über die erteilung der baugenehmigung wie folgt bestimmt: 35wohnhaus: volumen 830,94 m3 x rohbauwert 114,- € = rohbausumme 94.727,16 € – gerundet: 95.000,- €, davon 6 v.t. = 570,- €. 36garage: volumen 81,79 m3 x rohbauwert 79,- € = rohbausumme 6.461,41 € - gerundet: 6.500,- €, davon 6 v.t. = 39,- €, daher mindestgebühr 50,- € angesetzt. 37bedenken gegen diese berechnung sind nicht vorgetragen worden. die angesetzten rohbauwerte entsprechen der für das jahr 2010 geltenden tabelle (bekanntmachung des ministeriums für bauen und verkehr vom 23. september 2009 (mbl. nrw 2009, s. 472). 38die beklagte hat die genannten gebühren auf der grundlage von ziffer 2.8.1.1 a) (prüfung von bauvorlagen einschließlich der erforderlichen örtlichen überprüfungen für ohne baugenehmigung ausgeführte bauliche anlagen oder änderungen, wenn diese nachträglich genehmigt werden) zutreffend auf (3 x 570,- € =) 1.710,- € und (3 x 50,- € =) 150,- € verdreifacht. denn die den eheleuten l2. erteilte baugenehmigung vom 27. juni 1994 ist seinerzeit nicht ausgenutzt worden, sondern es ist ein anderes – ungenehmigtes – vorhaben verwirklicht worden. die baugenehmigung vom 27. juni 1994 ist daher insgesamt erloschen und das vorhaben musste vollständig (nachträglich) zur genehmigung gestellt werden. weicht der bauherr deutlich von der baugenehmigung ab, so wird die gesamte anlage formell illegal, selbst wenn einzelne teile auch nach der erteilten genehmigung hätten errichtet werden dürfen; etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn die abweichung – was vorliegend nicht der fall ist – nur einen technisch und rechtlich abtrennbaren teil des genehmigten vorhabens betrifft. 39vgl. nur ovg nrw, urteil vom 13. februar 1987 - 10 a 29/87 -, n.v., und beschluss vom 17. februar 1997 - 7 b 209/97 -, juris. 40soweit der kläger sinngemäß geltend macht, er sei seinerzeit nicht bauherr gewesen, so dass man ihm das abweichen von der baugenehmigung nicht zum vorwurf machen könne, vermag dies nicht zu überzeugen. dabei ist schon fraglich, ob man den kläger, der seinerzeit als „generalbevollmächtigter“ der bauherrn – seiner tochter und seines schwiegersohnes – aufgetreten ist und bereits den ersten zur nachträglichen genehmigung des gebäudes eingereichten bauantrag vom 25. februar 1999 gestellt hat, als „unbeteiligten“ ansehen kann. letztlich dürfte es darauf aber nicht ankommen. denn der entsprechende gebührentatbestand der ziffer 2.8.1.1 a) stellt nicht auf die person des bauherrn ab, sondern lediglich auf den umstand, dass die baugenehmigung nachträglich erteilt wird. die notwendigkeit, die in dieser form nicht genehmigte bauliche anlage nachträglich legalisieren zu lassen und dafür den erhöhten gebührensatz zu entrichten, lastete daher im zeitpunkt der ersteigerung auf dem grundstück und ist durch den kläger gleichsam mit übernommen worden. 41dass die beklagte schließlich zusätzliche gebühren für die erteilung der abweichung von den bauordnungsrechtlichen vorgaben (100,- €) sowie für die beteiligung der angrenzer (71,- €) eingerechnet hat, entspricht ziffern 2.5.3.1 und 2.5.3.2 des gebührentarifs und ist nach lage der dinge nicht zu beanstanden, wobei die angrenzerbeteiligung im wesentlichen bereits vor dem bauantrag vom april 2010 stattgefunden hat. einwände gegen die höhe dieser gebühren sind nicht erhoben worden. hinsichtlich der gebühr für die erteilung der abweichung entspricht die höhe der ständigen verwaltungspraxis der beklagten, die in einer einschlägigen ermessensleitlinie niederschlag gefunden hat („einfamilienhäuser – 100,- €“). hinsichtlich der angrenzerbeteiligung ist die höhe der gebühr von der beklagten aus billigkeit noch unter den in ziffer 2.5.3.2 genannten mindestbetrag der rahmengebühr gesenkt worden und kann den kläger daher nicht in seinen rechten verletzen. 42die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. 43die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 711 zivilprozessordnung. | Verklagte*r | 0 |
126,925 | 9 K 4610/15 | 2016-01-20T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der am 6. Februar 1998 geborene Kläger war Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse B. 3Am 3. August 2015 wurde er gegen 14:30 Uhr im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle in C. angehalten und überprüft. Er war mit einem Kleinkraftrad unterwegs. Nach erfolgter Belehrung gab er nach dem polizeilichen Protokoll an, dass er vor zwei Tagen das letzte Mal Cannabis konsumiert habe. Zur Überprüfung der Kraftfahrtauglichkeit wurde um 16:20 Uhr eine Blutprobe unter der Nummer °°-°°°°° entnommen. 4Diese Blutprobe wurde durch das labor °°°°°, GbR, in C1. T. forensisch-toxikologisch untersucht. Das unter dem 13. August 2015 erstattete Gutachten ergab eine Tetrahydrocannabinol- (THC-) Konzentration von 1,9 ng/ml Blutserum, eine 11-Hydroxy-Tetrahydrocannabinol- (11 OH-THC-) Konzentration von 1,0 ng/ml Blutserum sowie einen Tetrahydrocannabinolcarbonsäure- (THC-COOH-)Wert von 48 ng/ml Blutserum. 5Zur Beurteilung wurde in dem Gutachten ausgeführt: Der Nachweis von THC und seinen Metaboliten sei beweisend für einen kürzlich erfolgten Cannabis-Abusus. Der Proband habe somit zum Zeitpunkt der Blutentnahme und folglich auch zum Vorfallszeitpunkt nachweislich unter dem Einfluss von Cannabis-Produkten gestanden. Für den Tatzeitpunkt sei eine Fahrt unter dem Einfluss von Cannabis im Sinne des § 24a StVG anzunehmen. 6Hierauf entzog die Beklagte dem Kläger – nach vorangehender Anhörung unter dem 26. August 2015 – mit Ordnungsverfügung vom 13. Oktober 2015 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung seine Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgeldes von 250,00 € auf, seine Prüfbescheinigung (bF17) bis zum 29. Oktober 2015 bei ihr abzuliefern. Gleichzeitig wurde eine Gebühr i.H.v. 153,45 € festgesetzt. 7Zur Begründung bezieht sie sich auf die im toxikologischen Gutachten der labor °°°°°, GbR, festgestellten Werte und führt dazu aus: Nach einer Untersuchung von N. N1. habe sich bestätigt, dass bei Messwerten unterhalb von 1 ng THC/ml im Serum keine messbaren Leistungseinschränkungen mehr vorlägen. Damit sei erwiesen, dass der von der Grenzwertkommission, die eine Beeinträchtigung der Kraftfahrtauglichkeit ab einem Messwert von 1 ng/ml als gegeben ansehe, korrekt sei. Die unter Cannabis-Einfluss entstehenden Leistungseinschränkungen seien grundsätzlich nicht mit dem sicheren Fahren eines Kraftfahrzeugs zu vereinbaren. Nach Ziffer 9.2 der Anlage 4 zu § 11 der Fahrerlaubnisverordnung sei selbst ein gelegentlicher Cannabisgebrauch nur dann in verkehrsbezogener Hinsicht unproblematisch, wenn u.a. Konsum und Fahren eindeutig getrennt würden. Durch die Fahrt am 3. August 2015 unter Drogeneinfluss habe der Kläger nachgewiesen, dieser Anforderung nicht zu entsprechen. Er sei damit nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet und ihm sei die Fahrerlaubnis zu entziehen. Ein Erstkonsum von Cannabisprodukten sei nicht gegeben und auch nicht geltend gemacht. Bei einem Erstkonsumenten seien THC-Werte nur ca. 6 Stunden nachweisbar. 8Der Kläger stellte unter dem 26. Oktober 2015 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Am selben Tag hat er Klage erhoben. 9Zur Begründung seiner Klage führt er aus: Soweit in der Ordnungsverfügung auf Untersuchungen aus dem Jahr 2006 verwiesen werde, werde dem entgegengetreten. Ein wissenschaftliches Experiment der Universität Mainz habe gezeigt, dass auch Passivrauchen von Cannabis zur Fahruntüchtigkeit führen könne. Bei Passivrauchern sei eine Konzentration von 6,3 ng/ml gemessen worden, also deutlich oberhalb dessen, was bei ihm gemessen worden sei. Einem Fahrzeughalter, der unbewusst Cannabis zu sich genommen habe, könne nicht ohne Weiteres vorgehalten werden, charakterlich zum Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr ungeeignet zu sein. Er bestreitet – vorgetragen erstmals in der mündlichen Verhandlung -, gegenüber der Polizei gesagt zu haben, dass er das letzte Mal vor zwei Tagen konsumiert habe. 10Der Kläger beantragt, 11den Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober 2015 aufzuheben. 12Die Beklagte beantragt, 13die Klage abzuweisen. 14Sie vertieft zur Begründung die Ausführungen der Ordnungsverfügung: Nach dem ermittelten THC-Wert stehe fest, dass der Kläger unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt habe. Davon könne ab einem Wert von 1,0 ng/ml ausgegangen werden. Auch ein Sicherheitsabschlag sei nicht vorzunehmen. Es stehe zudem fest, dass der Kläger gelegentlich (also mindestens zweimal) Cannabis konsumiert habe. Auf den eingeräumten Konsum zwei Tage vor der Verkehrskontrolle, könnten die ermittelten Werte nicht zurückgeführt werden, wenn es tatsächlich der erste Konsum gewesen sein sollte. THC-Konzentrationen oberhalb von 1 ng/ml könnten sich nach dem Stand der Wissenschaft nach mehr als einem Tag nur dann ergeben, wenn der Betroffene vorher durch regelmäßigen/täglichen Konsum THC-Speicher im Blut aufgebaut habe. Da aufgrund der Einlassung des Klägers somit ein gelegentlicher Konsum belegt sei und darüber hinaus auch das erforderliche Trennungsvermögen fehle, sei die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen gewesen. Die Ausführungen zum Passivkonsum hätten keinen Bezug zum vorliegenden Fall; ein Passivkonsum werde vom Kläger auch nicht behauptet. 15Mit Beweisbeschluss vom 9. Dezember 2015 hat die Kammer die Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens durch den Sachverständigen Professor Dr. U. E. angeordnet. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2016 Bezug genommen. 16Entscheidungsgründe: 17Die Klage hat keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 18Die Ordnungsverfügung vom 13. Oktober 2015 findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG – in Verbindung mit § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung – FeV –. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ungeeignet ist u.a. derjenige, der die notwendigen körperlichen oder geistigen Voraussetzungen nicht erfüllt (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG). Dies ist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 FeV vorliegen, welche die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen. 19Die fehlende Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen ergibt sich aus Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV. Danach ist derjenige als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, der gelegentlich Cannabis konsumiert und nicht zwischen Konsum und Fahren trennen kann. 20Der Kläger ist gelegentlicher Cannabiskonsument und kann nicht zwischen Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges trennen. 21Ein gelegentlicher Konsum von Cannabis erfordert mehr als nur einen einmaligen Konsum, ist aber bereits bei zwei selbständigen Konsumvorgängen anzunehmen, sofern diese einen gewissen auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen. 22Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3/13 –, juris Rn. 19 ff. m.w.N.; OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2014 – 16 B 116/14 –, juris Rn. 3. 23Der Kläger hat bei der Verkehrskontrolle ausweislich des polizeilichen Protokolls angegeben, vor zwei Tagen das letzte Mal Cannabis konsumiert zu haben; diese Aussage hat er erstmalig in der mündlichen Verhandlung bestritten. Der Kläger hat aber weder dargelegt, weshalb die im polizeilichen Protokoll dokumentierte Aussage unzutreffend sein soll, noch hat er andere Angaben zu seinem Konsumverhalten und zur Erklärung der gemessenen toxikologischen Werte gemacht. Insofern bestehen keine Anhaltpunkte dafür, dass die im Protokoll festgehaltene Aussage so nicht getätigt wurde. Mangels substantiierten Bestreitens muss sich der Kläger an ihr festhalten lassen. Der Sachverständige hat ausgeführt, die ermittelten Werte seien auf Grundlage der Angabe, vor zwei Tagen das letzte Mal konsumiert zu haben, nur dann plausibel, wenn bis dahin regelmäßig konsumiert worden sei. Die gemessenen Werte sprächen für einen jedenfalls gelegentlichen Konsum. Demgegenüber hat der Kläger bis zuletzt in keiner Weise substantiiert Umstände vorgetragen, die darauf schließen ließen, dass lediglich ein einmaliger Probekonsum vorgelegen haben könnte. 24Der Kläger hat auch nicht im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt. 25In dieser fehlenden Trennung liegt ein die Fahreignung ausschließender charakterlich-sittlicher Mangel. Er ist darin zu sehen, dass der Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen. 26BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2062/96 –, juris Rn. 49; BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3/13 – juris Rn. 29 f. 27Dabei ist für die Verwirklichung des Merkmals des unzureichenden Trennungsvermögens im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV nicht auf ein subjektives Element – wie die persönliche Wahrnehmung des Betroffenen von seiner eigenen Leistungsfähigkeit – abzustellen. Vielmehr ist entscheidend, ob der Betroffene objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen erhöht, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben. 28OVG NRW, Urteil vom 1. August 2014 – 16 A 2806/13 –, juris Rn. 23; Bayer. VGH, Beschluss vom 25. Januar 2006 – 11 CS 05.1711 -, juris Rn. 16. 29Daraus folgt zugleich, dass nicht jede bei einem Kraftfahrzeugführer festgestellte THC-Konzentration die Annahme fehlender Trennung im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV rechtfertigt. 30Festgestellt werden muss eine THC-Konzentration, die es entsprechend dem Charakter der Vorschrift als eines abstrakten Gefährdungsdelikts als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. 31Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 – 1 BvR 2652/03 –, juris Rn. 29 (zu § 24a Abs. 2 StVG), OVG NRW, Urteile vom 1. August 2014 – 16 A 2806/13 -, juris Rn. 27 und vom 21. März 2013 – 16 A 2006/12 –, juris Rn. 32; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. November 2012 – 10 S 3174/11 –, juris Rn. 30, 43 ff. 32Das entspricht dem verfassungsrechtlichen Erfordernis, Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit – zu der auch der Genuss hoher individueller Mobilität zählt, wie sie das Führen von Kraftfahrzeugen vermittelt – nur als verfassungsrechtlich unbedenklich zu bewerten, wenn sie zum Schutz des Rechtsguts nicht nur geeignet und erforderlich sind, sondern auch zur Art und Intensität der Rechtsgütergefährdung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Es muss daher eine hinreichende Gefahr vorliegen, die eine eingeschränkte Fahrtüchtigkeit des Fahrerlaubnisinhabers als nahe liegend erscheinen lässt. 33OVG NRW, Urteile vom 1. August 2014 – 16 A 2806/13 –, juris Rn. 29 und vom 21. März 2013 – 16 A 2006/12 –, juris Rn. 30, jeweils unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2652/03 –, juris Rn. 39 und 51. 34Dabei dürfen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen gestellt werden, je gewichtiger die bedrohten Rechtsgüter sind. Bei der Teilnahme am Straßenverkehr stehen Gefahren für das Leben, die Gesundheit und das Eigentum und damit hochwertige Rechtsgüter anderer Bürger in Frage. 35Vgl. im Einzelnen bereits VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25. Mai 2010 – 9 K 3406/09 –, juris Rn. 73 ff. 36In Bezug auf den zugrundezulegenden Gefährdungsmaßstab ist damit eine derartige Trennung zu fordern, bei der eine Beeinträchtigung der verkehrsrelevanten Eigenschaften durch die vorangegangene Einnahme von Cannabis unter keinen Umständen eintreten kann. Bereits die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit muss ausgeschlossen sein; eine signifikante Erhöhung des Unfallrisikos ist nicht zu fordern. 37BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 3 C 3/13 –, juris Rn. 32 f.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. November 2012 – 10 S 3174/11 –, juris Rn. 43 ff. 38Hat der Betroffene in der Vergangenheit ein Kraftfahrzeug unter einem THC-Pegel geführt, bei dem eine Beeinträchtigung seiner Fahrsicherheit möglich war, rechtfertigt das nach der der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu Grunde liegenden Wertung zugleich Zweifel daran, dass er künftig stets die gebotene Trennung von Cannabiskonsum und Fahren beachten wird; das wiederum führt zur Verneinung seiner Fahreignung. 39BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 3 C 3/13 –, juris Rn. 33. 40Das vom Normgeber zu Recht verfolgte Ziel, Risiken für die Sicherheit des Straßenverkehrs durch Cannabiskonsum unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes soweit wie möglich auszuschließen, ist auch für die Bestimmung des im Rahmen der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 maßgeblichen THC-Grenzwertes von Bedeutung. Abzustellen ist daher darauf, ab welchem THC-Wert eine cannabisbedingte Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit möglich ist oder – negativ formuliert – nicht mehr ausgeschlossen werden kann; insoweit handelt es sich um einen Risikogrenzwert. 41BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 3 C 3/13 –, juris Rn. 37. 42Die Rechtsprechung – einschließlich der der erkennenden Kammer – hat bislang den THC-Wert, bei welchem eine solche Beeinträchtigung nicht mehr sicher ausgeschlossen werden kann, in Auswertung der medizinisch-toxikologischen Studien überwiegend mit 1 ng/ml Blutserum festgelegt. 43Vgl. BVerfG, Urteil vom 21. Dezember 2004 – 1 BvR 2652/03 -, juris Rn. 29 (zu § 24a StVG); VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. November 2012 – 10 S 3174/11 –, juris Rn. 47 ff., nicht beanstandet durch BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 3 C 3/13 –, juris Rn. 39; OVG NRW, Urteile vom 1. August 2014 – 16 A 2806/13 –, juris Rn. 31 und vom 21. März 2013 – 16 A 2006/12 –, juris Rn. 34 ff., jeweils m.w.N., Beschlüsse vom 5. Februar 2015 – 16 B 8/15 –, juris Rn. 5 f., vom 4. Januar 2012 – 16 A 2075/11 –, juris Rn. 15 und vom 22. Mai 2012 – 16 B 536/12 –, juris Rn. 5 ff., jeweils m.w.N.; OVG Thüringen, Beschluss vom 6. September 2012 – 2 EO 37/11 –, juris Rn. 16 ff.; OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 – 2 B 341/11 –, juris Rn. 14 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 15. Dezember 2005 – 3 Bs 214/05 –, juris Rn. 20; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. März 2006 – 10 S 2519/05 –, juris Rn. 7; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17. Februar 2009 – 4 LB 61/08 –, juris Rn. 35 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juni 2009 – 1 S 17.09 –, juris Rn. 6; Nieders. OVG, Beschluss vom 11. Juli 2003 – 12 ME 287/03 –, juris Rn. 7; a.A. (erst ab 2 ng THC/ml Blutserum) Bayer. VGH, Beschlüsse vom 11. November 2004 – 11 CS 04.2348 –, juris Rn. 16 und vom 25. Januar 2006 – 11 CS 05.1711 –, juris Rn. 45, offengelassen bei OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 1 M 142/06 –, juris Rn. 18. 44Grundlage dieser Rechtsprechung war insbesondere der Beschluss der sog. Grenzwertkommission vom 20. November 2002 – aktualisiert durch Beschluss vom 22. Mai 2007, 45veröffentlicht in Blutalkohol 44 (2007), 311 – 46zu § 24a Abs. 2 StVG, wonach der Grenzwert für die Annahme einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG für THC bei 1,0 ng/ml im Blutserum liegt. 47Vorliegend war eine erneute Überprüfung dieses Grenzwertes geboten, da die Grenzwertkommission – eine fachübergreifende mit Wissenschaftlern aus den Fachgesellschaften der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM), der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM) und der Gesellschaft für toxikologische und forensische Chemie (GTFCh) besetzte Arbeitsgruppe beim Bundesministerium für Verkehr – in ihrer Empfehlung aus September 2015, 48veröffentlicht in Blutalkohol 52 (2015), 322 f., 49konkret in Bezug auf die Feststellung des Trennvermögens von Cannabiskonsum und Fahren i.S.d. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ausgeführt hat: 50„Die Grenzwertkommission empfiehlt (…) bei Feststellung einer THC-Konzentration von 3,0 ng/ml oder mehr im Blutserum bei gelegentlich Cannabis konsumierenden Personen eine Trennung von Konsum und Fahren im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu verneinen.“ 51Nach Einholung des vom Vorsitzenden der Grenzwertkommission in der mündlichen Verhandlung erstatteten Gutachtens geht das Gericht weiterhin vom Risikogrenzwert von 1 ng THC/ml Blutserum aus. 52Im Hinblick auf den oben dargelegten rechtlichen Maßstab, ist eine Erhöhung des Risikogrenzwertes nicht erforderlich. Der Empfehlung der Grenzwertkommission ist nicht die wissenschaftlich gesicherte Aussage zu entnehmen, dass es unterhalb des Grenzwertes von 3 ng THC/ml Blutserum nicht zu einer cannabisbedingten Beeinträchtigung verkehrssicherheitsrelevanter Fähigkeiten kommen kann. 53Bezüglich der neuen Empfehlung der Grenzwertkommission hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt: Sie beruhe nicht auf grundlegenden neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ihr lägen aber neue wissenschaftliche Auswertungen zugrunde. 54Anlass für die Empfehlung sei vielmehr das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3/13 – gewesen. Man habe sich aus wissenschaftlicher Sicht zu zwei (vgl. im Folgenden a) und b)) diesem Urteil zugrunde liegenden Annahmen äußern wollen. 55a) Zum einen sei es um eine Korrektur der Lesart der sog. Maastricht-I-Studie gegangen. 56Der Sachverständige hat dazu ausgeführt: 57„Aufgrund der sog. Maastricht-Studie kann bei dem Wert von 2,0 ng THC/ml Blutserum gesagt werden, dass es bei bestimmten verkehrsrelevanten Parametern zu einer signifikanten Verschlechterung der Leistung kommt. Andere Studien sind zu anderen, insbesondere höheren Werten gekommen. Auch bei gemessenen Werten von unter 2 ng THC/ml Blutserum ist es nicht ausgeschlossen, dass es zu einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit kommt. Die Empfehlung der Grenzwertkommission sollte insofern mit der Nennung des Wertes von 2 ng THC/ml Blutserum als Wert für die früheste Wirkung lediglich die Lesart der sog. Maastricht-Studie durch das Bundesverwaltungsgericht korrigieren.“ 58Zu dieser Studie hat er erläutert: 59„Es kann bei einem THC-Wert unterhalb von 2,0 ng THC/ml Blutserum nicht festgestellt werden, ob durch diese Einwirkung das Leistungsverhalten des Betroffenen sich verschlechtert hat. Dies beruht auf dem Umstand, dass auch ein Placebokonsument Fehler in einem Umfang machen kann, der sich von der Fehlerrate eines Konsumenten von THC, dessen Konzentration unterhalb von 2 ng THC/ml Blutserum liegt, nicht unterscheidet.“ 60Vor diesem Hintergrund liegt der maßgebliche Aussagegehalt der Passage 61„Eine Leistungseinbuße ließ sich in experimentellen Studien frühestens ab 2 ng THC/ml Serum nachweisen …“ 62in der Empfehlung der Grenzwertkommission darin, dass unterhalb dieses Wertes aufgrund der sog. Maastricht-I-Studie Leistungseinbußen nach naturwissenschaftlichen Standards nicht nachgewiesen sind. 63Dies deckt sich mit den Zusammenfassungen der Ergebnisse der Studie selbst durch die beteiligten Wissenschaftler: 64„Bei Werten von 5-30 ng/ml waren signifikante Beeinträchtigungen der Probanden in allen Tests feststellbar. Im Bereich von 2-5 ng/ml waren signifikante Beeinträchtigungen nur noch im feinmotorischen Test (CCT) messbar. Zwischen 1-2 ng/ml waren Beeinträchtigungen im feinmotorischen Bereich auch hier nicht mehr signifikant. (…) Beim CCT war unter 2 ng/ml lediglich noch eine nicht signifikante Tendenz zu einer Beeinträchtigung zu erkennen. Unter 1 ng/ml ließen sich keine Unterschiede in der Leistung zwischen THC-Konsum und Placebo feststellen.“ 65N1. /Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/Ramaekers, Leistungsverhalten und Toxikokinetik der Cannabinoide nach inhalativer Marihuanaaufnahme, in: Blutalkohol 43 (2006), 361, 368; sowie N1. , in: Berz/Burmann (Hrsg.), Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Band 2, Kap. 15. Arzneimittel und Drogen im Straßenverkehr, B. II. 4. g) aa) Rn. 142. 66Demnach ist bei unter 2 ng THC/ml Blutserum eine Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen. 67Es ist jedenfalls wissenschaftlich umstritten, ab welchem Grenzwert von einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit ausgegangen werden kann. Dies beruht insbesondere darauf, dass gesicherte Erfahrungswerte zu Dosis-Blutkonzentrations-Wirkungsbeziehungen für Drogen – insbesondere THC – durch die medizinisch-naturwissenschaftliche Forschung derzeit nicht bereitgestellt werden können. So ist es trotz mehrfacher Forschungsaufträge bislang nicht gelungen, aus wissenschaftlicher Sicht einen Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit festzulegen. Im Umkehrschluss heißt dies aber auch, dass eben die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schon oberhalb eines Grenzwertes von 1 ng THC/ml im Blutserum nicht sicher ausgeschlossen werden kann. 68Vgl. dazu N1. , in: Berz/Burmann (Hrsg.), Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Band 2, Kap. 15. Arzneimittel und Drogen im Straßenverkehr, C. III. 4. b) Rn. 32 und 59 („auch Wirkgrenzen nach unten nicht sicher definierbar“)¸ sowie allgemeiner Maatz, Fahrtüchtigkeit nach Drogenkonsum, Blutalkohol 43 (2006), 451 ff.; vgl. auch die umfassenden Ausführungen in VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. November 2012 – 10 S 3274/11 –, juris Rn. 41, 47 ff. 69In Auswertung der sog. Maastricht-I-Studie stellt beispielsweise N1. zu dem Vorschlag, gesetzlich in § 24a Abs. 1 StVG einen Grenzwert für ordnungswidriges Handeln bei 5 ng/ml festzuschreiben, fest: 70„Hierbei wurde nicht berücksichtigt, dass bei Gelegenheitskonsumenten durchaus die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigende Wirkungen bei THC-Konzentrationen auftreten können, die im Bereich von 1-2 ng/ml liegen und im Bereich von 2-5 ng/ml signifikant sind. Ein unterer Grenzwert sollte daher in jedem Fall bei 1 ng/ml liegen.“ 71N1. , in: Berz/Burmann (Hrsg.), Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Band 2, Kap. 15. Arzneimittel und Drogen im Straßenverkehr, B. II. 4. g) dd) Rn. 158a. 72In dieselbe Richtung geht die Äußerung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung: 73„Wie auch bereits bei meinen Ausführungen zum Beschluss der Grenzwertkommission zu § 24a StVG dargelegt, ist unter Umständen auch bereits bei 1 ng THC/ml Blutserum eine cannabisbedingte verkehrssicherheitsrelevante Leistungseinbuße nicht ausgeschlossen.“ 74b) Die zweite zentrale Aussage der Empfehlung der Grenzwertkommission ist nach den Ausführungen des Sachverständigen, dass bei einem Wert von 1 ng THC/ml Blutserum nicht zwingend darauf geschlossen werden könne, dass der letzte Konsum innerhalb weniger Stunden erfolgt sei. Er hat hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt: 75„Bezüglich des Sachverhalts, der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 3 C 3/13 zugrunde lag, ist darauf hinzuweisen, dass die Aussage des Konsumenten, der angibt, vor 24 Stunden letztmalig konsumiert zu haben, und bei dem die Blutuntersuchung ergibt, dass noch THC im Blut von über 1 ng/ml vorhanden ist, nicht zwingend die Schlussfolgerung erlaubt, dass es einen weiteren Konsumakt zwischen dem zugestandenen Konsum und der Abnahme der Blutprobe gegeben haben muss. Dies hängt im Wesentlichen davon ab, wie hoch konzentriert/dosiert der einen Tag zuvor aufgenommene Wirkstoff war.“ 76Erläuternd hat der Sachverständige hierzu erklärt, dass aufgrund der Halbwertzeiten, die im Laufe des Abbauprozesses stetig höher würden und am Ende auf bis zu 24 Stunden ansteigen könnten, zwar 2 ng THC/ml Blutserum relativ schnell unterschritten würden, gerade im Bereich von 1 ng THC/ml Blutserum die Kurve aber sehr lang quasi parallel zu diesem Wert verlaufen könnte. Das Zeitfenster sei dementsprechend nicht so eng zu setzen. Selbst bei einem „normalen Joint“ müssten 24 Stunden angesetzt werden, um sicher zu sein, dass der Wert wieder unter 1 ng THC/ml Blutserum liege. 77Die zweite maßgebliche Aussage der Empfehlung der Grenzwertkommission betrifft nach diesen Ausführungen also die Frage, aus welchem THC-Wert – jedenfalls beim gelegentlichen Konsumenten – auf einen zeitnahen Cannabiskonsum geschlossen werden kann. Darauf aufbauend hat die Grenzwertkommission dann den Grenzwert von 3 ng THC/ml Blutserum vorgeschlagen, bei dessen Vorliegen auf mangelndes Trennungsvermögen im Sinne der Nichteinhaltung ausreichender Wartezeiten geschlossen werden könne. 78Dieses auf die Einhaltung ausreichender Wartezeiten zwischen Konsum und Fahrtantritt abstellende Verständnis von Trennvermögen hat sie auch im zweiten Satz des ersten Absatzes ihrer Empfehlung vorangestellt. Dort heißt es: 79„Als Voraussetzung für die Fahreignung gelegentlicher Cannabiskonsumenten wird die Einhaltung ausreichender Wartezeiten zwischen Konsum und Fahrtantritt gefordert (Trennungsvermögen, vgl. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV).“ 80Dazu hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt: 81„Wenn das Trennvermögen so definiert wird, dass ein solches nicht vorliegt, wenn nach 4 bis 6 Std. Abstinenz ein bestimmter Grenzwert immer noch nicht unterschritten ist, so müsste dieser auf 3 ng THC/ml Blutserum festgesetzt werden. Dies entspricht der Empfehlung der Grenzwertkommission.“ 82„Die Grenzwertkommission ist nicht dazu berufen, den Begriff des Trennens zu definieren. Wir haben in unserer Empfehlung das Verständnis vom Trennungsvermögen aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 3 C 3/13 herausgelesen. Unter Zugrundlegung dieses Verständnisses haben wir dann unsere Empfehlung herausgegeben. Bei einer anderen Definition könnte es beim Wert von 1 ng THC/ml Blutserum verbleiben.“ 83Und weiter: 84„Bereits bei 1 ng THC/ml Blutserum kann es zu einer Verkehrsbeeinträchtigung kommen. Bezüglich des fehlenden Trennvermögens stellt die Grenzwertkommission hingegen auf 3 ng THC/ml Blutserum ab. Läge ein Trennen von Konsum und Fahren dann noch vor, wenn der Fahrer damit rechnen muss bzw. kann, dass noch wirkaktives THC in seinem Körper ist, dann würde derselbe Grenzwert wie der, der für § 24a StVG von der Grenzwertkommission festgelegt wurde, gelten.“ 85Daraus folgt für die juristische Bewertung einerseits, dass in Fällen, bei denen lediglich ein gelegentlicher Konsum vorliegt und eine Konzentration von 3 ng THC/ml Blutserum oder mehr gemessen wird, vom Fahren unter einer akuten Rauschwirkung, in der Leistungseinbußen wissenschaftlich unbestritten sind, ausgegangen werden kann. Zugleich wird in diesen Fällen auch von einer subjektiv vorwerfbar kurzen Wartezeit zwischen Konsum und Fahrantritt auszugehen sein, sodass diese Fälle schon nach dem alltäglichen Wortverständnis unschwer unter den Begriff des mangelnden Trennens gefasst werden können. 86Exemplarisch hat der Sachverständige insofern auf Nachfrage folgende Bewertung getroffen: 87„Wer im Straßenverkehr angetroffen wird und während der Verkehrsteilnahme, auch wenn dies nur einmalig ist, an einer Haschzigarette zieht, kann zwischen dem Fahren und dem Konsum nicht trennen.“ 88Mit der rein zeitlichen Betrachtung knüpft die Empfehlung der Grenzwertkommission aber an einen sehr engen Begriff des mangelnden Trennvermögens an und schließt – wie der Sachverständige selbst konstatiert – andererseits nicht aus, dass aus juristischer Sicht auch andere Fallgestaltungen als Ausprägung des Tatbestandes des mangelnden Trennvermögens gefasst werden. 89Nur vor diesem Hintergrund erschließt sich auch der letzte Satz der Empfehlung der Grenzwertkommission, in der es heißt: 90„Eine Neubewertung des analytischen Grenzwertes von THC (1 ng/ml) gemäß der Empfehlung der Grenzwertkommission zur Anlage des § 24a Absatz 2 StVG ist nicht veranlasst.“ 91Bei dem in diesem Beschluss festgesetzten Grenzwert handelt es sich zwar in erster Linie um einen analytischen Grenzwert. Er wurde aber empfohlen, „um den Nachweis der Substanz nicht völlig von der zunächst vom Gesetzgeber implizierten Wirkung zu lösen“. 92N1. , in: Berz/Burmann (Hrsg.), Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Band 2, Kap. 15. Arzneimittel und Drogen im Straßenverkehr, C. III. 4. b) Rn. 59. 93So lässt sich auch erklären, dass der entsprechende Wert von 1 ng THC/ml Blutserum aus dem Beschluss aus dem Jahr 2002 durch die Grenzwertkommission in ihrer Empfehlung im Jahr 2007 auch in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das diesem Wert eine Aussage zur Wirkgrenze entnahm, 94BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 – 1 BvR 2652/03 –, juris Rn. 29, 95unverändert übernommen wurde. 96Dementsprechend hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung zu dem durch die Grenzwertkommission zu § 24a Abs. 2 StVG festgelegten Grenzwert ausgeführt: 97„Bei 1 ng THC/ml Blutserum handelt es ich um einen rein analytischen Wert. Die Analysemethoden könnten so verfeinert werden, dass auch ein niedrigerer Wert ermittelt werden könnte. Dies würde aber im Hinblick auf die Fragestellung keinen weiteren Sinn ergeben. Bei dem Wert von 1 ng/ml handelt es sich um eine Wirkgrenze in Bezug auf § 24a StVG. Der Wert von 1 ng/ml ist insoweit zu verstehen, dass bei dieser Menge die Möglichkeit einer Beeinträchtigung besteht, wie sie das Bundesverfassungsgericht zur verfassungskonformen Auslegung des Gesetzes für erforderlich hält.“ 98Eben diese Möglichkeit einer Beeinträchtigung ist aber in rechtlicher Hinsicht wie oben dargelegt auch für die Frage des Trennens von Cannabiskonsum und Fahren im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV maßgeblich. Der gelegentlich Cannabis konsumierende Autofahrer kann nach alledem nicht zwischen Konsum und Fahren hinreichend trennen, wenn er ein Kraftfahrzeug mit einer THC-Konzentration oberhalb eines Wertes von 1 ng/ml im Blutserum führt. 99So in Kenntnis der Empfehlung der Grenzwertkommission bereits VG Düsseldorf, Beschluss vom 24.11.2015 – 14 L 3652/15 – und VG Münster, Beschluss vom 2. Dezember 2015 – 10 L 1391/15 –. 100Dies gilt selbst dann, wenn zwischen dem Konsum und der Fahrt bereits mehrere Stunden liegen, die die Annahme nahelegen könnten, dass die Wirkungsdauer des Konsumierten nicht mehr fortbesteht. 101Vgl. bereits VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25. Mai 2010 – 9 K 3406/09 –, juris Rn. 70. 102Denn nicht ein bestimmter Zeitablauf zwischen Konsum und Fahren ist aus juristischer Sicht für das mangelnde Trennungsvermögen maßgeblich, sondern vielmehr – wie dargelegt – das Vorhandensein einer die Möglichkeit der verkehrsrelevanten Leistungseinbuße begründenden THC-Konzentration im Blutserum zum Zeitpunkt des Fahrens. 103Eine Erhöhung des Wertes ist auch im Hinblick auf die ebenfalls in der Empfehlung der Grenzwertkommission thematisierte Erforderlichkeit eines Sicherheitszuschlages nicht geboten. Begründet wird dieser mit den bei der konkreten Ermittlung des THC-Wertes einer einzelnen Blutprobe bestehenden Messwertschwankungen. 104Die entsprechende Passage in der Empfehlung lautet: 105„In empirischen Studien ist eine rechnerische Korrektur der Werte nicht erforderlich, da sich die Unsicherheiten der Einzelmessungen bei einer Gesamtbetrachtung der Daten herausmitteln. Um dagegen bei einer konkreten Einzelmessung eine Benachteiligung zu vermeiden, wäre eine Messwertschwankung von maximal 30% zu berücksichtigen. Ein nach Studienlage bestimmter Grenzwert müsste daher mit einem entsprechenden Sicherheitszuschlag belegt werden (Beispiel: nimmt man den obigen Wert von 2,0 ng THC/ml Blutserum an, so ergäbe sich rein rechnerisch eine Entscheidungsgrenze von 2,86 ng THC/ml Blutserum).“ 106Der Sachverständige hat dazu in der mündlichen Verhandlung ergänzend ausgeführt: 107„Der Sicherheitszuschlag von 30 % wird empfohlen, weil eine individuelle Blutprobe, in einem einzigen Labor untersucht, mit einer Messungenauigkeit von 30 % versehen ist. Dies führt dazu, dass erst ab einer gemessenen Konzentration von 2,86 ng/ml mit Sicherheit gesagt werden kann, dass derjenige, dem die Blutprobe entnommen wurde, eine Konzentration von mindestens 2,0 ng THC/ml Blutserum hatte.“ 108Eine Alternative wäre nach den Ausführungen des Sachverständigen, die individuellen Messunsicherheiten des jeweiligen Labors abzuziehen. 109Insofern handelt es sich bei der Frage, zu wessen Lasten entsprechende – auch bei lege artis nach den Regeln der Gesellschaft für toxikologische und forensische Chemie ermittelten Messwerten unvermeidbare – Messunsicherheiten gehen müssen, nicht um eine naturwissenschaftliche, sondern um eine wertende, originär juristische Fragestellung, die aufgrund des Normzwecks der jeweiligen Vorschrift zu beantworten ist. 110Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3/13 – ausgeführt: 111„Bei der Frage, ob solche Messungenauigkeiten einen „Sicherheitsabschlag“ erforderlich machen, handelt es sich nicht anders als bei der Bestimmung des Gefährdungsmaßstabes um eine Frage der Risikozurechnung. Es geht darum, ob die verbleibende Ungewissheit, dass der „wahre“ THC Wert nicht an der unteren sondern ebenso an der oberen Grenze dieser Schwankungsbreite liegen kann, von dem Cannabiskonsumenten, der sich nach dem Rauschmittelkonsum an das Steuer eines Kraftfahrzeugs selbst, oder aber von den anderen Verkehrsteilnehmern zu tragen ist. Da der Cannabiskonsument den Gefährdungstatbestand schafft, liegt es auf der Hand, dass die verbleibende Unsicherheit zu seinen Lasten gehen muss. Angesichts der Zielrichtung des Fahrerlaubnisrechts, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten und Gefahren für Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer soweit wie möglich auszuschließen, liegt in dieser Risikozuordnung eine verhältnismäßige Beschränkung seiner Rechte. 112Unabhängig davon darf nicht übersehen werden, dass die bei der Untersuchung von Blutproben nicht zu vermeidenden Messungenauigkeiten bereits bei der Festsetzung der analytischen Grenzwerte berücksichtigt worden sind, die die Grenzwertkommission in Bezug auf die in der Anlage zu § 24a StVG aufgeführten Liste der berauschenden Mittel und Substanzen vorgenommen hat. Im Beschluss der Grenzwertkommission vom 22. Mai 2007 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Grenzwerte einen Sicherheitszuschlag enthalten (Blutalk 2007, 311). 113Verbleibende Schwankungsbreiten selbst bei lege artis erfolgenden THC-Messungen müssen auch nicht nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zu Gunsten des Betroffenen gehen und deshalb zu einem Sicherheitsabschlag führen. Dieser für eine strafrechtliche oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Ahndung geltende Grundsatz kommt im Gefahrenabwehrrecht, dem die Fahrerlaubnis-Verordnung zuzurechnen ist, schon wegen dessen anderer Zielrichtung nicht zur Anwendung. Selbst für die strafrechtliche oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Ahndung von Fahrten unter Cannabiseinfluss geht die Rechtsprechung im Übrigen davon aus, dass der gemessene THC-Wert nicht um einen Sicherheitsabschlag zu verringern ist (…).“ 114Diesen Ausführungen, die in Übereinstimmung mit der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen stehen, 115vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 1. August 2014 – 16 A 2806/13 –, juris Rn. 61 ff. m.w.N., 116schließt sich die erkennende Kammer vollumfänglich an. 117Hinzu kommt die Überlegung, dass üblicherweise in der Zeit zwischen der Beendigung der Fahrt durch eine Polizeikontrolle und der Blutentnahme – und erst Recht zwischen dem eigentlich relevanten Fahrtantritt und der Blutentnahme – eine deutliche Verringerung der THC-Messwerte eintritt. Wenngleich der Substanzabbau bei Cannabis im jeweiligen Einzelfall nicht konkret berechnet werden kann, steht doch außer Frage, dass er stattfindet und sich zugunsten des betroffenen Fahrerlaubnisinhabers auswirkt. Soweit sich die Messungenauigkeiten zu Lasten des Betroffenen auswirken, wird dies durch diesen Umstand jedenfalls in gewissem Umfang wieder relativiert. 118Vgl. dazu auch OVG NRW, Urteil vom 1. August 2014 – 16 A 2806/13 –, juris Rn. 67. 119Nach alledem hat der Kläger durch seine Fahrt unter Cannabiseinfluss am 3. August 2015 belegt, dass er nach dem vorgenannten Maßstab nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen kann. Dass der Kläger unter der Wirkung von Cannabis ein Fahrzeug geführt hat, folgt aus dem rechtsmedizinischen Gutachten vom 13. August 2015, aus dem sich ergibt, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Blutentnahme am 3. August 2015 unter THC-Einfluss stand. Das toxikologische Gutachten hat für die dem Kläger entnommene Blutprobe eine THC-Konzentration von 1,9 ng/ml Blutserum ergeben. 120Da ein Kleinkraftrad ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 1 Abs. 2 StVG ist, genügt das Fahren eines solchen Fahrzeugs für den Beweis des fehlenden Trennungsvermögens. 121Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. März 2014 – 16 B 264/14 -, juris Rn. 11. 122Zwar gelten die in der Anlage 4 zur FeV vorgenommenen Bewertungen nach Maßgabe der Vorbemerkung Nr. 3 Satz 1 (nur) für den Regelfall. Ein Ausnahmefall, der ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen könnte, liegt hier jedoch nicht vor. Es obliegt im Einzelfall dem Rechtsschutzsuchenden, solche Tatsachen geltend zu machen. 123Vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 30. Juni 2003 – 1 B 206/03 –, juris Rn 7; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Mai 2002 – 10 S 835/02 –, juris Rn 6. 124Dies ist hier nicht erfolgt. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich. 125Für eine Wiedererlangung der Fahreignung im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides ist nichts ersichtlich. 126Ein Ermessen stand der Beklagten gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG nicht zu, sodass entsprechende Erwägungen zu Recht unterblieben sind. 127Die in dem Bescheid enthaltene Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG. Die zugehörige Zwangsgeldandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. 128Die Festsetzung der Gebühren und Auslagen ist ebenfalls rechtmäßig. Die Gebührenfestsetzung findet ihre Grundlage in § 6a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StVG i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt). Die Verwaltungsgebühr in Höhe von 150,- € hält sich in dem von § 1 Abs. 1 GebOSt i.V.m. Nr. 206 der Anlage zu § 1 GebOSt gesetzten Rahmen von 33,20 € bis 256,- €. Die Auslagen in Form von Zustellkosten in Höhe von 3,45 € sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt von dem Kläger zu tragen. 129Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. 130Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Absatz 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO). | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2der am 6. februar 1998 geborene kläger war inhaber einer fahrerlaubnis zum führen von kraftfahrzeugen der klasse b. 3am 3. august 2015 wurde er gegen 14:30 uhr im rahmen einer allgemeinen verkehrskontrolle in c. angehalten und überprüft. er war mit einem kleinkraftrad unterwegs. nach erfolgter belehrung gab er nach dem polizeilichen protokoll an, dass er vor zwei tagen das letzte mal cannabis konsumiert habe. zur überprüfung der kraftfahrtauglichkeit wurde um 16:20 uhr eine blutprobe unter der nummer °°-°°°°° entnommen. 4diese blutprobe wurde durch das labor °°°°°, gbr, in c1. t. forensisch-toxikologisch untersucht. das unter dem 13. august 2015 erstattete gutachten ergab eine tetrahydrocannabinol- (thc-) konzentration von 1,9 ng/ml blutserum, eine 11-hydroxy-tetrahydrocannabinol- (11 oh-thc-) konzentration von 1,0 ng/ml blutserum sowie einen tetrahydrocannabinolcarbonsäure- (thc-cooh-)wert von 48 ng/ml blutserum. 5zur beurteilung wurde in dem gutachten ausgeführt: der nachweis von thc und seinen metaboliten sei beweisend für einen kürzlich erfolgten cannabis-abusus. der proband habe somit zum zeitpunkt der blutentnahme und folglich auch zum vorfallszeitpunkt nachweislich unter dem einfluss von cannabis-produkten gestanden. für den tatzeitpunkt sei eine fahrt unter dem einfluss von cannabis im sinne des § 24a stvg anzunehmen. 6hierauf entzog die beklagte dem kläger – nach vorangehender anhörung unter dem 26. august 2015 – mit ordnungsverfügung vom 13. oktober 2015 unter anordnung der sofortigen vollziehung seine fahrerlaubnis und forderte ihn unter androhung eines zwangsgeldes von 250,00 € auf, seine prüfbescheinigung (bf17) bis zum 29. oktober 2015 bei ihr abzuliefern. gleichzeitig wurde eine gebühr i.h.v. 153,45 € festgesetzt. 7zur begründung bezieht sie sich auf die im toxikologischen gutachten der labor °°°°°, gbr, festgestellten werte und führt dazu aus: nach einer untersuchung von n. n1. habe sich bestätigt, dass bei messwerten unterhalb von 1 ng thc/ml im serum keine messbaren leistungseinschränkungen mehr vorlägen. damit sei erwiesen, dass der von der grenzwertkommission, die eine beeinträchtigung der kraftfahrtauglichkeit ab einem messwert von 1 ng/ml als gegeben ansehe, korrekt sei. die unter cannabis-einfluss entstehenden leistungseinschränkungen seien grundsätzlich nicht mit dem sicheren fahren eines kraftfahrzeugs zu vereinbaren. nach ziffer 9.2 der anlage 4 zu § 11 der fahrerlaubnisverordnung sei selbst ein gelegentlicher cannabisgebrauch nur dann in verkehrsbezogener hinsicht unproblematisch, wenn u.a. konsum und fahren eindeutig getrennt würden. durch die fahrt am 3. august 2015 unter drogeneinfluss habe der kläger nachgewiesen, dieser anforderung nicht zu entsprechen. er sei damit nicht zum führen von kraftfahrzeugen geeignet und ihm sei die fahrerlaubnis zu entziehen. ein erstkonsum von cannabisprodukten sei nicht gegeben und auch nicht geltend gemacht. bei einem erstkonsumenten seien thc-werte nur ca. 6 stunden nachweisbar. 8der kläger stellte unter dem 26. oktober 2015 einen antrag auf einstweiligen rechtsschutz. am selben tag hat er klage erhoben. 9zur begründung seiner klage führt er aus: soweit in der ordnungsverfügung auf untersuchungen aus dem jahr 2006 verwiesen werde, werde dem entgegengetreten. ein wissenschaftliches experiment der universität mainz habe gezeigt, dass auch passivrauchen von cannabis zur fahruntüchtigkeit führen könne. bei passivrauchern sei eine konzentration von 6,3 ng/ml gemessen worden, also deutlich oberhalb dessen, was bei ihm gemessen worden sei. einem fahrzeughalter, der unbewusst cannabis zu sich genommen habe, könne nicht ohne weiteres vorgehalten werden, charakterlich zum führen eines kraftfahrzeugs im öffentlichen straßenverkehr ungeeignet zu sein. er bestreitet – vorgetragen erstmals in der mündlichen verhandlung -, gegenüber der polizei gesagt zu haben, dass er das letzte mal vor zwei tagen konsumiert habe. 10der kläger beantragt, 11den bescheid der beklagten vom 13. oktober 2015 aufzuheben. 12die beklagte beantragt, 13die klage abzuweisen. 14sie vertieft zur begründung die ausführungen der ordnungsverfügung: nach dem ermittelten thc-wert stehe fest, dass der kläger unter der wirkung von cannabis ein kraftfahrzeug geführt habe. davon könne ab einem wert von 1,0 ng/ml ausgegangen werden. auch ein sicherheitsabschlag sei nicht vorzunehmen. es stehe zudem fest, dass der kläger gelegentlich (also mindestens zweimal) cannabis konsumiert habe. auf den eingeräumten konsum zwei tage vor der verkehrskontrolle, könnten die ermittelten werte nicht zurückgeführt werden, wenn es tatsächlich der erste konsum gewesen sein sollte. thc-konzentrationen oberhalb von 1 ng/ml könnten sich nach dem stand der wissenschaft nach mehr als einem tag nur dann ergeben, wenn der betroffene vorher durch regelmäßigen/täglichen konsum thc-speicher im blut aufgebaut habe. da aufgrund der einlassung des klägers somit ein gelegentlicher konsum belegt sei und darüber hinaus auch das erforderliche trennungsvermögen fehle, sei die fahrerlaubnis zwingend zu entziehen gewesen. die ausführungen zum passivkonsum hätten keinen bezug zum vorliegenden fall; ein passivkonsum werde vom kläger auch nicht behauptet. 15mit beweisbeschluss vom 9. dezember 2015 hat die kammer die einholung eines mündlichen sachverständigengutachtens durch den sachverständigen professor dr. u. e. angeordnet. wegen des ergebnisses wird auf das protokoll der mündlichen verhandlung vom 20. januar 2016 bezug genommen. 16 | 17die klage hat keinen erfolg. der angefochtene bescheid ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten, § 113 abs. 1 satz 1 der verwaltungsgerichtsordnung (vwgo). 18die ordnungsverfügung vom 13. oktober 2015 findet ihre rechtsgrundlage in § 3 abs. 1 satz 1 des straßenverkehrsgesetzes – stvg – in verbindung mit § 46 abs. 1 satz 1 der fahrerlaubnisverordnung – fev –. danach hat die fahrerlaubnisbehörde die fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren inhaber als ungeeignet zum führen von kraftfahrzeugen erweist. ungeeignet ist u.a. derjenige, der die notwendigen körperlichen oder geistigen voraussetzungen nicht erfüllt (vgl. § 2 abs. 4 satz 1 stvg). dies ist nach § 46 abs. 1 satz 2 fev insbesondere der fall, wenn erkrankungen oder mängel nach den anlagen 4, 5 oder 6 fev vorliegen, welche die eignung zum führen von kraftfahrzeugen ausschließen. 19die fehlende eignung des klägers zum führen von kraftfahrzeugen ergibt sich aus nr. 9.2.2 der anlage 4 zur fev. danach ist derjenige als ungeeignet zum führen von kraftfahrzeugen anzusehen, der gelegentlich cannabis konsumiert und nicht zwischen konsum und fahren trennen kann. 20der kläger ist gelegentlicher cannabiskonsument und kann nicht zwischen konsum und dem führen eines kraftfahrzeuges trennen. 21ein gelegentlicher konsum von cannabis erfordert mehr als nur einen einmaligen konsum, ist aber bereits bei zwei selbständigen konsumvorgängen anzunehmen, sofern diese einen gewissen auch zeitlichen zusammenhang aufweisen. 22vgl. bverwg, urteil vom 23. oktober 2014 – 3 c 3/13 –, juris rn. 19 ff. m.w.n.; ovg nrw, beschluss vom 18. februar 2014 – 16 b 116/14 –, juris rn. 3. 23der kläger hat bei der verkehrskontrolle ausweislich des polizeilichen protokolls angegeben, vor zwei tagen das letzte mal cannabis konsumiert zu haben; diese aussage hat er erstmalig in der mündlichen verhandlung bestritten. der kläger hat aber weder dargelegt, weshalb die im polizeilichen protokoll dokumentierte aussage unzutreffend sein soll, noch hat er andere angaben zu seinem konsumverhalten und zur erklärung der gemessenen toxikologischen werte gemacht. insofern bestehen keine anhaltpunkte dafür, dass die im protokoll festgehaltene aussage so nicht getätigt wurde. mangels substantiierten bestreitens muss sich der kläger an ihr festhalten lassen. der sachverständige hat ausgeführt, die ermittelten werte seien auf grundlage der angabe, vor zwei tagen das letzte mal konsumiert zu haben, nur dann plausibel, wenn bis dahin regelmäßig konsumiert worden sei. die gemessenen werte sprächen für einen jedenfalls gelegentlichen konsum. demgegenüber hat der kläger bis zuletzt in keiner weise substantiiert umstände vorgetragen, die darauf schließen ließen, dass lediglich ein einmaliger probekonsum vorgelegen haben könnte. 24der kläger hat auch nicht im sinne der nr. 9.2.2 der anlage 4 zur fev zwischen dem konsum von cannabis und dem führen eines kraftfahrzeugs getrennt. 25in dieser fehlenden trennung liegt ein die fahreignung ausschließender charakterlich-sittlicher mangel. er ist darin zu sehen, dass der fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom führen eines kraftfahrzeugs im öffentlichen straßenverkehr abzusehen. 26bverfg, beschluss vom 20. juni 2002 – 1 bvr 2062/96 –, juris rn. 49; bverwg, urteil vom 23. oktober 2014 – 3 c 3/13 – juris rn. 29 f. 27dabei ist für die verwirklichung des merkmals des unzureichenden trennungsvermögens im sinne von nr. 9.2.2 der anlage 4 zur fev nicht auf ein subjektives element – wie die persönliche wahrnehmung des betroffenen von seiner eigenen leistungsfähigkeit – abzustellen. vielmehr ist entscheidend, ob der betroffene objektiv unter dem einfluss einer cannabiskonzentration am straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das risiko von beeinträchtigungen erhöht, die negative auswirkungen auf die verkehrssicherheit haben. 28ovg nrw, urteil vom 1. august 2014 – 16 a 2806/13 –, juris rn. 23; bayer. vgh, beschluss vom 25. januar 2006 – 11 cs 05.1711 -, juris rn. 16. 29daraus folgt zugleich, dass nicht jede bei einem kraftfahrzeugführer festgestellte thc-konzentration die annahme fehlender trennung im sinne von nr. 9.2.2 der anlage 4 zur fev rechtfertigt. 30festgestellt werden muss eine thc-konzentration, die es entsprechend dem charakter der vorschrift als eines abstrakten gefährdungsdelikts als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte kraftfahrzeugführer am straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. 31vgl. bverfg, beschluss vom 21. dezember 2004 – 1 bvr 2652/03 –, juris rn. 29 (zu § 24a abs. 2 stvg), ovg nrw, urteile vom 1. august 2014 – 16 a 2806/13 -, juris rn. 27 und vom 21. märz 2013 – 16 a 2006/12 –, juris rn. 32; vgh baden-württemberg, urteil vom 22. november 2012 – 10 s 3174/11 –, juris rn. 30, 43 ff. 32das entspricht dem verfassungsrechtlichen erfordernis, beschränkungen der allgemeinen handlungsfreiheit – zu der auch der genuss hoher individueller mobilität zählt, wie sie das führen von kraftfahrzeugen vermittelt – nur als verfassungsrechtlich unbedenklich zu bewerten, wenn sie zum schutz des rechtsguts nicht nur geeignet und erforderlich sind, sondern auch zur art und intensität der rechtsgütergefährdung in einem angemessenen verhältnis stehen. es muss daher eine hinreichende gefahr vorliegen, die eine eingeschränkte fahrtüchtigkeit des fahrerlaubnisinhabers als nahe liegend erscheinen lässt. 33ovg nrw, urteile vom 1. august 2014 – 16 a 2806/13 –, juris rn. 29 und vom 21. märz 2013 – 16 a 2006/12 –, juris rn. 30, jeweils unter verweis auf bverfg, beschluss vom 20. juni 2002 – 1 bvr 2652/03 –, juris rn. 39 und 51. 34dabei dürfen an die wahrscheinlichkeit eines schadenseintritts umso geringere anforderungen gestellt werden, je gewichtiger die bedrohten rechtsgüter sind. bei der teilnahme am straßenverkehr stehen gefahren für das leben, die gesundheit und das eigentum und damit hochwertige rechtsgüter anderer bürger in frage. 35vgl. im einzelnen bereits vg gelsenkirchen, urteil vom 25. mai 2010 – 9 k 3406/09 –, juris rn. 73 ff. 36in bezug auf den zugrundezulegenden gefährdungsmaßstab ist damit eine derartige trennung zu fordern, bei der eine beeinträchtigung der verkehrsrelevanten eigenschaften durch die vorangegangene einnahme von cannabis unter keinen umständen eintreten kann. bereits die möglichkeit einer cannabisbedingten beeinträchtigung der fahrsicherheit muss ausgeschlossen sein; eine signifikante erhöhung des unfallrisikos ist nicht zu fordern. 37bverwg, urteil vom 30. oktober 2014 – 3 c 3/13 –, juris rn. 32 f.; vgh baden-württemberg, urteil vom 22. november 2012 – 10 s 3174/11 –, juris rn. 43 ff. 38hat der betroffene in der vergangenheit ein kraftfahrzeug unter einem thc-pegel geführt, bei dem eine beeinträchtigung seiner fahrsicherheit möglich war, rechtfertigt das nach der der nr. 9.2.2 der anlage 4 zur fev zu grunde liegenden wertung zugleich zweifel daran, dass er künftig stets die gebotene trennung von cannabiskonsum und fahren beachten wird; das wiederum führt zur verneinung seiner fahreignung. 39bverwg, urteil vom 30. oktober 2014 – 3 c 3/13 –, juris rn. 33. 40das vom normgeber zu recht verfolgte ziel, risiken für die sicherheit des straßenverkehrs durch cannabiskonsum unter beachtung des verhältnismäßigkeitsgrundsatzes soweit wie möglich auszuschließen, ist auch für die bestimmung des im rahmen der nr. 9.2.2 der anlage 4 maßgeblichen thc-grenzwertes von bedeutung. abzustellen ist daher darauf, ab welchem thc-wert eine cannabisbedingte beeinträchtigung der fahrtüchtigkeit möglich ist oder – negativ formuliert – nicht mehr ausgeschlossen werden kann; insoweit handelt es sich um einen risikogrenzwert. 41bverwg, urteil vom 30. oktober 2014 – 3 c 3/13 –, juris rn. 37. 42die rechtsprechung – einschließlich der der erkennenden kammer – hat bislang den thc-wert, bei welchem eine solche beeinträchtigung nicht mehr sicher ausgeschlossen werden kann, in auswertung der medizinisch-toxikologischen studien überwiegend mit 1 ng/ml blutserum festgelegt. 43vgl. bverfg, urteil vom 21. dezember 2004 – 1 bvr 2652/03 -, juris rn. 29 (zu § 24a stvg); vgh baden-württemberg, urteil vom 22. november 2012 – 10 s 3174/11 –, juris rn. 47 ff., nicht beanstandet durch bverwg, urteil vom 30. oktober 2014 – 3 c 3/13 –, juris rn. 39; ovg nrw, urteile vom 1. august 2014 – 16 a 2806/13 –, juris rn. 31 und vom 21. märz 2013 – 16 a 2006/12 –, juris rn. 34 ff., jeweils m.w.n., beschlüsse vom 5. februar 2015 – 16 b 8/15 –, juris rn. 5 f., vom 4. januar 2012 – 16 a 2075/11 –, juris rn. 15 und vom 22. mai 2012 – 16 b 536/12 –, juris rn. 5 ff., jeweils m.w.n.; ovg thüringen, beschluss vom 6. september 2012 – 2 eo 37/11 –, juris rn. 16 ff.; ovg bremen, beschluss vom 20. juli 2012 – 2 b 341/11 –, juris rn. 14 ff.; ovg hamburg, beschluss vom 15. dezember 2005 – 3 bs 214/05 –, juris rn. 20; vgh baden-württemberg, beschluss vom 27. märz 2006 – 10 s 2519/05 –, juris rn. 7; ovg schleswig-holstein, urteil vom 17. februar 2009 – 4 lb 61/08 –, juris rn. 35 f.; ovg berlin-brandenburg, beschluss vom 16. juni 2009 – 1 s 17.09 –, juris rn. 6; nieders. ovg, beschluss vom 11. juli 2003 – 12 me 287/03 –, juris rn. 7; a.a. (erst ab 2 ng thc/ml blutserum) bayer. vgh, beschlüsse vom 11. november 2004 – 11 cs 04.2348 –, juris rn. 16 und vom 25. januar 2006 – 11 cs 05.1711 –, juris rn. 45, offengelassen bei ovg mecklenburg-vorpommern, beschluss vom 19. dezember 2006 – 1 m 142/06 –, juris rn. 18. 44grundlage dieser rechtsprechung war insbesondere der beschluss der sog. grenzwertkommission vom 20. november 2002 – aktualisiert durch beschluss vom 22. mai 2007, 45veröffentlicht in blutalkohol 44 (2007), 311 – 46zu § 24a abs. 2 stvg, wonach der grenzwert für die annahme einer ordnungswidrigkeit nach § 24a abs. 2 stvg für thc bei 1,0 ng/ml im blutserum liegt. 47vorliegend war eine erneute überprüfung dieses grenzwertes geboten, da die grenzwertkommission – eine fachübergreifende mit wissenschaftlern aus den fachgesellschaften der deutschen gesellschaft für rechtsmedizin (dgrm), der deutschen gesellschaft für verkehrsmedizin (dgvm) und der gesellschaft für toxikologische und forensische chemie (gtfch) besetzte arbeitsgruppe beim bundesministerium für verkehr – in ihrer empfehlung aus september 2015, 48veröffentlicht in blutalkohol 52 (2015), 322 f., 49konkret in bezug auf die feststellung des trennvermögens von cannabiskonsum und fahren i.s.d. nr. 9.2.2 der anlage 4 zur fev ausgeführt hat: 50„die grenzwertkommission empfiehlt (…) bei feststellung einer thc-konzentration von 3,0 ng/ml oder mehr im blutserum bei gelegentlich cannabis konsumierenden personen eine trennung von konsum und fahren im sinne von nr. 9.2.2 der anlage 4 zur fev zu verneinen.“ 51nach einholung des vom vorsitzenden der grenzwertkommission in der mündlichen verhandlung erstatteten gutachtens geht das gericht weiterhin vom risikogrenzwert von 1 ng thc/ml blutserum aus. 52im hinblick auf den oben dargelegten rechtlichen maßstab, ist eine erhöhung des risikogrenzwertes nicht erforderlich. der empfehlung der grenzwertkommission ist nicht die wissenschaftlich gesicherte aussage zu entnehmen, dass es unterhalb des grenzwertes von 3 ng thc/ml blutserum nicht zu einer cannabisbedingten beeinträchtigung verkehrssicherheitsrelevanter fähigkeiten kommen kann. 53bezüglich der neuen empfehlung der grenzwertkommission hat der sachverständige in der mündlichen verhandlung ausgeführt: sie beruhe nicht auf grundlegenden neuen wissenschaftlichen erkenntnissen. ihr lägen aber neue wissenschaftliche auswertungen zugrunde. 54anlass für die empfehlung sei vielmehr das urteil des bundesverwaltungsgerichts vom 23. oktober 2014 – 3 c 3/13 – gewesen. man habe sich aus wissenschaftlicher sicht zu zwei (vgl. im folgenden a) und b)) diesem urteil zugrunde liegenden annahmen äußern wollen. 55a) zum einen sei es um eine korrektur der lesart der sog. maastricht-i-studie gegangen. 56der sachverständige hat dazu ausgeführt: 57„aufgrund der sog. maastricht-studie kann bei dem wert von 2,0 ng thc/ml blutserum gesagt werden, dass es bei bestimmten verkehrsrelevanten parametern zu einer signifikanten verschlechterung der leistung kommt. andere studien sind zu anderen, insbesondere höheren werten gekommen. auch bei gemessenen werten von unter 2 ng thc/ml blutserum ist es nicht ausgeschlossen, dass es zu einer cannabisbedingten beeinträchtigung der fahrsicherheit kommt. die empfehlung der grenzwertkommission sollte insofern mit der nennung des wertes von 2 ng thc/ml blutserum als wert für die früheste wirkung lediglich die lesart der sog. maastricht-studie durch das bundesverwaltungsgericht korrigieren.“ 58zu dieser studie hat er erläutert: 59„es kann bei einem thc-wert unterhalb von 2,0 ng thc/ml blutserum nicht festgestellt werden, ob durch diese einwirkung das leistungsverhalten des betroffenen sich verschlechtert hat. dies beruht auf dem umstand, dass auch ein placebokonsument fehler in einem umfang machen kann, der sich von der fehlerrate eines konsumenten von thc, dessen konzentration unterhalb von 2 ng thc/ml blutserum liegt, nicht unterscheidet.“ 60vor diesem hintergrund liegt der maßgebliche aussagegehalt der passage 61„eine leistungseinbuße ließ sich in experimentellen studien frühestens ab 2 ng thc/ml serum nachweisen …“ 62in der empfehlung der grenzwertkommission darin, dass unterhalb dieses wertes aufgrund der sog. maastricht-i-studie leistungseinbußen nach naturwissenschaftlichen standards nicht nachgewiesen sind. 63dies deckt sich mit den zusammenfassungen der ergebnisse der studie selbst durch die beteiligten wissenschaftler: 64„bei werten von 5-30 ng/ml waren signifikante beeinträchtigungen der probanden in allen tests feststellbar. im bereich von 2-5 ng/ml waren signifikante beeinträchtigungen nur noch im feinmotorischen test (cct) messbar. zwischen 1-2 ng/ml waren beeinträchtigungen im feinmotorischen bereich auch hier nicht mehr signifikant. (…) beim cct war unter 2 ng/ml lediglich noch eine nicht signifikante tendenz zu einer beeinträchtigung zu erkennen. unter 1 ng/ml ließen sich keine unterschiede in der leistung zwischen thc-konsum und placebo feststellen.“ 65n1. /kauert/tönnes/schneider/theunissen/ramaekers, leistungsverhalten und toxikokinetik der cannabinoide nach inhalativer marihuanaaufnahme, in: blutalkohol 43 (2006), 361, 368; sowie n1. , in: berz/burmann (hrsg.), handbuch des straßenverkehrsrechts, band 2, kap. 15. arzneimittel und drogen im straßenverkehr, b. ii. 4. g) aa) rn. 142. 66demnach ist bei unter 2 ng thc/ml blutserum eine beeinträchtigung nicht ausgeschlossen. 67es ist jedenfalls wissenschaftlich umstritten, ab welchem grenzwert von einer beeinträchtigung der leistungsfähigkeit ausgegangen werden kann. dies beruht insbesondere darauf, dass gesicherte erfahrungswerte zu dosis-blutkonzentrations-wirkungsbeziehungen für drogen – insbesondere thc – durch die medizinisch-naturwissenschaftliche forschung derzeit nicht bereitgestellt werden können. so ist es trotz mehrfacher forschungsaufträge bislang nicht gelungen, aus wissenschaftlicher sicht einen grenzwert für die absolute fahruntüchtigkeit festzulegen. im umkehrschluss heißt dies aber auch, dass eben die möglichkeit einer beeinträchtigung schon oberhalb eines grenzwertes von 1 ng thc/ml im blutserum nicht sicher ausgeschlossen werden kann. 68vgl. dazu n1. , in: berz/burmann (hrsg.), handbuch des straßenverkehrsrechts, band 2, kap. 15. arzneimittel und drogen im straßenverkehr, c. iii. 4. b) rn. 32 und 59 („auch wirkgrenzen nach unten nicht sicher definierbar“)¸ sowie allgemeiner maatz, fahrtüchtigkeit nach drogenkonsum, blutalkohol 43 (2006), 451 ff.; vgl. auch die umfassenden ausführungen in vgh baden-württemberg, urteil vom 22. november 2012 – 10 s 3274/11 –, juris rn. 41, 47 ff. 69in auswertung der sog. maastricht-i-studie stellt beispielsweise n1. zu dem vorschlag, gesetzlich in § 24a abs. 1 stvg einen grenzwert für ordnungswidriges handeln bei 5 ng/ml festzuschreiben, fest: 70„hierbei wurde nicht berücksichtigt, dass bei gelegenheitskonsumenten durchaus die fahrtüchtigkeit beeinträchtigende wirkungen bei thc-konzentrationen auftreten können, die im bereich von 1-2 ng/ml liegen und im bereich von 2-5 ng/ml signifikant sind. ein unterer grenzwert sollte daher in jedem fall bei 1 ng/ml liegen.“ 71n1. , in: berz/burmann (hrsg.), handbuch des straßenverkehrsrechts, band 2, kap. 15. arzneimittel und drogen im straßenverkehr, b. ii. 4. g) dd) rn. 158a. 72in dieselbe richtung geht die äußerung des sachverständigen in der mündlichen verhandlung: 73„wie auch bereits bei meinen ausführungen zum beschluss der grenzwertkommission zu § 24a stvg dargelegt, ist unter umständen auch bereits bei 1 ng thc/ml blutserum eine cannabisbedingte verkehrssicherheitsrelevante leistungseinbuße nicht ausgeschlossen.“ 74b) die zweite zentrale aussage der empfehlung der grenzwertkommission ist nach den ausführungen des sachverständigen, dass bei einem wert von 1 ng thc/ml blutserum nicht zwingend darauf geschlossen werden könne, dass der letzte konsum innerhalb weniger stunden erfolgt sei. er hat hierzu in der mündlichen verhandlung erklärt: 75„bezüglich des sachverhalts, der der entscheidung des bundesverwaltungsgerichts 3 c 3/13 zugrunde lag, ist darauf hinzuweisen, dass die aussage des konsumenten, der angibt, vor 24 stunden letztmalig konsumiert zu haben, und bei dem die blutuntersuchung ergibt, dass noch thc im blut von über 1 ng/ml vorhanden ist, nicht zwingend die schlussfolgerung erlaubt, dass es einen weiteren konsumakt zwischen dem zugestandenen konsum und der abnahme der blutprobe gegeben haben muss. dies hängt im wesentlichen davon ab, wie hoch konzentriert/dosiert der einen tag zuvor aufgenommene wirkstoff war.“ 76erläuternd hat der sachverständige hierzu erklärt, dass aufgrund der halbwertzeiten, die im laufe des abbauprozesses stetig höher würden und am ende auf bis zu 24 stunden ansteigen könnten, zwar 2 ng thc/ml blutserum relativ schnell unterschritten würden, gerade im bereich von 1 ng thc/ml blutserum die kurve aber sehr lang quasi parallel zu diesem wert verlaufen könnte. das zeitfenster sei dementsprechend nicht so eng zu setzen. selbst bei einem „normalen joint“ müssten 24 stunden angesetzt werden, um sicher zu sein, dass der wert wieder unter 1 ng thc/ml blutserum liege. 77die zweite maßgebliche aussage der empfehlung der grenzwertkommission betrifft nach diesen ausführungen also die frage, aus welchem thc-wert – jedenfalls beim gelegentlichen konsumenten – auf einen zeitnahen cannabiskonsum geschlossen werden kann. darauf aufbauend hat die grenzwertkommission dann den grenzwert von 3 ng thc/ml blutserum vorgeschlagen, bei dessen vorliegen auf mangelndes trennungsvermögen im sinne der nichteinhaltung ausreichender wartezeiten geschlossen werden könne. 78dieses auf die einhaltung ausreichender wartezeiten zwischen konsum und fahrtantritt abstellende verständnis von trennvermögen hat sie auch im zweiten satz des ersten absatzes ihrer empfehlung vorangestellt. dort heißt es: 79„als voraussetzung für die fahreignung gelegentlicher cannabiskonsumenten wird die einhaltung ausreichender wartezeiten zwischen konsum und fahrtantritt gefordert (trennungsvermögen, vgl. nr. 9.2.2 der anlage 4 zur fev).“ 80dazu hat der sachverständige in der mündlichen verhandlung ausgeführt: 81„wenn das trennvermögen so definiert wird, dass ein solches nicht vorliegt, wenn nach 4 bis 6 std. abstinenz ein bestimmter grenzwert immer noch nicht unterschritten ist, so müsste dieser auf 3 ng thc/ml blutserum festgesetzt werden. dies entspricht der empfehlung der grenzwertkommission.“ 82„die grenzwertkommission ist nicht dazu berufen, den begriff des trennens zu definieren. wir haben in unserer empfehlung das verständnis vom trennungsvermögen aus der entscheidung des bundesverwaltungsgerichts 3 c 3/13 herausgelesen. unter zugrundlegung dieses verständnisses haben wir dann unsere empfehlung herausgegeben. bei einer anderen definition könnte es beim wert von 1 ng thc/ml blutserum verbleiben.“ 83und weiter: 84„bereits bei 1 ng thc/ml blutserum kann es zu einer verkehrsbeeinträchtigung kommen. bezüglich des fehlenden trennvermögens stellt die grenzwertkommission hingegen auf 3 ng thc/ml blutserum ab. läge ein trennen von konsum und fahren dann noch vor, wenn der fahrer damit rechnen muss bzw. kann, dass noch wirkaktives thc in seinem körper ist, dann würde derselbe grenzwert wie der, der für § 24a stvg von der grenzwertkommission festgelegt wurde, gelten.“ 85daraus folgt für die juristische bewertung einerseits, dass in fällen, bei denen lediglich ein gelegentlicher konsum vorliegt und eine konzentration von 3 ng thc/ml blutserum oder mehr gemessen wird, vom fahren unter einer akuten rauschwirkung, in der leistungseinbußen wissenschaftlich unbestritten sind, ausgegangen werden kann. zugleich wird in diesen fällen auch von einer subjektiv vorwerfbar kurzen wartezeit zwischen konsum und fahrantritt auszugehen sein, sodass diese fälle schon nach dem alltäglichen wortverständnis unschwer unter den begriff des mangelnden trennens gefasst werden können. 86exemplarisch hat der sachverständige insofern auf nachfrage folgende bewertung getroffen: 87„wer im straßenverkehr angetroffen wird und während der verkehrsteilnahme, auch wenn dies nur einmalig ist, an einer haschzigarette zieht, kann zwischen dem fahren und dem konsum nicht trennen.“ 88mit der rein zeitlichen betrachtung knüpft die empfehlung der grenzwertkommission aber an einen sehr engen begriff des mangelnden trennvermögens an und schließt – wie der sachverständige selbst konstatiert – andererseits nicht aus, dass aus juristischer sicht auch andere fallgestaltungen als ausprägung des tatbestandes des mangelnden trennvermögens gefasst werden. 89nur vor diesem hintergrund erschließt sich auch der letzte satz der empfehlung der grenzwertkommission, in der es heißt: 90„eine neubewertung des analytischen grenzwertes von thc (1 ng/ml) gemäß der empfehlung der grenzwertkommission zur anlage des § 24a absatz 2 stvg ist nicht veranlasst.“ 91bei dem in diesem beschluss festgesetzten grenzwert handelt es sich zwar in erster linie um einen analytischen grenzwert. er wurde aber empfohlen, „um den nachweis der substanz nicht völlig von der zunächst vom gesetzgeber implizierten wirkung zu lösen“. 92n1. , in: berz/burmann (hrsg.), handbuch des straßenverkehrsrechts, band 2, kap. 15. arzneimittel und drogen im straßenverkehr, c. iii. 4. b) rn. 59. 93so lässt sich auch erklären, dass der entsprechende wert von 1 ng thc/ml blutserum aus dem beschluss aus dem jahr 2002 durch die grenzwertkommission in ihrer empfehlung im jahr 2007 auch in kenntnis der rechtsprechung des bundesverfassungsgerichts, das diesem wert eine aussage zur wirkgrenze entnahm, 94bverwg, beschluss vom 21. dezember 2004 – 1 bvr 2652/03 –, juris rn. 29, 95unverändert übernommen wurde. 96dementsprechend hat der sachverständige in der mündlichen verhandlung zu dem durch die grenzwertkommission zu § 24a abs. 2 stvg festgelegten grenzwert ausgeführt: 97„bei 1 ng thc/ml blutserum handelt es ich um einen rein analytischen wert. die analysemethoden könnten so verfeinert werden, dass auch ein niedrigerer wert ermittelt werden könnte. dies würde aber im hinblick auf die fragestellung keinen weiteren sinn ergeben. bei dem wert von 1 ng/ml handelt es sich um eine wirkgrenze in bezug auf § 24a stvg. der wert von 1 ng/ml ist insoweit zu verstehen, dass bei dieser menge die möglichkeit einer beeinträchtigung besteht, wie sie das bundesverfassungsgericht zur verfassungskonformen auslegung des gesetzes für erforderlich hält.“ 98eben diese möglichkeit einer beeinträchtigung ist aber in rechtlicher hinsicht wie oben dargelegt auch für die frage des trennens von cannabiskonsum und fahren im sinne der nr. 9.2.2 der anlage 4 zur fev maßgeblich. der gelegentlich cannabis konsumierende autofahrer kann nach alledem nicht zwischen konsum und fahren hinreichend trennen, wenn er ein kraftfahrzeug mit einer thc-konzentration oberhalb eines wertes von 1 ng/ml im blutserum führt. 99so in kenntnis der empfehlung der grenzwertkommission bereits vg düsseldorf, beschluss vom 24.11.2015 – 14 l 3652/15 – und vg münster, beschluss vom 2. dezember 2015 – 10 l 1391/15 –. 100dies gilt selbst dann, wenn zwischen dem konsum und der fahrt bereits mehrere stunden liegen, die die annahme nahelegen könnten, dass die wirkungsdauer des konsumierten nicht mehr fortbesteht. 101vgl. bereits vg gelsenkirchen, urteil vom 25. mai 2010 – 9 k 3406/09 –, juris rn. 70. 102denn nicht ein bestimmter zeitablauf zwischen konsum und fahren ist aus juristischer sicht für das mangelnde trennungsvermögen maßgeblich, sondern vielmehr – wie dargelegt – das vorhandensein einer die möglichkeit der verkehrsrelevanten leistungseinbuße begründenden thc-konzentration im blutserum zum zeitpunkt des fahrens. 103eine erhöhung des wertes ist auch im hinblick auf die ebenfalls in der empfehlung der grenzwertkommission thematisierte erforderlichkeit eines sicherheitszuschlages nicht geboten. begründet wird dieser mit den bei der konkreten ermittlung des thc-wertes einer einzelnen blutprobe bestehenden messwertschwankungen. 104die entsprechende passage in der empfehlung lautet: 105„in empirischen studien ist eine rechnerische korrektur der werte nicht erforderlich, da sich die unsicherheiten der einzelmessungen bei einer gesamtbetrachtung der daten herausmitteln. um dagegen bei einer konkreten einzelmessung eine benachteiligung zu vermeiden, wäre eine messwertschwankung von maximal 30% zu berücksichtigen. ein nach studienlage bestimmter grenzwert müsste daher mit einem entsprechenden sicherheitszuschlag belegt werden (beispiel: nimmt man den obigen wert von 2,0 ng thc/ml blutserum an, so ergäbe sich rein rechnerisch eine entscheidungsgrenze von 2,86 ng thc/ml blutserum).“ 106der sachverständige hat dazu in der mündlichen verhandlung ergänzend ausgeführt: 107„der sicherheitszuschlag von 30 % wird empfohlen, weil eine individuelle blutprobe, in einem einzigen labor untersucht, mit einer messungenauigkeit von 30 % versehen ist. dies führt dazu, dass erst ab einer gemessenen konzentration von 2,86 ng/ml mit sicherheit gesagt werden kann, dass derjenige, dem die blutprobe entnommen wurde, eine konzentration von mindestens 2,0 ng thc/ml blutserum hatte.“ 108eine alternative wäre nach den ausführungen des sachverständigen, die individuellen messunsicherheiten des jeweiligen labors abzuziehen. 109insofern handelt es sich bei der frage, zu wessen lasten entsprechende – auch bei lege artis nach den regeln der gesellschaft für toxikologische und forensische chemie ermittelten messwerten unvermeidbare – messunsicherheiten gehen müssen, nicht um eine naturwissenschaftliche, sondern um eine wertende, originär juristische fragestellung, die aufgrund des normzwecks der jeweiligen vorschrift zu beantworten ist. 110dazu hat das bundesverwaltungsgericht in seiner entscheidung vom 23. oktober 2014 – 3 c 3/13 – ausgeführt: 111„bei der frage, ob solche messungenauigkeiten einen „sicherheitsabschlag“ erforderlich machen, handelt es sich nicht anders als bei der bestimmung des gefährdungsmaßstabes um eine frage der risikozurechnung. es geht darum, ob die verbleibende ungewissheit, dass der „wahre“ thc wert nicht an der unteren sondern ebenso an der oberen grenze dieser schwankungsbreite liegen kann, von dem cannabiskonsumenten, der sich nach dem rauschmittelkonsum an das steuer eines kraftfahrzeugs selbst, oder aber von den anderen verkehrsteilnehmern zu tragen ist. da der cannabiskonsument den gefährdungstatbestand schafft, liegt es auf der hand, dass die verbleibende unsicherheit zu seinen lasten gehen muss. angesichts der zielrichtung des fahrerlaubnisrechts, die sicherheit des straßenverkehrs zu gewährleisten und gefahren für leib und leben der verkehrsteilnehmer soweit wie möglich auszuschließen, liegt in dieser risikozuordnung eine verhältnismäßige beschränkung seiner rechte. 112unabhängig davon darf nicht übersehen werden, dass die bei der untersuchung von blutproben nicht zu vermeidenden messungenauigkeiten bereits bei der festsetzung der analytischen grenzwerte berücksichtigt worden sind, die die grenzwertkommission in bezug auf die in der anlage zu § 24a stvg aufgeführten liste der berauschenden mittel und substanzen vorgenommen hat. im beschluss der grenzwertkommission vom 22. mai 2007 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese grenzwerte einen sicherheitszuschlag enthalten (blutalk 2007, 311). 113verbleibende schwankungsbreiten selbst bei lege artis erfolgenden thc-messungen müssen auch nicht nach dem grundsatz „in dubio pro reo“ zu gunsten des betroffenen gehen und deshalb zu einem sicherheitsabschlag führen. dieser für eine strafrechtliche oder ordnungswidrigkeitsrechtliche ahndung geltende grundsatz kommt im gefahrenabwehrrecht, dem die fahrerlaubnis-verordnung zuzurechnen ist, schon wegen dessen anderer zielrichtung nicht zur anwendung. selbst für die strafrechtliche oder ordnungswidrigkeitsrechtliche ahndung von fahrten unter cannabiseinfluss geht die rechtsprechung im übrigen davon aus, dass der gemessene thc-wert nicht um einen sicherheitsabschlag zu verringern ist (…).“ 114diesen ausführungen, die in übereinstimmung mit der ansicht des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen stehen, 115vgl. nur ovg nrw, urteil vom 1. august 2014 – 16 a 2806/13 –, juris rn. 61 ff. m.w.n., 116schließt sich die erkennende kammer vollumfänglich an. 117hinzu kommt die überlegung, dass üblicherweise in der zeit zwischen der beendigung der fahrt durch eine polizeikontrolle und der blutentnahme – und erst recht zwischen dem eigentlich relevanten fahrtantritt und der blutentnahme – eine deutliche verringerung der thc-messwerte eintritt. wenngleich der substanzabbau bei cannabis im jeweiligen einzelfall nicht konkret berechnet werden kann, steht doch außer frage, dass er stattfindet und sich zugunsten des betroffenen fahrerlaubnisinhabers auswirkt. soweit sich die messungenauigkeiten zu lasten des betroffenen auswirken, wird dies durch diesen umstand jedenfalls in gewissem umfang wieder relativiert. 118vgl. dazu auch ovg nrw, urteil vom 1. august 2014 – 16 a 2806/13 –, juris rn. 67. 119nach alledem hat der kläger durch seine fahrt unter cannabiseinfluss am 3. august 2015 belegt, dass er nach dem vorgenannten maßstab nicht zwischen dem konsum von cannabis und dem führen eines kraftfahrzeugs trennen kann. dass der kläger unter der wirkung von cannabis ein fahrzeug geführt hat, folgt aus dem rechtsmedizinischen gutachten vom 13. august 2015, aus dem sich ergibt, dass der kläger zum zeitpunkt der blutentnahme am 3. august 2015 unter thc-einfluss stand. das toxikologische gutachten hat für die dem kläger entnommene blutprobe eine thc-konzentration von 1,9 ng/ml blutserum ergeben. 120da ein kleinkraftrad ein kraftfahrzeug im sinne des § 1 abs. 2 stvg ist, genügt das fahren eines solchen fahrzeugs für den beweis des fehlenden trennungsvermögens. 121vgl. ovg nrw, beschluss vom 20. märz 2014 – 16 b 264/14 -, juris rn. 11. 122zwar gelten die in der anlage 4 zur fev vorgenommenen bewertungen nach maßgabe der vorbemerkung nr. 3 satz 1 (nur) für den regelfall. ein ausnahmefall, der ein abweichen von dieser regel rechtfertigen könnte, liegt hier jedoch nicht vor. es obliegt im einzelfall dem rechtsschutzsuchenden, solche tatsachen geltend zu machen. 123vgl. ovg bremen, beschluss vom 30. juni 2003 – 1 b 206/03 –, juris rn 7; vgh baden-württemberg, beschluss vom 24. mai 2002 – 10 s 835/02 –, juris rn 6. 124dies ist hier nicht erfolgt. sie sind auch sonst nicht ersichtlich. 125für eine wiedererlangung der fahreignung im für die entscheidung maßgeblichen zeitpunkt des erlasses des bescheides ist nichts ersichtlich. 126ein ermessen stand der beklagten gemäß § 3 abs. 1 satz 1 stvg nicht zu, sodass entsprechende erwägungen zu recht unterblieben sind. 127die in dem bescheid enthaltene aufforderung zur abgabe des führerscheins findet ihre rechtsgrundlage in § 3 abs. 2 satz 3 stvg. die zugehörige zwangsgeldandrohung begegnet keinen rechtlichen bedenken. 128die festsetzung der gebühren und auslagen ist ebenfalls rechtmäßig. die gebührenfestsetzung findet ihre grundlage in § 6a abs. 1 nr. 1, abs. 2 stvg i.v.m. §§ 1 abs. 1, 2 abs. 1 nr. 1 der gebührenordnung für maßnahmen im straßenverkehr (gebost). die verwaltungsgebühr in höhe von 150,- € hält sich in dem von § 1 abs. 1 gebost i.v.m. nr. 206 der anlage zu § 1 gebost gesetzten rahmen von 33,20 € bis 256,- €. die auslagen in form von zustellkosten in höhe von 3,45 € sind gemäß § 2 abs. 1 nr. 1 gebost von dem kläger zu tragen. 129die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. 130die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 absatz 1 satz 1 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 der zivilprozessordnung (zpo). | Verklagte*r | 0 |
164,339 | 3 O 431/13 | 2015-07-03T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Der Streitwert wird auf bis zu 45.000,00 € festgesetzt. 1Tatbestand: 2Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen Prospektfehlern und der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Beitritt zu dem Schiffsfonds E und E2 GmbH & Co. B KG. Er begehrt die Rückzahlung seiner Kommanditeinlagen in Höhe von 30.000,00 EUR zzgl. 5 % Agio. Der Beitritt wurde durch die Beklagte zu 1 vermittelt, für die der zwischenzeitlich verstorbene Zeuge V handelte. 3Bei der Beklagten zu 2 handelt es sich um die Gründungsgesellschafterin und Prospektherausgeberin und bei der Beklagten zu 3 um die uneigennützige Treuhänderin. 4Unter dem 15.11.2005 unterschrieb der Kläger eine formularmäßige Beitrittserklärung, die seinen Beitritt zu dem streitgegenständlichen Fonds mittelbar durch die Beklagte zu 3 zum Gegenstand hatte. Der Emissionsprospekt vom 26.08.2005 war dem Kläger unstreitig bereits mit Schreiben vom 12.09.2005 übersandt worden 5Der Kläger behauptet, seine Anlageziele seien langfristige Vermögensbildung, Risikodiversifizierung sowie Kapitalerhalt gewesen. Der Zeuge V habe ihm, dem Kläger, zunächst in einem allgemeinen Gespräch über Schiffsfonds erklärt, dass ein Totalverlustrisiko und auch die Gefahr einer Nachschusspflicht nicht bestünden, auch das Risiko eines teilweisen Verlustes des Geldes sei gering. Der Zeuge habe die streitgegenständliche Beteiligung als sichere Investition angepriesen, Alternativen seien nicht angeboten worden. In einem Telefonat am 05.11.2005 habe der Zeuge die Risikohinweise aus dem Prospekt relativiert und die Beteiligung wiederum als sichere Investition angepriesen, es bestehe eine hohe Sicherheit, mit Gefahren für das Kapital sei nicht zu rechnen. Da die Charterraten über den Abschreibungen und den Betriebskosten lägen, sei alles absolut sicher. Eine Risikoaufklärung habe nicht stattgefunden, insbesondere habe der Zeuge nicht über die Rechtsstellung des Anlegers, das Totalverlustrisiko und die Prognoserisiken, das Risiko geringerer Charterraten und -einnahmen, das Risiko eines geringeren Schiffsverkaufspreises, die eingeschränkte Fungibilität, ein Wiederaufleben der Haftung, die Fremdfinanzierung und deren Risiken, die Bedeutung von loan-to-value Klauseln, das Fremdwährungsrisiko, die Mittelherkunft/-verwendung und die Weichkosten, die Bedeutung und Prognosen der Schiffsbetriebskosten, eine Nachhaftung sowie die Vertriebsprovisionen und andere Vorteile der Beklagten zu 1 aufgeklärt. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung wäre er, der Kläger, dem Fonds nicht beigetreten. 6Der Kläger ist zudem der Ansicht, dass der Emissionsprospekt die nachfolgend dargestellten Prospektfehler enthalte bzw. über die nachfolgenden Umstände unzureichend aufkläre: 7(1) Mittelherkunft/ Mittelverwendung/ „Weichkosten“ 8(2) Steigerung der Schiffsbetriebskosten unvertretbar 9(3) fehlerhafte bzw. irreführende Darstellung des Marktumfeldes 10(4) Prognoserechnung / Chartereinnahmen 11(5) keine Aufklärung über loan-to-value-Klauseln 12(6) Wiederaufleben der Haftung / Rückforderung von Ausschüttungen 13(7) eingeschränkte Fungibilität 14(8) Nachhaftung 15(9) Majorisierung 16(10) Beschlussfassung im Umlaufverfahren 17(11) Totalverlustrisiko nicht verständlich dargestellt 18Der Kläger beantragt, 191. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 32.265,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus dem Treuhand- und Verwaltungsvertrag des Klägers mit der Beklagten zu 3 bezüglich der Beteiligung des Klägers (Anteilsnummer #######) an der E und E2 GmbH & Co. B KG im Nennbetrag von 30.000,00 €, 202. festzustellen, dass die Beklagten sich mit der Annahme der angebotenen Rechte aus dem Treuhand- und Verwaltungsvertrag des Klägers mit der Beklagten zu 3 bezüglich der Beteiligung des Klägers (Anteilsnummer #######) an der E und E2 GmbH & Co. B KG im Nennbetrag von 30.000,00 € in Verzug befinden, 213. festzustellen, dass die Beklagte zu 1 und die Beklagte zu 2 als Gesamtschuldner den Kläger von allen mittel- und unmittelbaren Verpflichtungen freizustellen haben, die aus dem Treuhand- und Verwaltungsvertrag des Klägers mit der Beklagten zu 3 bezüglich der Beteiligung des Klägers (Anteilsnummer #######) an der E und E2 GmbH & Co. B KG im Nennbetrag von 30.000,00 € entstanden sind und noch entstehen. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 3 gegen den Kläger keinerlei Rechte mehr aus dem Treuhand- und Verwaltungsvertrag des Klägers mit der Beklagten zu 3 bezüglich der Beteiligung des Klägers (Anteilsnummer #######) an der E und E2 GmbH & Co. B KG im Nennbetrag von 30.000,00 € geltend machen kann, 224. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner sämtliche steuerlichen Nachteile zu tragen haben, die dem Kläger aus der Beteiligung, der Schadensersatzleistung und der Übertragung der Beteiligung gemäß Ziffer 1 entstehen, 235. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 1.761,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.07.2013 zu bezahlen, 246. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner den Kläger von Forderungen seiner Prozessbevollmächtigten über 2.013,01 € freizustellen haben. 25Die Beklagten beantragen, 26die Klage abzuweisen. 27Die Beklagte zu 1 behauptet, es sei lediglich eine Anlagevermittlung erfolgt. Die Beklagten behaupten, Anlageziel des Klägers sei eine hohe Rendite gewesen. Der Kläger habe bereits in der Vergangenheit mehrere Schiffsbeteiligungen gezeichnet und sei dabei umfassend aufgeklärt worden. Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung. 28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen. 29Entscheidungsgründe: 30Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. 31I. 32Gegen die Beklagten zu 2 und 3 scheiden Schadensersatzansprüche gemäß §§ 311 Abs. 2, 3, 241 Abs. 2 BGB wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) aus uneigentlicher Prospekthaftung aus, weil die Kammer eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten nicht feststellen kann. 33Die Beklagten zu 2 und 3 gehören als Gründungs- und Treuhandgesellschafter zwar zu dem Personenkreis, der nach den Grundsätzen der uneigentlichen Prospekthaftung bei einem Aufklärungsmangel haftet. Die aus dem Aspekt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (c.i.c.) abgeleitete Prospekthaftung im weiteren Sinne zielt auf eine Haftung der Gründungsgesellschafter – namentlich der Gründungskommanditisten und der Treuhandkommanditisten – einer Publikumskommanditgesellschaft (BGH, Urt. v. 06.10.1980 – II ZR 60/80 Rn. 15 ff.; BGH, Urt. v. 29.05.2008 – III ZR 59/07 Rn. 7 ff.; BGH, Urt. v. 12.02.2009 – III ZR 90/08 Rn. 8 ff.; OLG Hamm, Urt. v. 05.03.2012 – I-8 U 256/11 Rn. 36 ff.). Grundlage ist, dass die Gründungsgesellschafter wegen eines regelmäßigen Wissensvorsprungs gegenüber den Anlegern eine Aufklärungspflicht trifft (OLG Hamm, Urt. v. 08.09.2008 – 8 U 161/07 Rn. 198). Neben einer vollständigen Aufklärung in Bezug auf alle anlagerelevanten Umstände müssen insbesondere unrichtige Prospektangaben richtiggestellt werden (BGH, Urt. v. 29.05.2008 – III ZR 59/07 Rn. 8; BGH, Urt. v. 12.02.2009 – III ZR 90/08 Rn. 8 ff.). Demnach ist für eine Haftungsbegründung nicht erforderlich, dass die Gründungsgesellschafter in persönlichen Kontakt zum Anleger getreten sind oder anderweitig besonderes persönliches Vertrauen beansprucht haben (BGH, Urt. v. 12.02.2009 – III ZR 90/08 Rn. 8; OLG Hamm, Urt. v. 08.09.2008 – 8 U 161/07 Rn. 63). 34Nach diesen Grundsätzen sind die Beklagten zu 2 und 3 im Sinne der uneigentlichen Prospekthaftung verpflichtet, über alle wesentlichen Gesichtspunkte aufzuklären, die für die Entscheidung des Interessenten von Bedeutung sind. Sie kommen ihr regelmäßig dadurch nach, dass dem Interessenten rechtzeitig (nachfolgend a) ein vollständiger und richtiger Prospekt (nachfolgend c) übergeben wird und von dem Anlageberater oder Anlagevermittler keine von dem Prospektinhalt abweichenden Erklärungen abgegeben werden (nachfolgend b) (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2013, III ZR 404/12; BGH, Urt. v. 11.05.2006 – III ZR 205/05 Rn. 9; OLG Köln, Urt. v. 04.09.2012 – 24 U 65/11 Rn. 25; Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl. 2013, § 311 Rn. 70). 35(a) 36Nach der Rechtsprechung hat die Prospektübergabe grundsätzlich so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss zu erfolgen, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (vgl. BGH Urt. v. 21.03.2005, II ZR 140/03 Rn.39 für die Prospekthaftung und BGH Urt. v. 08.05.2012, XI ZR 262/10 Rn. 21 für die Beraterhaftung). Dabei ist die Übergabe des Prospekts aber bereits dann rechtzeitig erfolgt, wenn der Anlageinteressent nur hinreichend Zeit zur Lektüre des Prospekts hatte und er den Zeitpunkt der Zeichnung – ohne zwingenden Grund – selbst kurzfristig bestimmt (vgl. Urt. dieser Kammer v. 11.04.2014 – 3 O 476/13 – BeckRS 2014, 08829; Urt. dieser Kammer v. 08.11.2013 – 3 O 124/13 – BeckRS 2013, 21094; Urt. dieser Kammer v. 08.11.2013 – 3 O 125/13 – BeckRS 2013, 21095; OLG Frankfurt, Urt. v. 06.05.2011 – 19 U 293/10 = NJW-RR 2011, 1549, 1549 f.; LG Frankfurt/M., Urt. v. 23.03.2012 – 2-19 O 334/11 = BeckRS 2013, 06846; LG Frankfurt/M., Urt. v. 07.11.2011 – 2-19 O 170/11 = BeckRS 2013, 21809). 37Die Prospektübergabe erfolgte vorliegend unstreitig etwa zwei Monate vor der streitgegenständlichen Beitrittserklärung und somit rechtzeitig. 38(b) 39Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Zeuge V von dem Prospektinhalt abweichende und irreführende Angaben gegenüber dem Kläger gemacht hat. Der Kläger trägt die Beweislast für irreführende, vom Prospektinhalt abweichende Angaben durch den Anlageberater oder Anlagevermittler (vgl. BGH, Urt. v. 11.05.2006 – III ZR 205/05 Rn. 6 f.; Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 280 Rn. 36). 40Der Kläger hat diesen Beweis nicht geführt. Eine Vernehmung des klägerseits benannten Zeugen V war ausgeschlossen, da der Zeuge verstorben ist. 41Eine Parteivernehmung des Klägers auf dessen Antrag nach § 447 ZPO kam nicht in Betracht, da die Beklagten dem nicht zugestimmt haben. Auch ist die Parteivernehmung des Klägers von Amts wegen kein taugliches Beweismittel, da die Voraussetzungen des § 448 ZPO nicht gegeben sind. Eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO von Amts wegen ist grundsätzlich nur zulässig, wenn nach dem bisherigen Sachstand eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitgegenständlichen Behauptung besteht, also bereits „einiger Beweis erbracht ist“ (vgl. BGH, Urt. v. 10.07.2008 – III ZR 292/07 = NJW-RR 2009, 199, 201, Rn. 20 m.w.N.). Es ist nicht Zweck des § 448 ZPO, die beweisbelastete Partei von den Folgen der Beweisfälligkeit zu befreien (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 30.01.2012 – 11 U 2/11 = BeckRS 2013, 00314; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 448 Rn. 2, 3). Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Zeuge V verstorben ist. Die bloße Beweisnot ändert nichts daran, dass für eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitgegenständlichen Behauptung bestehen muss (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 448 Rn. 4a). 42Von der Möglichkeit der Anhörung des Klägers nach § 141 ZPO hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen keinen Gebrauch gemacht. Eine Pflicht zur Anhörung des beweislosen Klägers im Sinne einer „Ermessensreduzierung auf Null“ bestand trotz des von ihm behaupteten Vier-Augen-Gesprächs nicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.02.2008, 1 BVR 2588/06 = NJW 2008 2170; BGH, Urt. v. 27.09.2005, XI ZR 216/04; BGH, Urt. v. 08.07.2010 – III ZR 249/09 = NJW 2010, 3292, 3293, Rn. 16; Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 141 Rn. 3), denn das Gericht hat keine Feststellungen zu den streitigen Tatsachen, sondern eine Beweislastentscheidung getroffen. In der Regel, und dies gilt auch im vorliegenden Fall, sind die Parteien wegen des damit verbundenen Interessenwiderstreits kein geeignetes Beweismittel in eigener Sache (Zöller/Greger, a.a.O., § 448 ZPO Rn. 2, 2 a). 43(c) 44Bei dem vorliegenden Emissionsprospekt handelt es sich um einen richtigen und vollständigen Prospekt. Die folgenden, von dem Kläger geltend gemachten Prospektfehler sind nach Auffassung des Gerichts nicht feststellbar. 45(1) Mittelherkunft/ Mittelverwendung/ „Weichkosten“ 46Der Emissionsprospekt enthält umfassende Informationen hinsichtlich der Weichkosten und der Mittelverwendung. Über Weichkosten, die in nicht unerheblicher Höhe anfallen, muss ein Prospekt aufklären. Dem Anleger ist zu verdeutlichen, in welchem Umfang seine Leistungen nicht in das Anlageobjekt, sondern in Anschaffungs- und Herstellungskosten investiert werden (BGH, Urt. v 12.12.2013, III ZR 404/12 Rn. 14, 15). Fehlerhaft ist es daher, wenn dem Anleger nicht vor Augen geführt wird, in welchem Umfang seine Beteiligung nicht in das Objekt eingeht, wenn beispielsweise Werbungskosten mit einem unrichtigen Anteil am Gesamtaufwand ausgewiesen werden. Dem Anlageinteressenten ist es nicht zumutbar, zunächst durch eine Reihe von Rechengängen zu einer korrekten Feststellung zu kommen (BGH, Urt. v 12.12.2013, III ZR 404/12 Rn. 14, 15). 47Vorliegend wurde die Höhe der Weichkosten korrekt angegeben. Sie werden im Prospekt selbst (S. 44 ff.) sowie in der Anlage 1 zum Gesellschaftsvertrag (S. 123) mitgeteilt. So wird beispielsweise in der Übersicht auf S. 44 „Mittelherkunft und Mittelverwendung“ verdeutlicht, dass von dem Investitionsvolumen in Höhe von 113.472 T€ ein Betrag von 6.630 T€ für „Vertrieb und Einwerbung des Beteiligungskapitals“ eingesetzt wird. Aus dem Prospekt ergibt sich auch, dass zudem das Agio in Höhe von 5% für Vertrieb und Einwerbung des Beteiligungskapitals aufgewendet wird (S. 44, 45). Für den sorgfältigen Anlageinteressenten sind die Angaben nach einer Gesamtschau des Prospekts ausreichend aufschlussreich und erfordern keinen beachtlichen Rechenaufwand (ebenso BGH, Urt. v 12.12.2013, III ZR 404/12 Rn. 14, 15). Auch die Zinsen für die Eigenkapitalzwischenfinanzierung (S. 46, 49, 66 f.) werden in dem Prospekt ebenso wie die Liquiditätsreserve (S. 44, 45 f.) hinreichend dargestellt, weitergehender Angaben bedurfte es nicht. Fehlerhafte oder irreführende Angaben bezüglich der Weichkosten sind nicht erkennbar. 48Nicht offenbarungspflichtig ist, ob und ggf. in welcher Höhe die Beklagte zu 1 Provisionen für die Vermittlung der streitgegenständlichen Beteiligungen erhalten hat. Für den nicht bankmäßig gebundenen, freien Anlageberater besteht keine Verpflichtung gegenüber seinem Kunden, ungefragt über eine von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufzuklären, wenn der Kunde selbst keine Provision zahlt und offen ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen werden, aus denen ihrerseits die Vertriebsprovisionen aufgebracht werden (BGH, Urteil vom 15.04.2010, III ZR 198/09 und BGH, Urteil vom 10.11.2011 III ZR 245/10 in Abgrenzung zu BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876 und BGH, NJW 2009, 1416). 49(2) Steigerung der Schiffsbetriebskosten unvertretbar 50Die Kosten von Schiffsbetrieb und Management werden in dem Emissionsprospekt offen gelegt. 51Auf den Seiten 36, 46 f. und 48 f. des Prospektes findet sich eine hinreichende Aufklärung bezüglich der Schiffsbetriebskosten. Der Anleger wird entgegen dem Vortrag des Klägers auch nicht im Unklaren gelassen, auf welchen Grundlagen die Berechnungen beruhen. Es kann dahinstehen, ob die Betriebskosten tatsächlich höher als angegeben ausgefallen sind. Denn bei den prospektierten Angaben handelt es sich, wie u.a. auf S. 36 des Prospektes ausgeführt wird und sich insbesondere auch aus der entsprechenden Sensitivitätsanalyse auf S. 55 ergibt, lediglich um Prognosewerte, die der Vertretbarkeitskontrolle unterliegen. Dabei dürfen durchaus auch optimistische Prognosen und Kalkulationen dem Prospekt zugrunde gelegt werden; darüber hinausgehende Risikoabschläge, die der – jeder Prognose naturgemäß innewohnenden – Unsicherheit Rechnung tragen sollen, sind für eine angemessene Darstellung des Risikos der Anlage grundsätzlich nicht erforderlich (BGH, Urt. v. 27.10.2009 – XI ZR 337/08, NJW-RR 2010, 115). Dass aber eine zum Zeitpunkt ihrer Erstellung vertretbare Prognose immer mit dem Risiko einer abweichenden negativen Entwicklung behaftet ist und sich die Entwicklung der Rentabilität einer Kapitalanlage insoweit nicht mit Sicherheit voraussagen lässt, gehört zum Allgemeinwissen und bedarf bereits keiner besonderen Aufklärung (BGH, Urt. v. 21.03.2005 – XI ZR 63/05, Rn. 16, NJW 2006, 2041; BGH, Urt. v. 27.10.2009 – XI ZR 337/08, Rn. 23, NJW-RR 2010, 115). Es ist nach Auffassung des Gerichts nicht erkennbar, dass die Angaben aus ex-ante-Sicht im Jahr 2005 unvertretbar gewesen wären. 52(3) fehlerhafte bzw. irreführende Darstellung des Marktumfeldes 53Der Prospekt enthält keine fehlerhaften oder irreführenden Angaben bezüglich des Marktumfeldes. Entgegen der Ansicht des Klägers wird im Zusammenhang mit dem angegebenen Ersatzbedarf wegen der Umstellung von Ein- auf Doppelhüllentanker nicht der Auftragsbestand von Aframaxtankern verschwiegen, vielmehr wird dieser auf S. 19 des Prospektes ausführlich dargestellt. Auch hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten der Schiffe werden, insbesondere im Hinblick auf die Erläuterung der IMO-Regel 13G, weder fehlerhafte noch irreführende Angaben gemacht, vielmehr werden mögliche Einsatzrouten auf S. 14 und 15 des Prospekts beispielhaft benannt. 54(4) Prognoserechnung / Chartereinnahmen 55Der Emissionsprospekt klärt in hinreichender Deutlichkeit über die Risiken des Chartermarktes auf. Die dort angestellten Prognosen erscheinen nach Auffassung des erkennenden Gerichts aus der maßgeblichen ex-ante-Perspektive jedenfalls nicht unvertretbar. Insoweit trägt der Anleger grundsätzlich selbst das Risiko, dass sich seine Anlageentscheidung nachträglich als falsch erweist (BGH, Urt. v. 22.03.2011, XI ZR 33/10). Der Prospektherausgeber wie auch die Gründungsgesellschafter einer Publikumskommanditgesellschaft übernehmen nämlich in der Regel keine Gewähr dafür, dass die von ihnen prognostizierte Entwicklung auch tatsächlich eintritt (BGH, Urt. v. 27.10.2009, XI ZR 337/08 = NJW-RR 2010, 115). Vielmehr ist es insoweit ausreichend, wenn entsprechende Prognosen im Prospekt auf Tatsachen gestützt und ex ante betrachtet vertretbar sind (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2009, XI ZR 337/08 = NJW-RR 2010, 115). Dabei dürfen durchaus auch optimistische Prognosen und Kalkulationen dem Prospekt zugrunde gelegt werden; darüber hinausgehende Risikoabschläge, die der – jeder Prognose naturgemäß innewohnenden – Unsicherheit Rechnung tragen sollen, sind für eine angemessene Darstellung des Risikos der Anlage grundsätzlich nicht erforderlich (BGH, Urt. v. 27.10.2009, XI ZR 337/08 = NJW-RR 2010, 115). Dass aber eine zum Zeitpunkt ihrer Erstellung vertretbare Prognose immer mit dem Risiko einer abweichenden negativen Entwicklung behaftet ist und sich die Entwicklung der Rentabilität einer Kapitalanlage insoweit nicht mit Sicherheit voraussagen lässt, gehört zum Allgemeinwissen und bedarf bereits keiner besonderen Aufklärung (BGH, Urt. v. 21.03.2006, XI ZR 63/05 = NJW 2006, 2041; BGH, Urt. v. 27.10.2009, XI ZR 337/08 = NJW-RR 2010, 115). 56Der Kläger wurde durch den Prospekt insbesondere auch ausreichend über die Chartereinnahmen informiert. 57Auf S. 34 f. und 54 f. des Prospekts wird explizit auf das Risiko hingewiesen, dass die Chartereinnahmen schwanken und unter dem Eindruck eines weltweiten Verfalls der Chartereinnahmen stehen. So heißt es auf S. 34: „Die Nachfrage nach Transporten zur See wird entscheidend von der weltweiten Nachfrage bestimmt. Eine langfristige Marktschwäche oder nachhaltige Änderungen der Verbrauchsgewohnheiten – vor allem in den Industrienationen – können zu einem Rückgang des Transportaufkommens führen. Dies kann die Ertragslage des LR2-Pools derart beeinflussen, dass die kalkulierten Poolergebnisse vollständig entfallen. (…) Zudem kann ein Rückgang des Transportaufkommens die Ertragslage des Charterers derart beeinflussen, dass ihm die Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen teilweise oder gänzlich unmöglich wird (…). Im Extremfall kann dies zur Aufgabe des Geschäftsbetriebes führen oder den Verlust des Beteiligungskapitals bedeuten.“ Auf S. 48 werden die erwarteten Chartereinnahmen zudem in Tabellenform von 2005 bis 2010 präzisiert. Ferner werden auf. S. 54/55 die kalkulierten und die benötigten Chartereinnahmen sowie von den Prognosen abweichende Szenarien im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse dargestellt. Damit wird deutlich, dass die Chartereinnahmen durchaus geringer als prospektiert ausfallen können. Zudem werden auf S. 54 die Grundlagen der Prognoserechnung dargelegt. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die angestellte Prognose sich aus damaliger Sicht ex-ante als unvertretbar dargestellt hätte (vgl. auch LG Dortmund, Urt. v. 08.11.2013 – 3 O 125/13, BeckRS 2013, 21095). 58(5) keine Aufklärung über loan-to-value-Klauseln 59Die teilweise Fremdfinanzierung des Investitionsvolumens durch Hypothekendarlehen einschließlich der Finanzierungskosten wird auf den Seiten 10, 44 und 66 f. des Emissionsprospektes konkret dargestellt. Eine vollständige Wiedergabe der Darlehensverträge oder eine Darstellung der LTV-Klausel (105%- Klausel) war nicht erforderlich, weil die über die Prospektangaben hinausgehenden Einzelheiten der Darlehensverträge für die Anlageentscheidungen nicht von Bedeutung sind. Dem Anleger wird - auch beim Fehlen der vorgenannten Umstände - ein für seine Beitrittsentscheidung zutreffendes Bild über das Beteiligungsangebot vermittelt (BGH Urt. v. 22.3.2010, II ZR 66 / 08, Rn.9). 60(6) Wiederaufleben der Haftung / Rückforderung von Ausschüttungen 61Der Prospekt enthält ausdrückliche und unmissverständliche Hinweise zu der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB sowie der Einordnung der Ausschüttungen als Darlehen bzw. der Pflicht zur Rückzahlung der Ausschüttungen. Hinsichtlich des Wiederauflebens der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB oder nach §§ 30 und 31 GmbHG ist ein bloßer Hinweis auf die Kommanditistenhaftung ausreichend. Nicht notwendig ist hingegen eine darüberhinausgehende Erklärung der Regelung des § 172 Abs. 4 HGB oder der §§ 30 und 31 GmbHG in abstrakter Hinsicht (BGH, Beschluss vom 09.11.2009, II ZR 16/09 = WM 2009, 2387). 62Bei dem streitgegenständlichen Emissionsprospekt stellt es sich auch so dar, dass das Wiederaufleben der Haftung ausdrücklich beschrieben wird. Dort heißt es (S. 39): „Sollte jedoch infolge von Auszahlungen (= Entnahmen) das Eigenkapitalkonto herabgesetzt werden, lebt gemäß § 172 HGB die Haftung in Höhe der Auszahlungen wieder auf. Die Auszahlungen werden nach den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag als Darlehen gegenüber dem Kommanditisten/Treugeber behandelt und können gegebenenfalls von der Gesellschaft im Bedarfsfall einer Liquiditätsenge zurückgefordert werden.“ Weitere Erläuterungen finden sich auf S. 57 und 80 f. des Prospekts. Auch die Ausführungen im Gesellschaftsvertrag unter § 4 Ziff. 5 (S. 110 des Prospekts) und § 11 Ziff. 5 (S. 120 des Prospekts) stellen einen integralen Bestandteil des Prospekts dar und dürfen bei der Einschätzung nicht vernachlässigt werden (OLG Hamm, Urt. v. 09.03.2011 – 8 U 132/10; OLG Hamm, Urt. v. 05.03.2012 – 8 U 256/11; OLG Hamm, Urt. v. 18.04.2012 – 8 U 233/11). 63Darüber, dass die Auszahlungen gewinnunabhängig und als Darlehen erfolgen, wird in dem Prospekt ebenfalls mehrfach hingewiesen. Wie bereits dargelegt, heißt es auf S. 39 des Prospekts: „Die Auszahlungen werden nach den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag als Darlehen gegenüber dem Kommanditisten/Treugeber behandelt und können gegebenenfalls von der Gesellschaft im Bedarfsfall einer Liquiditätsenge zurückgefordert werden.“ Dazu, dass infolge der prospektierten Anlaufverluste das Kapitalkonto von Anfang an planmäßig unter den Betrag der Hafteinlage gemindert war mit der Folge, dass bis zu einer eventuellen Auffüllung durch zugeschriebene Gewinne jede Ausschüttung zum Wiederaufleben der Haftung führt, bedurfte es keiner weitergehenden Hinweise (vgl. OLG Hamm, Beschluss, v. 15.05.2014, I-34 U 16/14). 64(7) eingeschränkte Fungibilität 65Der Emissionsprospekt weist deutlich auf die nur eingeschränkte Fungibilität der Beteiligung hin. Bei einer nur eingeschränkten Fungibilität handelt es sich um einen grundsätzlich aufklärungsbedürftigen Umstand (BGH Urt. v. 18.01.2007, III ZR 44/06 = WM 2007, 542; BGH Urt. v. 12.07.2007, III ZR 83/06 = , WM 2007, 1608). 66Der Prospekt weist auf S. 39 hinreichend deutlich auf die nur eingeschränkte Fungibilität und das damit verbundene Risiko hin. Das Fungibilitätsrisiko wird transparent an markanter Stelle, in dem Kapitel „Risiken der Beteiligung“ unter „Fungibilität und Kündigung der Beteiligung“ erörtert: „Ein Engagement im Seeschiffsbereich sollte immer unter langfristigen Aspekten erfolgen. Gleichwohl ist eine Übertragung oder der Verkauf einer Beteiligung mit Zustimmung der Komplementärin (…) grundsätzlich jederzeit möglich. Die Fungibilität von Fondsanteilen steigt mit dem Erfolg der Beteiligung. Jedoch sollten die Anleger berücksichtigen, dass ein vorzeitiger Verkauf der Beteiligung bei nicht planmäßiger Entwicklung und unter Berücksichtigung der bisherigen steuerlichen Ergebnisse nur mit Preisabschlägen auf den Nominalwert der Beteiligung oder unter Umständen überhaupt nicht zu realisieren ist. Wirtschaftlich sinnvoller und profitabler dürfte grundsätzlich das Warten auf den späteren Verkauf des Fondsobjektes sein.“ 67Eine weitergehende Aufklärungspflicht besteht insofern nicht. 68(8) Nachhaftung 69Die Prospekte sind bezüglich einer möglichen Nachhaftung im Falle des Ausscheidens weder unrichtig noch unvollständig. Eine entsprechende Aufklärungspflicht besteht nicht. Eine Pflicht zur Aufklärung in einem Emissionsprospekt besteht allein dann, wenn zu dem allgemeinen Risiko weitere Risiko erhöhende spezielle Risiken treten. Anhaltspunkte dafür sind bei der Nachhaftung weder ersichtlich noch dargelegt. 70(9) Majorisierung 71Das Risiko der Majorisierung ist allgemein bekannt. Es handelt sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts um ein jedem Anleger zugängliches und verfügbares Allgemeinwissen. 72(10) Beschlussfassung im Umlaufverfahren 73Auch insoweit ist der Prospekt nicht fehlerhaft. Die Möglichkeit einer Beschlussfassung im Umlaufverfahren wird im Prospekt dargestellt (§ 9 des Gesellschaftsvertrages, S. 117 ff.). Ein aufklärungsbedürftiges Risiko ist nicht erkennbar. 74(11) Totalverlustrisiko nicht verständlich dargestellt 75Durch den Prospekt wird der Anleger hinreichend über das Totalverlustrisiko informiert. Bei dem streitgegenständlichen Schiffsfonds ist in Bezug auf das Totalverlustrisiko grundsätzlich zu berücksichtigen, dass den Verbindlichkeiten der Beteiligungsgesellschaft der Sachwert des Schiffs gegenübersteht (BGH, WM 2007, 1503; BGH, WM 2007, 1507). Eine ausnahmslose Pflicht, über das Verlustrisiko – unabhängig von konkreter Ausgestaltung von Beteiligungsangebot und Risikostruktur – zu informieren, besteht nicht (BGH, NJW-RR 2010, 115). 76Zudem ist auf das Kapitel „Risiken der Beteiligung“ im Prospekt zu verweisen. Dort heißt es (S. 31): „Der wirtschaftliche Erfolg dieser Schiffsbeteiligung kann nicht garantiert werden. (…) Wer dennoch nach sorgfältigem Studium dieses Prospekts das unternehmerische Risiko als zu hoch einschätzt, sollte sich nicht beteiligen.“ Weiter heißt es: „Die mit der Vermögensanlage verbundenen, wesentlichen tatsächlichen oder rechtlichen Risiken können in prognosegefährdende, anlagegefährdende und anlegergefährdende Risiken unterschieden werden. Prognosegefährdende Risiken führen zu einer schwächeren Prognose und somit zu geringeren Auszahlungen, während anlagegefährdende Risiken darüber hinaus zu einem teilweisen oder vollständigen Verlust der gesamten Zeichnungssumme führen können. Anlegergefährdende Risiken können hingegen über den Verlust der Zeichnungssumme hinaus auch das weitere Vermögen des Anlegers gefährden.“ Damit wurde über das Totalverlustrisiko in ausreichendem Maße aufgeklärt. Neben diesem denkbar deutlichen Hinweis in dem Kapitel zu bestehenden Risiken wird, wie bereits unter Ziffer (4) dargelegt, mehrfach im Prospekt über die Unbeständigkeit der Aussichten informiert. 77Festzuhalten bleibt damit, dass der Prospekt vollständig und richtig ist. Darauf, ob der Zeuge V es nach dem Vorbringen des Klägers unterlassen hat, diesen über einzelne Risiken mündlich aufzuklären, kommt es damit nicht an. Fragen zu Kausalität, Verschulden und Schaden können mangels Aufklärungspflichtverletzung dahinstehen. 78II. 79Deliktische Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 bzw. 264a StGB, § 826 BGB scheiden gegen die Beklagten zu 2 und 3 nach den vorstehenden Ausführungen offensichtlich aus. 80Eine gesetzliche Prospekthaftung nach dem zum Zeitpunkt der Zeichnung maßgeblichen § 13 Abs. 1 VerkProspG entfällt, da es sich um einen – wie bereits erörtert – richtigen und vollständigen Prospekt handelt. Darüber hinaus sind die Ansprüche gemäß §§ 44, 45 BörsG mittlerweile verjährt. Denn seit Veröffentlichung des Prospekts sind mehr als drei Jahre vergangen. 81III. 82Da eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 2 und 3 nicht festgestellt werden kann, sind auch die weiteren Anträge unbegründet. 83IV. 84Die Klage gegen die Beklagte zu 1 ist ebenfalls unbegründet. 85Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1, gegen die allein ein vertraglicher Anspruch in Betracht kommt, keinen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB. Eine Aufklärungspflichtverletzung kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. 86Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger mit der Beklagten zu 1 einen Beratungs- oder Anlagevermittlungsvertrag geschlossen hat. Der beweisbelastete (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 280 Rn. 36) Kläger hat nicht beweisen können, dass der Beklagten zu 1 eine Pflichtverletzung zur Last fällt. Ein Anlageberater schuldet eine anleger- und objektgerechte Beratung (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 280 Rn. 47 ff.) und ein Anlagevermittler vollständige und richtige Informationen über das Anlageobjekt (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 280 Rn. 52), die sich weitgehend mit der objektgerechten Beratung decken. 87(a) 88Eine Aufklärungspflicht besteht dann, wenn der Auftrag vom Anlageziel oder dem bisherigen Risikoprofil abweicht oder unbekannte Anlageformen empfohlen werden (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 280 Rn. 48). 89Nach dem oben Gesagten steht nicht fest, dass die Anlageziele des Klägers auf langfristige Vermögensbildung, Risikodiversifizierung sowie Kapitalerhalt gerichtet waren und der für die Beklagte zu 1 tätige Zeuge V ihm die streitgegenständliche Fondsbeteiligung als sichere und gefahrlose Investition empfohlen hat. Der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis nicht führen können. Eine Parteivernehmung des Klägers schied aus den bereits dargelegten Gründen aus. 90(b) 91Die Beratung (wenn ein Anlageberatungsvertrag vorliegen sollte) oder die Auskunft (wenn ein Anlagevermittlungsvertrag vorliegen sollte) erfolgte zudem objektgerecht. Voraussetzung für eine objektgerechte Beratung/Auskunft ist, dass der Anlegerberater/Anlagevermittler den Interessenten richtig und vollständig informiert, insbesondere ihn bezüglich aller Umstände und Risiken aufklärt, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung sein können (BGH, Urt. v. 22.03.2011 – XI ZR 33/10 Rn. 20; BGH, Urt. v. 01.12.2011 – III ZR 56/11 Rn. 9 f.; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 280 Rn. 48 ff., 52). 92Wie bereits dargelegt, hat der Kläger nicht bewiesen, dass der Zeuge V von dem rechtzeitig übermittelten Prospekt abweichende und irreführende Angaben gegenüber dem Kläger gemacht hat (vgl. BGH, Urt. v. 06.07.1993 – XI ZR 12/93 Rn. 14 ff.; BGH, Urt. v. 22.03.2011 – XI ZR 33/10 Rn. 22 ff.). Eine Offenbarungspflicht darüber, ob und ggf. in welcher Höhe die Beklagte zu 1 Provisionen für die Vermittlung der streitgegenständlichen Beteiligungen erhalten hat, bestand – wie bereits unter Ziffer (1) erörtert – nicht. 93V. 94Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1, 2 ZPO. 95VI. 96Die Streitwertfestsetzung fußt auf §§ 3, 5 ZPO. | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des rechtsstreits. das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. der streitwert wird auf bis zu 45.000,00 € festgesetzt. 1 | 2der kläger verlangt von den beklagten schadensersatz wegen prospektfehlern und der verletzung von aufklärungspflichten im zusammenhang mit dem beitritt zu dem schiffsfonds e und e2 gmbh & co. b kg. er begehrt die rückzahlung seiner kommanditeinlagen in höhe von 30.000,00 eur zzgl. 5 % agio. der beitritt wurde durch die beklagte zu 1 vermittelt, für die der zwischenzeitlich verstorbene zeuge v handelte. 3bei der beklagten zu 2 handelt es sich um die gründungsgesellschafterin und prospektherausgeberin und bei der beklagten zu 3 um die uneigennützige treuhänderin. 4unter dem 15.11.2005 unterschrieb der kläger eine formularmäßige beitrittserklärung, die seinen beitritt zu dem streitgegenständlichen fonds mittelbar durch die beklagte zu 3 zum gegenstand hatte. der emissionsprospekt vom 26.08.2005 war dem kläger unstreitig bereits mit schreiben vom 12.09.2005 übersandt worden 5der kläger behauptet, seine anlageziele seien langfristige vermögensbildung, risikodiversifizierung sowie kapitalerhalt gewesen. der zeuge v habe ihm, dem kläger, zunächst in einem allgemeinen gespräch über schiffsfonds erklärt, dass ein totalverlustrisiko und auch die gefahr einer nachschusspflicht nicht bestünden, auch das risiko eines teilweisen verlustes des geldes sei gering. der zeuge habe die streitgegenständliche beteiligung als sichere investition angepriesen, alternativen seien nicht angeboten worden. in einem telefonat am 05.11.2005 habe der zeuge die risikohinweise aus dem prospekt relativiert und die beteiligung wiederum als sichere investition angepriesen, es bestehe eine hohe sicherheit, mit gefahren für das kapital sei nicht zu rechnen. da die charterraten über den abschreibungen und den betriebskosten lägen, sei alles absolut sicher. eine risikoaufklärung habe nicht stattgefunden, insbesondere habe der zeuge nicht über die rechtsstellung des anlegers, das totalverlustrisiko und die prognoserisiken, das risiko geringerer charterraten und -einnahmen, das risiko eines geringeren schiffsverkaufspreises, die eingeschränkte fungibilität, ein wiederaufleben der haftung, die fremdfinanzierung und deren risiken, die bedeutung von loan-to-value klauseln, das fremdwährungsrisiko, die mittelherkunft/-verwendung und die weichkosten, die bedeutung und prognosen der schiffsbetriebskosten, eine nachhaftung sowie die vertriebsprovisionen und andere vorteile der beklagten zu 1 aufgeklärt. bei ordnungsgemäßer aufklärung wäre er, der kläger, dem fonds nicht beigetreten. 6der kläger ist zudem der ansicht, dass der emissionsprospekt die nachfolgend dargestellten prospektfehler enthalte bzw. über die nachfolgenden umstände unzureichend aufkläre: 7(1) mittelherkunft/ mittelverwendung/ „weichkosten“ 8(2) steigerung der schiffsbetriebskosten unvertretbar 9(3) fehlerhafte bzw. irreführende darstellung des marktumfeldes 10(4) prognoserechnung / chartereinnahmen 11(5) keine aufklärung über loan-to-value-klauseln 12(6) wiederaufleben der haftung / rückforderung von ausschüttungen 13(7) eingeschränkte fungibilität 14(8) nachhaftung 15(9) majorisierung 16(10) beschlussfassung im umlaufverfahren 17(11) totalverlustrisiko nicht verständlich dargestellt 18der kläger beantragt, 191. die beklagten als gesamtschuldner zu verurteilen, an den kläger 32.265,00 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu bezahlen, zug um zug gegen übertragung aller rechte aus dem treuhand- und verwaltungsvertrag des klägers mit der beklagten zu 3 bezüglich der beteiligung des klägers (anteilsnummer #######) an der e und e2 gmbh & co. b kg im nennbetrag von 30.000,00 €, 202. festzustellen, dass die beklagten sich mit der annahme der angebotenen rechte aus dem treuhand- und verwaltungsvertrag des klägers mit der beklagten zu 3 bezüglich der beteiligung des klägers (anteilsnummer #######) an der e und e2 gmbh & co. b kg im nennbetrag von 30.000,00 € in verzug befinden, 213. festzustellen, dass die beklagte zu 1 und die beklagte zu 2 als gesamtschuldner den kläger von allen mittel- und unmittelbaren verpflichtungen freizustellen haben, die aus dem treuhand- und verwaltungsvertrag des klägers mit der beklagten zu 3 bezüglich der beteiligung des klägers (anteilsnummer #######) an der e und e2 gmbh & co. b kg im nennbetrag von 30.000,00 € entstanden sind und noch entstehen. es wird festgestellt, dass die beklagte zu 3 gegen den kläger keinerlei rechte mehr aus dem treuhand- und verwaltungsvertrag des klägers mit der beklagten zu 3 bezüglich der beteiligung des klägers (anteilsnummer #######) an der e und e2 gmbh & co. b kg im nennbetrag von 30.000,00 € geltend machen kann, 224. festzustellen, dass die beklagten als gesamtschuldner sämtliche steuerlichen nachteile zu tragen haben, die dem kläger aus der beteiligung, der schadensersatzleistung und der übertragung der beteiligung gemäß ziffer 1 entstehen, 235. die beklagten als gesamtschuldner zu verurteilen, an den kläger 1.761,08 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 13.07.2013 zu bezahlen, 246. festzustellen, dass die beklagten als gesamtschuldner den kläger von forderungen seiner prozessbevollmächtigten über 2.013,01 € freizustellen haben. 25die beklagten beantragen, 26die klage abzuweisen. 27die beklagte zu 1 behauptet, es sei lediglich eine anlagevermittlung erfolgt. die beklagten behaupten, anlageziel des klägers sei eine hohe rendite gewesen. der kläger habe bereits in der vergangenheit mehrere schiffsbeteiligungen gezeichnet und sei dabei umfassend aufgeklärt worden. die beklagten erheben die einrede der verjährung. 28wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die zwischen den parteien gewechselten schriftsätze und die zu den akten gereichten unterlagen bezug genommen. 29 | 30die zulässige klage ist unbegründet. dem kläger stehen die geltend gemachten ansprüche gegen die beklagten unter keinem rechtlichen gesichtspunkt zu. 31i. 32gegen die beklagten zu 2 und 3 scheiden schadensersatzansprüche gemäß §§ 311 abs. 2, 3, 241 abs. 2 bgb wegen verschuldens bei vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) aus uneigentlicher prospekthaftung aus, weil die kammer eine aufklärungspflichtverletzung der beklagten nicht feststellen kann. 33die beklagten zu 2 und 3 gehören als gründungs- und treuhandgesellschafter zwar zu dem personenkreis, der nach den grundsätzen der uneigentlichen prospekthaftung bei einem aufklärungsmangel haftet. die aus dem aspekt des verschuldens bei vertragsverhandlungen (c.i.c.) abgeleitete prospekthaftung im weiteren sinne zielt auf eine haftung der gründungsgesellschafter – namentlich der gründungskommanditisten und der treuhandkommanditisten – einer publikumskommanditgesellschaft (bgh, urt. v. 06.10.1980 – ii zr 60/80 rn. 15 ff.; bgh, urt. v. 29.05.2008 – iii zr 59/07 rn. 7 ff.; bgh, urt. v. 12.02.2009 – iii zr 90/08 rn. 8 ff.; olg hamm, urt. v. 05.03.2012 – i-8 u 256/11 rn. 36 ff.). grundlage ist, dass die gründungsgesellschafter wegen eines regelmäßigen wissensvorsprungs gegenüber den anlegern eine aufklärungspflicht trifft (olg hamm, urt. v. 08.09.2008 – 8 u 161/07 rn. 198). neben einer vollständigen aufklärung in bezug auf alle anlagerelevanten umstände müssen insbesondere unrichtige prospektangaben richtiggestellt werden (bgh, urt. v. 29.05.2008 – iii zr 59/07 rn. 8; bgh, urt. v. 12.02.2009 – iii zr 90/08 rn. 8 ff.). demnach ist für eine haftungsbegründung nicht erforderlich, dass die gründungsgesellschafter in persönlichen kontakt zum anleger getreten sind oder anderweitig besonderes persönliches vertrauen beansprucht haben (bgh, urt. v. 12.02.2009 – iii zr 90/08 rn. 8; olg hamm, urt. v. 08.09.2008 – 8 u 161/07 rn. 63). 34nach diesen grundsätzen sind die beklagten zu 2 und 3 im sinne der uneigentlichen prospekthaftung verpflichtet, über alle wesentlichen gesichtspunkte aufzuklären, die für die entscheidung des interessenten von bedeutung sind. sie kommen ihr regelmäßig dadurch nach, dass dem interessenten rechtzeitig (nachfolgend a) ein vollständiger und richtiger prospekt (nachfolgend c) übergeben wird und von dem anlageberater oder anlagevermittler keine von dem prospektinhalt abweichenden erklärungen abgegeben werden (nachfolgend b) (vgl. bgh, urt. v. 12.12.2013, iii zr 404/12; bgh, urt. v. 11.05.2006 – iii zr 205/05 rn. 9; olg köln, urt. v. 04.09.2012 – 24 u 65/11 rn. 25; palandt/grüneberg, bgb, 72. aufl. 2013, § 311 rn. 70). 35(a) 36nach der rechtsprechung hat die prospektübergabe grundsätzlich so rechtzeitig vor dem vertragsschluss zu erfolgen, dass sein inhalt noch zur kenntnis genommen werden kann (vgl. bgh urt. v. 21.03.2005, ii zr 140/03 rn.39 für die prospekthaftung und bgh urt. v. 08.05.2012, xi zr 262/10 rn. 21 für die beraterhaftung). dabei ist die übergabe des prospekts aber bereits dann rechtzeitig erfolgt, wenn der anlageinteressent nur hinreichend zeit zur lektüre des prospekts hatte und er den zeitpunkt der zeichnung – ohne zwingenden grund – selbst kurzfristig bestimmt (vgl. urt. dieser kammer v. 11.04.2014 – 3 o 476/13 – beckrs 2014, 08829; urt. dieser kammer v. 08.11.2013 – 3 o 124/13 – beckrs 2013, 21094; urt. dieser kammer v. 08.11.2013 – 3 o 125/13 – beckrs 2013, 21095; olg frankfurt, urt. v. 06.05.2011 – 19 u 293/10 = njw-rr 2011, 1549, 1549 f.; lg frankfurt/m., urt. v. 23.03.2012 – 2-19 o 334/11 = beckrs 2013, 06846; lg frankfurt/m., urt. v. 07.11.2011 – 2-19 o 170/11 = beckrs 2013, 21809). 37die prospektübergabe erfolgte vorliegend unstreitig etwa zwei monate vor der streitgegenständlichen beitrittserklärung und somit rechtzeitig. 38(b) 39es kann auch nicht festgestellt werden, dass der zeuge v von dem prospektinhalt abweichende und irreführende angaben gegenüber dem kläger gemacht hat. der kläger trägt die beweislast für irreführende, vom prospektinhalt abweichende angaben durch den anlageberater oder anlagevermittler (vgl. bgh, urt. v. 11.05.2006 – iii zr 205/05 rn. 6 f.; palandt-grüneberg, a.a.o., § 280 rn. 36). 40der kläger hat diesen beweis nicht geführt. eine vernehmung des klägerseits benannten zeugen v war ausgeschlossen, da der zeuge verstorben ist. 41eine parteivernehmung des klägers auf dessen antrag nach § 447 zpo kam nicht in betracht, da die beklagten dem nicht zugestimmt haben. auch ist die parteivernehmung des klägers von amts wegen kein taugliches beweismittel, da die voraussetzungen des § 448 zpo nicht gegeben sind. eine parteivernehmung nach § 448 zpo von amts wegen ist grundsätzlich nur zulässig, wenn nach dem bisherigen sachstand eine gewisse wahrscheinlichkeit für die richtigkeit der streitgegenständlichen behauptung besteht, also bereits „einiger beweis erbracht ist“ (vgl. bgh, urt. v. 10.07.2008 – iii zr 292/07 = njw-rr 2009, 199, 201, rn. 20 m.w.n.). es ist nicht zweck des § 448 zpo, die beweisbelastete partei von den folgen der beweisfälligkeit zu befreien (vgl. olg celle, beschl. v. 30.01.2012 – 11 u 2/11 = beckrs 2013, 00314; zöller/greger, zpo, 29. aufl. 2012, § 448 rn. 2, 3). etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der zeuge v verstorben ist. die bloße beweisnot ändert nichts daran, dass für eine parteivernehmung nach § 448 zpo eine gewisse wahrscheinlichkeit für die richtigkeit der streitgegenständlichen behauptung bestehen muss (vgl. zöller/greger, a.a.o., § 448 rn. 4a). 42von der möglichkeit der anhörung des klägers nach § 141 zpo hat das gericht nach pflichtgemäßem ermessen keinen gebrauch gemacht. eine pflicht zur anhörung des beweislosen klägers im sinne einer „ermessensreduzierung auf null“ bestand trotz des von ihm behaupteten vier-augen-gesprächs nicht (vgl. bverfg, beschl. v. 27.02.2008, 1 bvr 2588/06 = njw 2008 2170; bgh, urt. v. 27.09.2005, xi zr 216/04; bgh, urt. v. 08.07.2010 – iii zr 249/09 = njw 2010, 3292, 3293, rn. 16; zöller-greger, zpo, 29. aufl. 2012, § 141 rn. 3), denn das gericht hat keine feststellungen zu den streitigen tatsachen, sondern eine beweislastentscheidung getroffen. in der regel, und dies gilt auch im vorliegenden fall, sind die parteien wegen des damit verbundenen interessenwiderstreits kein geeignetes beweismittel in eigener sache (zöller/greger, a.a.o., § 448 zpo rn. 2, 2 a). 43(c) 44bei dem vorliegenden emissionsprospekt handelt es sich um einen richtigen und vollständigen prospekt. die folgenden, von dem kläger geltend gemachten prospektfehler sind nach auffassung des gerichts nicht feststellbar. 45(1) mittelherkunft/ mittelverwendung/ „weichkosten“ 46der emissionsprospekt enthält umfassende informationen hinsichtlich der weichkosten und der mittelverwendung. über weichkosten, die in nicht unerheblicher höhe anfallen, muss ein prospekt aufklären. dem anleger ist zu verdeutlichen, in welchem umfang seine leistungen nicht in das anlageobjekt, sondern in anschaffungs- und herstellungskosten investiert werden (bgh, urt. v 12.12.2013, iii zr 404/12 rn. 14, 15). fehlerhaft ist es daher, wenn dem anleger nicht vor augen geführt wird, in welchem umfang seine beteiligung nicht in das objekt eingeht, wenn beispielsweise werbungskosten mit einem unrichtigen anteil am gesamtaufwand ausgewiesen werden. dem anlageinteressenten ist es nicht zumutbar, zunächst durch eine reihe von rechengängen zu einer korrekten feststellung zu kommen (bgh, urt. v 12.12.2013, iii zr 404/12 rn. 14, 15). 47vorliegend wurde die höhe der weichkosten korrekt angegeben. sie werden im prospekt selbst (s. 44 ff.) sowie in der anlage 1 zum gesellschaftsvertrag (s. 123) mitgeteilt. so wird beispielsweise in der übersicht auf s. 44 „mittelherkunft und mittelverwendung“ verdeutlicht, dass von dem investitionsvolumen in höhe von 113.472 t€ ein betrag von 6.630 t€ für „vertrieb und einwerbung des beteiligungskapitals“ eingesetzt wird. aus dem prospekt ergibt sich auch, dass zudem das agio in höhe von 5% für vertrieb und einwerbung des beteiligungskapitals aufgewendet wird (s. 44, 45). für den sorgfältigen anlageinteressenten sind die angaben nach einer gesamtschau des prospekts ausreichend aufschlussreich und erfordern keinen beachtlichen rechenaufwand (ebenso bgh, urt. v 12.12.2013, iii zr 404/12 rn. 14, 15). auch die zinsen für die eigenkapitalzwischenfinanzierung (s. 46, 49, 66 f.) werden in dem prospekt ebenso wie die liquiditätsreserve (s. 44, 45 f.) hinreichend dargestellt, weitergehender angaben bedurfte es nicht. fehlerhafte oder irreführende angaben bezüglich der weichkosten sind nicht erkennbar. 48nicht offenbarungspflichtig ist, ob und ggf. in welcher höhe die beklagte zu 1 provisionen für die vermittlung der streitgegenständlichen beteiligungen erhalten hat. für den nicht bankmäßig gebundenen, freien anlageberater besteht keine verpflichtung gegenüber seinem kunden, ungefragt über eine von ihm bei der empfohlenen anlage erwartete provision aufzuklären, wenn der kunde selbst keine provision zahlt und offen ein agio oder kosten für die eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen werden, aus denen ihrerseits die vertriebsprovisionen aufgebracht werden (bgh, urteil vom 15.04.2010, iii zr 198/09 und bgh, urteil vom 10.11.2011 iii zr 245/10 in abgrenzung zu bghz 170, 226 = njw 2007, 1876 und bgh, njw 2009, 1416). 49(2) steigerung der schiffsbetriebskosten unvertretbar 50die kosten von schiffsbetrieb und management werden in dem emissionsprospekt offen gelegt. 51auf den seiten 36, 46 f. und 48 f. des prospektes findet sich eine hinreichende aufklärung bezüglich der schiffsbetriebskosten. der anleger wird entgegen dem vortrag des klägers auch nicht im unklaren gelassen, auf welchen grundlagen die berechnungen beruhen. es kann dahinstehen, ob die betriebskosten tatsächlich höher als angegeben ausgefallen sind. denn bei den prospektierten angaben handelt es sich, wie u.a. auf s. 36 des prospektes ausgeführt wird und sich insbesondere auch aus der entsprechenden sensitivitätsanalyse auf s. 55 ergibt, lediglich um prognosewerte, die der vertretbarkeitskontrolle unterliegen. dabei dürfen durchaus auch optimistische prognosen und kalkulationen dem prospekt zugrunde gelegt werden; darüber hinausgehende risikoabschläge, die der – jeder prognose naturgemäß innewohnenden – unsicherheit rechnung tragen sollen, sind für eine angemessene darstellung des risikos der anlage grundsätzlich nicht erforderlich (bgh, urt. v. 27.10.2009 – xi zr 337/08, njw-rr 2010, 115). dass aber eine zum zeitpunkt ihrer erstellung vertretbare prognose immer mit dem risiko einer abweichenden negativen entwicklung behaftet ist und sich die entwicklung der rentabilität einer kapitalanlage insoweit nicht mit sicherheit voraussagen lässt, gehört zum allgemeinwissen und bedarf bereits keiner besonderen aufklärung (bgh, urt. v. 21.03.2005 – xi zr 63/05, rn. 16, njw 2006, 2041; bgh, urt. v. 27.10.2009 – xi zr 337/08, rn. 23, njw-rr 2010, 115). es ist nach auffassung des gerichts nicht erkennbar, dass die angaben aus ex-ante-sicht im jahr 2005 unvertretbar gewesen wären. 52(3) fehlerhafte bzw. irreführende darstellung des marktumfeldes 53der prospekt enthält keine fehlerhaften oder irreführenden angaben bezüglich des marktumfeldes. entgegen der ansicht des klägers wird im zusammenhang mit dem angegebenen ersatzbedarf wegen der umstellung von ein- auf doppelhüllentanker nicht der auftragsbestand von aframaxtankern verschwiegen, vielmehr wird dieser auf s. 19 des prospektes ausführlich dargestellt. auch hinsichtlich der einsatzmöglichkeiten der schiffe werden, insbesondere im hinblick auf die erläuterung der imo-regel 13g, weder fehlerhafte noch irreführende angaben gemacht, vielmehr werden mögliche einsatzrouten auf s. 14 und 15 des prospekts beispielhaft benannt. 54(4) prognoserechnung / chartereinnahmen 55der emissionsprospekt klärt in hinreichender deutlichkeit über die risiken des chartermarktes auf. die dort angestellten prognosen erscheinen nach auffassung des erkennenden gerichts aus der maßgeblichen ex-ante-perspektive jedenfalls nicht unvertretbar. insoweit trägt der anleger grundsätzlich selbst das risiko, dass sich seine anlageentscheidung nachträglich als falsch erweist (bgh, urt. v. 22.03.2011, xi zr 33/10). der prospektherausgeber wie auch die gründungsgesellschafter einer publikumskommanditgesellschaft übernehmen nämlich in der regel keine gewähr dafür, dass die von ihnen prognostizierte entwicklung auch tatsächlich eintritt (bgh, urt. v. 27.10.2009, xi zr 337/08 = njw-rr 2010, 115). vielmehr ist es insoweit ausreichend, wenn entsprechende prognosen im prospekt auf tatsachen gestützt und ex ante betrachtet vertretbar sind (vgl. bgh, urt. v. 27.10.2009, xi zr 337/08 = njw-rr 2010, 115). dabei dürfen durchaus auch optimistische prognosen und kalkulationen dem prospekt zugrunde gelegt werden; darüber hinausgehende risikoabschläge, die der – jeder prognose naturgemäß innewohnenden – unsicherheit rechnung tragen sollen, sind für eine angemessene darstellung des risikos der anlage grundsätzlich nicht erforderlich (bgh, urt. v. 27.10.2009, xi zr 337/08 = njw-rr 2010, 115). dass aber eine zum zeitpunkt ihrer erstellung vertretbare prognose immer mit dem risiko einer abweichenden negativen entwicklung behaftet ist und sich die entwicklung der rentabilität einer kapitalanlage insoweit nicht mit sicherheit voraussagen lässt, gehört zum allgemeinwissen und bedarf bereits keiner besonderen aufklärung (bgh, urt. v. 21.03.2006, xi zr 63/05 = njw 2006, 2041; bgh, urt. v. 27.10.2009, xi zr 337/08 = njw-rr 2010, 115). 56der kläger wurde durch den prospekt insbesondere auch ausreichend über die chartereinnahmen informiert. 57auf s. 34 f. und 54 f. des prospekts wird explizit auf das risiko hingewiesen, dass die chartereinnahmen schwanken und unter dem eindruck eines weltweiten verfalls der chartereinnahmen stehen. so heißt es auf s. 34: „die nachfrage nach transporten zur see wird entscheidend von der weltweiten nachfrage bestimmt. eine langfristige marktschwäche oder nachhaltige änderungen der verbrauchsgewohnheiten – vor allem in den industrienationen – können zu einem rückgang des transportaufkommens führen. dies kann die ertragslage des lr2-pools derart beeinflussen, dass die kalkulierten poolergebnisse vollständig entfallen. (…) zudem kann ein rückgang des transportaufkommens die ertragslage des charterers derart beeinflussen, dass ihm die erfüllung seiner zahlungsverpflichtungen teilweise oder gänzlich unmöglich wird (…). im extremfall kann dies zur aufgabe des geschäftsbetriebes führen oder den verlust des beteiligungskapitals bedeuten.“ auf s. 48 werden die erwarteten chartereinnahmen zudem in tabellenform von 2005 bis 2010 präzisiert. ferner werden auf. s. 54/55 die kalkulierten und die benötigten chartereinnahmen sowie von den prognosen abweichende szenarien im rahmen einer sensitivitätsanalyse dargestellt. damit wird deutlich, dass die chartereinnahmen durchaus geringer als prospektiert ausfallen können. zudem werden auf s. 54 die grundlagen der prognoserechnung dargelegt. es sind keine anhaltspunkte ersichtlich, dass die angestellte prognose sich aus damaliger sicht ex-ante als unvertretbar dargestellt hätte (vgl. auch lg dortmund, urt. v. 08.11.2013 – 3 o 125/13, beckrs 2013, 21095). 58(5) keine aufklärung über loan-to-value-klauseln 59die teilweise fremdfinanzierung des investitionsvolumens durch hypothekendarlehen einschließlich der finanzierungskosten wird auf den seiten 10, 44 und 66 f. des emissionsprospektes konkret dargestellt. eine vollständige wiedergabe der darlehensverträge oder eine darstellung der ltv-klausel (105%- klausel) war nicht erforderlich, weil die über die prospektangaben hinausgehenden einzelheiten der darlehensverträge für die anlageentscheidungen nicht von bedeutung sind. dem anleger wird - auch beim fehlen der vorgenannten umstände - ein für seine beitrittsentscheidung zutreffendes bild über das beteiligungsangebot vermittelt (bgh urt. v. 22.3.2010, ii zr 66 / 08, rn.9). 60(6) wiederaufleben der haftung / rückforderung von ausschüttungen 61der prospekt enthält ausdrückliche und unmissverständliche hinweise zu der haftung nach § 172 abs. 4 hgb sowie der einordnung der ausschüttungen als darlehen bzw. der pflicht zur rückzahlung der ausschüttungen. hinsichtlich des wiederauflebens der haftung nach § 172 abs. 4 hgb oder nach §§ 30 und 31 gmbhg ist ein bloßer hinweis auf die kommanditistenhaftung ausreichend. nicht notwendig ist hingegen eine darüberhinausgehende erklärung der regelung des § 172 abs. 4 hgb oder der §§ 30 und 31 gmbhg in abstrakter hinsicht (bgh, beschluss vom 09.11.2009, ii zr 16/09 = wm 2009, 2387). 62bei dem streitgegenständlichen emissionsprospekt stellt es sich auch so dar, dass das wiederaufleben der haftung ausdrücklich beschrieben wird. dort heißt es (s. 39): „sollte jedoch infolge von auszahlungen (= entnahmen) das eigenkapitalkonto herabgesetzt werden, lebt gemäß § 172 hgb die haftung in höhe der auszahlungen wieder auf. die auszahlungen werden nach den vereinbarungen im gesellschaftsvertrag als darlehen gegenüber dem kommanditisten/treugeber behandelt und können gegebenenfalls von der gesellschaft im bedarfsfall einer liquiditätsenge zurückgefordert werden.“ weitere erläuterungen finden sich auf s. 57 und 80 f. des prospekts. auch die ausführungen im gesellschaftsvertrag unter § 4 ziff. 5 (s. 110 des prospekts) und § 11 ziff. 5 (s. 120 des prospekts) stellen einen integralen bestandteil des prospekts dar und dürfen bei der einschätzung nicht vernachlässigt werden (olg hamm, urt. v. 09.03.2011 – 8 u 132/10; olg hamm, urt. v. 05.03.2012 – 8 u 256/11; olg hamm, urt. v. 18.04.2012 – 8 u 233/11). 63darüber, dass die auszahlungen gewinnunabhängig und als darlehen erfolgen, wird in dem prospekt ebenfalls mehrfach hingewiesen. wie bereits dargelegt, heißt es auf s. 39 des prospekts: „die auszahlungen werden nach den vereinbarungen im gesellschaftsvertrag als darlehen gegenüber dem kommanditisten/treugeber behandelt und können gegebenenfalls von der gesellschaft im bedarfsfall einer liquiditätsenge zurückgefordert werden.“ dazu, dass infolge der prospektierten anlaufverluste das kapitalkonto von anfang an planmäßig unter den betrag der hafteinlage gemindert war mit der folge, dass bis zu einer eventuellen auffüllung durch zugeschriebene gewinne jede ausschüttung zum wiederaufleben der haftung führt, bedurfte es keiner weitergehenden hinweise (vgl. olg hamm, beschluss, v. 15.05.2014, i-34 u 16/14). 64(7) eingeschränkte fungibilität 65der emissionsprospekt weist deutlich auf die nur eingeschränkte fungibilität der beteiligung hin. bei einer nur eingeschränkten fungibilität handelt es sich um einen grundsätzlich aufklärungsbedürftigen umstand (bgh urt. v. 18.01.2007, iii zr 44/06 = wm 2007, 542; bgh urt. v. 12.07.2007, iii zr 83/06 = , wm 2007, 1608). 66der prospekt weist auf s. 39 hinreichend deutlich auf die nur eingeschränkte fungibilität und das damit verbundene risiko hin. das fungibilitätsrisiko wird transparent an markanter stelle, in dem kapitel „risiken der beteiligung“ unter „fungibilität und kündigung der beteiligung“ erörtert: „ein engagement im seeschiffsbereich sollte immer unter langfristigen aspekten erfolgen. gleichwohl ist eine übertragung oder der verkauf einer beteiligung mit zustimmung der komplementärin (…) grundsätzlich jederzeit möglich. die fungibilität von fondsanteilen steigt mit dem erfolg der beteiligung. jedoch sollten die anleger berücksichtigen, dass ein vorzeitiger verkauf der beteiligung bei nicht planmäßiger entwicklung und unter berücksichtigung der bisherigen steuerlichen ergebnisse nur mit preisabschlägen auf den nominalwert der beteiligung oder unter umständen überhaupt nicht zu realisieren ist. wirtschaftlich sinnvoller und profitabler dürfte grundsätzlich das warten auf den späteren verkauf des fondsobjektes sein.“ 67eine weitergehende aufklärungspflicht besteht insofern nicht. 68(8) nachhaftung 69die prospekte sind bezüglich einer möglichen nachhaftung im falle des ausscheidens weder unrichtig noch unvollständig. eine entsprechende aufklärungspflicht besteht nicht. eine pflicht zur aufklärung in einem emissionsprospekt besteht allein dann, wenn zu dem allgemeinen risiko weitere risiko erhöhende spezielle risiken treten. anhaltspunkte dafür sind bei der nachhaftung weder ersichtlich noch dargelegt. 70(9) majorisierung 71das risiko der majorisierung ist allgemein bekannt. es handelt sich nach auffassung des erkennenden gerichts um ein jedem anleger zugängliches und verfügbares allgemeinwissen. 72(10) beschlussfassung im umlaufverfahren 73auch insoweit ist der prospekt nicht fehlerhaft. die möglichkeit einer beschlussfassung im umlaufverfahren wird im prospekt dargestellt (§ 9 des gesellschaftsvertrages, s. 117 ff.). ein aufklärungsbedürftiges risiko ist nicht erkennbar. 74(11) totalverlustrisiko nicht verständlich dargestellt 75durch den prospekt wird der anleger hinreichend über das totalverlustrisiko informiert. bei dem streitgegenständlichen schiffsfonds ist in bezug auf das totalverlustrisiko grundsätzlich zu berücksichtigen, dass den verbindlichkeiten der beteiligungsgesellschaft der sachwert des schiffs gegenübersteht (bgh, wm 2007, 1503; bgh, wm 2007, 1507). eine ausnahmslose pflicht, über das verlustrisiko – unabhängig von konkreter ausgestaltung von beteiligungsangebot und risikostruktur – zu informieren, besteht nicht (bgh, njw-rr 2010, 115). 76zudem ist auf das kapitel „risiken der beteiligung“ im prospekt zu verweisen. dort heißt es (s. 31): „der wirtschaftliche erfolg dieser schiffsbeteiligung kann nicht garantiert werden. (…) wer dennoch nach sorgfältigem studium dieses prospekts das unternehmerische risiko als zu hoch einschätzt, sollte sich nicht beteiligen.“ weiter heißt es: „die mit der vermögensanlage verbundenen, wesentlichen tatsächlichen oder rechtlichen risiken können in prognosegefährdende, anlagegefährdende und anlegergefährdende risiken unterschieden werden. prognosegefährdende risiken führen zu einer schwächeren prognose und somit zu geringeren auszahlungen, während anlagegefährdende risiken darüber hinaus zu einem teilweisen oder vollständigen verlust der gesamten zeichnungssumme führen können. anlegergefährdende risiken können hingegen über den verlust der zeichnungssumme hinaus auch das weitere vermögen des anlegers gefährden.“ damit wurde über das totalverlustrisiko in ausreichendem maße aufgeklärt. neben diesem denkbar deutlichen hinweis in dem kapitel zu bestehenden risiken wird, wie bereits unter ziffer (4) dargelegt, mehrfach im prospekt über die unbeständigkeit der aussichten informiert. 77festzuhalten bleibt damit, dass der prospekt vollständig und richtig ist. darauf, ob der zeuge v es nach dem vorbringen des klägers unterlassen hat, diesen über einzelne risiken mündlich aufzuklären, kommt es damit nicht an. fragen zu kausalität, verschulden und schaden können mangels aufklärungspflichtverletzung dahinstehen. 78ii. 79deliktische ansprüche nach § 823 abs. 2 bgb i.v.m. § 263 abs. 1 bzw. 264a stgb, § 826 bgb scheiden gegen die beklagten zu 2 und 3 nach den vorstehenden ausführungen offensichtlich aus. 80eine gesetzliche prospekthaftung nach dem zum zeitpunkt der zeichnung maßgeblichen § 13 abs. 1 verkprospg entfällt, da es sich um einen – wie bereits erörtert – richtigen und vollständigen prospekt handelt. darüber hinaus sind die ansprüche gemäß §§ 44, 45 börsg mittlerweile verjährt. denn seit veröffentlichung des prospekts sind mehr als drei jahre vergangen. 81iii. 82da eine pflichtverletzung der beklagten zu 2 und 3 nicht festgestellt werden kann, sind auch die weiteren anträge unbegründet. 83iv. 84die klage gegen die beklagte zu 1 ist ebenfalls unbegründet. 85der kläger hat gegen die beklagte zu 1, gegen die allein ein vertraglicher anspruch in betracht kommt, keinen schadensersatzanspruch nach § 280 abs. 1 bgb. eine aufklärungspflichtverletzung kann nach dem ergebnis der beweisaufnahme nicht festgestellt werden. 86dabei kann dahinstehen, ob der kläger mit der beklagten zu 1 einen beratungs- oder anlagevermittlungsvertrag geschlossen hat. der beweisbelastete (palandt/grüneberg, a.a.o., § 280 rn. 36) kläger hat nicht beweisen können, dass der beklagten zu 1 eine pflichtverletzung zur last fällt. ein anlageberater schuldet eine anleger- und objektgerechte beratung (palandt/grüneberg, a.a.o., § 280 rn. 47 ff.) und ein anlagevermittler vollständige und richtige informationen über das anlageobjekt (palandt/grüneberg, a.a.o., § 280 rn. 52), die sich weitgehend mit der objektgerechten beratung decken. 87(a) 88eine aufklärungspflicht besteht dann, wenn der auftrag vom anlageziel oder dem bisherigen risikoprofil abweicht oder unbekannte anlageformen empfohlen werden (palandt/grüneberg, a.a.o., § 280 rn. 48). 89nach dem oben gesagten steht nicht fest, dass die anlageziele des klägers auf langfristige vermögensbildung, risikodiversifizierung sowie kapitalerhalt gerichtet waren und der für die beklagte zu 1 tätige zeuge v ihm die streitgegenständliche fondsbeteiligung als sichere und gefahrlose investition empfohlen hat. der kläger hat den ihm obliegenden beweis nicht führen können. eine parteivernehmung des klägers schied aus den bereits dargelegten gründen aus. 90(b) 91die beratung (wenn ein anlageberatungsvertrag vorliegen sollte) oder die auskunft (wenn ein anlagevermittlungsvertrag vorliegen sollte) erfolgte zudem objektgerecht. voraussetzung für eine objektgerechte beratung/auskunft ist, dass der anlegerberater/anlagevermittler den interessenten richtig und vollständig informiert, insbesondere ihn bezüglich aller umstände und risiken aufklärt, die für die anlageentscheidung von bedeutung sein können (bgh, urt. v. 22.03.2011 – xi zr 33/10 rn. 20; bgh, urt. v. 01.12.2011 – iii zr 56/11 rn. 9 f.; palandt/grüneberg, a.a.o., § 280 rn. 48 ff., 52). 92wie bereits dargelegt, hat der kläger nicht bewiesen, dass der zeuge v von dem rechtzeitig übermittelten prospekt abweichende und irreführende angaben gegenüber dem kläger gemacht hat (vgl. bgh, urt. v. 06.07.1993 – xi zr 12/93 rn. 14 ff.; bgh, urt. v. 22.03.2011 – xi zr 33/10 rn. 22 ff.). eine offenbarungspflicht darüber, ob und ggf. in welcher höhe die beklagte zu 1 provisionen für die vermittlung der streitgegenständlichen beteiligungen erhalten hat, bestand – wie bereits unter ziffer (1) erörtert – nicht. 93v. 94die kostenentscheidung beruht auf § 91 abs. 1 zpo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 s. 1, 2 zpo. 95vi. 96die streitwertfestsetzung fußt auf §§ 3, 5 zpo. | Verklagte*r | 0 |
329,360 | L 5 P 147/19 | 2020-05-26T00:00:00 | Urteil | Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.11.2019 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 380,80 EUR zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klageverfahren. Die Revision wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Streitig ist die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. 3Die 1934 geborene und während des Klageverfahrens am 31.8.2017 verstorbene N. I. (fortan: Versicherte) war über ihren vorverstorbenen Ehemann bei der Beklagten privat pflegeversichert. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der privaten Pflegepflichtversicherung (MB/PPV 1995) zu Grunde. Die Versicherte wurde von ihrer 1963 geborenen Tochter und Rechtsnachfolgerin, der jetzigen Klägerin, gepflegt und auf Grund vertraglicher Vereinbarung vom 27.1.2015 betreut. 4Die Versicherte beantragte am 23.9.2015 Leistungen der häuslichen Pflege. Nachdem der Medizinische Dienst der Privaten Pflegeversicherung (N 1.) in seinem Gutachten vom 5.10.2015 zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Versicherte in der Grundpflege einen Hilfebedarf von 2 und in der hauswirtschaftlichen Versorgung von 30 Minuten habe, lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen der privaten Pflegeversicherung mit Schreiben vom 13.10.2015 ab. Das Schreiben enthielt den Hinweis: 5"Gegen diese Feststellung können Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe schriftlich Einwendungen geltend machen. Bei Einwendungen gegen die Einstufung fügen Sie Ihrem Schreiben an uns bitte die den Einwand begründenden ärztlichen oder sonstigen Unterlagen bei. Wenn keine Einwendungen geltend gemacht werden, gilt nach Ablauf der Monatsfrist dieses Schreiben als endgültige Ablehnung Ihres Antrags. Wenn Sie Ihre Ansprüche weiter verfolgen wollen, müssen Sie diese gerichtlich geltend machen. Andernfalls erlöschen möglicherweise bestehende Leistungsansprüche." 6Die Versicherte legte mit Schreiben vom 16.11.2015 anwaltlich vertreten Widerspruch ein und begründete diesen unter Vorlage von ärztlichen Unterlagen u.a. über einen vom 9. - 27.11.2015 erfolgten stationären Aufenthalt mit einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustands. Nach einem daraufhin veranlassten weiteren Gutachten des N 1. vom 4.1.2016 bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 13.1.2016 ab dem 1.11.2015 einen Anspruch auf Leistungen nach Pflegestufe 2 mit erheblicher Einschränkung der Alltagskompetenz. 7Die Versicherte erklärte das Widerspruchsverfahren mit Schreiben vom 1.3.2016 für erledigt und beantragte die Erstattung der ihr entstandenen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 380,80 EUR. Weder sie noch ihre Tochter seien in der Lage gewesen, den Widerspruch ohne rechtlichen Beistand einzulegen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 9.3.2016 mit der Begründung ab, die Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) seien auf sie als privaten und dem Zivilrecht unterliegenden Versicherungsträger auch dann nicht anwendbar, wenn für Streitigkeiten zwischen ihr und den Versicherungsnehmern der Weg zu den Sozialgerichten eröffnet sei. Zudem komme eine Erstattungsfähigkeit auch erst bei einer endgültigen Leistungsablehnung in Betracht. Schließlich müsse sich die Klägerin die Schadensminderungspflicht nach § 254 Bürgerliches Besetzbuch (BGB) entgegenhalten lassen, da die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts nur in schwierigen Fällen vertretbar sei. 8Mit ihrer am 27.5.2016 erhobenen Klage hat die Versicherte ihren Erstattungsanspruch auf § 63 SGB X gestützt und sich auf die Entscheidung des LSG NRW vom 9.3.2016 - L 19 AS 374/16 B - berufen. Da eine unterschiedliche Behandlung von gesetzlich und privat versicherten Pflegebedürftigen wegen der Vergleichbarkeit der Systeme rechtlich nicht haltbar sei, müsse die Norm zumindest analog angewandt werden. Zudem müsse untersucht werden, inwieweit das Verfahren bei der privaten Pflegeversicherung von dem der Gesetzlichen abweichen dürfe. Zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen wie z.B. § 280 BGB seien unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Aufklärungspflicht parallel zur Beratungspflicht in der Sozialen Pflegeversicherung zu prüfen. Auch sei es rechtswidrig, einen Erstattungsanspruch nur dann zu bejahen, wenn der Anspruch endgültig abgelehnt werde, da andernfalls eine Erstattung des Anwaltshonorars gerade in den Fällen verwehrt werde, in denen ein Widerspruch erfolgreich sei. Schon die Überschrift des Schreibens vom 13.10.2015 "Ablehnung von Pflegeleistungen als Ergebnis der Untersuchung durch den medizinischen Dienst" weise auf die Endgültigkeit der Entscheidung hin. Nach dem objektiven Empfängerhorizont müsse das mit einer (fehlerbehafteten) Rechtsmittelbelehrung, nicht hingegen mit den Rechtsgrundlagen versehene Schreiben als Ablehnungsbescheid gewertet werden. Da die Beklagte auch nicht angegeben habe, auf Grund welcher rechtlichen Grundlage sie die MB/PPV 2015, die ihr nicht übersandt worden seien, anwende, sei es ihr nicht zumutbar gewesen, ihre rechtlichen Interessen ohne anwaltliche Hilfe zu vertreten. Dass die Beklagte in diesem Zusammenhang von Unverhältnismäßigkeit spreche, stelle den Gipfel der Provokation dar. Sie strebe in jedem Fall eine höchstrichterliche Klärung der hier streitigen Fragen an. 9Nach dem Tod der Versicherten am 31.8.2017 hat die Klägerin den Rechtsstreit als Alleinerbin fortgeführt. 10Die Klägerin hat beantragt, 11die Beklagte zur Zahlung von 380,80 EUR zu verurteilen. 12Die Beklagte hat beantragt, 13die Klage abzuweisen. 14Sie habe den Widerspruch der Versicherten als Einwand gewertet. Eine endgültige Leistungsablehnung liege nur vor, wenn das Zweitgutachten das Ergebnis des Erstgutachtens bestätige. Dies ergebe sich zweifelsfrei aus der Formulierung des Schreibens. Da es einfach sei, einen Einwand zu formulieren und ärztliche Unterlagen beizufügen, sei es unverhältnismäßig, einen Rechtsanwalt einzuschalten. Es sei ihr nicht anzulasten, wenn die Versicherte nicht mehr in der Lage sei, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. 95 % der zu einem Zweitgutachten führenden Verfahren betrieben die Versicherten allein. Im Übrigen habe die Versicherte direkt Klage erheben können. Schließlich scheitere der geltend gemachte Anspruch bereits an der fehlenden Anwendbarkeit des § 63 SGB X. 15Das SG hat die Klage im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 12.11.2019 abgewiesen und die Berufung zugelassen. § 63 Abs. 1 und 2 SGB X schieden als Anspruchsgrundlage aus, da es sich vorliegend nicht um ein Sozialversicherungsverhältnis iSd SGB X handele. Für eine analoge Anwendung der Norm fehle es an der planwidrigen Regelungslücke. § 63 SGB X stelle eine spezialgesetzliche Regelung dar. Privat Pflegeversicherte könnten auch ohne vorherigen Einwand direkt Klage erheben. Auch eine analoge Anwendung der Norm verhelfe der Klägerin nicht zum Erfolg, da die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zum Einreichen von ärztlichen Unterlagen im Rahmen eines Einspruchs nicht notwendig sei. Ein Anspruch nach § 280 Abs. 1 BGB scheitere daran, dass schon nicht ersichtlich sei, welche Aufklärungspflicht die Beklagte verletzt habe. Ihrer gesetzlichen Pflicht nach § 7a Abs. 4 SGB XI sei sie durch Gründung der COMPASS private Pflegeberatung im Jahr 2008 nachgekommen. Da das Schreiben vom 13.10.2015 keine endgültige Leistungsverweigerung beinhalte, komme auch ein Anspruch nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht in Betracht. Der Versicherten sei für den Einspruch ausdrücklich ein Monat Zeit eingeräumt worden. 16Gegen das ihr am 20.11.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.12.2019 Berufung eingelegt und ihren Anspruch weiterverfolgt. In Anbetracht der grundrechtsverletzenden Ungleichbehandlung gesetzlich und privat Versicherter könne die erstinstanzliche Entscheidung nicht nachvollzogen werden. Sie selbst habe wegen der Versicherung über ihren Ehemann noch nicht einmal wählen können, ob sie sich gesetzlich oder privat versichere. 17Die Klägerin beantragt, 18das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 21.11.2019 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen. 19Die Beklagte beantragt, 20die Berufung zurückzuweisen. 21Sie verweist auf ihre bisherigen Ausführungen und das erstinstanzliche Urteil. 22Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. 23Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Unterlagen der Beklagten und die Gerichtsakten, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen. 24Entscheidungsgründe: 25Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben; § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). 26Die Berufung ist zulässig. Zwar liegt der Beschwerdegegenstand mit 380,80 EUR unter der nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG erforderlichen Summe von 750 EUR. Das Sozialgericht hat die Berufung jedoch gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Ein Ausnahmefall nach Abs. 4 SGG liegt nicht vor, da die Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Kosten streitig ist. 27Die Leistungsklage ist zulässig. 28Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist nach § 51 Abs. 2 S. 1 und 3 SGG eröffnet. Denn sie entscheiden auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der sozialen und privaten Pflegeversicherung. Obwohl weder im SGB XI noch in den MB/PVV Regelungen bezüglich der Behandlung von vorgerichtlichen Anwaltskosten enthalten sind, handelt es sich um eine privatrechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der privaten Pflegeversicherung. In der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit ist anerkannt, dass der Sozialrechtsweg auch für Nebenpflichten aus dem Versicherungsverhältnis gegeben ist (BSGE 45, 119; BSG NZS 99, 346). 29Die Klägerin ist als Rechtsnachfolgerin der Versicherten aktiv legitimiert. Soweit fällige Ansprüche auf Geldleistungen nicht nach den §§ 56 und 57 einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, werden sie nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vererbt (§ 58 Satz 1 SGB I (Erstes Buch Sozialgesetzbuch)). Da vorliegend ein privatrechtlicher Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und kein Anspruch auf laufende sozialrechtliche Leistungen gem. § 56 Abs. 1 SGB I streitig ist, liegen die Voraussetzungen einer Sonderrechtsnachfolge nicht vor. Die Klägerin ist ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts Siegen vom 9.8.2018 - 32 VI 1365/18 Alleinerbin der Versicherten geworden (§ 1922 Abs. 1 BGB) und als solche in deren verfahrensrechtliche Position eingetreten. 30Die Klage ist auch begründet. 31Ein Anspruch ergibt sich nicht bereits direkt aus § 63 Abs. 1 Satz 1 iVm Abs. 2 SGB X. § 63 Abs. 1 Satz 1 sieht vor, dass der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Nach Abs. 2 sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist auf das Widerspruchsverfahren beschränkt. Grundvoraussetzung ist daher der Erlass eines Verwaltungsakts nach § 31 SGB X, wozu die Beklagte als Bevollmächtigte der Gemeinschaft privater Versicherungsunternehmen nicht ermächtigt ist. 32Die Klägerin kann ihr Begehren jedoch mit Erfolg auf eine analoge Anwendung des § 63 Abs. 1 SGB X stützen. Zur Überzeugung des Senats liegen eine planwidrige Regelungslücke und eine Vergleichbarkeit der Interessenlage privat und gesetzlich Pflegeversicherter hier vor. Zwar hat das BSG zu Recht entschieden, dass die Regelungen des SGB X über die Aufhebung von Verwaltungsakten, insbesondere von Leistungsbescheiden, nach den §§ 45ff. SGB X auch nicht mittelbar auf die private Pflegeversicherung übertragen werden können, da den Versicherten mit den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen der erforderliche Rechtsschutz zur Seite steht (BSG, Urteil vom 22.8.2001 - B 3 P 21/00 R -). Eine Regelungslücke besteht jedoch insoweit, als privat Pflegeversicherten ein geringeres verfahrensrechtliches Schutzniveau im Vergleich zu den gesetzlich Pflegeversicherten zur Verfügung steht. Obgleich auch ihnen der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gem. § 51 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Absatz 2 SGG offensteht, fehlt eine gesetzliche Regelung für ein ausdifferenziertes vorgerichtliches Verfahren entsprechend der im SGB X getroffenen Regelungen. Diese Regelungslücke ist planwidrig. Denn obwohl der Gesetzgeber wegen der durch § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XI (der nach Abs. 4 Nr. 3 auch für die Mitglieder der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten gilt) geschaffen leistungsrechtlichen Inkorporation des privaten Versicherungsrechts in das SGB XI eine einheitliche Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit begründet hat, um eine gelichlautenden Rechtsprechung zu identischen Fragen zu erhalten, fehlt ein entsprechender verfahrensrechtlicher Gleichklang. Auch privat Pflegeversicherten wird seitens ihrer Versicherer die Möglichkeit einer vorgerichtlichen Überprüfung und Zweitbegutachtung gewährt. Dies gilt im vorliegenden Fall in besonderem Maße, da die Hinweise im Schreiben der Beklagten vom 13.10.2015 einer Rechtsmittelbelehrung stark ähneln. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei der Rechtswegzuweisung die mit den gesetzlich Versicherten vergleichbaren Interessen der privat Pflegeversicherten übersehen hat (so zum sozialgerichtlichen Kostenrecht: BSG, Urteil vom 28.9.2006 - B 3 P 3/05 R; zu § 63 SGB X im Ergebnis auch Klünder, "Erfolgreiche Durchsetzung von Pflegeleistungen in der privaten Pflegeversicherung - Erstattung der Rechtsanwaltskosten durch Versicherer nach § 63 SGB X analog", NZS 8/2009, S. 426-427; a.A. und die Verzugs- und Schadensersatzvorschriften des BGB prüfend: SG Köln, Urteil vom 11.6.2007 - S 23 P 141/06, so wohl auch Becker in: Hauck/Noftz, SGB, 05/17, § 63 SGB X Rn 11; eine analoge Anwendbarkeit des § 63 SGB X nicht ausdrücklich prüfend: SG Koblenz, Urteil vom 26.5.2009 - S 5 P 89/07). Überdies fiele die Entscheidung über die Kosten des Widerspruchs- bzw. Einspruchsverfahrens den Gerichten bei der Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 und 2 SGG ohnehin an. 33Die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 SGB X analog sind erfüllt. Der als Widerspruch formulierte Einspruch der Versicherten hatte vollen Erfolg. Denn die Beklagte hat ihr mit Schreiben vom 12.1.2016 Leistungen der häuslichen Pflegehilfe bewilligt. Dass die Leistungen nicht bereits ab Antragstellung (23.8.2015), sondern erst ab dem 1.11.2015 - und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die Versicherte noch keinen Widerspruch eingelegt hatte - gewährt worden sind, steht dem nicht entgegen. Denn die Versicherte hatte ihren Einspruch mit einer akuten Verschlechterung im Oktober 2015 und dem Hinweis auf eine stationäre Behandlung im November 2015 begründet. Einer Kausalität zwischen den Einwänden der Versicherten und der Abänderung der Entscheidung bedarf es zudem grundsätzlich nicht, weil es auf den Erfolg in der Sache und nicht auf die im Verfahren vorgetragene Gründe ankommt (zu § 63 SGB X: BSG, Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 35/10 R; eine Kausalität auch bei einer während des Widerspruchsverfahrens eingetretenen, für den Widerspruchsführer günstigen Rechtsänderung bejahend: BSG, Urteil vom 27.5.2009 - B 6 KA 29/09 R - juris). Es genügt, wenn nach dem Einspruch eine von der ursprünglichen Entscheidung abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage zum Erfolg des Rechtsmittels führt. Dies gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen für den streitigen Anspruch erst - wie hier durch eine Verschlechterung des Gesundheitszustands der Versicherten - kurz vor bzw. während des laufenden Einspruchs eintreten, weil der Erfolg des Einspruchs am tatsächlichen Ergebnis des Widerspruchsverfahrens zu messen ist (zu § 63 SGB X: LSG Berlin-Potsdam, Urteil vom 18.09.2013 - L 18 AS 565/12). 34Die Beklagte vertritt die Ansicht, es habe sich bei dem Schreiben vom 13.10.2015 nicht um eine endgültige Ablehnung gehandelt, gegen die man sich habe zur Wehr setzen müssen. Von einer endgültigen Leistungsablehnung habe man erst ausgehen können, wenn das Zweitgutachten das Ergebnis des Erstgutachtens bestätige. Erst nach Ablauf der Monatsfrist werde die Entscheidung endgültig und es bestehe dann die Möglichkeit, Klage zu erheben. Dabei handelt es aus Sicht des Senats um einen Zirkelschluss. Unabhängig davon, dass das Schreiben vom 13.10.2015 ausdrücklich als "Ablehnung von Pflegeleistungen als Ergebnis der Untersuchung durch den medizinischen Dienst" und nicht als Ankündigung einer in Erwägung gezogenen Ablehnung formuliert ist, kann der Versicherte nur durch einen Einspruch eine zweite Begutachtung durch N 1. und damit eine mögliche Änderung der Entscheidung der Beklagten erreichen. Da die ablehnende Entscheidung also ohne Zutun des Versicherten nicht geändert wird, kann die Endgültigkeit der Entscheidung nicht durch die aufschiebende Bedingung eines unterbliebenen Einspruchs nach hinten verlagert werden. 35Die geltend gemachten und der Höhe nach weder streitigen noch zu beanstandenden Gebühren und Auslagen des Prozessbevollmächtigten der Versicherten sind nach § 63 Abs. 2 SGB X analog erstattungsfähig, da sie der zweckentsprechenden Rechtverfolgung gedient haben und notwendig waren. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen, nicht rechtskundigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte, weil ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erkenntnisstand sich bei der gegebenen Sach- und Rechtslage eines Rechtsanwalts bedient hätte (BVerwGE 61, 100, 102; BSG SozR 1300 § 63 Nr. 12) oder es dem Beteiligten nach den jeweils gegebenen Verhältnissen nicht zuzumuten ist, das Verfahren selbst zu führen (BSG SozR 1300 § 36 Nr. 12; BVerwG Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 34). Als maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist auf die Sicht zur Zeit der Beauftragung abzustellen (BSG vom 31. 5. 2006 - B 6 KA 78/04 R, SozR 4-1300 § 63 Nr. 4; BSG vom 9. 5. 2012 - B 6 KA 19/11 R, SozR 4-1300 § 63 Nr. 18, Rdnr. 11; BVerwG Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 36; BVerwG Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 35 = NJW 2000, 2832). Kriterien zur Beurteilung der Notwendigkeit sind die objektive Schwere der Sach- und Rechtslage, die Schwere des Eingriffs bzw. Bedeutung der beantragten Leistung oder Feststellung (vgl. BVerwGE 68, 1, 3), die Person des Widerspruchsführers, ggf. bei ihm vorliegende körperliche oder geistige Gebrechen oder seine Unbeholfenheit bei der Wahrnehmung seiner Rechtsverfolgung/-verteidigung (Becker in: Hauck/Noftz, SGB, 05/17, § 63 SGB X Rn 49; Mutschler in Kasseler Kommentar, SGB X, § 63 Rn. 17 ff.). Angesichts der Komplexität des heutigen Sozialrechts ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts in der Regel notwendig, auch wenn es sich nicht um ein schwieriges und umfangreiches Verfahren handelt (Diering in LPK-SGB X § 63 Rdnr. 25). Der Bürger ist nämlich nur in Ausnahmefällen in der Lage, seine Rechte gegenüber der Verwaltung ausreichend zu wahren. Diese Grundsätze sind auf die private Pflegeversicherung zu übertragen, da diese nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XI ihren Versicherten Leistungen gewährt, die nach Art und Umfang den Leistungen des Vierten Buches des SGB XI gleichwertig sind. Dementsprechend sind die Regelungen in den MB/PVV auch mit denen im SGB XI vergleichbar. Darüber hinaus unterliegt der private Pflegeversicherungsträger auch nicht der Amtsermittlungspflicht, die ihn verpflichtet, auch für die Beteiligten günstigen Umstände zu ermitteln und zu berücksichtigen. Auf Grund des Wissensvorsprungs und der Expertise des privaten Pflegeversicherers ist bei Einlegung eines Einspruchs, der ein kontradiktorisches Verfahren zwischen Versichertem und Versicherungsunternehmen einleitet, unter den Gesichtspunkten des fairen Verfahrens und einer gewissen Waffengleichheit die Hinzuziehung eines sachkundigen Bevollmächtigten ebenfalls grundsätzlich gerechtfertigt. Wegen der Komplexität des Regelungswerks gilt dies auch dann, wenn der Versicherer bei Vertragsabschluss die MB/PVV zur Verfügung stellt und mit der COMPASS eine private Pflegeberatung anbietet. Auch wenn ein Beratungsangebot besteht, reicht es nicht aus, den Rechtsuchenden darauf zu verweisen, zumal nicht sicher angenommen werden kann, dass der Versicherer aufgrund eigener Kompetenz immer zu einer richtigen Entscheidung gelangen wird. Im vorliegenden Fall ist die individuelle Kompetenz der zum Zeitpunkt des Einspruchs 81jährigen hilfebedürftigen dementen Versicherten mit eingeschränkter Alltagskompetenz zur Begründung eines Einspruchs nicht als ausreichend groß einzuschätzen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass noch keine gesetzliche Betreuung eingerichtet war. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten ist vor dem Hintergrund, dass zwischen Einlegung des Einspruchs (13.10.2015) und Anerkennung der erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz (ab 1.11.2015) gerade einmal 2 Wochen lagen, für den Senat nicht nachvollziehbar. Auch der 1963 geborenen Tochter und (qua vertraglicher Vereinbarung) Betreuerin der Klägerin war es als juristische Laiin nicht zuzumuten, sich in die Voraussetzungen der Gewährung von Leistungen bei Pflegebedürftigkeit nach den MB/PVV zeitnah einzuarbeiten. Da es auf eine individuelle Betrachtung im Einzelfall ankommt, kommt es auf die statistischen Überlegungen der Beklagten, wie viel Prozent der Versicherten einen Bevollmächtigten hinzuziehen, nicht entscheidungserheblich an. Weil es sich auch wirtschaftlich gesehen für die Versicherte nicht um eine Bagatelle handelte (häusliche Pflegehilfe bis zu monatlich 1.298 EUR und zusätzlich bis zu 140 EUR für Betreuungs- und Entlastungsleistungen), war die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten in der Gesamtschau notwendig. 36Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 iVm 183 Satz 2 SGG. Weder die Klägerin noch die Beklagte gehören zu dem in § 183 Satz 1 SGG genannten - privilegierten - Personenkreis, denn die Beklagte ist ein privates Versicherungsunternehmen und die Klägerin keine Sonderrechtsnachfolgerin iS von § 56 SGB I. § 183 Satz 2 SGG. Somit beschränkt sich die Kostenfreiheit von sonstigen Rechtsnachfolgen nur auf den Rechtszug der Verfahrensaufnahme, also das Klageverfahren. Eine entsprechende Anwendung der in § 183 Abs. 1 SGG normierten Kostenbegünstigung für sonstige Rechtsnachfolger kommt in Ermangelung einer Regelungslücke nicht in Betracht, da der Gesetzgeber nur Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger und Behinderte nicht mit Gerichtskosten belasten wollte und diese Privilegierung nach dem Tode des ursprünglich Berechtigten nur für den in § 56 SGB I beschriebenen Personenkreis erhalten bleiben sollte (BT-Drucks 14/5943 S 20 und 28; a.A. BSG, Urteil vom 28.9.2006 - B 3 P 3/05 R). 37Die Revision zum Bundessozialgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Eine Entscheidung des BSG zu der Frage der Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten im vorgerichtlichen Verfahren mit privaten Pflegeversicherungsunternehmen liegt bislang nicht vor. | auf die berufung der klägerin wird das urteil des sozialgerichts dortmund vom 12.11.2019 geändert. die beklagte wird verurteilt, an die klägerin 380,80 eur zu zahlen. die beklagte trägt die kosten des berufungsverfahrens und die außergerichtlichen kosten der klägerin im klageverfahren. die revision wird zugelassen. 1 | 2streitig ist die erstattung vorgerichtlicher rechtsanwaltskosten. 3die 1934 geborene und während des klageverfahrens am 31.8.2017 verstorbene n. i. (fortan: versicherte) war über ihren vorverstorbenen ehemann bei der beklagten privat pflegeversichert. dem vertrag lagen die allgemeinen versicherungsbedingungen der privaten pflegepflichtversicherung (mb/ppv 1995) zu grunde. die versicherte wurde von ihrer 1963 geborenen tochter und rechtsnachfolgerin, der jetzigen klägerin, gepflegt und auf grund vertraglicher vereinbarung vom 27.1.2015 betreut. 4die versicherte beantragte am 23.9.2015 leistungen der häuslichen pflege. nachdem der medizinische dienst der privaten pflegeversicherung (n 1.) in seinem gutachten vom 5.10.2015 zu dem ergebnis gekommen war, dass die versicherte in der grundpflege einen hilfebedarf von 2 und in der hauswirtschaftlichen versorgung von 30 minuten habe, lehnte die beklagte die gewährung von leistungen der privaten pflegeversicherung mit schreiben vom 13.10.2015 ab. das schreiben enthielt den hinweis: 5"gegen diese feststellung können sie innerhalb eines monats nach bekanntgabe schriftlich einwendungen geltend machen. bei einwendungen gegen die einstufung fügen sie ihrem schreiben an uns bitte die den einwand begründenden ärztlichen oder sonstigen unterlagen bei. wenn keine einwendungen geltend gemacht werden, gilt nach ablauf der monatsfrist dieses schreiben als endgültige ablehnung ihres antrags. wenn sie ihre ansprüche weiter verfolgen wollen, müssen sie diese gerichtlich geltend machen. andernfalls erlöschen möglicherweise bestehende leistungsansprüche." 6die versicherte legte mit schreiben vom 16.11.2015 anwaltlich vertreten widerspruch ein und begründete diesen unter vorlage von ärztlichen unterlagen u.a. über einen vom 9. - 27.11.2015 erfolgten stationären aufenthalt mit einer verschlechterung ihres gesundheitszustands. nach einem daraufhin veranlassten weiteren gutachten des n 1. vom 4.1.2016 bestätigte die beklagte mit schreiben vom 13.1.2016 ab dem 1.11.2015 einen anspruch auf leistungen nach pflegestufe 2 mit erheblicher einschränkung der alltagskompetenz. 7die versicherte erklärte das widerspruchsverfahren mit schreiben vom 1.3.2016 für erledigt und beantragte die erstattung der ihr entstandenen rechtsanwaltskosten i.h.v. 380,80 eur. weder sie noch ihre tochter seien in der lage gewesen, den widerspruch ohne rechtlichen beistand einzulegen. die beklagte lehnte den antrag mit schreiben vom 9.3.2016 mit der begründung ab, die vorschriften des zehnten buches sozialgesetzbuch (sgb x) seien auf sie als privaten und dem zivilrecht unterliegenden versicherungsträger auch dann nicht anwendbar, wenn für streitigkeiten zwischen ihr und den versicherungsnehmern der weg zu den sozialgerichten eröffnet sei. zudem komme eine erstattungsfähigkeit auch erst bei einer endgültigen leistungsablehnung in betracht. schließlich müsse sich die klägerin die schadensminderungspflicht nach § 254 bürgerliches besetzbuch (bgb) entgegenhalten lassen, da die inanspruchnahme eines rechtsanwalts nur in schwierigen fällen vertretbar sei. 8mit ihrer am 27.5.2016 erhobenen klage hat die versicherte ihren erstattungsanspruch auf § 63 sgb x gestützt und sich auf die entscheidung des lsg nrw vom 9.3.2016 - l 19 as 374/16 b - berufen. da eine unterschiedliche behandlung von gesetzlich und privat versicherten pflegebedürftigen wegen der vergleichbarkeit der systeme rechtlich nicht haltbar sei, müsse die norm zumindest analog angewandt werden. zudem müsse untersucht werden, inwieweit das verfahren bei der privaten pflegeversicherung von dem der gesetzlichen abweichen dürfe. zivilrechtliche anspruchsgrundlagen wie z.b. § 280 bgb seien unter dem gesichtspunkt der verletzung der aufklärungspflicht parallel zur beratungspflicht in der sozialen pflegeversicherung zu prüfen. auch sei es rechtswidrig, einen erstattungsanspruch nur dann zu bejahen, wenn der anspruch endgültig abgelehnt werde, da andernfalls eine erstattung des anwaltshonorars gerade in den fällen verwehrt werde, in denen ein widerspruch erfolgreich sei. schon die überschrift des schreibens vom 13.10.2015 "ablehnung von pflegeleistungen als ergebnis der untersuchung durch den medizinischen dienst" weise auf die endgültigkeit der entscheidung hin. nach dem objektiven empfängerhorizont müsse das mit einer (fehlerbehafteten) rechtsmittelbelehrung, nicht hingegen mit den rechtsgrundlagen versehene schreiben als ablehnungsbescheid gewertet werden. da die beklagte auch nicht angegeben habe, auf grund welcher rechtlichen grundlage sie die mb/ppv 2015, die ihr nicht übersandt worden seien, anwende, sei es ihr nicht zumutbar gewesen, ihre rechtlichen interessen ohne anwaltliche hilfe zu vertreten. dass die beklagte in diesem zusammenhang von unverhältnismäßigkeit spreche, stelle den gipfel der provokation dar. sie strebe in jedem fall eine höchstrichterliche klärung der hier streitigen fragen an. 9nach dem tod der versicherten am 31.8.2017 hat die klägerin den rechtsstreit als alleinerbin fortgeführt. 10die klägerin hat beantragt, 11die beklagte zur zahlung von 380,80 eur zu verurteilen. 12die beklagte hat beantragt, 13die klage abzuweisen. 14sie habe den widerspruch der versicherten als einwand gewertet. eine endgültige leistungsablehnung liege nur vor, wenn das zweitgutachten das ergebnis des erstgutachtens bestätige. dies ergebe sich zweifelsfrei aus der formulierung des schreibens. da es einfach sei, einen einwand zu formulieren und ärztliche unterlagen beizufügen, sei es unverhältnismäßig, einen rechtsanwalt einzuschalten. es sei ihr nicht anzulasten, wenn die versicherte nicht mehr in der lage sei, ihre angelegenheiten selbst zu regeln. 95 % der zu einem zweitgutachten führenden verfahren betrieben die versicherten allein. im übrigen habe die versicherte direkt klage erheben können. schließlich scheitere der geltend gemachte anspruch bereits an der fehlenden anwendbarkeit des § 63 sgb x. 15das sg hat die klage im einverständnis der beteiligten ohne mündliche verhandlung mit urteil vom 12.11.2019 abgewiesen und die berufung zugelassen. § 63 abs. 1 und 2 sgb x schieden als anspruchsgrundlage aus, da es sich vorliegend nicht um ein sozialversicherungsverhältnis isd sgb x handele. für eine analoge anwendung der norm fehle es an der planwidrigen regelungslücke. § 63 sgb x stelle eine spezialgesetzliche regelung dar. privat pflegeversicherte könnten auch ohne vorherigen einwand direkt klage erheben. auch eine analoge anwendung der norm verhelfe der klägerin nicht zum erfolg, da die hinzuziehung eines rechtsanwalts zum einreichen von ärztlichen unterlagen im rahmen eines einspruchs nicht notwendig sei. ein anspruch nach § 280 abs. 1 bgb scheitere daran, dass schon nicht ersichtlich sei, welche aufklärungspflicht die beklagte verletzt habe. ihrer gesetzlichen pflicht nach § 7a abs. 4 sgb xi sei sie durch gründung der compass private pflegeberatung im jahr 2008 nachgekommen. da das schreiben vom 13.10.2015 keine endgültige leistungsverweigerung beinhalte, komme auch ein anspruch nach § 286 abs. 1 satz 1 bgb nicht in betracht. der versicherten sei für den einspruch ausdrücklich ein monat zeit eingeräumt worden. 16gegen das ihr am 20.11.2019 zugestellte urteil hat die klägerin am 18.12.2019 berufung eingelegt und ihren anspruch weiterverfolgt. in anbetracht der grundrechtsverletzenden ungleichbehandlung gesetzlich und privat versicherter könne die erstinstanzliche entscheidung nicht nachvollzogen werden. sie selbst habe wegen der versicherung über ihren ehemann noch nicht einmal wählen können, ob sie sich gesetzlich oder privat versichere. 17die klägerin beantragt, 18das urteil des sozialgerichts dortmund vom 21.11.2019 abzuändern und nach dem klageantrag zu erkennen. 19die beklagte beantragt, 20die berufung zurückzuweisen. 21sie verweist auf ihre bisherigen ausführungen und das erstinstanzliche urteil. 22die beteiligten haben sich mit einer entscheidung ohne mündliche verhandlung einverstanden erklärt. 23hinsichtlich des weiteren sach- und streitstands wird auf die unterlagen der beklagten und die gerichtsakten, die gegenstand der beratung gewesen sind, bezug genommen. 24 | 25der senat konnte ohne mündliche verhandlung entscheiden, da sich die beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben; § 124 abs. 2 sozialgerichtsgesetz (sgg). 26die berufung ist zulässig. zwar liegt der beschwerdegegenstand mit 380,80 eur unter der nach § 144 abs. 1 nr. 1 sgg erforderlichen summe von 750 eur. das sozialgericht hat die berufung jedoch gem. § 144 abs. 1 nr. 1 i.v.m. abs. 2 nr. 1 sgg zugelassen. ein ausnahmefall nach abs. 4 sgg liegt nicht vor, da die erstattung der vorgerichtlich entstandenen kosten streitig ist. 27die leistungsklage ist zulässig. 28der rechtsweg zu den sozialgerichten ist nach § 51 abs. 2 s. 1 und 3 sgg eröffnet. denn sie entscheiden auch über privatrechtliche streitigkeiten in angelegenheiten der sozialen und privaten pflegeversicherung. obwohl weder im sgb xi noch in den mb/pvv regelungen bezüglich der behandlung von vorgerichtlichen anwaltskosten enthalten sind, handelt es sich um eine privatrechtliche streitigkeit in angelegenheiten der privaten pflegeversicherung. in der rechtsprechung der sozialgerichtsbarkeit ist anerkannt, dass der sozialrechtsweg auch für nebenpflichten aus dem versicherungsverhältnis gegeben ist (bsge 45, 119; bsg nzs 99, 346). 29die klägerin ist als rechtsnachfolgerin der versicherten aktiv legitimiert. soweit fällige ansprüche auf geldleistungen nicht nach den §§ 56 und 57 einem sonderrechtsnachfolger zustehen, werden sie nach den vorschriften des bürgerlichen gesetzbuchs (bgb) vererbt (§ 58 satz 1 sgb i (erstes buch sozialgesetzbuch)). da vorliegend ein privatrechtlicher anspruch auf erstattung vorgerichtlicher rechtsanwaltskosten und kein anspruch auf laufende sozialrechtliche leistungen gem. § 56 abs. 1 sgb i streitig ist, liegen die voraussetzungen einer sonderrechtsnachfolge nicht vor. die klägerin ist ausweislich des erbscheins des amtsgerichts siegen vom 9.8.2018 - 32 vi 1365/18 alleinerbin der versicherten geworden (§ 1922 abs. 1 bgb) und als solche in deren verfahrensrechtliche position eingetreten. 30die klage ist auch begründet. 31ein anspruch ergibt sich nicht bereits direkt aus § 63 abs. 1 satz 1 ivm abs. 2 sgb x. § 63 abs. 1 satz 1 sieht vor, dass der rechtsträger, dessen behörde den angefochtenen verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden rechtsverfolgung oder rechtsverteidigung notwendigen aufwendungen zu erstatten hat, soweit der widerspruch erfolgreich ist. nach abs. 2 sind die gebühren und auslagen eines rechtsanwalts oder eines sonstigen bevollmächtigten im vorverfahren erstattungsfähig, wenn die zuziehung eines bevollmächtigten notwendig war. der anwendungsbereich der vorschrift ist auf das widerspruchsverfahren beschränkt. grundvoraussetzung ist daher der erlass eines verwaltungsakts nach § 31 sgb x, wozu die beklagte als bevollmächtigte der gemeinschaft privater versicherungsunternehmen nicht ermächtigt ist. 32die klägerin kann ihr begehren jedoch mit erfolg auf eine analoge anwendung des § 63 abs. 1 sgb x stützen. zur überzeugung des senats liegen eine planwidrige regelungslücke und eine vergleichbarkeit der interessenlage privat und gesetzlich pflegeversicherter hier vor. zwar hat das bsg zu recht entschieden, dass die regelungen des sgb x über die aufhebung von verwaltungsakten, insbesondere von leistungsbescheiden, nach den §§ 45ff. sgb x auch nicht mittelbar auf die private pflegeversicherung übertragen werden können, da den versicherten mit den allgemeinen zivilrechtlichen regelungen der erforderliche rechtsschutz zur seite steht (bsg, urteil vom 22.8.2001 - b 3 p 21/00 r -). eine regelungslücke besteht jedoch insoweit, als privat pflegeversicherten ein geringeres verfahrensrechtliches schutzniveau im vergleich zu den gesetzlich pflegeversicherten zur verfügung steht. obgleich auch ihnen der rechtsweg zu den sozialgerichten gem. § 51 abs. 1 nr. 2 i.v.m. absatz 2 sgg offensteht, fehlt eine gesetzliche regelung für ein ausdifferenziertes vorgerichtliches verfahren entsprechend der im sgb x getroffenen regelungen. diese regelungslücke ist planwidrig. denn obwohl der gesetzgeber wegen der durch § 23 abs. 1 satz 2 sgb xi (der nach abs. 4 nr. 3 auch für die mitglieder der krankenversorgung der bundesbahnbeamten gilt) geschaffen leistungsrechtlichen inkorporation des privaten versicherungsrechts in das sgb xi eine einheitliche rechtswegzuständigkeit der sozialgerichtsbarkeit begründet hat, um eine gelichlautenden rechtsprechung zu identischen fragen zu erhalten, fehlt ein entsprechender verfahrensrechtlicher gleichklang. auch privat pflegeversicherten wird seitens ihrer versicherer die möglichkeit einer vorgerichtlichen überprüfung und zweitbegutachtung gewährt. dies gilt im vorliegenden fall in besonderem maße, da die hinweise im schreiben der beklagten vom 13.10.2015 einer rechtsmittelbelehrung stark ähneln. vor diesem hintergrund ist davon auszugehen, dass der gesetzgeber bei der rechtswegzuweisung die mit den gesetzlich versicherten vergleichbaren interessen der privat pflegeversicherten übersehen hat (so zum sozialgerichtlichen kostenrecht: bsg, urteil vom 28.9.2006 - b 3 p 3/05 r; zu § 63 sgb x im ergebnis auch klünder, "erfolgreiche durchsetzung von pflegeleistungen in der privaten pflegeversicherung - erstattung der rechtsanwaltskosten durch versicherer nach § 63 sgb x analog", nzs 8/2009, s. 426-427; a.a. und die verzugs- und schadensersatzvorschriften des bgb prüfend: sg köln, urteil vom 11.6.2007 - s 23 p 141/06, so wohl auch becker in: hauck/noftz, sgb, 05/17, § 63 sgb x rn 11; eine analoge anwendbarkeit des § 63 sgb x nicht ausdrücklich prüfend: sg koblenz, urteil vom 26.5.2009 - s 5 p 89/07). überdies fiele die entscheidung über die kosten des widerspruchs- bzw. einspruchsverfahrens den gerichten bei der kostenentscheidung nach § 193 abs. 1 und 2 sgg ohnehin an. 33die voraussetzungen des § 63 abs. 1 sgb x analog sind erfüllt. der als widerspruch formulierte einspruch der versicherten hatte vollen erfolg. denn die beklagte hat ihr mit schreiben vom 12.1.2016 leistungen der häuslichen pflegehilfe bewilligt. dass die leistungen nicht bereits ab antragstellung (23.8.2015), sondern erst ab dem 1.11.2015 - und damit zu einem zeitpunkt, zu dem die versicherte noch keinen widerspruch eingelegt hatte - gewährt worden sind, steht dem nicht entgegen. denn die versicherte hatte ihren einspruch mit einer akuten verschlechterung im oktober 2015 und dem hinweis auf eine stationäre behandlung im november 2015 begründet. einer kausalität zwischen den einwänden der versicherten und der abänderung der entscheidung bedarf es zudem grundsätzlich nicht, weil es auf den erfolg in der sache und nicht auf die im verfahren vorgetragene gründe ankommt (zu § 63 sgb x: bsg, urteil vom 19.10.2011 - b 6 ka 35/10 r; eine kausalität auch bei einer während des widerspruchsverfahrens eingetretenen, für den widerspruchsführer günstigen rechtsänderung bejahend: bsg, urteil vom 27.5.2009 - b 6 ka 29/09 r - juris). es genügt, wenn nach dem einspruch eine von der ursprünglichen entscheidung abweichende beurteilung der sach- und rechtslage zum erfolg des rechtsmittels führt. dies gilt auch dann, wenn die voraussetzungen für den streitigen anspruch erst - wie hier durch eine verschlechterung des gesundheitszustands der versicherten - kurz vor bzw. während des laufenden einspruchs eintreten, weil der erfolg des einspruchs am tatsächlichen ergebnis des widerspruchsverfahrens zu messen ist (zu § 63 sgb x: lsg berlin-potsdam, urteil vom 18.09.2013 - l 18 as 565/12). 34die beklagte vertritt die ansicht, es habe sich bei dem schreiben vom 13.10.2015 nicht um eine endgültige ablehnung gehandelt, gegen die man sich habe zur wehr setzen müssen. von einer endgültigen leistungsablehnung habe man erst ausgehen können, wenn das zweitgutachten das ergebnis des erstgutachtens bestätige. erst nach ablauf der monatsfrist werde die entscheidung endgültig und es bestehe dann die möglichkeit, klage zu erheben. dabei handelt es aus sicht des senats um einen zirkelschluss. unabhängig davon, dass das schreiben vom 13.10.2015 ausdrücklich als "ablehnung von pflegeleistungen als ergebnis der untersuchung durch den medizinischen dienst" und nicht als ankündigung einer in erwägung gezogenen ablehnung formuliert ist, kann der versicherte nur durch einen einspruch eine zweite begutachtung durch n 1. und damit eine mögliche änderung der entscheidung der beklagten erreichen. da die ablehnende entscheidung also ohne zutun des versicherten nicht geändert wird, kann die endgültigkeit der entscheidung nicht durch die aufschiebende bedingung eines unterbliebenen einspruchs nach hinten verlagert werden. 35die geltend gemachten und der höhe nach weder streitigen noch zu beanstandenden gebühren und auslagen des prozessbevollmächtigten der versicherten sind nach § 63 abs. 2 sgb x analog erstattungsfähig, da sie der zweckentsprechenden rechtverfolgung gedient haben und notwendig waren. die hinzuziehung eines rechtsanwalts war notwendig, wenn sie vom standpunkt eines verständigen, nicht rechtskundigen beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte, weil ein vernünftiger bürger mit gleichem bildungs- und erkenntnisstand sich bei der gegebenen sach- und rechtslage eines rechtsanwalts bedient hätte (bverwge 61, 100, 102; bsg sozr 1300 § 63 nr. 12) oder es dem beteiligten nach den jeweils gegebenen verhältnissen nicht zuzumuten ist, das verfahren selbst zu führen (bsg sozr 1300 § 36 nr. 12; bverwg buchholz 316 § 80 vwvfg nr. 34). als maßgeblicher beurteilungszeitpunkt ist auf die sicht zur zeit der beauftragung abzustellen (bsg vom 31. 5. 2006 - b 6 ka 78/04 r, sozr 4-1300 § 63 nr. 4; bsg vom 9. 5. 2012 - b 6 ka 19/11 r, sozr 4-1300 § 63 nr. 18, rdnr. 11; bverwg buchholz 316 § 80 vwvfg nr. 36; bverwg buchholz 310 § 162 vwgo nr. 35 = njw 2000, 2832). kriterien zur beurteilung der notwendigkeit sind die objektive schwere der sach- und rechtslage, die schwere des eingriffs bzw. bedeutung der beantragten leistung oder feststellung (vgl. bverwge 68, 1, 3), die person des widerspruchsführers, ggf. bei ihm vorliegende körperliche oder geistige gebrechen oder seine unbeholfenheit bei der wahrnehmung seiner rechtsverfolgung/-verteidigung (becker in: hauck/noftz, sgb, 05/17, § 63 sgb x rn 49; mutschler in kasseler kommentar, sgb x, § 63 rn. 17 ff.). angesichts der komplexität des heutigen sozialrechts ist die zuziehung eines rechtsanwalts in der regel notwendig, auch wenn es sich nicht um ein schwieriges und umfangreiches verfahren handelt (diering in lpk-sgb x § 63 rdnr. 25). der bürger ist nämlich nur in ausnahmefällen in der lage, seine rechte gegenüber der verwaltung ausreichend zu wahren. diese grundsätze sind auf die private pflegeversicherung zu übertragen, da diese nach § 23 abs. 1 satz 2 sgb xi ihren versicherten leistungen gewährt, die nach art und umfang den leistungen des vierten buches des sgb xi gleichwertig sind. dementsprechend sind die regelungen in den mb/pvv auch mit denen im sgb xi vergleichbar. darüber hinaus unterliegt der private pflegeversicherungsträger auch nicht der amtsermittlungspflicht, die ihn verpflichtet, auch für die beteiligten günstigen umstände zu ermitteln und zu berücksichtigen. auf grund des wissensvorsprungs und der expertise des privaten pflegeversicherers ist bei einlegung eines einspruchs, der ein kontradiktorisches verfahren zwischen versichertem und versicherungsunternehmen einleitet, unter den gesichtspunkten des fairen verfahrens und einer gewissen waffengleichheit die hinzuziehung eines sachkundigen bevollmächtigten ebenfalls grundsätzlich gerechtfertigt. wegen der komplexität des regelungswerks gilt dies auch dann, wenn der versicherer bei vertragsabschluss die mb/pvv zur verfügung stellt und mit der compass eine private pflegeberatung anbietet. auch wenn ein beratungsangebot besteht, reicht es nicht aus, den rechtsuchenden darauf zu verweisen, zumal nicht sicher angenommen werden kann, dass der versicherer aufgrund eigener kompetenz immer zu einer richtigen entscheidung gelangen wird. im vorliegenden fall ist die individuelle kompetenz der zum zeitpunkt des einspruchs 81jährigen hilfebedürftigen dementen versicherten mit eingeschränkter alltagskompetenz zur begründung eines einspruchs nicht als ausreichend groß einzuschätzen. dies gilt auch unter berücksichtigung des umstands, dass noch keine gesetzliche betreuung eingerichtet war. die gegenteilige auffassung der beklagten ist vor dem hintergrund, dass zwischen einlegung des einspruchs (13.10.2015) und anerkennung der erheblich eingeschränkten alltagskompetenz (ab 1.11.2015) gerade einmal 2 wochen lagen, für den senat nicht nachvollziehbar. auch der 1963 geborenen tochter und (qua vertraglicher vereinbarung) betreuerin der klägerin war es als juristische laiin nicht zuzumuten, sich in die voraussetzungen der gewährung von leistungen bei pflegebedürftigkeit nach den mb/pvv zeitnah einzuarbeiten. da es auf eine individuelle betrachtung im einzelfall ankommt, kommt es auf die statistischen überlegungen der beklagten, wie viel prozent der versicherten einen bevollmächtigten hinzuziehen, nicht entscheidungserheblich an. weil es sich auch wirtschaftlich gesehen für die versicherte nicht um eine bagatelle handelte (häusliche pflegehilfe bis zu monatlich 1.298 eur und zusätzlich bis zu 140 eur für betreuungs- und entlastungsleistungen), war die hinzuziehung des prozessbevollmächtigten in der gesamtschau notwendig. 36die kostenentscheidung im berufungsverfahren beruht auf § 197 a abs. 1 satz 1 ivm 183 satz 2 sgg. weder die klägerin noch die beklagte gehören zu dem in § 183 satz 1 sgg genannten - privilegierten - personenkreis, denn die beklagte ist ein privates versicherungsunternehmen und die klägerin keine sonderrechtsnachfolgerin is von § 56 sgb i. § 183 satz 2 sgg. somit beschränkt sich die kostenfreiheit von sonstigen rechtsnachfolgen nur auf den rechtszug der verfahrensaufnahme, also das klageverfahren. eine entsprechende anwendung der in § 183 abs. 1 sgg normierten kostenbegünstigung für sonstige rechtsnachfolger kommt in ermangelung einer regelungslücke nicht in betracht, da der gesetzgeber nur versicherte, leistungsempfänger einschließlich hinterbliebenenleistungsempfänger und behinderte nicht mit gerichtskosten belasten wollte und diese privilegierung nach dem tode des ursprünglich berechtigten nur für den in § 56 sgb i beschriebenen personenkreis erhalten bleiben sollte (bt-drucks 14/5943 s 20 und 28; a.a. bsg, urteil vom 28.9.2006 - b 3 p 3/05 r). 37die revision zum bundessozialgericht wird wegen grundsätzlicher bedeutung der rechtssache gem. § 160 abs. 2 nr. 1 sgg zugelassen. eine entscheidung des bsg zu der frage der erstattungsfähigkeit der rechtsanwaltskosten im vorgerichtlichen verfahren mit privaten pflegeversicherungsunternehmen liegt bislang nicht vor. | Klaeger*in | 1 |
164,700 | 24 K 5962/14 | 2015-06-18T00:00:00 | Urteil | Tenor Der Bescheid der Beklagten vom 28. August 2014 wird aufgehoben, soweit darin für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. Juli 2015 ein Elternbeitrag festgesetzt worden ist. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % der aufgrund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Berufung wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Kläger sind Eltern zweier Kinder, die im Kindergartenjahr 2014/2015 eine von der Beklagten geförderte Kindertageseinrichtung besuchen. 3Mit Bescheid vom 21. Juli 2014 wurden unter anderem sämtliche Kinder für das Kindergartenjahr 2014/2015 beitragsfrei gestellt. Im Falle des älteren Kindes beruhte die Beitragsfreiheit auf dem Umstand, dass das Kind zum Ende des Kindergartenjahres eingeschult werden sollte (Vorschulkind). Für das jüngere Kind wurde eine Beitragsfreiheit als Geschwisterkind angenommen. 4Mit weiterem Bescheid vom 28. August 2014 wurde der Elternbeitrag für das Kindergartenjahr 2014/2015 neu festgesetzt. Während es für das ältere Kind bei der Beitragsfreiheit verblieb, wurde für das jüngere Kind ein Elternbeitrag von monatlich 504 EUR festgesetzt. Dabei wurde eine Betreuungszeit bis 45 Buchungsstunden wöchentlich und ein Einkommen über 125.000 EUR (Stufe 22) zu Grunde gelegt. Eine Beitragsfreiheit wurde für das jüngere Kind nach § 3 Abs. 4 S. 3 der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Elternbeiträgen für die Inanspruchnahme der Tageseinrichtungen für Kinder, die Teilnahme an außerunterrichtlichen Angeboten der Offenen Ganztagsschulen, sowie für die Inanspruchnahme von Kindertagespflege vom 26. Februar 2008 in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 28. Mai 2013 (Elternbeitragssatzung) verneint. 5In Bezug auf die Beitragsfreiheit enthält die Elternbeitragssatzung in § 3 folgende Regelung: 6„… 7(3) Die Inanspruchnahme von Angeboten in Kindertageseinrichtungen oder Kindertagespflege durch Kinder, die am 01. August des Folgejahres schulpflichtig werden, ist in dem Kindergartenjahr, das der Einschulung vorausgeht, beitragsfrei. 8(4) Besuchen mehr als ein Kind einer Familie oder von Personen, die nach § 2 Abs. 1 an die Stelle der Eltern treten, gleichzeitig eine Kindertageseinrichtung für Kinder oder wird ein Geschwisterkind in Tagespflege gem. §§ 22 ff SGB VIII betreut, so wird der Elternbeitrag nur für ein Kind erhoben. Der Beitrag für ein Kind wird auch dann erhoben, falls für weitere Kinder eine Beitragsbefreiung nach Abs. 3 vorzunehmen ist. 9(5) Ergeben sich ohne die Beitragsbefreiung(en) nach Absatz 3 unterschiedlich hohe Beiträge, so gilt als Beitragskind das Kind, für das sich nach der Betreuungsart und dem Einkommen der niedrigste Beitrag ergibt. 10(6) Ergeben sich ohne die Beitragsbefreiung(en) nach Absatz 4 unterschiedlich hohe Beiträge, so gilt als Beitragskind das Kind, für das sich nach der Betreuungsart und dem Einkommen der höchste Beitrag ergibt. 11(7) Liegen bei Beitragspflichtigen die Voraussetzungen für Beitragsbefreiungen sowohl nach Absatz 3 als auch nach Absatz 4 vor, gilt Absatz 5 entsprechend. …“ 12Am 11. September 2014 haben die Kläger Klage erhoben. Sie tragen vor: Der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig, weil die Beklagte bei der Beitragsfestsetzung § 23 Abs. 5 S. 3 des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) nicht beachtet habe. Diese Regelung sei auch für die Beklagte verbindlich. Die Beklagte könne nach § 23 Abs. 5 S. 2 KiBiz zwar nach ihrem Ermessen entscheiden, ob sie eine Geschwisterregelung einführe. Wenn sie sich aber für eine Geschwisterregelung entschieden habe, sei sie an die Regelung des § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz zwingend gebunden. Soweit sich die Beklagte auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) berufe, verkenne sie, dass sich diese Entscheidungen nicht zu dem ab 1. August 2014 geänderten Recht verhielten. Die Beklagte könne die Gesetzesbegründung zur Neuregelung nicht für ihren Standpunkt heranziehen. Der Landesgesetzgeber habe die Klarstellung in § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz wegen der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vorgenommen, die der Geschwisterregelung in § 3 der Elternbeitragssatzung der Beklagten zu Grunde liege. Eine gesetzgeberische Klarstellung sei begriffsnotwendig nur dort erforderlich, wo der bisherige Status quo geändert werden solle. 13Die Kläger beantragen, 14den Bescheid der Beklagten vom 28. August 2014 aufzuheben, soweit darin für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. Juli 2015 ein Elternbeitrag festgesetzt worden ist. 15Die Beklagte beantragt, 16die Klage abzuweisen. 17Sie macht geltend: Die Kläger könnten sich nicht für beide Kinder nicht auf eine Beitragsfreiheit berufen. Dem stehe § 3 Abs. 4 S. 2 der Elternbeitragssatzung entgegen. Diese Regelung sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Eine gesetzliche Vorgabe, auch Geschwisterkinder von der Beitragspflicht freizustellen, bestehe nicht. Nach § 23 Abs. 5 S. 2 KiBiz stehe es im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten, ob und in welchem Umfang eine Geschwisterregelung eingeführt werde. Mit Sinn und Zweck einer Geschwisterregelung sei nur die in der Satzung vorgenommene Ausgestaltung der Geschwisterregelung vereinbar. Eine solche diene unter dem Aspekt des Familienlastenausgleichs trotz einer gleichzeitigen und mehrfachen Inanspruchnahme von Betreuungsleistungen nicht der vollständigen Freistellung, sondern nur der Reduzierung der mit einer Mehrzahl von öffentlich-rechtlichen Kostenbeitragsverpflichtungen einhergehenden finanziellen Belastungen der Eltern. Eine vollständige Beitragsbefreiung für alle Kinder einer Familie würde im Verhältnis zu Eltern mit nur einem Kind zu einer nicht gerechtfertigten Bevorzugung führen. Die Grundkonzeption der Geschwisterregelungen habe sich weder durch die Einführung des Vorschulprivilegs noch durch die Änderungen des KiBiz zum 1. August 2014 verändert. Der Landesgesetzgeber habe es dabei belassen, diese Regelungen ins Ermessen des Jugendamtes zu stellen. In der Rechtsprechung sei geklärt, dass der Landesgesetzgeber über die Beitragsfreistellung von Vorschulkindern hinaus eine weitere Beitragsfreistellung der Geschwisterkinder nicht beabsichtigt habe. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung und der Gesetzesbegründung zum neu eingefügten § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz habe sich die Rechtslage durch die Neuregelung nicht geändert. In der Gesetzesbegründung werde lediglich erwähnt, dass die Änderung eine gesetzliche Klarstellung sei und dem Willen des Gesetzgebers des Ersten KiBiz-Änderungsgesetzes entspreche. Angesichts dessen könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber zum 1. August 2014 eine weitere zwingende Geschwisterkindbefreiung habe regeln wollen. Eine andere Auslegung führe zum Widerspruch zwischen dem S. 2 und S. 3 des § 23 Abs. 5 KiBiz. Auf der einen Seite hätten die Jugendämter das Recht, nach ihrem Ermessen über die Einführung einer Geschwisterregelung zu entscheiden. Auf der anderen Seite wären aber alle Geschwisterkinder dann immer beitragsbefreit. Von der Argumentation der Kläger ausgehend, hätte der Landesgesetzgeber eine Beitragsbefreiung nur in denjenigen Gemeinden eingeführt, die sich für eine Geschwisterregelung entschieden hätten. Dies könne aber nicht der gesetzgeberische Wille gewesen sein. Einer zwingenden Beitragsbefreiung stehe auch der Umstand entgegen, dass im Landeshaushalt kein finanzieller Ausgleich für die durch eine solche Regelung betroffenen Gemeinden oder Gemeindeverbände geschaffen worden sei. Dies widerspräche dem verfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzip. Schließlich werde die Auffassung der Beklagten durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 14. April 2015 – 8 K 154/15 – bestätigt. Darin habe das Verwaltungsgericht auch unter Berücksichtigung der neuen Rechtslage zum Ausdruck gebracht, dass eine zwingende Doppelbefreiung von Vorschul- und Geschwisterkindern weder nach bundes- noch landesrechtlichen Vorgaben zwingend sei. 18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der dazu beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. 19Entscheidungsgründe: 20Die Klage ist zulässig und begründet. 21Der Bescheid der Beklagten vom 28. August 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in eigenen Rechten, soweit darin für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. Juli 2015 ein Elternbeitrag festgesetzt worden ist, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. 22Entgegen der Annahme der Beklagten sind beide, eine Kindertageseinrichtung besuchende Kinder der Kläger von der Beitragspflicht befreit. 23Für das ältere Kind folgt die Beitragsbefreiung – dies wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt – aus § 3 Abs. 3 der Elternbeitragssatzung. Dieser bestimmt in Übereinstimmung mit § 23 Abs. 3 S. 1 KiBiz, dass die Inanspruchnahme von Angeboten in Kindertageseinrichtungen durch Kinder, die am 1. August des Folgejahres schulpflichtig werden, in dem Kindergartenjahr, das der Einschulung vorausgeht (Vorschulkinder), beitragsfrei ist. Diese Voraussetzungen liegen bei dem älteren Kind – unstreitig – vor. 24Das jüngere Kind ist nach § 3 Abs. 4 S. 1 der Elternbeitragssatzung beitragsbefreit. Danach wird der Elternbeitrag nur für ein Kind erhoben, wenn mehr als ein Kind einer Familie oder von Personen, die nach § 2 Abs. 1 an die Stelle der Eltern treten, gleichzeitig eine Tageseinrichtung für Kinder besuchen. So liegt es hier. 25Im Sinne der Geschwisterregelung in § 3 Abs. 4 S. 1 der Elternbeitragssatzung wird für ein Kind, nämlich das ältere Vorschulkind, bereits ein Elternbeitrag erhoben. Denn nach dem zum 1. August 2014 in § 23 Abs. 5 KiBiz eingefügten S. 3 sind bei Geschwisterregelungen Vorschulkinder, deren Tagesbetreuung – wie hier – nach Abs. 3 elternbeitragsfrei ist, so zu berücksichtigen, als ob für sie ein Elternbeitrag zu leisten wäre. Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber fingiert im Falle einer Geschwisterregelung die Leistung eines Beitrages durch die Eltern eines Vorschulkindes. Wird aber für das Vorschulkind die Leistung eines Beitrages fingiert und stellt die Elternbeitragssatzung darauf ab, dass „nur“ für ein Kind ein Beitrag erhoben wird, dann ist dieser eine Beitrag bereits durch die fingierte Leistung für das Vorschulkind abgegolten. 26Entgegen der Annahme der Beklagten steht § 3 Abs. 4 S. 2 der Elternbeitragssatzung der Beitragsbefreiung nicht entgegen. Danach wird zwar der Beitrag für ein Kind auch dann erhoben, falls für weitere Kinder eine Beitragsbefreiung nach Abs. 3 vorzunehmen ist. Diese Regelung ist mit höherrangigem Recht aber nicht vereinbar und daher nichtig. 27Diese Satzungsbestimmung verstößt gegen § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz. Die vorgenannte Norm hat zwei Funktionen: Sie eröffnet zum einen den Anwendungsbereich der Geschwisterregelungen. Denn die Geschwisterregelungen setzen nach ihrer Zweckbestimmung voraus, dass die Beitragspflichtigen für mehrere Kinder Elternbeiträge zu leisten haben. Im Fall einer mehrfachen Leistungspflicht soll sich diese durch die Geschwisterregelung zu Gunsten der Eltern reduzieren. Wird für das Vorschulkind über die Regelung des § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz die Leistung eines Elternbeitrages fingiert, wird der Anwendungsbereich der Geschwisterregelung eröffnet. Denn nunmehr werden die Elternbeitragspflichtigen mit einem Vorschulkind und mindestens einem weiteren Kind so behandelt als ob eine Belastung mit zwei Elternbeiträgen besteht. Zum anderen steuert die Leistungsfiktion des § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz die Anwendung der konkreten satzungsrechtlichen Geschwisterregelung. Stellt die konkrete Geschwisterregelung – wie hier – auf die Leistung „nur“ eines Beitrages ab, 28wobei andere Ausgestaltungen wegen des dem Satzungsgeber zukommenden Ermessens nach § 23 Abs. 5 S. 2 KiBiz möglich sind und zu anderen Konsequenzen führen können, 29so hat die Fiktionswirkung die zwingende Konsequenz eines Ausschlusses weiterer Beitragsleistungen für andere Kinder der Beitragspflichtigen. Diese sich aus der Fiktion des § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz für Geschwisterregelungen der hier vorliegenden Art zwingend ergebende Konsequenz versucht der Satzungsgeber durch § 3 Abs. 4 S. 2 der Elternbeitragssatzung dadurch zu umgehen, dass der Beitrag für ein (anderes) Kind auch dann erhoben wird, falls eine Beitragsfreiheit 30– die aber wegen der Fiktion des § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz im Rahmen der Geschwisterkindregelung wieder als aufgehoben anzusehen ist – 31für das Vorschulkind besteht. Diese Vorgehensweise steht im Widerspruch zu der vorstehend dargelegten Funktion des § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz. 32Das Ergebnis wird gestützt durch eine Kontrollüberlegung anhand des Art. 3 Abs. 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Eine Differenzierung ist willkürlich, wenn kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung/Gleichbehandlung besteht. So würde es hier liegen, wenn die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 4 S. 2 der Elternbeitragssatzung greifen würde. Aufgrund der gesetzlichen Fiktion in § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz sind die Elternbeitragspflichtigen in Bezug auf Geschwisterregelungen so zu stellen, als ob für das beitragsbefreite Vorschulkind nach § 23 Abs. 3 S. 1 KiBiz (entspricht § 3 Abs. 3 der Elternbeitragssatzung) tatsächlich ein Elternbeitrag geleistet wird. Nach § 3 Abs. 4 S. 2 der Elternbeitragssatzung ist bei dieser Fallgestaltung zusätzlich für ein weiteres Kind ein weiterer Elternbeitrag zu leisten. Damit werden die Eltern in dieser Fallkonstellation (Vorschulkind/weiteres Kind) nach der Elternbeitragssatzung mit zwei zu leistenden Elternbeiträgen belastet. In allen anderen Fallkonstellationen, in denen mindestens zwei Kinder, von denen keines ein Vorschulkind ist, gleichzeitig eine Kindertageseinrichtung besuchen, werden die Elternbeitragspflichtigen aufgrund der Geschwisterregelung in § 3 Abs. 4 S. 2 der Elternbeitragssatzung, für die § 3 Abs. 4 S. 2 der Elternbeitragssatzung nicht gilt, hingegen nur mit der Leistung eines Elternbeitrages für ein Kind belastet. Für diese unterschiedliche Behandlung in der Beitragsbelastung ist ein sachlicher Grund nicht ersichtlich. Wegen der gesetzlichen Fiktion der Leistung eines Beitrages für das Vorschulkind in § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz kann nämlich nicht darauf abgestellt werden, dass die Elternbeitragspflichtigen in der Konstellation Vorschulkinder/mindestens ein weiteres Kind in öffentlich geförderter Tagesbetreuung im Ergebnis tatsächlich keine Zahlung an die Beklagte erbringen. Denn dies ist gerade die Folge der vom Landesgesetzgeber angeordneten Leistungsfiktion für das Vorschulkind und ist von diesem so gewollt. 33Die von der Beklagten gegen dieses Auslegungsergebnis vorgebrachten Argumente verfangen nicht: 34Es trifft zwar zu, dass das KiBiz keine gesetzliche Vorgabe enthält, Geschwisterkinder von der Beitragspflicht freizustellen. Denn nach § 23 Abs. 5 S. 2 KiBiz steht es im Ermessen, ob das Jugendamt ermäßigte Beiträge oder eine Beitragsbefreiung für Geschwisterkinder vorsieht. Wenn sich das Jugendamt indes entschließt, eine Geschwisterregelung einzuführen, dann ist es bei deren inhaltlicher Ausgestaltung aber an höherrangiges Recht und damit an § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz mit der darin angeordneten Leistungsfiktion für das nach § 23 Abs. 3 KiBiz beitragsbefreite Vorschulkind und Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Innerhalb dieser Grenzen ist das Jugendamt bei der Ausgestaltung der Geschwisterregelung frei. Dies kann zu unterschiedlichen Ausgestaltungen von Geschwisterregelungen in den kommunalen Satzungen führen. So sieht beispielsweise § 3 S. 2 der Satzung der Stadt E. über die Erhebung von Elternbeiträgen in Kindertageseinrichtungen und Horten in Übereinstimmung mit § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz vor, dass für das zweite und jedes weitere Kind ein Beitrag i.H.v. 25 % des einkommensabhängigen Elternbeitrages zu entrichten ist. Bei einer solchen Ausgestaltung der Geschwisterregelung sind nicht – wie hier – beide Kinder der Elternbeitragspflichtigen von der tatsächlichen Zahlung des Elternbeitrages befreit. Vielmehr ist für mindestens ein Kind ein Elternbeitrag von 25 % tatsächlich zu zahlen. 35Auch Sinn und Zweck der Geschwisterregelung stehen dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Die Beklagte weist zutreffend unter Bezugnahme auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) vom 17. Mai 2011 – 12 A 642/11 – darauf hin, dass eine Geschwisterregelung unter dem Aspekt des Familienlastenausgleichs trotz einer gleichzeitigen und mehrfachen Inanspruchnahme von Betreuungsleistungen nicht der vollständigen Freistellung, sondern nur der Reduzierung der mit einer Mehrzahl von öffentlich-rechtlichen Kostenverpflichtungen einhergehenden finanziellen Belastung der Eltern dient. Nach diesem Sinn und Zweck ist eine Beitragsbefreiung für alle Kinder einer Familie nicht vorgesehen. Eine solche generelle Beitragsbefreiung für alle Kinder einer Familie, von denen eines ein Vorschulkind ist, ordnet aber entgegen der Auffassung der Beklagten § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz auch nicht an. Die Beklagte verkennt, dass durch § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz nicht alle Kinder einer Familie, die gleichzeitig eine Tagesbetreuung in Anspruch nehmen, beitragsbefreit werden. Durch die vorgenannte Regelung wird lediglich in Anknüpfung an Sinn und Zweck einer Geschwisterregelung die Leistung eines Beitrages durch das nach § 23 Abs. 3 KiBiz beitragsbefreite Vorschulkind gesetzlich fingiert, was im Rahmen der konkreten Geschwisterregelung zu berücksichtigen ist. Durch diese gesetzliche Fiktion sind die Eltern dieser Kinder rechtlich so gestellt, als ob von ihnen ein Elternbeitrag für dieses Kind geleistet wird. Damit ist aber die Konstellation gegeben, dass jedenfalls für ein Kind ein Elternbeitrag geleistet wird und das Konzept der Geschwisterregelung folgerichtig fortgeführt worden. 36Der Ausgangspunkt der Beklagten, wonach durch die Einfügung eines Satzes 3 in § 23 Abs. 5 KiBiz vom Landesgesetzgeber keine generelle Kostenbefreiung von Geschwisterkindern gewollt war, ist zutreffend. Diese Annahme rechtfertigt aber nicht den weitergehenden Schluss der Beklagten, durch die Gesetzesänderung habe sich an der bisherigen Rechtslage nichts geändert. Eine solche Annahme lässt sich insbesondere nicht auf die Begründung der Gesetzesänderung stützen, wonach es sich bei der Änderung nur um eine gesetzliche Klarstellung handele und diese dem Willen des Gesetzgebers des Ersten KiBiz-Änderungsgesetzes entsprochen habe. 37Mit der Einfügung des Satzes 3 in § 23 Abs. 5 KiBiz hat der Landesgesetzgeber eine Änderung der bisherigen Rechtslage in Bezug auf Geschwisterregelungen herbeigeführt. 38Vgl. Janssen, Dreier, Selle, Kindertagesbetreuung in Nordrhein-Westfalen, Stand: 69. Ergänzungslieferung, KiBiz-Kommentar zu § 23 S. 42 f.; so wohl auch OVG NRW, Urteil vom 15. Dezember 2014 – 12 A 815/14 –, juris, Rn. 72 und 73. 39Wie die Beklagte zutreffend dargestellt hat, war in der obergerichtlichen Rechtsprechung des OVG NRW geklärt, dass im Falle einer Beitragsbefreiung nach § 23 Abs. 3 KiBiz bei einer Geschwisterregelung der in § 3 Abs. 4 S. 1 der Elternbeitragssatzung normierten Art gleichwohl ein Elternbeitrag zu erheben war, da eine solche Geschwisterregelung lediglich eine Reduzierung der Beitragsleistung auf jedenfalls einen öffentlich-rechtlichen Beitrag für nur noch ein Kind vorsah. 40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2013 - 12 A 2492/12 -, juris, und Urteil vom 15. Dezember 2014 - 12 A 815/14 -, juris, insbesondere Rn. 72 und 73 zur neuen Rechtslage. 41Wenn der Landesgesetzgeber es bei dieser gefestigten und eindeutigen Rechtslage hätte belassen wollen, wäre die Einfügung des Satzes 3 in § 23 Abs. 5 KiBiz nicht erforderlich gewesen. Einer Klarstellung hätte es insoweit angesichts der eindeutigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte auch nicht bedurft. Die Gesetzesänderung durch den Landesgesetzgeber stellt vielmehr eine Reaktion auf die gefestigte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in Bezug auf die Auslegung derartiger Geschwisterregelungen dar. Entgegen der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wurde von Anfang an verschiedentlich die Auffassung vertreten, dass bei derartigen Geschwisterregelungen im Falle der gesetzlich vorgesehenen Beitragsbefreiung nach § 23 Abs. 3 KiBiz für das Vorschulkind auch kein Elternbeitrag für das andere, ebenfalls in Tagesbetreuung befindliche Kind erhoben werden konnte. In diesem Sinne wurden Geschwisterregelungen der in § 3 Abs. 4 S. 1 der Elternbeitragssatzung normierten Art von anderen Jugendämtern im Zuständigkeitsbereich des erkennenden Gerichtes auch ohne die Neuregelung angewandt. Denn nur im Falle einer solchen Interpretation der Geschwisterregelung war das bereits mit dem Ersten KiBiz-Änderungsgesetz verfolgte Ziel, die Eltern von Elternbeiträgen zu entlasten und einen Einstieg in die Elternbeitragsfreiheit für die Inanspruchnahme einer Tagesbetreuung zu schaffen, auch für diejenigen Eltern erreichbar, bei denen sich neben dem Vorschulkind mindestens ein weiteres Kind gleichzeitig in Tagesbetreuung befand, das ohne die gesetzliche Beitragsbefreiung aufgrund einer bestehenden Geschwisterregelung der hier in Rede stehenden Art ohnehin beitragsfrei gewesen wäre. Mit anderen Worten: Vorgenannte Eltern hatten bei einer bestehenden Geschwisterregelung der hier in Rede stehenden Art durch die in § 23 Abs. 3 KiBiz neu eingeführte gesetzliche Beitragsbefreiung keinen Vorteil, weil aufgrund der Geschwisterregelung in der ständigen Auslegung der Verwaltungsgerichte ohnehin nur ein Beitrag erhoben wurde und sich durch die eingeführte gesetzliche Beitragsbefreiung hieran nichts änderte. Dieses infolge der Geschwisterregelung in der Interpretation der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte herbeigeführte Ergebnis wurde vom Landesgesetzgeber mit der Einfügung des Satzes 3 in § 23 Abs. 5 KiBiz korrigiert. 42Im Übrigen kommt es auf die subjektiven Vorstellungen von am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten für die Auslegung einer Norm nicht an. Entscheidend ist vielmehr der objektive Gesetzesinhalt, wie er sich aus seinem Wortlaut und im Sinnzusammenhang ergibt. 43OVG NRW, Urteil vom 22. Mai 2015 – 12 A 1075/14 –, juris Rdn. 35 – 37 unter Bezugnahme auf BVerfG, Urteil vom 16. Februar 1983 – 2 BvE 1/83, 2. BvE 2/83, 2 BvE 3/83, 2 BvE 4/83 –, BVerfGE 62, 1 (45). 44Weder dem Wortlaut noch dem Sinnzusammenhang des § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz lässt sich entnehmen, dass keine Änderung der bisherigen Rechtslage bewirkt werden sollte. 45Vor diesem Hintergrund ist durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 10. April 2015 – 8 K 154/15 – keine andere Beurteilung veranlasst. Es ist zwar richtig, dass die Neuregelung des § 23 Abs. 5 KiBiz nicht zwingend zu einer Doppelbefreiung von Vorschul- und Geschwisterkindern führt. Ob dieser Zustand eintritt, ist allein abhängig von der Ausgestaltung der jeweiligen Geschwisterregelung durch den Satzungsgeber. Das belegt bereits die oben angeführte Geschwisterregelung der Stadt E. . Wählt der Satzungsgeber hingegen eine Geschwisterregelung der hier in Rede stehenden Art, wonach bei Inanspruchnahme einer öffentlich geförderten Tagesbetreuung durch mehrere Kinder von Elternbeitragspflichtigen nur ein Beitrag zu leisten ist, dann kann er eine Doppelbefreiung aus Gründen der Gleichbehandlung nicht vermeiden. 46Entgegen der Auffassung der Beklagten wird durch die Einfügung des Satzes 3 in § 23 Abs. 5 KiBiz das verfassungsrechtlich verankerte Konnexitätsprinzip in § 78 Abs. 3 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen nicht berührt. Denn mit der Neuregelung hat das Land keine neuen Aufgaben übertragen oder bestehende und übertragene Aufgaben verändert, die notwendigerweise zu einer wesentlichen Belastung der davon betroffenen Gemeinden oder Gemeindeverbände geführt hat. Denn der Landesgesetzgeber hat mit der Einfügung des Satzes 3 in § 23 Abs. 5 KiBiz keine zwingende Beitragsbefreiung angeordnet. Er hat lediglich für eine Geschwisterregelung die Leistung eines Beitrags für nach § 23 Abs. 3 KiBiz gesetzlich beitragsbefreite Vorschulkinder fingiert, für die im Übrigen das Land nach § 21 Abs. 10 KiBiz den örtlichen Trägern der Jugendhilfe einen pauschalen Ausgleich gewährt. Diese Neuregelung führt nicht gegen den Willen der Gemeinden und Gemeindeverbände zwingend zu Mehrkosten. Die Beklagte hat zutreffend erkannt, dass es nach § 23 Abs. 5 S. 2 KiBiz in ihrem Ermessen steht, ob sie eine Geschwisterregelung einführt. Wie zuvor ausgeführt, steht es ihr unter Beachtung von § 23 Abs. 5 S. 3 KiBiz und dem Gleichheitssatz auch frei, wie sie eine Geschwisterregelung näher ausgestaltet, wenn sie sich nach ihrem freien Willen zur Schaffung einer Geschwisterregelung entscheidet. Durch die Art der Ausgestaltung der Geschwisterregelung kann sie zudem auf die Höhe des Beitragsausfalls nach eigenem Ermessen Einfluss nehmen. So hat beispielsweise die Stadt E. in § 3 S. 2 ihrer Elternbeitragssatzung geregelt, dass für das zweite und jedes weitere Kind ein Beitrag i.H.v. 25 % des einkommensabhängigen Elternbeitrages zu entrichten ist, wenn das ältere Vorschulkind nach § 23 Abs. 3 KiBiz kraft Gesetzes beitragsbefreit ist. Andere gesetzeskonforme Ausgestaltungen sind denkbar, die zu weitaus höheren tatsächlichen Zahlungen der Elternbeitragspflichtigen für weitere neben dem Vorschulkind gleichzeitig eine öffentliche Tagesbetreuung in Anspruch nehmende Kinder führen können. Hat es die Beklagte mithin selbst in der Hand, durch die Ausgestaltung ihres Satzungsrechtes die Höhe der Beitragseinnahmen festzulegen, hat sie den durch die Einfügung des Satzes 3 in § 23 Abs. 5 KiBiz entstehenden Einnahmeausfall bei einer nach ihrem Willen ausgestalteten Geschwisterregelung selbst zu verantworten. 47Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. 48Die Berufung wird nach §§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. | der bescheid der beklagten vom 28. august 2014 wird aufgehoben, soweit darin für den zeitraum vom 1. august 2014 bis zum 31. juli 2015 ein elternbeitrag festgesetzt worden ist. die beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung i.h.v. 110 % der aufgrund des urteils vollstreckbaren kosten abwenden, wenn nicht die kläger vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leisten. die berufung wird zugelassen. 1 | 2die kläger sind eltern zweier kinder, die im kindergartenjahr 2014/2015 eine von der beklagten geförderte kindertageseinrichtung besuchen. 3mit bescheid vom 21. juli 2014 wurden unter anderem sämtliche kinder für das kindergartenjahr 2014/2015 beitragsfrei gestellt. im falle des älteren kindes beruhte die beitragsfreiheit auf dem umstand, dass das kind zum ende des kindergartenjahres eingeschult werden sollte (vorschulkind). für das jüngere kind wurde eine beitragsfreiheit als geschwisterkind angenommen. 4mit weiterem bescheid vom 28. august 2014 wurde der elternbeitrag für das kindergartenjahr 2014/2015 neu festgesetzt. während es für das ältere kind bei der beitragsfreiheit verblieb, wurde für das jüngere kind ein elternbeitrag von monatlich 504 eur festgesetzt. dabei wurde eine betreuungszeit bis 45 buchungsstunden wöchentlich und ein einkommen über 125.000 eur (stufe 22) zu grunde gelegt. eine beitragsfreiheit wurde für das jüngere kind nach § 3 abs. 4 s. 3 der satzung der beklagten über die erhebung von elternbeiträgen für die inanspruchnahme der tageseinrichtungen für kinder, die teilnahme an außerunterrichtlichen angeboten der offenen ganztagsschulen, sowie für die inanspruchnahme von kindertagespflege vom 26. februar 2008 in der fassung der 3. änderungssatzung vom 28. mai 2013 (elternbeitragssatzung) verneint. 5in bezug auf die beitragsfreiheit enthält die elternbeitragssatzung in § 3 folgende regelung: 6„… 7(3) die inanspruchnahme von angeboten in kindertageseinrichtungen oder kindertagespflege durch kinder, die am 01. august des folgejahres schulpflichtig werden, ist in dem kindergartenjahr, das der einschulung vorausgeht, beitragsfrei. 8(4) besuchen mehr als ein kind einer familie oder von personen, die nach § 2 abs. 1 an die stelle der eltern treten, gleichzeitig eine kindertageseinrichtung für kinder oder wird ein geschwisterkind in tagespflege gem. §§ 22 ff sgb viii betreut, so wird der elternbeitrag nur für ein kind erhoben. der beitrag für ein kind wird auch dann erhoben, falls für weitere kinder eine beitragsbefreiung nach abs. 3 vorzunehmen ist. 9(5) ergeben sich ohne die beitragsbefreiung(en) nach absatz 3 unterschiedlich hohe beiträge, so gilt als beitragskind das kind, für das sich nach der betreuungsart und dem einkommen der niedrigste beitrag ergibt. 10(6) ergeben sich ohne die beitragsbefreiung(en) nach absatz 4 unterschiedlich hohe beiträge, so gilt als beitragskind das kind, für das sich nach der betreuungsart und dem einkommen der höchste beitrag ergibt. 11(7) liegen bei beitragspflichtigen die voraussetzungen für beitragsbefreiungen sowohl nach absatz 3 als auch nach absatz 4 vor, gilt absatz 5 entsprechend. …“ 12am 11. september 2014 haben die kläger klage erhoben. sie tragen vor: der angegriffene bescheid sei rechtswidrig, weil die beklagte bei der beitragsfestsetzung § 23 abs. 5 s. 3 des kinderbildungsgesetzes (kibiz) nicht beachtet habe. diese regelung sei auch für die beklagte verbindlich. die beklagte könne nach § 23 abs. 5 s. 2 kibiz zwar nach ihrem ermessen entscheiden, ob sie eine geschwisterregelung einführe. wenn sie sich aber für eine geschwisterregelung entschieden habe, sei sie an die regelung des § 23 abs. 5 s. 3 kibiz zwingend gebunden. soweit sich die beklagte auf rechtsprechung des verwaltungsgerichts düsseldorf und des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen (ovg nrw) berufe, verkenne sie, dass sich diese entscheidungen nicht zu dem ab 1. august 2014 geänderten recht verhielten. die beklagte könne die gesetzesbegründung zur neuregelung nicht für ihren standpunkt heranziehen. der landesgesetzgeber habe die klarstellung in § 23 abs. 5 s. 3 kibiz wegen der bisherigen verwaltungsgerichtlichen rechtsprechung vorgenommen, die der geschwisterregelung in § 3 der elternbeitragssatzung der beklagten zu grunde liege. eine gesetzgeberische klarstellung sei begriffsnotwendig nur dort erforderlich, wo der bisherige status quo geändert werden solle. 13die kläger beantragen, 14den bescheid der beklagten vom 28. august 2014 aufzuheben, soweit darin für den zeitraum vom 1. august 2014 bis zum 31. juli 2015 ein elternbeitrag festgesetzt worden ist. 15die beklagte beantragt, 16die klage abzuweisen. 17sie macht geltend: die kläger könnten sich nicht für beide kinder nicht auf eine beitragsfreiheit berufen. dem stehe § 3 abs. 4 s. 2 der elternbeitragssatzung entgegen. diese regelung sei mit höherrangigem recht vereinbar. eine gesetzliche vorgabe, auch geschwisterkinder von der beitragspflicht freizustellen, bestehe nicht. nach § 23 abs. 5 s. 2 kibiz stehe es im pflichtgemäßen ermessen der beklagten, ob und in welchem umfang eine geschwisterregelung eingeführt werde. mit sinn und zweck einer geschwisterregelung sei nur die in der satzung vorgenommene ausgestaltung der geschwisterregelung vereinbar. eine solche diene unter dem aspekt des familienlastenausgleichs trotz einer gleichzeitigen und mehrfachen inanspruchnahme von betreuungsleistungen nicht der vollständigen freistellung, sondern nur der reduzierung der mit einer mehrzahl von öffentlich-rechtlichen kostenbeitragsverpflichtungen einhergehenden finanziellen belastungen der eltern. eine vollständige beitragsbefreiung für alle kinder einer familie würde im verhältnis zu eltern mit nur einem kind zu einer nicht gerechtfertigten bevorzugung führen. die grundkonzeption der geschwisterregelungen habe sich weder durch die einführung des vorschulprivilegs noch durch die änderungen des kibiz zum 1. august 2014 verändert. der landesgesetzgeber habe es dabei belassen, diese regelungen ins ermessen des jugendamtes zu stellen. in der rechtsprechung sei geklärt, dass der landesgesetzgeber über die beitragsfreistellung von vorschulkindern hinaus eine weitere beitragsfreistellung der geschwisterkinder nicht beabsichtigt habe. unter zugrundelegung der rechtsprechung und der gesetzesbegründung zum neu eingefügten § 23 abs. 5 s. 3 kibiz habe sich die rechtslage durch die neuregelung nicht geändert. in der gesetzesbegründung werde lediglich erwähnt, dass die änderung eine gesetzliche klarstellung sei und dem willen des gesetzgebers des ersten kibiz-änderungsgesetzes entspreche. angesichts dessen könne nicht davon ausgegangen werden, dass der gesetzgeber zum 1. august 2014 eine weitere zwingende geschwisterkindbefreiung habe regeln wollen. eine andere auslegung führe zum widerspruch zwischen dem s. 2 und s. 3 des § 23 abs. 5 kibiz. auf der einen seite hätten die jugendämter das recht, nach ihrem ermessen über die einführung einer geschwisterregelung zu entscheiden. auf der anderen seite wären aber alle geschwisterkinder dann immer beitragsbefreit. von der argumentation der kläger ausgehend, hätte der landesgesetzgeber eine beitragsbefreiung nur in denjenigen gemeinden eingeführt, die sich für eine geschwisterregelung entschieden hätten. dies könne aber nicht der gesetzgeberische wille gewesen sein. einer zwingenden beitragsbefreiung stehe auch der umstand entgegen, dass im landeshaushalt kein finanzieller ausgleich für die durch eine solche regelung betroffenen gemeinden oder gemeindeverbände geschaffen worden sei. dies widerspräche dem verfassungsrechtlichen konnexitätsprinzip. schließlich werde die auffassung der beklagten durch das urteil des verwaltungsgerichts aachen vom 14. april 2015 – 8 k 154/15 – bestätigt. darin habe das verwaltungsgericht auch unter berücksichtigung der neuen rechtslage zum ausdruck gebracht, dass eine zwingende doppelbefreiung von vorschul- und geschwisterkindern weder nach bundes- noch landesrechtlichen vorgaben zwingend sei. 18wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und der dazu beigezogenen verwaltungsvorgänge verwiesen. 19 | 20die klage ist zulässig und begründet. 21der bescheid der beklagten vom 28. august 2014 ist rechtswidrig und verletzt die kläger in eigenen rechten, soweit darin für den zeitraum vom 1. august 2014 bis zum 31. juli 2015 ein elternbeitrag festgesetzt worden ist, § 113 abs. 1 s. 1 vwgo. 22entgegen der annahme der beklagten sind beide, eine kindertageseinrichtung besuchende kinder der kläger von der beitragspflicht befreit. 23für das ältere kind folgt die beitragsbefreiung – dies wird von der beklagten nicht in abrede gestellt – aus § 3 abs. 3 der elternbeitragssatzung. dieser bestimmt in übereinstimmung mit § 23 abs. 3 s. 1 kibiz, dass die inanspruchnahme von angeboten in kindertageseinrichtungen durch kinder, die am 1. august des folgejahres schulpflichtig werden, in dem kindergartenjahr, das der einschulung vorausgeht (vorschulkinder), beitragsfrei ist. diese voraussetzungen liegen bei dem älteren kind – unstreitig – vor. 24das jüngere kind ist nach § 3 abs. 4 s. 1 der elternbeitragssatzung beitragsbefreit. danach wird der elternbeitrag nur für ein kind erhoben, wenn mehr als ein kind einer familie oder von personen, die nach § 2 abs. 1 an die stelle der eltern treten, gleichzeitig eine tageseinrichtung für kinder besuchen. so liegt es hier. 25im sinne der geschwisterregelung in § 3 abs. 4 s. 1 der elternbeitragssatzung wird für ein kind, nämlich das ältere vorschulkind, bereits ein elternbeitrag erhoben. denn nach dem zum 1. august 2014 in § 23 abs. 5 kibiz eingefügten s. 3 sind bei geschwisterregelungen vorschulkinder, deren tagesbetreuung – wie hier – nach abs. 3 elternbeitragsfrei ist, so zu berücksichtigen, als ob für sie ein elternbeitrag zu leisten wäre. mit anderen worten: der gesetzgeber fingiert im falle einer geschwisterregelung die leistung eines beitrages durch die eltern eines vorschulkindes. wird aber für das vorschulkind die leistung eines beitrages fingiert und stellt die elternbeitragssatzung darauf ab, dass „nur“ für ein kind ein beitrag erhoben wird, dann ist dieser eine beitrag bereits durch die fingierte leistung für das vorschulkind abgegolten. 26entgegen der annahme der beklagten steht § 3 abs. 4 s. 2 der elternbeitragssatzung der beitragsbefreiung nicht entgegen. danach wird zwar der beitrag für ein kind auch dann erhoben, falls für weitere kinder eine beitragsbefreiung nach abs. 3 vorzunehmen ist. diese regelung ist mit höherrangigem recht aber nicht vereinbar und daher nichtig. 27diese satzungsbestimmung verstößt gegen § 23 abs. 5 s. 3 kibiz. die vorgenannte norm hat zwei funktionen: sie eröffnet zum einen den anwendungsbereich der geschwisterregelungen. denn die geschwisterregelungen setzen nach ihrer zweckbestimmung voraus, dass die beitragspflichtigen für mehrere kinder elternbeiträge zu leisten haben. im fall einer mehrfachen leistungspflicht soll sich diese durch die geschwisterregelung zu gunsten der eltern reduzieren. wird für das vorschulkind über die regelung des § 23 abs. 5 s. 3 kibiz die leistung eines elternbeitrages fingiert, wird der anwendungsbereich der geschwisterregelung eröffnet. denn nunmehr werden die elternbeitragspflichtigen mit einem vorschulkind und mindestens einem weiteren kind so behandelt als ob eine belastung mit zwei elternbeiträgen besteht. zum anderen steuert die leistungsfiktion des § 23 abs. 5 s. 3 kibiz die anwendung der konkreten satzungsrechtlichen geschwisterregelung. stellt die konkrete geschwisterregelung – wie hier – auf die leistung „nur“ eines beitrages ab, 28wobei andere ausgestaltungen wegen des dem satzungsgeber zukommenden ermessens nach § 23 abs. 5 s. 2 kibiz möglich sind und zu anderen konsequenzen führen können, 29so hat die fiktionswirkung die zwingende konsequenz eines ausschlusses weiterer beitragsleistungen für andere kinder der beitragspflichtigen. diese sich aus der fiktion des § 23 abs. 5 s. 3 kibiz für geschwisterregelungen der hier vorliegenden art zwingend ergebende konsequenz versucht der satzungsgeber durch § 3 abs. 4 s. 2 der elternbeitragssatzung dadurch zu umgehen, dass der beitrag für ein (anderes) kind auch dann erhoben wird, falls eine beitragsfreiheit 30– die aber wegen der fiktion des § 23 abs. 5 s. 3 kibiz im rahmen der geschwisterkindregelung wieder als aufgehoben anzusehen ist – 31für das vorschulkind besteht. diese vorgehensweise steht im widerspruch zu der vorstehend dargelegten funktion des § 23 abs. 5 s. 3 kibiz. 32das ergebnis wird gestützt durch eine kontrollüberlegung anhand des art. 3 abs. 1 gg. der allgemeine gleichheitssatz verbietet wesentlich gleiches willkürlich ungleich und wesentlich ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. eine differenzierung ist willkürlich, wenn kein sachlicher grund für die ungleichbehandlung/gleichbehandlung besteht. so würde es hier liegen, wenn die ausnahmeregelung des § 3 abs. 4 s. 2 der elternbeitragssatzung greifen würde. aufgrund der gesetzlichen fiktion in § 23 abs. 5 s. 3 kibiz sind die elternbeitragspflichtigen in bezug auf geschwisterregelungen so zu stellen, als ob für das beitragsbefreite vorschulkind nach § 23 abs. 3 s. 1 kibiz (entspricht § 3 abs. 3 der elternbeitragssatzung) tatsächlich ein elternbeitrag geleistet wird. nach § 3 abs. 4 s. 2 der elternbeitragssatzung ist bei dieser fallgestaltung zusätzlich für ein weiteres kind ein weiterer elternbeitrag zu leisten. damit werden die eltern in dieser fallkonstellation (vorschulkind/weiteres kind) nach der elternbeitragssatzung mit zwei zu leistenden elternbeiträgen belastet. in allen anderen fallkonstellationen, in denen mindestens zwei kinder, von denen keines ein vorschulkind ist, gleichzeitig eine kindertageseinrichtung besuchen, werden die elternbeitragspflichtigen aufgrund der geschwisterregelung in § 3 abs. 4 s. 2 der elternbeitragssatzung, für die § 3 abs. 4 s. 2 der elternbeitragssatzung nicht gilt, hingegen nur mit der leistung eines elternbeitrages für ein kind belastet. für diese unterschiedliche behandlung in der beitragsbelastung ist ein sachlicher grund nicht ersichtlich. wegen der gesetzlichen fiktion der leistung eines beitrages für das vorschulkind in § 23 abs. 5 s. 3 kibiz kann nämlich nicht darauf abgestellt werden, dass die elternbeitragspflichtigen in der konstellation vorschulkinder/mindestens ein weiteres kind in öffentlich geförderter tagesbetreuung im ergebnis tatsächlich keine zahlung an die beklagte erbringen. denn dies ist gerade die folge der vom landesgesetzgeber angeordneten leistungsfiktion für das vorschulkind und ist von diesem so gewollt. 33die von der beklagten gegen dieses auslegungsergebnis vorgebrachten argumente verfangen nicht: 34es trifft zwar zu, dass das kibiz keine gesetzliche vorgabe enthält, geschwisterkinder von der beitragspflicht freizustellen. denn nach § 23 abs. 5 s. 2 kibiz steht es im ermessen, ob das jugendamt ermäßigte beiträge oder eine beitragsbefreiung für geschwisterkinder vorsieht. wenn sich das jugendamt indes entschließt, eine geschwisterregelung einzuführen, dann ist es bei deren inhaltlicher ausgestaltung aber an höherrangiges recht und damit an § 23 abs. 5 s. 3 kibiz mit der darin angeordneten leistungsfiktion für das nach § 23 abs. 3 kibiz beitragsbefreite vorschulkind und art. 3 abs. 1 gg gebunden. innerhalb dieser grenzen ist das jugendamt bei der ausgestaltung der geschwisterregelung frei. dies kann zu unterschiedlichen ausgestaltungen von geschwisterregelungen in den kommunalen satzungen führen. so sieht beispielsweise § 3 s. 2 der satzung der stadt e. über die erhebung von elternbeiträgen in kindertageseinrichtungen und horten in übereinstimmung mit § 23 abs. 5 s. 3 kibiz vor, dass für das zweite und jedes weitere kind ein beitrag i.h.v. 25 % des einkommensabhängigen elternbeitrages zu entrichten ist. bei einer solchen ausgestaltung der geschwisterregelung sind nicht – wie hier – beide kinder der elternbeitragspflichtigen von der tatsächlichen zahlung des elternbeitrages befreit. vielmehr ist für mindestens ein kind ein elternbeitrag von 25 % tatsächlich zu zahlen. 35auch sinn und zweck der geschwisterregelung stehen dem auslegungsergebnis nicht entgegen. die beklagte weist zutreffend unter bezugnahme auf den beschluss des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen (ovg nrw) vom 17. mai 2011 – 12 a 642/11 – darauf hin, dass eine geschwisterregelung unter dem aspekt des familienlastenausgleichs trotz einer gleichzeitigen und mehrfachen inanspruchnahme von betreuungsleistungen nicht der vollständigen freistellung, sondern nur der reduzierung der mit einer mehrzahl von öffentlich-rechtlichen kostenverpflichtungen einhergehenden finanziellen belastung der eltern dient. nach diesem sinn und zweck ist eine beitragsbefreiung für alle kinder einer familie nicht vorgesehen. eine solche generelle beitragsbefreiung für alle kinder einer familie, von denen eines ein vorschulkind ist, ordnet aber entgegen der auffassung der beklagten § 23 abs. 5 s. 3 kibiz auch nicht an. die beklagte verkennt, dass durch § 23 abs. 5 s. 3 kibiz nicht alle kinder einer familie, die gleichzeitig eine tagesbetreuung in anspruch nehmen, beitragsbefreit werden. durch die vorgenannte regelung wird lediglich in anknüpfung an sinn und zweck einer geschwisterregelung die leistung eines beitrages durch das nach § 23 abs. 3 kibiz beitragsbefreite vorschulkind gesetzlich fingiert, was im rahmen der konkreten geschwisterregelung zu berücksichtigen ist. durch diese gesetzliche fiktion sind die eltern dieser kinder rechtlich so gestellt, als ob von ihnen ein elternbeitrag für dieses kind geleistet wird. damit ist aber die konstellation gegeben, dass jedenfalls für ein kind ein elternbeitrag geleistet wird und das konzept der geschwisterregelung folgerichtig fortgeführt worden. 36der ausgangspunkt der beklagten, wonach durch die einfügung eines satzes 3 in § 23 abs. 5 kibiz vom landesgesetzgeber keine generelle kostenbefreiung von geschwisterkindern gewollt war, ist zutreffend. diese annahme rechtfertigt aber nicht den weitergehenden schluss der beklagten, durch die gesetzesänderung habe sich an der bisherigen rechtslage nichts geändert. eine solche annahme lässt sich insbesondere nicht auf die begründung der gesetzesänderung stützen, wonach es sich bei der änderung nur um eine gesetzliche klarstellung handele und diese dem willen des gesetzgebers des ersten kibiz-änderungsgesetzes entsprochen habe. 37mit der einfügung des satzes 3 in § 23 abs. 5 kibiz hat der landesgesetzgeber eine änderung der bisherigen rechtslage in bezug auf geschwisterregelungen herbeigeführt. 38vgl. janssen, dreier, selle, kindertagesbetreuung in nordrhein-westfalen, stand: 69. ergänzungslieferung, kibiz-kommentar zu § 23 s. 42 f.; so wohl auch ovg nrw, urteil vom 15. dezember 2014 – 12 a 815/14 –, juris, rn. 72 und 73. 39wie die beklagte zutreffend dargestellt hat, war in der obergerichtlichen rechtsprechung des ovg nrw geklärt, dass im falle einer beitragsbefreiung nach § 23 abs. 3 kibiz bei einer geschwisterregelung der in § 3 abs. 4 s. 1 der elternbeitragssatzung normierten art gleichwohl ein elternbeitrag zu erheben war, da eine solche geschwisterregelung lediglich eine reduzierung der beitragsleistung auf jedenfalls einen öffentlich-rechtlichen beitrag für nur noch ein kind vorsah. 40vgl. ovg nrw, beschluss vom 24. januar 2013 - 12 a 2492/12 -, juris, und urteil vom 15. dezember 2014 - 12 a 815/14 -, juris, insbesondere rn. 72 und 73 zur neuen rechtslage. 41wenn der landesgesetzgeber es bei dieser gefestigten und eindeutigen rechtslage hätte belassen wollen, wäre die einfügung des satzes 3 in § 23 abs. 5 kibiz nicht erforderlich gewesen. einer klarstellung hätte es insoweit angesichts der eindeutigen rechtsprechung der verwaltungsgerichte auch nicht bedurft. die gesetzesänderung durch den landesgesetzgeber stellt vielmehr eine reaktion auf die gefestigte rechtsprechung der verwaltungsgerichte in bezug auf die auslegung derartiger geschwisterregelungen dar. entgegen der rechtsprechung der verwaltungsgerichte wurde von anfang an verschiedentlich die auffassung vertreten, dass bei derartigen geschwisterregelungen im falle der gesetzlich vorgesehenen beitragsbefreiung nach § 23 abs. 3 kibiz für das vorschulkind auch kein elternbeitrag für das andere, ebenfalls in tagesbetreuung befindliche kind erhoben werden konnte. in diesem sinne wurden geschwisterregelungen der in § 3 abs. 4 s. 1 der elternbeitragssatzung normierten art von anderen jugendämtern im zuständigkeitsbereich des erkennenden gerichtes auch ohne die neuregelung angewandt. denn nur im falle einer solchen interpretation der geschwisterregelung war das bereits mit dem ersten kibiz-änderungsgesetz verfolgte ziel, die eltern von elternbeiträgen zu entlasten und einen einstieg in die elternbeitragsfreiheit für die inanspruchnahme einer tagesbetreuung zu schaffen, auch für diejenigen eltern erreichbar, bei denen sich neben dem vorschulkind mindestens ein weiteres kind gleichzeitig in tagesbetreuung befand, das ohne die gesetzliche beitragsbefreiung aufgrund einer bestehenden geschwisterregelung der hier in rede stehenden art ohnehin beitragsfrei gewesen wäre. mit anderen worten: vorgenannte eltern hatten bei einer bestehenden geschwisterregelung der hier in rede stehenden art durch die in § 23 abs. 3 kibiz neu eingeführte gesetzliche beitragsbefreiung keinen vorteil, weil aufgrund der geschwisterregelung in der ständigen auslegung der verwaltungsgerichte ohnehin nur ein beitrag erhoben wurde und sich durch die eingeführte gesetzliche beitragsbefreiung hieran nichts änderte. dieses infolge der geschwisterregelung in der interpretation der rechtsprechung der verwaltungsgerichte herbeigeführte ergebnis wurde vom landesgesetzgeber mit der einfügung des satzes 3 in § 23 abs. 5 kibiz korrigiert. 42im übrigen kommt es auf die subjektiven vorstellungen von am gesetzgebungsverfahren beteiligten für die auslegung einer norm nicht an. entscheidend ist vielmehr der objektive gesetzesinhalt, wie er sich aus seinem wortlaut und im sinnzusammenhang ergibt. 43ovg nrw, urteil vom 22. mai 2015 – 12 a 1075/14 –, juris rdn. 35 – 37 unter bezugnahme auf bverfg, urteil vom 16. februar 1983 – 2 bve 1/83, 2. bve 2/83, 2 bve 3/83, 2 bve 4/83 –, bverfge 62, 1 (45). 44weder dem wortlaut noch dem sinnzusammenhang des § 23 abs. 5 s. 3 kibiz lässt sich entnehmen, dass keine änderung der bisherigen rechtslage bewirkt werden sollte. 45vor diesem hintergrund ist durch das urteil des verwaltungsgerichts aachen vom 10. april 2015 – 8 k 154/15 – keine andere beurteilung veranlasst. es ist zwar richtig, dass die neuregelung des § 23 abs. 5 kibiz nicht zwingend zu einer doppelbefreiung von vorschul- und geschwisterkindern führt. ob dieser zustand eintritt, ist allein abhängig von der ausgestaltung der jeweiligen geschwisterregelung durch den satzungsgeber. das belegt bereits die oben angeführte geschwisterregelung der stadt e. . wählt der satzungsgeber hingegen eine geschwisterregelung der hier in rede stehenden art, wonach bei inanspruchnahme einer öffentlich geförderten tagesbetreuung durch mehrere kinder von elternbeitragspflichtigen nur ein beitrag zu leisten ist, dann kann er eine doppelbefreiung aus gründen der gleichbehandlung nicht vermeiden. 46entgegen der auffassung der beklagten wird durch die einfügung des satzes 3 in § 23 abs. 5 kibiz das verfassungsrechtlich verankerte konnexitätsprinzip in § 78 abs. 3 der verfassung des landes nordrhein-westfalen nicht berührt. denn mit der neuregelung hat das land keine neuen aufgaben übertragen oder bestehende und übertragene aufgaben verändert, die notwendigerweise zu einer wesentlichen belastung der davon betroffenen gemeinden oder gemeindeverbände geführt hat. denn der landesgesetzgeber hat mit der einfügung des satzes 3 in § 23 abs. 5 kibiz keine zwingende beitragsbefreiung angeordnet. er hat lediglich für eine geschwisterregelung die leistung eines beitrags für nach § 23 abs. 3 kibiz gesetzlich beitragsbefreite vorschulkinder fingiert, für die im übrigen das land nach § 21 abs. 10 kibiz den örtlichen trägern der jugendhilfe einen pauschalen ausgleich gewährt. diese neuregelung führt nicht gegen den willen der gemeinden und gemeindeverbände zwingend zu mehrkosten. die beklagte hat zutreffend erkannt, dass es nach § 23 abs. 5 s. 2 kibiz in ihrem ermessen steht, ob sie eine geschwisterregelung einführt. wie zuvor ausgeführt, steht es ihr unter beachtung von § 23 abs. 5 s. 3 kibiz und dem gleichheitssatz auch frei, wie sie eine geschwisterregelung näher ausgestaltet, wenn sie sich nach ihrem freien willen zur schaffung einer geschwisterregelung entscheidet. durch die art der ausgestaltung der geschwisterregelung kann sie zudem auf die höhe des beitragsausfalls nach eigenem ermessen einfluss nehmen. so hat beispielsweise die stadt e. in § 3 s. 2 ihrer elternbeitragssatzung geregelt, dass für das zweite und jedes weitere kind ein beitrag i.h.v. 25 % des einkommensabhängigen elternbeitrages zu entrichten ist, wenn das ältere vorschulkind nach § 23 abs. 3 kibiz kraft gesetzes beitragsbefreit ist. andere gesetzeskonforme ausgestaltungen sind denkbar, die zu weitaus höheren tatsächlichen zahlungen der elternbeitragspflichtigen für weitere neben dem vorschulkind gleichzeitig eine öffentliche tagesbetreuung in anspruch nehmende kinder führen können. hat es die beklagte mithin selbst in der hand, durch die ausgestaltung ihres satzungsrechtes die höhe der beitragseinnahmen festzulegen, hat sie den durch die einfügung des satzes 3 in § 23 abs. 5 kibiz entstehenden einnahmeausfall bei einer nach ihrem willen ausgestalteten geschwisterregelung selbst zu verantworten. 47die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo, die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit auf §§ 167 vwgo, 708 nr. 11, 711 zpo. 48die berufung wird nach §§ 124 a abs. 1, 124 abs. 2 nr. 3 vwgo wegen grundsätzlicher bedeutung zugelassen. | Klaeger*in | 1 |
337,622 | 6 K 957/20 | 2021-04-26T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der 00.00.1980 geborene Kläger stellte am 9. Juli 2018 bei der Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B. 3Der Kläger trat am 3. September 2018 bei der Technischen Prüfstelle in N. zur theoretischen Fahrprüfung an. Der anwesende Prüfer der TÜV S. L. GmbH (nachfolgend: TÜV S. ), Herr N1. I. , teilte der Fahrerlaubnisbehörde am selben Tag mit, dass der Kläger im Rahmen der Prüfung vorsätzlich unerlaubte Hilfsmittel eingesetzt habe. In der Knopfleiste des (grün-weißen) Hemdes des Klägers habe sich eine Kamera befunden. Der Kläger habe immer wieder an seinem Hemd „herumgezupft“. Nachdem er − der Prüfer − ein Schild vor dem Prüfling platziert habe, habe letzterer alle Fragen falsch beantwortet. Die Prüfung wurde daraufhin als nicht bestanden gewertet. 4Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 25. September 2018 mit, dass sie aufgrund des Täuschungsversuchs beabsichtige, dessen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis abzulehnen. Der Kläger erklärte daraufhin mit Schreiben vom 10. Oktober 2018, dass der erhobene Vorwurf inakzeptabel sei. Der Prüfer habe ihm Unrecht getan. Er habe unter einer schlechten psychischen Verfassung gelitten, als der Prüfer ein Holzbrett vor seine Brust gelegt habe. Er sei sehr verärgert gewesen und habe nur aus der Situation entkommen wollen. 5Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 16. Oktober 2018 den Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis ab. Der Kläger erhob gegen den Versagungsbescheid Klage (6 K 9067/18). Das Gericht schlug unter Hinweis auf den Aufwand und die Unwägbarkeiten einer Beweisaufnahme die Aufhebung des Versagungsbescheides durch die Beklagte und im Gegenzug die Klagerücknahme durch den Kläger vor. Die Beteiligten nahmen diesen Vergleichsvorschlag an. 6Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 18. Juli 2019 mit, dass auf seinen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis die theoretische Fahrerlaubnisprüfung als Einzelprüfung angeordnet werde. Der Kläger teilte daraufhin mit, dass die Anordnung einer Einzelprüfung nicht nachvollziehbar sei und bat um Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheides. 7Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 13. Februar 2020 den Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis (erneut) ab. Sie führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Anordnung der theoretische Fahrerlaubnisprüfung als Einzelprüfung sei zur Verhinderung weiterer möglicher Täuschungshandlungen des Klägers gemäß dem Erlasses III B 2-21-02/4.2.4.2. des Landesverkehrsministeriums vom 25. Juni 2015 angeordnet worden. Dies sei dem Kläger auch mitgeteilt worden. Da dieser jedoch nicht mit dieser Entscheidung einverstanden gewesen sei und einen rechtsmittelfähigen Bescheid verlangt habe, sei die Erteilung der Fahrerlaubnis zu versagen. Der Bescheid wurde dem Kläger am 18. Februar 2020 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt. 8Der Kläger hat am 20. Februar 2020 die vorliegende Klage erhoben. Er trägt zur Klagebegründung im Wesentlichen vor: Der Bescheid vom 13. Februar 2020 beruhe auf nicht nachweisbaren und frei erfundenen Vorwürfen. Die Ordnungsverfügung vom 16. Oktober 2018 sei aufgehoben worden, womit sich die Vorwürfe „erledigt“ hätten. Es bestehe zudem keine Rechtsgrundlage für die angeordnete Einzelprüfung. Der Erlass des Landesverkehrsministeriums vom 25. Juni 2015 betreffe völlig andere Fälle und könne daher nicht herangezogen werden. Zudem liege ein Grundrechtseingriff gemäß „Art. 3 ff. GG, Art. 2, 6, 14 EMRK“ vor. 9Der Kläger beantragt, 10die Beklagte unter Aufhebung des Versagungsbescheides vom 13. Februar 2020 zu verpflichten, seinen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. 11Die Beklagte beantragt, 12die Klage abzuweisen. 13Das Gericht hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung des Prüfers des TÜV S. , Herrn N1. I. . Wegen des Inhalts der mündlichen Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der Streitakte, der Gerichtsakte 6 K 9067/18 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. 14Entscheidungsgründe: 15Der Einzelrichter ist zuständig, nachdem ihm die Kammer den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen hat, § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 16Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. 17Der Versagungsbescheid der Beklagten vom 13. Februar 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf erneute Bescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Fahrerlaubnis durch die Beklagte zu (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). 18Vgl. zur fehlenden Spruchreife: VG Düsseldorf, Urteil vom 15. Oktober 2015 – 6 K 5037/14 –, juris, Rn. 15. 19Die Fahrerlaubniserteilung setzt das Bestehen einer theoretischen Fahrprüfung voraus, welche von der zuständigen Technischen Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr (nachfolgend: Technische Prüfstelle) nach Beauftragung durch die Fahrerlaubnisbehörde durchgeführt wird (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 StVG i.V.m. §§ 15, 22 Abs. 4 Satz 1 FeV). Wurde die theoretische Fahrprüfung – wie hier – noch nicht erfolgreich abgelegt, kommt lediglich ein Anspruch auf Beauftragung der Technischen Prüfstelle mit der Fahrprüfung des Bewerbers (vgl. § 22 Abs. 4 Satz 1 FeV) in Betracht. Dies setzt voraus, dass alle Erteilungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 StVG, mit Ausnahme der Befähigung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 StVG, vorliegen. 20Vgl. BayVGH, Beschluss vom 28. Mai 2008 – 11 C 08.889 –, juris, Rn. 69; VG Düsseldorf, Urteil vom 15. Oktober 2015 – 6 K 5037/14 –, juris, Rn. 15 f. m.w.N. 21Dem Kläger steht kein derartiger Anspruch auf Beauftragung der Technischen Prüfstelle (mehr) zu, weil die Beklagte der Technischen Prüfstelle bereits rechtmäßig einen Prüfauftrag in Form einer Einzelprüfung erteilt hatte, zu der der Kläger aber nicht angetreten ist. Der Kläger durfte die Anordnung der Einzelprüfung nicht verweigern, weil die Anordnung rechtmäßig war. 22Die Befugnis zur Erteilung eines Prüfauftrages in Form einer Einzelprüfung ergibt sich mangels spezieller Rechtsgrundlage aus § 22 Abs. 4 Satz 1 FeV i.V.m. § 10 VwVfG NRW. Demnach steht die Verfahrensgestaltung – hier die Art bzw. Ausgestaltung des Prüfauftrages gegenüber der Technischen Prüfstelle − im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde. Die Behörde hat hierbei gemäß § 40 VwVfG NRW ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Das Gericht kann insoweit nur überprüfen, ob die Behörde das Ermessen überhaupt ausgeübt hat, ob sie bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder ob sie von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). 23Vorliegend wird das Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde durch den Erlass des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25. Juni 2015 (III B 2-21-02/4.2.4.2.) gelenkt und gebunden. Es handelt sich dabei nicht um eine Rechtsnorm, sondern um eine innerdienstliche Richtlinie, die keine unmittelbaren Rechte und Pflichten für den Bürger begründet. Sie entfaltet im Verhältnis zum Bürger nur deshalb Wirkungen, weil die Verwaltung zur Wahrung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet ist und sich demgemäß durch die pflichtgemäße Anwendung der Verwaltungsvorschriften selbst bindet. Maßgeblich ist die bestehende Verwaltungspraxis. 24Vgl. insgesamt OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Oktober 2020 – 8 A 2020/20 –, juris, Rn. 4, vom 21. Dezember 2018 – 8 A 2763/17 –, juris, Rn. 4, und vom 23. August 2011 – 8 A 2247/10 –, juris, Rn. 24 ff. 25Hiervon ausgehend hatte die Beklagte ermessensfehlerfrei eine Einzelprüfung angeordnet. Denn die Verwaltungsvorschrift legt fest, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei schwerwiegenden Täuschungshandlungen mit Hilfe Dritter (nicht „Abschreiben“ oder „Spicken“) in der Regel auf dem Prüfauftrag eine Einzelprüfung anordnet. Eine Täuschungshandlung setzt voraus, dass ein Prüfling eine selbstständige und reguläre Prüfungsleistung vorspielt, obwohl er sich bei deren Erbringung in Wahrheit unerlaubter Hilfe bedient hat. 26Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Juli 2013 – 14 A 880/11 –, juris, Rn. 32; VG Stade, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 6 A 3809/17 –, juris, Rn. 63; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 229. 27Dabei kommt es für die Annahme einer Täuschungshandlung nicht darauf an, ob diese tatsächlich gelungen oder lediglich versucht worden ist. 28Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 17. Juni 2009 – 15 K 5332/07 –, juris, Rn. 44; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 230. 29Bereits das Mitführen eines unzulässigen Hilfsmittels (im Prüfungsraum) während der Prüfung reicht grundsätzlich für die Begründung einer Täuschungshandlung aus. 30Vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 5. November 2019 – 2 B 388/18 –, juris, Rn. 12; VG Göttingen, Beschluss vom 29. März 2004 – 4 B 32/04 –, juris, Rn. 22; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 229 m.w.N. 31Nach diesen Maßstäben liegt eine Täuschungshandlung des Klägers mithilfe Dritter vor. Denn das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger im Rahmen der theoretischen Führerscheinprüfung am 3. September 2018 eine Minikamera mitführte, um mittels Funkverbindung die gestellten Prüfungsfragen an Kontaktpersonen außerhalb des Prüfungsraumes zu übersenden. 32Vgl. zur Methodik auch Henseler/Eichhoff, Schummeln als Straftat?, NZV 2019, S. 450 ff., abrufbar über beck-online; Focus online; Bericht vom 1. Oktober 2018: Immer mehr Hightech-Schummeleien bei Führerscheinprüfung; abrufbar über: https://www.focus.de/panorama/welt/kriminalitaet-immer-mehr-hightech-schummeleien-bei-fuehrerscheinpruefungen_id_9684983.html; Die Welt, Bericht vom 16. Oktober 2016: Das lukrative Geschäft mit der Führerscheinprüfung, abrufbar über: https://www.welt.de/regionales/nrw/article158763671/Das-lukrative-Geschaeft-mit-der-Fuehrerscheinpruefung.html. 33Der in der Fahrprüfung anwesende Prüfer des TÜV S. , Herr N1. I. , hat diesbezüglich bei seiner Vernehmung als Zeuge nachvollziehbar geschildert, dass der Kläger sich im Rahmen der Fahrprüfung am 3. September 2018 ausgesprochen auffällig verhalten habe, nämlich dauernd an seinen oberen Hemdknöpfen herumhantiert und seinen Oberkörper nach links und rechts bewegt habe. Er habe den Kläger daraufhin nach ca. drei beantworten Fragen auf diese Auffälligkeiten angesprochen und ein Holzbrett vor dessen Brust gestellt, um zu verhindern, dass der Bildschirm mit den Prüfungsfragen im Erfassungsbereich einer am Oberkörper versteckt getragenen Minikamera liegt. Der Kläger habe daraufhin keine Auffälligkeiten mehr gezeigt und bereits ca. acht Minuten später die Prüfung beendet. Die Auswertung habe eine sehr hohe Fehlerquote von 82 Fehlerpunkten ergeben. Maximal seien 110 Fehlerpunkte möglich. Er gehe deshalb davon aus, dass der Kläger die ersten drei Fragen richtig beantwortet habe und sodann – nach Verdeckung der Kamera durch das Holzbrett – im Wesentlichen nur noch falsche Antworten abgegeben habe. Das Gericht hat nicht ansatzweise Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben. Insbesondere ist keine Motivation des Zeugen erkennbar, den Kläger grundlos zu belasten. 34Hiervon ausgehend ist das Gericht − auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindrucks − in der Gesamtschau davon überzeugt, dass der Kläger während der Fahrprüfung eine Minikamera in der Knopfleiste seines Hemdes mitführte, um sich der Hilfe Dritter mittels Aufzeichnung der Prüfungsfragen zu bedienen. Das auffällige Herumhantieren des Klägers an seinen oberen Hemdknöpfen sowie das Schwenken des Oberkörpers nach links und rechts diente offenkundig der Ausrichtung bzw. Erweiterung des begrenzten Aufzeichnungswinkels der Minikamera. Hierfür spricht insbesondere, dass der Kläger sein auffälliges Verhalten nach Platzierung des Holzbrettes und der damit verbundenen Verdeckung der Knopfleiste einstellte. Letzteres wäre widersinnig, wenn das Herumhantieren an der Knopfleiste bzw. das Schwenken des Oberkörpers auf andere Ursachen − wie beispielsweise prüfungsbedingte Nervosität – zurückzuführen wäre; zumal der Kläger dies auch nicht glaubhaft dargelegt hat. Der Umstand, dass der Zeuge die Minikamera selbst nicht wahrgenommen hat, rechtfertigt keine andere Bewertung. Angesichts der geringen – mit einem Stecknadelkopf vergleichbaren – Größe von wenigen Millimetern bzw. der Tarnung als Hemdknopf ist offensichtlich, dass derartige Kameras regelmäßig nicht mit dem bloßen Auge zu erkennen sind. Für den Einsatz der Minikamera spricht zudem, dass der Kläger zur Überzeugung des Gerichts überhaupt nicht dazu in der Lage war, die Prüfung ohne fremde Hilfe erfolgreich zu absolvieren. Dies zeigt sich insbesondere in der auffällig hohen Fehlerquote des Klägers. Die 82 Fehlerpunkte sind nach Einschätzung des Gerichts maßgeblich darauf zurückzuführen, dass der Zeuge die Minikamera durch das Holzbrett verdeckte und dadurch die Hilfe durch Dritte vereitelte. Hierfür spricht auch, dass der Kläger die ersten drei Fragen in ca. drei Minuten, die restlichen 27 Fragen – nach Platzierung des Holzbrettes – in ca. acht Minuten beantwortete. 35Eine plausible Erklärung für diese auffällige Geschwindigkeitszunahme und die hohe Fehlerquote hat der Kläger nicht erbracht. Im Gegenteil: Soweit der Kläger behauptet, er habe nach Platzierung des Holzbrettes unter einer schlechten psychischen Verfassung gelitten und aus der Situation entkommen wollen, wertet das Gericht dies als Schutzbehauptung. Denn mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2018 trug der Kläger (sinngemäß) vor, er habe das Platzieren des Holzbrettes als Ungleichbehandlung gegenüber anderen Prüflingen empfunden und die Prüfung nicht (ordnungsgemäß) abschließen können. In Widerspruch hierzu versuchte der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung den Eindruck zu vermitteln, dass die Prüfung ohne Besonderheiten abgelaufen sei, er vom Täuschungsvorwurf sogar erst nach der Prüfung erfahren habe. Erst auf mehrfache ausdrückliche Nachfrage hat der Kläger sodann geschildert, dass der Prüfer ein Holzbrett vor ihm platziert und ihn angesprochen habe. Insoweit ist nicht plausibel, dass die angeblich schlechte psychische Verfassung des Klägers nach Platzierung des Holzbrettes für das Nichtbestehen der Prüfung ursächlich war. Denn dann wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger ein derart einschneidendes Ereignis nicht erst auf mehrfache Nachfrage schildert. 36Liegt mithin eine Täuschungshandlung vor, kommt es auf den Einwand des Klägers, die Anordnung der Einzelprüfung lasse sich nicht auf einen bloßen Täuschungsverdacht stützen, nicht an. Es besteht – wie zuvor dargelegt − die volle richterliche Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und nicht lediglich ein Verdacht, dass der Kläger im Rahmen der Fahrprüfung eine Minikamera mitführte. 37Die Täuschungshandlung mittels Minikamera ist schließlich auch als „schwerwiegend“ im Sinne der Verwaltungsvorschrift zu qualifizieren. Denn grobe Täuschungsmanöver, wie der aufwändige Einsatz technischer Hilfsmittel – hier das Mitführen einer Minikamera −, stellen einen besonderen schweren Fall das Erschleichen einer Prüfungsleistung dar, weil hierdurch in besonders hohem Maße die Spielregeln des fairen Wettbewerbs und die Chancengleichheit der anderen, sich korrekt verhaltenden Prüflinge verletzt werden. 38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Februar 2021 – 6 B 1868/20 –, juris, Rn. 2 ff.; VG Gießen, Urteil vom 19. Februar 2008 – 5 E 3970/07 –, juris, Rn. 36; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 244; Henseler/Eichhoff, Schummeln als Straftat?, NZV 2019, S. 457, abrufbar über beck-online. 39Die Verwaltungsvorschrift verweist in der Einleitung zu „Maßnahmen bei schwerwiegenden Täuschungshandlungen“ auch ausdrücklich auf Prüfungsmanipulationen mittels des Einsatzes einer (Funk-)Minikamera unter Zuhilfenahme einer Kontaktperson von außerhalb. Insoweit ist offenkundig, dass die Verwaltungsvorschrift gerade den Einsatz einer Minikamera als schwerwiegende Täuschungshandlung qualifiziert. 40Es sind im Falle des Klägers auch keine atypischen Besonderheiten ersichtlich oder vorgetragen, die ein Abweichen von der Verwaltungsvorschrift rechtfertigen könnten. 41Insbesondere rechtfertigt das Vorbringen des Klägers, die Beklagte habe die ursprüngliche Ablehnung des Fahrerlaubnisantrags mit Bescheid vom 16. Oktober 2018 aufgehoben, keine andere Bewertung. Der diesbezüglich geschlossene gerichtliche Vergleich beinhaltet – entgegen der Ansicht des Klägers − weder eine „Erledigung“ noch einen „Verbrauch“ der zugrunde liegenden Täuschungshandlung des Klägers. Die Beklagte hat insbesondere keine dahingehende Erklärung abgegeben, sondern lediglich den ursprünglichen Ablehnungsbescheides vom 16. Oktober 2018 aufgehoben. Dies lässt bereits nicht den Schluss zu, dass der zugrunde liegende Vorwurf der Täuschungshandlung fallengelassen wurde. 42Der weitere Einwand des Klägers, durch die Einzelprüfung liege ein Verstoß gegen Grundrechte bzw. die EMRK vor, dringt ebenfalls nicht durch. Insbesondere der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und das hieraus resultierende prüfungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit bleiben durch die Einzelprüfung gewahrt. 43Vgl. zur Chancengleichheit bei Einzel- und Gruppenprüfungen: BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 1971– VII C 5.71 –, juris, Rn. 29 f.; zum Gebot der Chancengleichheit allgemein: Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 402 ff. 44Es ist weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen, welche Nachteile der Prüfling einer Einzelprüfung im Rahmen der theoretischen Fahrerlaubnisprüfung gegenüber der – rein aus organisatorischen Gründen – in der Praxis regelmäßig durchgeführten Gruppenprüfung erleidet. Insbesondere bestehen keine Unterschiede hinsichtlich der in § 16 Abs. 2 u. 3 i.V.m. Anlage 7 Teil 1 zur FeV festgelegten Prüfungsanforderungen. Einwände gegen eine etwaig höhere Gebührenbelastung können im Gebührenverfahren geltend gemacht werden. 45Ein allenfalls in Betracht kommender Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot liegt ebenfalls nicht vor. Ein solcher Verstoß ist anzunehmen, wenn die Entscheidung zur Anordnung einer Einzelprüfung aus keinen sachlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt ist. Wird vom Prüfling – wie hier – eine schwerwiegende Täuschungshandlung begangen, ist es hingegen sachlich gerechtfertigt, durch eine Einzelprüfung sicherzustellen, dass der Prüfling ausreichende theoretische Kenntnisse zum Führen von Kraftfahrzeugen – ohne unerlaubte Hilfsmittel – nachweist und nicht erneut einen Täuschungsversuch begeht. Insoweit werden durch die alleinige Aufsicht des Prüflings im Rahmen der Einzelprüfung etwaige (erneute) Täuschungshandlungen jedenfalls erschwert. 46Da der Kläger die angeordnete Einzelprüfung abgelehnt und einen rechtsmittelfähigen Bescheid gefordert hat, hat die Beklagte rechtsfehlerfrei (erneut) den Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis mangels Befähigungsnachweis zum Führen von Kraftfahrzeugen (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 StVG) abgelehnt. 47Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). 48Rechtsmittelbelehrung: 49Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 50Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden. 51Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. 52Die Berufung ist nur zuzulassen, 531. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 542. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 553. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 564. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 575. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 58Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. 59Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. 60Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 61Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 62Beschluss: 63Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt. 64Gründe: 65Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt. 66Rechtsmittelbelehrung: 67Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. 68Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 69Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 70Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 71Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 72War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe von 110 prozent des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 prozent des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2der 00.00.1980 geborene kläger stellte am 9. juli 2018 bei der beklagten einen antrag auf erteilung einer fahrerlaubnis der klasse b. 3der kläger trat am 3. september 2018 bei der technischen prüfstelle in n. zur theoretischen fahrprüfung an. der anwesende prüfer der tüv s. l. gmbh (nachfolgend: tüv s. ), herr n1. i. , teilte der fahrerlaubnisbehörde am selben tag mit, dass der kläger im rahmen der prüfung vorsätzlich unerlaubte hilfsmittel eingesetzt habe. in der knopfleiste des (grün-weißen) hemdes des klägers habe sich eine kamera befunden. der kläger habe immer wieder an seinem hemd „herumgezupft“. nachdem er − der prüfer − ein schild vor dem prüfling platziert habe, habe letzterer alle fragen falsch beantwortet. die prüfung wurde daraufhin als nicht bestanden gewertet. 4die beklagte teilte dem kläger mit schreiben vom 25. september 2018 mit, dass sie aufgrund des täuschungsversuchs beabsichtige, dessen antrag auf erteilung einer fahrerlaubnis abzulehnen. der kläger erklärte daraufhin mit schreiben vom 10. oktober 2018, dass der erhobene vorwurf inakzeptabel sei. der prüfer habe ihm unrecht getan. er habe unter einer schlechten psychischen verfassung gelitten, als der prüfer ein holzbrett vor seine brust gelegt habe. er sei sehr verärgert gewesen und habe nur aus der situation entkommen wollen. 5die beklagte lehnte mit bescheid vom 16. oktober 2018 den antrag auf erteilung der fahrerlaubnis ab. der kläger erhob gegen den versagungsbescheid klage (6 k 9067/18). das gericht schlug unter hinweis auf den aufwand und die unwägbarkeiten einer beweisaufnahme die aufhebung des versagungsbescheides durch die beklagte und im gegenzug die klagerücknahme durch den kläger vor. die beteiligten nahmen diesen vergleichsvorschlag an. 6die beklagte teilte dem kläger mit schreiben vom 18. juli 2019 mit, dass auf seinen antrag auf erteilung einer fahrerlaubnis die theoretische fahrerlaubnisprüfung als einzelprüfung angeordnet werde. der kläger teilte daraufhin mit, dass die anordnung einer einzelprüfung nicht nachvollziehbar sei und bat um erlass eines rechtsmittelfähigen bescheides. 7die beklagte lehnte daraufhin mit bescheid vom 13. februar 2020 den antrag auf erteilung der fahrerlaubnis (erneut) ab. sie führte zur begründung im wesentlichen aus: die anordnung der theoretische fahrerlaubnisprüfung als einzelprüfung sei zur verhinderung weiterer möglicher täuschungshandlungen des klägers gemäß dem erlasses iii b 2-21-02/4.2.4.2. des landesverkehrsministeriums vom 25. juni 2015 angeordnet worden. dies sei dem kläger auch mitgeteilt worden. da dieser jedoch nicht mit dieser entscheidung einverstanden gewesen sei und einen rechtsmittelfähigen bescheid verlangt habe, sei die erteilung der fahrerlaubnis zu versagen. der bescheid wurde dem kläger am 18. februar 2020 mittels postzustellungsurkunde zugestellt. 8der kläger hat am 20. februar 2020 die vorliegende klage erhoben. er trägt zur klagebegründung im wesentlichen vor: der bescheid vom 13. februar 2020 beruhe auf nicht nachweisbaren und frei erfundenen vorwürfen. die ordnungsverfügung vom 16. oktober 2018 sei aufgehoben worden, womit sich die vorwürfe „erledigt“ hätten. es bestehe zudem keine rechtsgrundlage für die angeordnete einzelprüfung. der erlass des landesverkehrsministeriums vom 25. juni 2015 betreffe völlig andere fälle und könne daher nicht herangezogen werden. zudem liege ein grundrechtseingriff gemäß „art. 3 ff. gg, art. 2, 6, 14 emrk“ vor. 9der kläger beantragt, 10die beklagte unter aufhebung des versagungsbescheides vom 13. februar 2020 zu verpflichten, seinen antrag auf erteilung einer fahrerlaubnis unter beachtung der rechtsauffassung des gerichts erneut zu bescheiden. 11die beklagte beantragt, 12die klage abzuweisen. 13das gericht hat beweis erhoben durch zeugenvernehmung des prüfers des tüv s. , herrn n1. i. . wegen des inhalts der mündlichen verhandlung und des ergebnisses der beweisaufnahme wird auf das protokoll der mündlichen verhandlung, wegen der übrigen einzelheiten des sach- und streitstandes auf den inhalt der streitakte, der gerichtsakte 6 k 9067/18 und der beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten bezug genommen. 14 | 15der einzelrichter ist zuständig, nachdem ihm die kammer den rechtsstreit zur entscheidung übertragen hat, § 6 abs. 1 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo). 16die klage hat keinen erfolg. sie ist zulässig, aber unbegründet. 17der versagungsbescheid der beklagten vom 13. februar 2020 ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten. dem kläger steht kein anspruch auf erneute bescheidung seines antrags auf erteilung einer fahrerlaubnis durch die beklagte zu (§ 113 abs. 5 satz 2 vwgo). 18vgl. zur fehlenden spruchreife: vg düsseldorf, urteil vom 15. oktober 2015 – 6 k 5037/14 –, juris, rn. 15. 19die fahrerlaubniserteilung setzt das bestehen einer theoretischen fahrprüfung voraus, welche von der zuständigen technischen prüfstelle für den kraftfahrzeugverkehr (nachfolgend: technische prüfstelle) nach beauftragung durch die fahrerlaubnisbehörde durchgeführt wird (§ 2 abs. 2 satz 1 nr. 5 stvg i.v.m. §§ 15, 22 abs. 4 satz 1 fev). wurde die theoretische fahrprüfung – wie hier – noch nicht erfolgreich abgelegt, kommt lediglich ein anspruch auf beauftragung der technischen prüfstelle mit der fahrprüfung des bewerbers (vgl. § 22 abs. 4 satz 1 fev) in betracht. dies setzt voraus, dass alle erteilungsvoraussetzungen des § 2 abs. 2 satz 1 stvg, mit ausnahme der befähigung gemäß § 2 abs. 2 satz 1 nr. 5 stvg, vorliegen. 20vgl. bayvgh, beschluss vom 28. mai 2008 – 11 c 08.889 –, juris, rn. 69; vg düsseldorf, urteil vom 15. oktober 2015 – 6 k 5037/14 –, juris, rn. 15 f. m.w.n. 21dem kläger steht kein derartiger anspruch auf beauftragung der technischen prüfstelle (mehr) zu, weil die beklagte der technischen prüfstelle bereits rechtmäßig einen prüfauftrag in form einer einzelprüfung erteilt hatte, zu der der kläger aber nicht angetreten ist. der kläger durfte die anordnung der einzelprüfung nicht verweigern, weil die anordnung rechtmäßig war. 22die befugnis zur erteilung eines prüfauftrages in form einer einzelprüfung ergibt sich mangels spezieller rechtsgrundlage aus § 22 abs. 4 satz 1 fev i.v.m. § 10 vwvfg nrw. demnach steht die verfahrensgestaltung – hier die art bzw. ausgestaltung des prüfauftrages gegenüber der technischen prüfstelle − im ermessen der fahrerlaubnisbehörde. die behörde hat hierbei gemäß § 40 vwvfg nrw ihr ermessen entsprechend dem zweck der ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen grenzen des ermessens einzuhalten. das gericht kann insoweit nur überprüfen, ob die behörde das ermessen überhaupt ausgeübt hat, ob sie bei ihrer entscheidung die gesetzlichen grenzen des ermessens überschritten hat oder ob sie von dem ihr eingeräumten ermessen in einer dem zweck der ermächtigung nicht entsprechenden weise gebrauch gemacht hat (vgl. § 114 satz 1 vwgo). 23vorliegend wird das ermessen der fahrerlaubnisbehörde durch den erlass des ministeriums für bauen, wohnen, stadtentwicklung und verkehr des landes nordrhein-westfalen vom 25. juni 2015 (iii b 2-21-02/4.2.4.2.) gelenkt und gebunden. es handelt sich dabei nicht um eine rechtsnorm, sondern um eine innerdienstliche richtlinie, die keine unmittelbaren rechte und pflichten für den bürger begründet. sie entfaltet im verhältnis zum bürger nur deshalb wirkungen, weil die verwaltung zur wahrung des gleichheitssatzes nach art. 3 abs. 1 gg verpflichtet ist und sich demgemäß durch die pflichtgemäße anwendung der verwaltungsvorschriften selbst bindet. maßgeblich ist die bestehende verwaltungspraxis. 24vgl. insgesamt ovg nrw, beschlüsse vom 12. oktober 2020 – 8 a 2020/20 –, juris, rn. 4, vom 21. dezember 2018 – 8 a 2763/17 –, juris, rn. 4, und vom 23. august 2011 – 8 a 2247/10 –, juris, rn. 24 ff. 25hiervon ausgehend hatte die beklagte ermessensfehlerfrei eine einzelprüfung angeordnet. denn die verwaltungsvorschrift legt fest, dass die fahrerlaubnisbehörde bei schwerwiegenden täuschungshandlungen mit hilfe dritter (nicht „abschreiben“ oder „spicken“) in der regel auf dem prüfauftrag eine einzelprüfung anordnet. eine täuschungshandlung setzt voraus, dass ein prüfling eine selbstständige und reguläre prüfungsleistung vorspielt, obwohl er sich bei deren erbringung in wahrheit unerlaubter hilfe bedient hat. 26vgl. ovg nrw, urteil vom 24. juli 2013 – 14 a 880/11 –, juris, rn. 32; vg stade, urteil vom 30. oktober 2019 – 6 a 3809/17 –, juris, rn. 63; niehues/fischer/jeremias, prüfungsrecht, 7. aufl. 2018, rn. 229. 27dabei kommt es für die annahme einer täuschungshandlung nicht darauf an, ob diese tatsächlich gelungen oder lediglich versucht worden ist. 28vgl. vg düsseldorf, urteil vom 17. juni 2009 – 15 k 5332/07 –, juris, rn. 44; niehues/fischer/jeremias, prüfungsrecht, 7. aufl. 2018, rn. 230. 29bereits das mitführen eines unzulässigen hilfsmittels (im prüfungsraum) während der prüfung reicht grundsätzlich für die begründung einer täuschungshandlung aus. 30vgl. ovg sachsen, beschluss vom 5. november 2019 – 2 b 388/18 –, juris, rn. 12; vg göttingen, beschluss vom 29. märz 2004 – 4 b 32/04 –, juris, rn. 22; niehues/fischer/jeremias, prüfungsrecht, 7. aufl. 2018, rn. 229 m.w.n. 31nach diesen maßstäben liegt eine täuschungshandlung des klägers mithilfe dritter vor. denn das gericht ist davon überzeugt, dass der kläger im rahmen der theoretischen führerscheinprüfung am 3. september 2018 eine minikamera mitführte, um mittels funkverbindung die gestellten prüfungsfragen an kontaktpersonen außerhalb des prüfungsraumes zu übersenden. 32vgl. zur methodik auch henseler/eichhoff, schummeln als straftat?, nzv 2019, s. 450 ff., abrufbar über beck-online; focus online; bericht vom 1. oktober 2018: immer mehr hightech-schummeleien bei führerscheinprüfung; abrufbar über: https://www.focus.de/panorama/welt/kriminalitaet-immer-mehr-hightech-schummeleien-bei-fuehrerscheinpruefungen_id_9684983.html; die welt, bericht vom 16. oktober 2016: das lukrative geschäft mit der führerscheinprüfung, abrufbar über: https://www.welt.de/regionales/nrw/article158763671/das-lukrative-geschaeft-mit-der-fuehrerscheinpruefung.html. 33der in der fahrprüfung anwesende prüfer des tüv s. , herr n1. i. , hat diesbezüglich bei seiner vernehmung als zeuge nachvollziehbar geschildert, dass der kläger sich im rahmen der fahrprüfung am 3. september 2018 ausgesprochen auffällig verhalten habe, nämlich dauernd an seinen oberen hemdknöpfen herumhantiert und seinen oberkörper nach links und rechts bewegt habe. er habe den kläger daraufhin nach ca. drei beantworten fragen auf diese auffälligkeiten angesprochen und ein holzbrett vor dessen brust gestellt, um zu verhindern, dass der bildschirm mit den prüfungsfragen im erfassungsbereich einer am oberkörper versteckt getragenen minikamera liegt. der kläger habe daraufhin keine auffälligkeiten mehr gezeigt und bereits ca. acht minuten später die prüfung beendet. die auswertung habe eine sehr hohe fehlerquote von 82 fehlerpunkten ergeben. maximal seien 110 fehlerpunkte möglich. er gehe deshalb davon aus, dass der kläger die ersten drei fragen richtig beantwortet habe und sodann – nach verdeckung der kamera durch das holzbrett – im wesentlichen nur noch falsche antworten abgegeben habe. das gericht hat nicht ansatzweise zweifel an der glaubhaftigkeit dieser angaben. insbesondere ist keine motivation des zeugen erkennbar, den kläger grundlos zu belasten. 34hiervon ausgehend ist das gericht − auch aufgrund des in der mündlichen verhandlung gewonnen eindrucks − in der gesamtschau davon überzeugt, dass der kläger während der fahrprüfung eine minikamera in der knopfleiste seines hemdes mitführte, um sich der hilfe dritter mittels aufzeichnung der prüfungsfragen zu bedienen. das auffällige herumhantieren des klägers an seinen oberen hemdknöpfen sowie das schwenken des oberkörpers nach links und rechts diente offenkundig der ausrichtung bzw. erweiterung des begrenzten aufzeichnungswinkels der minikamera. hierfür spricht insbesondere, dass der kläger sein auffälliges verhalten nach platzierung des holzbrettes und der damit verbundenen verdeckung der knopfleiste einstellte. letzteres wäre widersinnig, wenn das herumhantieren an der knopfleiste bzw. das schwenken des oberkörpers auf andere ursachen − wie beispielsweise prüfungsbedingte nervosität – zurückzuführen wäre; zumal der kläger dies auch nicht glaubhaft dargelegt hat. der umstand, dass der zeuge die minikamera selbst nicht wahrgenommen hat, rechtfertigt keine andere bewertung. angesichts der geringen – mit einem stecknadelkopf vergleichbaren – größe von wenigen millimetern bzw. der tarnung als hemdknopf ist offensichtlich, dass derartige kameras regelmäßig nicht mit dem bloßen auge zu erkennen sind. für den einsatz der minikamera spricht zudem, dass der kläger zur überzeugung des gerichts überhaupt nicht dazu in der lage war, die prüfung ohne fremde hilfe erfolgreich zu absolvieren. dies zeigt sich insbesondere in der auffällig hohen fehlerquote des klägers. die 82 fehlerpunkte sind nach einschätzung des gerichts maßgeblich darauf zurückzuführen, dass der zeuge die minikamera durch das holzbrett verdeckte und dadurch die hilfe durch dritte vereitelte. hierfür spricht auch, dass der kläger die ersten drei fragen in ca. drei minuten, die restlichen 27 fragen – nach platzierung des holzbrettes – in ca. acht minuten beantwortete. 35eine plausible erklärung für diese auffällige geschwindigkeitszunahme und die hohe fehlerquote hat der kläger nicht erbracht. im gegenteil: soweit der kläger behauptet, er habe nach platzierung des holzbrettes unter einer schlechten psychischen verfassung gelitten und aus der situation entkommen wollen, wertet das gericht dies als schutzbehauptung. denn mit schriftsatz vom 10. oktober 2018 trug der kläger (sinngemäß) vor, er habe das platzieren des holzbrettes als ungleichbehandlung gegenüber anderen prüflingen empfunden und die prüfung nicht (ordnungsgemäß) abschließen können. in widerspruch hierzu versuchte der kläger im rahmen der mündlichen verhandlung den eindruck zu vermitteln, dass die prüfung ohne besonderheiten abgelaufen sei, er vom täuschungsvorwurf sogar erst nach der prüfung erfahren habe. erst auf mehrfache ausdrückliche nachfrage hat der kläger sodann geschildert, dass der prüfer ein holzbrett vor ihm platziert und ihn angesprochen habe. insoweit ist nicht plausibel, dass die angeblich schlechte psychische verfassung des klägers nach platzierung des holzbrettes für das nichtbestehen der prüfung ursächlich war. denn dann wäre zu erwarten gewesen, dass der kläger ein derart einschneidendes ereignis nicht erst auf mehrfache nachfrage schildert. 36liegt mithin eine täuschungshandlung vor, kommt es auf den einwand des klägers, die anordnung der einzelprüfung lasse sich nicht auf einen bloßen täuschungsverdacht stützen, nicht an. es besteht – wie zuvor dargelegt − die volle richterliche überzeugung (§ 108 abs. 1 satz 1 vwgo) und nicht lediglich ein verdacht, dass der kläger im rahmen der fahrprüfung eine minikamera mitführte. 37die täuschungshandlung mittels minikamera ist schließlich auch als „schwerwiegend“ im sinne der verwaltungsvorschrift zu qualifizieren. denn grobe täuschungsmanöver, wie der aufwändige einsatz technischer hilfsmittel – hier das mitführen einer minikamera −, stellen einen besonderen schweren fall das erschleichen einer prüfungsleistung dar, weil hierdurch in besonders hohem maße die spielregeln des fairen wettbewerbs und die chancengleichheit der anderen, sich korrekt verhaltenden prüflinge verletzt werden. 38vgl. ovg nrw, beschluss vom 16. februar 2021 – 6 b 1868/20 –, juris, rn. 2 ff.; vg gießen, urteil vom 19. februar 2008 – 5 e 3970/07 –, juris, rn. 36; niehues/fischer/jeremias, prüfungsrecht, 7. aufl. 2018, rn. 244; henseler/eichhoff, schummeln als straftat?, nzv 2019, s. 457, abrufbar über beck-online. 39die verwaltungsvorschrift verweist in der einleitung zu „maßnahmen bei schwerwiegenden täuschungshandlungen“ auch ausdrücklich auf prüfungsmanipulationen mittels des einsatzes einer (funk-)minikamera unter zuhilfenahme einer kontaktperson von außerhalb. insoweit ist offenkundig, dass die verwaltungsvorschrift gerade den einsatz einer minikamera als schwerwiegende täuschungshandlung qualifiziert. 40es sind im falle des klägers auch keine atypischen besonderheiten ersichtlich oder vorgetragen, die ein abweichen von der verwaltungsvorschrift rechtfertigen könnten. 41insbesondere rechtfertigt das vorbringen des klägers, die beklagte habe die ursprüngliche ablehnung des fahrerlaubnisantrags mit bescheid vom 16. oktober 2018 aufgehoben, keine andere bewertung. der diesbezüglich geschlossene gerichtliche vergleich beinhaltet – entgegen der ansicht des klägers − weder eine „erledigung“ noch einen „verbrauch“ der zugrunde liegenden täuschungshandlung des klägers. die beklagte hat insbesondere keine dahingehende erklärung abgegeben, sondern lediglich den ursprünglichen ablehnungsbescheides vom 16. oktober 2018 aufgehoben. dies lässt bereits nicht den schluss zu, dass der zugrunde liegende vorwurf der täuschungshandlung fallengelassen wurde. 42der weitere einwand des klägers, durch die einzelprüfung liege ein verstoß gegen grundrechte bzw. die emrk vor, dringt ebenfalls nicht durch. insbesondere der allgemeine gleichbehandlungsgrundsatz aus art. 3 abs. 1 gg und das hieraus resultierende prüfungsrechtliche gebot der chancengleichheit bleiben durch die einzelprüfung gewahrt. 43vgl. zur chancengleichheit bei einzel- und gruppenprüfungen: bverwg, urteil vom 1. oktober 1971– vii c 5.71 –, juris, rn. 29 f.; zum gebot der chancengleichheit allgemein: niehues/fischer/jeremias, prüfungsrecht, 7. aufl. 2018, rn. 402 ff. 44es ist weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen, welche nachteile der prüfling einer einzelprüfung im rahmen der theoretischen fahrerlaubnisprüfung gegenüber der – rein aus organisatorischen gründen – in der praxis regelmäßig durchgeführten gruppenprüfung erleidet. insbesondere bestehen keine unterschiede hinsichtlich der in § 16 abs. 2 u. 3 i.v.m. anlage 7 teil 1 zur fev festgelegten prüfungsanforderungen. einwände gegen eine etwaig höhere gebührenbelastung können im gebührenverfahren geltend gemacht werden. 45ein allenfalls in betracht kommender verstoß gegen das allgemeine willkürverbot liegt ebenfalls nicht vor. ein solcher verstoß ist anzunehmen, wenn die entscheidung zur anordnung einer einzelprüfung aus keinen sachlichen gesichtspunkten gerechtfertigt ist. wird vom prüfling – wie hier – eine schwerwiegende täuschungshandlung begangen, ist es hingegen sachlich gerechtfertigt, durch eine einzelprüfung sicherzustellen, dass der prüfling ausreichende theoretische kenntnisse zum führen von kraftfahrzeugen – ohne unerlaubte hilfsmittel – nachweist und nicht erneut einen täuschungsversuch begeht. insoweit werden durch die alleinige aufsicht des prüflings im rahmen der einzelprüfung etwaige (erneute) täuschungshandlungen jedenfalls erschwert. 46da der kläger die angeordnete einzelprüfung abgelehnt und einen rechtsmittelfähigen bescheid gefordert hat, hat die beklagte rechtsfehlerfrei (erneut) den antrag auf erteilung der fahrerlaubnis mangels befähigungsnachweis zum führen von kraftfahrzeugen (vgl. § 2 abs. 2 satz 1 nr. 5 stvg) abgelehnt. 47die kostenentscheidung folgt aus §§ 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zivilprozessordnung (zpo). 48rechtsmittelbelehrung: 49gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich die zulassung der berufung beantragt werden. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. 50der antrag kann auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer rechtsverkehr-verordnung – ervv) eingereicht werden. 51innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. 52die berufung ist nur zuzulassen, 531. wenn ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 542. wenn die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 553. wenn die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 564. wenn das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 575. wenn ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 58die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich oder als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der ervv einzureichen. 59über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. 60im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 61die antragsschrift und die zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 62beschluss: 63der streitwert wird auf 5.000,00 euro festgesetzt. 64gründe: 65die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 abs. 2 gkg erfolgt. 66rechtsmittelbelehrung: 67gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. 68die beschwerde kann auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer rechtsverkehr-verordnung – ervv) oder zu protokoll der geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 69die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 70die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 71die beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 72war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. | Verklagte*r | 0 |
168,123 | 22 K 2262/14.A | 2015-02-05T00:00:00 | Urteil | Tenor Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. März 2014 wird aufgehoben, soweit in Ziffer 1 das Verfahren auch bezüglich des Antrags der Kläger auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG eingestellt wurde und soweit in Ziffer 2 die Abschiebung der Kläger nach Frankreich angeordnet wurde. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten. 1Tatbestand: 2Die Kläger zu 1) und 2) sind die Eltern der am 0.00.2010 geborenen Klägerin zu 3). Sie meldeten sich am 13. Januar 2014 bei der zentralen Ausländerbehörde E. als Asylsuchende. Am 17. Januar 2014 nahm die Außenstelle E. des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ihren Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte zur Niederschrift auf. Hierbei gaben die Kläger an, iranische Staatsangehörige christlichen Glaubens zu sein. Am gleichen Tag teilten sie im Rahmen des persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens mit: Sie seien am 19. November 2013 mit dem Reisebus in Richtung Istanbul aus dem Iran ausgereist. Nach einem 40-tägigen Aufenthalt in der Türkei seien sie am 31. Dezember 2013 mit dem Flugzeug nach Deutschland eingereist. Personalpapiere oder andere Dokumente über ihre Person könnten sie nicht vorlegen. 3Ausweislich einer zum Verwaltungsvorgang des Bundesamtes genommenen Auskunft vom 17. Januar 2014 aus dem VIS-Datenbestand war den Klägern zu 1) und 2) am 27. November 2013 durch die französische Botschaft in Teheran jeweils ein Schengen-Visum für einen Kurzaufenthalt erteilt worden, und zwar mit Gültigkeit vom 30. November 2013 bis zum 25. Dezember 2013. 4Am 13. Februar 2014 stellte das Bundesamt bezüglich aller Kläger ein Übernahmeersuchen an die Republik Frankreich. Mit Schreiben vom gleichen Tag unterrichtete das Bundesamt die Kläger über die Einleitung eines Dublin-Verfahrens nach Frankreich und gab ihnen Gelegenheit, sich innerhalb von zwei Wochen zu den Gründen zu äußern, die gegen ihre Überstellung nach Frankreich sprächen. Mit Schreiben vom 28. Februar 2014, beim Bundesamt eingegangen am 4. März 2014, bestellte sich die Prozessbevollmächtigte unter Vorlage schriftlicher Vollmachten für die Kläger und erklärte, die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft würden zurückgenommen, aufrechterhalten würden lediglich die Anträge auf Gewährung subsidiären Schutzes. 5Die Republik Frankreich stimmte mit Schreiben vom 13. März 2014 der Aufnahme der Kläger gemäß Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO) zu. 6Mit Bescheid vom 25. März 2014 stellte das Bundesamt fest, dass die Asylverfahren der Kläger eingestellt sind (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Frankreich an (Ziffer 2). Zur Begründung wird ausgeführt, dass in Anbetracht der Rücknahme der Asylanträge gemäß § 32 S. 1, 1. HS AsylVfG festzustellen sei, dass die Asylverfahren eingestellt sind. Die Rücknahme beseitige indes nicht die Regelungswirkung der Dublin-III-VO in Bezug auf den zuständigen Mitgliedstaat. Die Zuständigkeit gelte seit der Asylantragstellung in Deutschland. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die zur Ausübung eines Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO führen könnten, seien nicht ersichtlich. Von einer Prüfung des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG sei abzusehen, da eine Überstellung in das Herkunftsland nicht beabsichtigt sei. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft; Deutschland sei verpflichtet, die Überstellung nach Frankreich als zuständigem Mitgliedstaat innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Dublin-III-VO festgesetzten Fristen durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung nach Frankreich beruhe auf § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG. 7Der an die Kläger adressierte Bescheid ist ausweislich eines Aktenvermerks am 26. März 2014 als Einschreiben zur Post gegeben worden. Mit Schreiben vom 26. März 2014 wurde ferner der Prozessbevollmächtigten der Kläger eine Kopie des Bescheides übersandt. 8Die Kläger haben am 1. April 2014 Klage erhoben und in Bezug auf Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt. Zur Begründung geben sie an, es lägen außergewöhnliche humanitäre Gründe vor, die die Beklagte zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts verpflichteten, jedenfalls aber zu einer ermessensfehlerfreien Entscheidung, die mit dem streitgegenständlichen Bescheid nicht erfolgt sei. Der Kläger zu 1) habe zwei Cousinen, die in Nordrhein-Westfalen lebten. Diese hätten sich seit dem Eintreffen der Kläger in Deutschland um diese gekümmert. Die Kläger seien durch die ihnen widerfahrenen Erlebnisse im Iran traumatisiert und hätten lediglich Halt aufgrund der Anwesenheit der Verwandtschaft in Deutschland gefunden. Sie hätten für ihre Ausreise aus dem Iran die Hilfe eines Schleppers in Anspruch genommen. Dieser habe ihnen unter Vorlage falscher Unterlagen einen Termin bei einer Botschaft verschafft, wo sie lediglich einmal ihre Fingerabdrücke hätten abgeben müssen. Ihnen sei bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht einmal sicher bekannt gewesen, dass die in ihren Pässen angebrachten Visa tatsächlich echt seien. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sie von Frankreich aus in den Iran abgeschoben würden. Wegen der hohen Zahl der Asylbewerber sei nicht sichergestellt, dass Frankreich für die Kläger eine zumutbare Wohnung zur Verfügung stellen und somit die Mindeststandards einhalten könne. 9Mit Beschluss vom 7. Mai 2014 hat das Gericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt (22 L 791/14.A). 10Am 7. August 2014 haben die Kläger beantragt, unter Abänderung des Beschlusses vom 7. Mai 2014 nunmehr die aufschiebende Wirkung der Klage in Bezug auf Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes anzuordnen. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor: Die Kläger zu 1) und 2) befänden sich aufgrund ihres psychischen Zustandes bereits seit einiger Zeit in neurologischer Behandlung. Dennoch sei am 31. Juli 2014 ein unangekündigter Abschiebeversuch unternommen worden. Die Abschiebemaßnahme sei abgebrochen worden, als die Klägerin zu 3) auf der Fahrt zum Flughafen kollabiert sei und sich im Polizeiauto übergeben habe. Durch diese Abschiebemaßnahme habe sich der Gesundheitszustand der Klägerin zu 2) derart verschlechtert, dass sie am 2. August 2014 stationär in die Klinik des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) eingewiesen worden sei. Zum Beleg haben die Kläger mehrere ärztliche Bescheinigungen vorgelegt, darunter Bescheinigungen des LVR-Klinikums E1. , Abteilung für allgemeine Psychiatrie II vom 6. August 2014 und vom 22. August 2014, ausweislich derer sich die Klägerin zu 2) seit dem 2. August 2014 aufgrund der Schwere ihrer psychischen Erkrankung mit akuter Suizidalität bis auf weiteres in stationärer Behandlung befinde und aufgrund ihrer instabilen psychopathologischen Verfassung sowie konkreten Suizidgefährdung bis auf weiteres reiseunfähig sei. 11Mit Beschluss vom 15. September 2014 hat das Gericht die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage gegen Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides in Abänderung des Beschlusses vom 7. Mai 2014 – 22 L 791/14. A – angeordnet (22 L 1814/14. A). 12Im Klageverfahren haben die Kläger weitere ärztliche Bescheinigungen zum Gesundheitszustand der Klägerin zu 2) vorgelegt und schriftsätzlich beantragt, die behandelnden Ärzte Dr. N. und Dr. U. als Zeugen zu vernehmen zum Beweis der aus den ärztlichen Attesten hervorgehenden, eine Reiseunfähigkeit begründenden Krankheiten der Klägerin zu 2). Ferner haben die Kläger beantragt, zum Beweis ebendieser Tatsachen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Schließlich verweisen die Kläger darauf, dass die in Art. 29 Dublin-III-VO bestimmte Frist zur Überstellung der Kläger nach Frankreich bereits abgelaufen sei. 13Die Kläger beantragen, 14den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. März 2014 aufzuheben, soweit in Ziffer 1 das Verfahren auch bezüglich des Antrags der Kläger auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG eingestellt wurde und soweit in Ziffer 2 die Abschiebung der Kläger nach Frankreich angeordnet wurde. 15Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, 16die Klage abzuweisen. 17Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung. 18Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der dazu beigezogenen Gerichtsakten 22 L 791/14.A und 22 L 1814/14.A und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes sowie der Ausländerbehörde des Kreises L. Bezug genommen. 19Entscheidungsgründe: 20Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten zum Termin der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, da die Beteiligten hierauf in der ordnungsgemäßen Ladung hingewiesen wurden, § 102 Abs. 1 und 2 VwGO. 21Die Klage ist zulässig (nachfolgend I.) und begründet (nachfolgend II.). 22I. Die Klage ist zulässig. 23Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Var. VwGO statthaft. Die isolierte Aufhebung der angefochtenen Regelungen führt auf die weitere Prüfung der Anträge der Kläger auf Zuerkennung subsidiären Schutzes durch die Beklagte und damit zu dem erstrebten Rechtsschutzziel. Denn mit der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides in dem angefochtenen Umfang werden die Verwaltungsverfahren in den Verfahrensstand zurückversetzt, in dem sie vor Erlass der streitgegenständlichen Regelungen waren. Das Bundesamt ist im Falle einer Aufhebung des Bescheides gemäß §§ 24, 31 AsylVfG gesetzlich verpflichtet, die Asylverfahren weiterzuführen. Das Bundesamt hat sich in dem vorliegenden Fall lediglich mit der – einer materiellen Prüfung der Asylanträge vorgelagerten – Frage befasst, in welchem Umfang die Asylverfahren eingestellt werden und welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung der verbleibenden Schutzgesuche zuständig ist. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung der Asylbegehren beseitigt und die Asylverfahren sind in dem Stadium, in dem sie zu Unrecht beendet worden sind, durch das Bundesamt weiterzuführen. 24Vgl. zu Entscheidungen nach § 27a AsylVfG: OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rdn. 28 ff.; zu Entscheidungen nach §§ 32, 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rdn. 15 ff. 25Die Kläger sind auch klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Aus ihrem Vorbringen lässt sich herleiten, dass sie – sollte sich der Bescheid in dem angefochtenen Umfang als objektiv rechtswidrig erweisen – möglicherweise in eigenen Rechten verletzt sind. Denn die angefochtenen Regelungen belasten die Kläger in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht aus §§ 4, 24, 31 AsylVfG auf Prüfung ihrer Schutzgesuche durch das Bundesamt. 26Ob und gegebenenfalls inwieweit dieses Recht durch Unionsrecht, namentlich die Dublin-III-VO, beschränkt wird, bedarf hier keiner weiteren Prüfung, da eine Rechtsverletzung zumindest möglich erscheint. 27Die Kläger haben die Klage auch fristgerecht im Sinne von § 74 Abs. 1 AsylVfG, nämlich innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides, erhoben. Die Klagefrist begann mit der wirksamen Bekanntgabe des Bescheides am 29. März 2014. Der Bescheid wurde den Klägern (wie von § 31 Abs. 1 S. 4 AsylVfG vorausgesetzt) persönlich zugestellt, und zwar gemäß § 4 Abs. 1 VwZG durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe oder Einschreiben mit Rückschein. Damit wurde der Bescheid zugleich gemäß § 41 Abs. 5 VwVfG wirksam bekanntgegeben. Gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 VwZG gilt das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, es ist nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen. Angesichts der Tatsache, dass der Bescheid ausweislich des Verwaltungsvorgangs am 26. März 2014 als Einschreiben zur Post aufgegeben wurde, gilt er gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 VwZG am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post, mithin am 29. März 2014 als zugestellt. Die Kläger haben nicht vorgetragen, dass ihnen der Bescheid nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Die am 29. März 2014 begonnene Klagefrist war bei Klageerhebung am 1. April 2014 noch nicht abgelaufen. 28II. Die Klage ist begründet. In dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) ist der Bescheid des Bundesamtes vom 25. März 2014 in dem Umfang, in dem er angefochten ist, rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Dies gilt sowohl für Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides, soweit darin die Asylverfahren der Kläger auch insoweit eingestellt wurden, als diese die Zuerkennung subsidiären Schutzes begehren (nachfolgend 1.), als auch für Ziffer 2 des Bescheides, mit der die Abschiebung der Kläger nach Frankreich angeordnet wurde (nachfolgend 2.). 291. Die Feststellung der Einstellung der Asylverfahren auch insoweit, als die Kläger die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG begehren, findet ihre Rechtsgrundlage nicht in der hier allein als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommenden Regelung des § 32 S. 1, 1. Hs., 1. Alt. AsylVfG. Nach dieser Norm stellt das Bundesamt im Falle der Antragsrücknahme in seiner Entscheidung fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist. Diese Voraussetzungen liegen hier hinsichtlich des Antrages der Kläger auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG nicht vor. Die Kläger hatten mit anwaltlichem Schreiben vom 28. Februar 2014 ihre ursprünglich auf die Anerkennung als Asylberechtigte im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG sowie auf Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG insgesamt gerichteten Asylanträge nur teilweise zurückgenommen, nämlich in Bezug auf die Anerkennung als Asylberechtigte und die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention). Aufrechterhalten haben sie hingegen ihre Anträge auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), § 4 AsylVfG. Durch die rechtswidrige Einstellung ihrer Antragsverfahren auf Zuerkennung subsidiären Schutzes werden die Kläger in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf Prüfung ihrer Schutzgesuche durch das Bundesamt gemäß §§ 4, 24, 31 AsylVfG verletzt. 302. Die Abschiebungsanordnung nach Frankreich in Ziffer 2 des Bescheides ist ebenfalls rechtswidrig. Sie lässt sich nicht auf die allein in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage des § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG stützen. Danach ordnet das Bundesamt in den Fällen, in denen der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. 31Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob eine Abschiebungsanordnung nach dieser Norm überhaupt ergehen kann, wenn das Bundesamt – wie hier, wenn auch zu Unrecht – die Asylverfahren insgesamt gemäß § 32 S. 1, 1. Hs., 1. Alt. AsylVfG eingestellt hat. Denn jedenfalls ist Frankreich weder ein sicherer Drittstaat, aus dem die Kläger nach Deutschland eingereist sind (§ 26a AsylVfG) noch ist Frankreich für die Durchführung der Asylverfahren der Kläger zuständig (§ 27a AsylVfG). 32Die Voraussetzungen des § 26a AsylVfG sind 33– unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit dieser Norm im Anwendungsbereich derDublin-III-VO – 34schon deshalb nicht erfüllt, weil die Kläger nach eigenen Angaben aus der Türkei kommend auf dem Luftweg nach Deutschland eingereist sind und auch im Übrigen keine Anhaltspunkte für einen Aufenthalt in oder eine Durchreise durch Frankreich vorliegen. 35Auch die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG sind nicht erfüllt. Die Republik Frankreich ist nicht auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung der Asylverfahren der Kläger zuständig. 36Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Dublin-III-VO. Diese findet gemäß Art. 49 Abs. 1 und 2 Dublin-III-VO auf alle in Deutschland ab dem 1. Januar 2014 gestellten Anträge auf internationalen Schutz Anwendung, mithin auch auf die im Januar 2014 gestellten Schutzgesuche der Kläger. 37Die Zuständigkeit Frankreichs für die Prüfung der Asylanträge der Kläger dürfte zwar zunächst nach Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO begründet worden sein. Die Republik Frankreich hat das an sie gerichtete Übernahmeersuchen der Beklagten vom 13. Februar 2014 auch am 13. März 2014 auf dieser Rechtsgrundlage akzeptiert. Die Zuständigkeit ist jedoch mittlerweile auf die Beklagte übergegangen. Dies folgt aus Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO. Danach ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über, wenn die Überstellung nicht innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO genannten Frist von sechs Monaten, die unter bestimmten Voraussetzungen auf höchstens 18 Monate verlängert werden kann, durchgeführt wird. 38Im vorliegenden Fall ist die Überstellung nicht in diesem Sinne fristgemäß erfolgt. Die sechsmonatige Frist beginnt nach Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat. Die Frist begann nach diesen Maßstäben hier mit der Annahme des Übernahmeersuchens durch die Republik Frankreich am 13. März 2014. 39Die Frist zur Überstellung der Kläger nach Frankreich wurde nicht durch den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung vom 1. April 2014 (22 L 791/14.A) für die Dauer des gerichtlichen Eilverfahrens, hier also bis zum ablehnenden Eilbeschluss vom 7. Mai 2014, unterbrochen oder gehemmt, 40vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014, - 13 A 1347/14.A -, juris, Rdn. 5 ff. m.w.N.. 41Auch lagen keine Gründe für eine Verlängerung der Frist nach Art. 29 Abs. 2 S. 2 Dublin-III-VO vor. Die sechsmonatige Frist endete nach alledem mit Ablauf des 13. September 2014. 42Das Verstreichen der Überstellungsfrist hat gemäß Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO zur Folge, dass der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet ist und die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht. Die Zuständigkeit für die Prüfung der Anträge der Kläger auf Gewährung subsidiären Schutzes ist damit auf die Beklagte übergegangen. 43Die Kläger können sich im vorliegenden Klageverfahren auch auf den Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte berufen. 44A.A. VGH BW, Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 -, juris, Rdn. 59 (soweit eine Überstellung in den bisher zuständigen Mitgliedstaat noch zeitnah möglich ist); Nds.OVG, Beschluss vom 6. November 2014 – 13 LA 66/14 ‑, juris, Rdn. 9 ff (ohne Einschränkung); HessVGH, Beschluss vom 25. August 2014 – 2 A 976/14.A ‑, juris, Rdn. 15 (obiter dictum); VG Düsseldorf , Urteil vom 23. Oktober 2014 – 13 K 471/14.A ‑, juris, Rdn. 43; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 102. Ergänzungslieferung, November 2014, § 27a, Rdn. 234, 196.1 (mit Ausnahmen); Hailbronner, Ausländerrecht, 88. Ergänzungslieferung, Oktober 2014, § 27a AsylVfG, Rdn. 20 ff.; Günther, in: Beck'scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 5. Edition, Stand: 1. September 2014, § 27a AsylVfG Rdn. 29 ff.; offen gelassen: OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 ‑ 14 A 1943/11.A ‑, juris, Rdn. 24 (das Vorabentscheidungsverfahren bei EuGH, Rs. C-666/11 endete ohne Sachentscheidung nach Rücknahme des Ersuchens wegen Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache beim OVG NRW); vgl. ferner zum Ablauf der Frist zur Stellung des Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens: VGH BW, Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; Rdn. 25, 27 (bei zeitnaher Überstellung); OVG RhPf, Urteil vom 21. Februar 2014 ‑ 10 A 10656/13 ‑, juris, Rdn. 33. 45Die Kläger haben gemäß §§ 24, 31 AsylVfG ein subjektiv-öffentliches Recht auf Prüfung ihrer Schutzgesuche durch die Beklagte. Diese darf auf der Rechtsgrundlage der §§ 27a, 34a AsylVfG die weitere Prüfung eines Asylantrages nur dann ablehnen und eine Abschiebungsanordnung in einen anderen Mitgliedstaat erlassen, wenn dieser andere Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der Verwaltungsakt rechtswidrig. Zugleich verletzt der objektiv rechtswidrige Verwaltungsakt das subjektiv-öffentliche Recht der Kläger aus §§ 24, 31 AsylVfG, und zwar unabhängig vom Schutzzweck der Norm, deren Verletzung zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führt. Der Individualschutzzweck von Normen ist nur für diejenigen von Bedeutung, die keine materielle Beeinträchtigung ihrer Rechtsstellung durch den angefochtenen Verwaltungsakt dartun können. 46Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., 2014, § 45 Rdn. 126. 47Die Kläger hingegen werden durch Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides in ihrer Rechtstellung aus §§ 24, 31 AsylVfG materiell beeinträchtigt, wenn die Beklagte die Prüfung der Schutzgesuche mit Verweis auf die Zuständigkeit eines anderen Staates ablehnt, obwohl ihre Zuständigkeit nach den Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung objektiv begründet ist. 48Dem nach nationalem Recht bestehenden subjektiv-öffentlichen Recht der Kläger auf Prüfung ihrer Schutzgesuche durch die nach der Dublin-III-VO objektiv hierfür zuständige Beklagte steht auch der Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht entgegen. Denn es liegt schon keine Kollision des nationalen Rechts mit der gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV vorrangig anzuwendenden Dublin-III-VO vor. 49Die Zuständigkeitsregelungen in der Dublin-III-VO begründen unmittelbare Rechte der betroffenen Ausländer auf Beachtung dieser Regelungen durch alle Behörden der Mitgliedstaaten. Dies folgt schon aus der Rechtsnatur der Dublin-III-VO. Diese gilt (wie alle EU-Verordnungen) gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Diese unmittelbare Geltung bedeutet, dass die Verordnungen nicht nur für die Mitgliedstaaten (untereinander) gelten, sondern in den Mitgliedstaaten, 50Ulrich Haltern, Europarecht, Tübingen 2005, S. 284 (Hervorhebung im Original). 51Hierin unterscheidet sich das Unionsrecht gerade von Völkervertragsrecht, mit dem sich lediglich die Vertragsstaaten untereinander binden. Das Unionsrecht ist eine Rechtsordnung, deren Rechtssubjekte nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Einzelnen sind. Das von der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten unabhängige Unionsrecht soll daher den Einzelnen, ebenso wie es ihnen Pflichten auferlegt, auch Rechte verleihen, 52EuGH, Urteil vom 5. Februar 1963, Rs. 26/62 (van Gend & Loos), Slg. 1963, S. 25. 53Die Dublin-III-VO regelt damit schon aufgrund ihrer Rechtsnatur nicht nur Verpflichtungen der Mitgliedstaaten untereinander, sondern auch unmittelbar die Rechtsstellung jedes einzelnen Normunterworfenen, das heißt auch der Drittstaatsangehörigen, auf die die Dublin-III-VO Anwendung findet. 54Der Dublin-III-VO kann auch nicht entnommen werden, dass in Bezug auf die dort geregelten Zuständigkeitsbestimmungen ausnahmsweise etwas anderes gelten sollte, insbesondere ein Asylbewerber, der für die Prüfung seines Asylantrages an einen anderen Mitgliedstaat verwiesen wird, einen hierin liegenden objektiven Verstoß gegen die Zuständigkeitsbestimmungen der Verordnung nicht oder nur unter bestimmten Umständen rügen kann. 55Dies unter Verweis auf den Zweck der Dublin-II-VO erwägend und im Ergebnis ein subjektiv-öffentliches Recht des Ausländers aus der Ermessensvorschrift des Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO (Selbsteintrittsrecht) verneinend: Schlussanträge des GA Jääskinen vom 18. April 2013 ‑ C‑4/11 ‑, Rdn. 58. 56Indem der Unionsgesetzgeber die ursprünglich in einem völkerrechtlichen Vertrag (Dubliner Übereinkommen) vereinbarten Zuständigkeitskriterien für die Prüfung eines Schutzgesuchs ausdifferenziert und in einer EU-Verordnung kodifiziert hat, hat er diese Regelungen zugleich mit den aus Art. 288 Abs. 2 AEUV folgenden Rechtswirkungen ausgestattet. Diese Rechtsqualität der Regelungen steht auch nicht in Widerspruch zu ihrem Sinn und Zweck. Der Unionsgesetzgeber hat die Zuständigkeitsbestimmungen erlassen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrages zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping“ zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen, 57EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013, C‑394/12 (Abdullahi), Rdn. 53, juris; vgl. auch Schlussanträge des GA Jääskinen vom 18. April 2013 ‑ C‑4/11 ‑, Rdn. 57. 58Diese Ziele werden am effektivsten durch die zuverlässige und gleichmäßige Befolgung der in der Dublin-III-VO geregelten Zuständigkeitskriterien in allen Mitgliedstaaten erreicht. Das „forum shopping“ wird unterbunden, indem einem einzigen Mitgliedstaat die Zuständigkeit für die Prüfung des Schutzgesuches zugeordnet wird; die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des zuständigen Staates wird durch detaillierte Kriterien, die keine Entscheidungsspielräume der Mitgliedstaaten vorsehen, erhöht; die Asylverfahren werden insgesamt beschleunigt, indem das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates verbindlich geltenden kurzen Fristen unterworfen wird. 59Die unmittelbare, auch von den Betroffenen durchsetzbare Rechtswirkung der Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin-III-VO ‑ soweit sie einem Mitgliedstaat die Zuständigkeit ohne Ermessensspielraum zuweisen ‑ widerspricht diesen Zielen nicht, sondern fördert ihre Erreichung. Der Grundsatz der Effektivität des Unionsrechts („effet utile“) findet eine wesentliche Stütze gerade darin, dass sich der Einzelne vor nationalen Gerichten auf unmittelbar geltendes Unionsrecht berufen kann. Mit Hilfe der Doktrin der unmittelbaren Anwendbarkeit werden die an der Wahrung ihrer Rechte interessierten Betroffenen zu Wächtern des Unionsrechtssystems erhoben, die dessen effektive Anwendung in den Mitgliedstaaten sichern, 60Vgl. Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, Kurz-Kommentar, 2. Aufl., 2012, Art. 288 AEUV, Rdn. 49 m.w.N. 61Zum Zweck der effektiven und gleichen Wirkung des Unionsrechts sollen die Einzelnen, soweit es um den staatlichen Vollzug des Unionsrechts geht, eine dezentrale, die Kommission entlastende Vollzugskontrolle vornehmen können, 62vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Loseblatt-Kommentar, Band III, EUV/AEUV, Stand September 2014, Art. 288 AEUV Rdn. 44. 63Andernfalls könnte auch Art. 267 AEUV, der zum Zweck der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten das Verfahren zur Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über die Auslegung unionsrechtlicher Bestimmungen auf Vorlage nationaler Gerichte vorsieht, seine Wirkung nicht entfalten. Art. 267 AEUV setzt voraus, dass sich der Einzelne vor nationalen Gerichten auf unmittelbar anwendbares Unionsrecht berufen kann und damit die Frage der Auslegung einer unionsrechtlichen Bestimmung vor dem nationalen Gericht streitentscheidende Bedeutung gewinnt. Der alleinigen Entscheidungskompetenz des EuGH bei der Auslegung des Unionsrechts liefe es zuwider, einer unionsrechtlichen Bestimmung in einem Verfahren vor einem nationalen Gericht (ohne vorherige Klärung der Rechtsfrage durch den EuGH) mit Verweis auf mangelnde individualschützende Wirkung eine streitentscheidende Bedeutung von vornherein abzusprechen. 64Aufgrund dieser generellen Bedeutung der unmittelbaren, individualrechtsbegründenden Anwendbarkeit des Unionsrechts für die Sicherstellung seiner Effektivität kommt es für die Frage, ob sich der Einzelne auf Unionsrecht berufen kann, auch nicht darauf an, ob eine Vorschrift des Unionsrechts bezweckt, individuelle Rechte zu schaffen. Entscheidend ist vielmehr, ob die sich aus der Vorschrift ergebende Verpflichtung anderer Rechtssubjekte eindeutig ist, weil sie hinreichend klar und unbedingt formuliert ist. 65Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Loseblatt-Kommentar, Band III, EUV/AEUV, Stand September 2014, Art. 288 AEUV Rdn. 46; Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, Kurz-Kommentar, 2. Aufl., 2012, Art. 288 AEUV, Rdn. 51 m.w.N. 66Dies ist bei Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO der Fall. Die Norm regelt den Übergang der Zuständigkeit nach Ablauf der Überstellungsfrist eindeutig, klar und unbedingt, insbesondere sieht sie auch keinen Entscheidungsspielraum einer nationalen Behörde vor. 67Der Annahme, dass sich ein Asylbewerber auf die nach der Dublin-III-Verordnung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung objektiv begründete Zuständigkeit eines Mitgliedstaates für die Prüfung seines Schutzgesuches berufen kann, steht auch die Rechtsprechung des EuGH, 68Urteil vom 10. Dezember 2013 (Abdullahi), - C-394/12 -, juris, 69sowie des Bundesverwaltungsgerichts, 70Beschlüsse vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rdn. 7 und vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 ‑, juris, Rdn. 6, 71nicht entgegen. 72Diesen Entscheidungen ist keine Aussage zur subjektiv-rechtlichen Dimension von (Überstellungs-)Fristen zu entnehmen, 73vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 23. Oktober 2014 - 13 K 471/14.A -, Rdn. 41, juris mit Hinweis auf VG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2014 - 13 K 1117/14.A -, Rdn. 54 ff., juris. 74Insbesondere lässt sich eine dahingehende Aussage nicht aus dem vom EuGH aufgestellten Rechtssatz entnehmen, dass der betreffende Ausländer in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat seiner Aufnahme nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-VO niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat (Mitgliedstaat der ersten Einreise), der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden. 75Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 (Abdullahi) - C-394/12 -, Rdn. 62, juris, 76Mit diesem Rechtssatz betont der EuGH gerade die Verbindlichkeit der in der Dublin-Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriterien, die ihre Grenze erst in der im Einzelfall anzunehmenden tatsächlichen Gefahr der Verletzung eines in der Grundrechtecharta verbürgten Rechts findet. Demgegenüber lässt sich dem vom EuGH aufgestellten Rechtssatz keine Aussage des Inhalts entnehmen, dass sich ein Asylbewerber nicht (oder nur unter bestimmten Bedingungen) auf die Beachtung eines in der Dublin-Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums berufen kann. 77So liegt der Fall hier. Mit dem von den Klägern geltend gemachten Einwand, dass die Zuständigkeit für die Prüfung ihrer Schutzgesuche wegen Überschreitens der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO auf die Beklagte übergegangen ist, wenden sich die Kläger ‑ anders als in dem vom EuGH entschiedenen Fall ‑ gerade nicht gegen die Heranziehung eines in der Dublin-III-VO niedergelegten Zuständigkeitskriteriums, sondern berufen sich auf dieses. 78Auch das BVerwG geht erkennbar nicht davon aus, dass andere Einwände gegen eine Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat als der Einwand systemischer Mängel unbeachtlich wären. Vielmehr benennt es in dem zuletzt ergangenen Beschluss vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 – konkret die als unbeachtlich einzustufenden Einwände: 79„Aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war.“ 80BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 ‑, juris, Rdn. 6, Hervorhebung nicht im Original. 81Dies verdeutlicht, dass die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates der Prüfung vorgelagert ist, ob einer Überstellung dorthin systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegenstehen. Auch wird die Beschränkung berücksichtigungsfähiger Einwände auf den Einwand systemischer Mängel nur insoweit ausgesprochen, als der Asylbewerber der Überstellung mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen in diesem Staat entgegentritt. 82Eine Beschränkung der Rechtsstellung des betroffenen Ausländers im Hinblick auf die Geltendmachung objektiver Verstöße gegen die Zuständigkeitsregelungen der Dublin-III-Verordnung lässt sich auch nicht mit der Überlegung belegen oder bekräftigen, dass es dem Asylbewerber unbenommen ist, sich freiwillig bei der ihm genannten Stelle des anderen Mitgliedstaates zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. 83Zu den Modalitäten einer Überstellung auf Initiative des Asylbewerbers siehe Art. 7 Abs. 1 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003, zuletzt geändert durch Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 (DVO Dublin III). 84Zwar kann der Asylbewerber damit zu einer Beschleunigung beitragen. Aus einer fehlenden Inanspruchnahme dieses Rechts kann jedoch nicht auf den Verlust des subjektiv-öffentlichen Rechts des Asylbewerbers auf materielle Prüfung seines Schutzgesuches durch die Beklagte geschlossen werden. Insbesondere steht der vom Gebot von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB abgeleitete Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium") der Geltendmachung dieses subjektiv-öffentlichen Rechts nicht entgegen. 85So aber VG Düsseldorf, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 13 K 471/14.A ‑, juris, Rdn. 45 ff. 86Ein widersprüchliches Verhalten der Kläger liegt 87– ganz abgesehen davon, dass im deutschen Recht die Möglichkeit der Überstellung des betroffenen Asylbewerbers auf eigene Initiative gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist (vgl. hierzu: VGH BW, Beschluss vom 4. Juli 2014 – A 11 S 1230/14 ‑, juris, Rdn. 4) und die Kläger im vorliegenden Fall (soweit ersichtlich) über dieses ihnen zustehende Initiativrecht auch nicht unterrichtet wurden – 88nicht vor. Die Kläger rügen nicht etwa eine unangemessene Dauer ihrer Verfahren, die sie selbst hätten beschleunigen können. Vielmehr begehren sie die materielle Prüfung ihrer Schutzgesuche durch die Beklagte. Selbst wenn zwischenzeitlich ein anderer Staat für die Durchführung ihrer Asylverfahren zuständig gewesen sein sollte, kann ein widersprüchliches Verhalten der Kläger nicht darin gesehen werden, dass sie an ihrem Begehren der Prüfung ihrer Schutzgesuche durch die Beklagte festgehalten haben. Die Kläger haben sich zur Begründung ihres Begehrens nicht auf eine drohende unzumutbare Dauer ihrer Schutzgesuche gestützt, sondern auf gesundheitliche Beeinträchtigungen, die der tatsächlichen Durchführung ihrer Überstellung entgegenstünden. 89Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob ein Verlust des subjektiv-öffentlichen Rechts auf Prüfung des Schutzgesuches durch den Staat, der infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO zuständig geworden ist, dann eintreten kann, wenn dieses Recht missbräuchlich in Anspruch genommen wird. Denn dafür fehlen hier jegliche Anhaltspunkte. Insbesondere haben sich die Kläger weder der ausländerrechtlichen Überwachung entzogen noch Überstellungsmaßnahmen widersetzt. Dass sie unter Vorlage ärztlicher Atteste Rechtsschutz gegen die Abschiebungsanordnung gesucht haben und sich insoweit auf gesundheitliche Überstellungshindernisse berufen, kann nicht als missbräuchliches Verhalten gewertet werden. 90Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. | der bescheid des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 25. märz 2014 wird aufgehoben, soweit in ziffer 1 das verfahren auch bezüglich des antrags der kläger auf gewährung subsidiären schutzes nach § 4 asylvfg eingestellt wurde und soweit in ziffer 2 die abschiebung der kläger nach frankreich angeordnet wurde. die beklagte trägt die kosten des verfahrens, für das gerichtskosten nicht erhoben werden. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar.die beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung oder hinterlegung in höhe des beizutreibenden betrages abwenden, wenn nicht die kläger zuvor sicherheit in gleicher höhe leisten. 1 | 2die kläger zu 1) und 2) sind die eltern der am 0.00.2010 geborenen klägerin zu 3). sie meldeten sich am 13. januar 2014 bei der zentralen ausländerbehörde e. als asylsuchende. am 17. januar 2014 nahm die außenstelle e. des bundesamtes für migration und flüchtlinge (bundesamt) ihren antrag auf anerkennung als asylberechtigte zur niederschrift auf. hierbei gaben die kläger an, iranische staatsangehörige christlichen glaubens zu sein. am gleichen tag teilten sie im rahmen des persönlichen gesprächs zur bestimmung des zuständigen mitgliedstaates zur durchführung des asylverfahrens mit: sie seien am 19. november 2013 mit dem reisebus in richtung istanbul aus dem iran ausgereist. nach einem 40-tägigen aufenthalt in der türkei seien sie am 31. dezember 2013 mit dem flugzeug nach deutschland eingereist. personalpapiere oder andere dokumente über ihre person könnten sie nicht vorlegen. 3ausweislich einer zum verwaltungsvorgang des bundesamtes genommenen auskunft vom 17. januar 2014 aus dem vis-datenbestand war den klägern zu 1) und 2) am 27. november 2013 durch die französische botschaft in teheran jeweils ein schengen-visum für einen kurzaufenthalt erteilt worden, und zwar mit gültigkeit vom 30. november 2013 bis zum 25. dezember 2013. 4am 13. februar 2014 stellte das bundesamt bezüglich aller kläger ein übernahmeersuchen an die republik frankreich. mit schreiben vom gleichen tag unterrichtete das bundesamt die kläger über die einleitung eines dublin-verfahrens nach frankreich und gab ihnen gelegenheit, sich innerhalb von zwei wochen zu den gründen zu äußern, die gegen ihre überstellung nach frankreich sprächen. mit schreiben vom 28. februar 2014, beim bundesamt eingegangen am 4. märz 2014, bestellte sich die prozessbevollmächtigte unter vorlage schriftlicher vollmachten für die kläger und erklärte, die anträge auf anerkennung als asylberechtigte sowie auf zuerkennung der flüchtlingseigenschaft würden zurückgenommen, aufrechterhalten würden lediglich die anträge auf gewährung subsidiären schutzes. 5die republik frankreich stimmte mit schreiben vom 13. märz 2014 der aufnahme der kläger gemäß art. 12 abs. 4 der verordnung (eu) nr. 604/2013 des europäischen parlaments und des rates vom 26. juni 2013 zur festlegung der kriterien und verfahren zur bestimmung des mitgliedstaats, der für die prüfung eines von einem drittstaatsangehörigen oder staatenlosen in einem mitgliedstaat gestellten antrags auf internationalen schutz zuständig ist (dublin-iii-vo) zu. 6mit bescheid vom 25. märz 2014 stellte das bundesamt fest, dass die asylverfahren der kläger eingestellt sind (ziffer 1) und ordnete die abschiebung der kläger nach frankreich an (ziffer 2). zur begründung wird ausgeführt, dass in anbetracht der rücknahme der asylanträge gemäß § 32 s. 1, 1. hs asylvfg festzustellen sei, dass die asylverfahren eingestellt sind. die rücknahme beseitige indes nicht die regelungswirkung der dublin-iii-vo in bezug auf den zuständigen mitgliedstaat. die zuständigkeit gelte seit der asylantragstellung in deutschland. außergewöhnliche humanitäre gründe, die zur ausübung eines selbsteintrittsrechts gemäß art. 17 abs. 1 dublin-iii-vo führen könnten, seien nicht ersichtlich. von einer prüfung des § 60 abs. 2 bis 7 aufenthg sei abzusehen, da eine überstellung in das herkunftsland nicht beabsichtigt sei. daher werde der asylantrag in der bundesrepublik deutschland nicht materiell geprüft; deutschland sei verpflichtet, die überstellung nach frankreich als zuständigem mitgliedstaat innerhalb der in art. 29 abs. 1 bzw. abs. 2 dublin-iii-vo festgesetzten fristen durchzuführen. die anordnung der abschiebung nach frankreich beruhe auf § 34a abs. 1 s. 1 asylvfg. 7der an die kläger adressierte bescheid ist ausweislich eines aktenvermerks am 26. märz 2014 als einschreiben zur post gegeben worden. mit schreiben vom 26. märz 2014 wurde ferner der prozessbevollmächtigten der kläger eine kopie des bescheides übersandt. 8die kläger haben am 1. april 2014 klage erhoben und in bezug auf ziffer 2 des bescheides des bundesamtes die anordnung der aufschiebenden wirkung der klage beantragt. zur begründung geben sie an, es lägen außergewöhnliche humanitäre gründe vor, die die beklagte zur ausübung ihres selbsteintrittsrechts verpflichteten, jedenfalls aber zu einer ermessensfehlerfreien entscheidung, die mit dem streitgegenständlichen bescheid nicht erfolgt sei. der kläger zu 1) habe zwei cousinen, die in nordrhein-westfalen lebten. diese hätten sich seit dem eintreffen der kläger in deutschland um diese gekümmert. die kläger seien durch die ihnen widerfahrenen erlebnisse im iran traumatisiert und hätten lediglich halt aufgrund der anwesenheit der verwandtschaft in deutschland gefunden. sie hätten für ihre ausreise aus dem iran die hilfe eines schleppers in anspruch genommen. dieser habe ihnen unter vorlage falscher unterlagen einen termin bei einer botschaft verschafft, wo sie lediglich einmal ihre fingerabdrücke hätten abgeben müssen. ihnen sei bis zum jetzigen zeitpunkt nicht einmal sicher bekannt gewesen, dass die in ihren pässen angebrachten visa tatsächlich echt seien. es sei nicht ausgeschlossen, dass sie von frankreich aus in den iran abgeschoben würden. wegen der hohen zahl der asylbewerber sei nicht sichergestellt, dass frankreich für die kläger eine zumutbare wohnung zur verfügung stellen und somit die mindeststandards einhalten könne. 9mit beschluss vom 7. mai 2014 hat das gericht den antrag auf anordnung der aufschiebenden wirkung der klage abgelehnt (22 l 791/14.a). 10am 7. august 2014 haben die kläger beantragt, unter abänderung des beschlusses vom 7. mai 2014 nunmehr die aufschiebende wirkung der klage in bezug auf ziffer 2 des bescheides des bundesamtes anzuordnen. zur begründung tragen sie im wesentlichen vor: die kläger zu 1) und 2) befänden sich aufgrund ihres psychischen zustandes bereits seit einiger zeit in neurologischer behandlung. dennoch sei am 31. juli 2014 ein unangekündigter abschiebeversuch unternommen worden. die abschiebemaßnahme sei abgebrochen worden, als die klägerin zu 3) auf der fahrt zum flughafen kollabiert sei und sich im polizeiauto übergeben habe. durch diese abschiebemaßnahme habe sich der gesundheitszustand der klägerin zu 2) derart verschlechtert, dass sie am 2. august 2014 stationär in die klinik des landschaftsverbandes rheinland (lvr) eingewiesen worden sei. zum beleg haben die kläger mehrere ärztliche bescheinigungen vorgelegt, darunter bescheinigungen des lvr-klinikums e1. , abteilung für allgemeine psychiatrie ii vom 6. august 2014 und vom 22. august 2014, ausweislich derer sich die klägerin zu 2) seit dem 2. august 2014 aufgrund der schwere ihrer psychischen erkrankung mit akuter suizidalität bis auf weiteres in stationärer behandlung befinde und aufgrund ihrer instabilen psychopathologischen verfassung sowie konkreten suizidgefährdung bis auf weiteres reiseunfähig sei. 11mit beschluss vom 15. september 2014 hat das gericht die aufschiebende wirkung der vorliegenden klage gegen ziffer 2 des streitgegenständlichen bescheides in abänderung des beschlusses vom 7. mai 2014 – 22 l 791/14. a – angeordnet (22 l 1814/14. a). 12im klageverfahren haben die kläger weitere ärztliche bescheinigungen zum gesundheitszustand der klägerin zu 2) vorgelegt und schriftsätzlich beantragt, die behandelnden ärzte dr. n. und dr. u. als zeugen zu vernehmen zum beweis der aus den ärztlichen attesten hervorgehenden, eine reiseunfähigkeit begründenden krankheiten der klägerin zu 2). ferner haben die kläger beantragt, zum beweis ebendieser tatsachen ein sachverständigengutachten einzuholen. schließlich verweisen die kläger darauf, dass die in art. 29 dublin-iii-vo bestimmte frist zur überstellung der kläger nach frankreich bereits abgelaufen sei. 13die kläger beantragen, 14den bescheid des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 25. märz 2014 aufzuheben, soweit in ziffer 1 das verfahren auch bezüglich des antrags der kläger auf gewährung subsidiären schutzes nach § 4 asylvfg eingestellt wurde und soweit in ziffer 2 die abschiebung der kläger nach frankreich angeordnet wurde. 15die beklagte hat schriftsätzlich beantragt, 16die klage abzuweisen. 17zur begründung bezieht sie sich auf die angefochtene entscheidung. 18wegen der einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte, der dazu beigezogenen gerichtsakten 22 l 791/14.a und 22 l 1814/14.a und auf den inhalt der beigezogenen verwaltungsvorgänge des bundesamtes sowie der ausländerbehörde des kreises l. bezug genommen. 19 | 20das gericht konnte trotz ausbleibens eines vertreters der beklagten zum termin der mündlichen verhandlung verhandeln und entscheiden, da die beteiligten hierauf in der ordnungsgemäßen ladung hingewiesen wurden, § 102 abs. 1 und 2 vwgo. 21die klage ist zulässig (nachfolgend i.) und begründet (nachfolgend ii.). 22i. die klage ist zulässig. 23die klage ist als anfechtungsklage gemäß § 42 abs. 1, 1. var. vwgo statthaft. die isolierte aufhebung der angefochtenen regelungen führt auf die weitere prüfung der anträge der kläger auf zuerkennung subsidiären schutzes durch die beklagte und damit zu dem erstrebten rechtsschutzziel. denn mit der aufhebung des streitgegenständlichen bescheides in dem angefochtenen umfang werden die verwaltungsverfahren in den verfahrensstand zurückversetzt, in dem sie vor erlass der streitgegenständlichen regelungen waren. das bundesamt ist im falle einer aufhebung des bescheides gemäß §§ 24, 31 asylvfg gesetzlich verpflichtet, die asylverfahren weiterzuführen. das bundesamt hat sich in dem vorliegenden fall lediglich mit der – einer materiellen prüfung der asylanträge vorgelagerten – frage befasst, in welchem umfang die asylverfahren eingestellt werden und welcher staat nach den rechtsvorschriften der europäischen union für die prüfung der verbleibenden schutzgesuche zuständig ist. mit der aufhebung des bescheides wird ein verfahrenshindernis für die inhaltliche prüfung der asylbegehren beseitigt und die asylverfahren sind in dem stadium, in dem sie zu unrecht beendet worden sind, durch das bundesamt weiterzuführen. 24vgl. zu entscheidungen nach § 27a asylvfg: ovg nrw, urteil vom 7. märz 2014 – 1 a 21/12.a –, juris, rdn. 28 ff.; zu entscheidungen nach §§ 32, 33 asylvfg: bverwg, urteil vom 7. märz 1995 – 9 c 264.94 –, juris, rdn. 15 ff. 25die kläger sind auch klagebefugt gemäß § 42 abs. 2 vwgo. aus ihrem vorbringen lässt sich herleiten, dass sie – sollte sich der bescheid in dem angefochtenen umfang als objektiv rechtswidrig erweisen – möglicherweise in eigenen rechten verletzt sind. denn die angefochtenen regelungen belasten die kläger in ihrem subjektiv-öffentlichen recht aus §§ 4, 24, 31 asylvfg auf prüfung ihrer schutzgesuche durch das bundesamt. 26ob und gegebenenfalls inwieweit dieses recht durch unionsrecht, namentlich die dublin-iii-vo, beschränkt wird, bedarf hier keiner weiteren prüfung, da eine rechtsverletzung zumindest möglich erscheint. 27die kläger haben die klage auch fristgerecht im sinne von § 74 abs. 1 asylvfg, nämlich innerhalb von zwei wochen nach bekanntgabe des angegriffenen bescheides, erhoben. die klagefrist begann mit der wirksamen bekanntgabe des bescheides am 29. märz 2014. der bescheid wurde den klägern (wie von § 31 abs. 1 s. 4 asylvfg vorausgesetzt) persönlich zugestellt, und zwar gemäß § 4 abs. 1 vwzg durch die post mittels einschreiben durch übergabe oder einschreiben mit rückschein. damit wurde der bescheid zugleich gemäß § 41 abs. 5 vwvfg wirksam bekanntgegeben. gemäß § 4 abs. 2 s. 2 vwzg gilt das dokument am dritten tag nach der aufgabe zur post als zugestellt, es sei denn, es ist nicht oder zu einem späteren zeitpunkt zugegangen. angesichts der tatsache, dass der bescheid ausweislich des verwaltungsvorgangs am 26. märz 2014 als einschreiben zur post aufgegeben wurde, gilt er gemäß § 4 abs. 2 s. 2 vwzg am dritten tag nach der aufgabe zur post, mithin am 29. märz 2014 als zugestellt. die kläger haben nicht vorgetragen, dass ihnen der bescheid nicht oder zu einem späteren zeitpunkt zugegangen ist. die am 29. märz 2014 begonnene klagefrist war bei klageerhebung am 1. april 2014 noch nicht abgelaufen. 28ii. die klage ist begründet. in dem für die rechtliche beurteilung maßgeblichen zeitpunkt der entscheidung des gerichts (vgl. § 77 abs. 1 s. 1 asylvfg) ist der bescheid des bundesamtes vom 25. märz 2014 in dem umfang, in dem er angefochten ist, rechtswidrig und verletzt die kläger in ihren rechten, § 113 abs. 1 vwgo. dies gilt sowohl für ziffer 1 des streitgegenständlichen bescheides, soweit darin die asylverfahren der kläger auch insoweit eingestellt wurden, als diese die zuerkennung subsidiären schutzes begehren (nachfolgend 1.), als auch für ziffer 2 des bescheides, mit der die abschiebung der kläger nach frankreich angeordnet wurde (nachfolgend 2.). 291. die feststellung der einstellung der asylverfahren auch insoweit, als die kläger die zuerkennung subsidiären schutzes nach § 4 asylvfg begehren, findet ihre rechtsgrundlage nicht in der hier allein als ermächtigungsgrundlage in betracht kommenden regelung des § 32 s. 1, 1. hs., 1. alt. asylvfg. nach dieser norm stellt das bundesamt im falle der antragsrücknahme in seiner entscheidung fest, dass das asylverfahren eingestellt ist. diese voraussetzungen liegen hier hinsichtlich des antrages der kläger auf zuerkennung subsidiären schutzes nach § 4 asylvfg nicht vor. die kläger hatten mit anwaltlichem schreiben vom 28. februar 2014 ihre ursprünglich auf die anerkennung als asylberechtigte im sinne des § 1 abs. 1 nr. 1 asylvfg sowie auf zuerkennung internationalen schutzes im sinne des § 1 abs. 1 nr. 2 asylvfg insgesamt gerichteten asylanträge nur teilweise zurückgenommen, nämlich in bezug auf die anerkennung als asylberechtigte und die zuerkennung des flüchtlingsstatus nach dem abkommen vom 28. juli 1951 über die rechtsstellung der flüchtlinge (genfer flüchtlingskonvention). aufrechterhalten haben sie hingegen ihre anträge auf zuerkennung subsidiären schutzes im sinne der richtlinie 2011/95/eu (qualifikationsrichtlinie), § 4 asylvfg. durch die rechtswidrige einstellung ihrer antragsverfahren auf zuerkennung subsidiären schutzes werden die kläger in ihrem subjektiv-öffentlichen recht auf prüfung ihrer schutzgesuche durch das bundesamt gemäß §§ 4, 24, 31 asylvfg verletzt. 302. die abschiebungsanordnung nach frankreich in ziffer 2 des bescheides ist ebenfalls rechtswidrig. sie lässt sich nicht auf die allein in betracht kommende ermächtigungsgrundlage des § 34a abs. 1 s. 1 asylvfg stützen. danach ordnet das bundesamt in den fällen, in denen der ausländer in einen sicheren drittstaat (§ 26a) oder in einen für die durchführung des asylverfahrens zuständigen staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die abschiebung in diesen staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. 31diese voraussetzungen liegen hier nicht vor. dabei kann dahinstehen, ob eine abschiebungsanordnung nach dieser norm überhaupt ergehen kann, wenn das bundesamt – wie hier, wenn auch zu unrecht – die asylverfahren insgesamt gemäß § 32 s. 1, 1. hs., 1. alt. asylvfg eingestellt hat. denn jedenfalls ist frankreich weder ein sicherer drittstaat, aus dem die kläger nach deutschland eingereist sind (§ 26a asylvfg) noch ist frankreich für die durchführung der asylverfahren der kläger zuständig (§ 27a asylvfg). 32die voraussetzungen des § 26a asylvfg sind 33– unabhängig von der frage der anwendbarkeit dieser norm im anwendungsbereich derdublin-iii-vo – 34schon deshalb nicht erfüllt, weil die kläger nach eigenen angaben aus der türkei kommend auf dem luftweg nach deutschland eingereist sind und auch im übrigen keine anhaltspunkte für einen aufenthalt in oder eine durchreise durch frankreich vorliegen. 35auch die voraussetzungen des § 27a asylvfg sind nicht erfüllt. die republik frankreich ist nicht auf grund von rechtsvorschriften der europäischen union oder eines völkerrechtlichen vertrages für die durchführung der asylverfahren der kläger zuständig. 36maßgebliche rechtsvorschrift zur bestimmung des zuständigen staates ist die dublin-iii-vo. diese findet gemäß art. 49 abs. 1 und 2 dublin-iii-vo auf alle in deutschland ab dem 1. januar 2014 gestellten anträge auf internationalen schutz anwendung, mithin auch auf die im januar 2014 gestellten schutzgesuche der kläger. 37die zuständigkeit frankreichs für die prüfung der asylanträge der kläger dürfte zwar zunächst nach art. 12 abs. 4 dublin-iii-vo begründet worden sein. die republik frankreich hat das an sie gerichtete übernahmeersuchen der beklagten vom 13. februar 2014 auch am 13. märz 2014 auf dieser rechtsgrundlage akzeptiert. die zuständigkeit ist jedoch mittlerweile auf die beklagte übergegangen. dies folgt aus art. 29 abs. 2 dublin-iii-vo. danach ist der zuständige mitgliedstaat nicht mehr zur aufnahme oder wiederaufnahme der betreffenden person verpflichtet und die zuständigkeit geht auf den ersuchenden mitgliedstaat über, wenn die überstellung nicht innerhalb der in art. 29 abs. 1 dublin-iii-vo genannten frist von sechs monaten, die unter bestimmten voraussetzungen auf höchstens 18 monate verlängert werden kann, durchgeführt wird. 38im vorliegenden fall ist die überstellung nicht in diesem sinne fristgemäß erfolgt. die sechsmonatige frist beginnt nach art. 29 abs. 1 dublin-iii-vo mit der annahme des aufnahme- oder wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen mitgliedstaat oder der endgültigen entscheidung über einen rechtsbehelf oder eine überprüfung, wenn diese gemäß art. 27 abs. 3 dublin-iii-vo aufschiebende wirkung hat. die frist begann nach diesen maßstäben hier mit der annahme des übernahmeersuchens durch die republik frankreich am 13. märz 2014. 39die frist zur überstellung der kläger nach frankreich wurde nicht durch den antrag auf anordnung der aufschiebenden wirkung vom 1. april 2014 (22 l 791/14.a) für die dauer des gerichtlichen eilverfahrens, hier also bis zum ablehnenden eilbeschluss vom 7. mai 2014, unterbrochen oder gehemmt, 40vgl. dazu ovg nrw, beschluss vom 8. september 2014, - 13 a 1347/14.a -, juris, rdn. 5 ff. m.w.n.. 41auch lagen keine gründe für eine verlängerung der frist nach art. 29 abs. 2 s. 2 dublin-iii-vo vor. die sechsmonatige frist endete nach alledem mit ablauf des 13. september 2014. 42das verstreichen der überstellungsfrist hat gemäß art. 29 abs. 2 s. 1 dublin-iii-vo zur folge, dass der zuständige mitgliedstaat nicht mehr zur aufnahme oder wiederaufnahme der betreffenden person verpflichtet ist und die zuständigkeit auf den ersuchenden mitgliedstaat übergeht. die zuständigkeit für die prüfung der anträge der kläger auf gewährung subsidiären schutzes ist damit auf die beklagte übergegangen. 43die kläger können sich im vorliegenden klageverfahren auch auf den übergang der zuständigkeit auf die beklagte berufen. 44a.a. vgh bw, urteil vom 27. august 2014 - a 11 s 1285/14 -, juris, rdn. 59 (soweit eine überstellung in den bisher zuständigen mitgliedstaat noch zeitnah möglich ist); nds.ovg, beschluss vom 6. november 2014 – 13 la 66/14 ‑, juris, rdn. 9 ff (ohne einschränkung); hessvgh, beschluss vom 25. august 2014 – 2 a 976/14.a ‑, juris, rdn. 15 (obiter dictum); vg düsseldorf , urteil vom 23. oktober 2014 – 13 k 471/14.a ‑, juris, rdn. 43; funke-kaiser, gk-asylvfg, stand: 102. ergänzungslieferung, november 2014, § 27a, rdn. 234, 196.1 (mit ausnahmen); hailbronner, ausländerrecht, 88. ergänzungslieferung, oktober 2014, § 27a asylvfg, rdn. 20 ff.; günther, in: beck'scher online-kommentar ausländerrecht, kluth/heusch, 5. edition, stand: 1. september 2014, § 27a asylvfg rdn. 29 ff.; offen gelassen: ovg nrw, vorlagebeschluss vom 19. dezember 2011 ‑ 14 a 1943/11.a ‑, juris, rdn. 24 (das vorabentscheidungsverfahren bei eugh, rs. c-666/11 endete ohne sachentscheidung nach rücknahme des ersuchens wegen erledigung des rechtsstreits in der hauptsache beim ovg nrw); vgl. ferner zum ablauf der frist zur stellung des aufnahme- bzw. wiederaufnahmeersuchens: vgh bw, urteil vom 16. april 2014 - a 11 s 1721/13 -, juris; rdn. 25, 27 (bei zeitnaher überstellung); ovg rhpf, urteil vom 21. februar 2014 ‑ 10 a 10656/13 ‑, juris, rdn. 33. 45die kläger haben gemäß §§ 24, 31 asylvfg ein subjektiv-öffentliches recht auf prüfung ihrer schutzgesuche durch die beklagte. diese darf auf der rechtsgrundlage der §§ 27a, 34a asylvfg die weitere prüfung eines asylantrages nur dann ablehnen und eine abschiebungsanordnung in einen anderen mitgliedstaat erlassen, wenn dieser andere staat auf grund von rechtsvorschriften der europäischen union oder eines völkerrechtlichen vertrages für die durchführung des asylverfahrens zuständig ist. liegen diese voraussetzungen nicht vor, ist der verwaltungsakt rechtswidrig. zugleich verletzt der objektiv rechtswidrige verwaltungsakt das subjektiv-öffentliche recht der kläger aus §§ 24, 31 asylvfg, und zwar unabhängig vom schutzzweck der norm, deren verletzung zur rechtswidrigkeit des verwaltungsakts führt. der individualschutzzweck von normen ist nur für diejenigen von bedeutung, die keine materielle beeinträchtigung ihrer rechtsstellung durch den angefochtenen verwaltungsakt dartun können. 46vgl. sachs, in: stelkens/bonk/sachs, vwvfg, 8. aufl., 2014, § 45 rdn. 126. 47die kläger hingegen werden durch ziffer 2 des streitgegenständlichen bescheides in ihrer rechtstellung aus §§ 24, 31 asylvfg materiell beeinträchtigt, wenn die beklagte die prüfung der schutzgesuche mit verweis auf die zuständigkeit eines anderen staates ablehnt, obwohl ihre zuständigkeit nach den bestimmungen der dublin-iii-verordnung objektiv begründet ist. 48dem nach nationalem recht bestehenden subjektiv-öffentlichen recht der kläger auf prüfung ihrer schutzgesuche durch die nach der dublin-iii-vo objektiv hierfür zuständige beklagte steht auch der anwendungsvorrang des unionsrechts nicht entgegen. denn es liegt schon keine kollision des nationalen rechts mit der gemäß art. 288 abs. 2 aeuv vorrangig anzuwendenden dublin-iii-vo vor. 49die zuständigkeitsregelungen in der dublin-iii-vo begründen unmittelbare rechte der betroffenen ausländer auf beachtung dieser regelungen durch alle behörden der mitgliedstaaten. dies folgt schon aus der rechtsnatur der dublin-iii-vo. diese gilt (wie alle eu-verordnungen) gemäß art. 288 abs. 2 aeuv unmittelbar in jedem mitgliedstaat. diese unmittelbare geltung bedeutet, dass die verordnungen nicht nur für die mitgliedstaaten (untereinander) gelten, sondern in den mitgliedstaaten, 50ulrich haltern, europarecht, tübingen 2005, s. 284 (hervorhebung im original). 51hierin unterscheidet sich das unionsrecht gerade von völkervertragsrecht, mit dem sich lediglich die vertragsstaaten untereinander binden. das unionsrecht ist eine rechtsordnung, deren rechtssubjekte nicht nur die mitgliedstaaten, sondern auch die einzelnen sind. das von der gesetzgebung der mitgliedstaaten unabhängige unionsrecht soll daher den einzelnen, ebenso wie es ihnen pflichten auferlegt, auch rechte verleihen, 52eugh, urteil vom 5. februar 1963, rs. 26/62 (van gend & loos), slg. 1963, s. 25. 53die dublin-iii-vo regelt damit schon aufgrund ihrer rechtsnatur nicht nur verpflichtungen der mitgliedstaaten untereinander, sondern auch unmittelbar die rechtsstellung jedes einzelnen normunterworfenen, das heißt auch der drittstaatsangehörigen, auf die die dublin-iii-vo anwendung findet. 54der dublin-iii-vo kann auch nicht entnommen werden, dass in bezug auf die dort geregelten zuständigkeitsbestimmungen ausnahmsweise etwas anderes gelten sollte, insbesondere ein asylbewerber, der für die prüfung seines asylantrages an einen anderen mitgliedstaat verwiesen wird, einen hierin liegenden objektiven verstoß gegen die zuständigkeitsbestimmungen der verordnung nicht oder nur unter bestimmten umständen rügen kann. 55dies unter verweis auf den zweck der dublin-ii-vo erwägend und im ergebnis ein subjektiv-öffentliches recht des ausländers aus der ermessensvorschrift des art. 3 abs. 2 der dublin-ii-vo (selbsteintrittsrecht) verneinend: schlussanträge des ga jääskinen vom 18. april 2013 ‑ c‑4/11 ‑, rdn. 58. 56indem der unionsgesetzgeber die ursprünglich in einem völkerrechtlichen vertrag (dubliner übereinkommen) vereinbarten zuständigkeitskriterien für die prüfung eines schutzgesuchs ausdifferenziert und in einer eu-verordnung kodifiziert hat, hat er diese regelungen zugleich mit den aus art. 288 abs. 2 aeuv folgenden rechtswirkungen ausgestattet. diese rechtsqualität der regelungen steht auch nicht in widerspruch zu ihrem sinn und zweck. der unionsgesetzgeber hat die zuständigkeitsbestimmungen erlassen, um die behandlung der asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das system dadurch stockt, dass die staatlichen behörden mehrere anträge desselben antragstellers bearbeiten müssen, und um die rechtssicherheit hinsichtlich der bestimmung des für die behandlung des asylantrages zuständigen staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping“ zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die bearbeitung der anträge im interesse sowohl der asylbewerber als auch der teilnehmenden staaten zu beschleunigen, 57eugh, urteil vom 10. dezember 2013, c‑394/12 (abdullahi), rdn. 53, juris; vgl. auch schlussanträge des ga jääskinen vom 18. april 2013 ‑ c‑4/11 ‑, rdn. 57. 58diese ziele werden am effektivsten durch die zuverlässige und gleichmäßige befolgung der in der dublin-iii-vo geregelten zuständigkeitskriterien in allen mitgliedstaaten erreicht. das „forum shopping“ wird unterbunden, indem einem einzigen mitgliedstaat die zuständigkeit für die prüfung des schutzgesuches zugeordnet wird; die rechtssicherheit hinsichtlich der bestimmung des zuständigen staates wird durch detaillierte kriterien, die keine entscheidungsspielräume der mitgliedstaaten vorsehen, erhöht; die asylverfahren werden insgesamt beschleunigt, indem das verfahren zur bestimmung des zuständigen staates verbindlich geltenden kurzen fristen unterworfen wird. 59die unmittelbare, auch von den betroffenen durchsetzbare rechtswirkung der zuständigkeitsbestimmungen der dublin-iii-vo ‑ soweit sie einem mitgliedstaat die zuständigkeit ohne ermessensspielraum zuweisen ‑ widerspricht diesen zielen nicht, sondern fördert ihre erreichung. der grundsatz der effektivität des unionsrechts („effet utile“) findet eine wesentliche stütze gerade darin, dass sich der einzelne vor nationalen gerichten auf unmittelbar geltendes unionsrecht berufen kann. mit hilfe der doktrin der unmittelbaren anwendbarkeit werden die an der wahrung ihrer rechte interessierten betroffenen zu wächtern des unionsrechtssystems erhoben, die dessen effektive anwendung in den mitgliedstaaten sichern, 60vgl. schroeder, in: streinz, euv/aeuv, kurz-kommentar, 2. aufl., 2012, art. 288 aeuv, rdn. 49 m.w.n. 61zum zweck der effektiven und gleichen wirkung des unionsrechts sollen die einzelnen, soweit es um den staatlichen vollzug des unionsrechts geht, eine dezentrale, die kommission entlastende vollzugskontrolle vornehmen können, 62vgl. grabitz/hilf/nettesheim, das recht der europäischen union, loseblatt-kommentar, band iii, euv/aeuv, stand september 2014, art. 288 aeuv rdn. 44. 63andernfalls könnte auch art. 267 aeuv, der zum zweck der einheitlichen anwendung des unionsrechts in den mitgliedstaaten das verfahren zur vorabentscheidung des europäischen gerichtshofs (eugh) über die auslegung unionsrechtlicher bestimmungen auf vorlage nationaler gerichte vorsieht, seine wirkung nicht entfalten. art. 267 aeuv setzt voraus, dass sich der einzelne vor nationalen gerichten auf unmittelbar anwendbares unionsrecht berufen kann und damit die frage der auslegung einer unionsrechtlichen bestimmung vor dem nationalen gericht streitentscheidende bedeutung gewinnt. der alleinigen entscheidungskompetenz des eugh bei der auslegung des unionsrechts liefe es zuwider, einer unionsrechtlichen bestimmung in einem verfahren vor einem nationalen gericht (ohne vorherige klärung der rechtsfrage durch den eugh) mit verweis auf mangelnde individualschützende wirkung eine streitentscheidende bedeutung von vornherein abzusprechen. 64aufgrund dieser generellen bedeutung der unmittelbaren, individualrechtsbegründenden anwendbarkeit des unionsrechts für die sicherstellung seiner effektivität kommt es für die frage, ob sich der einzelne auf unionsrecht berufen kann, auch nicht darauf an, ob eine vorschrift des unionsrechts bezweckt, individuelle rechte zu schaffen. entscheidend ist vielmehr, ob die sich aus der vorschrift ergebende verpflichtung anderer rechtssubjekte eindeutig ist, weil sie hinreichend klar und unbedingt formuliert ist. 65vgl. grabitz/hilf/nettesheim, das recht der europäischen union, loseblatt-kommentar, band iii, euv/aeuv, stand september 2014, art. 288 aeuv rdn. 46; schroeder, in: streinz, euv/aeuv, kurz-kommentar, 2. aufl., 2012, art. 288 aeuv, rdn. 51 m.w.n. 66dies ist bei art. 29 abs. 2 s. 1 dublin-iii-vo der fall. die norm regelt den übergang der zuständigkeit nach ablauf der überstellungsfrist eindeutig, klar und unbedingt, insbesondere sieht sie auch keinen entscheidungsspielraum einer nationalen behörde vor. 67der annahme, dass sich ein asylbewerber auf die nach der dublin-iii-verordnung zum zeitpunkt der mündlichen verhandlung objektiv begründete zuständigkeit eines mitgliedstaates für die prüfung seines schutzgesuches berufen kann, steht auch die rechtsprechung des eugh, 68urteil vom 10. dezember 2013 (abdullahi), - c-394/12 -, juris, 69sowie des bundesverwaltungsgerichts, 70beschlüsse vom 19. märz 2014 - 10 b 6.14 -, juris, rdn. 7 und vom 6. juni 2014 – 10 b 35.14 ‑, juris, rdn. 6, 71nicht entgegen. 72diesen entscheidungen ist keine aussage zur subjektiv-rechtlichen dimension von (überstellungs-)fristen zu entnehmen, 73vgl. vg düsseldorf, urteil vom 23. oktober 2014 - 13 k 471/14.a -, rdn. 41, juris mit hinweis auf vg düsseldorf, urteil vom 15. august 2014 - 13 k 1117/14.a -, rdn. 54 ff., juris. 74insbesondere lässt sich eine dahingehende aussage nicht aus dem vom eugh aufgestellten rechtssatz entnehmen, dass der betreffende ausländer in einem fall, in dem ein mitgliedstaat seiner aufnahme nach maßgabe des in art. 10 abs. 1 dublin-ii-vo niedergelegten kriteriums zugestimmt hat (mitgliedstaat der ersten einreise), der heranziehung dieses kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische mängel des asylverfahrens und der aufnahmebedingungen für asylbewerber in diesem mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch tatsachen bestätigte gründe für die annahme darstellen, dass er tatsächlich gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden behandlung im sinne von art. 4 der charta ausgesetzt zu werden. 75vgl. eugh, urteil vom 10. dezember 2013 (abdullahi) - c-394/12 -, rdn. 62, juris, 76mit diesem rechtssatz betont der eugh gerade die verbindlichkeit der in der dublin-verordnung niedergelegten zuständigkeitskriterien, die ihre grenze erst in der im einzelfall anzunehmenden tatsächlichen gefahr der verletzung eines in der grundrechtecharta verbürgten rechts findet. demgegenüber lässt sich dem vom eugh aufgestellten rechtssatz keine aussage des inhalts entnehmen, dass sich ein asylbewerber nicht (oder nur unter bestimmten bedingungen) auf die beachtung eines in der dublin-verordnung niedergelegten zuständigkeitskriteriums berufen kann. 77so liegt der fall hier. mit dem von den klägern geltend gemachten einwand, dass die zuständigkeit für die prüfung ihrer schutzgesuche wegen überschreitens der überstellungsfrist gemäß art. 29 abs. 2 s. 1 dublin-iii-vo auf die beklagte übergegangen ist, wenden sich die kläger ‑ anders als in dem vom eugh entschiedenen fall ‑ gerade nicht gegen die heranziehung eines in der dublin-iii-vo niedergelegten zuständigkeitskriteriums, sondern berufen sich auf dieses. 78auch das bverwg geht erkennbar nicht davon aus, dass andere einwände gegen eine überstellung in einen anderen mitgliedstaat als der einwand systemischer mängel unbeachtlich wären. vielmehr benennt es in dem zuletzt ergangenen beschluss vom 6. juni 2014 – 10 b 35.14 – konkret die als unbeachtlich einzustufenden einwände: 79„aus der zitierten rechtsprechung des gerichtshofs der europäischen union ergibt sich, dass ein asylbewerber der überstellung in den nach der dublin-ii-verordnung für ihn zuständigen mitgliedstaat mit blick auf unzureichende aufnahmebedingungen für asylbewerber nur mit dem einwand systemischer mängel des asylverfahrens und der aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der schwelle systemischer mängel in einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden behandlung im sinne von art. 4 gr-charta bzw. art. 3 emrk kommen kann und ob ein antragsteller dem in der vergangenheit schon einmal ausgesetzt war.“ 80bverwg, beschluss vom 6. juni 2014 – 10 b 35.14 ‑, juris, rdn. 6, hervorhebung nicht im original. 81dies verdeutlicht, dass die bestimmung des zuständigen mitgliedstaates der prüfung vorgelagert ist, ob einer überstellung dorthin systemische mängel des asylverfahrens und der aufnahmebedingungen entgegenstehen. auch wird die beschränkung berücksichtigungsfähiger einwände auf den einwand systemischer mängel nur insoweit ausgesprochen, als der asylbewerber der überstellung mit blick auf unzureichende aufnahmebedingungen in diesem staat entgegentritt. 82eine beschränkung der rechtsstellung des betroffenen ausländers im hinblick auf die geltendmachung objektiver verstöße gegen die zuständigkeitsregelungen der dublin-iii-verordnung lässt sich auch nicht mit der überlegung belegen oder bekräftigen, dass es dem asylbewerber unbenommen ist, sich freiwillig bei der ihm genannten stelle des anderen mitgliedstaates zu melden und hierdurch selbst das verfahren zu beschleunigen. 83zu den modalitäten einer überstellung auf initiative des asylbewerbers siehe art. 7 abs. 1 buchstabe a) der verordnung (eg) nr. 1560/2003 der kommission vom 2. september 2003, zuletzt geändert durch durchführungsverordnung (eu) nr. 118/2014 der kommission vom 30. januar 2014 (dvo dublin iii). 84zwar kann der asylbewerber damit zu einer beschleunigung beitragen. aus einer fehlenden inanspruchnahme dieses rechts kann jedoch nicht auf den verlust des subjektiv-öffentlichen rechts des asylbewerbers auf materielle prüfung seines schutzgesuches durch die beklagte geschlossen werden. insbesondere steht der vom gebot von treu und glauben gemäß § 242 bgb abgeleitete grundsatz des verbots widersprüchlichen verhaltens ("venire contra factum proprium") der geltendmachung dieses subjektiv-öffentlichen rechts nicht entgegen. 85so aber vg düsseldorf, urteil vom 23. oktober 2014 – 13 k 471/14.a ‑, juris, rdn. 45 ff. 86ein widersprüchliches verhalten der kläger liegt 87– ganz abgesehen davon, dass im deutschen recht die möglichkeit der überstellung des betroffenen asylbewerbers auf eigene initiative gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist (vgl. hierzu: vgh bw, beschluss vom 4. juli 2014 – a 11 s 1230/14 ‑, juris, rdn. 4) und die kläger im vorliegenden fall (soweit ersichtlich) über dieses ihnen zustehende initiativrecht auch nicht unterrichtet wurden – 88nicht vor. die kläger rügen nicht etwa eine unangemessene dauer ihrer verfahren, die sie selbst hätten beschleunigen können. vielmehr begehren sie die materielle prüfung ihrer schutzgesuche durch die beklagte. selbst wenn zwischenzeitlich ein anderer staat für die durchführung ihrer asylverfahren zuständig gewesen sein sollte, kann ein widersprüchliches verhalten der kläger nicht darin gesehen werden, dass sie an ihrem begehren der prüfung ihrer schutzgesuche durch die beklagte festgehalten haben. die kläger haben sich zur begründung ihres begehrens nicht auf eine drohende unzumutbare dauer ihrer schutzgesuche gestützt, sondern auf gesundheitliche beeinträchtigungen, die der tatsächlichen durchführung ihrer überstellung entgegenstünden. 89im vorliegenden fall kann offen bleiben, ob ein verlust des subjektiv-öffentlichen rechts auf prüfung des schutzgesuches durch den staat, der infolge des ablaufs der überstellungsfrist nach art. 29 abs. 2 s. 1 dublin-iii-vo zuständig geworden ist, dann eintreten kann, wenn dieses recht missbräuchlich in anspruch genommen wird. denn dafür fehlen hier jegliche anhaltspunkte. insbesondere haben sich die kläger weder der ausländerrechtlichen überwachung entzogen noch überstellungsmaßnahmen widersetzt. dass sie unter vorlage ärztlicher atteste rechtsschutz gegen die abschiebungsanordnung gesucht haben und sich insoweit auf gesundheitliche überstellungshindernisse berufen, kann nicht als missbräuchliches verhalten gewertet werden. 90die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs.1 vwgo. gerichtskosten werden gemäß § 83b asylvfg nicht erhoben. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 abs. 2 und abs. 1 satz 1 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo. | Klaeger*in | 1 |
168,824 | 9 O 324/06 | 2015-01-12T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Die Streithelferin trägt die Kosten der Nebenintervention. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. 1Tatbestand: 2Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem Flugunfall auf dem B2, bei dem Sachschaden entstand. 3Die Klägerin ist ein Flugsicherungsunternehmen (§ 31 b und d LuftVG), welches u.a. am B2 Aufgaben der Flugsicherung gemäß § 27 c Absatz 2 LuftVG wahrnimmt. Zu diesem Zweck hat die Klägerin am Ende der Rollbahnen verschiedene Geräte wie Sendefunkantennen und Fernfeldmonitore aufgestellt. 4Die Beklagte ist im Bereich des internationalen Luftfrachtbetriebes tätig, wobei sie die Transportflüge teils mit eigenen und teils mit geleasten Flugzeugen wahrnimmt. 5Am 24.04.2005 gegen 06:00 Uhr (Ortszeit, so auch alle folgenden Uhrzeiten) kam es bei der Landung des Flugzeuges mit der Kennnummer UAE 9995 (Typ Boeing 747 – 200; amtliches Kennzeichen A) am G zu einem Unfall. Zum Unfallzeitpunkt war die Beklagte Halterin dieses Flugzeugs. Das Flugzeug, welches für die Fluggesellschaft B Luftfracht von Dubai nach G transportierte, kam nicht innerhalb der Landebahn (23 L) zum Stehen, sondern rollte über diese hinaus auf das hinter der Landebahn befindliche Rasenfeld. Dabei wurden Einrichtungen des Instrumentenlandesystems (Antenne des Landekurssenders für die Landebahn L 23 und ein Fernfeldmonitor für die Landebahn 05 R), die die Klägerin dort aufgestellt hatte, zerstört. 6Am Unfalltag hatte es in G gegen 05:45 Uhr Ortszeit (entspricht 04:45 UTC = koordinierte Weltzeit), als sich das Flugzeug im Landeanflug befand, angefangen zu schneien. Aufgrund dessen nahmen Mitarbeiter der G GmbH Messungen auf den Landebahnen des Flughafens G vor, um die Oberflächenbeschaffenheit zu überprüfen. Die Oberflächenbeschaffenheit von Landebahnen in Bezug auf die Bremswirkung wird in 5 Kategorien von poor (Friktionswerte von 0.25 und weniger) bis good (Friktionswerte von 0.40 und mehr) eingeteilt (vgl. i.E. Gutachten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (X2) Seite 33). 7Eine erste Messung der Friktionswerte um 05:40 Uhr ergab einen Wert von 65 (good). Eine zweite Messung fand zwischen 05:49 Uhr und 05: 51 Uhr statt und ergab einen durchschnittlichen Friktionswert von 36 (medium). 8Zwischen 05:39 Uhr und 05:56 Uhr fand zwischen dem Rolllotsen und dem Fahrer des Messfahrzeugs, welches die Friktionswerte ermittelte, mehrfach Funkverkehr betreffend den Zustand der Landebahnen statt. Um 05:56 Uhr teilte der Messfahrzeugfahrer dem Lotsen mit, dass er aufgrund der Messdaten die Landebahn als „medium“ bewerte und fügte hinzu, dass es stellenweise doch relativ glatt sei. Auf die Nachfrage des Lotsen, ob der Fahrer ihm einzelne Daten für die drei Landebahnabschnitte mitteilen könne, gab der Fahrer an, dass er auf der Rückfahrt einen Durchschnittswert von 36 gehabt habe, weitere Werte im Moment aber nicht weitergeben könne, weil sein Drucker nicht funktioniere. Er habe jedoch ziemlich genau 30er Werte. Die Nachfrage des Lotsen, ob es alles 30er Werte gewesen seien, bejahte der Fahrer und ergänzte, dass stellenweise mal 25er Werte dabei gewesen seien. Prinzipiell seien die Wert aber so um die 30 gewesen. Für die weiteren Einzelheiten der Kommunikation wird auf Seite 20 f. des Untersuchungsberichts der X2 verwiesen. 9Um 05:50 Uhr teilte der Lotse der Cockpitbesatzung mit, dass die Bremswirkung im Moment noch gut sei, aber noch ein weiterer Friktionstest geplant sei, da es weiterhin schneie und man eine Verschlechterung befürchte. 10Um 05:56 Uhr teilte der zuständige Mitarbeiter der G GmbH dem diensthabenden Lotsen (Mitarbeiter der Klägerin) den Landebahnzustand als „medium“ mit. 11Um 05:59 Uhr teilte der Lotse der Besatzung des Flugzeugs mit: „B 9995 the braking action was measured to be medium at all parts and the visibility dropped right now due to the heavy snow showers“. Diese Information wurde vom Cockpit bestätigt. Um 05:59:47 Uhr wurde vom Tower die Landefreigabe erteilt. 12Das Flugzeug setzte innerhalb der Aufsetzzone (1100 feet bis 1600 feet) hinter der Landebahnschwelle auf. Die Bremsung des Flugzeugs wurde zunächst mit dem automatischen Bremssystem durchgeführt, ob die Piloten anschließend manuell bremsten ist streitig. Das Flugzeug kam ca. 75 m hinter dem Ende der asphaltierten Fläche (Landebahnende) zum Stehen. Dabei wurden diverse Messinstrumente, die sich auf dem Rasenfeld hinter dem Landebahnende befanden, zerstört. 13Die Klägerin behauptet, sie sei Eigentümerin der zerstörten Messinstrumente. Die Behebung der Schäden koste 194.416,47 Euro. 14Sie ist der Ansicht, dass ihr sowohl aus § 33 LuftVG als auch aus § 831 BGB und aus §§ 25 Absatz 3 i.V.m. 33 LuftVG ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zustehe. Die Besatzungsmitglieder des in den Unfall verwickelten Flugzeugs seien Verrichtungsgehilfen der Beklagten und hätten in Ausführung dieser Tätigkeit das Eigentum der Klägerin widerrechtlich zerstört. 15Die Streithelferin schließt sich dem Vortrag der Klägerin an und behauptet ergänzend, dass der Unfall hätte verhindert werden können, wenn die Piloten von Anfang an, manuell gebremst hätten oder die automatische Bremsleistung auf „maximum“ statt nur auf „medium“ gestellt hätten. Ebenfalls hätten die Piloten das Flugzeug pflicht- und sorgfaltswidrig zu weit entfernt vom Landebahnbeginn aufgesetzt und hierdurch die zur Verfügung stehende Bremsstrecke unnötig verkürzt. Sie, die Streithelferin, habe ausreichend viele Messfahrten durchgeführt. 16Die Klägerin und die Streithelferin beantragen, 17die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 194.416,47 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. März 2006 zu zahlen. 18Die Streithelferin beantragt zudem, der Beklagten die Kosten der Nebenintervention aufzuerlegen. 19Die Beklagte beantragt, 20 die Klage abzuweisen. 21Die Beklagte behauptet, dass sich die Piloten objektiv fehlerfrei verhalten hätten. Insbesondere die Landung sei fehlerfrei erfolgt. Die Piloten hätten keinen Anlass gehabt, die Landung abzubrechen, da ihnen lediglich der Friktionswert 36 mitgeteilt worden sei, ihnen jedoch – im Gegensatz zu den Lotsen – nicht die negative Entwicklung der Friktionswerte bekannt gewesen sei. Die Besatzung habe, als der Pilot bemerkte, dass die Bremswirkung nicht ausreiche, manuell gebremst. 22Die Beklagte ist der Ansicht, dass § 33 LuftVG nicht anwendbar sei, weil es sich bei der Klägerin nicht um eine am Flugbetrieb unbeteiligte Person handele. Eine Haftung der Beklagten nach § 831 BGB scheide jedenfalls deshalb aus, weil die Beklagte kein Auswahl- oder Überwachungsverschulden treffe. 23Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß des Beweisbeschlusses vom 24.07.2007 (Bl. 283 d.A.), des Beschlusses vom 23.01.2014 (Bl. 327 d.A.) und des Beweisbeschlusses vom 15.07.2014 (Bl. 353 d.A.). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Aussagen der Zeugen L (Bl. 301 R d.A.) und Dr. P (Bl. 307 ff. d.A.), den Untersuchungsbericht der Bundesstelle für Fluguntersuchung (X2) und die Vernehmung des Zeugen G3 (Bl. 361 ff. d.A.) Bezug genommen. 24Die Streitverkündete ist dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 10.05.2007 beigetreten. 25Entscheidungsgründe: 26Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. 27Der Klägerin stehen keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu; weder aus § 33 LuftVG (dazu unter I.), noch aus § 831 BGB (dazu unter II.), noch aus § 25 Absatz 3 LuftVG i.V.m. § 33 LuftVG (dazu unter III.). Ob die Klägerin aktivlegitimiert ist, kann somit dahinstehen. 28I. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus Gefährdungshaftung gemäß § 33 LuftVG, weil die Vorschrift nicht einschlägig ist. Die Vorschrift greift nicht zugunsten von Geschädigten ein, die am Betrieb des Luftfahrzeugs beteiligt waren, sondern nur zugunsten von Geschädigten, die ohne irgendwie geartete Beteiligung an dem Betrieb des schadenstiftenden Luftfahrzeugs zu Schaden kommen (BGH in NZV 1991, 112). Dass bei diesem Verständnis der Vorschrift der Kreis der geschützten Personen verhältnismäßig klein ist, findet seine Rechtfertigung in der strengen, fast voraussetzungslosen Haftung, die keine Berufung auf ein unabwendbares Ereignis oder höhere Gewalt zulässt (BGH a.a.O.; BGH in VersR 1962, 530). Gegen eine solche Auslegung spricht nicht, dass bei einem solch engen Anwendungsbereich für eine Anwendung des § 34 LuftVG (Mitverschulden) kein Raum bliebe. Dies ist nicht der Fall. Denn es kommen – neben Abstürzen – auch Fälle in Betracht, bei denen Flugzeuge in der Luft zusammenstoßen oder bei denen sich die späteren Geschädigten leichtsinnig in die Nähe eines startenden oder landenden Flugzeugs begeben (BGH in NZV 1991, 112). 29Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Klägerin keine unbeteiligte Dritte in Bezug auf den Betrieb des Flugzeugs der Beklagten bei der Landung am Unfalltag. Sie ist hier nicht ohne eine irgendwie geartete Beteiligung am Betrieb des Flugzeugs geschädigt worden. Die Klägerin hat die geltend gemachten Schäden vielmehr in ihrer Eigenschaft als Flugsicherungsunternehmen erlitten. Die von ihr hinter der Landebahn aufgestellten Geräte dienten gerade dazu, eine sichere Landung der den Flughafen anfliegenden Flugzeuge und eben auch des Flugzeugs der Beklagten zu gewährleisten. Soweit der BGH auch Fälle in die Haftung mit einbezieht, in denen sich die späteren Geschädigten leichtsinnig in die Nähe eines startenden oder landenden Flugzeugs begeben haben, sind diese Konstellationen nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Die Klägerin hat sich nämlich mit ihren Messinstrumenten nicht leichtsinnig oder zufällig in die Nähe der Landebahn begeben, sondern die Geräte dort bestimmungsgemäß aufgestellt. An anderer Stelle könnten diese Geräte womöglich gar nicht ihre Funktion erfüllen. Die Entscheidung, die Geräte in den näheren Gefahrenbereich der Landebahn zu verbringen, erfolgte also bewusst und es entsprang nicht dem Zufall, dass sich die Geräte dort befanden, als es zu dem Flugunfall und der Schädigung kam. Insoweit ist der vorliegende Fall durchaus mit der von dem BGH entschiedenen Konstellation vergleichbar. Dort war einem als Bodenhelfer bei der Landung eines Segelflugzeugs tätigen Geschädigten die Berufung auf § 33 LuftVG verwehrt worden, weil dieser an der Landung beteiligt gewesen sei. Vorliegend befand sich die Klägerin zwar nicht als Person im Gefahrenbereich vor Ort, jedoch übernahmen die von ihr im Gefahrenbereich aufgestellten – und im Zuge dessen zerstörten – Geräte die Aufgaben eines „Landehelfers“ und ersetzten somit eine sonst erforderliche „körperliche Nähe“. Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass Personen, die zwar zum Gelingen des Fluges beitragen, jedoch keinen körperlichen Kontakt beabsichtigen, vom Schutzzweck des § 33 LuftVG Personen erfasst werden, ist dies mit der zugrundegelegten Wertung durchaus vereinbar. Wäre ein Mitarbeiter der Klägerin in einem entfernteren Gebäude dadurch zu Schaden gekommen, dass beispielsweise ein Flugzeug der Beklagten in dieses Gebäude gestürzt wäre, hätte er sich nicht bestimmungsgemäß im Gefahrenbereich befunden und eine Haftung nach § 33 LuftVG wäre nicht ausgeschlossen gewesen. Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall jedoch maßgeblich, weil eben nicht ein von der Landebahn räumlich entfernter Mitarbeiter (zufällig) geschädigt wurde, sondern Instrumente, die bestimmungsgemäß im Umfeld der Landebahn platziert wurden. 30II. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 831 Absatz 1 BGB. 311. Die Beklagte hat bewiesen, dass sich die Besatzung beim Landevorgang verkehrsrichtig verhalten hat. Der Geschäftsherr, hier die Beklagte, kann im Rahmen des § 831 Absatz 1 BGB den Entlastungsbeweis (auch) dadurch antreten, dass der Schaden selbst bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt entstanden wäre, es also an der Ursächlichkeit zwischen seiner vermuteten Sorgfaltspflichtverletzung und dem Schaden fehlt (Sprau in Palandt, BGB, 74. Auflage 2015, § 831 Rn. 16). Dieser Nachweis kann dadurch geführt werden, dass der Geschäftsherr beweist, dass sich der Gehilfe – hier die Besatzung – so verhalten hat, wie jede andere Person sich sachgerecht und vernünftig verhalten hätte (BGH in VersR 75, 447; OLG Oldenburg NJW-RR 88, 38 m.w.N.), denn dann bestünde auch im Falle eigenen Handelns des Geschäftsherrn kein Anspruch (BGH in NJW 96, 3205). Beispielsweise haftet der Geschäftsherr nicht für den Verkehrsunfall seines angestellten Fahrers, wenn sich dieser verkehrsrichtig verhalten hat (OLG Hamm NJW-RR 98, 1402). 32Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Piloten weder fehlerhaft den Landeanflug fortgesetzt haben (a.), noch haben sie Fehler bei der Bremsung des Flugzeugs nach dem Aufsetzen gemacht (b.). 33a. Die Entscheidung der Piloten, die Landung durchzuführen und nicht durchzustarten, war vor dem Hintergrund der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen korrekt. Es ist bei einer Gesamtbetrachtung des Funkverkehrs nicht ersichtlich, weshalb die Piloten davon ausgehen hätten müssen, dass eine Landung wetterbedingt nicht möglich ist. 34Im Einzelnen: 35Der Besatzung wurde kurz vor der Landefreigabe mitgeteilt, die Bremswirkung sei auf allen 3 Abschnitten der Landebahn „medium“. Aus Sicht der Besatzung sprach demnach nichts gegen die Fortsetzung des Sinkflugs. Dies wird durch die X2 bestätigt, danach war es aus Sicht der X2 nachvollziehbar, dass sich die Besatzung zur Landung entschloss. Insbesondere lagen die Seitenwinde innerhalb des bei „rutschigen“ (slippery) Landebahnen geltenden Toleranzbereichs. 36Zwar war den Piloten auch bekannt, dass „heavy snow showers“ vorliegen würden, allerdings wurde ihnen nach dieser Information weiter mitgeteilt, die Bremswirkung sei „medium at all parts“. Aufgrund dieser zeitlichen Reihenfolge der Informationen durften die Piloten davon ausgehen, dass eine Landung – trotz der schweren Schneefälle – möglich sein würde, denn ihnen wurde mitgeteilt, dass auf allen drei Abschnitten der Landebahn mittlere Bremswirkung gemessen wurde. Aus ihrer Sicht konnten sie die Informationen zu den Wetterbedingungen nur so verstehen, dass die Bremswirkung trotz des Schnees bei medium liegen würde. 37Die Klägerin führt im Übrigen selbst aus, dass die Angaben des Messfahrzeugfahrers eher vage waren, aber nicht den Schluss zugelassen hätten, dass eine sichere Landung nicht hätte erfolgen können. Dementsprechend war es seitens der Piloten, denen noch weniger Informationen vorlagen als dem Towerlotsen, nicht fehlerhaft, die Landung durchzuführen. Insbesondere war den Piloten nämlich nicht aus visueller Wahrnehmung bekannt, wie stark es tatsächlich schneite und dass sich die Bremswerte auf der Landebahn innerhalb von rund 10 Minuten von 65 auf 36 verschlechtert hatten. Zudem erhielt der Pilot von dem Lotsen die Information, die Bremswirkung sei „medium at all parts“ (also auf allen 3 Abschnitten der Landebahn), was nicht den tatsächlichen Bedingungen entsprach, denn der Fahrer hatte dem Lotsen „medium“ lediglich als Durchschnittswert für die gesamte Piste mitgeteilt. Der Pilot ging also davon aus, genauere Daten – nämlich für jeden Abschnitt der Landebahn einen Wert – zur Verfügung stehen zu haben, als dies tatsächlich der Fall war. Tatsächlich stand ihm nämlich nur ein gemittelter Wert für die drei Abschnitte zur Verfügung. Dass es bei der Messfahrt unmittelbar vor der Landung zu Problemen mit dem Drucker gekommen war und daher keine Einzelwerte vorlagen, war nicht an den Piloten weitergegeben worden. 38Die Kammer ist vielmehr aufgrund der glaubhaften, nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Aussage des Zeugen G3 (der den Unfall als Gutachter der X2 untersuchte) überzeugt, dass der Unfall nicht durch eine unzutreffende Einschätzung der Wetterlage durch die Piloten verursacht wurde, sondern, dass die Ursache des Unfalls das Fehlen einer zuverlässigen Messmethode für die Ermittlungen der Bremswerte bei Schneefall war. Der Zeuge G3 führte hierzu aus, dass die von dem Messfahrzeug ermittelten Bremswerte aus verschiedenen Gründen nicht auf die Bremswerte eines Flugzeugs übertragen werden könnten. Dies liege einerseits an technischen Gründen: Zum einen habe das Messfahrzeug eine erheblich geringe Masse als ein Flugzeug, zum anderen sei es mit einer deutlich geringeren Geschwindigkeit unterwegs. Darüber hinaus könne das Messfahrzeug die Messung nur auf einer sehr kleinen Teilfläche der Landebahn durchführen, die sich nicht zwingend mit derjenigen Teilfläche der Landebahn decke, auf der das Flugzeug später ausrollen würde. Zum anderen seien die an die Besatzung übermittelten Werte noch aus zwei weiteren Gründen ungenau: Zum einen ergebe sich zwangsläufig immer eine Zeitverzögerung zwischen Messung und Landung. Zum anderen stelle der Wert, der letztlich an die Besatzung weitergegeben werde, einen mehrfach gemittelten Wert dar, weil u.a. die drei unterschiedlichen Werte der jeweiligen Abschnitte nur als ein Durchschnittswert für die gesamte Piste durchgegeben werden. Unterschiede in der Bremswirkung auf verschiedenen Abschnitten könnten sich demnach bei dem Rechenvorgang ausgleichen und zu Ungenauigkeiten führen, beispielweise wenn ein schlechter Bremswert in dem einen Abschnitt von einem guten Bremswert in einem anderen Abschnitt mathematisch ausgeglichen würde. Die von dem Zeugen geschilderten Umstände sind für die Kammer auch in technischer Hinsicht nachvollziehbar. Es ist plausibel, dass Werte, die das Messfahrzeug bei einer Fahrt über die Landebahn ermittelt, nicht ohne weiteres auf ein landendes Flugzeug übertragbar sind. 39Gleichzeitig ist die Kammer der Ansicht, dass schon die Tatsache, dass dem Piloten nur der „Endwert“ durchgefunkt wird, dafür spricht, dass er sich grundsätzlich in gewissem Umfang auf den Towerlotsen verlassen darf. Denn wenn dem Piloten beispielsweise ein Teilbereichswert im Bereich von poor gar nicht bekannt wird aufgrund der vorher durchgeführten Berechnung, kann er zwangsläufig keine Entscheidung darüber treffen, ob ihm ein medium insgesamt ausreicht. Die Besatzung fragte vorliegend sogar konkret nach den drei Einzelwerten. Nachdem ihnen darauf hin „medium at all parts“ mitgeteilt wurde, hatten sie ihrer Sorgfaltspflicht genügt. Sie konnten nicht wissen, dass die Angabe medium nur den Mittelwert für die gesamte Landebahn darstellte, nachdem der Lotse auf ihre Frage hin, ausdrücklich einen mittleren Bremswert für alle Abschnitte durchgegeben hatte. Weshalb sich die Piloten hierauf nicht hätten verlassen dürfen und was sie noch hätten weiter veranlassen sollen, ist nicht ersichtlich. 40Es war auch nicht fehlerhaft, dass die Besatzung die durchgegebenen Werte zugrundelegte, denn andere, bessere Werte standen nicht zur Verfügung. Wie der Zeuge G3 auf Nachfrage der Kammer ausführte, gibt es auch derzeit, also mehr als 9 Jahre nach dem Unfall, im internationalen Flugbetrieb keine genauere Messmethode, als die damals eingesetzte. 41b. Die Besatzung hat sich auch bei dem Bremsvorgang nach der Landung verkehrsrichtig verhalten. Die Kammer geht davon aus, dass nach der (aus Sicht der Piloten richtigen) Entscheidung die Landung durchzuführen, die Piloten bestmöglich reagiert haben, es aber aufgrund der schlechten Bedingungen nicht mehr möglich war, das Flugzeug noch zu bremsen. 42Soweit die Klägerin der Ansicht ist, der entscheidende Fehler der Piloten sei die falsche Einstellung der Bremswirkung gewesen, ist die Kammer aufgrund der Ausführungen des Zeugen G3 überzeugt, dass den Piloten kein Fehler unterlaufen ist. 43Der Zeuge führte nachvollziehbar aus, dass die verschiedenen Einstellungen, die bei Verwendung des automatischen Bremssystems zur Verfügung stehen, nicht zwangsläufig zu kürzeren oder längeren Bremswegen führen, sondern dass die Bremswirkung immer von der Beschaffenheit der Landebahnoberfläche und deren Rollwiderstand abhänge. Entstehe auf der Landebahnoberfläche, beispielsweise witterungsbedingt, nicht ausreichend S-C-Straße, könne das Flugzeug nicht abgebremst werden, unabhängig davon, wie stark die Bremsen des Flugzeuges betätigt werden. Im konkreten Fall hätte es nach den Angaben des Zeugen G3 keinen Unterschied gemacht, ob „minimum“ oder „maximum“ eingestellt worden wäre, weil das Bremssystem immer versuchen würde, die voreingestellte Bremswirkung zu erreichen. Wenn die S-C-Straße – wie vorliegend – aber sehr gering ist, müssen die Räder durch das ABS-System immer wieder freigegeben werden, weil ein Blockieren, also ein Stillstand, automatisch verhindert wird. Dies ist für die Kammer nachvollziehbar. Aus vergleichbaren Situationen im T-C-Straße ist bekannt, dass unabhängig davon, wie gut die Bremsen sind, diese nur funktionieren, wenn auf der C-Straße S-C-Straße entsteht. Auf einer vereisten Fläche können auch die besten Bremsen nichts ausrichten. 44Zudem ergibt sich aus dem X2-Unfallbericht, dass die Besatzung bei der Einstellung des automatischen Bremssystems die Wetterbedingungen offensichtlich berücksichtigte, indem sie statt der Einstellung „minimum“ die Einstellung „medium“ wählte, obwohl das Ergebnis der Landeberechnung ergeben hatte, dass für das Flugzeug auch bei der Einstellung „minimum“ ausreichend Landebahnlänge zur Verfügung gestanden hätte. Des Weiteren gab der Zeuge G3 an, die Besatzung habe auf die Wetterbedingungen dadurch reagiert, dass sie eine neue Performanceberechnung durchgeführt habe. 45Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Besatzung nicht auf den übermittelten Wert „medium“ vertrauen durfte. Der Zeuge G3 bestätigte zwar, dass allen Beteiligten die zeitlichen Verzögerungen bei der Weitergabe der Werte bewusst seien, allerdings habe es nach seiner Ansicht für die Besatzung keinen Anlass gegeben, von einer so erheblichen Verschlechterung auszugehen, dass eine Landung unmöglich wurde. Die Besatzung durfte zudem aufgrund des Funkverkehrs davon ausgehen, dass der Bodenbesatzung die problematische Wetterlage bekannt war und entsprechende Vorkehrungen getroffen wurden. 46Die Aussage des Zeugen G3 ist auch deshalb glaubhaft, weil er den Unfall aus Sicht der X2 als unabhängiger Gutachter untersuchte und somit weder Grund hatte, eine der Parteien zu begünstigen, noch ein Eigeninteresse am Ausgang der Untersuchung hatte. Der Zeuge konnte aus formellen Gründen nicht als Sachverständiger auftreten. Seine Sachkunde zur Beantwortung der technischen Fragen, war jedoch erkennbar, da er in der Lage war, Nachfragen spontan und detailliert zu beantworten und auch für technische Laien nachvollziehbar darzulegen. Zugleich räumte er aber auch ein, wenn er zu bestimmten Aspekten keine Auskunft geben konnte, ohne in den entsprechenden Regelwerken nachzuschlagen. 472. Eine Haftung der Beklagten aus § 831 Absatz 1 BGB scheidet zudem aus, weil kein Überwachungs- oder Auswahlverschulden der Beklagten im Hinblick auf die eingesetzte Besatzung ersichtlich ist. Die Beklagte hat zu den Qualifikationen und Flugerfahrungen der drei Besatzungsmitglieder ausführlich und unter Beweisantritt vorgetragen, ohne dass die Klägerin dies bestritten hat. Die Klägerin hat auch nichts dazu dargelegt, aus welchen Gründen die Beklagte die Besatzung nicht hätte mit dem Flug betrauen dürfen. Derartiger Vortrag wäre nach den substantiierten Darlegungen der Beklagten aber erforderlich gewesen, da es der Beklagten nicht möglich ist, weiter zu der Eignung der Besatzung vorzutragen, ohne dass die Klägerin diese konkret angreift. Auch der X2-Bericht bestätigt, dass der verantwortliche Pilot und der Copilot über eine sehr große Gesamtflugerfahrung sowie Mustererfahrung verfügten (Seite 49 des X2-Berichts). 48III. Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 25 Absatz 3 i.V.m. 33 LuftVG. 49Es handelt sich hierbei ebenfalls um einen Anspruch aus Gefährdungshaftung, so dass die Vorschrift aus den bereits erörterten Gründen eng auszulegen ist (s.o. unter I.). Danach ist schon fraglich, ob mit „Landung“ i.S.d. § 25 Absatz 1 Satz 3 Nr. 1 LuftVG der gesamte Vorgang vom Anflug bis zum Stillstand des Flugzeugs auf dem zugewiesenen „Parkplatz“ gemeint ist oder lediglich der Aufsetzpunkt. Jedenfalls ist die Regelung, dass dem Berechtigten Ansprüche zustehen sollen, wenn ein Flugzeug ohne Erlaubnis außerhalb der in der Flugplatzgenehmigung festgelegten Landebahn landet, dahingehend auszulegen, dass hiermit Fälle gemeint sind, in denen ein Flugzeug bewusst und von vorneherein geplant auf einer nicht freigegebenen Fläche landet. Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall, zumal sich der Aufsetzpunkt des Flugzeugs (touch down) auf der regulären und für das Flugzeug freigegebenen Landebahn befand und auch in dem hierfür vorgesehenen Abschnitt (vgl. Seite 50 des BGU-Gutachtens). Für die von ihm durchgeführte Landung hatte der Pilot eine Erlaubnis. Soweit das Flugzeug anschließend in einen Bereich außerhalb der Landebahn geriet, handelte es sich hierbei nicht um eine bewusste Handlung der Piloten, sondern eine Folge der Wetterbedingungen (s.o. unter II.). Das Abkommen von der Piste war von den Piloten nicht mehr zu verhindern. Die Situation gleicht somit mehr derjenigen eines Notfalls, der in § 25 Absatz 2 LuftVG geregelt ist. 50IV. In Ermangelung einer Hauptforderung besteht kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen, § 286 BGB. 51Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Absatz 1 Satz 1, 101, 709 Satz 2 ZPO. 52Streitwert: 194.416,47 Euro 53Rechtsbehelfsbelehrung: 54A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist, 55a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder 56b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist. 57Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht G, D-Allee, 40474 G, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. 58Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht G zu begründen. 59Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht G durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 60Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden. 61B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht G statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht G, X-C-Straße, 40227 G, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. | die klage wird abgewiesen. die kosten des rechtsstreits trägt die klägerin. die streithelferin trägt die kosten der nebenintervention. das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrags vorläufig vollstreckbar. 1 | 2die parteien streiten über schadensersatzansprüche aus einem flugunfall auf dem b2, bei dem sachschaden entstand. 3die klägerin ist ein flugsicherungsunternehmen (§ 31 b und d luftvg), welches u.a. am b2 aufgaben der flugsicherung gemäß § 27 c absatz 2 luftvg wahrnimmt. zu diesem zweck hat die klägerin am ende der rollbahnen verschiedene geräte wie sendefunkantennen und fernfeldmonitore aufgestellt. 4die beklagte ist im bereich des internationalen luftfrachtbetriebes tätig, wobei sie die transportflüge teils mit eigenen und teils mit geleasten flugzeugen wahrnimmt. 5am 24.04.2005 gegen 06:00 uhr (ortszeit, so auch alle folgenden uhrzeiten) kam es bei der landung des flugzeuges mit der kennnummer uae 9995 (typ boeing 747 – 200; amtliches kennzeichen a) am g zu einem unfall. zum unfallzeitpunkt war die beklagte halterin dieses flugzeugs. das flugzeug, welches für die fluggesellschaft b luftfracht von dubai nach g transportierte, kam nicht innerhalb der landebahn (23 l) zum stehen, sondern rollte über diese hinaus auf das hinter der landebahn befindliche rasenfeld. dabei wurden einrichtungen des instrumentenlandesystems (antenne des landekurssenders für die landebahn l 23 und ein fernfeldmonitor für die landebahn 05 r), die die klägerin dort aufgestellt hatte, zerstört. 6am unfalltag hatte es in g gegen 05:45 uhr ortszeit (entspricht 04:45 utc = koordinierte weltzeit), als sich das flugzeug im landeanflug befand, angefangen zu schneien. aufgrund dessen nahmen mitarbeiter der g gmbh messungen auf den landebahnen des flughafens g vor, um die oberflächenbeschaffenheit zu überprüfen. die oberflächenbeschaffenheit von landebahnen in bezug auf die bremswirkung wird in 5 kategorien von poor (friktionswerte von 0.25 und weniger) bis good (friktionswerte von 0.40 und mehr) eingeteilt (vgl. i.e. gutachten der bundesstelle für flugunfalluntersuchung (x2) seite 33). 7eine erste messung der friktionswerte um 05:40 uhr ergab einen wert von 65 (good). eine zweite messung fand zwischen 05:49 uhr und 05: 51 uhr statt und ergab einen durchschnittlichen friktionswert von 36 (medium). 8zwischen 05:39 uhr und 05:56 uhr fand zwischen dem rolllotsen und dem fahrer des messfahrzeugs, welches die friktionswerte ermittelte, mehrfach funkverkehr betreffend den zustand der landebahnen statt. um 05:56 uhr teilte der messfahrzeugfahrer dem lotsen mit, dass er aufgrund der messdaten die landebahn als „medium“ bewerte und fügte hinzu, dass es stellenweise doch relativ glatt sei. auf die nachfrage des lotsen, ob der fahrer ihm einzelne daten für die drei landebahnabschnitte mitteilen könne, gab der fahrer an, dass er auf der rückfahrt einen durchschnittswert von 36 gehabt habe, weitere werte im moment aber nicht weitergeben könne, weil sein drucker nicht funktioniere. er habe jedoch ziemlich genau 30er werte. die nachfrage des lotsen, ob es alles 30er werte gewesen seien, bejahte der fahrer und ergänzte, dass stellenweise mal 25er werte dabei gewesen seien. prinzipiell seien die wert aber so um die 30 gewesen. für die weiteren einzelheiten der kommunikation wird auf seite 20 f. des untersuchungsberichts der x2 verwiesen. 9um 05:50 uhr teilte der lotse der cockpitbesatzung mit, dass die bremswirkung im moment noch gut sei, aber noch ein weiterer friktionstest geplant sei, da es weiterhin schneie und man eine verschlechterung befürchte. 10um 05:56 uhr teilte der zuständige mitarbeiter der g gmbh dem diensthabenden lotsen (mitarbeiter der klägerin) den landebahnzustand als „medium“ mit. 11um 05:59 uhr teilte der lotse der besatzung des flugzeugs mit: „b 9995 the braking action was measured to be medium at all parts and the visibility dropped right now due to the heavy snow showers“. diese information wurde vom cockpit bestätigt. um 05:59:47 uhr wurde vom tower die landefreigabe erteilt. 12das flugzeug setzte innerhalb der aufsetzzone (1100 feet bis 1600 feet) hinter der landebahnschwelle auf. die bremsung des flugzeugs wurde zunächst mit dem automatischen bremssystem durchgeführt, ob die piloten anschließend manuell bremsten ist streitig. das flugzeug kam ca. 75 m hinter dem ende der asphaltierten fläche (landebahnende) zum stehen. dabei wurden diverse messinstrumente, die sich auf dem rasenfeld hinter dem landebahnende befanden, zerstört. 13die klägerin behauptet, sie sei eigentümerin der zerstörten messinstrumente. die behebung der schäden koste 194.416,47 euro. 14sie ist der ansicht, dass ihr sowohl aus § 33 luftvg als auch aus § 831 bgb und aus §§ 25 absatz 3 i.v.m. 33 luftvg ein schadensersatzanspruch gegen die beklagte zustehe. die besatzungsmitglieder des in den unfall verwickelten flugzeugs seien verrichtungsgehilfen der beklagten und hätten in ausführung dieser tätigkeit das eigentum der klägerin widerrechtlich zerstört. 15die streithelferin schließt sich dem vortrag der klägerin an und behauptet ergänzend, dass der unfall hätte verhindert werden können, wenn die piloten von anfang an, manuell gebremst hätten oder die automatische bremsleistung auf „maximum“ statt nur auf „medium“ gestellt hätten. ebenfalls hätten die piloten das flugzeug pflicht- und sorgfaltswidrig zu weit entfernt vom landebahnbeginn aufgesetzt und hierdurch die zur verfügung stehende bremsstrecke unnötig verkürzt. sie, die streithelferin, habe ausreichend viele messfahrten durchgeführt. 16die klägerin und die streithelferin beantragen, 17die beklagte zu verurteilen, an die klägerin 194.416,47 euro nebst zinsen in höhe von 8 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 11. märz 2006 zu zahlen. 18die streithelferin beantragt zudem, der beklagten die kosten der nebenintervention aufzuerlegen. 19die beklagte beantragt, 20 die klage abzuweisen. 21die beklagte behauptet, dass sich die piloten objektiv fehlerfrei verhalten hätten. insbesondere die landung sei fehlerfrei erfolgt. die piloten hätten keinen anlass gehabt, die landung abzubrechen, da ihnen lediglich der friktionswert 36 mitgeteilt worden sei, ihnen jedoch – im gegensatz zu den lotsen – nicht die negative entwicklung der friktionswerte bekannt gewesen sei. die besatzung habe, als der pilot bemerkte, dass die bremswirkung nicht ausreiche, manuell gebremst. 22die beklagte ist der ansicht, dass § 33 luftvg nicht anwendbar sei, weil es sich bei der klägerin nicht um eine am flugbetrieb unbeteiligte person handele. eine haftung der beklagten nach § 831 bgb scheide jedenfalls deshalb aus, weil die beklagte kein auswahl- oder überwachungsverschulden treffe. 23die kammer hat beweis erhoben gemäß des beweisbeschlusses vom 24.07.2007 (bl. 283 d.a.), des beschlusses vom 23.01.2014 (bl. 327 d.a.) und des beweisbeschlusses vom 15.07.2014 (bl. 353 d.a.). hinsichtlich des ergebnisses der beweisaufnahme wird auf die schriftlichen aussagen der zeugen l (bl. 301 r d.a.) und dr. p (bl. 307 ff. d.a.), den untersuchungsbericht der bundesstelle für fluguntersuchung (x2) und die vernehmung des zeugen g3 (bl. 361 ff. d.a.) bezug genommen. 24die streitverkündete ist dem rechtsstreit mit schriftsatz vom 10.05.2007 beigetreten. 25 | 26die zulässige klage hat keinen erfolg. 27der klägerin stehen keine schadensersatzansprüche gegen die beklagte zu; weder aus § 33 luftvg (dazu unter i.), noch aus § 831 bgb (dazu unter ii.), noch aus § 25 absatz 3 luftvg i.v.m. § 33 luftvg (dazu unter iii.). ob die klägerin aktivlegitimiert ist, kann somit dahinstehen. 28i. die klägerin hat keinen anspruch gegen die beklagte aus gefährdungshaftung gemäß § 33 luftvg, weil die vorschrift nicht einschlägig ist. die vorschrift greift nicht zugunsten von geschädigten ein, die am betrieb des luftfahrzeugs beteiligt waren, sondern nur zugunsten von geschädigten, die ohne irgendwie geartete beteiligung an dem betrieb des schadenstiftenden luftfahrzeugs zu schaden kommen (bgh in nzv 1991, 112). dass bei diesem verständnis der vorschrift der kreis der geschützten personen verhältnismäßig klein ist, findet seine rechtfertigung in der strengen, fast voraussetzungslosen haftung, die keine berufung auf ein unabwendbares ereignis oder höhere gewalt zulässt (bgh a.a.o.; bgh in versr 1962, 530). gegen eine solche auslegung spricht nicht, dass bei einem solch engen anwendungsbereich für eine anwendung des § 34 luftvg (mitverschulden) kein raum bliebe. dies ist nicht der fall. denn es kommen – neben abstürzen – auch fälle in betracht, bei denen flugzeuge in der luft zusammenstoßen oder bei denen sich die späteren geschädigten leichtsinnig in die nähe eines startenden oder landenden flugzeugs begeben (bgh in nzv 1991, 112). 29bei anwendung dieser grundsätze ist die klägerin keine unbeteiligte dritte in bezug auf den betrieb des flugzeugs der beklagten bei der landung am unfalltag. sie ist hier nicht ohne eine irgendwie geartete beteiligung am betrieb des flugzeugs geschädigt worden. die klägerin hat die geltend gemachten schäden vielmehr in ihrer eigenschaft als flugsicherungsunternehmen erlitten. die von ihr hinter der landebahn aufgestellten geräte dienten gerade dazu, eine sichere landung der den flughafen anfliegenden flugzeuge und eben auch des flugzeugs der beklagten zu gewährleisten. soweit der bgh auch fälle in die haftung mit einbezieht, in denen sich die späteren geschädigten leichtsinnig in die nähe eines startenden oder landenden flugzeugs begeben haben, sind diese konstellationen nicht auf den vorliegenden fall übertragbar. die klägerin hat sich nämlich mit ihren messinstrumenten nicht leichtsinnig oder zufällig in die nähe der landebahn begeben, sondern die geräte dort bestimmungsgemäß aufgestellt. an anderer stelle könnten diese geräte womöglich gar nicht ihre funktion erfüllen. die entscheidung, die geräte in den näheren gefahrenbereich der landebahn zu verbringen, erfolgte also bewusst und es entsprang nicht dem zufall, dass sich die geräte dort befanden, als es zu dem flugunfall und der schädigung kam. insoweit ist der vorliegende fall durchaus mit der von dem bgh entschiedenen konstellation vergleichbar. dort war einem als bodenhelfer bei der landung eines segelflugzeugs tätigen geschädigten die berufung auf § 33 luftvg verwehrt worden, weil dieser an der landung beteiligt gewesen sei. vorliegend befand sich die klägerin zwar nicht als person im gefahrenbereich vor ort, jedoch übernahmen die von ihr im gefahrenbereich aufgestellten – und im zuge dessen zerstörten – geräte die aufgaben eines „landehelfers“ und ersetzten somit eine sonst erforderliche „körperliche nähe“. soweit die klägerin darauf hinweist, dass personen, die zwar zum gelingen des fluges beitragen, jedoch keinen körperlichen kontakt beabsichtigen, vom schutzzweck des § 33 luftvg personen erfasst werden, ist dies mit der zugrundegelegten wertung durchaus vereinbar. wäre ein mitarbeiter der klägerin in einem entfernteren gebäude dadurch zu schaden gekommen, dass beispielsweise ein flugzeug der beklagten in dieses gebäude gestürzt wäre, hätte er sich nicht bestimmungsgemäß im gefahrenbereich befunden und eine haftung nach § 33 luftvg wäre nicht ausgeschlossen gewesen. hiervon unterscheidet sich der vorliegende fall jedoch maßgeblich, weil eben nicht ein von der landebahn räumlich entfernter mitarbeiter (zufällig) geschädigt wurde, sondern instrumente, die bestimmungsgemäß im umfeld der landebahn platziert wurden. 30ii. die klägerin hat keinen anspruch gegen die beklagte aus § 831 absatz 1 bgb. 311. die beklagte hat bewiesen, dass sich die besatzung beim landevorgang verkehrsrichtig verhalten hat. der geschäftsherr, hier die beklagte, kann im rahmen des § 831 absatz 1 bgb den entlastungsbeweis (auch) dadurch antreten, dass der schaden selbst bei anwendung der erforderlichen sorgfalt entstanden wäre, es also an der ursächlichkeit zwischen seiner vermuteten sorgfaltspflichtverletzung und dem schaden fehlt (sprau in palandt, bgb, 74. auflage 2015, § 831 rn. 16). dieser nachweis kann dadurch geführt werden, dass der geschäftsherr beweist, dass sich der gehilfe – hier die besatzung – so verhalten hat, wie jede andere person sich sachgerecht und vernünftig verhalten hätte (bgh in versr 75, 447; olg oldenburg njw-rr 88, 38 m.w.n.), denn dann bestünde auch im falle eigenen handelns des geschäftsherrn kein anspruch (bgh in njw 96, 3205). beispielsweise haftet der geschäftsherr nicht für den verkehrsunfall seines angestellten fahrers, wenn sich dieser verkehrsrichtig verhalten hat (olg hamm njw-rr 98, 1402). 32nach dem ergebnis der beweisaufnahme steht fest, dass die piloten weder fehlerhaft den landeanflug fortgesetzt haben (a.), noch haben sie fehler bei der bremsung des flugzeugs nach dem aufsetzen gemacht (b.). 33a. die entscheidung der piloten, die landung durchzuführen und nicht durchzustarten, war vor dem hintergrund der ihnen zur verfügung stehenden informationen korrekt. es ist bei einer gesamtbetrachtung des funkverkehrs nicht ersichtlich, weshalb die piloten davon ausgehen hätten müssen, dass eine landung wetterbedingt nicht möglich ist. 34im einzelnen: 35der besatzung wurde kurz vor der landefreigabe mitgeteilt, die bremswirkung sei auf allen 3 abschnitten der landebahn „medium“. aus sicht der besatzung sprach demnach nichts gegen die fortsetzung des sinkflugs. dies wird durch die x2 bestätigt, danach war es aus sicht der x2 nachvollziehbar, dass sich die besatzung zur landung entschloss. insbesondere lagen die seitenwinde innerhalb des bei „rutschigen“ (slippery) landebahnen geltenden toleranzbereichs. 36zwar war den piloten auch bekannt, dass „heavy snow showers“ vorliegen würden, allerdings wurde ihnen nach dieser information weiter mitgeteilt, die bremswirkung sei „medium at all parts“. aufgrund dieser zeitlichen reihenfolge der informationen durften die piloten davon ausgehen, dass eine landung – trotz der schweren schneefälle – möglich sein würde, denn ihnen wurde mitgeteilt, dass auf allen drei abschnitten der landebahn mittlere bremswirkung gemessen wurde. aus ihrer sicht konnten sie die informationen zu den wetterbedingungen nur so verstehen, dass die bremswirkung trotz des schnees bei medium liegen würde. 37die klägerin führt im übrigen selbst aus, dass die angaben des messfahrzeugfahrers eher vage waren, aber nicht den schluss zugelassen hätten, dass eine sichere landung nicht hätte erfolgen können. dementsprechend war es seitens der piloten, denen noch weniger informationen vorlagen als dem towerlotsen, nicht fehlerhaft, die landung durchzuführen. insbesondere war den piloten nämlich nicht aus visueller wahrnehmung bekannt, wie stark es tatsächlich schneite und dass sich die bremswerte auf der landebahn innerhalb von rund 10 minuten von 65 auf 36 verschlechtert hatten. zudem erhielt der pilot von dem lotsen die information, die bremswirkung sei „medium at all parts“ (also auf allen 3 abschnitten der landebahn), was nicht den tatsächlichen bedingungen entsprach, denn der fahrer hatte dem lotsen „medium“ lediglich als durchschnittswert für die gesamte piste mitgeteilt. der pilot ging also davon aus, genauere daten – nämlich für jeden abschnitt der landebahn einen wert – zur verfügung stehen zu haben, als dies tatsächlich der fall war. tatsächlich stand ihm nämlich nur ein gemittelter wert für die drei abschnitte zur verfügung. dass es bei der messfahrt unmittelbar vor der landung zu problemen mit dem drucker gekommen war und daher keine einzelwerte vorlagen, war nicht an den piloten weitergegeben worden. 38die kammer ist vielmehr aufgrund der glaubhaften, nachvollziehbaren und widerspruchsfreien aussage des zeugen g3 (der den unfall als gutachter der x2 untersuchte) überzeugt, dass der unfall nicht durch eine unzutreffende einschätzung der wetterlage durch die piloten verursacht wurde, sondern, dass die ursache des unfalls das fehlen einer zuverlässigen messmethode für die ermittlungen der bremswerte bei schneefall war. der zeuge g3 führte hierzu aus, dass die von dem messfahrzeug ermittelten bremswerte aus verschiedenen gründen nicht auf die bremswerte eines flugzeugs übertragen werden könnten. dies liege einerseits an technischen gründen: zum einen habe das messfahrzeug eine erheblich geringe masse als ein flugzeug, zum anderen sei es mit einer deutlich geringeren geschwindigkeit unterwegs. darüber hinaus könne das messfahrzeug die messung nur auf einer sehr kleinen teilfläche der landebahn durchführen, die sich nicht zwingend mit derjenigen teilfläche der landebahn decke, auf der das flugzeug später ausrollen würde. zum anderen seien die an die besatzung übermittelten werte noch aus zwei weiteren gründen ungenau: zum einen ergebe sich zwangsläufig immer eine zeitverzögerung zwischen messung und landung. zum anderen stelle der wert, der letztlich an die besatzung weitergegeben werde, einen mehrfach gemittelten wert dar, weil u.a. die drei unterschiedlichen werte der jeweiligen abschnitte nur als ein durchschnittswert für die gesamte piste durchgegeben werden. unterschiede in der bremswirkung auf verschiedenen abschnitten könnten sich demnach bei dem rechenvorgang ausgleichen und zu ungenauigkeiten führen, beispielweise wenn ein schlechter bremswert in dem einen abschnitt von einem guten bremswert in einem anderen abschnitt mathematisch ausgeglichen würde. die von dem zeugen geschilderten umstände sind für die kammer auch in technischer hinsicht nachvollziehbar. es ist plausibel, dass werte, die das messfahrzeug bei einer fahrt über die landebahn ermittelt, nicht ohne weiteres auf ein landendes flugzeug übertragbar sind. 39gleichzeitig ist die kammer der ansicht, dass schon die tatsache, dass dem piloten nur der „endwert“ durchgefunkt wird, dafür spricht, dass er sich grundsätzlich in gewissem umfang auf den towerlotsen verlassen darf. denn wenn dem piloten beispielsweise ein teilbereichswert im bereich von poor gar nicht bekannt wird aufgrund der vorher durchgeführten berechnung, kann er zwangsläufig keine entscheidung darüber treffen, ob ihm ein medium insgesamt ausreicht. die besatzung fragte vorliegend sogar konkret nach den drei einzelwerten. nachdem ihnen darauf hin „medium at all parts“ mitgeteilt wurde, hatten sie ihrer sorgfaltspflicht genügt. sie konnten nicht wissen, dass die angabe medium nur den mittelwert für die gesamte landebahn darstellte, nachdem der lotse auf ihre frage hin, ausdrücklich einen mittleren bremswert für alle abschnitte durchgegeben hatte. weshalb sich die piloten hierauf nicht hätten verlassen dürfen und was sie noch hätten weiter veranlassen sollen, ist nicht ersichtlich. 40es war auch nicht fehlerhaft, dass die besatzung die durchgegebenen werte zugrundelegte, denn andere, bessere werte standen nicht zur verfügung. wie der zeuge g3 auf nachfrage der kammer ausführte, gibt es auch derzeit, also mehr als 9 jahre nach dem unfall, im internationalen flugbetrieb keine genauere messmethode, als die damals eingesetzte. 41b. die besatzung hat sich auch bei dem bremsvorgang nach der landung verkehrsrichtig verhalten. die kammer geht davon aus, dass nach der (aus sicht der piloten richtigen) entscheidung die landung durchzuführen, die piloten bestmöglich reagiert haben, es aber aufgrund der schlechten bedingungen nicht mehr möglich war, das flugzeug noch zu bremsen. 42soweit die klägerin der ansicht ist, der entscheidende fehler der piloten sei die falsche einstellung der bremswirkung gewesen, ist die kammer aufgrund der ausführungen des zeugen g3 überzeugt, dass den piloten kein fehler unterlaufen ist. 43der zeuge führte nachvollziehbar aus, dass die verschiedenen einstellungen, die bei verwendung des automatischen bremssystems zur verfügung stehen, nicht zwangsläufig zu kürzeren oder längeren bremswegen führen, sondern dass die bremswirkung immer von der beschaffenheit der landebahnoberfläche und deren rollwiderstand abhänge. entstehe auf der landebahnoberfläche, beispielsweise witterungsbedingt, nicht ausreichend s-c-straße, könne das flugzeug nicht abgebremst werden, unabhängig davon, wie stark die bremsen des flugzeuges betätigt werden. im konkreten fall hätte es nach den angaben des zeugen g3 keinen unterschied gemacht, ob „minimum“ oder „maximum“ eingestellt worden wäre, weil das bremssystem immer versuchen würde, die voreingestellte bremswirkung zu erreichen. wenn die s-c-straße – wie vorliegend – aber sehr gering ist, müssen die räder durch das abs-system immer wieder freigegeben werden, weil ein blockieren, also ein stillstand, automatisch verhindert wird. dies ist für die kammer nachvollziehbar. aus vergleichbaren situationen im t-c-straße ist bekannt, dass unabhängig davon, wie gut die bremsen sind, diese nur funktionieren, wenn auf der c-straße s-c-straße entsteht. auf einer vereisten fläche können auch die besten bremsen nichts ausrichten. 44zudem ergibt sich aus dem x2-unfallbericht, dass die besatzung bei der einstellung des automatischen bremssystems die wetterbedingungen offensichtlich berücksichtigte, indem sie statt der einstellung „minimum“ die einstellung „medium“ wählte, obwohl das ergebnis der landeberechnung ergeben hatte, dass für das flugzeug auch bei der einstellung „minimum“ ausreichend landebahnlänge zur verfügung gestanden hätte. des weiteren gab der zeuge g3 an, die besatzung habe auf die wetterbedingungen dadurch reagiert, dass sie eine neue performanceberechnung durchgeführt habe. 45es sind keine anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die besatzung nicht auf den übermittelten wert „medium“ vertrauen durfte. der zeuge g3 bestätigte zwar, dass allen beteiligten die zeitlichen verzögerungen bei der weitergabe der werte bewusst seien, allerdings habe es nach seiner ansicht für die besatzung keinen anlass gegeben, von einer so erheblichen verschlechterung auszugehen, dass eine landung unmöglich wurde. die besatzung durfte zudem aufgrund des funkverkehrs davon ausgehen, dass der bodenbesatzung die problematische wetterlage bekannt war und entsprechende vorkehrungen getroffen wurden. 46die aussage des zeugen g3 ist auch deshalb glaubhaft, weil er den unfall aus sicht der x2 als unabhängiger gutachter untersuchte und somit weder grund hatte, eine der parteien zu begünstigen, noch ein eigeninteresse am ausgang der untersuchung hatte. der zeuge konnte aus formellen gründen nicht als sachverständiger auftreten. seine sachkunde zur beantwortung der technischen fragen, war jedoch erkennbar, da er in der lage war, nachfragen spontan und detailliert zu beantworten und auch für technische laien nachvollziehbar darzulegen. zugleich räumte er aber auch ein, wenn er zu bestimmten aspekten keine auskunft geben konnte, ohne in den entsprechenden regelwerken nachzuschlagen. 472. eine haftung der beklagten aus § 831 absatz 1 bgb scheidet zudem aus, weil kein überwachungs- oder auswahlverschulden der beklagten im hinblick auf die eingesetzte besatzung ersichtlich ist. die beklagte hat zu den qualifikationen und flugerfahrungen der drei besatzungsmitglieder ausführlich und unter beweisantritt vorgetragen, ohne dass die klägerin dies bestritten hat. die klägerin hat auch nichts dazu dargelegt, aus welchen gründen die beklagte die besatzung nicht hätte mit dem flug betrauen dürfen. derartiger vortrag wäre nach den substantiierten darlegungen der beklagten aber erforderlich gewesen, da es der beklagten nicht möglich ist, weiter zu der eignung der besatzung vorzutragen, ohne dass die klägerin diese konkret angreift. auch der x2-bericht bestätigt, dass der verantwortliche pilot und der copilot über eine sehr große gesamtflugerfahrung sowie mustererfahrung verfügten (seite 49 des x2-berichts). 48iii. schließlich hat die klägerin auch keinen anspruch gegen die beklagte aus §§ 25 absatz 3 i.v.m. 33 luftvg. 49es handelt sich hierbei ebenfalls um einen anspruch aus gefährdungshaftung, so dass die vorschrift aus den bereits erörterten gründen eng auszulegen ist (s.o. unter i.). danach ist schon fraglich, ob mit „landung“ i.s.d. § 25 absatz 1 satz 3 nr. 1 luftvg der gesamte vorgang vom anflug bis zum stillstand des flugzeugs auf dem zugewiesenen „parkplatz“ gemeint ist oder lediglich der aufsetzpunkt. jedenfalls ist die regelung, dass dem berechtigten ansprüche zustehen sollen, wenn ein flugzeug ohne erlaubnis außerhalb der in der flugplatzgenehmigung festgelegten landebahn landet, dahingehend auszulegen, dass hiermit fälle gemeint sind, in denen ein flugzeug bewusst und von vorneherein geplant auf einer nicht freigegebenen fläche landet. dies ist hier ersichtlich nicht der fall, zumal sich der aufsetzpunkt des flugzeugs (touch down) auf der regulären und für das flugzeug freigegebenen landebahn befand und auch in dem hierfür vorgesehenen abschnitt (vgl. seite 50 des bgu-gutachtens). für die von ihm durchgeführte landung hatte der pilot eine erlaubnis. soweit das flugzeug anschließend in einen bereich außerhalb der landebahn geriet, handelte es sich hierbei nicht um eine bewusste handlung der piloten, sondern eine folge der wetterbedingungen (s.o. unter ii.). das abkommen von der piste war von den piloten nicht mehr zu verhindern. die situation gleicht somit mehr derjenigen eines notfalls, der in § 25 absatz 2 luftvg geregelt ist. 50iv. in ermangelung einer hauptforderung besteht kein anspruch auf zahlung von zinsen, § 286 bgb. 51die nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 absatz 1 satz 1, 101, 709 satz 2 zpo. 52streitwert: 194.416,47 euro 53rechtsbehelfsbelehrung: 54a) gegen dieses urteil ist das rechtsmittel der berufung für jeden zulässig, der durch dieses urteil in seinen rechten benachteiligt ist, 55a) wenn der wert des beschwerdegegenstandes 600,00 eur übersteigt oder 56b) wenn die berufung in dem urteil durch das landgericht zugelassen worden ist. 57die berufung muss innerhalb einer notfrist von einem monat nach zustellung dieses urteils schriftlich bei dem oberlandesgericht g, d-allee, 40474 g, eingegangen sein. die berufungsschrift muss die bezeichnung des urteils (datum des urteils, geschäftsnummer und parteien) gegen das die berufung gerichtet wird, sowie die erklärung, dass gegen dieses urteil berufung eingelegt werde, enthalten. 58die berufung ist, sofern nicht bereits in der berufungsschrift erfolgt, binnen zwei monaten nach zustellung dieses urteils schriftlich gegenüber dem oberlandesgericht g zu begründen. 59die parteien müssen sich vor dem oberlandesgericht g durch einen rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die berufungs- und die berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 60mit der berufungsschrift soll eine ausfertigung oder beglaubigte abschrift des angefochtenen urteils vorgelegt werden. 61b) gegen die streitwertfestsetzung ist die beschwerde an das landgericht g statthaft, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,00 eur übersteigt oder das landgericht die beschwerde zugelassen hat. die beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs monaten, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem landgericht g, x-c-straße, 40227 g, schriftlich in deutscher sprache oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle einzulegen. die beschwerde kann auch zur niederschrift der geschäftsstelle eines jeden amtsgerichtes abgegeben werden. ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann die beschwerde noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. | Verklagte*r | 0 |
183,583 | 10 K 7373/12 | 2014-02-26T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die am 00.00.0000 in Coburg/ Deutschland geborene Klägerin zu 1.) ist die Mutter der am 00.00.0000 in der Türkei geborenen Klägerin zu 2.) und des am 00.00.0000 ebenfalls in der Türkei geborenen Klägers zu 3.). 3Die Klägerin zu 1.) war zum Zeitpunkt ihrer Geburt türkische Staatsangehörige. Sie wurde am 25. April 1996 vom Landratsamt Coburg unter Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit in den deutschen Staatsverband eingebürgert. 4Am 1. Mai 1997 nahm die Klägerin zu 1.) eine Beschäftigung bei der deutschen Botschaft in Ankara auf. 5Am 2. August 1997 heiratete die Klägerin zu 1.) in der Türkei den türkischen Staatsangehörigen T. E. . 6Die deutsche Botschaft in Ankara stellte der Klägerin zu 2.) am 21. August 2000 einen Kinderausweis und der Klägerin zu 1.) am 31. Mai 2002 einen Reisepass aus. 7Als die Klägerin zu 1.) im Jahre 2008 bei der Botschaft einen Kinderausweis für den Kläger zu 3.) beantragte, fiel durch einen Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister (vgl. Blatt 23 des Verwaltungsvorgangs) auf, dass sie dort von dem Datum ihrer Eheschließung an bis zur Empfangnahme einer Urkunde über die Ausbürgerung aus der türkischen Staatsangehörigkeit am 15. Oktober 1999 als türkische Staatsangehörige geführt worden war. Die Botschaft hatte aufgrund dessen Zweifel am Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit der Klägerin zu 1.) und forderte sie auf, ein Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren durchzuführen. 8Die Klägerin zu 1.) beantragte daraufhin über die Botschaft bei der Beklagten Ende 2009 die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises für sich, die Klägerin zu 2.) und den Kläger zu 3.). Sie füllte in dem vorformulierten Antragsvordruck der Beklagten u. a. aus, sie habe sich von ihrer Geburt bis zum Jahre 1996 in Deutschland und seitdem (1996) in der Türkei aufgehalten. Unter dem 2. Oktober 2009 gab sie gegenüber der Botschaft eine „dienstliche Erklärung“ mit folgendem Inhalt ab: Sie habe im Rahmen ihrer Eheschließung auf Geheiß des türkischen Standesbeamten eine Erklärung unterschreiben müssen, nach der sie mit wirksam erfolgter Eheschließung die Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes akzeptiere. Ihr sei angedroht worden, dass sie im Falle einer Unterschriftsverweigerung die Ehe nicht wirksam schließen könne. Da sie in Deutschland aufgewachsen und zur Schule gegangen sei, hätten ihre Türkischkenntnisse erhebliche Mängel aufgewiesen. Sie habe den Inhalt der von ihr unterschriebenen Erklärung nicht richtig verstehen und damit die rechtliche Tragweite ihres Handelns nicht überblicken können. Erst 1998 habe sie anlässlich der Ausstellung eines Auszuges aus dem türkischen Personenstandsregister gemerkt, dass sie durch die Eheschließung automatisch die türkische Staatsangehörigkeit angenommen habe. Sie sei geschockt gewesen und habe alles daran gesetzt, sich so schnell wie möglich wieder aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen zu lassen. Mit Erhalt der Ausbürgerungsurkunde sei sie sich sicher gewesen, nur noch deutsche Staatsangehörige zu sein. Als sie im Jahre 2008 im Rahmen der Beantragung des Kinderausweises für den Kläger zu 3.) erfahren habe, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit möglicherweise verloren habe, sei sie völlig fassungslos gewesen. Sie habe die ganze Zeit nie geglaubt, faktisch staatenlos zu sein. Der Ausstellung ihres Reisepasses im Jahre 2002 und der Ausstellung des Kinderausweises an die Klägerin zu 2.) im Jahre 2000 sei die Vorlage eines Auszuges aus dem türkischen Personenstandsregister vorausgegangen, der sie jeweils (nur) als deutsche Staatsangehörige ausgewiesen habe. Ihre Abmeldung aus Deutschland sei erst circa sechs Monate nach ihrer Eheschließung im Januar 1998 erfolgt. In den Monaten zwischen der Eheschließung und der Abmeldung aus Deutschland habe es die Möglichkeit gegeben, mit ihrem Ehemann auch in Deutschland zu leben und zu arbeiten. Sie sei monatelang zwischen der Türkei und Deutschland hin- und hergependelt, um sich zu entscheiden. Sie habe seinerzeit nicht gewusst, ob sie sich in der Türkei würde einleben können. Sie habe noch immer eine sehr enge Beziehung zu Deutschland und sei mit dem Zweitwohnsitz in Ebersdorf bei Coburg gemeldet. Sie wolle über kurz oder lang wieder nach Deutschland zurückkehren, um hier zu leben, zu arbeiten und sich zur Ruhe zu setzen. Ein Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit komme für sie nicht in Betracht. Sie bitte um Anerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit. Sie habe damals eine Unterschrift aus Liebe geleistet. Niemand habe sie über die Folgen belehrt. Als sie von dem Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit erfahren habe, habe sie alles in ihrer Macht stehende getan, um diesen Fehler zu korrigieren. Wegen der Einzelheiten der Erklärung wird auf Blatt 11 f. des Verwaltungsvorgangs verwiesen. 9Mit Übersendungsschreiben vom 18. November 2009 teilte die deutsche Botschaft in Ankara zu dem Antrag der Kläger Folgendes ergänzend mit: Die Klägerin zu 1.) habe am Tag der Eheschließung eine Erklärung zur Staatsangehörigkeit unterzeichnet, deren Inhalt und Tragweite ihr aufgrund ihrer mangelhaften türkischen Sprachkenntnisse nicht deutlich geworden sei. Sie sei zum Zeitpunkt der Eheschließung in Deutschland noch gemeldet gewesen und sei regelmäßig dorthin zurückgekehrt. Sie sei stets als deutsche Staatsangehörige behandelt worden. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Blatt 2 f. des Verwaltungsvorgangs verwiesen. 10Nachdem die Beklagte zuvor Auskünfte zu den Meldewohnsitzen der Klägerin zu 1.) in Deutschland eingeholt hatte, lehnte sie den Antrag auf Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen mit Bescheid vom 20. März 2012, zugestellt am 4. April 2012, ab. Zur Begründung führte sie an: Die Klägerin zu 1.) sei nicht deutsche Staatsangehörige. Sie habe die deutsche Staatsangehörigkeit am 2. August 1997 nach § 25 Abs. 1 RuStAG in der damals geltenden Fassung verloren. Sie habe im Rahmen ihrer Eheschließung gemäß Art. 5 in Verbindung mit Art. 42 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung die türkische Staatsangehörigkeit erworben. Der Erwerb sei auf ihren Antrag erfolgt. Nach den vorgenannten Vorschriften des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes finde der Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit nicht automatisch, sondern nur als Folge einer Willenserklärung statt. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin zu 1.) über den Inhalt und die Bedeutung des von ihr unterzeichneten Schriftstücks informiert worden sei. Andernfalls hätte sie für ihre Information Sorge tragen müssen. Eine eventuelle Unwissenheit gehe insoweit zu ihren Lasten. Sie habe am Tag der Eheschließung ihren Wohnsitz bzw. dauernden Aufenthalt nicht mehr im Inland gehabt. Vielmehr habe sie nach ihren Angaben im Rahmen der Antragstellung bereits seit 1996 in der Türkei gewohnt. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei sie in Deutschland nicht einmal mehr gemeldet gewesen. Soweit sie behaupte, damals zwischen der Türkei und Deutschland hin- und hergependelt zu sein, stimme dies nicht mit ihren Antragsangaben und dem Umstand überein, dass sie zum 1. Mai 1997 eine Festanstellung als Tarifbeschäftigte bei der deutschen Botschaft in Ankara erhalten habe. Die spätere melderechtliche Erfassung in Deutschland vom 1. Dezember 1997 bis zum 1. Januar 1998 sei kein Beleg für das tatsächliche Bestehen eines Wohnsitzes. Dass die Klägerin zu 1.) sich im Jahre 1999 wieder aus der türkischen Staatsangehörigkeit habe entlassen lassen, ändere an dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nichts. Die Klägerin zu 2.) und der Kläger zu 3.) hätten die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt nach der Klägerin zu 1.) erworben, da diese zum Zeitpunkt der Geburt der Kinder nicht mehr im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit gewesen sei. 11Die Kläger erhoben dagegen am 23. April 2012 Widerspruch und begründeten diesen im Wesentlichen wie folgt: Die Klägerin zu 1.) habe eine auf den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gerichtete Erklärung am Tag ihrer Eheschließung nicht abgegeben und auch nicht abgeben wollen. Falls sie doch eine solche Erklärung unterzeichnet habe, sei dies unwillentlich geschehen, weil sie den entsprechenden Vordruck nicht verstanden habe. Sie habe im Zusammenhang mit der Eheschließung viele Papiere unterzeichnen müssen, von denen ihr gesagt worden sei, dass eine Eheschließung ohne Unterzeichnung nicht möglich sei. Ihre Kenntnisse der türkischen Sprache seien damals noch fragmentarisch und auf die Beherrschung des gesprochenen „Vulgärtürkisch“ beschränkt gewesen. Die Türkei erleichtere den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit in einer Weise, die mit einem rechtsstaatlichen Verfahren nichts zu tun habe. Es reiche eine Unterschrift unter einen völlig unscheinbaren Antrag, der nur bei aufmerksamer Lektüre zu erkennen sei und in einer Fülle anderer zu unterzeichnender Dokumente fast untergehe. Ein Willensmangel sei auch insoweit gegeben, als der Standesbeamte zu ihr gesagt habe, sie habe nach der Eheschließung die Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes zu akzeptieren. Sie habe außerdem zum Zeitpunkt der Eheschließung ihren Wohnsitz noch in Deutschland gehabt. Sie habe die Stelle bei der Botschaft zum 1. Mai 1997 nur angenommen, um für sich zu überprüfen, ob sie mit ihrem Ehemann dauerhaft in der Türkei leben könne. Die endgültige Entscheidung, in der Türkei zu bleiben, sei erst nach der Geburt der Klägerin zu 2.) gefallen. Der Lebensmittelpunkt habe sich aber natürlich schon früher dort befunden. Die materielle Beweislast für den Verlust der Staatsangehörigkeit liege bei der Beklagten. Die Klägerin zu 1.) reichte eine Bescheinigung einer türkischen Stelle über Ein- und Ausreisen betreffend die Türkei ab 1992 ein. Der Zeitraum vom 16. Juni 1996 (Einreise in die Türkei) bis zum 16. August 1998 (Einreise in die Türkei) ist dort nicht belegt. Wegen der Einzelheiten der Bescheinigung wird auf Blatt 74 f. des Verwaltungsvorgangs verwiesen. 12Die Beklagte wies den Widerspruch der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2012 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend an: Die Klägerin zu 1.) habe die türkische Staatsangehörigkeit freiwillig beantragt. Anhaltspunkte dafür, dass der Antrag unter dem Druck einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit abge-geben worden sei, bestünden nicht. Soweit die Klägerin zu 1.) geltend mache, den Antrag auf Einbürgerung in den türkischen Staatsverband unwissentlich im Rahmen der Eheschließung gestellt zu haben, müsse sie sich die von ihr geleistete Unterschrift zurechnen lassen. Einer Unterschrift komme im allgemeinen Rechtsverkehr eine große Bedeutung zu. Sie gelte als Bekundung des Willens sowie als Identitätsnachweis. Es könne vorausgesetzt werden, dass die rechtliche Bedeutung einer Unterschrift allgemein bekannt sei. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Anfechtung von Willenserklärungen wegen Irrtums gälten grundsätzlich nur für Willenserklärungen, die Bestandteil privater Rechtsgeschäfte seien. Im öffentlichen Recht komme eine sinngemäße Anwendung dieser Vorschriften allenfalls in Betracht, wenn es sich um ähnliche Rechtsverhältnisse handele, nicht jedoch bei einseitigen Anträgen, die private Personen an Behörden richteten. Rechtsirrtum und Unkenntnis des Gesetzes schlössen das Verschulden grundsätzlich nicht aus. Wer mit einschlägigen Rechtsvorschriften nicht vertraut sei, habe sich zu erkundigen. Es würde der Bedeutung, der dem Grundsatz der Rechtssicherheit gerade im Staatsangehörigkeitsrecht zukomme, widersprechen, wenn der Verlust der Staatsangehörigkeit von häufig nicht zuverlässig zu ermittelnden inneren Vorstellungen des Betroffenen abhinge. Der Staatsangehörigkeitsverlust trete ohne Rücksicht darauf ein, ob der Antragsteller dies wolle oder wisse oder sich über die Folgen eines Staatsangehörigkeitserwerbs geirrt habe. Die Klägerin zu 1.) habe die deutsche Staatsangehörigkeit auch nicht gemäß § 3 Abs. 2 StAG durch Ersitzung (wieder-)erworben. Sie sei nicht seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutsche Staatsangehörige behandelt worden. Die Frist beginne bei Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nicht bereits mit Belassen eines vor Eintritt des Verlustes ausgestellten Ausweispapiers. Der Klägerin zu 1.) sei zwar im Jahre 2002 von der deutschen Botschaft in Ankara ein deutscher Reisepass ausgestellt worden. Die Botschaft habe die Falschbehandlung aber bereits im Jahre 2009 erkannt. Die Klägerin zu 1.) sei damit nur sieben Jahre als deutsche Staatsangehörige behandelt worden. 13Die Kläger haben dagegen am 27. Dezember 2012 Klage erhoben. 14Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und tragen ergänzend vor: 15Die Klägerin zu 1.) habe in Deutschland die Schule besucht und im Jahre 1991 mit einem qualifizierten Hauptschulabschluss abgeschlossen. Danach habe sie in Deutschland eine Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau absolviert. 16Sie könne nicht mehr sagen, ob bei der Vorbereitung der Eheschließung über Probleme der Staatsangehörigkeit gesprochen worden sei. Sie glaube sich zu erinnern, dass man ihr gesagt habe, dass sie aus der türkischen Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes Vorteile für ihren Aufenthalt in der Türkei ziehen könne. Umgekehrt sei jedenfalls ihre deutsche Staatsangehörigkeit nicht problematisiert worden. Sie halte es zwar nicht für ausgeschlossen, dass der türkische Standesbeamte die von der Beklagten genannte Vorschrift des Art. 5 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes zur Sprache gebracht habe. Sie meine aber, kein ihre Staatsangehörigkeit betreffendes Formular unterzeichnet zu haben. Sie bestreite daher mit Nichtwissen, die Wiedereinbürgerung in den türkischen Staatsverband überhaupt beantragt zu haben. Selbst wenn sie ein auf den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gerichtetes Formular unterzeichnet habe, sei dies unfreiwillig und nicht mit dem Willen erfolgt, türkische Staatsangehörige zu werden. Die Beklagte trage die materielle Beweislast sowohl dafür, dass sie, die Klägerin zu 1.), überhaupt einen Antrag auf Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt habe, als auch für die Freiwilligkeit der Antragstellung. Letzteres habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlichen Fall (zitiert wird das Urteil vom 22. März 1999 – 11 B 96.2183 – juris) bereits entschieden. 17Unterstelle man, dass die Klägerin zu 1.) die deutsche Staatsangehörigkeit am Tag ihrer Eheschließung (2. August 1997) verloren habe, habe sie diese jedenfalls in der Zwischenzeit durch Ersitzung gemäß § 3 Abs. 2 StAG (wieder-)erworben. Sie sei seit ihrer Einbürgerung in den deutschen Staatsverband im April 1996 bis Mitte 2009 und damit mehr als zwölf Jahre als deutsche Staatsangehörige behandelt worden. Die Behandlung als deutsche Staatsangehörige sei sowohl durch die Anstellung bei der deutschen Botschaft in Ankara und die daran geknüpfte Gehaltszahlung als auch durch die Ausstellung des Kinderausweises an die Klägerin zu 2.) im Jahre 2000 und die Ausstellung ihres Reisepasses im Jahre 2002 erfolgt. Die Ersitzung der deutschen Staatsangehörigkeit setze nicht voraus, dass jemand seit zwölf Jahren zu Unrecht als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden sei. Zwar müsse derjenige, der in den Genuss der Ersitzung kommen wolle, zu Unrecht als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden sein, weil eine Ersitzung sonst gar nicht erforderlich sei. Zeiten, in denen er zu Recht als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden sei, gälten aber ebenfalls als Zeiten im Sinne des § 3 Abs. 2 StAG. Auch diese Zeiten würden in die Frist eingestellt. Da die Ersitzung rückwirkend wirke, seien auch die Klägerin zu 2.) und der Kläger zu 3.) deutsche Staatsangehörige geworden. 18Im Übrigen sei der Bescheid der Beklagten rechtlich unwirksam, weil er nicht unterzeichnet sei. Eine Unterschrift müsse als solche erkennbar sein. Dies sei bei der Unterschrift unter dem Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2012 nicht der Fall. Dieser sei lediglich mit einem „Kringel“ unterschrieben. 19Die Kläger beantragen, 20die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamts vom 20. März 2012 und des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2012 zu verpflichten, ihnen Staatsangehörigkeitsausweise auszustellen. 21Die Beklagte beantragt, 22 die Klage abzuweisen. 23Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: 24Die Klägerin zu 1.) habe zunächst überhaupt nicht bestritten, eine Unterschrift geleistet zu haben, die zum Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit geführt habe. Ihre im spekulativen Bereich liegenden Ausführungen zu der Frage, ob sie den entsprechenden Antrag unterschrieben habe, führten deshalb nicht weiter. Soweit sie geltend mache, den Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit unterschrieben zu haben, ohne ihn zuvor gelesen oder hinreichend verstanden zu haben, sei ihr die von ihr abgegebene Erklärung dennoch zuzurechnen. Es entspreche allgemeinen Grundsätzen, dass eine schriftlich abgegebene und unterzeichnete Erklärung dem Erklärenden zuzurechnen sei, auch wenn er sich nicht die Mühe mache, sie zu lesen, oder wenn die Erklärung in einer Sprache abgefasst sei, die der Erklärende nicht verstehe. Er müsse insoweit durch Beiziehung geeigneter Hilfsmittel, etwa eines Dolmetschers, sicherstellen, dass von ihm nur Erklärungen unterzeichnet würden, die seinem Willen entsprächen. Die spätere Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit könne nicht als Beweis dafür angesehen werden, dass die Klägerin zu 1.) diese Staatsangehörigkeit nach bzw. im Zusammenhang mit der Eheschließung nicht habe annehmen wollen. Für die Aufgabe könne auch ein erst später eingetretenes Wissen um den Verlusttatbestand des § 25 RuStAG handlungsleitend gewesen sein. Auf ein solches Wissen komme es aber bei der Frage, ob der Verlust der Staatsangehörigkeit eintrete, nicht an. 25Die Klägerin zu 1.) habe die deutsche Staatsangehörigkeit auch nicht durch Ersitzung gemäß § 3 Abs. 2 StAG erworben. Die Vorschrift erfasse nur die Zeiten einer unrichtigen Deutschenbehandlung. Dies ergebe sich aus Sinn, Zweck und Sachzusammenhang der Norm. Bei ihr handele es sich um einen Erwerbstatbestand. Im Gesetzestext heiße es ausdrücklich: „Die Staatsangehörigkeit erwirbt auch, (...)“. Ein Erwerb sei aber denkgesetzlich nur möglich, wenn die Staatsangehörigkeit nicht bereits vorliege oder ihr Vorliegen zumindest nicht beweisbar sei. 26Soweit die Kläger die Unterschrift unter dem Widerspruchsbescheid rügten, sei dem entgegenzuhalten, dass eine Unterschrift nicht lesbar sein müsse, wenn der Urheber zweifelsfrei feststehe. 27Die Kläger haben mit nach Schluss der mündlichen Verhandlung und nach Verkündung des Urteils übersandtem Schriftsatz vom 27. Februar 2014 Kopien eines am 10. September 1997 ausgestellten ungültig gestempelten deutschen Reiseausweises der Klägerin zu 1.) eingereicht und ergänzend geltend gemacht: Die irrtümliche Behandlung als deutsche Staatsangehörige habe bereits am 10. September 1997 begonnen. Es sei unklar, weshalb dieses Datum, das aus den Unterlagen hervorgehe, in der mündlichen Verhandlung nicht erörtert worden sei. 28Entscheidungsgründe: 29Die Klage ist unbegründet. 30Die Ablehnung des Antrags auf Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 31Die Kläger haben keinen Anspruch auf Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen aus § 30 Abs. 3 Satz 1 StAG, weil nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 1 StAG nachgewiesen ist, dass sie deutsche Staatsangehörige sind. 32Die Klägerin zu 1.) ist zwar am 25. April 1996 unter Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit in den deutschen Staatsverband eingebürgert worden. 33Sie hat die deutsche Staatsangehörigkeit aber am 2. August 1997 gemäß § 25 Abs. 1 RuStAG in der damals geltenden Fassung verloren. 34Danach verlor ein Deutscher, der im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hatte, seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag des gesetzlichen Vertreters erfolgte, der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorlagen, unter denen nach § 19 die Entlassung hätte beantragt werden können. 35Die Klägerin zu 1.) hat am Tag ihrer Eheschließung die türkische Staatsangehörigkeit erworben. Dies geht bereits aus dem Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister hervor, den sie im Verwaltungsverfahren eingereicht hatte. Sie geht selbst ebenfalls davon aus, dass sie die türkische Staatsangehörigkeit am Tag ihrer Eheschließung (wieder-)erworben hat. Für einen zwischenzeitlichen Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit spricht schließlich, dass sie sich im Jahre 1999 wieder aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen ließ. 36Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit jedenfalls auf formalen Antrag der Klägerin zu 1.) erfolgte. Das türkische Staatsangehörigkeitsrecht in der zum Zeitpunkt der Eheschließung der Klägerin zu 1.) geltenden Fassung sah einen Staatsangehörigkeitserwerb durch Eheschließung nur im Falle von Staatenlosigkeit der ausländischen Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen oder im Falle des Verlustes der bisherigen Staatsangehörigkeit durch die Eheschließung aufseiten der ausländischen Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen vor. Im Übrigen war für den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit eine Erklärung erforderlich, die gegenüber der türkischen Behörde, vor der die Ehe geschlossen wurde, abgegeben werden konnte (vgl. Art. 5, 42 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der damals geltenden Fassung). Die Klägerin zu 1.) war zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung weder staatenlos noch hätte sie die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Eheschließung verloren. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sie eine auf den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gerichtete Erklärung abgegeben hat. Anhaltspunkte dafür, dass die zuständige türkische Behörde sich über diese Erwerbsvoraussetzung hinweggesetzt hat, bestehen nicht. Für die Abgabe einer Erwerbserklärung durch die Klägerin zu 1.) spricht auch, dass sie zunächst selbst davon gesprochen hatte, eine Erklärung zur Staatsangehörigkeit unterzeichnet zu haben. Soweit sie nunmehr mit Nichtwissen bestreitet, die Wiedereinbürgerung in den türkischen Staatsverband beantragt zu haben, ist dieses Bestreiten angesichts der türkischen Rechtslage und ihres Vorverhaltens nicht geeignet, die Überzeugungsgewissheit des Gerichts von einer zumindest formalen Beantragung der türkischen Staatsangehörigkeit in Frage zu stellen. 37Soweit die Klägerin zu 1.) geltend macht, sie habe den auf den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gerichteten Antrag allenfalls unfreiwillig und nicht mit dem Willen gestellt, die türkische Staatsangehörigkeit zu erwerben, hat sie einen – gegebenenfalls – zum Wegfall oder zur Anfechtbarkeit des Antrags führenden Willensmangel weder nachgewiesen noch substantiiert dargetan. 38Wie sich Willensmängel bei der Abgabe des Antrags auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit auf den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit auswirken, ist noch nicht abschließend geklärt, vgl. insoweit etwa BVerwG, Urt. vom 1. Juni 1965 – I C 112.62 – juris Rdnr. 15; Urt. vom 21. Mai 1985 – 1 C 12/84 – juris Rdnr. 35; OVG NRW, Urt. vom 19. Dezember 2008 – 12 A 4705/05 – juris Rdnr. 91. 39Dies gilt zunächst insoweit, als sie geltend macht, sie sei bei der Abgabe der auf den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gerichteten Erklärung über deren Inhalt im Irrtum gewesen bzw. habe eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollen. Gegen das Vorliegen eines solchen Irrtums spricht, dass die Klägerin zu 1.) im Rahmen ihrer dienstlichen Erklärung vom 2. Oktober 2009 gegenüber der deutschen Botschaft in Ankara angegeben hat, sie habe am Tag der Eheschließung eine Erklärung unterschrieben, wonach sie mit wirksam erfolgter Eheschließung die Staatsangehörigkeit ihres (türkischen) Ehemannes akzeptiere. Diese Angabe legt nahe, dass ihr bewusst gewesen ist, einen Antrag auf Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit zu stellen. Ihre Behauptung, sie habe den Inhalt des von ihr unterzeichneten Formulars nicht (richtig) verstanden, weil ihre Kenntnisse der türkischen Sprache damals noch fragmentarisch und auf die Beherrschung des gesprochenen „Vulgärtürkisch“ beschränkt gewesen seien, ist unglaubhaft. Es leuchtet bereits nicht ein, weshalb der als türkischen Staatsangehörigen geborenen, aus einem türkischen Elternhaus stammenden Klägerin zu 1.) der Inhalt des auf Hochtürkisch verfassten Schriftstücks nicht verständlich gewesen sein soll. Unplausibel ist außerdem, weshalb sie das Schriftstück unterschrieben haben will, ohne es durchgelesen zu haben oder es zu verstehen. Angesichts ihrer Vorbildung (erfolgreicher Schulbesuch, Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau) sowie ihrer Beschäftigung bei der deutschen Botschaft hätte es sich aufgedrängt, das Dokument erst dann zu unterzeichnen, nachdem sie dessen wesentlichen Inhalt erfasst hatte. Bei einem Nichtverstehen einzelner Wörter oder Absätze hätte sie Hilfe bei ihrem in der Türkei geborenen und aufgewachsenen Ehemann suchen können. 40Nicht nachgewiesen bzw. unsubstantiiert ist auch die Behauptung der Klägerin zu 1.), der türkische Standesbeamte habe zu ihr gesagt, sie müsse im Falle der Eheschließung die türkische Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes akzeptieren und eine Eheschließung sei im Falle einer Unterschriftsverweigerung nicht möglich. Nach türkischem Recht hing die Eheschließung nicht davon ab, dass die Klägerin zu 1.) türkische Staatsangehörige war oder mit der Eheschließung wurde. Dies war eindeutig, und die Annahme, die Klägerin zu 1.) könne gleichwohl falsch beraten worden sein, ist nicht naheliegend. Noch weniger naheliegend ist die Annahme, die Klägerin zu 1.) sei der Falschberatung mehr oder weniger „blind“ gefolgt und habe ohne Rückversicherung über die Rechtslage eine Erklärung hinsichtlich des Erwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit abgegeben. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit verwiesen. 41Die spätere Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit durch die Klägerin zu 1.) kann nicht als Nachweis dafür angesehen werden, dass sie diese Staatsangehörigkeit im Rahmen ihrer Eheschließung nicht hat annehmen wollen. Für die Aufgabe kann z. B. auch die – unrichtige – Überlegung ursächlich gewesen sein, die Verlustfolge des § 25 Abs. 1 RuStAG könne durch Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit beseitigt werden. 42Die Substantiierungslast und die materielle Beweislast hinsichtlich des Bestehens eines Willensmangels liegen bei der Klägerin zu 1.). Die von ihr geltend gemachten Willensmängel liegen in ihrer Sphäre und sind für sie günstig. Das von ihr zitierte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. März 1999 (Az.: 11 B 96.2183 – juris) führt zu keiner anderen Bewertung. In dem dortigen Fall ließ sich nicht mehr zuverlässig aufklären, ob der maßgebliche Vorfahre der (dortigen) Klägerin kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Polen freiwillig einen Antrag auf Erwerb der polnischen Staatsangehörigkeit gestellt (und mit dem Erwerb seine deutsche Staatsangehörigkeit verloren) hatte oder ob er mit dem Antrag nur Verfolgungs- und Zwangsmaßnahmen hatte abwenden wollen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ging angesichts des deutschfeindlichen Klimas im Nachkriegspolen der Jahre 1946/47 und der seinerzeitigen, so wörtlich in dem Urteil, „grenzenlosen staatlichen Willkür“ gegenüber deutschen Staatsangehörigen davon aus, dass die Beklagte für die Freiwilligkeit der Antragstellung materiell beweisbelastet sei. Dieser Sonderfall, in dem nach den damaligen politischen Verhältnissen viel für eine Unfreiwilligkeit der Antragstellung sprach, ist mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. 43Sollte die Klägerin zu 1.) über die Rechtsfolge des Erwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit – Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit – geirrt haben, was das Gericht zu ihren Gunsten unterstellt, wäre dieser Irrtum unbeachtlich. 44 Vgl. BVerwG, Urt. vom 21. Mai 1985 – 1 C 12/84 – juris Rdnr. 36; Beschl. vom 13. Oktober 2000 – 1 B 53/00 – juris Rdnr. 12. 45Die Klägerin zu 1.) hatte im Zeitpunkt des Erwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit weder ihren Wohnsitz noch ihren dauerhaften Aufenthalt in Deutschland. Sie lebte seinerzeit vielmehr bereits seit längerem in der Türkei. Die Beklagte hat dies in ihrem Bescheid vom 20. März 2012 im Einzelnen zutreffend ausgeführt. Das Gericht folgt dieser Begründung und sieht insoweit gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. 46Die Klägerin zu 1.) hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Ersitzung gemäß § 3 Abs. 2 StAG (wieder-)erworben. 47Danach erwirbt die Staatsangehörigkeit auch, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat (Satz 1). Als deutscher Staatsangehöriger wird insbesondere behandelt, wem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde (Satz 2). Der Erwerb der Staatsangehörigkeit wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem bei Behandlung als Staatsangehöriger der Erwerb der Staatsangehörigkeit angenommen wurde (Satz 3). Er erstreckt sich auf Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit von dem nach Satz 1 Begünstigten ableiten (Satz 4). 48Die Klägerin zu 1.) ist nicht über einen Zeitraum von zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutsche Staatsangehörige behandelt worden. 49Die Behandlung als deutsche Staatsangehörige durch die deutsche Botschaft in Ankara erfolgte allenfalls über einen Zeitraum von neun Jahren. Sie begann frühestens im Jahre 2000 mit der Ausstellung eines Kinderausweises an die Klägerin zu 2.) und endete jedenfalls im Jahre 2009 mit der Ablehnung der Ausstellung eines Kinderausweises an den Kläger zu 3.) und der Aufforderung an die Klägerin zu 1.), ein Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren durchzuführen. 50Die Zeit, in der die Klägerin zu 1.) tatsächlich deutsche Staatsangehörige war (vom 25. April 1996 bis zum 2. August 1997), kann nicht in die Zwölfjahresfrist einbezogen werden. Die Beklagte hat den Grund hierfür zutreffend genannt: § 3 Abs. 2 StAG stuft die jahrelange Behandlung als deutscher Staatsangehöriger als Erwerbsgrund für die deutsche Staatsangehörigkeit ein. 51 Vgl. in diesem Zusammenhang BT-Drs. 16/5065, Seite 227. 52Ein Erwerb ist aber nur möglich, wenn die Staatsangehörigkeit nicht bereits vorliegt oder ihr Vorliegen zumindest nicht beweisbar ist. 53So im Ergebnis auch Berlit, in: GK-AufenthG, § 38 Rdnr. 74 (Stand: Juni 2007) für die Vorschrift des § 38 Abs. 5 AufenthG; andere Auffassung wohl – ohne Begründung – Marx, in: GK-StAR, § 3 Rdnr. 20 (Stand: August 2009) in Widerspruch zu Rdnr. 19 seiner Kommentierung. 54Soweit der Klägerin zu 1.) nach dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ein zuvor ausgestelltes Ausweispapier belassen und sie bei der deutschen Botschaft in Ankara weiterbeschäftigt worden ist, liegt hierin keine Behandlung als deutsche Staatsangehörige im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG. Eine solche Behandlung setzt eine zumindest summarische Überprüfung der deutschen Staatsangehörigkeit durch eine dazu berufene Stelle voraus. 55 Vgl. Marx, in: GK-StAR, § 3 Rdnr. 33 f. m. w. N. 56Eine solche Überprüfung hat hier jedenfalls bis zum Jahr 2000 nicht stattgefunden. Es bestehen insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, dass die deutsche Botschaft in Ankara die deutsche Staatsangehörigkeit der Klägerin zu 1.) nach ihrer Eheschließung am 2. August 1997 ohne für sie erkennbaren Anlass (nochmals) überprüft hat. 57Die Klägerin zu 2.) und der Kläger zu 3.) haben die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt gemäß § 4 Abs. 1 StAG nach der Klägerin zu 1.) erworben, weil diese damals nicht mehr deutsche Staatsangehörige war. 58Soweit die Kläger rügen, der Widerspruchsbescheid der Beklagten sei nicht ordnungsgemäß unterschrieben worden, können sie hieraus für ihr Verpflichtungsbegehren schon im Ansatz nichts herleiten. Denn der Anspruch auf Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen hängt allein davon ab, ob mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass sie deutsche Staatsangehörige sind (vgl. § 30 Abs. 2 Satz 1 StAG). Abgesehen davon genügt die Unterschrift durchaus den Anforderungen des § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG. Sie braucht nicht lesbar zu sein. Grundsätzlich ist sogar eine Paraphe ausreichend. 59Vgl. Kopp/ Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 14. Auflage, 2013, § 37 Rdnr. 33; BVerwG, Beschl. vom 18. Juli 2000 – 2 B 19/00 – juris Rdnr. 6. 60Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. 61Der erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung und nach Verkündung des Urteils eingereichte Schriftsatz der Kläger vom 27. Februar 2014 konnte bei der Entscheidung inhaltlich nicht mehr berücksichtigt werden. Das Gericht merkt insoweit lediglich ergänzend an, dass die Kläger mit diesem Schriftsatz erstmals vorgetragen haben, die Klägerin zu 1.) habe am 10. September 1997 einen deutschen Reiseausweis erhalten. Ihre Behauptung, das vorgenannte Datum gehe aus den (bis zur Urteilsverkündung vorhandenen) Unterlagen hervor, trifft nicht zu. | die klage wird abgewiesen. die kläger tragen die kosten des verfahrens. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. die kläger können die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2die am 00.00.0000 in coburg/ deutschland geborene klägerin zu 1.) ist die mutter der am 00.00.0000 in der türkei geborenen klägerin zu 2.) und des am 00.00.0000 ebenfalls in der türkei geborenen klägers zu 3.). 3die klägerin zu 1.) war zum zeitpunkt ihrer geburt türkische staatsangehörige. sie wurde am 25. april 1996 vom landratsamt coburg unter entlassung aus der türkischen staatsangehörigkeit in den deutschen staatsverband eingebürgert. 4am 1. mai 1997 nahm die klägerin zu 1.) eine beschäftigung bei der deutschen botschaft in ankara auf. 5am 2. august 1997 heiratete die klägerin zu 1.) in der türkei den türkischen staatsangehörigen t. e. . 6die deutsche botschaft in ankara stellte der klägerin zu 2.) am 21. august 2000 einen kinderausweis und der klägerin zu 1.) am 31. mai 2002 einen reisepass aus. 7als die klägerin zu 1.) im jahre 2008 bei der botschaft einen kinderausweis für den kläger zu 3.) beantragte, fiel durch einen auszug aus dem türkischen personenstandsregister (vgl. blatt 23 des verwaltungsvorgangs) auf, dass sie dort von dem datum ihrer eheschließung an bis zur empfangnahme einer urkunde über die ausbürgerung aus der türkischen staatsangehörigkeit am 15. oktober 1999 als türkische staatsangehörige geführt worden war. die botschaft hatte aufgrund dessen zweifel am bestehen der deutschen staatsangehörigkeit der klägerin zu 1.) und forderte sie auf, ein staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren durchzuführen. 8die klägerin zu 1.) beantragte daraufhin über die botschaft bei der beklagten ende 2009 die ausstellung eines staatsangehörigkeitsausweises für sich, die klägerin zu 2.) und den kläger zu 3.). sie füllte in dem vorformulierten antragsvordruck der beklagten u. a. aus, sie habe sich von ihrer geburt bis zum jahre 1996 in deutschland und seitdem (1996) in der türkei aufgehalten. unter dem 2. oktober 2009 gab sie gegenüber der botschaft eine „dienstliche erklärung“ mit folgendem inhalt ab: sie habe im rahmen ihrer eheschließung auf geheiß des türkischen standesbeamten eine erklärung unterschreiben müssen, nach der sie mit wirksam erfolgter eheschließung die staatsangehörigkeit ihres ehemannes akzeptiere. ihr sei angedroht worden, dass sie im falle einer unterschriftsverweigerung die ehe nicht wirksam schließen könne. da sie in deutschland aufgewachsen und zur schule gegangen sei, hätten ihre türkischkenntnisse erhebliche mängel aufgewiesen. sie habe den inhalt der von ihr unterschriebenen erklärung nicht richtig verstehen und damit die rechtliche tragweite ihres handelns nicht überblicken können. erst 1998 habe sie anlässlich der ausstellung eines auszuges aus dem türkischen personenstandsregister gemerkt, dass sie durch die eheschließung automatisch die türkische staatsangehörigkeit angenommen habe. sie sei geschockt gewesen und habe alles daran gesetzt, sich so schnell wie möglich wieder aus der türkischen staatsangehörigkeit entlassen zu lassen. mit erhalt der ausbürgerungsurkunde sei sie sich sicher gewesen, nur noch deutsche staatsangehörige zu sein. als sie im jahre 2008 im rahmen der beantragung des kinderausweises für den kläger zu 3.) erfahren habe, dass sie die deutsche staatsangehörigkeit möglicherweise verloren habe, sei sie völlig fassungslos gewesen. sie habe die ganze zeit nie geglaubt, faktisch staatenlos zu sein. der ausstellung ihres reisepasses im jahre 2002 und der ausstellung des kinderausweises an die klägerin zu 2.) im jahre 2000 sei die vorlage eines auszuges aus dem türkischen personenstandsregister vorausgegangen, der sie jeweils (nur) als deutsche staatsangehörige ausgewiesen habe. ihre abmeldung aus deutschland sei erst circa sechs monate nach ihrer eheschließung im januar 1998 erfolgt. in den monaten zwischen der eheschließung und der abmeldung aus deutschland habe es die möglichkeit gegeben, mit ihrem ehemann auch in deutschland zu leben und zu arbeiten. sie sei monatelang zwischen der türkei und deutschland hin- und hergependelt, um sich zu entscheiden. sie habe seinerzeit nicht gewusst, ob sie sich in der türkei würde einleben können. sie habe noch immer eine sehr enge beziehung zu deutschland und sei mit dem zweitwohnsitz in ebersdorf bei coburg gemeldet. sie wolle über kurz oder lang wieder nach deutschland zurückkehren, um hier zu leben, zu arbeiten und sich zur ruhe zu setzen. ein wiedererwerb der türkischen staatsangehörigkeit komme für sie nicht in betracht. sie bitte um anerkennung der deutschen staatsangehörigkeit. sie habe damals eine unterschrift aus liebe geleistet. niemand habe sie über die folgen belehrt. als sie von dem erwerb der türkischen staatsangehörigkeit erfahren habe, habe sie alles in ihrer macht stehende getan, um diesen fehler zu korrigieren. wegen der einzelheiten der erklärung wird auf blatt 11 f. des verwaltungsvorgangs verwiesen. 9mit übersendungsschreiben vom 18. november 2009 teilte die deutsche botschaft in ankara zu dem antrag der kläger folgendes ergänzend mit: die klägerin zu 1.) habe am tag der eheschließung eine erklärung zur staatsangehörigkeit unterzeichnet, deren inhalt und tragweite ihr aufgrund ihrer mangelhaften türkischen sprachkenntnisse nicht deutlich geworden sei. sie sei zum zeitpunkt der eheschließung in deutschland noch gemeldet gewesen und sei regelmäßig dorthin zurückgekehrt. sie sei stets als deutsche staatsangehörige behandelt worden. wegen der einzelheiten des schreibens wird auf blatt 2 f. des verwaltungsvorgangs verwiesen. 10nachdem die beklagte zuvor auskünfte zu den meldewohnsitzen der klägerin zu 1.) in deutschland eingeholt hatte, lehnte sie den antrag auf ausstellung von staatsangehörigkeitsausweisen mit bescheid vom 20. märz 2012, zugestellt am 4. april 2012, ab. zur begründung führte sie an: die klägerin zu 1.) sei nicht deutsche staatsangehörige. sie habe die deutsche staatsangehörigkeit am 2. august 1997 nach § 25 abs. 1 rustag in der damals geltenden fassung verloren. sie habe im rahmen ihrer eheschließung gemäß art. 5 in verbindung mit art. 42 des türkischen staatsangehörigkeitsgesetzes in der seinerzeit geltenden fassung die türkische staatsangehörigkeit erworben. der erwerb sei auf ihren antrag erfolgt. nach den vorgenannten vorschriften des türkischen staatsangehörigkeitsgesetzes finde der erwerb der türkischen staatsangehörigkeit nicht automatisch, sondern nur als folge einer willenserklärung statt. es sei davon auszugehen, dass die klägerin zu 1.) über den inhalt und die bedeutung des von ihr unterzeichneten schriftstücks informiert worden sei. andernfalls hätte sie für ihre information sorge tragen müssen. eine eventuelle unwissenheit gehe insoweit zu ihren lasten. sie habe am tag der eheschließung ihren wohnsitz bzw. dauernden aufenthalt nicht mehr im inland gehabt. vielmehr habe sie nach ihren angaben im rahmen der antragstellung bereits seit 1996 in der türkei gewohnt. zum zeitpunkt der eheschließung sei sie in deutschland nicht einmal mehr gemeldet gewesen. soweit sie behaupte, damals zwischen der türkei und deutschland hin- und hergependelt zu sein, stimme dies nicht mit ihren antragsangaben und dem umstand überein, dass sie zum 1. mai 1997 eine festanstellung als tarifbeschäftigte bei der deutschen botschaft in ankara erhalten habe. die spätere melderechtliche erfassung in deutschland vom 1. dezember 1997 bis zum 1. januar 1998 sei kein beleg für das tatsächliche bestehen eines wohnsitzes. dass die klägerin zu 1.) sich im jahre 1999 wieder aus der türkischen staatsangehörigkeit habe entlassen lassen, ändere an dem verlust der deutschen staatsangehörigkeit nichts. die klägerin zu 2.) und der kläger zu 3.) hätten die deutsche staatsangehörigkeit nicht durch geburt nach der klägerin zu 1.) erworben, da diese zum zeitpunkt der geburt der kinder nicht mehr im besitz der deutschen staatsangehörigkeit gewesen sei. 11die kläger erhoben dagegen am 23. april 2012 widerspruch und begründeten diesen im wesentlichen wie folgt: die klägerin zu 1.) habe eine auf den erwerb der türkischen staatsangehörigkeit gerichtete erklärung am tag ihrer eheschließung nicht abgegeben und auch nicht abgeben wollen. falls sie doch eine solche erklärung unterzeichnet habe, sei dies unwillentlich geschehen, weil sie den entsprechenden vordruck nicht verstanden habe. sie habe im zusammenhang mit der eheschließung viele papiere unterzeichnen müssen, von denen ihr gesagt worden sei, dass eine eheschließung ohne unterzeichnung nicht möglich sei. ihre kenntnisse der türkischen sprache seien damals noch fragmentarisch und auf die beherrschung des gesprochenen „vulgärtürkisch“ beschränkt gewesen. die türkei erleichtere den wiedererwerb der türkischen staatsangehörigkeit in einer weise, die mit einem rechtsstaatlichen verfahren nichts zu tun habe. es reiche eine unterschrift unter einen völlig unscheinbaren antrag, der nur bei aufmerksamer lektüre zu erkennen sei und in einer fülle anderer zu unterzeichnender dokumente fast untergehe. ein willensmangel sei auch insoweit gegeben, als der standesbeamte zu ihr gesagt habe, sie habe nach der eheschließung die staatsangehörigkeit ihres ehemannes zu akzeptieren. sie habe außerdem zum zeitpunkt der eheschließung ihren wohnsitz noch in deutschland gehabt. sie habe die stelle bei der botschaft zum 1. mai 1997 nur angenommen, um für sich zu überprüfen, ob sie mit ihrem ehemann dauerhaft in der türkei leben könne. die endgültige entscheidung, in der türkei zu bleiben, sei erst nach der geburt der klägerin zu 2.) gefallen. der lebensmittelpunkt habe sich aber natürlich schon früher dort befunden. die materielle beweislast für den verlust der staatsangehörigkeit liege bei der beklagten. die klägerin zu 1.) reichte eine bescheinigung einer türkischen stelle über ein- und ausreisen betreffend die türkei ab 1992 ein. der zeitraum vom 16. juni 1996 (einreise in die türkei) bis zum 16. august 1998 (einreise in die türkei) ist dort nicht belegt. wegen der einzelheiten der bescheinigung wird auf blatt 74 f. des verwaltungsvorgangs verwiesen. 12die beklagte wies den widerspruch der kläger mit widerspruchsbescheid vom 11. dezember 2012 zurück. zur begründung führte sie ergänzend an: die klägerin zu 1.) habe die türkische staatsangehörigkeit freiwillig beantragt. anhaltspunkte dafür, dass der antrag unter dem druck einer unmittelbaren gefahr für leib, leben oder freiheit abge-geben worden sei, bestünden nicht. soweit die klägerin zu 1.) geltend mache, den antrag auf einbürgerung in den türkischen staatsverband unwissentlich im rahmen der eheschließung gestellt zu haben, müsse sie sich die von ihr geleistete unterschrift zurechnen lassen. einer unterschrift komme im allgemeinen rechtsverkehr eine große bedeutung zu. sie gelte als bekundung des willens sowie als identitätsnachweis. es könne vorausgesetzt werden, dass die rechtliche bedeutung einer unterschrift allgemein bekannt sei. die vorschriften des bürgerlichen gesetzbuchs über die anfechtung von willenserklärungen wegen irrtums gälten grundsätzlich nur für willenserklärungen, die bestandteil privater rechtsgeschäfte seien. im öffentlichen recht komme eine sinngemäße anwendung dieser vorschriften allenfalls in betracht, wenn es sich um ähnliche rechtsverhältnisse handele, nicht jedoch bei einseitigen anträgen, die private personen an behörden richteten. rechtsirrtum und unkenntnis des gesetzes schlössen das verschulden grundsätzlich nicht aus. wer mit einschlägigen rechtsvorschriften nicht vertraut sei, habe sich zu erkundigen. es würde der bedeutung, der dem grundsatz der rechtssicherheit gerade im staatsangehörigkeitsrecht zukomme, widersprechen, wenn der verlust der staatsangehörigkeit von häufig nicht zuverlässig zu ermittelnden inneren vorstellungen des betroffenen abhinge. der staatsangehörigkeitsverlust trete ohne rücksicht darauf ein, ob der antragsteller dies wolle oder wisse oder sich über die folgen eines staatsangehörigkeitserwerbs geirrt habe. die klägerin zu 1.) habe die deutsche staatsangehörigkeit auch nicht gemäß § 3 abs. 2 stag durch ersitzung (wieder-)erworben. sie sei nicht seit zwölf jahren von deutschen stellen als deutsche staatsangehörige behandelt worden. die frist beginne bei verlust der deutschen staatsangehörigkeit nicht bereits mit belassen eines vor eintritt des verlustes ausgestellten ausweispapiers. der klägerin zu 1.) sei zwar im jahre 2002 von der deutschen botschaft in ankara ein deutscher reisepass ausgestellt worden. die botschaft habe die falschbehandlung aber bereits im jahre 2009 erkannt. die klägerin zu 1.) sei damit nur sieben jahre als deutsche staatsangehörige behandelt worden. 13die kläger haben dagegen am 27. dezember 2012 klage erhoben. 14zur begründung wiederholen und vertiefen sie ihr vorbringen aus dem verwaltungsverfahren und tragen ergänzend vor: 15die klägerin zu 1.) habe in deutschland die schule besucht und im jahre 1991 mit einem qualifizierten hauptschulabschluss abgeschlossen. danach habe sie in deutschland eine ausbildung zur groß- und außenhandelskauffrau absolviert. 16sie könne nicht mehr sagen, ob bei der vorbereitung der eheschließung über probleme der staatsangehörigkeit gesprochen worden sei. sie glaube sich zu erinnern, dass man ihr gesagt habe, dass sie aus der türkischen staatsangehörigkeit ihres ehemannes vorteile für ihren aufenthalt in der türkei ziehen könne. umgekehrt sei jedenfalls ihre deutsche staatsangehörigkeit nicht problematisiert worden. sie halte es zwar nicht für ausgeschlossen, dass der türkische standesbeamte die von der beklagten genannte vorschrift des art. 5 des türkischen staatsangehörigkeitsgesetzes zur sprache gebracht habe. sie meine aber, kein ihre staatsangehörigkeit betreffendes formular unterzeichnet zu haben. sie bestreite daher mit nichtwissen, die wiedereinbürgerung in den türkischen staatsverband überhaupt beantragt zu haben. selbst wenn sie ein auf den erwerb der türkischen staatsangehörigkeit gerichtetes formular unterzeichnet habe, sei dies unfreiwillig und nicht mit dem willen erfolgt, türkische staatsangehörige zu werden. die beklagte trage die materielle beweislast sowohl dafür, dass sie, die klägerin zu 1.), überhaupt einen antrag auf erwerb der türkischen staatsangehörigkeit gestellt habe, als auch für die freiwilligkeit der antragstellung. letzteres habe der bayerische verwaltungsgerichtshof in einem ähnlichen fall (zitiert wird das urteil vom 22. märz 1999 – 11 b 96.2183 – juris) bereits entschieden. 17unterstelle man, dass die klägerin zu 1.) die deutsche staatsangehörigkeit am tag ihrer eheschließung (2. august 1997) verloren habe, habe sie diese jedenfalls in der zwischenzeit durch ersitzung gemäß § 3 abs. 2 stag (wieder-)erworben. sie sei seit ihrer einbürgerung in den deutschen staatsverband im april 1996 bis mitte 2009 und damit mehr als zwölf jahre als deutsche staatsangehörige behandelt worden. die behandlung als deutsche staatsangehörige sei sowohl durch die anstellung bei der deutschen botschaft in ankara und die daran geknüpfte gehaltszahlung als auch durch die ausstellung des kinderausweises an die klägerin zu 2.) im jahre 2000 und die ausstellung ihres reisepasses im jahre 2002 erfolgt. die ersitzung der deutschen staatsangehörigkeit setze nicht voraus, dass jemand seit zwölf jahren zu unrecht als deutscher staatsangehöriger behandelt worden sei. zwar müsse derjenige, der in den genuss der ersitzung kommen wolle, zu unrecht als deutscher staatsangehöriger behandelt worden sein, weil eine ersitzung sonst gar nicht erforderlich sei. zeiten, in denen er zu recht als deutscher staatsangehöriger behandelt worden sei, gälten aber ebenfalls als zeiten im sinne des § 3 abs. 2 stag. auch diese zeiten würden in die frist eingestellt. da die ersitzung rückwirkend wirke, seien auch die klägerin zu 2.) und der kläger zu 3.) deutsche staatsangehörige geworden. 18im übrigen sei der bescheid der beklagten rechtlich unwirksam, weil er nicht unterzeichnet sei. eine unterschrift müsse als solche erkennbar sein. dies sei bei der unterschrift unter dem widerspruchsbescheid der beklagten vom 11. dezember 2012 nicht der fall. dieser sei lediglich mit einem „kringel“ unterschrieben. 19die kläger beantragen, 20die beklagte unter aufhebung des bescheides des bundesverwaltungsamts vom 20. märz 2012 und des widerspruchsbescheides vom 11. dezember 2012 zu verpflichten, ihnen staatsangehörigkeitsausweise auszustellen. 21die beklagte beantragt, 22 die klage abzuweisen. 23sie verteidigt die angegriffenen bescheide und trägt ergänzend vor: 24die klägerin zu 1.) habe zunächst überhaupt nicht bestritten, eine unterschrift geleistet zu haben, die zum wiedererwerb der türkischen staatsangehörigkeit geführt habe. ihre im spekulativen bereich liegenden ausführungen zu der frage, ob sie den entsprechenden antrag unterschrieben habe, führten deshalb nicht weiter. soweit sie geltend mache, den antrag auf wiedererwerb der türkischen staatsangehörigkeit unterschrieben zu haben, ohne ihn zuvor gelesen oder hinreichend verstanden zu haben, sei ihr die von ihr abgegebene erklärung dennoch zuzurechnen. es entspreche allgemeinen grundsätzen, dass eine schriftlich abgegebene und unterzeichnete erklärung dem erklärenden zuzurechnen sei, auch wenn er sich nicht die mühe mache, sie zu lesen, oder wenn die erklärung in einer sprache abgefasst sei, die der erklärende nicht verstehe. er müsse insoweit durch beiziehung geeigneter hilfsmittel, etwa eines dolmetschers, sicherstellen, dass von ihm nur erklärungen unterzeichnet würden, die seinem willen entsprächen. die spätere aufgabe der türkischen staatsangehörigkeit könne nicht als beweis dafür angesehen werden, dass die klägerin zu 1.) diese staatsangehörigkeit nach bzw. im zusammenhang mit der eheschließung nicht habe annehmen wollen. für die aufgabe könne auch ein erst später eingetretenes wissen um den verlusttatbestand des § 25 rustag handlungsleitend gewesen sein. auf ein solches wissen komme es aber bei der frage, ob der verlust der staatsangehörigkeit eintrete, nicht an. 25die klägerin zu 1.) habe die deutsche staatsangehörigkeit auch nicht durch ersitzung gemäß § 3 abs. 2 stag erworben. die vorschrift erfasse nur die zeiten einer unrichtigen deutschenbehandlung. dies ergebe sich aus sinn, zweck und sachzusammenhang der norm. bei ihr handele es sich um einen erwerbstatbestand. im gesetzestext heiße es ausdrücklich: „die staatsangehörigkeit erwirbt auch, (...)“. ein erwerb sei aber denkgesetzlich nur möglich, wenn die staatsangehörigkeit nicht bereits vorliege oder ihr vorliegen zumindest nicht beweisbar sei. 26soweit die kläger die unterschrift unter dem widerspruchsbescheid rügten, sei dem entgegenzuhalten, dass eine unterschrift nicht lesbar sein müsse, wenn der urheber zweifelsfrei feststehe. 27die kläger haben mit nach schluss der mündlichen verhandlung und nach verkündung des urteils übersandtem schriftsatz vom 27. februar 2014 kopien eines am 10. september 1997 ausgestellten ungültig gestempelten deutschen reiseausweises der klägerin zu 1.) eingereicht und ergänzend geltend gemacht: die irrtümliche behandlung als deutsche staatsangehörige habe bereits am 10. september 1997 begonnen. es sei unklar, weshalb dieses datum, das aus den unterlagen hervorgehe, in der mündlichen verhandlung nicht erörtert worden sei. 28 | 29die klage ist unbegründet. 30die ablehnung des antrags auf ausstellung von staatsangehörigkeitsausweisen ist rechtmäßig und verletzt die kläger nicht in ihren rechten (§ 113 abs. 5 satz 1 vwgo). 31die kläger haben keinen anspruch auf ausstellung von staatsangehörigkeitsausweisen aus § 30 abs. 3 satz 1 stag, weil nicht mit hinreichender wahrscheinlichkeit im sinne des § 30 abs. 2 satz 1 stag nachgewiesen ist, dass sie deutsche staatsangehörige sind. 32die klägerin zu 1.) ist zwar am 25. april 1996 unter entlassung aus der türkischen staatsangehörigkeit in den deutschen staatsverband eingebürgert worden. 33sie hat die deutsche staatsangehörigkeit aber am 2. august 1997 gemäß § 25 abs. 1 rustag in der damals geltenden fassung verloren. 34danach verlor ein deutscher, der im inland weder seinen wohnsitz noch seinen dauernden aufenthalt hatte, seine staatsangehörigkeit mit dem erwerb einer ausländischen staatsangehörigkeit, wenn dieser erwerb auf seinen antrag oder auf den antrag des gesetzlichen vertreters erfolgte, der vertretene jedoch nur, wenn die voraussetzungen vorlagen, unter denen nach § 19 die entlassung hätte beantragt werden können. 35die klägerin zu 1.) hat am tag ihrer eheschließung die türkische staatsangehörigkeit erworben. dies geht bereits aus dem auszug aus dem türkischen personenstandsregister hervor, den sie im verwaltungsverfahren eingereicht hatte. sie geht selbst ebenfalls davon aus, dass sie die türkische staatsangehörigkeit am tag ihrer eheschließung (wieder-)erworben hat. für einen zwischenzeitlichen erwerb der türkischen staatsangehörigkeit spricht schließlich, dass sie sich im jahre 1999 wieder aus der türkischen staatsangehörigkeit entlassen ließ. 36das gericht ist davon überzeugt, dass der erwerb der türkischen staatsangehörigkeit jedenfalls auf formalen antrag der klägerin zu 1.) erfolgte. das türkische staatsangehörigkeitsrecht in der zum zeitpunkt der eheschließung der klägerin zu 1.) geltenden fassung sah einen staatsangehörigkeitserwerb durch eheschließung nur im falle von staatenlosigkeit der ausländischen ehefrau eines türkischen staatsangehörigen oder im falle des verlustes der bisherigen staatsangehörigkeit durch die eheschließung aufseiten der ausländischen ehefrau eines türkischen staatsangehörigen vor. im übrigen war für den erwerb der türkischen staatsangehörigkeit eine erklärung erforderlich, die gegenüber der türkischen behörde, vor der die ehe geschlossen wurde, abgegeben werden konnte (vgl. art. 5, 42 des türkischen staatsangehörigkeitsgesetzes in der damals geltenden fassung). die klägerin zu 1.) war zum zeitpunkt ihrer eheschließung weder staatenlos noch hätte sie die deutsche staatsangehörigkeit durch die eheschließung verloren. es ist deshalb davon auszugehen, dass sie eine auf den erwerb der türkischen staatsangehörigkeit gerichtete erklärung abgegeben hat. anhaltspunkte dafür, dass die zuständige türkische behörde sich über diese erwerbsvoraussetzung hinweggesetzt hat, bestehen nicht. für die abgabe einer erwerbserklärung durch die klägerin zu 1.) spricht auch, dass sie zunächst selbst davon gesprochen hatte, eine erklärung zur staatsangehörigkeit unterzeichnet zu haben. soweit sie nunmehr mit nichtwissen bestreitet, die wiedereinbürgerung in den türkischen staatsverband beantragt zu haben, ist dieses bestreiten angesichts der türkischen rechtslage und ihres vorverhaltens nicht geeignet, die überzeugungsgewissheit des gerichts von einer zumindest formalen beantragung der türkischen staatsangehörigkeit in frage zu stellen. 37soweit die klägerin zu 1.) geltend macht, sie habe den auf den erwerb der türkischen staatsangehörigkeit gerichteten antrag allenfalls unfreiwillig und nicht mit dem willen gestellt, die türkische staatsangehörigkeit zu erwerben, hat sie einen – gegebenenfalls – zum wegfall oder zur anfechtbarkeit des antrags führenden willensmangel weder nachgewiesen noch substantiiert dargetan. 38wie sich willensmängel bei der abgabe des antrags auf erwerb der fremden staatsangehörigkeit auf den verlust der deutschen staatsangehörigkeit auswirken, ist noch nicht abschließend geklärt, vgl. insoweit etwa bverwg, urt. vom 1. juni 1965 – i c 112.62 – juris rdnr. 15; urt. vom 21. mai 1985 – 1 c 12/84 – juris rdnr. 35; ovg nrw, urt. vom 19. dezember 2008 – 12 a 4705/05 – juris rdnr. 91. 39dies gilt zunächst insoweit, als sie geltend macht, sie sei bei der abgabe der auf den erwerb der türkischen staatsangehörigkeit gerichteten erklärung über deren inhalt im irrtum gewesen bzw. habe eine erklärung dieses inhalts überhaupt nicht abgeben wollen. gegen das vorliegen eines solchen irrtums spricht, dass die klägerin zu 1.) im rahmen ihrer dienstlichen erklärung vom 2. oktober 2009 gegenüber der deutschen botschaft in ankara angegeben hat, sie habe am tag der eheschließung eine erklärung unterschrieben, wonach sie mit wirksam erfolgter eheschließung die staatsangehörigkeit ihres (türkischen) ehemannes akzeptiere. diese angabe legt nahe, dass ihr bewusst gewesen ist, einen antrag auf erwerb der türkischen staatsangehörigkeit zu stellen. ihre behauptung, sie habe den inhalt des von ihr unterzeichneten formulars nicht (richtig) verstanden, weil ihre kenntnisse der türkischen sprache damals noch fragmentarisch und auf die beherrschung des gesprochenen „vulgärtürkisch“ beschränkt gewesen seien, ist unglaubhaft. es leuchtet bereits nicht ein, weshalb der als türkischen staatsangehörigen geborenen, aus einem türkischen elternhaus stammenden klägerin zu 1.) der inhalt des auf hochtürkisch verfassten schriftstücks nicht verständlich gewesen sein soll. unplausibel ist außerdem, weshalb sie das schriftstück unterschrieben haben will, ohne es durchgelesen zu haben oder es zu verstehen. angesichts ihrer vorbildung (erfolgreicher schulbesuch, ausbildung zur groß- und außenhandelskauffrau) sowie ihrer beschäftigung bei der deutschen botschaft hätte es sich aufgedrängt, das dokument erst dann zu unterzeichnen, nachdem sie dessen wesentlichen inhalt erfasst hatte. bei einem nichtverstehen einzelner wörter oder absätze hätte sie hilfe bei ihrem in der türkei geborenen und aufgewachsenen ehemann suchen können. 40nicht nachgewiesen bzw. unsubstantiiert ist auch die behauptung der klägerin zu 1.), der türkische standesbeamte habe zu ihr gesagt, sie müsse im falle der eheschließung die türkische staatsangehörigkeit ihres ehemannes akzeptieren und eine eheschließung sei im falle einer unterschriftsverweigerung nicht möglich. nach türkischem recht hing die eheschließung nicht davon ab, dass die klägerin zu 1.) türkische staatsangehörige war oder mit der eheschließung wurde. dies war eindeutig, und die annahme, die klägerin zu 1.) könne gleichwohl falsch beraten worden sein, ist nicht naheliegend. noch weniger naheliegend ist die annahme, die klägerin zu 1.) sei der falschberatung mehr oder weniger „blind“ gefolgt und habe ohne rückversicherung über die rechtslage eine erklärung hinsichtlich des erwerbs der türkischen staatsangehörigkeit abgegeben. auf die obigen ausführungen wird insoweit verwiesen. 41die spätere aufgabe der türkischen staatsangehörigkeit durch die klägerin zu 1.) kann nicht als nachweis dafür angesehen werden, dass sie diese staatsangehörigkeit im rahmen ihrer eheschließung nicht hat annehmen wollen. für die aufgabe kann z. b. auch die – unrichtige – überlegung ursächlich gewesen sein, die verlustfolge des § 25 abs. 1 rustag könne durch aufgabe der türkischen staatsangehörigkeit beseitigt werden. 42die substantiierungslast und die materielle beweislast hinsichtlich des bestehens eines willensmangels liegen bei der klägerin zu 1.). die von ihr geltend gemachten willensmängel liegen in ihrer sphäre und sind für sie günstig. das von ihr zitierte urteil des bayerischen verwaltungsgerichtshofs vom 22. märz 1999 (az.: 11 b 96.2183 – juris) führt zu keiner anderen bewertung. in dem dortigen fall ließ sich nicht mehr zuverlässig aufklären, ob der maßgebliche vorfahre der (dortigen) klägerin kurz nach dem zweiten weltkrieg in polen freiwillig einen antrag auf erwerb der polnischen staatsangehörigkeit gestellt (und mit dem erwerb seine deutsche staatsangehörigkeit verloren) hatte oder ob er mit dem antrag nur verfolgungs- und zwangsmaßnahmen hatte abwenden wollen. der bayerische verwaltungsgerichtshof ging angesichts des deutschfeindlichen klimas im nachkriegspolen der jahre 1946/47 und der seinerzeitigen, so wörtlich in dem urteil, „grenzenlosen staatlichen willkür“ gegenüber deutschen staatsangehörigen davon aus, dass die beklagte für die freiwilligkeit der antragstellung materiell beweisbelastet sei. dieser sonderfall, in dem nach den damaligen politischen verhältnissen viel für eine unfreiwilligkeit der antragstellung sprach, ist mit dem vorliegenden sachverhalt nicht vergleichbar. 43sollte die klägerin zu 1.) über die rechtsfolge des erwerbs der türkischen staatsangehörigkeit – verlust der deutschen staatsangehörigkeit – geirrt haben, was das gericht zu ihren gunsten unterstellt, wäre dieser irrtum unbeachtlich. 44 vgl. bverwg, urt. vom 21. mai 1985 – 1 c 12/84 – juris rdnr. 36; beschl. vom 13. oktober 2000 – 1 b 53/00 – juris rdnr. 12. 45die klägerin zu 1.) hatte im zeitpunkt des erwerbs der türkischen staatsangehörigkeit weder ihren wohnsitz noch ihren dauerhaften aufenthalt in deutschland. sie lebte seinerzeit vielmehr bereits seit längerem in der türkei. die beklagte hat dies in ihrem bescheid vom 20. märz 2012 im einzelnen zutreffend ausgeführt. das gericht folgt dieser begründung und sieht insoweit gemäß § 117 abs. 5 vwgo von einer weiteren darstellung der entscheidungsgründe ab. 46die klägerin zu 1.) hat die deutsche staatsangehörigkeit nicht durch ersitzung gemäß § 3 abs. 2 stag (wieder-)erworben. 47danach erwirbt die staatsangehörigkeit auch, wer seit zwölf jahren von deutschen stellen als deutscher staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat (satz 1). als deutscher staatsangehöriger wird insbesondere behandelt, wem ein staatsangehörigkeitsausweis, reisepass oder personalausweis ausgestellt wurde (satz 2). der erwerb der staatsangehörigkeit wirkt auf den zeitpunkt zurück, zu dem bei behandlung als staatsangehöriger der erwerb der staatsangehörigkeit angenommen wurde (satz 3). er erstreckt sich auf abkömmlinge, die seither ihre staatsangehörigkeit von dem nach satz 1 begünstigten ableiten (satz 4). 48die klägerin zu 1.) ist nicht über einen zeitraum von zwölf jahren von deutschen stellen als deutsche staatsangehörige behandelt worden. 49die behandlung als deutsche staatsangehörige durch die deutsche botschaft in ankara erfolgte allenfalls über einen zeitraum von neun jahren. sie begann frühestens im jahre 2000 mit der ausstellung eines kinderausweises an die klägerin zu 2.) und endete jedenfalls im jahre 2009 mit der ablehnung der ausstellung eines kinderausweises an den kläger zu 3.) und der aufforderung an die klägerin zu 1.), ein staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren durchzuführen. 50die zeit, in der die klägerin zu 1.) tatsächlich deutsche staatsangehörige war (vom 25. april 1996 bis zum 2. august 1997), kann nicht in die zwölfjahresfrist einbezogen werden. die beklagte hat den grund hierfür zutreffend genannt: § 3 abs. 2 stag stuft die jahrelange behandlung als deutscher staatsangehöriger als erwerbsgrund für die deutsche staatsangehörigkeit ein. 51 vgl. in diesem zusammenhang bt-drs. 16/5065, seite 227. 52ein erwerb ist aber nur möglich, wenn die staatsangehörigkeit nicht bereits vorliegt oder ihr vorliegen zumindest nicht beweisbar ist. 53so im ergebnis auch berlit, in: gk-aufenthg, § 38 rdnr. 74 (stand: juni 2007) für die vorschrift des § 38 abs. 5 aufenthg; andere auffassung wohl – ohne begründung – marx, in: gk-star, § 3 rdnr. 20 (stand: august 2009) in widerspruch zu rdnr. 19 seiner kommentierung. 54soweit der klägerin zu 1.) nach dem verlust der deutschen staatsangehörigkeit ein zuvor ausgestelltes ausweispapier belassen und sie bei der deutschen botschaft in ankara weiterbeschäftigt worden ist, liegt hierin keine behandlung als deutsche staatsangehörige im sinne des § 3 abs. 2 satz 1 stag. eine solche behandlung setzt eine zumindest summarische überprüfung der deutschen staatsangehörigkeit durch eine dazu berufene stelle voraus. 55 vgl. marx, in: gk-star, § 3 rdnr. 33 f. m. w. n. 56eine solche überprüfung hat hier jedenfalls bis zum jahr 2000 nicht stattgefunden. es bestehen insbesondere keine anhaltspunkte dafür, dass die deutsche botschaft in ankara die deutsche staatsangehörigkeit der klägerin zu 1.) nach ihrer eheschließung am 2. august 1997 ohne für sie erkennbaren anlass (nochmals) überprüft hat. 57die klägerin zu 2.) und der kläger zu 3.) haben die deutsche staatsangehörigkeit nicht durch geburt gemäß § 4 abs. 1 stag nach der klägerin zu 1.) erworben, weil diese damals nicht mehr deutsche staatsangehörige war. 58soweit die kläger rügen, der widerspruchsbescheid der beklagten sei nicht ordnungsgemäß unterschrieben worden, können sie hieraus für ihr verpflichtungsbegehren schon im ansatz nichts herleiten. denn der anspruch auf ausstellung von staatsangehörigkeitsausweisen hängt allein davon ab, ob mit hinreichender wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass sie deutsche staatsangehörige sind (vgl. § 30 abs. 2 satz 1 stag). abgesehen davon genügt die unterschrift durchaus den anforderungen des § 37 abs. 3 satz 1 vwvfg. sie braucht nicht lesbar zu sein. grundsätzlich ist sogar eine paraphe ausreichend. 59vgl. kopp/ ramsauer, verwaltungsverfahrensgesetz, kommentar, 14. auflage, 2013, § 37 rdnr. 33; bverwg, beschl. vom 18. juli 2000 – 2 b 19/00 – juris rdnr. 6. 60die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 vwgo, § 708 nr. 11, § 711 zpo. 61der erst nach schluss der mündlichen verhandlung und nach verkündung des urteils eingereichte schriftsatz der kläger vom 27. februar 2014 konnte bei der entscheidung inhaltlich nicht mehr berücksichtigt werden. das gericht merkt insoweit lediglich ergänzend an, dass die kläger mit diesem schriftsatz erstmals vorgetragen haben, die klägerin zu 1.) habe am 10. september 1997 einen deutschen reiseausweis erhalten. ihre behauptung, das vorgenannte datum gehe aus den (bis zur urteilsverkündung vorhandenen) unterlagen hervor, trifft nicht zu. | Verklagte*r | 0 |
172,173 | 5a K 2573/13.A | 2014-08-07T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Mai 2013 und 16. August 2013 zu Nrn. 2. – 4. verpflichtet, den Klägerinnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet. Tatbestand: 1Die am 24. Februar 1993 geborene Klägerin zu 1. ist afghanische Staatsangehörige islamischer Religion und tadschikischer Volkszugehörigkeit. 2Sie hat sich bis zu ihrer Ausreise im Jahre 2006 in der Provinz I. aufgehalten. Nach fast dreijährigem Aufenthalt im Iran wurde sie von dort ausgewiesen und ist nach kurzfristigem Zwischenaufenthalt in Afghanistan wieder über den Iran, die Türkei und Griechenland am 18. Februar 2010 nach Deutschland eingereist, wo sie am 9. April 2010 einen Asylantrag stellte. 3Bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ‑ Bundesamt – am 24. August 2010 in Bielefeld machte die Klägerin zu 1. im Wesentlichen folgende Angaben: In den Jahren 2005/2006 habe sie zusammen mit anderen Mädchen Unterricht bei einer Verwandten bekommen. Ihr Vater habe das nicht gern gesehen, weil das für Mädchen nicht gut sei, die Leute würden sie dort nur anglotzen und schlecht über sie reden. Ihre Mutter habe aber erfolgreich auf den Vater eingeredet. Hin und wieder habe sie die Klägerin zur Schule begleitet. Eines Tages sei sie mit zwei anderen Mädchen auf dem Heimweg gewesen. Ein Auto mit drei Männern habe neben ihnen gehalten und sie ins Auto gezerrt. Auf der Fahrt zu einem großen Haus hätten zwei Männer die Mädchen die ganze Zeit nach unten gedrückt, der dritte sei gefahren. In dem Haus seien die Mädchen in ein Zimmer gesperrt worden. Nach einiger Zeit habe einer der Männer eines der Mädchen, das dünnste von ihnen, mitgenommen; es sei nie wieder gesehen worden. Als er später zurückkehrte, habe er auch die Klägerin mit in ein anderes Zimmer gezerrt. Was dort mit ihr passiert sei, wolle sie nicht erzählen, die Entscheiderin könne sich dies sicher vorstellen. Als er mit ihr fertig gewesen sei, sei sie wieder in das ursprüngliche Zimmer gebracht worden. Dorthin wurde das zweite Mädchen auch wieder gebracht. Zwei Tage und zwei Nächte habe man sie dort festgehalten, die Männer seien immer wieder gekommen und hätten mit ihnen was gemacht. Den Fahrer hätten sie nicht wieder gesehen. Die beiden anderen Männer hätten sie dann zu einem fremden Dorf gebracht. Von dort aus seien die beiden Mädchen zu Fuß zu dem Haus des anderen Mädchens gegangen. Auf dem Weg dorthin habe die Klägerin dem anderen Mädchen, ihrer Freundin, gesagt, dass ihr Vater sie umbringen werde; er sei sehr streng und aggressiv. Die Mutter ihrer Freundin sei sehr verständnisvoll gewesen und habe angeboten, die Klägerin zu 1. zu ihren Eltern zu begleiten. Sie habe dann ihren Eltern alles erzählt. Zunächst hätten ihre Eltern sehr geweint, dann aber sei ihr Vater sehr wütend geworden. Ihre Mutter habe gesagt, der Ruf der Familie sei hin, es wäre besser gewesen, wenn die Klägerin Analphabetin geblieben wäre. Sie habe danach das Haus nicht mehr verlassen dürfen. Nach mehreren Wochen habe sie mit dem Nachbarsjungen reden können, den sie geliebt habe und der auch sie liebte. Sie habe ihm alles gesagt, er habe sie heiraten wollen. Er sei zwar sehr traurig gewesen, habe aber verstanden, dass es nicht ihre Schuld gewesen sei. Als ihre Eltern nicht zu Hause gewesen seien, sei der Junge öfter zu ihr zu Besuch gekommen. Sie hätten auch miteinander geschlafen. Sie sei schwanger geworden, was ihre Mutter geahnt hätte. Sie sei der Ruin. Sie dachte, die Klägerin sei von den Männern schwanger, die sie entführt hätten, von dem Nachbarsjungen hätte sie nichts gewusst. Ihr Vater habe eine Abtreibung gewollt, weil er keinen Bastard in der Familie wolle. Als der Nachbarsjunge das Kind der Klägerin akzeptierte, habe sie ihrer Mutter gesagt, dass sie das Kind behalten wolle. Ihr Vater habe dann damit gedroht, sie zu töten. Mit dem Nachbarsjungen, ihrem Freund, sei sie dann im Jahre 2006 nach Iran ausgereist, wo ihre Tochter geboren wurde und wo sie nach religiösen Riten geheiratet hätten. Im Iran hätten sie sich nicht ganz drei Jahre aufgehalten, dann seien sie nach Afghanistan abgeschoben worden. 4Außer vor ihrem Vater habe sie noch Angst vor dem Bruder des Vaters, mit dessen Sohn ihr Vater sie habe verheiraten wollen. 5Mit Schreiben vom 31. Oktober bzw. 15. November 2012 wies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hin, dass der Asylantrag auch die Klägerin zu 2. betreffe. 6Mit Bescheiden vom 16. Mai 2013 bzw. 16. August 2013 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Klägerinnen ab und verneinte die Voraussetzungen der Zuerkennung ihrer Flüchtlingseigenschaft. Ferner stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes ‑ AufenthG ‑ nicht vorlägen. Die Klägerinnen wurden aufgefordert, die Bunderepublik innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle der Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Im Falle der nicht fristgerechten Ausreise würden die Klägerinnen nach Afghanistan oder in einen anderen Staat abgeschoben, in den sie ausreisen dürften oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei. 7Die Klägerin zu 1. hat sich inzwischen von ihrem ehemaligen Lebensgefährten getrennt, eine Lebensgemeinschaft besteht nicht mehr. 8Die Klägerinnen haben am 27. Mai 2013 bzw. 29. August 2013 Klage erhoben. Sie beziehen sich auf die Aussage der Klägerin zu 1. bei der Anhörung durch das Bundesamt. Zur Trennung von ihrem Lebensgefährten trägt die Klägerin vor, dass er nicht habe akzeptieren wollen, dass die Klägerin in Deutschland ein ähnliches Leben wie die jungen Frauen hier gestalten wolle. Er sei zutiefst in die Traditionen seiner Heimat verwurzelt. 9Die Klägerin zu 1. könne nicht zurück nach Afghanistan. Sie habe eine Tochter, die illegitim sei, da es keine Verbindung zum Vater des Kindes gebe, egal ob einer der Männer, die sie entführt habe, der Vater sei oder ihr ehemaliger Lebensgefährte, von dem sie getrennt lebe. 10Am 4. August 2014 hat die Klägerin zu 1. eine Urkunde darüber vorgelegt, dass sie am 20. Juli 2014 in der Baptistenkirche „Living Hope International Church“ in E. getauft wurde. 11Die Klägerinnen beantragen, 12die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Mai 2013 und 16. August 2013 jeweils zu Nrn. 2 bis 4 zu verpflichten, den Klägerinnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,hilfsweise, 13die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Mai 2013 und 16. August 2013 jeweils zu Nrn. 3. und 4. zu verpflichten, festzustellen, dass den Klägerinnen subsidiärer Schutz zu gewähren ist, 14äußerst hilfsweise,die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Mai 2013 und 16. August 2013 jeweils zu Nrn. 3. und 4. zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. 15Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich), 16die Klage abzuweisen. 17Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides. 18Mit Beschluss vom 3. Juni 2014 hat die Kammer dem Berichterstatter den Rechtsstreit als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. 19Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. 20Entscheidungsgründe: 21Die Klage hat in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑ maßgeblichen Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung Erfolg. Sie ist begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 16. Mai 2013 und 16. August 2013 sind teilweise rechtswidrig und verletzen die Klägerinnen in ihren Rechten, da sie einen Anspruch auf die begehrte Verpflichtung zur Feststellung ihrer Flüchtlingseigenschaft haben, § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑. 22Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG genießt ein Ausländer den Schutz als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 ‑ Genfer Flüchtlingskonvention -, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (dazu im Einzelnen § 3 b AsylVfG) außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Ausnahmsweise ausgeschlossen ist dieser Flüchtlingsschutz in den Fällen des § 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG und des § 60 Abs. 8 des Aufenthaltsgesetzes ‑ AufenthG ‑. 23Als Verfolgung gelten gemäß § 3a AsylVfG Handlungen, die auf Grund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen bzw. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist, § 3a Abs. 1 AsylVfG. Die grundlegenden Menschenrechte in diesem Sinne sind insbesondere die Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (Folter, Sklaverei und Leibeigenschaft, keine Strafe ohne Gesetz). Als Verfolgung können unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt gelten, aber auch gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, ebenso unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, ebenso die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, ebenso Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die den Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 2 AsylVfG ausschließen, sowie Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. 24Ausgehen kann die Verfolgung gemäß § 3 b AsylVfG von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, einschließlich internationaler Organisationen, erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. 25Schutz vor Verfolgung muss nach § 3 d Abs. 2 AsylVfG wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn der Staat oder die Parteien bzw. Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Interner Schutz schließt dabei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus, und zwar dann, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung im vorbeschriebenen Sinne hat und der Ausländer sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3 e Abs. 1 AsylVfG. Ob ein solch interner Schutz besteht, ist unter Heranziehung der Vorgaben des § 3 e Abs. 2 AsylVfG zu prüfen. 26Schließlich muss zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen, § 3 a Abs. 3 AsylVfG. 27Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Abl. EU Nr. L 337, S. 9-26) – sog. Qualifikationsrichtlinie - RL 2011/95/EG privilegiert dabei den von ihm erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. 28Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE), Urteile vom 7. September 2010 – 10 C 11.09 -, vom 27. April 2010 – 10 C 5.09 -, und vom 1. Juni 2011 – 10 C 10.10 u. 10 C 25.10 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A -; OVG Saarland, Urteil vom 16. September 2011 – 3 A 352/09 -; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6. Oktober 2011 – 4 LB 5/11 -. 29Im Übrigen folgt aus den in Art. 4 RL 2011/95/EG geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu muss er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine Verfolgung droht. 30Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 RL 2004/83/EU: OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A -. 31In Anwendung dieser Maßstäbe haben die Klägerinnen ein individuelles Schicksal glaubhaft gemacht, welches ihre Vorverfolgung belegt. 32Der Klägerin zu 1. steht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund einer Verfolgung wegen des Geschlechts zu. Das Gericht ist überzeugt, dass die Klägerin zu 1. ihre Heimat zum einen aufgrund begründeter Furcht vor einer Zwangsheirat verlassen hat und dass sie im Falle einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit hiervon weiterhin bedroht ist bzw. Repressionen seitens ihrer Familie ausgesetzt sein wird. Außerdem drohen ihr diese Repressionen auch wegen des Umstandes, dass sie bei einer Wiedereinreise nach Afghanistan als Unverheiratete Frau mit einem Kind zurückkehren würde. 33In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass in Afghanistan die Gefahr einer Zwangsverheiratung, die dort als solche – zumal bei minderjährigen Mädchen – weit verbreitet ist, für eine Frau den Flüchtlingsstatus begründen kann. 34Vgl. u. a. VG Augsburg, Urteile vom 21. Januar 2011 - Au 6 K 10.30586 -, vom 16. Juni 2011 - Au 6 K 11.30092 - und vom 1. Dezember 2011 - Au 6 K 11.30308 -; VG Frankfurt a.M., Urteil vom 17. November 2011 - 7 K 4821/10.F.A -; VG München, Urteil vom 7. Dezember 2011 - M 23 K 11.30139 -; VG Wiesbaden, Urteil vom 5. Mai 2012 - 7 K 823/11.WI.A -; VG Darmstadt, Urteil vom 18. Juni 2012 - 2 K 161/11.DA.A -; VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 16. November 2012 - 12 A 65/11 -; VG Trier, Urteil vom 14. Januar 2013 - 5 K 494/12.TR -; VG Stuttgart, Urteil vom 25. Juni 2013 - A 6 K 2412/12 -, jeweils zitiert nach juris. 35Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer unter Berücksichtigung der ihr vorliegenden Erkenntnisquellen an. 36Zwar stärken inzwischen Verfassung und Gesetzgebung Afghanistans zunehmend die Rechte der Frauen. Allerdings wird nahezu einhellig berichtet, dass dies für die meisten Betroffenen kaum Auswirkungen auf ihre Lebenswirklichkeit hat. Frauen werden nach wie vor in vielfältiger Hinsicht diskriminiert. 37Vgl. Auswärtiges Amt, Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 31. März 2014, S. 13 f., und 4. Juni 2013, S. 12 f.; Amnesty International, Jahresbericht Afghanistan 2012, 24. Mai 2012, sowie Jahresbericht Afghanistan 2013, 23. Mai 2013; Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Afghanistan: Update: Die aktuelle Sicherheitslage“, 3. September 2012, S. 14 f., und „Afghanistan: Situation geschiedener Frauen“, 1. November 2011, S. 1 f.; s. auch UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender – zusammenfassende Übersetzung, 24. März 2011, S. 7. 38Im gesellschaftlichen Bereich bestimmen nach wie vor eine orthodoxe Auslegung der Scharia und archaisch-patriarchalische Ehrenkodizes die Situation von Frauen und Mädchen. Der Verhaltenskodex der afghanischen Gesellschaft verlangt von ihnen grundsätzlich den Verzicht auf Eigenständigkeit. Innerhalb der Familie haben sie sich dem Willen der männlichen Familienmitglieder zu unterwerfen. Falls sie sich den gesellschaftlichen Normen verweigern, besteht die Gefahr der sozialen Ächtung. Die Entwicklung einer eigenständigen Lebensperspektive ist ihnen ohne familiäre Unterstützung nicht möglich. 39Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, April 2010, S. 25 ff. 40Entsprechend der untergeordneten Stellung der Frauen in Afghanistan ist häusliche Gewalt in Form von Schlägen und Misshandlungen weit verbreitet. Bei etwa 60% der in Afghanistan geschlossenen Ehen soll es sich um Kinderehen handeln. Unter Zwang sollen bis zu 80% aller Ehen eingegangen werden. 41Vgl. BAMF, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, April 2010, S. 29 f.; 32; Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Afghanistan: Situation von Waisenmädchen“, 24. November 2011, S. 1 f., und „Iran: Zwangsheirat einer afghanischen Minderjährigen“, 7. Februar 2013, S. 4. 42Die Flucht vor einer Zwangsverheiratung kann Auslöser für einen Ehrenmord sein. 43Vgl. BAMF, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, April 2010, S. 30; Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD), Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Sanktionen gegen unverheiratetes Paar, das untertaucht (Rolle von Volkszugehörigkeit und Religion?); Sanktionen gegen Familienangehörige des Mannes, 27. Dezember 2012. 44Geht die Frau, die sich einer Zwangsverheiratung entzieht, dabei sogar eine vor- oder außereheliche Beziehung mit einem anderen Mann ein, drohen nicht nur der Frau selbst, sondern mitunter sowohl ihren eigenen Kindern als auch dem anderen Mann ein Ehrverbrechen. 45Vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Informationen zur Praxis der Blutrache, 11. Juni 2013 46Zufluchtsmöglichkeiten für Frauen, die vor geschlechtsspezifischer Verfolgung wie häuslicher Gewalt oder drohender Zwangs- bzw. Kinderverheiratung fliehen, sind nur beschränkt verfügbar. Überhaupt begrenzt die prekäre Sicherheitslage in Afghanistan vor allem für Frauen und Kinder den Zugang zu sozialen Einrichtungen. 47Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, Kurzprofil zum Konflikt in Afghanistan, 18. Februar 2013. 48Die Mehrheit der Frauen hat zudem kaum Zugang zu Gerichten und juristischer Unterstützung. Frauen, die sich gegen Verletzungen ihrer Rechte wehren, sehen sich Vertretern des Staates gegenüber, die häufig nicht in der Lage oder aufgrund konservativer Wertvorstellungen nicht gewillt sind, diese Rechte zu schützen. 49Vgl. BAMF, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, April 2010, S. 25 ff. 50Diese Erkenntnislage zugrunde gelegt, bestehen seitens des Gerichts keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin zu 1. 51Das Gericht ist nach Durchführung der mündlichen Verhandlung aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO davon überzeugt, dass der Vortrag der Klägerin zu 1. der Wahrheit entspricht. Die Klägerin zu 1. hat in der mündlichen Verhandlung einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Sie hat die Umstände der drohenden Zwangsheirat in der mündlichen Verhandlung detailliert und widerspruchsfrei geschildert. Danach steht für das Gericht fest, dass die Klägerin zu 1. – ohne ihren Willen – bereits als Kind seitens ihrer Familie zur Verheiratung mit einem ihrer Cousins versprochen war. Die Klägerin zu 1. hat insbesondere glaubhaft geschildert, dass sie ihren Cousin nicht mochte. Sie hat befürchtet, dass es ihr in einer Ehe mit ihm ebenso ergehen könnte wie seiner Mutter, die von ihrem Mann, dem Onkel der Klägerin zu 1., häufig geschlagen worden sei. 52Sie hatte vielmehr ein Verhältnis mit einem Nachbarsjungen, mit dem sie auch geschlafen hatte. Des Weiteren ist die Klägerin zu 1. in der Heimat von Fremden zusammen mit zwei weiteren Mädchen vergewaltigt worden. Als sie schwanger wurde, war nicht ganz klar ob die Schwangerschaft aus der Vergewaltigung oder der Beziehung zu dem Nachbarsjungen herrührte, mit dem sie später nach Deutschland ausreiste, von dem sie sich aber nach ihrer Einreise getrennt hat. 53Akteur dieser drohenden Verfolgung war in erster Linie die Familie der Klägerin zu 1., mithin nicht unmittelbar der Staat Afghanistan. Diese drohende Verfolgung ist aber dem Staat zurechenbar, da die Klägerin zu 1. nicht den Schutz des Staates oder hinreichend mächtiger Parteien, Organisationen oder internationaler Organisationen in Anspruch nehmen konnte. Insbesondere ist die Islamische Republik Afghanistan erwiesenermaßen nicht in der Lage, Schutz vor der Zwangsverheiratung durch nichtstaatliche Akteure zu bieten. Dies wäre dann der Fall, wenn der Staat geeignete Schritte eingeleitet hätte, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung der Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn die Klägerin zu 1. Zugang zu diesem Schutz hätte. Nach der oben bereits dargelegten Auskunftslage sind diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt. 54Besteht nach alledem für die Klägerin zu 1. ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte, ist ein solcher Anspruch auch der Klägerin zu 2. zuzugestehen. Denn als Kind der Klägerin zu 1. ist sie aufgrund des Prinzips der Blutrache mitunter selbst Repressionen durch die Familie der Klägerin zu 1. ausgesetzt. 55Für die Klägerinnen besteht schließlich auch keine inländische Fluchtalternative im Sinne des § 3 e AsylVfG. Nach § 3 e AsylVfG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 d AsylVfG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Diese Voraussetzungen sind hier – auch mit Blick auf Kabul – nicht erfüllt. 56Für die Klägerinnen mag zwar eine begründete Furcht vor der geltend gemachten Verfolgung außerhalb der Provinz I. – etwa in Kabul – nicht bestehen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Familie der Klägerin zu 1. auch in Kabul Zugriff auf diese haben könnte. Von den Klägerinnen kann aber nicht vernünftigerweise erwartet werden, dass sie sich in Kabul oder anderswo in Afghanistan dauerhaft aufhalten, um der geltend gemachten Bedrohung zu entfliehen. 57Von einem Schutzsuchenden kann nur dann vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, wenn der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet, d. h. dort das Existenzminimum gewährt ist. Dabei bietet ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen eine wirtschaftliche Lebensgrundlage etwa dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen können. 58Vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschluss vom 21. Mai 2003 - 1 B 298.02 - sowie Urteile vom 1. Februar 2007 - 1 C 24.06 - und vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 -, jeweils zitiert nach juris. 59Zwar ist nach der Rechtsprechung der Kammer vor allem für alleinstehende, aus dem europäischen Ausland zurückkehrende und arbeitsfähige Männer aus der Bevölkerungsmehrheit ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen – mitunter auch ohne familiären Rückhalt – in der Regel die Möglichkeit gegeben, in Kabul als Tagelöhner wenigstens das Überleben zu sichern. Kabul stellt daher nach Ansicht der Kammer derzeit für alleinstehende, arbeitsfähige Männer ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen durchaus eine interne Schutzalternative im vorstehenden Sinne dar. Dies gilt in der Gesamtschau der aktuellen Auskünfte jedoch nicht für besonders schutzbedürftige Rückkehrer wie minderjährige, alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen und Personen, die aufgrund besonderer persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen. 60Vgl. Urteile der Kammer vom 21. Februar 2013 - 5a K 1523/11.A, 5a K 1524/11.A und 5a K 1525/11.A - sowie - 5a K 3753/11.A - und vom 23. Mai 2013 - 5a K 1907/11.A - sowie - 5a K 3137/11.A -, jeweils mit weiteren Nachw., sämtlich zitiert nach juris 61Bei der Prüfung des § 3 e AsylVfG ist außerdem zu beachten, dass Familienangehörige wegen des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 GG nur gemeinsam mit ihren Kindern und ihrem Ehepartner nach Afghanistan zurückkehren können. Daher sind bei der Beantwortung der Frage, ob das Existenzminimum am Zufluchtsort gewährleistet sein wird, alle Familienmitglieder gemeinsam in den Blick zu nehmen. 62Vgl. VG Augsburg, Urteil vom 24. Mai 2012 - Au 6 K 11.30369 -, juris; vgl. jüngst auch Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 5. Juni 2013 - 2 BvR 586/13 -, juris. 63Ausgehend davon und unter Berücksichtigung der Eindrücke, die die Kammer von der Klägerin zu 1. in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, ist das Gericht davon überzeugt, dass es der Familie nicht gelingen wird, das Existenzminimum in Kabul zu sichern. Die Ernährung für eine alleinstehende Frau mit einem minderjährigen Kind kann in Kabul durch Aushilfsjobs nicht sichergestellt werden. 64Vgl. Lutze, Gutachten an OVG Rheinland Pfalz, 8. Juni 2011, S. 3 und 6 ff. 65Nach den glaubhaften Angaben der Klägerin zu 1. besteht in Afghanistan auch kein Rückhalt seitens der Familie mehr, da sie von ihr bedroht wird. 66Nach alledem war daher der Klage mit dem Hauptantrag stattzugeben. Auf die Hilfsanträge kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an. 67Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. 68Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO. | die beklagte wird unter aufhebung der bescheide des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 16. mai 2013 und 16. august 2013 zu nrn. 2. – 4. verpflichtet, den klägerinnen die flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.die beklagte trägt die kosten des verfahrens.das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des beizutreibenden betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige gläubiger zuvor sicherheit in derselben höhe leistet. | 1die am 24. februar 1993 geborene klägerin zu 1. ist afghanische staatsangehörige islamischer religion und tadschikischer volkszugehörigkeit. 2sie hat sich bis zu ihrer ausreise im jahre 2006 in der provinz i. aufgehalten. nach fast dreijährigem aufenthalt im iran wurde sie von dort ausgewiesen und ist nach kurzfristigem zwischenaufenthalt in afghanistan wieder über den iran, die türkei und griechenland am 18. februar 2010 nach deutschland eingereist, wo sie am 9. april 2010 einen asylantrag stellte. 3bei der anhörung durch das bundesamt für migration und flüchtlinge ‑ bundesamt – am 24. august 2010 in bielefeld machte die klägerin zu 1. im wesentlichen folgende angaben: in den jahren 2005/2006 habe sie zusammen mit anderen mädchen unterricht bei einer verwandten bekommen. ihr vater habe das nicht gern gesehen, weil das für mädchen nicht gut sei, die leute würden sie dort nur anglotzen und schlecht über sie reden. ihre mutter habe aber erfolgreich auf den vater eingeredet. hin und wieder habe sie die klägerin zur schule begleitet. eines tages sei sie mit zwei anderen mädchen auf dem heimweg gewesen. ein auto mit drei männern habe neben ihnen gehalten und sie ins auto gezerrt. auf der fahrt zu einem großen haus hätten zwei männer die mädchen die ganze zeit nach unten gedrückt, der dritte sei gefahren. in dem haus seien die mädchen in ein zimmer gesperrt worden. nach einiger zeit habe einer der männer eines der mädchen, das dünnste von ihnen, mitgenommen; es sei nie wieder gesehen worden. als er später zurückkehrte, habe er auch die klägerin mit in ein anderes zimmer gezerrt. was dort mit ihr passiert sei, wolle sie nicht erzählen, die entscheiderin könne sich dies sicher vorstellen. als er mit ihr fertig gewesen sei, sei sie wieder in das ursprüngliche zimmer gebracht worden. dorthin wurde das zweite mädchen auch wieder gebracht. zwei tage und zwei nächte habe man sie dort festgehalten, die männer seien immer wieder gekommen und hätten mit ihnen was gemacht. den fahrer hätten sie nicht wieder gesehen. die beiden anderen männer hätten sie dann zu einem fremden dorf gebracht. von dort aus seien die beiden mädchen zu fuß zu dem haus des anderen mädchens gegangen. auf dem weg dorthin habe die klägerin dem anderen mädchen, ihrer freundin, gesagt, dass ihr vater sie umbringen werde; er sei sehr streng und aggressiv. die mutter ihrer freundin sei sehr verständnisvoll gewesen und habe angeboten, die klägerin zu 1. zu ihren eltern zu begleiten. sie habe dann ihren eltern alles erzählt. zunächst hätten ihre eltern sehr geweint, dann aber sei ihr vater sehr wütend geworden. ihre mutter habe gesagt, der ruf der familie sei hin, es wäre besser gewesen, wenn die klägerin analphabetin geblieben wäre. sie habe danach das haus nicht mehr verlassen dürfen. nach mehreren wochen habe sie mit dem nachbarsjungen reden können, den sie geliebt habe und der auch sie liebte. sie habe ihm alles gesagt, er habe sie heiraten wollen. er sei zwar sehr traurig gewesen, habe aber verstanden, dass es nicht ihre schuld gewesen sei. als ihre eltern nicht zu hause gewesen seien, sei der junge öfter zu ihr zu besuch gekommen. sie hätten auch miteinander geschlafen. sie sei schwanger geworden, was ihre mutter geahnt hätte. sie sei der ruin. sie dachte, die klägerin sei von den männern schwanger, die sie entführt hätten, von dem nachbarsjungen hätte sie nichts gewusst. ihr vater habe eine abtreibung gewollt, weil er keinen bastard in der familie wolle. als der nachbarsjunge das kind der klägerin akzeptierte, habe sie ihrer mutter gesagt, dass sie das kind behalten wolle. ihr vater habe dann damit gedroht, sie zu töten. mit dem nachbarsjungen, ihrem freund, sei sie dann im jahre 2006 nach iran ausgereist, wo ihre tochter geboren wurde und wo sie nach religiösen riten geheiratet hätten. im iran hätten sie sich nicht ganz drei jahre aufgehalten, dann seien sie nach afghanistan abgeschoben worden. 4außer vor ihrem vater habe sie noch angst vor dem bruder des vaters, mit dessen sohn ihr vater sie habe verheiraten wollen. 5mit schreiben vom 31. oktober bzw. 15. november 2012 wies der prozessbevollmächtigte der klägerin darauf hin, dass der asylantrag auch die klägerin zu 2. betreffe. 6mit bescheiden vom 16. mai 2013 bzw. 16. august 2013 lehnte das bundesamt den asylantrag der klägerinnen ab und verneinte die voraussetzungen der zuerkennung ihrer flüchtlingseigenschaft. ferner stellte es fest, dass abschiebungsverbote nach § 60 abs. 2 bis 7 des aufenthaltsgesetzes ‑ aufenthg ‑ nicht vorlägen. die klägerinnen wurden aufgefordert, die bunderepublik innerhalb von 30 tagen nach bekanntgabe der entscheidung, im falle der klageerhebung innerhalb von 30 tagen nach unanfechtbarem abschluss des asylverfahrens zu verlassen. im falle der nicht fristgerechten ausreise würden die klägerinnen nach afghanistan oder in einen anderen staat abgeschoben, in den sie ausreisen dürften oder der zu ihrer rückübernahme verpflichtet sei. 7die klägerin zu 1. hat sich inzwischen von ihrem ehemaligen lebensgefährten getrennt, eine lebensgemeinschaft besteht nicht mehr. 8die klägerinnen haben am 27. mai 2013 bzw. 29. august 2013 klage erhoben. sie beziehen sich auf die aussage der klägerin zu 1. bei der anhörung durch das bundesamt. zur trennung von ihrem lebensgefährten trägt die klägerin vor, dass er nicht habe akzeptieren wollen, dass die klägerin in deutschland ein ähnliches leben wie die jungen frauen hier gestalten wolle. er sei zutiefst in die traditionen seiner heimat verwurzelt. 9die klägerin zu 1. könne nicht zurück nach afghanistan. sie habe eine tochter, die illegitim sei, da es keine verbindung zum vater des kindes gebe, egal ob einer der männer, die sie entführt habe, der vater sei oder ihr ehemaliger lebensgefährte, von dem sie getrennt lebe. 10am 4. august 2014 hat die klägerin zu 1. eine urkunde darüber vorgelegt, dass sie am 20. juli 2014 in der baptistenkirche „living hope international church“ in e. getauft wurde. 11die klägerinnen beantragen, 12die beklagte unter teilweiser aufhebung der bescheide des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 16. mai 2013 und 16. august 2013 jeweils zu nrn. 2 bis 4 zu verpflichten, den klägerinnen die flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,hilfsweise, 13die beklagte unter aufhebung der bescheide des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 16. mai 2013 und 16. august 2013 jeweils zu nrn. 3. und 4. zu verpflichten, festzustellen, dass den klägerinnen subsidiärer schutz zu gewähren ist, 14äußerst hilfsweise,die beklagte unter aufhebung der bescheide des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 16. mai 2013 und 16. august 2013 jeweils zu nrn. 3. und 4. zu verpflichten, festzustellen, dass abschiebungsverbote gemäß § 60 abs. 5 und 7 des aufenthaltsgesetzes vorliegen. 15die beklagte beantragt (schriftsätzlich), 16die klage abzuweisen. 17zur begründung bezieht sie sich im wesentlichen auf den inhalt des angefochtenen bescheides. 18mit beschluss vom 3. juni 2014 hat die kammer dem berichterstatter den rechtsstreit als einzelrichter zur entscheidung übertragen. 19wegen der weiteren einzelheiten wird auf den inhalt der gerichtsakte sowie der von der beklagten vorgelegten verwaltungsvorgänge bezug genommen. 20 | 21die klage hat in dem nach § 77 abs. 1 satz 1 des asylverfahrensgesetzes ‑ asylvfg ‑ maßgeblichen zeitpunkt der letzten gerichtlichen tatsachenentscheidung erfolg. sie ist begründet. die bescheide der beklagten vom 16. mai 2013 und 16. august 2013 sind teilweise rechtswidrig und verletzen die klägerinnen in ihren rechten, da sie einen anspruch auf die begehrte verpflichtung zur feststellung ihrer flüchtlingseigenschaft haben, § 113 abs. 5 satz 1 der verwaltungsgerichtsordnung ‑ vwgo ‑. 22nach § 3 abs. 1 asylvfg genießt ein ausländer den schutz als flüchtling im sinne des abkommens über die rechtsstellung der flüchtlinge vom 28. juli 1951 ‑ genfer flüchtlingskonvention -, wenn er sich aus begründeter furcht vor verfolgung wegen seiner rasse, religion, nationalität, politischen überzeugung oder zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen gruppe (dazu im einzelnen § 3 b asylvfg) außerhalb des landes befindet, dessen staatsangehörigkeit er besitzt und dessen schutz er nicht in anspruch nehmen kann oder wegen dieser furcht nicht in anspruch nehmen will oder in dem er als staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser furcht nicht zurückkehren will. ausnahmsweise ausgeschlossen ist dieser flüchtlingsschutz in den fällen des § 3 abs. 2 bis 4 asylvfg und des § 60 abs. 8 des aufenthaltsgesetzes ‑ aufenthg ‑. 23als verfolgung gelten gemäß § 3a asylvfg handlungen, die auf grund ihrer art und wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende verletzung der grundlegenden menschenrechte darstellen bzw. in einer kumulierung unterschiedlicher maßnahmen, einschließlich einer verletzung der menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine person davon in ähnlicher weise betroffen ist, § 3a abs. 1 asylvfg. die grundlegenden menschenrechte in diesem sinne sind insbesondere die rechte, von denen nach artikel 15 abs. 2 der konvention vom 4. november 1950 zum schutz der menschenrechte und grundfreiheiten (emrk) keine abweichung zulässig ist (folter, sklaverei und leibeigenschaft, keine strafe ohne gesetz). als verfolgung können unter anderem die anwendung physischer oder psychischer gewalt, einschließlich sexueller gewalt gelten, aber auch gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender weise angewandt werden, ebenso unverhältnismäßige oder diskriminierende strafverfolgung oder bestrafung, ebenso die verweigerung gerichtlichen rechtsschutzes mit dem ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden bestrafung, ebenso strafverfolgung oder bestrafung wegen verweigerung des militärdienstes in einem konflikt, wenn der militärdienst verbrechen oder handlungen umfassen würde, die den flüchtlingsschutz nach § 3 abs. 2 asylvfg ausschließen, sowie handlungen, die an die geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen kinder gerichtet sind. 24ausgehen kann die verfolgung gemäß § 3 b asylvfg von dem staat, von parteien oder organisationen, die den staat oder einen wesentlichen teil des staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen akteuren, sofern der staat oder die parteien oder organisationen, die den staat oder einen wesentlichen teil des staatsgebietes beherrschen, einschließlich internationaler organisationen, erwiesenermaßen nicht in der lage oder nicht willens sind, schutz vor verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem land eine staatliche herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. 25schutz vor verfolgung muss nach § 3 d abs. 2 asylvfg wirksam und darf nicht nur vorübergehender art sein. generell ist ein solcher schutz gewährleistet, wenn der staat oder die parteien bzw. organisationen einschließlich internationaler organisationen, die den staat oder einen wesentlichen teil des staatsgebietes beherrschen, geeignete schritte einleiten, um die verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame rechtsvorschriften zur ermittlung, strafverfolgung und ahndung von handlungen, die eine verfolgung darstellen, und wenn der ausländer zugang zu diesem schutz hat. interner schutz schließt dabei die zuerkennung der flüchtlingseigenschaft aus, und zwar dann, wenn der ausländer in einem teil seines herkunftslandes keine begründete furcht vor verfolgung oder zugang zu schutz vor verfolgung im vorbeschriebenen sinne hat und der ausländer sicher und legal in diesen landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3 e abs. 1 asylvfg. ob ein solch interner schutz besteht, ist unter heranziehung der vorgaben des § 3 e abs. 2 asylvfg zu prüfen. 26schließlich muss zwischen den verfolgungsgründen und den verfolgungshandlungen oder dem fehlen von schutz vor solchen handlungen eine verknüpfung bestehen, § 3 a abs. 3 asylvfg. 27hinsichtlich des prognosemaßstabs ist bei der prüfung der zuerkennung der flüchtlingseigenschaft der maßstab der beachtlichen wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. art. 4 abs. 4 der richtlinie 2011/95/eg des europäischen parlaments und des rates vom 13. dezember 2011 über normen für die anerkennung von drittstaatsangehörigen oder staatenlosen als personen mit anspruch auf internationalen, für einen einheitlichen status für flüchtlinge oder für personen mit anrecht auf subsidiären schutz und für den inhalt des zu gewährenden schutzes (abl. eu nr. l 337, s. 9-26) – sog. qualifikationsrichtlinie - rl 2011/95/eg privilegiert dabei den von ihm erfassten personenkreis bei einer vorverfolgung durch eine beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften wahrscheinlichkeitsmaßstab. 28vgl. zur vorgängerregelung in art. 4 abs. 4 rl 2004/83/eg: bundesverwaltungsgericht (bverwge), urteile vom 7. september 2010 – 10 c 11.09 -, vom 27. april 2010 – 10 c 5.09 -, und vom 1. juni 2011 – 10 c 10.10 u. 10 c 25.10 -; oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (ovg nrw), urteil vom 17. august 2010 – 8 a 4063/06.a -; ovg saarland, urteil vom 16. september 2011 – 3 a 352/09 -; ovg schleswig-holstein, urteil vom 6. oktober 2011 – 4 lb 5/11 -. 29im übrigen folgt aus den in art. 4 rl 2011/95/eg geregelten mitwirkungs- und darlegungsobliegenheiten des antragstellers, dass es auch unter berücksichtigung der vorgaben dieser richtlinie sache des ausländers ist, die gründe für seine flucht vor verfolgung schlüssig vorzutragen. dazu muss er unter angabe genauer einzelheiten einen in sich stimmigen sachverhalt schildern, aus dem sich bei wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger würdigung eine verfolgung droht. 30vgl. zur vorgängerregelung in art. 4 rl 2004/83/eu: ovg nrw, urteil vom 17. august 2010 – 8 a 4063/06.a -. 31in anwendung dieser maßstäbe haben die klägerinnen ein individuelles schicksal glaubhaft gemacht, welches ihre vorverfolgung belegt. 32der klägerin zu 1. steht ein anspruch auf zuerkennung der flüchtlingseigenschaft aufgrund einer verfolgung wegen des geschlechts zu. das gericht ist überzeugt, dass die klägerin zu 1. ihre heimat zum einen aufgrund begründeter furcht vor einer zwangsheirat verlassen hat und dass sie im falle einer rückkehr mit beachtlicher wahrscheinlichkeit hiervon weiterhin bedroht ist bzw. repressionen seitens ihrer familie ausgesetzt sein wird. außerdem drohen ihr diese repressionen auch wegen des umstandes, dass sie bei einer wiedereinreise nach afghanistan als unverheiratete frau mit einem kind zurückkehren würde. 33in der verwaltungsgerichtlichen rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass in afghanistan die gefahr einer zwangsverheiratung, die dort als solche – zumal bei minderjährigen mädchen – weit verbreitet ist, für eine frau den flüchtlingsstatus begründen kann. 34vgl. u. a. vg augsburg, urteile vom 21. januar 2011 - au 6 k 10.30586 -, vom 16. juni 2011 - au 6 k 11.30092 - und vom 1. dezember 2011 - au 6 k 11.30308 -; vg frankfurt a.m., urteil vom 17. november 2011 - 7 k 4821/10.f.a -; vg münchen, urteil vom 7. dezember 2011 - m 23 k 11.30139 -; vg wiesbaden, urteil vom 5. mai 2012 - 7 k 823/11.wi.a -; vg darmstadt, urteil vom 18. juni 2012 - 2 k 161/11.da.a -; vg schleswig-holstein, urteil vom 16. november 2012 - 12 a 65/11 -; vg trier, urteil vom 14. januar 2013 - 5 k 494/12.tr -; vg stuttgart, urteil vom 25. juni 2013 - a 6 k 2412/12 -, jeweils zitiert nach juris. 35dieser rechtsprechung schließt sich die kammer unter berücksichtigung der ihr vorliegenden erkenntnisquellen an. 36zwar stärken inzwischen verfassung und gesetzgebung afghanistans zunehmend die rechte der frauen. allerdings wird nahezu einhellig berichtet, dass dies für die meisten betroffenen kaum auswirkungen auf ihre lebenswirklichkeit hat. frauen werden nach wie vor in vielfältiger hinsicht diskriminiert. 37vgl. auswärtiges amt, berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante lage in der islamischen republik afghanistan, 31. märz 2014, s. 13 f., und 4. juni 2013, s. 12 f.; amnesty international, jahresbericht afghanistan 2012, 24. mai 2012, sowie jahresbericht afghanistan 2013, 23. mai 2013; schweizerische flüchtlingshilfe, „afghanistan: update: die aktuelle sicherheitslage“, 3. september 2012, s. 14 f., und „afghanistan: situation geschiedener frauen“, 1. november 2011, s. 1 f.; s. auch unhcr, richtlinien zur feststellung des internationalen schutzbedarfs afghanischer asylsuchender – zusammenfassende übersetzung, 24. märz 2011, s. 7. 38im gesellschaftlichen bereich bestimmen nach wie vor eine orthodoxe auslegung der scharia und archaisch-patriarchalische ehrenkodizes die situation von frauen und mädchen. der verhaltenskodex der afghanischen gesellschaft verlangt von ihnen grundsätzlich den verzicht auf eigenständigkeit. innerhalb der familie haben sie sich dem willen der männlichen familienmitglieder zu unterwerfen. falls sie sich den gesellschaftlichen normen verweigern, besteht die gefahr der sozialen ächtung. die entwicklung einer eigenständigen lebensperspektive ist ihnen ohne familiäre unterstützung nicht möglich. 39vgl. bundesamt für migration und flüchtlinge (bamf), geschlechtsspezifische verfolgung in ausgewählten herkunftsländern, april 2010, s. 25 ff. 40entsprechend der untergeordneten stellung der frauen in afghanistan ist häusliche gewalt in form von schlägen und misshandlungen weit verbreitet. bei etwa 60% der in afghanistan geschlossenen ehen soll es sich um kinderehen handeln. unter zwang sollen bis zu 80% aller ehen eingegangen werden. 41vgl. bamf, geschlechtsspezifische verfolgung in ausgewählten herkunftsländern, april 2010, s. 29 f.; 32; schweizerische flüchtlingshilfe, „afghanistan: situation von waisenmädchen“, 24. november 2011, s. 1 f., und „iran: zwangsheirat einer afghanischen minderjährigen“, 7. februar 2013, s. 4. 42die flucht vor einer zwangsverheiratung kann auslöser für einen ehrenmord sein. 43vgl. bamf, geschlechtsspezifische verfolgung in ausgewählten herkunftsländern, april 2010, s. 30; austrian centre for country of origin and asylum research and documentation (accord), anfragebeantwortung zu afghanistan: sanktionen gegen unverheiratetes paar, das untertaucht (rolle von volkszugehörigkeit und religion?); sanktionen gegen familienangehörige des mannes, 27. dezember 2012. 44geht die frau, die sich einer zwangsverheiratung entzieht, dabei sogar eine vor- oder außereheliche beziehung mit einem anderen mann ein, drohen nicht nur der frau selbst, sondern mitunter sowohl ihren eigenen kindern als auch dem anderen mann ein ehrverbrechen. 45vgl. accord, anfragebeantwortung zu afghanistan: informationen zur praxis der blutrache, 11. juni 2013 46zufluchtsmöglichkeiten für frauen, die vor geschlechtsspezifischer verfolgung wie häuslicher gewalt oder drohender zwangs- bzw. kinderverheiratung fliehen, sind nur beschränkt verfügbar. überhaupt begrenzt die prekäre sicherheitslage in afghanistan vor allem für frauen und kinder den zugang zu sozialen einrichtungen. 47vgl. bundeszentrale für politische bildung, kurzprofil zum konflikt in afghanistan, 18. februar 2013. 48die mehrheit der frauen hat zudem kaum zugang zu gerichten und juristischer unterstützung. frauen, die sich gegen verletzungen ihrer rechte wehren, sehen sich vertretern des staates gegenüber, die häufig nicht in der lage oder aufgrund konservativer wertvorstellungen nicht gewillt sind, diese rechte zu schützen. 49vgl. bamf, geschlechtsspezifische verfolgung in ausgewählten herkunftsländern, april 2010, s. 25 ff. 50diese erkenntnislage zugrunde gelegt, bestehen seitens des gerichts keine zweifel an der glaubhaftigkeit des vortrags der klägerin zu 1. 51das gericht ist nach durchführung der mündlichen verhandlung aufgrund des gesamtergebnisses des verfahrens gemäß § 108 abs. 1 satz 1 vwgo davon überzeugt, dass der vortrag der klägerin zu 1. der wahrheit entspricht. die klägerin zu 1. hat in der mündlichen verhandlung einen glaubwürdigen eindruck hinterlassen. sie hat die umstände der drohenden zwangsheirat in der mündlichen verhandlung detailliert und widerspruchsfrei geschildert. danach steht für das gericht fest, dass die klägerin zu 1. – ohne ihren willen – bereits als kind seitens ihrer familie zur verheiratung mit einem ihrer cousins versprochen war. die klägerin zu 1. hat insbesondere glaubhaft geschildert, dass sie ihren cousin nicht mochte. sie hat befürchtet, dass es ihr in einer ehe mit ihm ebenso ergehen könnte wie seiner mutter, die von ihrem mann, dem onkel der klägerin zu 1., häufig geschlagen worden sei. 52sie hatte vielmehr ein verhältnis mit einem nachbarsjungen, mit dem sie auch geschlafen hatte. des weiteren ist die klägerin zu 1. in der heimat von fremden zusammen mit zwei weiteren mädchen vergewaltigt worden. als sie schwanger wurde, war nicht ganz klar ob die schwangerschaft aus der vergewaltigung oder der beziehung zu dem nachbarsjungen herrührte, mit dem sie später nach deutschland ausreiste, von dem sie sich aber nach ihrer einreise getrennt hat. 53akteur dieser drohenden verfolgung war in erster linie die familie der klägerin zu 1., mithin nicht unmittelbar der staat afghanistan. diese drohende verfolgung ist aber dem staat zurechenbar, da die klägerin zu 1. nicht den schutz des staates oder hinreichend mächtiger parteien, organisationen oder internationaler organisationen in anspruch nehmen konnte. insbesondere ist die islamische republik afghanistan erwiesenermaßen nicht in der lage, schutz vor der zwangsverheiratung durch nichtstaatliche akteure zu bieten. dies wäre dann der fall, wenn der staat geeignete schritte eingeleitet hätte, um die verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame rechtsvorschriften zur ermittlung, strafverfolgung und ahndung der handlungen, die eine verfolgung darstellen, und wenn die klägerin zu 1. zugang zu diesem schutz hätte. nach der oben bereits dargelegten auskunftslage sind diese voraussetzungen jedoch nicht erfüllt. 54besteht nach alledem für die klägerin zu 1. ein anspruch auf anerkennung als asylberechtigte, ist ein solcher anspruch auch der klägerin zu 2. zuzugestehen. denn als kind der klägerin zu 1. ist sie aufgrund des prinzips der blutrache mitunter selbst repressionen durch die familie der klägerin zu 1. ausgesetzt. 55für die klägerinnen besteht schließlich auch keine inländische fluchtalternative im sinne des § 3 e asylvfg. nach § 3 e asylvfg wird einem ausländer die flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem teil seines herkunftslandes keine begründete furcht vor verfolgung oder zugang zu schutz vor verfolgung nach § 3 d asylvfg hat und sicher und legal in diesen landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. diese voraussetzungen sind hier – auch mit blick auf kabul – nicht erfüllt. 56für die klägerinnen mag zwar eine begründete furcht vor der geltend gemachten verfolgung außerhalb der provinz i. – etwa in kabul – nicht bestehen. denn es ist nicht ersichtlich, dass die familie der klägerin zu 1. auch in kabul zugriff auf diese haben könnte. von den klägerinnen kann aber nicht vernünftigerweise erwartet werden, dass sie sich in kabul oder anderswo in afghanistan dauerhaft aufhalten, um der geltend gemachten bedrohung zu entfliehen. 57von einem schutzsuchenden kann nur dann vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in dem verfolgungsfreien landesteil aufhält, wenn der ausländer am zufluchtsort eine ausreichende lebensgrundlage vorfindet, d. h. dort das existenzminimum gewährt ist. dabei bietet ein verfolgungssicherer ort erwerbsfähigen personen eine wirtschaftliche lebensgrundlage etwa dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer vorbildung nicht entsprechende arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch zuwendungen von dritter seite jedenfalls nach überwindung von anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen lebensunterhalt erforderliche erlangen können. 58vgl. zum ganzen bverwg, beschluss vom 21. mai 2003 - 1 b 298.02 - sowie urteile vom 1. februar 2007 - 1 c 24.06 - und vom 29. mai 2008 - 10 c 11.07 -, jeweils zitiert nach juris. 59zwar ist nach der rechtsprechung der kammer vor allem für alleinstehende, aus dem europäischen ausland zurückkehrende und arbeitsfähige männer aus der bevölkerungsmehrheit ohne erhebliche gesundheitliche einschränkungen – mitunter auch ohne familiären rückhalt – in der regel die möglichkeit gegeben, in kabul als tagelöhner wenigstens das überleben zu sichern. kabul stellt daher nach ansicht der kammer derzeit für alleinstehende, arbeitsfähige männer ohne erhebliche gesundheitliche einschränkungen durchaus eine interne schutzalternative im vorstehenden sinne dar. dies gilt in der gesamtschau der aktuellen auskünfte jedoch nicht für besonders schutzbedürftige rückkehrer wie minderjährige, alte oder behandlungsbedürftig kranke personen, alleinstehende frauen und personen, die aufgrund besonderer persönlicher merkmale zusätzlicher diskriminierung unterliegen. 60vgl. urteile der kammer vom 21. februar 2013 - 5a k 1523/11.a, 5a k 1524/11.a und 5a k 1525/11.a - sowie - 5a k 3753/11.a - und vom 23. mai 2013 - 5a k 1907/11.a - sowie - 5a k 3137/11.a -, jeweils mit weiteren nachw., sämtlich zitiert nach juris 61bei der prüfung des § 3 e asylvfg ist außerdem zu beachten, dass familienangehörige wegen des schutzes von ehe und familie nach art. 6 gg nur gemeinsam mit ihren kindern und ihrem ehepartner nach afghanistan zurückkehren können. daher sind bei der beantwortung der frage, ob das existenzminimum am zufluchtsort gewährleistet sein wird, alle familienmitglieder gemeinsam in den blick zu nehmen. 62vgl. vg augsburg, urteil vom 24. mai 2012 - au 6 k 11.30369 -, juris; vgl. jüngst auch bundesverfassungsgericht (bverfg), beschluss vom 5. juni 2013 - 2 bvr 586/13 -, juris. 63ausgehend davon und unter berücksichtigung der eindrücke, die die kammer von der klägerin zu 1. in der mündlichen verhandlung gewonnen hat, ist das gericht davon überzeugt, dass es der familie nicht gelingen wird, das existenzminimum in kabul zu sichern. die ernährung für eine alleinstehende frau mit einem minderjährigen kind kann in kabul durch aushilfsjobs nicht sichergestellt werden. 64vgl. lutze, gutachten an ovg rheinland pfalz, 8. juni 2011, s. 3 und 6 ff. 65nach den glaubhaften angaben der klägerin zu 1. besteht in afghanistan auch kein rückhalt seitens der familie mehr, da sie von ihr bedroht wird. 66nach alledem war daher der klage mit dem hauptantrag stattzugeben. auf die hilfsanträge kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an. 67die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. gerichtskosten werden gemäß § 83b asylvfg nicht erhoben. 68die vorläufige vollstreckbarkeit der kostenentscheidung beruht auf § 167 vwgo in verbindung mit §§ 708 nr. 11, 709 satz 2, 711 zpo. | Klaeger*in | 1 |
144,029 | S 3 KR 336/15 | 2015-10-22T00:00:00 | Urteil | Tenor Der Bescheid der Beklagten vom 29.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2015 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Antrag der Klägerin vom 23.04.2015 auf Kostenübernahme für eine minimalinvasive adipositas-chirurgische Operation als genehmigt gilt. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme für eine minimalinvasive adipositas-chirurgische Operation. 3Die 1991 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Sie leidet unter einer Adipositas mit einem BMI von 58. 4Mit Schreiben vom 23.04.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine minimalinvasive adipositas-chirurgische Operation. Der Antrag ging bei der Beklagten am gleichen Tag ein. 5Dr. Q (MDK) kam in einem Gutachten nach Aktenlage am 28.04.2015 zu der Einschätzung, zur Behandlung der morbiden Adipositas stünden konservative Behandlungsmethoden zur Gewichtsreduzierung zur Verfügung. 6Mit Schreiben der Beklagten vom 06.05.2015 teilte diese der Klägerin mit, dass seitens des MDK die geplante minimalinvasive adipositas-chirurgische Operation nicht befürwortet werde. Weiter heißt es in diesem Schreiben wörtlich wie folgt: "Wir beabsichtigen die Kostenübernahme für eine bariatrische Operation für Frau T abzulehnen. Sie haben die Gelegenheit sich bis zum 23.05.2015 dazu zu äußern." 7Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 29.05.2014 ab. 8Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. 9Am 01.07.2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie führt zur Begründung aus, ein Kostenübernahmeanspruch bestehe bereits deshalb, da die Beklagte zu spät über ihren Leistungsantrag entschieden habe. 10Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2015 als unbegründet zurück. Ergänzend macht sie geltend, der Klägerin sei bereits mit Schreiben vom 06.05.2015 mitgeteilt worden, dass eine Ablehnung des Leistungsantrags erfolgen müsse. 11Die Klägerin beantragt schriftsätzlich, 12unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 29.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2015 festzustellen, dass ihr Antrag auf Kostenübernahme für eine minimalinvasive adipositas-chirurgische Operation als genehmigt gilt. 13Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, 14die Klage abzuweisen. 15Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. 16Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. 17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten waren Gegenstand der Entscheidung. 18Entscheidungsgründe: 19Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben. 20Die Klage ist zulässig. Richtige Klageart ist gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, dass ihr Antrag auf Kostenübernahme für eine minimalinvasive adipositas-chirurgische Operation als genehmigt gilt. Als berechtigt gilt ein Interesse jeglicher wirtschaftlicher und ideeller Art. Es besteht insbesondere bei Unsicherheit über die Rechtslage. Hier bestreitet die Beklagte einen Leistungsanspruch der Klägerin, was ein Feststellungsinteresse begründet. 21Die Klage ist auch begründet. Durch die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gilt der Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme für eine minimalinvasive adipositas-chirurgische Operation als genehmigt. Der dem entgegenstehende Bescheid der Beklagten vom 29.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch gemäß § 54 Abs. 2 SGG in ihren Rechten. 22Gemäß §§ 11 Abs. 1, 27 Abs. 1 SGB V haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf Behandlung einer Krankheit. Nach § 12 Abs. 1 SGB V muss die Behandlung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Die bei der Klägerin diagnostizierte Adipositas stellt eine behandlungsbedürftige Erkrankung dar. Eine Krankheit im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. 23Der Leistungsanspruch der Klägerin ergibt sich vorliegend aufgrund einer Genehmigungsfiktion. Maßgebliche Vorschrift ist hier § 13 Abs. 3a SGB V, welche mit Wirkung vom 26.02.2013 durch Art. 2 Nr. 1 i.V.m. Art. 5 des Patientenrechtegesetzes vom 20.02.2013 (Bundesgesetzblatt I, S. 277 bis 282) eingefügt worden ist. Die Sätze 1 bis 7 der Norm haben folgenden Wortlaut: 24"Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von 3 Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst) eingeholt wird, innerhalb von 5 Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von 3 Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von 6 Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von 4 Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet." 25Vorliegend ist der Antrag der Klägerin bei der Beklagten am 23.04.2015 eingegangen. Die Entscheidungsfristen für die Krankenkassen nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V sind nach §§ 26 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 187, 188 und 193 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu bestimmen. Die Frist beginnt, da der sie auslösende "Antragseingang" ein Ereignis im Sinne des § 187 Abs. 1 BGB darstellt, am folgenden Tage. Nach § 188 Abs. 2 Satz 1 BGB enden die Wochenfristen grundsätzlich mit dem Ablauf des Tages, der nach seiner Benennung dem Tag des Antragseingang entspricht (vgl. Hauck/Noftz, SGB V, § 13 Rz. 50i). Der Antrag der Klägerin war vollständig, hinreichend bestimmt und bei der richtigen Krankenkasse gestellt. Die Entscheidungsfrist begann damit am 24.04.2015. Nach unverzüglicher Einschaltung des MDK galt die Fünfwochenfrist. Diese endete mit Ablauf des 28.05.2015. Die Beklagte hat innerhalb dieser Frist nicht über den Leistungsantrag der Klägerin entschieden. Sie hat der Klägerin auch nicht schriftlich mitgeteilt, dass sie es innerhalb der gesetzlichen Fristen nicht schafft, über den Antrag zu entscheiden. Die hinreichende Mitteilung über Gründe der Verzögerung im Sinne des § 13 Abs. 3a S 5 SGB 5 setzt zwingend eine ausdrückliche schriftliche Klarstellung voraus, welche gesetzliche Entscheidungsfrist einschlägig ist und warum diese ggf. nicht eingehalten werden kann (vgl. Sozialgericht Gießen, Urteil vom 26.06.2015, S 7 KR 429/14; zitiert nach www.juris.de). Die Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 29.05.2015 war verspätet. Der Leistungsantrag der Klägerin gilt nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V als genehmigt. 26Durch das Schreiben vom 06.05.2015 hat die Beklagte den Leistungsantrag der Klägerin nicht abgelehnt. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut, nach dem eine endgültige Entscheidung erst nach Ablauf der der Klägerin eingeräumten Anhörungsfrist ergehen sollte. 27Durch die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V gilt die Genehmigung der beantragten Leistung durch einen fingierten Verwaltungsakt als erlassen. Die Leistungsberechtigung des Antragstellers ist wirksam verfügt und die Krankenkasse ist mit allen Einwendungen, insbesondere im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V ausgeschlossen (vgl. Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 17.06.2015, L 2 KR 180/14, Revision beim BSG unter dem Aktenzeichen B 1 KR 25/15 R anhängig; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.05.2014, L 5 KR 222/14 B ER; zitiert nach www.juris.de). Der vom 16. Senat des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 26.05.2014 (L 16 KR 154/14 B ER; zitiert nach www.juris.de) vertretenen Auffassung, wonach die Genehmigungsfiktion nur dann eingreift, wenn eine grundsätzlich von der Krankenkasse innerhalb des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldete Leistung dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V entspricht, folgt die Kammer nicht. Der Sanktionsgrund des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V würde leerlaufen, wenn die beklagte Krankenkasse nach Nichtbeachtung der in § 13 Abs. 3a SGB V genannten Vorgehensweise im weiteren (Klage-) Verfahren mit Erfolg einwenden könnte, die beantragte Leistung hätte im konkreten Fall nicht bewilligt werden dürfen (Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 02.03.2015, S 9 KR 903/14; Sozialgericht Lüneburg, Urteil vom 17.02.2015, S 16 KR 96/14; Sozialgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 05.02.2015, S 17 KR 524/14; zitiert nach www.juris.de). Zudem hätte bei einer solchen Auslegung ein Versicherter, ungeachtet eines Verstoßes der Krankenkasse gegen die in § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V normierten Hinweispflicht, keine Gewissheit, dass die beantragte Leistung von der Krankenkasse bezahlt oder zumindest die Kosten hierfür erstattet werden. Dies kann nicht Sinn und Zweck des Patientenrechtegesetzes gewesen sein, welches gerade darauf abzielt, die Rechte der Patienten zu stärken (vgl. Sozialgericht Heilbronn, Urteil vom 10.03.2015, S 11 KR 2425/14; zitiert nach www.juris.de). 28Die Genehmigungsfiktion gilt auch nicht nur für Kostenerstattungsansprüche. Nach dem klaren Wortlaut der Norm gewähren Satz 6 und Satz 7 mittels einer Genehmigungsfiktion einen Sachleistungsanspruch oder einen Kostenerstattungsanspruch. Zwar hatte der Gesetzgeber zunächst lediglich einen Kostenerstattungsanspruch für erforderliche Leistungen ins Auge gefasst, wie es sich aus dem Entwurf des Patientenrechtegesetzes ergibt (vgl. Bundesrats-Drucksache 312/12, S. 46; Bundestags-Drucksache 17/10488, S. 32). Nachdem durch den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestags im November 2012 mit dem Satz 6 eine Genehmigungsfiktion der Leistungen bei Nichteinhaltung der Fristen neben der in Satz 7 geregelten Kostenerstattung aufgenommen worden war (vgl. Bundestags-Drucksache 17/11710, S. 30), um es dem Versicherten zu erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen, wurden Satz 6 und Satz 7 in der Gesetzesänderung aufgenommen. Beide Sätze stehen ihrem Wortlaut nach gleichberechtigt nebeneinander. Wäre der Geltungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V lediglich auf einen Kostenerstattungsanspruch beschränkt, käme Satz 6 kein eigener Regelungsgehalt zu. Zudem schlösse eine solche Auslegung mittellose Versicherte, die nach Ablauf der Frist nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, entgegen des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 3 Abs. 1 GG praktisch aus dem Schutzbereich des § 13 Abs. 3a SGB V aus (vgl. Sozialgericht Marburg, Urteil vom 15.01.2015, S 6 KR 160/13; zitiert nach www.juris.de). 29Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. | der bescheid der beklagten vom 29.05.2015 in gestalt des widerspruchsbescheides vom 25.08.2015 wird aufgehoben. es wird festgestellt, dass der antrag der klägerin vom 23.04.2015 auf kostenübernahme für eine minimalinvasive adipositas-chirurgische operation als genehmigt gilt. die beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen kosten der klägerin zu erstatten. 1 | 2die beteiligten streiten um die kostenübernahme für eine minimalinvasive adipositas-chirurgische operation. 3die 1991 geborene klägerin ist bei der beklagten gegen krankheit versichert. sie leidet unter einer adipositas mit einem bmi von 58. 4mit schreiben vom 23.04.2015 beantragte die klägerin bei der beklagten die kostenübernahme für eine minimalinvasive adipositas-chirurgische operation. der antrag ging bei der beklagten am gleichen tag ein. 5dr. q (mdk) kam in einem gutachten nach aktenlage am 28.04.2015 zu der einschätzung, zur behandlung der morbiden adipositas stünden konservative behandlungsmethoden zur gewichtsreduzierung zur verfügung. 6mit schreiben der beklagten vom 06.05.2015 teilte diese der klägerin mit, dass seitens des mdk die geplante minimalinvasive adipositas-chirurgische operation nicht befürwortet werde. weiter heißt es in diesem schreiben wörtlich wie folgt: "wir beabsichtigen die kostenübernahme für eine bariatrische operation für frau t abzulehnen. sie haben die gelegenheit sich bis zum 23.05.2015 dazu zu äußern." 7die beklagte lehnte den antrag der klägerin mit bescheid vom 29.05.2014 ab. 8hiergegen hat die klägerin widerspruch eingelegt. 9am 01.07.2015 hat die klägerin klage erhoben. sie führt zur begründung aus, ein kostenübernahmeanspruch bestehe bereits deshalb, da die beklagte zu spät über ihren leistungsantrag entschieden habe. 10die beklagte wies den widerspruch der klägerin mit widerspruchsbescheid vom 25.08.2015 als unbegründet zurück. ergänzend macht sie geltend, der klägerin sei bereits mit schreiben vom 06.05.2015 mitgeteilt worden, dass eine ablehnung des leistungsantrags erfolgen müsse. 11die klägerin beantragt schriftsätzlich, 12unter aufhebung des bescheides der beklagten vom 29.05.2015 in gestalt des widerspruchsbescheides vom 25.08.2015 festzustellen, dass ihr antrag auf kostenübernahme für eine minimalinvasive adipositas-chirurgische operation als genehmigt gilt. 13die beklagte beantragt schriftsätzlich, 14die klage abzuweisen. 15sie verweist zur begründung auf den inhalt der angefochtenen bescheide. 16die beteiligten haben sich mit einer entscheidung ohne mündliche verhandlung einverstanden erklärt. 17wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den übrigen inhalt der gerichtsakte verwiesen. die beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten waren gegenstand der entscheidung. 18 | 19das gericht konnte ohne mündliche verhandlung durch urteil gemäß § 124 abs. 2 sozialgerichtsgesetz (sgg) entscheiden, da sich die beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben. 20die klage ist zulässig. richtige klageart ist gemäß §§ 54 abs. 1, 55 abs. 1 nr. 1 sgg die kombinierte anfechtungs- und feststellungsklage. die klägerin hat ein berechtigtes interesse an der baldigen feststellung, dass ihr antrag auf kostenübernahme für eine minimalinvasive adipositas-chirurgische operation als genehmigt gilt. als berechtigt gilt ein interesse jeglicher wirtschaftlicher und ideeller art. es besteht insbesondere bei unsicherheit über die rechtslage. hier bestreitet die beklagte einen leistungsanspruch der klägerin, was ein feststellungsinteresse begründet. 21die klage ist auch begründet. durch die genehmigungsfiktion des § 13 abs. 3a satz 6 sozialgesetzbuch fünftes buch (sgb v) gilt der antrag der klägerin auf kostenübernahme für eine minimalinvasive adipositas-chirurgische operation als genehmigt. der dem entgegenstehende bescheid der beklagten vom 29.05.2015 in gestalt des widerspruchsbescheides vom 25.08.2015 ist rechtswidrig und verletzt die klägerin dadurch gemäß § 54 abs. 2 sgg in ihren rechten. 22gemäß §§ 11 abs. 1, 27 abs. 1 sgb v haben gesetzlich versicherte anspruch auf behandlung einer krankheit. nach § 12 abs. 1 sgb v muss die behandlung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das maß des notwendigen nicht überschreiten. die bei der klägerin diagnostizierte adipositas stellt eine behandlungsbedürftige erkrankung dar. eine krankheit im sinne von § 27 abs. 1 satz 1 sgb v ist ein regelwidriger, vom leitbild des gesunden menschen abweichender körper- oder geisteszustand, der ärztlicher behandlung bedarf oder den betroffenen arbeitsunfähig macht. 23der leistungsanspruch der klägerin ergibt sich vorliegend aufgrund einer genehmigungsfiktion. maßgebliche vorschrift ist hier § 13 abs. 3a sgb v, welche mit wirkung vom 26.02.2013 durch art. 2 nr. 1 i.v.m. art. 5 des patientenrechtegesetzes vom 20.02.2013 (bundesgesetzblatt i, s. 277 bis 282) eingefügt worden ist. die sätze 1 bis 7 der norm haben folgenden wortlaut: 24"die krankenkasse hat über einen antrag auf leistungen zügig, spätestens bis zum ablauf von 3 wochen nach antragseingang oder in fällen, in denen eine gutachterliche stellungnahme, insbesondere des medizinischen dienstes der krankenversicherung (medizinischer dienst) eingeholt wird, innerhalb von 5 wochen nach antragseingang zu entscheiden. wenn die krankenkasse eine stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. der medizinische dienst nimmt innerhalb von 3 wochen gutachtlich stellung. wird ein im bundesmantelvertrag für zahnärzte vorgesehenes gutachterverfahren durchgeführt, hat die krankenkasse ab antragseingang innerhalb von 6 wochen zu entscheiden; der gutachter nimmt innerhalb von 4 wochen stellung. kann die krankenkasse fristen nach satz 1 oder satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies dem leistungsberechtigten unter darlegung der gründe rechtzeitig schriftlich mit. erfolgt keine mitteilung eines hinreichenden grundes, gilt die leistung nach ablauf der frist als genehmigt. beschaffen sich leistungsberechtigte nach ablauf der frist eine erforderliche leistung selbst, ist die krankenkasse zur erstattung der hierdurch entstandenen kosten verpflichtet." 25vorliegend ist der antrag der klägerin bei der beklagten am 23.04.2015 eingegangen. die entscheidungsfristen für die krankenkassen nach § 13 abs. 3a satz 1 sgb v sind nach §§ 26 abs. 1 und abs. 3 satz 1, 187, 188 und 193 bürgerliches gesetzbuch (bgb) zu bestimmen. die frist beginnt, da der sie auslösende "antragseingang" ein ereignis im sinne des § 187 abs. 1 bgb darstellt, am folgenden tage. nach § 188 abs. 2 satz 1 bgb enden die wochenfristen grundsätzlich mit dem ablauf des tages, der nach seiner benennung dem tag des antragseingang entspricht (vgl. hauck/noftz, sgb v, § 13 rz. 50i). der antrag der klägerin war vollständig, hinreichend bestimmt und bei der richtigen krankenkasse gestellt. die entscheidungsfrist begann damit am 24.04.2015. nach unverzüglicher einschaltung des mdk galt die fünfwochenfrist. diese endete mit ablauf des 28.05.2015. die beklagte hat innerhalb dieser frist nicht über den leistungsantrag der klägerin entschieden. sie hat der klägerin auch nicht schriftlich mitgeteilt, dass sie es innerhalb der gesetzlichen fristen nicht schafft, über den antrag zu entscheiden. die hinreichende mitteilung über gründe der verzögerung im sinne des § 13 abs. 3a s 5 sgb 5 setzt zwingend eine ausdrückliche schriftliche klarstellung voraus, welche gesetzliche entscheidungsfrist einschlägig ist und warum diese ggf. nicht eingehalten werden kann (vgl. sozialgericht gießen, urteil vom 26.06.2015, s 7 kr 429/14; zitiert nach www.juris.de). die ablehnungsentscheidung der beklagten vom 29.05.2015 war verspätet. der leistungsantrag der klägerin gilt nach § 13 abs. 3a satz 6 sgb v als genehmigt. 26durch das schreiben vom 06.05.2015 hat die beklagte den leistungsantrag der klägerin nicht abgelehnt. dies ergibt sich aus dem eindeutigen wortlaut, nach dem eine endgültige entscheidung erst nach ablauf der der klägerin eingeräumten anhörungsfrist ergehen sollte. 27durch die genehmigungsfiktion des § 13 abs. 3a satz 6 sgb v gilt die genehmigung der beantragten leistung durch einen fingierten verwaltungsakt als erlassen. die leistungsberechtigung des antragstellers ist wirksam verfügt und die krankenkasse ist mit allen einwendungen, insbesondere im hinblick auf das wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 sgb v ausgeschlossen (vgl. landessozialgericht für das saarland, urteil vom 17.06.2015, l 2 kr 180/14, revision beim bsg unter dem aktenzeichen b 1 kr 25/15 r anhängig; landessozialgericht nordrhein-westfalen, beschluss vom 23.05.2014, l 5 kr 222/14 b er; zitiert nach www.juris.de). der vom 16. senat des landessozialgerichts für das land nordrhein-westfalen im beschluss vom 26.05.2014 (l 16 kr 154/14 b er; zitiert nach www.juris.de) vertretenen auffassung, wonach die genehmigungsfiktion nur dann eingreift, wenn eine grundsätzlich von der krankenkasse innerhalb des leistungssystems der gesetzlichen krankenversicherung geschuldete leistung dem qualitäts- und wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 sgb v entspricht, folgt die kammer nicht. der sanktionsgrund des § 13 abs. 3a satz 6 sgb v würde leerlaufen, wenn die beklagte krankenkasse nach nichtbeachtung der in § 13 abs. 3a sgb v genannten vorgehensweise im weiteren (klage-) verfahren mit erfolg einwenden könnte, die beantragte leistung hätte im konkreten fall nicht bewilligt werden dürfen (sozialgericht düsseldorf, urteil vom 02.03.2015, s 9 kr 903/14; sozialgericht lüneburg, urteil vom 17.02.2015, s 16 kr 96/14; sozialgericht gelsenkirchen, urteil vom 05.02.2015, s 17 kr 524/14; zitiert nach www.juris.de). zudem hätte bei einer solchen auslegung ein versicherter, ungeachtet eines verstoßes der krankenkasse gegen die in § 13 abs. 3a satz 5 sgb v normierten hinweispflicht, keine gewissheit, dass die beantragte leistung von der krankenkasse bezahlt oder zumindest die kosten hierfür erstattet werden. dies kann nicht sinn und zweck des patientenrechtegesetzes gewesen sein, welches gerade darauf abzielt, die rechte der patienten zu stärken (vgl. sozialgericht heilbronn, urteil vom 10.03.2015, s 11 kr 2425/14; zitiert nach www.juris.de). 28die genehmigungsfiktion gilt auch nicht nur für kostenerstattungsansprüche. nach dem klaren wortlaut der norm gewähren satz 6 und satz 7 mittels einer genehmigungsfiktion einen sachleistungsanspruch oder einen kostenerstattungsanspruch. zwar hatte der gesetzgeber zunächst lediglich einen kostenerstattungsanspruch für erforderliche leistungen ins auge gefasst, wie es sich aus dem entwurf des patientenrechtegesetzes ergibt (vgl. bundesrats-drucksache 312/12, s. 46; bundestags-drucksache 17/10488, s. 32). nachdem durch den ausschuss für gesundheit des deutschen bundestags im november 2012 mit dem satz 6 eine genehmigungsfiktion der leistungen bei nichteinhaltung der fristen neben der in satz 7 geregelten kostenerstattung aufgenommen worden war (vgl. bundestags-drucksache 17/11710, s. 30), um es dem versicherten zu erleichtern, sich die ihm zustehende leistung zeitnah zu beschaffen, wurden satz 6 und satz 7 in der gesetzesänderung aufgenommen. beide sätze stehen ihrem wortlaut nach gleichberechtigt nebeneinander. wäre der geltungsbereich des § 13 abs. 3a sgb v lediglich auf einen kostenerstattungsanspruch beschränkt, käme satz 6 kein eigener regelungsgehalt zu. zudem schlösse eine solche auslegung mittellose versicherte, die nach ablauf der frist nicht in der lage sind, sich die begehrte leistung selbst zu beschaffen, entgegen des gleichbehandlungsgebots nach art. 3 abs. 1 gg praktisch aus dem schutzbereich des § 13 abs. 3a sgb v aus (vgl. sozialgericht marburg, urteil vom 15.01.2015, s 6 kr 160/13; zitiert nach www.juris.de). 29die kostenentscheidung folgt aus § 193 sgg. | Klaeger*in | 1 |
330,524 | S 12 SB 566/18 | 2020-07-28T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. 1Tatbestand: 2Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig. 3Mit Bescheid vom 04.01.2016 stellte der Beklagte bei dem Kläger am 00.00.0000 gebore-nen Kläger aufgrund einer Hirnleistungsminderung und einer seelischen Störung einen GdB von 50 fest. 4Am 17.01.2018 stellte der Kläger einen Änderungsantrag. Hierbei gab er an, die Auswir-kungen der Gehirnverletzungen seien erheblich folgenreicher als bisher angenommen. Die bisherigen Behandlungen machten erkennbar, dass eine ausreichende berufliche Leis-tungsfähigkeit nicht mehr zu erlangen sei. Der Beklagte holte Befundberichte der Q Klink und des Diplom-Psychologen W. ein und wertete diese durch seinen ärztlichen Dienst aus. Dieser kam zu der Einschätzung, der GdB für die Hirnleistungsminderung sei mit 50, der für die seelische Störung mit 20 zu bewerten. Insgesamt sei der GdB weiter mit 50 zu bewerten, da eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung zu den bisherigen Feststellungen nicht zu objektivieren sei. 5Mit Bescheid vom 14.03.2018 lehnte der Beklagte daraufhin die Feststellung eines höhe-ren Grades der Behinderung ab. Hiergegen legte der Kläger am 03.04.2018 Widerspruch ein. Zur Begründung des Widerspruches legte er eine Stellungnahme des Dr. I. vor, wo-nach vor dem Hintergrund einer mehrmonatigen klinischen Behandlung und neuropsycho-logischer Diagnostik und Behandlung die Folgen des Schädel-Hirn-Traumas deutlich weit-reichender eingeschätzt werden müssten, als dies bislang möglich gewesen sei. Die Be-zirksregierung Münster lehnte – nach erneuter gutachterlicher Stellungnahme des ärztli-chen Dienstes – den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.06.2018 als unbe-gründet zurück. 6Hiergegen richtet sich die vom Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, am 11.07.2018 erhobene Klage. In diesem Zusammenhang legte der Kläger neben einem umfangreicherem Konvolut psychiatrischer und (neuro-)psychologischer Arztberichte auch ein neurologisches Gutachten des Professor Dr. G., Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie vom 29.07.2016, welches im Rahmen eines zivilrechtlichen Rechtsstreits vor dem Landgericht Köln erstattet worden war, vor. 7Das Gericht hat Befundberichte des behandelnden Neurologen und Psychiaters M., des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie sowie psychotherapeutische Medizin Dr. I. sowie des Diplom-Psychologen W. sowie darüber hinaus ein neurologisch psychiatrisches Gutachten der Frau Dr. M., nebst eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens des PD Dr. L. eingeholt, welche gegenüber dem Gericht am 11.03.2020 nach persönliche Unter-suchung des Klägers erstattet worden sind. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellung-nahme zu den Gutachten gegeben worden. 8Der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten hält die in diesen Gutachten getroffenen Feststellungen insbesondere zur Höhe des Grades der Behinderung für nicht überzeugend. Er geht von einem GdB von 100 aus. Der Beklagte sieht sich durch die Aus-führungen der Gutachter in seinem bisherigen Vortrag bestärkt. Die Gutachterin Dr. M. hat in Ansehung der Einwände des Klägers eine ergänzende Stellungnahme abgegeben. 9Unter dem 17.04.2020 hat der Kammervorsitzende mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevoll-mächtigten, hat am 19.05.2020, der Beklagte mit Schriftsatz vom 22.05.2020 einer Ent-scheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. 10Der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, beantragt schriftsätzlich, 11den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 14.03.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2018 zu verurteilen, bei dem Kläger einen GdB von 100 festzustellen. 12Der Beklagte beantragt schriftsätzlich, 13die Klage abzuweisen. 14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. 15Entscheidungsgründe: 16Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht beschwert, da diese rechtmäßig sind. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 50. 17Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – (SGB IX) in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundes-teilhabegesetz – BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) sind Menschen mit Behinde-rungen solche, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleich-berechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt dabei dann vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand ab-weicht, § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. 18Gemäß § 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft dargestellt. Bei dem Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. 19Die Bemessung des Gesamt-GdB hat dabei in mehreren Schritten zu erfolgen und ist tat-richterliche Aufgabe (Bundessozialgericht – BSG – Beschluss vom 01.06.2017 – B 9 SB 20/17 B = juris; BSG Beschluss vom 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 B = juris Rn. 5 m.w.N.; Landessozialgericht – LSG – Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32). 20Zunächst sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vo-rübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinn von regelwidrigen, von der Norm abwei-chenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die daraus ableitenden Teilhabebeein-trächtigungen festzustellen. Sodann sind diese den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Schließlich ist unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen in einer Gesamtschau der Gesamt-GdB zu bilden (BSG Urteil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R = juris Rn. 18 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32). 21Nach Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30 Abs. 17 (a.F.) Bundesversor-gungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (BGBl. I 2008, S. 2412 - Versorgungsmedizin-Verordnung) vom 10.12.2008, zuletzt geändert Artikel 26 des Gesetzes vom 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652), die wegen § 152 Abs. 1 Satz 4 SGB IX auch im Schwerbehinderten-recht zur Anwendung kommt (Versorgungsmedizinische Grundsätze), sind zur Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung rechnerische Methoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Ge-samtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weite-ren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Teil A Ziffer 3 lit. d) ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörun-gen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-grades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderungen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinde-rung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Gesamtausmaßes der Behinderung zu schließen. 22Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-GdB zudem die Auswirkungen im konkre-ten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizinischen Grunds-ätzen feste GdB-Werte angegeben sind (BSG Urteil vom 02.12.2010 – B 9 SB 4/10 R = juris Rn. 25; vgl. auch Teil A Ziffer 3 lit. b) Versorgungsmedizinische Grundsätze). 23Die anspruchsbegründenden Tatsachen sind, dies gilt nach allgemeinen Grundsätzen des sozialgerichtlichen Verfahrens auch im Schwerbehindertenrecht grundsätzlich im Vollbe-weis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R = juris Rn. 14; Bayerisches LSG Urteil vom 18.06.2013 – L 15 BL 6/10 = juris Rn. 67 ff.; Bayerisches LSG Urteil vom 05.02.2013 – L 15 SB 23/10= juris). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsa-chen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indes-sen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnis-ses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R = juris Rn. 11), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92 = juris Rn. 14). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines An-spruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen. 24Im vorliegenden Fall steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die bei dem Kläger vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht die Feststellung eines GdB von mehr als 50 rechtfertigen. 25Der Kläger leidet zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Wesentlichen un-ter einer Residualsymptomatik nach Schädel-Hirn-Trauma nach Verkehrsunfall im März 2014 mit kognitiven Leistungsstörungen und Beeinträchtigung der Aktivitäten des täglichen Lebens im Sinne eines organischen Psychosyndroms. 26Das Vorliegen dieser komplexen Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten und vorgeleg-ten Befund- und Arztberichte und Gutachten fest. Die von Dr. M. und PD Dr. L. erstatte-ten Gutachten beruhen auf umfangreichen Untersuchungen erfahrener gerichtlicher Sach-verständigen, die unter Einsatz von diversen Hilfsmitteln durchgeführt worden sind. Die Kammer hat keinen Anlass an der Richtigkeit der in den Gutachten erhobenen medizini-schen Befunde und gestellten Diagnosen zu zweifeln. Die Beteiligten haben nach Auffas-sung der Kammer auch keine substantiierten Einwände gegen die medizinischen Feststel-lungen erhoben. Lediglich die Frage der Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen so-wie der hierauf folgende GdB blieb im Wesentlichen umstritten. Diese Feststellung ist frei-lich keine medizinisch sondern eine durch die Kammer vorzunehmende rechtliche Bewer-tung. 27Die beim Kläger vorliegenden komplexen Beeinträchtigungen, die neben einer Einschrän-kung der Gedächtnisleistung und einer Aufmerksamkeitsstörung auch Aspekte eines so-genannten Chronischen Erschöpfungssyndroms ("chronic fatigue syndrome") mit umfas-sen, wie auch schon der langjährige Psychiater und Neurologe des Klägers M. attestiert hat, sind – dies steht zu Überzeugung der Kammer fest – Folge des durchlebten Ver-kehrsunfalls des Klägers mit Eintritt eines Schädel-Hirn-Traumas. 28Maßgeblich für die versorgungsmedizinische Bewertung ist insoweit Teil B Ziffer 3.1. der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Ein entsprechender Hirnschaden ist danach dann nachgewiesen, wenn Symptome einer organischen Veränderung des Gehirns – nach Ver-letzung oder Krankheit nach dem Abklingen der akuten Phase – festgestellt worden sind. Bestimmend für die Beurteilung des GdB ist dabei das Ausmaß der bleibenden Ausfallser-scheinungen. Insoweit sind der neurologische Befund, die Ausfallserscheinungen im psy-chischen Bereich unter Würdigung der prämorbiden Persönlichkeit und ggf. das Auftreten von zerebralen Anfällen zu beachten. Bei der Mannigfaltigkeit der Folgezustände von Hirnschädigungen kommt ein GdB zwischen 20 und 100 in Betracht, wobei bei der Bewer-tung primär auf die unter Teil B Ziffer 3.1.1 der Versorgungsmedizinschen Grundsätze ge-nannte Gesamtbewertung abzustellen ist. Die unter Teil B Ziffer 3.1.2 der Versorgungs-medizinischen Grundsätze angeführten isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndrome stellen freilich eine ergänzende Hilfe zur Beurteilung dar. 29Gemäß Teil B Ziffer 3.1.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze bedingen Hirnschä-den mit geringer Leistungsbeeinträchtigung einen GdB von 30-40, Hirnschäden mit mittel-schwerer Leistungsbeeinträchtigung einen 50-60 und Hirnschäden mit schwerer Leis-tungsbeeinträchtigung einen GdB von 70-100. 30Nach Teil B Ziffer 3.1.2 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ist der GdB bei Hirn-schäden mit isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndromen zu unterscheiden. Bei Hirnschäden mit leichten psychischen Störungen (d.h. im Alltag sich gering auswir-kend) ist ein GdB von 30 -40, bei mittelgradigen psychischen Störungen (im Alltag sich deutlich auswirkend) ist ein GdB von 50 – 60 und bei schweren psychischen Störungen ist ein GdB von 70 – 100 möglich. 31Bestehen zentrale vegetative Störungen als Ausdruck eines Hirndauerschadens (z.B. Stö-rungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, der Vasomotorenregulation oder der Schweißregula-tion) und sind diese leicht, kommt ein GdB von 30, bei mittelgradigen – auch mit vereinzel-ten synkopalen Anfällen – ein GdB von 40 und bei häufigeren Anfällen oder erheblichen Auswirkungen auf den Allgemeinzustand ein solcher von 50 in Betracht. 32Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen (spino-) zerebraler Ursache bedingen – je nach dem Ausmaß der Störung der Ziel- und Feinmotorik einschließlich der Schwierigkei-ten beim Gehen und Stehen (siehe hierzu auch bei Hör- und Gleichgewichtsorgan) – einen GdB zwischen 30 und 100. Hirnschäden mit kognitiven Leistungsstörungen (z. B. Aphasie, Apraxie, Agnosie) bedingen einen solchen von 30-40, sofern sie leicht (z.B. Restaphasie) sind. Bei mittelgradigen kognitiven Leistungsstörungen (z.B. Aphasie mit deutlicher bis sehr ausgeprägter Kommunikationsstörung) kommt ein GdB von 50 – 80, bei schweren (z.B. globale Aphasie) ein solcher von 90 – 100 in Betracht. Zerebral beding-te Teillähmungen und Lähmungen rechtfertigen bei leichte Restlähmungen und Tonusstörungen der Gliedmaßen einen GdB von 30. Bei ausgeprägteren Teillähmungen und vollständigen Lähmungen ist der GdB aus Vergleichen mit dem GdB bei Gliedmaßen-verlusten, peripheren Lähmungen und anderen Funktionseinbußen der Gliedmaßen abzu-leiten. Eine vollständige Lähmung von Arm und Bein (Hemiplegie) bedingt einen GdB von 100 33Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass wesentliche Beeinträchtigungen im Bereich der Physis, insbesondere was die Frage der körperlichen Aktivität angeht, beim Kläger nicht verblieben sind. Es mag sein, dass der Anspruch des Klägers an ihn selbst – der Kläger war in der Vergangenheit nach eigenen Angaben sportlich sehr aktiv – hinter seinen Erwartungen zurückbleibt. Aus den vorgeleg-ten Arzt und Befundberichten ergibt sich allerdings ebenso wie aus dem Gutachten der Frau Dr. M., dass der Kläger weiterhin sehr um körperliche Fitness bemüht ist und fast täglich trainiert. Die körperliche Untersuchung durch Frau M. war insoweit ebenfalls unauf-fällig. Kraft, Tonus und Trophik beider Arme und Beine waren, ebenso wie das Gangbild, unauffällig. Die Armeigenreflexe waren mittellebhaft und seitengleich. Die Beineigenreflexe waren ebenfalls mittellebhaft und seitengleich. Die Bauchhautreflexe waren seitengleich in allen drei Etagen erhältlich. Der Tastsinn, das Schmerzempfinden, die Temperaturemp-findlichkeit sowie der Lagesinn an beiden Armen und Beinen waren unauffällig. Der Finger-Nase-Versuch gelang bei der Untersuchung linksseitig nur leicht dysmetrisch, rechts weit-gehend unauffällig. Der Knie-Hacke-Versuch war beidseits unauffällig. Im Romberg-Stehversuch und Unterberger-Tritt Versuch bestand keine Fallneigung, insgesamt sicher. Der Kläger befand sich in einem gepflegten Allgemein- und muskulösen Ernährungszu-stand. 34Aufgrund des neuropsychologischen Zusatzgutachtens des PD Dr. L. steht für die Kam-mer fest, dass beim Kläger überdies eine normgerechtes allgemein intellektuelles Leis-tungsvermögen bestand. In dem intellektuellen Primärbereich der kausal analytischen Denkfähigkeit konnten keine Leistungseinschränkungen festgestellt werden. Bei diesen Intelligenzprüfungen erzielte der Kläger sogar einen deutlich überdurchschnittlichen Test-wert (funktionsspezifischer IQ Wert gleich 122). Weiterhin konnten keine Leistungsein-schränkungen in der rechnerischen Denkfähigkeit unter einfachen und erhöhten alltags-praktischen Anforderungsbedingungen, im visuellen Vorstellungsvermögen (und der ent-sprechenden Denkt – und Problemlösefähigkeit), in unterschiedlichen Funktionsbereichen der Wortflüssigkeit, der psychomotorischen Grund – und Aktionsgeschwindigkeit sowie der visuellen Lern- und Gedächtnisfähigkeit objektiviert werden. Es zeigten sich allerdings die allgemeine Konzentrationsfähigkeit, die Aufmerksamkeitskapazität in allen untersuchten Funktionsbereichen und die sprachbezogene Lern – und Gedächtnisfähigkeit deutlich re-duziert, wobei insoweit nach den Feststellungen des Gutachters zu berücksichtigen war, dass diese kognitiven Störungen zum Teil auch auf das erhöhte psychische Anspan-nungserleben des Klägers während dieser zeitlich ausgedehnten Untersuchungen zurück-zuführen war. Dies zeigte sich insbesondere darin, dass er z.B. in seinem Reaktionsver-halten auffallend gehemmt und auch blockiert wirkte. Auf psychometrischer und psycho-pathometrischer Befund– und Diagnoseebene ließen sich allerdings psychische Verstim-mungszustände nicht feststellen. 35Die Tatsache, dass der Kläger im Rahmen der Begutachtung keine psychischen Sympto-me schilderte, die auf irgendwelche Störungen ab affektiver Erlebnisreaktionen hätten hinweisen können, ist – so der Gutachter – unter Berücksichtigung eines bei entsprechen-den Patienten durchaus nicht unüblichen krankheitsbedingten Ausblenden oder negieren psychische Auffälligkeiten, erklärbar. Dies darf nicht zu der Fehlannahme verleiten, es lä-gen in diesem Bereich keine Probleme vor. 36Es zeigten sich im Rahmen der psychoneurologischen Zusatzbegutachtung zusammen-fassend erhebliche Einschränkungen in der zeitlich kognitiven Belastbarkeit des Klägers. Dieser Eindruck bestätigte sich auch in der Begutachtungssituation durch Frau Dr. M. 37Aufgrund der vorliegenden Arzt- und Befundberichte und nicht zuletzt aufgrund der Schil-derungen des Klägers gegenüber der Gutachterin Dr. M., die freilich nach obigen Angaben durchaus krankheitsbedingt besonders bewertet worden sind, geht die Kammer davon aus, dass der Kläger seinen Haushalt in wesentlichen Zügen mit Unterstützung einer Rei-nigungskraft, die einmal pro Woche kommt, versorgen kann und dies auch tut. Er habe sich in diesen Sachen einen gewissen Rhythmus beibehalten, weil er früher ge-hofft habe, frühzeitig wieder an seine alte Arbeitsstelle zurückzukehren. Er stehe meist um 7:15 Uhr auf. Hinsichtlich des Schlafes berichtet er, dass das Einschlafen in aller Regel gehe, weil er immer sehr K. o. sei. Erwache aber eine auf, gehe zur Toilette, manchmal müsse er ein Hörbuch nehmen, über das er wieder einschlafe. Er koche mit dem Ther-momix®. Den Einkauf erledige er mit dem eigenen Wagen. Die Küche könne er sauber halten, er räume alles in die Spülmaschine. Auch das Befüllen der Waschmaschine und des Trockners übernehme er. Sachen wie Fensterputzen oder Bügeln erledige seine Putzhilfe. Die übrige Zeit wird mit Therapien und Sport ausgefüllt. Gerade letzteres zeigt sich auch im vorhandenen guten Trainingszustand des Klägers. 38Der Kläger ist nach eigenen Angaben durchaus weiterhin in der Lage soziale Kontakte auf-rechtzuerhalten, wenn gleich freilich das berufliche Netzwerk sich gelichtet habe. Insbe-sondere zu einem Freund aus der Kindheit bestehe ein enger Kontakt, auch zu dessen Familie. Mit einer weiteren befreundeten Familie habe Urlaub in der Türkei unternommen. Wenn er Abendveranstaltungen besuchen wolle, was ihm grundsätzlich möglich sei, müs-se dies allerdings im Voraus geplant werden. Insgesamt leidet der Kläger nach eigenen Angaben unter den Einschränkungen, die nach seiner Auffassung jeden Lebensbereich betreffen. Er kann sich danach nur eine halbe Stunde konzentrieren, leide unter Kopf-schmerzen und könne sich auch nicht erholen. Der Kläger kommt in diesem Zusammen-hang auch auf Gedächtnisstörungen, Probleme in Gesprächen und eine deutlich erhöhte Strafbarkeit zu sprechen. Autofahrten könne er nur für kurze Strecken unternehmen. 39Die Medikation des Klägers besteht nach eigenen Angaben aus Ibuprofen 800 mg bei Be-darf, wenn der Kopfschmerzen habe. Dies wäre regelmäßig in der Woche einmal, es könnten aber zwei bis dreimal werden. In manchen Wochen nehme aber auch keine ein. Im Fragebogen der Gutachterin gab der Kläger darüber hinaus an Modafinil einzunehmen. Im Rahmen des Begutachtungsgesprächs verneinte der Kläger allerdings eine spezifische Medikamenteneinnahme. 40Unter Berücksichtigung dieser Beeinträchtigungen ist nach Auffassung der Kammer ent-sprechend den oben genannten Vorgaben der versorgungsmedizinischen Grundsätze die weiterhin die Feststellung des GdB von 50 angemessen. Eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes, die eine höhere Bewertung rechtfertigen würde, ist nicht objekti-viert. 41Der Kläger hat im März 2014 einen Verkehrsunfall erlitten, als dessen Folge eine kleine intrazerebrale Kontusionsblutung rechts frontobasal sowie traumatische Subarachnoidal-blutungen frontobasal beidseits aufgetreten sind. In der Kernspintomografie Kontrolle im August 2015 konnten diffuse axonale Schädigungen ausgeschlossen werden, sodass ein postkontussioneller Hirnsubstanzdefekt im Bereich der rechten Frontobasis als Residuum nachweisbar ist. 42Im Rahmen der durchgeführten Begutachtungen, aber auch unter Berücksichtigung der im Übrigen vorgelegten und eingeholten Arzt- und Befundberichte steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass wesentliche Beeinträchtigungen im Sinne von (Teil-) Lähmungen oder Koordinations- bzw. Gleichgewichtsstörungen beim Kläger nicht zu objektivieren sind. Es finden sich freilich die bereits von dem behandelnden Psychiater M. beschriebenen Auf-merksamkeitsstörungen, affektiven Störungen sowie die Aspekte einer besonderen Ermü-dung des Klägers. Des Weiteren zu berücksichtigen sind auch die bereits vom behandeln-den Psychiater Dr. I. beschriebenen psychischen Beeinträchtigungen im Sinne einer auch depressiven Symptomatik. Hier sind insbesondere die Folgen der Trennung von seiner Lebensgefährtin aber auch die enttäuschten Erwartungen in den Wiedereinstieg in seine berufliche Tätigkeit zu nennen. 43Für die Kammer steht nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen zur Überzeu-gung fest, dass nach den beim Kläger vorliegenden Beschwerdebild – auch in Ansehung der etwa für seelische Beeinträchtigungen gemäß Teil B Ziffer 3.7 der versorgungsmedizi-nischen Grundsätze hier gemäß Teil B Ziffer 3.1.1 von Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung auszugehen ist. 44Beim Kläger stehen absolut im Vordergrund zerebrale Leistungsbeeinträchtigungen und organisch – psychische Störungen. Die Annahme des Klägers, bei ihm lägen schwerere Beeinträchtigungen vor, die einen GdB der Behinderung von 100 rechtfertigen würden, verkennt das beim Kläger bestehende und oben beschriebene Leistung- und Aktivitätsniveau. Von einem GdB von 100 wäre auszugehen etwa bei schweren zerebralen Leistungsbeeinträchtigung, schweren organisch psychischen Störungen, hochgradigen Paresen, schweren Koordination oder Gleichgewichtsstörungen, schweren Sprech–/ Sprachstörungen wie globaler Aphasie oder einer Kombination mehrerer solcher mittelgradige Störungen. 45Solche sind beim Kläger indes nicht ansatzweise objektiviert. Insbesondere die Annahme, der Kläger würde ohne sein aktuelles Umfeld in seiner Wohnung "verwahrlosen", ist durch die medizinischen Ermittlungen nicht ansatzweise gestützt. Es rechtfertigte sich insbesondere auch nicht daraus, dass der Kläger nur in Begleitung der Familie oder von Freunden in Urlaub fährt und wäre auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der Kläger bei Fahrten die über einen kurzen Weg hinaus von seiner Mutter gefahren wird. Der Kläger ist, dies wurde bereits mehrfach dargestellt, in der Lage weiter soziale Aktivitäten durchzuführen und einen Freundeskreis aufrechtzuerhalten. Er ist darüber hinaus auch in der Lage und motiviert, entsprechende Therapien durchzuführen und seinem Fitnessprogramm nachzukommen. Die Tatsache, dass er sich selbst als "schlecht" in der Haushaltsführung bezeichnet rechtfertigt ebenfalls keinesfalls den vom Kläger avisierten GdB. Der GdB von 50 ist nach Auffassung der Kammer auch in Ansehung der dargelegten deressiven Phasen sowie der beim Kläger nachgewiesen erhöhten Ermüdbarkeit zutreffend. Die Klage war demnach abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. | die klage wird abgewiesen. kosten sind nicht zu erstatten. 1 | 2zwischen den beteiligten ist die höhe des grades der behinderung (gdb) streitig. 3mit bescheid vom 04.01.2016 stellte der beklagte bei dem kläger am 00.00.0000 gebore-nen kläger aufgrund einer hirnleistungsminderung und einer seelischen störung einen gdb von 50 fest. 4am 17.01.2018 stellte der kläger einen änderungsantrag. hierbei gab er an, die auswir-kungen der gehirnverletzungen seien erheblich folgenreicher als bisher angenommen. die bisherigen behandlungen machten erkennbar, dass eine ausreichende berufliche leis-tungsfähigkeit nicht mehr zu erlangen sei. der beklagte holte befundberichte der q klink und des diplom-psychologen w. ein und wertete diese durch seinen ärztlichen dienst aus. dieser kam zu der einschätzung, der gdb für die hirnleistungsminderung sei mit 50, der für die seelische störung mit 20 zu bewerten. insgesamt sei der gdb weiter mit 50 zu bewerten, da eine wesentliche änderung im sinne einer verschlimmerung zu den bisherigen feststellungen nicht zu objektivieren sei. 5mit bescheid vom 14.03.2018 lehnte der beklagte daraufhin die feststellung eines höhe-ren grades der behinderung ab. hiergegen legte der kläger am 03.04.2018 widerspruch ein. zur begründung des widerspruches legte er eine stellungnahme des dr. i. vor, wo-nach vor dem hintergrund einer mehrmonatigen klinischen behandlung und neuropsycho-logischer diagnostik und behandlung die folgen des schädel-hirn-traumas deutlich weit-reichender eingeschätzt werden müssten, als dies bislang möglich gewesen sei. die be-zirksregierung münster lehnte – nach erneuter gutachterlicher stellungnahme des ärztli-chen dienstes – den widerspruch mit widerspruchsbescheid vom 14.06.2018 als unbe-gründet zurück. 6hiergegen richtet sich die vom kläger, vertreten durch seine prozessbevollmächtigten, am 11.07.2018 erhobene klage. in diesem zusammenhang legte der kläger neben einem umfangreicherem konvolut psychiatrischer und (neuro-)psychologischer arztberichte auch ein neurologisches gutachten des professor dr. g., direktor der klinik und poliklinik für neurologie vom 29.07.2016, welches im rahmen eines zivilrechtlichen rechtsstreits vor dem landgericht köln erstattet worden war, vor. 7das gericht hat befundberichte des behandelnden neurologen und psychiaters m., des facharztes für psychiatrie und psychotherapie sowie psychotherapeutische medizin dr. i. sowie des diplom-psychologen w. sowie darüber hinaus ein neurologisch psychiatrisches gutachten der frau dr. m., nebst eines neuropsychologischen zusatzgutachtens des pd dr. l. eingeholt, welche gegenüber dem gericht am 11.03.2020 nach persönliche unter-suchung des klägers erstattet worden sind. den beteiligten ist gelegenheit zur stellung-nahme zu den gutachten gegeben worden. 8der kläger, vertreten durch seine prozessbevollmächtigten hält die in diesen gutachten getroffenen feststellungen insbesondere zur höhe des grades der behinderung für nicht überzeugend. er geht von einem gdb von 100 aus. der beklagte sieht sich durch die aus-führungen der gutachter in seinem bisherigen vortrag bestärkt. die gutachterin dr. m. hat in ansehung der einwände des klägers eine ergänzende stellungnahme abgegeben. 9unter dem 17.04.2020 hat der kammervorsitzende mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ohne mündliche verhandlung zu entscheiden. der kläger, vertreten durch seine prozessbevoll-mächtigten, hat am 19.05.2020, der beklagte mit schriftsatz vom 22.05.2020 einer ent-scheidung ohne mündliche verhandlung zugestimmt. 10der kläger, vertreten durch seinen prozessbevollmächtigten, beantragt schriftsätzlich, 11den beklagten unter aufhebung des bescheides vom 14.03.2018 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 14.06.2018 zu verurteilen, bei dem kläger einen gdb von 100 festzustellen. 12der beklagte beantragt schriftsätzlich, 13die klage abzuweisen. 14wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die gerichtsakte sowie die beigezogenen verwaltungsakte des beklagten bezug genommen. 15 | 16die zulässige klage ist unbegründet. der kläger ist durch die angefochtenen bescheide im sinne des § 54 abs. 2 sozialgerichtsgesetz (sgg) nicht beschwert, da diese rechtmäßig sind. er hat keinen anspruch auf feststellung eines höheren grades der behinderung (gdb) als 50. 17nach § 2 abs. 1 satz 1 des neunten buches des sozialgesetzbuches – rehabilitation und teilhabe von menschen mit behinderungen – (sgb ix) in der fassung des gesetzes zur stärkung der teilhabe und selbstbestimmung von menschen mit behinderungen (bundes-teilhabegesetz – bthg) vom 23.12.2016 (bgbl. i s. 3234) sind menschen mit behinde-rungen solche, die körperliche, seelische, geistige oder sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten barrieren an der gleich-berechtigten teilhabe an der gesellschaft mit hoher wahrscheinlichkeit länger als sechs monate hindern können. eine beeinträchtigung in diesem sinne liegt dabei dann vor, wenn der körper- und gesundheitszustand von dem für das lebensalter typischen zustand ab-weicht, § 2 abs. 1 satz 2 sgb ix. 18gemäß § 152 abs. 1 satz 5 sgb ix werden die auswirkungen auf die teilhabe am leben in der gesellschaft als grad der behinderung nach 10er graden abgestuft dargestellt. bei dem vorliegen mehrerer beeinträchtigungen der teilhabe am leben in der gesellschaft wird nach § 152 abs. 3 sgb ix der gdb nach den auswirkungen der beeinträchtigungen in ihrer gesamtheit unter berücksichtigung ihrer wechselseitigen beziehungen festgestellt. 19die bemessung des gesamt-gdb hat dabei in mehreren schritten zu erfolgen und ist tat-richterliche aufgabe (bundessozialgericht – bsg – beschluss vom 01.06.2017 – b 9 sb 20/17 b = juris; bsg beschluss vom 09.12.2010 – b 9 sb 35/10 b = juris rn. 5 m.w.n.; landessozialgericht – lsg – nordrhein-westfalen urteil vom 29.06.2012 – l 13 sb 127/11 = juris rn. 32). 20zunächst sind unter heranziehung ärztlichen fachwissens die einzelnen, nicht nur vo-rübergehenden gesundheitsstörungen im sinn von regelwidrigen, von der norm abwei-chenden zuständen gemäß § 2 abs. 1 sgb ix und die daraus ableitenden teilhabebeein-trächtigungen festzustellen. sodann sind diese den in den versorgungsmedizinischen grundsätzen genannten funktionssystemen zuzuordnen und mit einem einzel-gdb zu bewerten. schließlich ist unter berücksichtigung der wechselseitigen beziehungen in einer gesamtschau der gesamt-gdb zu bilden (bsg urteil vom 30.09.2009 – b 9 sb 4/08 r = juris rn. 18 m.w.n.; lsg nordrhein-westfalen urteil vom 29.06.2012 – l 13 sb 127/11 = juris rn. 32). 21nach teil a ziffer 3 der anlage zu § 2 der aufgrund § 30 abs. 17 (a.f.) bundesversor-gungsgesetzes (bvg) erlassenen verordnung zur durchführung des § 1 abs. 1 und 3, des § 30 abs. 1 und des § 35 abs. 1 bvg (bgbl. i 2008, s. 2412 - versorgungsmedizin-verordnung) vom 10.12.2008, zuletzt geändert artikel 26 des gesetzes vom 12.12.2019 (bgbl. i s. 2652), die wegen § 152 abs. 1 satz 4 sgb ix auch im schwerbehinderten-recht zur anwendung kommt (versorgungsmedizinische grundsätze), sind zur ermittlung des gesamtgrades der behinderung rechnerische methoden, insbesondere eine addition der einzelgrade der behinderung, nicht zulässig. vielmehr ist bei der beurteilung des ge-samtgrades der behinderung in der regel von der funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten einzelgrad der behinderung bedingt und dann im hinblick auf alle weite-ren funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das ausmaß der behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren funktionsbeeinträchtigungen dem ersten grad der behinderung 10 oder 20 oder mehr punkte hinzuzufügen sind, um der behinderung insgesamt gerecht zu werden. hierbei ist gemäß teil a ziffer 3 lit. d) ee) der versorgungsmedizinischen grundsätze zu beachten, dass leichtere gesundheitsstörun-gen mit einem einzelgrad der behinderung von 10 nicht zu einer erhöhung des gesamt-grades der behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren behinderungen kumulativ nebeneinander vorliegen. auch bei leiden mit einem einzelgrad der behinde-rung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine zunahme des gesamtausmaßes der behinderung zu schließen. 22schließlich sind bei der festlegung des gesamt-gdb zudem die auswirkungen im konkre-ten fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den versorgungsmedizinischen grunds-ätzen feste gdb-werte angegeben sind (bsg urteil vom 02.12.2010 – b 9 sb 4/10 r = juris rn. 25; vgl. auch teil a ziffer 3 lit. b) versorgungsmedizinische grundsätze). 23die anspruchsbegründenden tatsachen sind, dies gilt nach allgemeinen grundsätzen des sozialgerichtlichen verfahrens auch im schwerbehindertenrecht grundsätzlich im vollbe-weis, d.h. mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. bsg urteil vom 15.12.1999 - b 9 vs 2/98 r = juris rn. 14; bayerisches lsg urteil vom 18.06.2013 – l 15 bl 6/10 = juris rn. 67 ff.; bayerisches lsg urteil vom 05.02.2013 – l 15 sb 23/10= juris). für diesen beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen tatsa-chen mit absoluter gewissheit feststehen. ausreichend, aber auch erforderlich ist indes-sen ein so hoher grad der wahrscheinlichkeit, dass bei abwägung des gesamtergebnis-ses des verfahrens kein vernünftiger, den sachverhalt überschauender mensch mehr am vorliegen der tatsachen zweifelt (vgl. bsg, urteil vom 28.06.2000 - b 9 vg 3/99 r = juris rn. 11), d.h. dass die wahrscheinlichkeit an sicherheit grenzt (vgl. bsg, urteil vom 05.05.1993 - 9/9a rv 1/92 = juris rn. 14). lässt sich der vollbeweis nicht führen, geht die nichterweislichkeit einer tatsache zu lasten dessen, der sich zur begründung seines an-spruchs oder rechtlichen handelns auf ihr vorliegen stützen. 24im vorliegenden fall steht zur überzeugung der kammer fest, dass die bei dem kläger vorliegenden gesundheitlichen beeinträchtigungen nicht die feststellung eines gdb von mehr als 50 rechtfertigen. 25der kläger leidet zum zeitpunkt der letzten mündlichen verhandlung im wesentlichen un-ter einer residualsymptomatik nach schädel-hirn-trauma nach verkehrsunfall im märz 2014 mit kognitiven leistungsstörungen und beeinträchtigung der aktivitäten des täglichen lebens im sinne eines organischen psychosyndroms. 26das vorliegen dieser komplexen gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach auffassung der kammer aufgrund der im verwaltungs- und klageverfahren eingeholten und vorgeleg-ten befund- und arztberichte und gutachten fest. die von dr. m. und pd dr. l. erstatte-ten gutachten beruhen auf umfangreichen untersuchungen erfahrener gerichtlicher sach-verständigen, die unter einsatz von diversen hilfsmitteln durchgeführt worden sind. die kammer hat keinen anlass an der richtigkeit der in den gutachten erhobenen medizini-schen befunde und gestellten diagnosen zu zweifeln. die beteiligten haben nach auffas-sung der kammer auch keine substantiierten einwände gegen die medizinischen feststel-lungen erhoben. lediglich die frage der bewertung der funktionsbeeinträchtigungen so-wie der hierauf folgende gdb blieb im wesentlichen umstritten. diese feststellung ist frei-lich keine medizinisch sondern eine durch die kammer vorzunehmende rechtliche bewer-tung. 27die beim kläger vorliegenden komplexen beeinträchtigungen, die neben einer einschrän-kung der gedächtnisleistung und einer aufmerksamkeitsstörung auch aspekte eines so-genannten chronischen erschöpfungssyndroms ("chronic fatigue syndrome") mit umfas-sen, wie auch schon der langjährige psychiater und neurologe des klägers m. attestiert hat, sind – dies steht zu überzeugung der kammer fest – folge des durchlebten ver-kehrsunfalls des klägers mit eintritt eines schädel-hirn-traumas. 28maßgeblich für die versorgungsmedizinische bewertung ist insoweit teil b ziffer 3.1. der versorgungsmedizinischen grundsätze. ein entsprechender hirnschaden ist danach dann nachgewiesen, wenn symptome einer organischen veränderung des gehirns – nach ver-letzung oder krankheit nach dem abklingen der akuten phase – festgestellt worden sind. bestimmend für die beurteilung des gdb ist dabei das ausmaß der bleibenden ausfallser-scheinungen. insoweit sind der neurologische befund, die ausfallserscheinungen im psy-chischen bereich unter würdigung der prämorbiden persönlichkeit und ggf. das auftreten von zerebralen anfällen zu beachten. bei der mannigfaltigkeit der folgezustände von hirnschädigungen kommt ein gdb zwischen 20 und 100 in betracht, wobei bei der bewer-tung primär auf die unter teil b ziffer 3.1.1 der versorgungsmedizinschen grundsätze ge-nannte gesamtbewertung abzustellen ist. die unter teil b ziffer 3.1.2 der versorgungs-medizinischen grundsätze angeführten isoliert vorkommenden bzw. führenden syndrome stellen freilich eine ergänzende hilfe zur beurteilung dar. 29gemäß teil b ziffer 3.1.1 der versorgungsmedizinischen grundsätze bedingen hirnschä-den mit geringer leistungsbeeinträchtigung einen gdb von 30-40, hirnschäden mit mittel-schwerer leistungsbeeinträchtigung einen 50-60 und hirnschäden mit schwerer leis-tungsbeeinträchtigung einen gdb von 70-100. 30nach teil b ziffer 3.1.2 der versorgungsmedizinischen grundsätze ist der gdb bei hirn-schäden mit isoliert vorkommenden bzw. führenden syndromen zu unterscheiden. bei hirnschäden mit leichten psychischen störungen (d.h. im alltag sich gering auswir-kend) ist ein gdb von 30 -40, bei mittelgradigen psychischen störungen (im alltag sich deutlich auswirkend) ist ein gdb von 50 – 60 und bei schweren psychischen störungen ist ein gdb von 70 – 100 möglich. 31bestehen zentrale vegetative störungen als ausdruck eines hirndauerschadens (z.b. stö-rungen des schlaf-wach-rhythmus, der vasomotorenregulation oder der schweißregula-tion) und sind diese leicht, kommt ein gdb von 30, bei mittelgradigen – auch mit vereinzel-ten synkopalen anfällen – ein gdb von 40 und bei häufigeren anfällen oder erheblichen auswirkungen auf den allgemeinzustand ein solcher von 50 in betracht. 32koordinations- und gleichgewichtsstörungen (spino-) zerebraler ursache bedingen – je nach dem ausmaß der störung der ziel- und feinmotorik einschließlich der schwierigkei-ten beim gehen und stehen (siehe hierzu auch bei hör- und gleichgewichtsorgan) – einen gdb zwischen 30 und 100. hirnschäden mit kognitiven leistungsstörungen (z. b. aphasie, apraxie, agnosie) bedingen einen solchen von 30-40, sofern sie leicht (z.b. restaphasie) sind. bei mittelgradigen kognitiven leistungsstörungen (z.b. aphasie mit deutlicher bis sehr ausgeprägter kommunikationsstörung) kommt ein gdb von 50 – 80, bei schweren (z.b. globale aphasie) ein solcher von 90 – 100 in betracht. zerebral beding-te teillähmungen und lähmungen rechtfertigen bei leichte restlähmungen und tonusstörungen der gliedmaßen einen gdb von 30. bei ausgeprägteren teillähmungen und vollständigen lähmungen ist der gdb aus vergleichen mit dem gdb bei gliedmaßen-verlusten, peripheren lähmungen und anderen funktionseinbußen der gliedmaßen abzu-leiten. eine vollständige lähmung von arm und bein (hemiplegie) bedingt einen gdb von 100 33aufgrund der durchgeführten ermittlungen steht zur überzeugung der kammer fest, dass wesentliche beeinträchtigungen im bereich der physis, insbesondere was die frage der körperlichen aktivität angeht, beim kläger nicht verblieben sind. es mag sein, dass der anspruch des klägers an ihn selbst – der kläger war in der vergangenheit nach eigenen angaben sportlich sehr aktiv – hinter seinen erwartungen zurückbleibt. aus den vorgeleg-ten arzt und befundberichten ergibt sich allerdings ebenso wie aus dem gutachten der frau dr. m., dass der kläger weiterhin sehr um körperliche fitness bemüht ist und fast täglich trainiert. die körperliche untersuchung durch frau m. war insoweit ebenfalls unauf-fällig. kraft, tonus und trophik beider arme und beine waren, ebenso wie das gangbild, unauffällig. die armeigenreflexe waren mittellebhaft und seitengleich. die beineigenreflexe waren ebenfalls mittellebhaft und seitengleich. die bauchhautreflexe waren seitengleich in allen drei etagen erhältlich. der tastsinn, das schmerzempfinden, die temperaturemp-findlichkeit sowie der lagesinn an beiden armen und beinen waren unauffällig. der finger-nase-versuch gelang bei der untersuchung linksseitig nur leicht dysmetrisch, rechts weit-gehend unauffällig. der knie-hacke-versuch war beidseits unauffällig. im romberg-stehversuch und unterberger-tritt versuch bestand keine fallneigung, insgesamt sicher. der kläger befand sich in einem gepflegten allgemein- und muskulösen ernährungszu-stand. 34aufgrund des neuropsychologischen zusatzgutachtens des pd dr. l. steht für die kam-mer fest, dass beim kläger überdies eine normgerechtes allgemein intellektuelles leis-tungsvermögen bestand. in dem intellektuellen primärbereich der kausal analytischen denkfähigkeit konnten keine leistungseinschränkungen festgestellt werden. bei diesen intelligenzprüfungen erzielte der kläger sogar einen deutlich überdurchschnittlichen test-wert (funktionsspezifischer iq wert gleich 122). weiterhin konnten keine leistungsein-schränkungen in der rechnerischen denkfähigkeit unter einfachen und erhöhten alltags-praktischen anforderungsbedingungen, im visuellen vorstellungsvermögen (und der ent-sprechenden denkt – und problemlösefähigkeit), in unterschiedlichen funktionsbereichen der wortflüssigkeit, der psychomotorischen grund – und aktionsgeschwindigkeit sowie der visuellen lern- und gedächtnisfähigkeit objektiviert werden. es zeigten sich allerdings die allgemeine konzentrationsfähigkeit, die aufmerksamkeitskapazität in allen untersuchten funktionsbereichen und die sprachbezogene lern – und gedächtnisfähigkeit deutlich re-duziert, wobei insoweit nach den feststellungen des gutachters zu berücksichtigen war, dass diese kognitiven störungen zum teil auch auf das erhöhte psychische anspan-nungserleben des klägers während dieser zeitlich ausgedehnten untersuchungen zurück-zuführen war. dies zeigte sich insbesondere darin, dass er z.b. in seinem reaktionsver-halten auffallend gehemmt und auch blockiert wirkte. auf psychometrischer und psycho-pathometrischer befund– und diagnoseebene ließen sich allerdings psychische verstim-mungszustände nicht feststellen. 35die tatsache, dass der kläger im rahmen der begutachtung keine psychischen sympto-me schilderte, die auf irgendwelche störungen ab affektiver erlebnisreaktionen hätten hinweisen können, ist – so der gutachter – unter berücksichtigung eines bei entsprechen-den patienten durchaus nicht unüblichen krankheitsbedingten ausblenden oder negieren psychische auffälligkeiten, erklärbar. dies darf nicht zu der fehlannahme verleiten, es lä-gen in diesem bereich keine probleme vor. 36es zeigten sich im rahmen der psychoneurologischen zusatzbegutachtung zusammen-fassend erhebliche einschränkungen in der zeitlich kognitiven belastbarkeit des klägers. dieser eindruck bestätigte sich auch in der begutachtungssituation durch frau dr. m. 37aufgrund der vorliegenden arzt- und befundberichte und nicht zuletzt aufgrund der schil-derungen des klägers gegenüber der gutachterin dr. m., die freilich nach obigen angaben durchaus krankheitsbedingt besonders bewertet worden sind, geht die kammer davon aus, dass der kläger seinen haushalt in wesentlichen zügen mit unterstützung einer rei-nigungskraft, die einmal pro woche kommt, versorgen kann und dies auch tut. er habe sich in diesen sachen einen gewissen rhythmus beibehalten, weil er früher ge-hofft habe, frühzeitig wieder an seine alte arbeitsstelle zurückzukehren. er stehe meist um 7:15 uhr auf. hinsichtlich des schlafes berichtet er, dass das einschlafen in aller regel gehe, weil er immer sehr k. o. sei. erwache aber eine auf, gehe zur toilette, manchmal müsse er ein hörbuch nehmen, über das er wieder einschlafe. er koche mit dem ther-momix®. den einkauf erledige er mit dem eigenen wagen. die küche könne er sauber halten, er räume alles in die spülmaschine. auch das befüllen der waschmaschine und des trockners übernehme er. sachen wie fensterputzen oder bügeln erledige seine putzhilfe. die übrige zeit wird mit therapien und sport ausgefüllt. gerade letzteres zeigt sich auch im vorhandenen guten trainingszustand des klägers. 38der kläger ist nach eigenen angaben durchaus weiterhin in der lage soziale kontakte auf-rechtzuerhalten, wenn gleich freilich das berufliche netzwerk sich gelichtet habe. insbe-sondere zu einem freund aus der kindheit bestehe ein enger kontakt, auch zu dessen familie. mit einer weiteren befreundeten familie habe urlaub in der türkei unternommen. wenn er abendveranstaltungen besuchen wolle, was ihm grundsätzlich möglich sei, müs-se dies allerdings im voraus geplant werden. insgesamt leidet der kläger nach eigenen angaben unter den einschränkungen, die nach seiner auffassung jeden lebensbereich betreffen. er kann sich danach nur eine halbe stunde konzentrieren, leide unter kopf-schmerzen und könne sich auch nicht erholen. der kläger kommt in diesem zusammen-hang auch auf gedächtnisstörungen, probleme in gesprächen und eine deutlich erhöhte strafbarkeit zu sprechen. autofahrten könne er nur für kurze strecken unternehmen. 39die medikation des klägers besteht nach eigenen angaben aus ibuprofen 800 mg bei be-darf, wenn der kopfschmerzen habe. dies wäre regelmäßig in der woche einmal, es könnten aber zwei bis dreimal werden. in manchen wochen nehme aber auch keine ein. im fragebogen der gutachterin gab der kläger darüber hinaus an modafinil einzunehmen. im rahmen des begutachtungsgesprächs verneinte der kläger allerdings eine spezifische medikamenteneinnahme. 40unter berücksichtigung dieser beeinträchtigungen ist nach auffassung der kammer ent-sprechend den oben genannten vorgaben der versorgungsmedizinischen grundsätze die weiterhin die feststellung des gdb von 50 angemessen. eine wesentliche änderung des gesundheitszustandes, die eine höhere bewertung rechtfertigen würde, ist nicht objekti-viert. 41der kläger hat im märz 2014 einen verkehrsunfall erlitten, als dessen folge eine kleine intrazerebrale kontusionsblutung rechts frontobasal sowie traumatische subarachnoidal-blutungen frontobasal beidseits aufgetreten sind. in der kernspintomografie kontrolle im august 2015 konnten diffuse axonale schädigungen ausgeschlossen werden, sodass ein postkontussioneller hirnsubstanzdefekt im bereich der rechten frontobasis als residuum nachweisbar ist. 42im rahmen der durchgeführten begutachtungen, aber auch unter berücksichtigung der im übrigen vorgelegten und eingeholten arzt- und befundberichte steht zur überzeugung der kammer fest, dass wesentliche beeinträchtigungen im sinne von (teil-) lähmungen oder koordinations- bzw. gleichgewichtsstörungen beim kläger nicht zu objektivieren sind. es finden sich freilich die bereits von dem behandelnden psychiater m. beschriebenen auf-merksamkeitsstörungen, affektiven störungen sowie die aspekte einer besonderen ermü-dung des klägers. des weiteren zu berücksichtigen sind auch die bereits vom behandeln-den psychiater dr. i. beschriebenen psychischen beeinträchtigungen im sinne einer auch depressiven symptomatik. hier sind insbesondere die folgen der trennung von seiner lebensgefährtin aber auch die enttäuschten erwartungen in den wiedereinstieg in seine berufliche tätigkeit zu nennen. 43für die kammer steht nach dem ergebnis der durchgeführten ermittlungen zur überzeu-gung fest, dass nach den beim kläger vorliegenden beschwerdebild – auch in ansehung der etwa für seelische beeinträchtigungen gemäß teil b ziffer 3.7 der versorgungsmedizi-nischen grundsätze hier gemäß teil b ziffer 3.1.1 von hirnschäden mit mittelschwerer leistungsbeeinträchtigung auszugehen ist. 44beim kläger stehen absolut im vordergrund zerebrale leistungsbeeinträchtigungen und organisch – psychische störungen. die annahme des klägers, bei ihm lägen schwerere beeinträchtigungen vor, die einen gdb der behinderung von 100 rechtfertigen würden, verkennt das beim kläger bestehende und oben beschriebene leistung- und aktivitätsniveau. von einem gdb von 100 wäre auszugehen etwa bei schweren zerebralen leistungsbeeinträchtigung, schweren organisch psychischen störungen, hochgradigen paresen, schweren koordination oder gleichgewichtsstörungen, schweren sprech–/ sprachstörungen wie globaler aphasie oder einer kombination mehrerer solcher mittelgradige störungen. 45solche sind beim kläger indes nicht ansatzweise objektiviert. insbesondere die annahme, der kläger würde ohne sein aktuelles umfeld in seiner wohnung "verwahrlosen", ist durch die medizinischen ermittlungen nicht ansatzweise gestützt. es rechtfertigte sich insbesondere auch nicht daraus, dass der kläger nur in begleitung der familie oder von freunden in urlaub fährt und wäre auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der kläger bei fahrten die über einen kurzen weg hinaus von seiner mutter gefahren wird. der kläger ist, dies wurde bereits mehrfach dargestellt, in der lage weiter soziale aktivitäten durchzuführen und einen freundeskreis aufrechtzuerhalten. er ist darüber hinaus auch in der lage und motiviert, entsprechende therapien durchzuführen und seinem fitnessprogramm nachzukommen. die tatsache, dass er sich selbst als "schlecht" in der haushaltsführung bezeichnet rechtfertigt ebenfalls keinesfalls den vom kläger avisierten gdb. der gdb von 50 ist nach auffassung der kammer auch in ansehung der dargelegten deressiven phasen sowie der beim kläger nachgewiesen erhöhten ermüdbarkeit zutreffend. die klage war demnach abzuweisen. die kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 sgg. | Verklagte*r | 0 |
179,524 | 14 K 7578/13.A | 2014-04-29T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der am 00.01.1986 geborene Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger punjabischer Volkszugehörigkeit und islamischer Religionszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 04.06.2013 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 13.06.2013 seine Anerkennung als Asylberechtigter. 3Bei der am 19.06.2013 durchgeführten Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab der Kläger im Wesentlichen folgende Begründung für seinen Asylantrag: 4Er habe Pakistan am 03.03.2013 mit dem Pkw von Quetta aus verlassen, sei über ihm unbekannte Länder gereist und am 04.06.2013 in Deutschland angekommen. Seine Mutter lebe noch, sein Vater sei bereits verstorben. Er habe Pakistan verlassen, weil er von den Brüdern seiner Freundin bedroht und verletzt worden sei. Seine Freundin gehöre zur Volksgruppe der Chima und er habe beabsichtigt sie zu heiraten. Der Vater seiner Freundin sei mit der Heirat einverstanden gewesen. Zwei der drei Brüder seiner Freundin, die bereits wegen Mordes im Gefängnis gewesen seien, seien jedoch gegen die Heirat gewesen. Nachdem die Brüder aus dem Gefängnis entlassen worden seien und von der beabsichtigten Heirat erfahren hätten, hätten sie ihm erklärt, dass er sich im Dorf und der Umgebung nicht mehr blicken lassen solle. Seine Freundin habe ihn dann ausdrücklich vor ihren Brüdern gewarnt und ihm mitgeteilt, dass diese nicht davor zurückschrecken würden ihn umzubringen. Anlässlich eines Volleyballspiels hätten die Brüder ihn in der Zuschauermenge entdeckt und ihn daraufhin verfolgt und bedroht. Bei einer weiteren Gelegenheit hätten ihn die Brüder in einem Haarsalon entdeckt und ihn zwangsweise zu einem Hof neben ihrem Haus mitgenommen. Dort hätten sie ihn eingesperrt und ihn mit Stromschlägen gefoltert. Sie hätten ihm Stromschläge an den Fingern und am Bein verpasst. Von den Stromschlägen am Bein habe er heute noch eine Narbe. Er sei nur freigekommen, weil der Vater seiner Freundin mit dem Motorrad gekommen sei und seine Schreie gehört habe. Er habe seinen Söhnen gesagt, dass sie von ihm ablassen sollten. Nachdem die Brüder dem nicht gefolgt seien, habe er die Brüder eingesperrt und ihn mitgenommen. Daraufhin hätten die Brüder die Türe eingetreten und auf ihn eingeprügelt. Er sei dann in ein Krankenhaus gebracht und dort zwei Tage lang behandelt worden. Von einem guten Bekannten habe er erfahren, dass die Brüder seiner Freundin ihn töten wollten. Nachdem zwischenzeitlich auf ihr Haus geschossen worden sei, habe auch seine Mutter gesagt, dass er sich in Sicherheit bringen müsse. Daraufhin habe er seine Ausreise nach Deutschland organisiert. Dies seien die einzigen Probleme, die er in seinem Heimatland gehabt habe. 5Mit Bescheid vom 05.09.2013, mittels Postzustellungsurkunde zugestellt am 12.09.2013, lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab (Ziffer 1), stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen (Ziffer 2) und Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F. nicht bestehen (Ziffer 3). Außerdem forderte es den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen. Für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist kündigte das Bundesamt die Abschiebung nach Pakistan bzw. den Staat an, in den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist (Ziffer 4). 6Der Kläger hat am 26.09.2013 Klage erhoben. 7Zur Begründung führt er aus, es sei unzutreffend, dass er über den Landweg nach Deutschland eingereist sei. Vielmehr sei er mit dem Flugzeug nach Deutschland eingereist und zwar am 04.06.2013 über Dubai nach Berlin, bzw. am 04.06.2013 über Lahore, Abu Dhabi und Frankfurt nach Berlin, bzw. im Juli 2013, bzw. am 16.09.2013 über Karachi und Dubai nach Berlin. Zu seinem Verfolgungsschicksal führt er nunmehr aus, in seinem Geburtsort habe er enge Freundschaften mit diversen Christen und Angehörigen der Ahmadiyya Sekte geschlossen. Im Laufe der Zeit habe er angefangen mit diesen Freunden regelmäßig deren religiöse Gebetsstätten zu besuchen. Als er älter geworden sei, habe er angefangen mit den Ahmadiyya-Freunden ihre Gebetsstätten in anderen Städten zu besuchen. Im Laufe der Zeit hätten die Sunniten in seinem Wohnort angefangen Ärger zu machen. Einige der Sunniten hätten ihn mehrmals verprügelt, weil er Freundschaften mit Ahmadiyyas und Christen gepflegt habe. Sie hätten gefordert, dass er diese Beziehungen aufgebe. Dem sei er nicht nachgekommen, weil die Ahmadiyyas und Christen seine Kindheitsfreunde gewesen seien. Nach einiger Zeit habe ihn ein Mullah der Sunniten bei der Polizei angezeigt und ihm vorgeworfen zur Ahmadiyya Sekte konvertiert zu sein sowie die Tochter des Mullahs belästigt zu haben. Da diese Vorwürfe unzutreffend gewesen seien, sei er wieder freigelassen worden. Die Mullahs hätten ihn jedoch weiter verfolgt und ihm eine Abreibung verpasst. Er sei dann in eine andere Stadt gezogen, um dort Schutz zu suchen. Auch dort hätten ihn die Informanten aufgespürt. Ein Freund von ihm habe dann Kontakt zu einem Agenten vermittelt, so dass er in ein anderes Land zur Ahmadiyya Gemeinde habe geschickt werden können. Man habe ihm Unterstützung im Ausland zugesichert, woraufhin sein Vater der Ausreise zugestimmt habe. Er sei über den Flughafen Karachi nach Dubai geflogen. Dort habe er ca. eine Woche verbracht und sei in der Nacht vom 16.09.2013 über Dubai nach Berlin geflogen. In Berlin angekommen, sei er mit dem Pkw nach Bielefeld gebracht worden, um Asyl beantragen zu können. Da er sehr viel Angst gehabt habe, habe er nicht gewusst, was er bei der Anhörung habe sagen sollen. Dies sei seine echte Geschichte. 8Mit Schriftsatz vom 28.04.2014 macht er geltend, er sei Mitglied der Ahmadiyya Glaubensgemeinschaft und bemühe sich aktuell um eine Mitgliedsbescheinigung. 9Der Kläger beantragt sinngemäß, 10die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 05.09.2013 zu verpflichten, ihn gemäß Art. 16a Abs. 1 GG als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen, 11hilfsweise, 12die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylVfG zuzuerkennen und festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen. 13Die Beklagte beantragt, 14die Klage abzuweisen. 15Zur Begründung nimmt sie Bezug auf den angefochtenen Bescheid. 16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf die Auskünfte und sonstigen Erkenntnisse ergänzend Bezug genommen, auf die der Kläger hingewiesen worden ist. 17Entscheidungsgründe: 18Das Gericht kann trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten mit der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurden, § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 19Die Klage bleibt sowohl mit dem Hauptantrag, als auch mit dem Hilfsantrag ohne Erfolg. 20Die zulässige Klage ist unbegründet. 21Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 05.09.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO. 22Der Kläger hat in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG (vormals § 3 Abs. 1 AsylVfG a.F. i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG a.F.). Darüber hinaus besteht auch kein Anspruch auf Zuerkennung gemeinschaftsrechtlichen subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG sowie auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) (vormals § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F.). 231.) 24Die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG liegen schon deshalb nicht vor, weil der Kläger nach seinen Angaben im Rahmen der Anhörung im Verwaltungsverfahren auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Da die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich von sicheren Drittstaaten, nämlich den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, der Schweiz und Norwegen umgeben ist (vgl. § 26a Abs. 2 AsylVfG i.V.m. Anlage I zu § 26a AsylVfG), ist die Asylanerkennung bei einer Einreise über den Landweg gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylVfG von vornherein ausgeschlossen. 25Der gegenteilige Vortrag im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens, wonach der Kläger auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sein will, ist ersichtlich gesteigert, verfahrensangepasst und damit unglaubhaft. Dieses Vorbringen steht im Widerspruch zu seinen Angaben im Verwaltungsverfahren und leidet zudem auch hinsichtlich der behaupteten Einreise über den Luftweg an unauflösbaren Widersprüchen. Denn insoweit behauptet der Kläger einerseits über Lahore, Abu Dhabi, Frankfurt und Berlin sowie andererseits über Karachi, Dubai und Berlin in die Bundesrepublik eingereist zu sein, ohne diese Widersprüche auch nur ansatzweise aufzulösen. 26Selbst wenn jedoch die Angaben zur Einreise im gerichtlichen Verfahren der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt würden, lägen die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG ebenfalls nicht vor, weil der Kläger nicht hinreichend dargetan und belegt hat, nicht auf dem Landweg, sondern mit dem Flugzeug in das Bundesgebiet eingereist zu sein. 27Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.06.1999 – 9 C 36.98 –, Rn. 7 ff., juris; BVerwG, Urteil vom 02.09.1997– 9 C 5.97 –, Rn. 9 ff., juris. 28Der Kläger hat im Klageverfahren zwar angegeben, von Pakistan aus mit dem Flugzeug nach Deutschland eingereist zu sein. Über diese pauschale Angabe hinaus hat er jedoch keinerlei Unterlagen hierüber vorgelegt und den behaupteten Reiseweg auch nicht durch einen detaillierten und nachvollziehbaren Vortrag substantiiert dargelegt. Auch wenn die verfahrenstypischen Beweisprobleme des Asylantragstellers angemessen berücksichtigt werden, reicht jedenfalls die einfache Behauptung, mit dem Flugzeug eingereist zu sein, insoweit nicht aus. Bleibt somit der Einreiseweg unaufklärbar, trägt der Asylbewerber die materielle Beweislast für seine Behauptung, ohne Berührung eines sicheren Drittstaats nach Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylVfG auf dem Luftweg nach Deutschland eingereist zu sein. 292.) 30Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG. 31Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG ist einem Ausländer dann internationaler Schutz im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG in Form der Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. a AsylVfG) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 lit. b AsylVfG). 32Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG gelten zunächst Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), ferner Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG). § 3a Abs. 2 AsylVfG nennt als mögliche Verfolgungshandlungen beispielhaft u.a. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden sowie unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung. 33Dabei muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylVfG zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne von § 3 Abs. 1, § 3b AsylVfG und der Verfolgungshandlung bzw. den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. 34Nach § 3c AsylVfG kann die Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, oder (3.) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. 35Gemäß § 3e Abs. 1 AsylVfG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er (1.) in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylVfG hat und (2.) sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (interner Schutz). 36Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. 37Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 – 10 C 23.12 –, Rn. 19, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.01.2014 – 9 A 2561/10.A –, Rn. 37, juris. 38Wenn der Antragsteller frühere Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgung als Anhaltspunkt für die Begründetheit seiner Furcht geltend macht, dass sich die Verfolgung im Falle der Rückkehr in das Heimatland wiederholen werde, kommt ihm – auch wenn dies anders als nach bisheriger Gesetzeslage (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG a.F. i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG) nicht mehr ausdrücklich geregelt ist – die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU (Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung), ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9) zugute. Die solchen früheren Handlungen oder Bedrohungen nach dieser Vorschrift zukommende Beweiskraft ist von den zuständigen Behörden unter der sich aus Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU ergebenden Voraussetzung zu berücksichtigen, dass diese Handlungen oder Bedrohungen eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen, den der Betreffende für seinen Antrag auf Schutz geltend macht. 39Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.01.2014 – 9 A 2561/10.A –, Rn. 39, juris, m.w.N.. 40Es obliegt dem Antragsteller, die Gründe für das Verlassen seiner Heimat schlüssig darzulegen. Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass er bei verständiger Würdigung asylerheblicher bzw. flüchtlingsrechtlich beachtlicher Verfolgung unterliegt. Hierzu gehört, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinem persönlichen Schicksal eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. 41Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.10.1989 – 9 B 405.89 –, Rn. 8, juris; OVG Sachsen, Urteil vom 22.03.2012 – A 3 A 428/11 –, Rn. 24, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.08.2010– 8 A 4063/06.A –, Rn. 33, juris. 42Das Asylanerkennungsverfahren bildet eine Einheit, so dass ein gegenüber den Angaben vor der Verwaltungsbehörde völlig neuer Sachvortrag im gerichtlichen Verfahren regelmäßig Zweifel an der Richtigkeit dieses Vorbringens wecken wird. 43Vgl. BVerwG, Urteil vom 12.11.1985 – 9 C 27.85 –, Rn. 17, juris. 44Nach Maßgabe dieser Kriterien sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht gegeben. 45Angesichts des Umstandes, dass der Kläger im gerichtlichen Verfahren einen gegenüber seinen Angaben im Verwaltungsverfahren völlig neuen Sachvortrag zu seinem Verfolgungsschicksal geliefert hat, bestehen schon erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens im Ganzen. Im Rahmen seiner Anhörung im Verwaltungsverfahren hat er nämlich im Wesentlichen angegeben, von den Brüdern seiner Freundin verfolgt und bedroht worden zu sein, weil diese mit der beabsichtigten Eheschließung zwischen ihrer Schwester und ihm – dem Kläger – nicht einverstanden gewesen seien. Demgegenüber hat er im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens – insoweit unauflösbar widersprüchlich – zunächst geltend gemacht, wegen bestehender Freundschaften zu Christen und Ahmadis von sunnitischen Mullahs verfolgt und bedroht worden zu sein. Diese hätten von ihm gefordert, dass er seine freundschaftlichen Kontakte zu Ahmadis und Christen abbrechen solle. Er sei indes nicht zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya konvertiert. Den Vortrag im gerichtlichen Verfahren hat der Kläger dann nochmals geändert und zuletzt behauptet, er gehöre der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya an und bemühe sich um eine Mitgliedsbescheinigung. Damit steht der Vortrag des Klägers hinsichtlich des geltend gemachten Verfolgungsschicksals im Verwaltungsverfahren auf der einen Seite und hinsichtlich des im gerichtlichen Verfahren vorgetragenen Verfolgungsschicksals auf der anderen Seite, in krassem Widerspruch zueinander. Diese Widersprüche hat der Kläger nicht ansatzweise nachvollziehbar aufgelöst. Die pauschale Erklärung, er habe sich beim Bundesamt nicht getraut die wahren Beweggründe für seinen Asylantrag darzulegen, ist unglaubhaft. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass die detaillierte Schilderung im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt, unmittelbar nach der behaupteten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland, dem tatsächlichen Geschehensablauf am nächsten kommt. Demgegenüber ist der Vortrag im gerichtlichen Verfahren, nachdem die Begründung des ablehnenden Bescheides des Bundesamtes dem Kläger nunmehr bekannt ist, verfahrensangepasst und ersichtlich dadurch motiviert, vor dem Hintergrund der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für Angehörige der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya, 46vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 – 10 C 23.12 –, juris, 47in Deutschland die Anerkennung als Flüchtling zu erreichen. Die erheblichen Glaubhaftigkeitszweifel am Vorbringen im gerichtlichen Verfahren resultieren, neben der offensichtlichen Divergenz zum Kerngeschehen des vorgetragenen Verfolgungsschicksals im Verwaltungsverfahren, auch aus den unauflösbaren Widersprüchen im Randgeschehen. So hat der Kläger selbst im gerichtlichen Verfahren unterschiedlichste Angaben zur behaupteten Reiseroute und dem Einreisedatum gemacht. Hinzu kommt, dass er vor dem Bundesamt angegeben hat, sein Vater sei bereits verstorben, wohingegen er im gerichtlichen Verfahren vorträgt, sein Vater sei noch am Leben und mit seiner Ausreise einverstanden gewesen. 48Unterstellt man – ungeachtet der insgesamt bestehenden Zweifel an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens – jedenfalls das im Verwaltungsverfahren vor dem Bundesamt dargelegte Verfolgungsschicksal als wahr, kann die Klage schon deshalb keine Aussicht auf Erfolg haben, weil sich diesem Vortrag keine relevante Verfolgung gemäß § 3 Abs. 1, § 3b AsylVfG wegen eines flüchtlingsrechtlich beachtlichen Merkmals wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen einer bestimmten politischen Überzeugung entnehmen lässt. Vielmehr handelt es sich lediglich um Nachstellungen privater Dritter im kriminellen Bereich ohne Anknüpfung an ein flüchtlingsrechtlich beachtliches Merkmal. 49Ungeachtet des Fehlens einer flüchtlingsrechtlich beachtlichen Verfolgung muss der Kläger sich jedoch hinsichtlich sämtlicher von ihm behaupteter Nachstellungen (durch die Brüder seiner Freundin bzw. durch sunnitische Mullahs) gemäß § 3e AsylVfG auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes verweisen lassen. Da er die zuletzt unsubstantiiert behauptete Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Ahmadis nicht ansatzweise durch Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung der Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) belegt hat, ist es ihm möglich und zuzumuten, sich etwaigen Bedrohungen durch eine Flucht innerhalb Pakistans zu entziehen. Der Kläger war bis zu seiner Ausreise in der Landwirtschaft beruflich tätig. Es ist folglich davon auszugehen, dass der junge und gesunde Kläger durch Aufnahme einer Arbeit bei entsprechendem Einsatz seiner Arbeitskraft in der Lage ist, sich auch in einem anderen Landesteil Pakistans eine wirtschaftliche Existenzgrundlage aufzubauen und seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. 50Vgl. VG Aachen, Urteil vom 21.06.2013 – 6 K 1151/12.A –, Rn. 50, juris; VG Ansbach, Urteil vom 13.12.2007 – AN 3 K 07.30689 –, Rn. 24, juris. 51Es steht auch nicht zu befürchten, dass die vom Kläger benannten privaten Akteure ihn in anderen Landesteilen Pakistans aufspüren könnten. Denn nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes können potentiell verfolgte Personen vor allem in den pakistanischen Großstädten wegen der dort vorherrschenden Anonymität in aller Regel unbehelligt leben, selbst wenn sie – was hier nicht der Fall ist – von der Polizei wegen Mordes gesucht werden. 52Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Pakistan, Stand: September 2012, S. 20; Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 15.01.2014 an das VG Leipzig. 53Dies ist nicht zuletzt dadurch bedingt, dass in Pakistan kein funktionierendes Meldewesen existiert, so dass die Übersiedlung in einen anderen Landesteil die Möglichkeit bietet, unerkannt und unbehelligt zu bleiben. 54Vgl. VG Aachen, Urteil vom 21.06.2013 – 6 K 1151/12.A –, Rn. 50, juris; VG Sigmaringen, Urteil vom 24.01.2004 – A 6 K 10917/02 –, juris; Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 15.01.2014 an das VG Leipzig. 553.) 56Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG. Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass dem Kläger in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylVfG, mithin die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3) drohen könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im Übrigen müsste sich der Kläger gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylVfG auch insoweit auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes verweisen lassen. 574.) 58Darüber hinaus bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass nationale Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG einschlägig sein könnten. Soweit der Kläger sinngemäß geltend macht, dass ihm im Falle der Rückkehr nach Pakistan durch die von ihm benannten privaten Akteure erhebliche konkrete Gefahren für Leib und Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG drohen, muss er sich auch insoweit auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes (innerstaatliche Fluchtalternative) verweisen lassen. 595.) 60Nach alledem liegen auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die im angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung vor, §§ 34, 38 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG. 61Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. 62Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). | die klage wird abgewiesen. die kosten des verfahrens, für das gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der kläger. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils beizutreibenden betrages abwenden, soweit nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2der am 00.01.1986 geborene kläger ist pakistanischer staatsangehöriger punjabischer volkszugehörigkeit und islamischer religionszugehörigkeit. er reiste nach eigenen angaben am 04.06.2013 auf dem landweg in die bundesrepublik deutschland ein und beantragte am 13.06.2013 seine anerkennung als asylberechtigter. 3bei der am 19.06.2013 durchgeführten anhörung durch das bundesamt für migration und flüchtlinge (bundesamt) gab der kläger im wesentlichen folgende begründung für seinen asylantrag: 4er habe pakistan am 03.03.2013 mit dem pkw von quetta aus verlassen, sei über ihm unbekannte länder gereist und am 04.06.2013 in deutschland angekommen. seine mutter lebe noch, sein vater sei bereits verstorben. er habe pakistan verlassen, weil er von den brüdern seiner freundin bedroht und verletzt worden sei. seine freundin gehöre zur volksgruppe der chima und er habe beabsichtigt sie zu heiraten. der vater seiner freundin sei mit der heirat einverstanden gewesen. zwei der drei brüder seiner freundin, die bereits wegen mordes im gefängnis gewesen seien, seien jedoch gegen die heirat gewesen. nachdem die brüder aus dem gefängnis entlassen worden seien und von der beabsichtigten heirat erfahren hätten, hätten sie ihm erklärt, dass er sich im dorf und der umgebung nicht mehr blicken lassen solle. seine freundin habe ihn dann ausdrücklich vor ihren brüdern gewarnt und ihm mitgeteilt, dass diese nicht davor zurückschrecken würden ihn umzubringen. anlässlich eines volleyballspiels hätten die brüder ihn in der zuschauermenge entdeckt und ihn daraufhin verfolgt und bedroht. bei einer weiteren gelegenheit hätten ihn die brüder in einem haarsalon entdeckt und ihn zwangsweise zu einem hof neben ihrem haus mitgenommen. dort hätten sie ihn eingesperrt und ihn mit stromschlägen gefoltert. sie hätten ihm stromschläge an den fingern und am bein verpasst. von den stromschlägen am bein habe er heute noch eine narbe. er sei nur freigekommen, weil der vater seiner freundin mit dem motorrad gekommen sei und seine schreie gehört habe. er habe seinen söhnen gesagt, dass sie von ihm ablassen sollten. nachdem die brüder dem nicht gefolgt seien, habe er die brüder eingesperrt und ihn mitgenommen. daraufhin hätten die brüder die türe eingetreten und auf ihn eingeprügelt. er sei dann in ein krankenhaus gebracht und dort zwei tage lang behandelt worden. von einem guten bekannten habe er erfahren, dass die brüder seiner freundin ihn töten wollten. nachdem zwischenzeitlich auf ihr haus geschossen worden sei, habe auch seine mutter gesagt, dass er sich in sicherheit bringen müsse. daraufhin habe er seine ausreise nach deutschland organisiert. dies seien die einzigen probleme, die er in seinem heimatland gehabt habe. 5mit bescheid vom 05.09.2013, mittels postzustellungsurkunde zugestellt am 12.09.2013, lehnte das bundesamt den asylantrag ab (ziffer 1), stellte fest, dass die voraussetzungen für die zuerkennung der flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen (ziffer 2) und abschiebungsverbote gemäß § 60 abs. 2 bis 7 aufenthg a.f. nicht bestehen (ziffer 3). außerdem forderte es den kläger auf, die bundesrepublik deutschland innerhalb von 30 tagen nach bekanntgabe des bescheides zu verlassen. für den fall der nichteinhaltung der ausreisefrist kündigte das bundesamt die abschiebung nach pakistan bzw. den staat an, in den der kläger einreisen darf oder der zu seiner rückübernahme verpflichtet ist (ziffer 4). 6der kläger hat am 26.09.2013 klage erhoben. 7zur begründung führt er aus, es sei unzutreffend, dass er über den landweg nach deutschland eingereist sei. vielmehr sei er mit dem flugzeug nach deutschland eingereist und zwar am 04.06.2013 über dubai nach berlin, bzw. am 04.06.2013 über lahore, abu dhabi und frankfurt nach berlin, bzw. im juli 2013, bzw. am 16.09.2013 über karachi und dubai nach berlin. zu seinem verfolgungsschicksal führt er nunmehr aus, in seinem geburtsort habe er enge freundschaften mit diversen christen und angehörigen der ahmadiyya sekte geschlossen. im laufe der zeit habe er angefangen mit diesen freunden regelmäßig deren religiöse gebetsstätten zu besuchen. als er älter geworden sei, habe er angefangen mit den ahmadiyya-freunden ihre gebetsstätten in anderen städten zu besuchen. im laufe der zeit hätten die sunniten in seinem wohnort angefangen ärger zu machen. einige der sunniten hätten ihn mehrmals verprügelt, weil er freundschaften mit ahmadiyyas und christen gepflegt habe. sie hätten gefordert, dass er diese beziehungen aufgebe. dem sei er nicht nachgekommen, weil die ahmadiyyas und christen seine kindheitsfreunde gewesen seien. nach einiger zeit habe ihn ein mullah der sunniten bei der polizei angezeigt und ihm vorgeworfen zur ahmadiyya sekte konvertiert zu sein sowie die tochter des mullahs belästigt zu haben. da diese vorwürfe unzutreffend gewesen seien, sei er wieder freigelassen worden. die mullahs hätten ihn jedoch weiter verfolgt und ihm eine abreibung verpasst. er sei dann in eine andere stadt gezogen, um dort schutz zu suchen. auch dort hätten ihn die informanten aufgespürt. ein freund von ihm habe dann kontakt zu einem agenten vermittelt, so dass er in ein anderes land zur ahmadiyya gemeinde habe geschickt werden können. man habe ihm unterstützung im ausland zugesichert, woraufhin sein vater der ausreise zugestimmt habe. er sei über den flughafen karachi nach dubai geflogen. dort habe er ca. eine woche verbracht und sei in der nacht vom 16.09.2013 über dubai nach berlin geflogen. in berlin angekommen, sei er mit dem pkw nach bielefeld gebracht worden, um asyl beantragen zu können. da er sehr viel angst gehabt habe, habe er nicht gewusst, was er bei der anhörung habe sagen sollen. dies sei seine echte geschichte. 8mit schriftsatz vom 28.04.2014 macht er geltend, er sei mitglied der ahmadiyya glaubensgemeinschaft und bemühe sich aktuell um eine mitgliedsbescheinigung. 9der kläger beantragt sinngemäß, 10die beklagte unter aufhebung des bescheides des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 05.09.2013 zu verpflichten, ihn gemäß art. 16a abs. 1 gg als asylberechtigten anzuerkennen und ihm die flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 abs. 1 asylvfg zuzuerkennen, 11hilfsweise, 12die beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären schutz gemäß § 4 asylvfg zuzuerkennen und festzustellen, dass abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 und 7 satz 1 aufenthg bestehen. 13die beklagte beantragt, 14die klage abzuweisen. 15zur begründung nimmt sie bezug auf den angefochtenen bescheid. 16wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakten und der beigezogenen verwaltungsvorgänge sowie auf die auskünfte und sonstigen erkenntnisse ergänzend bezug genommen, auf die der kläger hingewiesen worden ist. 17 | 18das gericht kann trotz ausbleibens der beteiligten in der mündlichen verhandlung entscheiden, weil die beteiligten mit der ladung auf diese rechtsfolge hingewiesen wurden, § 102 abs. 2 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo). 19die klage bleibt sowohl mit dem hauptantrag, als auch mit dem hilfsantrag ohne erfolg. 20die zulässige klage ist unbegründet. 21der bescheid des bundesamtes für migration und flüchtlinge (bundesamt) vom 05.09.2013 ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten, § 113 abs. 1 satz 1 und abs. 5 satz 1 vwgo. 22der kläger hat in dem nach § 77 abs. 1 satz 1 asylverfahrensgesetz (asylvfg) maßgeblichen zeitpunkt der gerichtlichen entscheidung keinen anspruch auf anerkennung als asylberechtigter gemäß art. 16a abs. 1 grundgesetz (gg) und auf zuerkennung der flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 abs. 1 asylvfg (vormals § 3 abs. 1 asylvfg a.f. i.v.m. § 60 abs. 1 aufenthg a.f.). darüber hinaus besteht auch kein anspruch auf zuerkennung gemeinschaftsrechtlichen subsidiären schutzes gemäß § 4 asylvfg sowie auf die feststellung nationaler abschiebungsverbote gemäß § 60 abs. 5 und 7 satz 1 aufenthaltsgesetz (aufenthg) (vormals § 60 abs. 2 bis 7 aufenthg a.f.). 231.) 24die voraussetzungen für eine anerkennung als asylberechtigter gemäß art. 16a abs. 1 gg liegen schon deshalb nicht vor, weil der kläger nach seinen angaben im rahmen der anhörung im verwaltungsverfahren auf dem landweg in die bundesrepublik deutschland eingereist ist. da die bundesrepublik deutschland ausschließlich von sicheren drittstaaten, nämlich den mitgliedsstaaten der europäischen union, der schweiz und norwegen umgeben ist (vgl. § 26a abs. 2 asylvfg i.v.m. anlage i zu § 26a asylvfg), ist die asylanerkennung bei einer einreise über den landweg gemäß art. 16a abs. 2 satz 1 gg i.v.m. § 26a abs. 1 asylvfg von vornherein ausgeschlossen. 25der gegenteilige vortrag im rahmen des gerichtlichen verfahrens, wonach der kläger auf dem luftweg in die bundesrepublik deutschland eingereist sein will, ist ersichtlich gesteigert, verfahrensangepasst und damit unglaubhaft. dieses vorbringen steht im widerspruch zu seinen angaben im verwaltungsverfahren und leidet zudem auch hinsichtlich der behaupteten einreise über den luftweg an unauflösbaren widersprüchen. denn insoweit behauptet der kläger einerseits über lahore, abu dhabi, frankfurt und berlin sowie andererseits über karachi, dubai und berlin in die bundesrepublik eingereist zu sein, ohne diese widersprüche auch nur ansatzweise aufzulösen. 26selbst wenn jedoch die angaben zur einreise im gerichtlichen verfahren der rechtlichen beurteilung zugrunde gelegt würden, lägen die voraussetzungen für eine anerkennung als asylberechtigter gemäß art. 16a abs. 1 gg ebenfalls nicht vor, weil der kläger nicht hinreichend dargetan und belegt hat, nicht auf dem landweg, sondern mit dem flugzeug in das bundesgebiet eingereist zu sein. 27vgl. bverwg, urteil vom 29.06.1999 – 9 c 36.98 –, rn. 7 ff., juris; bverwg, urteil vom 02.09.1997– 9 c 5.97 –, rn. 9 ff., juris. 28der kläger hat im klageverfahren zwar angegeben, von pakistan aus mit dem flugzeug nach deutschland eingereist zu sein. über diese pauschale angabe hinaus hat er jedoch keinerlei unterlagen hierüber vorgelegt und den behaupteten reiseweg auch nicht durch einen detaillierten und nachvollziehbaren vortrag substantiiert dargelegt. auch wenn die verfahrenstypischen beweisprobleme des asylantragstellers angemessen berücksichtigt werden, reicht jedenfalls die einfache behauptung, mit dem flugzeug eingereist zu sein, insoweit nicht aus. bleibt somit der einreiseweg unaufklärbar, trägt der asylbewerber die materielle beweislast für seine behauptung, ohne berührung eines sicheren drittstaats nach art. 16a abs. 2 gg, § 26a asylvfg auf dem luftweg nach deutschland eingereist zu sein. 292.) 30der kläger hat auch keinen anspruch auf zuerkennung der flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 abs. 1 asylvfg. 31gemäß § 3 abs. 1 asylvfg ist einem ausländer dann internationaler schutz im sinne von § 1 abs. 1 nr. 2 asylvfg in form der flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn er sich aus begründeter furcht vor verfolgung wegen seiner rasse, religion, nationalität, politischen überzeugung oder zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen gruppe (§ 3 abs. 1 nr. 1 asylvfg) außerhalb des landes (herkunftsland) befindet dessen staatsangehörigkeit er besitzt und dessen schutz er nicht in anspruch nehmen kann oder wegen dieser furcht nicht in anspruch nehmen will (§ 3 abs. 1 nr. 2 lit. a asylvfg) oder in dem er als staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser furcht nicht zurückkehren will (§ 3 abs. 1 nr. 2 lit. b asylvfg). 32als verfolgung im sinne des § 3 abs. 1 asylvfg gelten zunächst handlungen, die auf grund ihrer art oder wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende verletzung der grundlegenden menschenrechte darstellen, insbesondere der rechte, von denen nach art. 15 abs. 2 der konvention vom 4. november 1950 zum schutze der menschenrechte und grundfreiheiten (emrk) keine abweichung zulässig ist (§ 3a abs. 1 nr. 1 asylvfg), ferner handlungen, die in einer kumulierung unterschiedlicher maßnahmen, einschließlich einer verletzung der menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine person davon in ähnlicher wie der in nr. 1 beschriebenen weise betroffen ist (§ 3a abs. 1 nr. 2 asylvfg). § 3a abs. 2 asylvfg nennt als mögliche verfolgungshandlungen beispielhaft u.a. die anwendung physischer oder psychischer gewalt, einschließlich sexueller gewalt, gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender weise angewandt werden sowie unverhältnismäßige oder diskriminierende strafverfolgung oder bestrafung. 33dabei muss gemäß § 3a abs. 3 asylvfg zwischen den verfolgungsgründen im sinne von § 3 abs. 1, § 3b asylvfg und der verfolgungshandlung bzw. den verfolgungshandlungen oder dem fehlen von schutz vor solchen handlungen eine verknüpfung bestehen. 34nach § 3c asylvfg kann die verfolgung ausgehen von (1.) dem staat, (2.) parteien oder organisationen, die den staat oder einen wesentlichen teil des staatsgebietes beherrschen, oder (3.) von nichtstaatlichen akteuren, sofern die in den nummern 1 und 2 genannten akteure einschließlich internationaler organisationen erwiesenermaßen nicht in der lage oder nicht willens sind, schutz vor verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem land eine staatliche herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. 35gemäß § 3e abs. 1 asylvfg wird einem ausländer die flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er (1.) in einem teil seines herkunftslandes keine begründete furcht vor verfolgung oder zugang zu schutz vor verfolgung nach § 3d asylvfg hat und (2.) sicher und legal in diesen landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (interner schutz). 36die furcht vor verfolgung ist begründet, wenn dem ausländer die genannten gefahren aufgrund der in seinem herkunftsland gegebenen umstände in anbetracht seiner individuellen lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher wahrscheinlichkeit drohen. 37vgl. bverwg, urteil vom 20.02.2013 – 10 c 23.12 –, rn. 19, juris; ovg nordrhein-westfalen, urteil vom 22.01.2014 – 9 a 2561/10.a –, rn. 37, juris. 38wenn der antragsteller frühere verfolgungshandlungen oder bedrohungen mit verfolgung als anhaltspunkt für die begründetheit seiner furcht geltend macht, dass sich die verfolgung im falle der rückkehr in das heimatland wiederholen werde, kommt ihm – auch wenn dies anders als nach bisheriger gesetzeslage (vgl. § 60 abs. 1 satz 5 aufenthg a.f. i.v.m. art. 4 abs. 4 der richtlinie 2004/83/eg) nicht mehr ausdrücklich geregelt ist – die beweiserleichterung des art. 4 abs. 4 der richtlinie 2011/95/eu (richtlinie 2011/95/eu des europäischen parlaments und des rates vom 13.12.2011 über normen für die anerkennung von drittstaatsangehörigen oder staatenlosen als personen mit anspruch auf internationalen schutz, für einen einheitlichen status für flüchtlinge oder für personen mit anrecht auf subsidiären schutz und für den inhalt des zu gewährenden schutzes (neufassung), abl. l 337 vom 20.12.2011, s. 9) zugute. die solchen früheren handlungen oder bedrohungen nach dieser vorschrift zukommende beweiskraft ist von den zuständigen behörden unter der sich aus art. 9 abs. 3 der richtlinie 2011/95/eu ergebenden voraussetzung zu berücksichtigen, dass diese handlungen oder bedrohungen eine verknüpfung mit dem verfolgungsgrund aufweisen, den der betreffende für seinen antrag auf schutz geltend macht. 39vgl. ovg nordrhein-westfalen, urteil vom 22.01.2014 – 9 a 2561/10.a –, rn. 39, juris, m.w.n.. 40es obliegt dem antragsteller, die gründe für das verlassen seiner heimat schlüssig darzulegen. er muss unter angabe genauer einzelheiten einen in sich stimmigen sachverhalt schildern, aus dem sich bei wahrunterstellung ergibt, dass er bei verständiger würdigung asylerheblicher bzw. flüchtlingsrechtlich beachtlicher verfolgung unterliegt. hierzu gehört, dass er zu den in seine sphäre fallenden ereignissen, insbesondere zu seinem persönlichen schicksal eine schilderung gibt, die geeignet ist, den geltend gemachten anspruch lückenlos zu tragen. unauflösbare widersprüche und erhebliche steigerungen des vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem vortrag im ganzen nicht geglaubt werden kann. 41vgl. bverwg, beschluss vom 26.10.1989 – 9 b 405.89 –, rn. 8, juris; ovg sachsen, urteil vom 22.03.2012 – a 3 a 428/11 –, rn. 24, juris; ovg nordrhein-westfalen, urteil vom 17.08.2010– 8 a 4063/06.a –, rn. 33, juris. 42das asylanerkennungsverfahren bildet eine einheit, so dass ein gegenüber den angaben vor der verwaltungsbehörde völlig neuer sachvortrag im gerichtlichen verfahren regelmäßig zweifel an der richtigkeit dieses vorbringens wecken wird. 43vgl. bverwg, urteil vom 12.11.1985 – 9 c 27.85 –, rn. 17, juris. 44nach maßgabe dieser kriterien sind die voraussetzungen für die zuerkennung der flüchtlingseigenschaft nicht gegeben. 45angesichts des umstandes, dass der kläger im gerichtlichen verfahren einen gegenüber seinen angaben im verwaltungsverfahren völlig neuen sachvortrag zu seinem verfolgungsschicksal geliefert hat, bestehen schon erhebliche zweifel an der glaubhaftigkeit seines vorbringens im ganzen. im rahmen seiner anhörung im verwaltungsverfahren hat er nämlich im wesentlichen angegeben, von den brüdern seiner freundin verfolgt und bedroht worden zu sein, weil diese mit der beabsichtigten eheschließung zwischen ihrer schwester und ihm – dem kläger – nicht einverstanden gewesen seien. demgegenüber hat er im rahmen des gerichtlichen verfahrens – insoweit unauflösbar widersprüchlich – zunächst geltend gemacht, wegen bestehender freundschaften zu christen und ahmadis von sunnitischen mullahs verfolgt und bedroht worden zu sein. diese hätten von ihm gefordert, dass er seine freundschaftlichen kontakte zu ahmadis und christen abbrechen solle. er sei indes nicht zur glaubensgemeinschaft der ahmadiyya konvertiert. den vortrag im gerichtlichen verfahren hat der kläger dann nochmals geändert und zuletzt behauptet, er gehöre der glaubensgemeinschaft der ahmadiyya an und bemühe sich um eine mitgliedsbescheinigung. damit steht der vortrag des klägers hinsichtlich des geltend gemachten verfolgungsschicksals im verwaltungsverfahren auf der einen seite und hinsichtlich des im gerichtlichen verfahren vorgetragenen verfolgungsschicksals auf der anderen seite, in krassem widerspruch zueinander. diese widersprüche hat der kläger nicht ansatzweise nachvollziehbar aufgelöst. die pauschale erklärung, er habe sich beim bundesamt nicht getraut die wahren beweggründe für seinen asylantrag darzulegen, ist unglaubhaft. das gericht geht vielmehr davon aus, dass die detaillierte schilderung im rahmen der anhörung vor dem bundesamt, unmittelbar nach der behaupteten einreise in die bundesrepublik deutschland, dem tatsächlichen geschehensablauf am nächsten kommt. demgegenüber ist der vortrag im gerichtlichen verfahren, nachdem die begründung des ablehnenden bescheides des bundesamtes dem kläger nunmehr bekannt ist, verfahrensangepasst und ersichtlich dadurch motiviert, vor dem hintergrund der verwaltungsgerichtlichen rechtsprechung zur zuerkennung der flüchtlingseigenschaft für angehörige der religionsgemeinschaft der ahmadiyya, 46vgl. hierzu bverwg, urteil vom 20.02.2013 – 10 c 23.12 –, juris, 47in deutschland die anerkennung als flüchtling zu erreichen. die erheblichen glaubhaftigkeitszweifel am vorbringen im gerichtlichen verfahren resultieren, neben der offensichtlichen divergenz zum kerngeschehen des vorgetragenen verfolgungsschicksals im verwaltungsverfahren, auch aus den unauflösbaren widersprüchen im randgeschehen. so hat der kläger selbst im gerichtlichen verfahren unterschiedlichste angaben zur behaupteten reiseroute und dem einreisedatum gemacht. hinzu kommt, dass er vor dem bundesamt angegeben hat, sein vater sei bereits verstorben, wohingegen er im gerichtlichen verfahren vorträgt, sein vater sei noch am leben und mit seiner ausreise einverstanden gewesen. 48unterstellt man – ungeachtet der insgesamt bestehenden zweifel an der glaubhaftigkeit des klägerischen vorbringens – jedenfalls das im verwaltungsverfahren vor dem bundesamt dargelegte verfolgungsschicksal als wahr, kann die klage schon deshalb keine aussicht auf erfolg haben, weil sich diesem vortrag keine relevante verfolgung gemäß § 3 abs. 1, § 3b asylvfg wegen eines flüchtlingsrechtlich beachtlichen merkmals wie rasse, religion, nationalität, zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen gruppe oder wegen einer bestimmten politischen überzeugung entnehmen lässt. vielmehr handelt es sich lediglich um nachstellungen privater dritter im kriminellen bereich ohne anknüpfung an ein flüchtlingsrechtlich beachtliches merkmal. 49ungeachtet des fehlens einer flüchtlingsrechtlich beachtlichen verfolgung muss der kläger sich jedoch hinsichtlich sämtlicher von ihm behaupteter nachstellungen (durch die brüder seiner freundin bzw. durch sunnitische mullahs) gemäß § 3e asylvfg auf die bestehende möglichkeit der inanspruchnahme internen schutzes verweisen lassen. da er die zuletzt unsubstantiiert behauptete zugehörigkeit zur religionsgemeinschaft der ahmadis nicht ansatzweise durch vorlage einer mitgliedsbescheinigung der ahmadiyya muslim jamaat (amj) belegt hat, ist es ihm möglich und zuzumuten, sich etwaigen bedrohungen durch eine flucht innerhalb pakistans zu entziehen. der kläger war bis zu seiner ausreise in der landwirtschaft beruflich tätig. es ist folglich davon auszugehen, dass der junge und gesunde kläger durch aufnahme einer arbeit bei entsprechendem einsatz seiner arbeitskraft in der lage ist, sich auch in einem anderen landesteil pakistans eine wirtschaftliche existenzgrundlage aufzubauen und seinen lebensunterhalt sicherzustellen. 50vgl. vg aachen, urteil vom 21.06.2013 – 6 k 1151/12.a –, rn. 50, juris; vg ansbach, urteil vom 13.12.2007 – an 3 k 07.30689 –, rn. 24, juris. 51es steht auch nicht zu befürchten, dass die vom kläger benannten privaten akteure ihn in anderen landesteilen pakistans aufspüren könnten. denn nach dem aktuellen lagebericht des auswärtigen amtes können potentiell verfolgte personen vor allem in den pakistanischen großstädten wegen der dort vorherrschenden anonymität in aller regel unbehelligt leben, selbst wenn sie – was hier nicht der fall ist – von der polizei wegen mordes gesucht werden. 52vgl. auswärtiges amt, lagebericht pakistan, stand: september 2012, s. 20; auskunft des auswärtigen amtes vom 15.01.2014 an das vg leipzig. 53dies ist nicht zuletzt dadurch bedingt, dass in pakistan kein funktionierendes meldewesen existiert, so dass die übersiedlung in einen anderen landesteil die möglichkeit bietet, unerkannt und unbehelligt zu bleiben. 54vgl. vg aachen, urteil vom 21.06.2013 – 6 k 1151/12.a –, rn. 50, juris; vg sigmaringen, urteil vom 24.01.2004 – a 6 k 10917/02 –, juris; auskunft des auswärtigen amtes vom 15.01.2014 an das vg leipzig. 553.) 56der kläger hat auch keinen anspruch auf zuerkennung subsidiären schutzes gemäß § 4 asylvfg. stichhaltige gründe für die annahme, dass dem kläger in seinem herkunftsland ein ernsthafter schaden im sinne von § 4 abs. 1 satz 2 nr. 1 bis 3 asylvfg, mithin die verhängung oder vollstreckung der todesstrafe (nr. 1), folter oder unmenschliche oder erniedrigende behandlung oder bestrafung (nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle bedrohung des lebens oder der unversehrtheit einer zivilperson infolge willkürlicher gewalt im rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten konflikts (nr. 3) drohen könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. im übrigen müsste sich der kläger gemäß § 4 abs. 3 satz 1 i.v.m. § 3e asylvfg auch insoweit auf die bestehende möglichkeit der inanspruchnahme internen schutzes verweisen lassen. 574.) 58darüber hinaus bestehen auch keine anhaltspunkte dafür, dass nationale abschiebungsverbote gemäß § 60 abs. 5 und abs. 7 satz 1 aufenthg einschlägig sein könnten. soweit der kläger sinngemäß geltend macht, dass ihm im falle der rückkehr nach pakistan durch die von ihm benannten privaten akteure erhebliche konkrete gefahren für leib und leben im sinne von § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg drohen, muss er sich auch insoweit auf die bestehende möglichkeit der inanspruchnahme internen schutzes (innerstaatliche fluchtalternative) verweisen lassen. 595.) 60nach alledem liegen auch die gesetzlichen voraussetzungen für die im angefochtenen bescheid enthaltene ausreiseaufforderung und abschiebungsandrohung vor, §§ 34, 38 abs. 1 asylvfg i.v.m. § 59 aufenthg. 61die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. gerichtskosten werden gemäß § 83b asylvfg nicht erhoben. 62die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 nr. 11, 711 zivilprozessordnung (zpo). | Verklagte*r | 0 |
126,464 | 12 O 135/15 | 2016-02-05T00:00:00 | Urteil | Tenor Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt, im geschäftlichen Verkehr Fliesen Trocken-/Nassbohrkronen CD-55800 und/oder Laser-Turbo Trockenbohrer CD-57998 zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen, wenn diese einen Hinweis auf die DIN EN 13236 zeigen. Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt. 1Tatbestand: 2Beide Parteien produzieren und vertreiben Diamantwerkzeuge. Sie beliefern den Fachhandel, Endabnehmer sind professionelle Handwerker. Sie befinden sich seit längerem in verschiedenen wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen. 3Die Antragsgegnerin lässt die in ihrem Katalog beworbenen Fliesen Trocken-/ Nassbohrkronen CD-55800 („Bohrkronen“) und die Diamant-Trockenbohrer CD-57998 Laser-Turbo (einen Dosensenker) in China fertigen. Beide Werkzeuge weisen jeweils unter anderem auf dem Metallkörper die Kennzeichnung „UC 12", die Marke der Antragsgegnerin, sowie die Angabe „EN 13236“ auf. Die DIN EN 13236 normiert die „Sicherheitsanforderungen für Schleifwerkzeuge mit Diamant oder Bornitrid". Die beiden vorbeschriebenen Werkzeuge erwarb die Antragstellerin bei von der Antragsgegnerin belieferten Händlern in Deutschland. 4Eine wegen des streitgegenständlichen Verhaltens von der Antragstellerin am 19.11.2015 gegenüber der Antragsgegnerin ausgesprochene Abmahnung wurde am 04.12.2015 von Letzterer zurückgewiesen. 5Die Antragstellerin hält die Kennzeichnung der Werkzeuge der Antragsgegnerin mit EN 13236 für wettbewerbswidrig und trägt hierzu vor: 6Diese erfasse nur Schleifwerkzeuge, wie beispielsweise Diamant-Trennscheiben, und gerade keine Bohrkronen/Bohrer. Durch den Hinweis auf die angebliche Konformität mit dieser DIN erwecke die Antragsgegnerin den irreführenden Eindruck, als einzige Wettbewerberin solche Werkzeuge anzubieten, die die hohen Sicherheitsanforderungen besagter Norm erfüllten, obwohl diese nicht einschlägig sei. 7Die Antragstellerin beantragt, 8der Antragsgegnerin bei Meidung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Fliesen Trocken-/Nassbohrkronen und/oder Laser-Turbo Trockenbohrer zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen, 9a. 10wenn diese einen Hinweis auf die DIN EN 13236 zeigen, 11hilfsweise, 12b. 13wenn diese einen Hinweis auf die DIN EN 13236 zeigen, ohne die in deren Anhang A, Tabelle A.1 vorgeschriebenen Kennzeichnungsmerkmale aufzuführen, 14sofern in den Fällen a. und b. CD-55800 Fliesen Trocken-/Nassbohrkronen und CD-57998 Laser-Turbo betroffen sind. 15Die Antragsgegnerin beantragt, 16den Antrag zurückzuweisen. 17Sie macht unter anderem geltend: 18Sie biete in ihren Katalogen die von der Antragstellerin angeführten Werkzeuge nicht mit einem Hinweis auf die EN 13236 an, was unstreitig ist. Sollten Händler ihre Ware mit einem Hinweis hierauf bewerben, möge sich die Antragstellerin an diese wenden. Sie sei nicht Schuldnerin der behaupteten Ansprüche. Im Übrigen sei nicht nachzuvollziehen, warum die Norm nicht für die fraglichen Werkzeuge anzuwenden sei; auch hierbei handele es sich um Schleifwerkzeuge. 19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Akteninhalt im Übrigen verwiesen. 20Entscheidungsgründe: 21Der Antrag ist zulässig und begründet. 22Im Gegensatz zur Auffassung der Antragsgegnerin ist das Begehren der Antragstellerin hinreichend bestimmt. Sie macht deutlich, dass sie mit ihrem Hauptantrag das hier ausgesprochene Verbot begehrt. Die Dringlichkeit ist gemäß § 12 Abs. 2 UWG zu vermuten. 23In der Sache ist das Unterlassungsbegehren der Antragstellerin als Mitbewerberin der Antragsgegnerin nach §§ 3 Abs. 1, 5 Nr. 1, 8 Abs. 1 u. Abs. 3 Nr. 1 UWG gerechtfertigt. 24Der Vertrieb der Werkzeuge an die von ihr belieferten Händler und dessen Vorbereitung stellen eine geschäftliche Handlung der Antragsgegnerin im Sinne des § 2 Abs. 1 UWG dar. Dass die Antragsgegnerin die Kennzeichnung der Werkzeuge, etwa in ihrem Katalog, nicht besonders bewirbt, ist unerheblich. Ebenso das Verhalten der von ihr belieferten Händler, die die Antragsgegnerin allein als Unterlassungsschuldner sieht, deren Verhalten aber tatsächlich unabhängig von dem der Antragsgegnerin zu beurteilen ist. 25Die auf Veranlassung der Antragsgegnerin angebrachte EN Kennzeichnung der Werkzeuge ist eine Angabe im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG. Mindestens den Fachkreisen, für die die Werkzeuge bestimmt sind, ist bekannt, dass DIN-Normen Festlegungen anerkannter Maße und Regeln der Technik durch ein (für die Fachwelt repräsentatives) Gremium enthalten und ihre Nennung daher eine sachliche Aussage über die Ware bedeutet, auf die sie sich bezieht (so BGH GRUR 1985, 973 – DIN 2093, zu § 3 UWG a.F.). Das gilt in gleicher Weise für die vorliegende EN Kennzeichnung. 26Diese Angabe ist irreführend, weil die Vorstellung, die sie bei den angesprochenen Marktteilnehmern erweckt, nicht der Wirklichkeit entspricht. 27Wird in der Werbung auf DIN EN-Normen Bezug genommen, so erwartet der Verkehr grundsätzlich, dass die Ware normgemäß ist (BGH a.a.O). Das entspricht zunächst schon dem allgemeinen Verständnis, weil die Angabe sonst sinnlos wäre, wovon niemand ausgehen wird. Im Übrigen kann die Kammer das aber auch hinsichtlich der angesprochenen Fachhändler beurteilen, weil der mitwirkende Handelsrichter als solcher tätig ist. 28Eine Ware kann aber grundsätzlich nur dann einer genannten DIN EN-Norm entsprechen, wenn sie der Norm unterfällt. Das aber ist bei den von der Antragsgegnerin vertriebenen Bohrern/Bohrkronen nicht der Fall, denn sie gehören nicht zu den Schleifwerkzeugen die von der DIN EN 13236 „Sicherheitsanforderungen für Schleifwerkzeuge mit Diamant oder Bornitrid" erfasst werden. 29Dies folgt schon daraus, dass es sich beim Bohren und beim Schleifen um sehr unterschiedliche Bearbeitungsverfahren handelt. Das entspricht nicht nur dem allgemeinen Sprachgebrauch. Es ist auch entsprechend normiert. Nach DIN 8589 Teil 2 ist Bohren definiert als Spanen mit kreisförmiger Schnittbewegung, bei dem die Drehachse des Werkzeuges und die Achse der zu erzeugenden Innenfläche identisch sind und die Vorschubbewegung in Richtung dieser Achse verläuft. Schleifen hingegen ist gemäß DIN 8589 Teil 11 ein spanendes Fertigungsverfahren mit vielschneidigen Werkzeugen, bei denen die geometrisch unbestimmten Schneiden von einer Vielzahl gebundener Schleifkörner aus natürlichen oder synthetischen Schleifmitteln gebildet werden, die mit hoher Geschwindigkeit, meist unter nichtständiger Berührung zwischen Werkstück und Schleifkorn, den Werkstoff abtrennen. 30Dass die genannte DIN EN-Norm Bohrer gerade nicht erfasst, folgt im Übrigen auch daraus, dass diese neben den Schleifwerkzeugen wohl mit am häufigsten verwendeten Bearbeitungswerkzeuge für Stein, Metall etc., dort gerade nicht ausdrücklich erwähnt werden. Das aber wäre nach Überzeugung der Kammer der Fall gewesen, wenn sie hätten mit umfasst werden sollen. Demgemäß sind Bohrer im Gegensatz zur Auffassung der Antragsgegnerin auch keinesfalls als „Schleifstifte“ oder „sonstige Schleifwerkzeuge“ im Sinne der Norm anzusehen. 31Es ist auch nicht dargetan, dass vorliegend ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, weil es branchenüblich ist, die Norm für Schleifwerkzeuge auch auf Bohrer anzuwenden und die Werkzeuge entsprechend zu kennzeichnen. Dies darzulegen und glaubhaft zu machen, wäre Sache der Antragsgegnerin gewesen. Entsprechendes Vorbringen fehlt, wobei die Antragsgegnerin auch nicht geltend macht, dass die fraglichen Bohrer der Norm für Schleifwerkzeuge überhaupt entsprechen. 32Durch die falsche Angabe einer DIN-EN Norm verschafft sich die Antragsgegnerin gegenüber ihren Mitbewerbern einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorteil. Sie täuscht vor, ihre Bohrer erfüllten die normierten Anforderungen und hebt ihre Produkte gegenüber Konkurrenten, die dies nicht tun, weil die entsprechende Norm für Bohrer nicht gilt, hervor, indem sie hierdurch besondere, der Norm entsprechende Beschaffenheits- und Qualitätsvorstellungen hervorruft. 33Eine Aufbrauchsfrist, also die Möglichkeit die falsch gekennzeichneten Bohrer bis zur Produktionsumstellung und Neubelieferung aus China abzuverkaufen, wie sie die Antragsgegnerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz begehrt, war ihr nicht zu gewähren. 34Nur in Fällen, in denen ein sofortiges Verbot für den Unterlassungsschuldner eine unzumutbare Härte darstellen würde, kann ihm unter Abwägung der gegenseitigen Interessen im Rahmen des § 242 BGB eine Aufbrauchs- oder Umstellungsfrist bewilligt werden (Köhler/Bornkamm, UWG, 33. A., § 8 Rn. 1.58, m.N.). 35Hier ist schon eine solche unzumutbare Härte für die Antragsgegnerin nicht ersichtlich. Sie trägt nicht hinreichend dazu vor, welche konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen ein sofortiges Verbot für sie hätte. Hierzu reicht insbesondere die bloße Angabe der Zahl der Bohrer, über die sie noch verfügt, nicht aus. Auch dass sie bei einem sofortigen Verbot hinsichtlich dieser gekennzeichneten Bohrer, die offensichtlich nur einen sehr geringen Teil ihres Programms darstellen, ca. 45 Tage nicht lieferfähig wäre, kann nicht als unzumutbar angesehen werden, weil auch insoweit die wirtschaftlichen Folgen nicht zureichend dargestellt werden. 36Außerdem kommt eine Aufbrauchsfrist für die Antragsgegnerin nicht in Betracht, weil ihr hinsichtlich des Wettbewerbsverstoßes ein grobes Verschulden vorzuwerfen ist. Ein Unterlassungsschuldner ist in der Regel nicht schutzwürdig, wenn er den zu Grunde liegenden Verstoß vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen hat Köhler/Bornkamm a.a.O. Rn. 1.62). Zumindest letzteres ist hier anzunehmen, da die Antragsgegnerin ihr zuvor dargestelltes wettbewerbswidriges Verhalten schon vor der Abmahnung durch die Antragstellerin hätte erkennen müssen. 37Aufgrund dieser Abmahnung spricht auch der Zeitfaktor gegen die Gewährung einer Aufbrauchsfrist. Es kommt insoweit darauf an, ab wann der Unterlassungsschuldner jedenfalls mit einem Verbot rechnen musste und ob er hinreichend Gelegenheit hatte, sich auf das drohende Verbot einzurichten (Köhler/Bornkamm a.a.O.). Die Antragsgegnerin musste im konkreten Fall spätestens nach dem Erhalt der Abmahnung im November 2015 mit einem Verbot rechnen und hatte seit dem bis zum Verkündungstermin deutlich länger Zeit, sich auf das Verbot einzustellen, als die 47 Tage, die sie jetzt als Aufbrauchsfrist begehrt. 38Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. 39Streitwert: 60.000,00 EUR | der antragsgegnerin wird bei meidung eines ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 eur für jeden fall der zuwiderhandlung, ersatzweise ordnungshaft oder ordnungshaft bis zu sechs monaten, untersagt, im geschäftlichen verkehr fliesen trocken-/nassbohrkronen cd-55800 und/oder laser-turbo trockenbohrer cd-57998 zu bewerben und/oder in den verkehr zu bringen, wenn diese einen hinweis auf die din en 13236 zeigen. die kosten des verfahrens werden der antragsgegnerin auferlegt. 1 | 2beide parteien produzieren und vertreiben diamantwerkzeuge. sie beliefern den fachhandel, endabnehmer sind professionelle handwerker. sie befinden sich seit längerem in verschiedenen wettbewerbsrechtlichen auseinandersetzungen. 3die antragsgegnerin lässt die in ihrem katalog beworbenen fliesen trocken-/ nassbohrkronen cd-55800 („bohrkronen“) und die diamant-trockenbohrer cd-57998 laser-turbo (einen dosensenker) in china fertigen. beide werkzeuge weisen jeweils unter anderem auf dem metallkörper die kennzeichnung „uc 12", die marke der antragsgegnerin, sowie die angabe „en 13236“ auf. die din en 13236 normiert die „sicherheitsanforderungen für schleifwerkzeuge mit diamant oder bornitrid". die beiden vorbeschriebenen werkzeuge erwarb die antragstellerin bei von der antragsgegnerin belieferten händlern in deutschland. 4eine wegen des streitgegenständlichen verhaltens von der antragstellerin am 19.11.2015 gegenüber der antragsgegnerin ausgesprochene abmahnung wurde am 04.12.2015 von letzterer zurückgewiesen. 5die antragstellerin hält die kennzeichnung der werkzeuge der antragsgegnerin mit en 13236 für wettbewerbswidrig und trägt hierzu vor: 6diese erfasse nur schleifwerkzeuge, wie beispielsweise diamant-trennscheiben, und gerade keine bohrkronen/bohrer. durch den hinweis auf die angebliche konformität mit dieser din erwecke die antragsgegnerin den irreführenden eindruck, als einzige wettbewerberin solche werkzeuge anzubieten, die die hohen sicherheitsanforderungen besagter norm erfüllten, obwohl diese nicht einschlägig sei. 7die antragstellerin beantragt, 8der antragsgegnerin bei meidung von ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen verkehr fliesen trocken-/nassbohrkronen und/oder laser-turbo trockenbohrer zu bewerben und/oder in den verkehr zu bringen, 9a. 10wenn diese einen hinweis auf die din en 13236 zeigen, 11hilfsweise, 12b. 13wenn diese einen hinweis auf die din en 13236 zeigen, ohne die in deren anhang a, tabelle a.1 vorgeschriebenen kennzeichnungsmerkmale aufzuführen, 14sofern in den fällen a. und b. cd-55800 fliesen trocken-/nassbohrkronen und cd-57998 laser-turbo betroffen sind. 15die antragsgegnerin beantragt, 16den antrag zurückzuweisen. 17sie macht unter anderem geltend: 18sie biete in ihren katalogen die von der antragstellerin angeführten werkzeuge nicht mit einem hinweis auf die en 13236 an, was unstreitig ist. sollten händler ihre ware mit einem hinweis hierauf bewerben, möge sich die antragstellerin an diese wenden. sie sei nicht schuldnerin der behaupteten ansprüche. im übrigen sei nicht nachzuvollziehen, warum die norm nicht für die fraglichen werkzeuge anzuwenden sei; auch hierbei handele es sich um schleifwerkzeuge. 19wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf die zwischen den parteien gewechselten schriftsätze nebst anlagen sowie den akteninhalt im übrigen verwiesen. 20 | 21der antrag ist zulässig und begründet. 22im gegensatz zur auffassung der antragsgegnerin ist das begehren der antragstellerin hinreichend bestimmt. sie macht deutlich, dass sie mit ihrem hauptantrag das hier ausgesprochene verbot begehrt. die dringlichkeit ist gemäß § 12 abs. 2 uwg zu vermuten. 23in der sache ist das unterlassungsbegehren der antragstellerin als mitbewerberin der antragsgegnerin nach §§ 3 abs. 1, 5 nr. 1, 8 abs. 1 u. abs. 3 nr. 1 uwg gerechtfertigt. 24der vertrieb der werkzeuge an die von ihr belieferten händler und dessen vorbereitung stellen eine geschäftliche handlung der antragsgegnerin im sinne des § 2 abs. 1 uwg dar. dass die antragsgegnerin die kennzeichnung der werkzeuge, etwa in ihrem katalog, nicht besonders bewirbt, ist unerheblich. ebenso das verhalten der von ihr belieferten händler, die die antragsgegnerin allein als unterlassungsschuldner sieht, deren verhalten aber tatsächlich unabhängig von dem der antragsgegnerin zu beurteilen ist. 25die auf veranlassung der antragsgegnerin angebrachte en kennzeichnung der werkzeuge ist eine angabe im sinne des § 5 abs. 1 uwg. mindestens den fachkreisen, für die die werkzeuge bestimmt sind, ist bekannt, dass din-normen festlegungen anerkannter maße und regeln der technik durch ein (für die fachwelt repräsentatives) gremium enthalten und ihre nennung daher eine sachliche aussage über die ware bedeutet, auf die sie sich bezieht (so bgh grur 1985, 973 – din 2093, zu § 3 uwg a.f.). das gilt in gleicher weise für die vorliegende en kennzeichnung. 26diese angabe ist irreführend, weil die vorstellung, die sie bei den angesprochenen marktteilnehmern erweckt, nicht der wirklichkeit entspricht. 27wird in der werbung auf din en-normen bezug genommen, so erwartet der verkehr grundsätzlich, dass die ware normgemäß ist (bgh a.a.o). das entspricht zunächst schon dem allgemeinen verständnis, weil die angabe sonst sinnlos wäre, wovon niemand ausgehen wird. im übrigen kann die kammer das aber auch hinsichtlich der angesprochenen fachhändler beurteilen, weil der mitwirkende handelsrichter als solcher tätig ist. 28eine ware kann aber grundsätzlich nur dann einer genannten din en-norm entsprechen, wenn sie der norm unterfällt. das aber ist bei den von der antragsgegnerin vertriebenen bohrern/bohrkronen nicht der fall, denn sie gehören nicht zu den schleifwerkzeugen die von der din en 13236 „sicherheitsanforderungen für schleifwerkzeuge mit diamant oder bornitrid" erfasst werden. 29dies folgt schon daraus, dass es sich beim bohren und beim schleifen um sehr unterschiedliche bearbeitungsverfahren handelt. das entspricht nicht nur dem allgemeinen sprachgebrauch. es ist auch entsprechend normiert. nach din 8589 teil 2 ist bohren definiert als spanen mit kreisförmiger schnittbewegung, bei dem die drehachse des werkzeuges und die achse der zu erzeugenden innenfläche identisch sind und die vorschubbewegung in richtung dieser achse verläuft. schleifen hingegen ist gemäß din 8589 teil 11 ein spanendes fertigungsverfahren mit vielschneidigen werkzeugen, bei denen die geometrisch unbestimmten schneiden von einer vielzahl gebundener schleifkörner aus natürlichen oder synthetischen schleifmitteln gebildet werden, die mit hoher geschwindigkeit, meist unter nichtständiger berührung zwischen werkstück und schleifkorn, den werkstoff abtrennen. 30dass die genannte din en-norm bohrer gerade nicht erfasst, folgt im übrigen auch daraus, dass diese neben den schleifwerkzeugen wohl mit am häufigsten verwendeten bearbeitungswerkzeuge für stein, metall etc., dort gerade nicht ausdrücklich erwähnt werden. das aber wäre nach überzeugung der kammer der fall gewesen, wenn sie hätten mit umfasst werden sollen. demgemäß sind bohrer im gegensatz zur auffassung der antragsgegnerin auch keinesfalls als „schleifstifte“ oder „sonstige schleifwerkzeuge“ im sinne der norm anzusehen. 31es ist auch nicht dargetan, dass vorliegend ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, weil es branchenüblich ist, die norm für schleifwerkzeuge auch auf bohrer anzuwenden und die werkzeuge entsprechend zu kennzeichnen. dies darzulegen und glaubhaft zu machen, wäre sache der antragsgegnerin gewesen. entsprechendes vorbringen fehlt, wobei die antragsgegnerin auch nicht geltend macht, dass die fraglichen bohrer der norm für schleifwerkzeuge überhaupt entsprechen. 32durch die falsche angabe einer din-en norm verschafft sich die antragsgegnerin gegenüber ihren mitbewerbern einen nicht unerheblichen wettbewerbsvorteil. sie täuscht vor, ihre bohrer erfüllten die normierten anforderungen und hebt ihre produkte gegenüber konkurrenten, die dies nicht tun, weil die entsprechende norm für bohrer nicht gilt, hervor, indem sie hierdurch besondere, der norm entsprechende beschaffenheits- und qualitätsvorstellungen hervorruft. 33eine aufbrauchsfrist, also die möglichkeit die falsch gekennzeichneten bohrer bis zur produktionsumstellung und neubelieferung aus china abzuverkaufen, wie sie die antragsgegnerin im nicht nachgelassenen schriftsatz begehrt, war ihr nicht zu gewähren. 34nur in fällen, in denen ein sofortiges verbot für den unterlassungsschuldner eine unzumutbare härte darstellen würde, kann ihm unter abwägung der gegenseitigen interessen im rahmen des § 242 bgb eine aufbrauchs- oder umstellungsfrist bewilligt werden (köhler/bornkamm, uwg, 33. a., § 8 rn. 1.58, m.n.). 35hier ist schon eine solche unzumutbare härte für die antragsgegnerin nicht ersichtlich. sie trägt nicht hinreichend dazu vor, welche konkreten wirtschaftlichen auswirkungen ein sofortiges verbot für sie hätte. hierzu reicht insbesondere die bloße angabe der zahl der bohrer, über die sie noch verfügt, nicht aus. auch dass sie bei einem sofortigen verbot hinsichtlich dieser gekennzeichneten bohrer, die offensichtlich nur einen sehr geringen teil ihres programms darstellen, ca. 45 tage nicht lieferfähig wäre, kann nicht als unzumutbar angesehen werden, weil auch insoweit die wirtschaftlichen folgen nicht zureichend dargestellt werden. 36außerdem kommt eine aufbrauchsfrist für die antragsgegnerin nicht in betracht, weil ihr hinsichtlich des wettbewerbsverstoßes ein grobes verschulden vorzuwerfen ist. ein unterlassungsschuldner ist in der regel nicht schutzwürdig, wenn er den zu grunde liegenden verstoß vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen hat köhler/bornkamm a.a.o. rn. 1.62). zumindest letzteres ist hier anzunehmen, da die antragsgegnerin ihr zuvor dargestelltes wettbewerbswidriges verhalten schon vor der abmahnung durch die antragstellerin hätte erkennen müssen. 37aufgrund dieser abmahnung spricht auch der zeitfaktor gegen die gewährung einer aufbrauchsfrist. es kommt insoweit darauf an, ab wann der unterlassungsschuldner jedenfalls mit einem verbot rechnen musste und ob er hinreichend gelegenheit hatte, sich auf das drohende verbot einzurichten (köhler/bornkamm a.a.o.). die antragsgegnerin musste im konkreten fall spätestens nach dem erhalt der abmahnung im november 2015 mit einem verbot rechnen und hatte seit dem bis zum verkündungstermin deutlich länger zeit, sich auf das verbot einzustellen, als die 47 tage, die sie jetzt als aufbrauchsfrist begehrt. 38die kostenentscheidung beruht auf § 91 abs. 1 zpo. 39streitwert: 60.000,00 eur | Klaeger*in 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330,140 | 22 K 8762/18.A | 2020-07-21T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision gegen dieses Urteil wird unter Übergehung der Berufungsinstanz zugelassen. 1Tatbestand: 2Der Kläger ist am 00.00.1986 geboren und iranischer Staatsangehöriger. Er ist nach eigenen Angaben verheiratet mit Frau C. D. , die unter dem Aktenzeichen 22 K 8760/18.A ein asylrechtliches Klageverfahren beim Verwaltungsgericht Düsseldorf betreibt. 3Seinen Angaben zufolge reiste der Kläger zusammen mit Frau D. am 6. September 2018 in die Bundesrepublik ein. Beide stellten am 19. September 2018 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) förmliche Asylanträge. Der Asylantrag von Frau D. wird vom Bundesamt unter dem Geschäftszeichen 0000000‑439 geführt. 4Bereits am 14. September 2018 war der Kläger in Deutschland erkennungsdienstlich behandelt worden. Die in diesem Zusammenhang durchgeführte Eurodac-Abfrage am 14. September 2018 ergab bezüglich des Klägers keinen Treffer. Jedoch zeigte der am gleichen Tag durchgeführte Abgleich mit dem Visainformationssystem (VIS), dass dem Kläger am 17. August 2018 durch das polnische Konsulat in Teheran ein Schengen-Visum mit Gültigkeit vom 4. September 2018 bis zum 13. September 2018 erteilt worden war. 5Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 19. September 2018 gab der Kläger an: Er habe von der polnischen Botschaft in Teheran ein Visum erhalten mit Gültigkeit bis zum 13. September 2018. Am 4. September 2018 habe er den Iran verlassen und sei mit einem Zwischenstopp am Flughafen Dubai auf dem Luftweg nach Polen eingereist; dort habe er sich zwei Tage aufgehalten und sei am 6. September 2018 von dort aus nach Deutschland eingereist. Bei seiner weiteren Anhörung durch das Bundesamt am 4. Oktober 2018 trug der Kläger im Wesentlichen vor: Es stimme, dass ihm ein Schengen-Visum ausgestellt worden sei. Seine Frau und er hätten damit legal nach Europa reisen wollen. Zweck sei primär ihre Flitterwochen gewesen. Auch habe er seinen Onkel in L. und seine Schwester (in F. ) wiedersehen wollen. Es sei besser, in Deutschland zu sein, weil er hier Verwandte habe. Er denke, er könne sich hier besser in die Gesellschaft integrieren. So habe ihm, wenn er in Polen Englisch gesprochen habe, niemand geantwortet. Gesundheitliche Beschwerden habe er keine. Er sei im Mai 2013 wegen eines Gendefekts am Auge operiert worden, das sei aber heute kein besonderes Problem. 6Das Bundesamt richtete am 5. Oktober 2018 ein Aufnahmegesuch an die Republik Polen. Diesem stimmte die Republik Polen mit Schreiben vom 18. Oktober 2018 mit der Begründung zu, dass das Aufnahmegesuch im Einklang mit Art. 12 Abs. 4 der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 604/2013 im Hinblick auf das erteilte Schengen-Visum stehe. Ferner wurde in dem Zustimmungsschreiben darum gebeten, die polnische Behörde gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung der Kommission (EG) Nr. 1560/2003 vom 2. September 2003 mindestens drei Werktage vor der Überstellung über die vorgeschlagenen Einzelheiten der Überstellung zu informieren. 7Mit Bescheid vom 22. Oktober 2018 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung des Klägers nach Polen an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Auf die Gründe des Bescheides wird verwiesen. 8Dem Bescheid war ein Dokument mit der Überschrift „Wichtige Mitteilungen nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG)“ beigefügt. Darin enthalten ist auch eine „Belehrung nach § 50 Abs. 4 AufenthG“, in der ausgeführt wird, dass der Kläger auf Grund seiner Ausreisepflicht nach § 50 Abs. 4 AufenthG verpflichtet sei, jeden Wohnungswechsel und jedes Verlassen des Bezirks der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage vorher der für ihn zuständigen Ausländerbehörde anzuzeigen. 9Der Bescheid wurde dem Kläger am 26. Oktober 2018 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. 10Der Kläger hat am 30. Oktober 2018 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (22 L 3171/18.A). 11Am 6. November 2018 teilte das Bundesamt den polnischen Dublin-Behörden mit, dass die Überstellung derzeit nicht möglich sei, weil ein Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung vom 30. Oktober 2018 anhängig sei. 12Das erkennende Gericht hat mit Beschluss vom 7. Januar 2019 (bekannt gegeben am 8. Januar 2019) den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als unbegründet abgelehnt. Auf die Gründe des Bescheides wird verwiesen. 13Ab dem 28. Januar 2019 hat sich der Kläger nach eigenen Angaben nicht mehr in der ihm zugewiesenen Unterkunft in der Zentralen Unterbringungseinrichtung O. aufgehalten. 14Am 7. Februar 2019 teilte das Bundesamt den polnischen Behörden mit, dass die aufschiebende Wirkung zum 7. Januar 2019 weggefallen sei und das Fristende nunmehr auf den 7. Juli 2019 falle. 15Die aktenführende Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) F1. hat den Kläger am 22. Februar 2019 als seit diesem Tag unbekannt verzogen abgemeldet. 16Das Bundesamt hat mit Schriftsatz vom 29. März 2019 dem Gericht mitgeteilt, dass die achtzehnmonatige Überstellungsfrist gelte, da der Kläger flüchtig im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Dublin III‑VO sei; die Überstellungsfrist ende nunmehr mit Ablauf des 7. Juli 2020. Der Schriftsatz enthält darüber hinaus Ausführungen zum Verfahren in Fällen von Kirchenasyl. Beigefügt war eine E-Mail der ZAB F1. vom 22. März 2019 an das Bundesamt, wonach sich der Kläger seit dem 11. Februar 2019 im Kirchenasyl befinde und seit dem 22. Februar 2019 abgängig sei, sowie die Antwort des Bundesamtes vom 28. März 2019, in der mitgeteilt wird, dass bis jetzt keine Meldung über das Kirchenasyl eingegangen sei. Zudem informierte das Bundesamt die polnischen Dublin-Behörden am gleichen Tag über die Verlängerung der Überstellungsfrist und das neue Fristende. 17Mit Schriftsatz vom 1. April 2019 hat der Kläger dem Gericht mitgeteilt, dass er sich im Kirchenasyl befinde. Beigefügt hat er ein mit dem Stempelaufdruck „Internationale G. L. “ versehenes und über der Namensangabe „S. A. , Ältester“ handschriftlich unterzeichnetes Dokument. Dieses weist ein Adressfeld auf, in dem eine Anschrift des Bundesamtes in O1. angegeben ist. Darunter befindet sich der Zusatz: 18„Per E-Mail [email protected] (cc; [email protected], [email protected])“. 20Das Dokument trägt das Datum 28. Januar 2019 und enthält die Mitteilung, dass sich der Kläger und Frau D. „seit dem heutigen Tag (28.01.2019)“ im Kirchenasyl in der evangelischen Kirchengemeinde Internationale G. L. , T.-----ring 00, 00000 L. aufhielten. Weiter heißt es: „Die zuständige Ausländerbehörde und die zuständige Außenstelle des BAMF werden zeitgleich ebenfalls informiert. Der für uns zuständige Ansprechpartner (benennen) ist über das Kirchenasyl informiert.“ 21Mit einem weiteren, an das Bundesamt gerichteten Schreiben vom 1. April 2019 gab der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten unter Beifügung des inhaltsgleichen, zuvor beschriebenen Dokuments an, dass er sich nunmehr unter der angegebenen Anschrift im Kirchenasyl befinde. 22Seither gibt der Kläger gegenüber dem Gericht die Anschrift c/o Kirchengemeinde Internationale G. L. , T.-----ring 00, 00000 L. als diejenige Anschrift an, unter der er sich überwiegend aufhält. 23Am 29. Juli 2019 hat der Kläger beantragt, unter Änderung des ablehnenden Eilbeschlusses vom 7. Januar 2019 die aufschiebende Wirkung der Klage nunmehr anzuordnen (22 L 2116/19.A). Zur Begründung hat er ausgeführt, die Zuständigkeit für die Prüfung seines Asylantrages sei auf die Beklagte übergegangen, da die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO abgelaufen sei. Insbesondere habe die Überstellungsfrist nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO auf bis zu 18 Monate verlängert werden dürfen. Denn er sei nicht flüchtig im Sinne dieser Vorschrift. Diesen Antrag hat das Gericht mit Beschluss vom 6. September 2019 abgelehnt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Kläger als flüchtig anzusehen sei, weil er sich unstreitig ab dem 28. Januar 2019 nicht mehr in der ihm zugewiesenen Unterkunft aufgehalten habe und nicht hinreichend dargelegt habe, dass er die zuständigen nationalen Behörden über seine Abwesenheit pflichtgemäß informiert habe. Insbesondere lasse sich aus dem mit Schriftsatz vom 1. April 2019 übersandten Dokument kein substantiierter Vortrag des Klägers entnehmen, dass – und gegebenenfalls wann – eine Benachrichtigung des Bundesamtes per E-Mail tatsächlich abgesendet wurde. Die fehlende Mitteilung der neuen Anschrift habe auch bewirkt, dass die Überstellung nicht habe durchgeführt werden können. Denn die Ausländerbehörde habe den Kläger am 22. Februar 2019 als seit diesem Tag unbekannt verzogen abgemeldet. 24Mit elektronischer Nachricht vom 12. März 2020 hat die polnische Dublin-Stelle der Beklagten sowie einer Vielzahl weiterer Mitgliedstaaten unter dem Betreff „transfer suspension 16.03.2020-03.04.2020 – Poland – COVID-19 – POLISH BORDER GUARD“ mitgeteilt, dass Polen entschieden habe, alle Überstellungen nach Polen ab dem 16. März 2020 bis zum 3. April 2020 auszusetzen („to suspend“); eine eventuelle Verlängerung der Aussetzung der Dublin-Überstellungen werde eine Woche vorher mitgeteilt. Mit weiterer elektronischer Nachricht vom 26. März 2020 hat Polen der Beklagten und einer Vielzahl weiterer Mitgliedstaaten unter dem Betreff „transfer suspension – Poland – COVID-19 – POLISH BORDER GUARD“ mitgeteilt, dass Polen entschieden habe, bis auf Weiteres („until further notice“) alle Überstellungen von und nach Polen auszusetzen. 25Mit Schreiben vom 15. April 2020 an den Kläger hat das Bundesamt die Vollziehung der Abschiebungsanordnung im streitgegenständlichen Bescheid gemäß § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin III‑VO „bis auf Weiteres“ ausgesetzt und zur Begründung im Wesentlichen angegeben, derzeit seien Dublin-Überstellungen im Hinblick auf die Entwicklung der Corona-Krise nicht zu vertreten. Weiter wird in dem Schreiben ausgeführt, die zeitweise Aussetzung des Überstellungsverfahrens impliziere nicht, dass der zuständige Dublin-Staat nicht mehr zur Übernahme bereit und verpflichtet sei; vielmehr sei der Vollzug nur vorübergehend nicht möglich; die abgegebene Erklärung gelte unter dem Vorbehalt des Widerrufs. Unter dem 16. April 2020 hat das Bundesamt der polnischen Dublin-Behörde mitgeteilt, dass eine Überstellung im Hinblick auf ein Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung vom 15. April 2020 derzeit nicht möglich sei. Dieses Schreiben ist ausweislich der vorgelegten automatisch generierten Empfangsbestätigung am 16. April 2020 bei der polnischen Behörde eingegangen. 26Mit „Bescheid“ vom 14. Juli 2020 hat die Beklagte die Vollziehungsaussetzung aus der Verfügung vom 15. April 2020 (Ziffer 2) aufgehoben und die Vollziehung der Abschiebungsanordnung aus dem streitgegenständlichen Bescheid vom 22. Oktober 2018 bis zum unanfechtbaren Abschluss des anhängigen Rechtsstreits ausgesetzt (Ziffer 1). Zur Begründung wird ausgeführt, dass Polen das Überstellungsverfahren seit dem 13. Juli 2020 wieder aufgenommen habe und es angesichts der unterschiedlichen Bewertung der Vollziehungsaussetzungen aufgrund der Corona-Krise angezeigt sei, die Klärung der relevanten Rechtsfragen herbeizuführen. 27Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei, da ihm in Polen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK drohe. Aus diesem Grund lägen auch Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vor. Er müsse damit rechnen, inhaftiert zu werden. Im Falle einer Zuerkennung internationalen Schutzes sei er dem Risiko der Verarmung ausgesetzt. Ferner sei mittlerweile die Überstellungsfrist abgelaufen. Er widerspreche der Aussetzung der Vollziehung, denn die Beklagte nutze die Corona-Situation aus, um eine angebliche Unterbrechung der Frist herbeizuführen. Es sei den Asylbewerbern nicht zuzumuten, in eine völlig ungewisse Zukunft blicken zu müssen. Vielmehr solle das nationale Verfahren zügig durchgeführt werden. 28Der Kläger beantragt schriftsätzlich wörtlich, 29den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. Oktober 2018 aufzuheben. 30Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, 31die Klage abzuweisen. 32Sie bezieht sich zur Begründung auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheides und trägt ergänzend vor: Ihr sei es im Zeitpunkt der behördlichen Aussetzung der Vollziehung der Überstellungsentscheidung tatsächlich und über das Ende der zunächst bis 7. Juli 2020 verlängerten Überstellungsfrist hinaus objektiv unmöglich gewesen, den Kläger in den als zuständig bestimmten Mitgliedstaat Polen zu überstellen. Das Überstellungsverfahren nach Polen solle erst ab dem 13. Juli 2020 wieder aufgenommen werden. 33Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (der Kläger mit Schriftsatz vom 10. Juli 2020, die Beklagte mit der allgemeinen Prozesserklärung vom 27. Juni 2017, Az. 000-0000/0.00). 34Die Beklagte hat ferner beantragt, die Sprungrevision zuzulassen. Beide Beteiligten haben der Sprungrevision zugestimmt (jeweils mit Schriftsatz vom 10. Juli 2020). 35Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, den Inhalt der beigezogenen Gerichtsakten 22 K 8760/18.A 22 L 3170/18.A, 22 L 3171/18.A, 22 L 2116/18.A sowie 22 L 2119/19.A und den Inhalt der hierzu beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der ZAB F1. sowie auf die Auskünfte und Erkenntnisse, auf die die Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 13. Juli 2020 hingewiesen worden sind, Bezug genommen. 36Entscheidungsgründe: 37Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung. 38Der schriftsätzlich gestellte Klageantrag ist gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Kläger neben dem wörtlich gestellten Hauptantrag beantragt, 39hilfsweise, und zwar für den Fall, dass der Hauptantrag in Bezug auf die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides keinen Erfolg hat, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der Ziffern 2 bis 4 des streitgegenständlichen Bescheides zu verpflichten festzustellen, dass hinsichtlich Polens Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. 40Dies entspricht dem erkennbaren Klagebegehren des Klägers. Er beruft sich ausdrücklich auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Polen. Dieses Klageziel ist nur mit einer (hilfsweise zu verfolgenden) Verpflichtungsklage zu erreichen. 41Die Klage hat keinen Erfolg. 42A. Die Klage ist zulässig. 43I. Die Klage entspricht den Anforderungen des § 82 Abs. 1 VwGO, insbesondere ist der Kläger hinreichend bezeichnet. 44Das Erfordernis der Bezeichnung des Klägers erstreckt sich grundsätzlich auch auf die Angabe der ladungsfähigen Anschrift, d.h. seiner Wohnanschrift, unter der er tatsächlich erreichbar ist. Im Falle einer insofern erfolgenden Änderung hat der Kläger diese mitzuteilen. Eine ladungsfähige Anschrift ist dann nicht erforderlich, wenn sich diese aus den von der Behörde gemäß § 99 VwGO vorzulegenden Akten ergibt, sonstwie bekannt ist oder sich auf andere Weise ohne Schwierigkeiten ermitteln lässt. 45Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. April 1999 ‑ 1 C 24/97 ‑, Rn. 28 ff., juris sowie Beschluss vom 14. Februar 2012 ‑ 9 B 79/11 ‑, Rn. 7, juris. 46Nach diesen Maßstäben liegt dem Gericht eine ladungsfähige Anschrift vor. Der Kläger hat eine konkrete und vollständige Anschrift angegeben sowie hierzu eine Bestätigung der Internationalen G. L. vorgelegt. Dem Gericht liegen zudem keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Kläger tatsächlich nicht an der von ihm angegebenen Anschrift überwiegend aufhält. 47II. Die gegen den Bescheid insgesamt gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Var. VwGO statthaft, 48vgl. im Einzelnen: BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 ‑ 1 C 32/14 ‑, Rn. 13 ff., juris; OVG NRW, Urteile vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑, Rn. 28 ff., juris und vom 16. September 2015 ‑ 13 A 800/15.A ‑, Rn. 22 ff. m. w. N., juris. 49Die isolierte Aufhebung dieser Regelungen führt auf die weitere Prüfung des Asylantrags des Klägers durch die Beklagte. Denn mit der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids wird das Verwaltungsverfahren in den Verfahrensstand zurückversetzt, in dem es vor Erlass der streitgegenständlichen Regelungen war. Das Bundesamt ist im Falle einer Aufhebung des Bescheides gemäß §§ 24, 31 AsylG gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren weiterzuführen. 50III. Mit dem Hilfsbegehren, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der Ziffern 2 bis 4 des streitgegenständlichen Bescheides zu verpflichten festzustellen, dass in der Person des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Polen vorliegt, ist die Klage als Hilfsantrag für den Fall, dass die Anfechtungsklage gegen Ziffer 1 des Bescheides abgewiesen wird, 51vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 ‑ 1 C 4.16 ‑, Rn. 20 a. E., juris und BVerwGE 157, 18, 52zulässig. 53B. Die Klage ist unbegründet. 54I. Die Klage ist mit dem Hauptantrag unbegründet. 55In dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) ist Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides des Bundesamtes nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 56Die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III‑VO), für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. 57Vorliegend ist Polen (und nicht die Beklagte) für die Prüfung des Asylantrages des Klägers zuständig. Denn die Zuständigkeit Polens ist nach Maßgabe der Vorschriften der Dublin III‑VO für das Aufnahmeverfahren begründet worden (1.), die Zuständigkeit ist nicht gemäß Art. 29 Abs. 1 oder 2 Dublin III‑VO auf die Beklagte übergegangen (2.) und die Beklagte ist nicht wegen systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Polen gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin III‑VO gehindert, den Kläger nach Polen zu überstellen (3.). 581. Die Zuständigkeit Polens ist nach Maßgabe der Vorschriften der Dublin III‑VO für das Aufnahmeverfahren begründet worden. Im Aufnahmeverfahren gemäß Art. 21, 22 Dublin III-VO wird der für die Prüfung des Antrages zuständige Staat grundsätzlich nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO bestimmt, 59EuGH, Urteil vom 2. April 2019, C‑582/17 und C‑583/17, Rn. 55 - 57, juris, 60wobei gemäß Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO grundsätzlich von der Situation auszugehen ist, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Vorliegend ist der zuständige Staat nach Art. 12 Abs. 4 Dublin III‑VO zu bestimmen, da vorrangig zu prüfende andere Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO (vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin III‑VO) nicht einschlägig sind. 61Nach Art. 12 Abs. 4 Dublin III‑VO ist Polen für die Prüfung des Asylantrages des Klägers zuständig. Die Anfrage des Bundesamtes im Visainformationssystem (VIS) hat ausweislich des Übermittlungsprotokolls vom 14. September 2018 ergeben, dass dem Kläger am 17. August 2018 von der polnischen Auslandsvertretung ein Schengen-Visum mit Gültigkeit vom 4. bis 13. September 2018 erteilt worden war. Nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz Dublin III‑VO ist in den Fällen, in denen der Antragsteller ein gültiges Visum besitzt, der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig, der das Visum erteilt hat. Dies gilt gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO auch, wenn das Visum, aufgrund dessen ein Antragsteller in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, bei Stellung des Asylantrages (vgl. Art. 7 Abs. 2 Dublin III‑VO) zwar nicht mehr gültig ist, aber seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat. So liegt der Fall hier. Die Gültigkeit des Visums, aufgrund dessen der Kläger in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen konnte, war bei Asylbeantragung (förmlicher Asylantrag am 19. September 2018) weniger als sechs Monate abgelaufen, und der Kläger hatte nach eigenem Vortrag das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen. 62Ferner erfolgte das Aufnahmegesuch des Bundesamtes an Polen vom 5. Oktober 2018 innerhalb der in Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO genannten Dreimonatsfrist ab Asylantragstellung. Polen nahm dieses Ersuchen mit Schreiben vom 18. Oktober 2018, welches am 19. Oktober 2018 beim Bundesamt einging, an. 632. Die Zuständigkeit ist nicht gemäß Art. 29 Abs. 1 oder 2 Dublin III‑VO von Polen auf die Beklagte übergegangen. Ein Zuständigkeitsübergang erfolgte weder gemäß Art. 29 Abs. 1, Satz 1, 1. Alt. Dublin III‑VO sechs Monate nach Annahme des Aufnahmegesuchs durch Polen, hier am 19. April 2019 (a), noch gemäß Art. 29 Abs. 1, Satz 1, 2. Alt. Dublin III‑VO sechs Monate nach der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung, hier am 8. Juli 2019 (b), noch gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III‑VO spätestens 18 Monate nach der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung, hier spätestens am 8. Juli 2020 (c). 64a) Ein Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte erfolgte nicht gemäß Art. 29 Abs. 1, Satz 1, 1. Alt. Dublin III‑VO sechs Monate nach Annahme des Aufnahmegesuchs durch Polen, hier am 19. April 2019. Denn die in dieser Vorschrift bestimmte Sechsmonatsfrist, deren Lauf mit der Annahme des Aufnahmegesuchs durch Polen am 19. Oktober 2018 begann, wurde durch die fristgerechte Stellung des Eilantrages des Klägers am 30. Oktober 2018 unterbrochen und begann erst mit der Bekanntgabe des ablehnenden Eilbeschlusses vom 7. Januar 2019 im Verfahren 22 L 3170/18.A am 8. Januar 2019 neu zu laufen. 65Vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2016 ‑ 1 C 15/15 ‑, Rn. 11, juris. 66Ungeachtet der Frage, ob dies rechtlich relevant ist, teilte die Beklagte die Einlegung des Rechtsbehelfs mit aufschiebender Wirkung den polnischen Behörden auch unverzüglich (vgl. Art. 9 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1560/2003) mit. 67b) Die Zuständigkeit für die Prüfung des Schutzgesuchs des Klägers ist auch nicht sechs Monate nach dem 8. Januar 2019 (Bekanntgabe des ablehnenden Eilbeschlusses vom 7. Januar 2019 im Verfahren 22 L 3170/18.A), also am 8. Juli 2019, gemäß Art. 29 Abs. 1, Satz 1, 2. Alt. Dublin III‑VO von Polen auf die Beklagte übergegangen. Denn die Überstellungsfrist ist noch vor Ablauf dieser sechs Monate gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III‑VO bis zum 7. Juli 2020 verlängert worden. 68Die Verlängerung wurde dadurch bewirkt, dass das Bundesamt am 29. März 2019 entschieden hat, eine Verlängerung der Frist auf 18 Monate vorzunehmen und mit Schreiben vom gleichen Tag der zuständigen polnischen Behörde mitgeteilt hat, dass wegen Flüchtigkeit des Klägers eine nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III‑VO verlängerte Frist bis zum 7. Juli 2020 gelte. 69Die für diese Verlängerung der Überstellungsfrist erforderlichen Voraussetzungen lagen vor. Denn der Kläger war im Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung flüchtig. 70Art. 29 Abs. 2 Satz 2 der Dublin III-VO ist dahin auszulegen, dass ein Antragsteller „flüchtig ist“ im Sinne dieser Bestimmung, wenn er sich den für die Durchführung seiner Überstellung zuständigen nationalen Behörden gezielt entzieht, um die Überstellung zu vereiteln. Dies kann angenommen werden, wenn die Überstellung nicht durchgeführt werden kann, weil der Antragsteller die ihm zugewiesene Wohnung verlassen hat, ohne die zuständigen nationalen Behörden über seine Abwesenheit zu informieren, sofern er über die ihm insoweit obliegenden Pflichten unterrichtet wurde, was das erkennende Gericht zu prüfen hat. Der Antragsteller behält die Möglichkeit nachzuweisen, dass er diesen Behörden seine Abwesenheit aus stichhaltigen Gründen nicht mitgeteilt hat, und nicht in der Absicht, sich den Behörden zu entziehen. 71Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019, Jawo, ‑ C-163/17 ‑, EU:C:2019:218, Rn. 70, juris; vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. August 2019 ‑ 11 A 2874/19.A ‑, Rn. 12 ff., m. w. N., NRWE. 72Nach diesen Maßstäben war der Kläger flüchtig. Es ist unstreitig, dass er sich seit dem 28. Januar 2019 nicht mehr in der ihm zugewiesenen Unterkunft in der Zentralen Unterbringungseinrichtung O. aufhielt, sondern sich nach L. (in ein Kirchenasyl) begeben hat. Es ist indes nicht hinreichend dargelegt, dass er die zuständigen nationalen Behörden über seine Abwesenheit pflichtgemäß informiert hat. Das Vorbringen des Klägers zu den Umständen einer eventuellen Mitteilung seiner Anschrift gegenüber dem Bundesamt oder der Ausländerbehörde nach dem Verlassen der ihm zugewiesenen Unterkunft am 28. Januar 2019 beschränkt sich darauf, auf das am 1. April 2019 bei Gericht vorgelegte Dokument zu verweisen, das einen Stempel mit dem Schriftzug „Internationale G. L. “ trägt, auf den 28. Januar 2019 datiert ist und die Mitteilung enthält, dass sich der Kläger seit diesem Tag im Kirchenasyl aufhalte. Diesem Vorbringen lässt sich kein Sachvortrag dazu entnehmen, dass und gegebenenfalls wann die Mitteilung an das im Adressfeld genannte Bundesamt abgesandt wurde. Auch fehlt jegliches Vorbringen dazu, dass der Kläger die zuständige Ausländerbehörde über den Wechsel seiner Anschrift informiert habe. Dies ergibt sich auch nicht aus den Akten. Auch dem Schriftverkehr zwischen der ZAB F1. und dem Bundesamt kann nur entnommen werden, dass die Behörden davon ausgegangen sind, dass sich der Kläger im Kirchenasyl befindet, ohne dass der Aufenthaltsort oder auch nur die Kirchenasyl gewährende Kirchengemeinde an irgendeiner Stelle aktenkundig gemacht worden wäre. 73Das dauerhafte Verlassen der zugewiesenen Unterkunft, ohne das Bundesamt oder die zuständige Ausländerbehörde über den Wechsel der Anschrift zu informieren, führte dazu, dass die Überstellung des Klägers bis zur Fristverlängerungsentscheidung nicht durchgeführt werden konnte. Denn die Ausländerbehörde hat den Kläger am 22. Februar 2019 als seit diesem Tag unbekannt verzogen abgemeldet. Bis zur Mitteilung des aktuellen Aufenthaltsorts des Klägers an das Bundesamt mit Schreiben vom 1. April 2019 war die Ausländerbehörde von vornherein gehindert, einen Termin zur Überstellung des Klägers nach Polen vorzubereiten. 74Der Kläger wurde durch das Dokument „Wichtige Mitteilungen nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG)“ des Bundesamtes, welches ausweislich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge dem streitgegenständlichen Bescheid angehängt war, auch über die ihm insoweit obliegenden Pflichten unterrichtet. 75Für die Verlängerung der Überstellungsfrist ist unerheblich, dass die Verlängerungsentscheidung des Bundesamtes vom 29. März 2019 nicht auf die zuvor dargelegten, die Flüchtigkeit des Klägers begründenden Umstände gestützt wurde, sondern Ausführungen zum Verfahren in Fällen des Kirchenasyls enthält. Denn es kommt für die Verlängerungsentscheidung allein darauf an, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür vorlagen. 76Die Verlängerungsentscheidung ist (innerstaatlich) eine – tatbestandlich gebundene – Verfahrensentscheidung, die (außerstaatlich) dem zuständigen, ersuchten Staat mitzuteilen ist, um einem Zuständigkeitsübergang durch Ablauf der Überstellungsfrist zu begegnen. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ist dahin auszulegen, dass es für eine Verlängerung der Überstellungsfrist höchstens auf 18 Monate genügt, dass der ersuchende Mitgliedstaat vor Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist den zuständigen Mitgliedstaat darüber informiert, dass die betreffende Person flüchtig ist, und zugleich die neue Überstellungsfrist benennt. 77Vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Dezember 2019 – 1 B 75/19 ‑, Rn. 9, juris mit Hinweis auf EuGH, Urteil vom 19. März 2019 ‑ C-163/17 ‑ EU:C:2019:218, Jawo, Rn. 75, juris. 78Der Schutzsuchende hat zwar einen subjektiv-öffentlichen Anspruch darauf, dass die objektive Zuständigkeitsordnung eingehalten und insbesondere ein durch das Fristenregime des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO bewirkter Zuständigkeitsübergang auch beachtet wird. Insbesondere ist Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO dahin auszulegen, dass im Rahmen eines gegen eine Überstellungsentscheidung gerichteten Verfahrens die betreffende Person sich auf Art. 29 Abs. 2 der Verordnung berufen und geltend machen kann, dass die sechsmonatige Überstellungsfrist abgelaufen sei, weil sie nicht flüchtig gewesen sei, 79vgl. BVerwG, Beschluss vom 2 Dezember 2019 – 1 B 75/19 ‑, Rn. 10, juris mit Hinweis auf EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 - EU:C:2019:218, Jawo, Rn. 70, juris. 80Der Umstand, dass das Bundesamt im Rahmen seines weiten Verfahrensermessens sowohl darüber zu befinden hat, ob die Verlängerungsmitteilung an den zuständigen Mitgliedstaat ergeht, als auch darüber, ob für die neue Überstellungsfrist die unionsrechtlich eröffnete Höchstfrist von achtzehn Monaten auszuschöpfen ist, macht diese Entscheidung jedoch nicht zu einer „Ermessensentscheidung“ im Sinne des § 40 VwVfG, die nach § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG zu begründen wäre. Lagen – wie hier – die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Verlängerungsmitteilung an den zuständigen Mitgliedstaat vor, ist eine Verlängerung auf bis zu achtzehn Monate unionsrechtlich vorgesehen und willkürfrei möglich. Der bei nationalem Begriffsverständnis auf eine Ermessensentscheidung deutende Begriff „kann“ in Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III‑VO weist bei der unionsweit gebotenen Betrachtung lediglich auf die Einräumung einer entsprechenden Ermächtigung (sog. „Kompetenz-Kann“). Weitere Einschränkungen ergeben sich weder aus Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO noch aus sonstigen einschlägigen Regelungen des Unionsrechts. 81Vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Dezember 2019 – 1 B 75/19 ‑, Rn. 13, juris m.w.N. und näherer Begründung. 82c) Schließlich ist die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages des Klägers auch nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III‑VO mit Ablauf der bis zum 7. Juli 2020 verlängerten Überstellungsfrist von Polen auf die Beklagte übergegangen. Denn die Überstellungsfrist ist vor diesem Zeitpunkt durch die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung mit Schreiben des Bundesamtes vom 15. April 2020 unterbrochen worden. 83aa) Die Überstellungsfrist beginnt in den Fällen, in denen ein Rechtsbehelf gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III‑VO aufschiebende Wirkung hat, erst mit der endgültigen Entscheidung über den Rechtsbehelf. Art. 27 Abs. 4 Dublin III‑VO lässt eine nationale Regelung für eine behördliche Aussetzung der Vollziehung zu. 84Diese unionsrechtlich vorgesehene Möglichkeit ist im nationalen Recht durch § 80 Abs. 4 VwGO eröffnet. 85Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2019 – 1 C 16/18 ‑, Rn. 19, juris und BVerwGE 164, 165. 86Nichts anderes folgt für die Unterbrechungswirkung daraus, dass Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO nicht auch auf Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO Bezug nimmt. Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO ist allein entscheidend, dass ein Rechtsbehelf im Sinne des Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat und daher eine Überstellung nicht durchgeführt werden kann. Die in Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO den Mitgliedstaaten eröffnete Möglichkeit, dass auch die zuständigen Behörden die Durchführung der Überstellungsentscheidung aussetzen können, erweitert lediglich die Fallgruppen, in denen einem Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO zukommt. Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO würde im Übrigen in weitem Maße seine praktische Wirksamkeit verlieren, wenn die Regelung nicht angewendet werden könnte, ohne dass die Gefahr bestünde, dass die Überstellungsfrist abläuft und ein Zuständigkeitsübergang die Folge wäre. 87Vgl. EuGH, Urteil vom 13. September 2017 ‑ C-60/16 ‑, Rn. 71, juris. 88Unionsrecht setzt in Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO eine behördliche Aussetzung der Vollziehung voraus, steht also § 80 Abs. 4 VwGO gerade nicht entgegen. Das Unionsrecht setzt aber der behördlichen Aussetzung der Vollziehung, für die das nationale Recht (§ 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO) der Behörde einen weiten Handlungsspielraum eröffnet, in Bezug auf die unionsrechtliche Rechtsfolge der Unterbrechung der Überstellungsfrist gewisse Grenzen (vgl. insbesondere Art. 27 und 28 Dublin III-VO). Diese Beschränkungen ergeben sich daraus, dass die behördliche Aussetzungsentscheidung den Antragsteller nicht nur begünstigt, indem aufenthaltsbeendende Maßnahmen auf der Grundlage der Abschiebungsanordnung zunächst nicht mehr erfolgen können, sondern mittelbar auch belastet, weil sie die Überstellungsfrist unterbricht und so dazu führen kann, dass ein vom Antragsteller möglicherweise erstrebter Zuständigkeitsübergang nicht erfolgt; zu berücksichtigen sind auch die Belange des zuständigen Mitgliedstaats. 89Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2019 - 1 C 16/18 ‑, Rn. 25, juris und BVerwGE 164, 165. 90Mindestvoraussetzung einer behördlichen Aussetzungsentscheidung nach § 80 Abs. 4 VwGO ist, dass der Antragsteller einen Rechtsbehelf gegen die Abschiebungsanordnung eingelegt hat (Art. 27 Abs. 4 und Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO). Weitere Grenzen folgen aus dem von Art. 27 Abs. 3 und 4 i. V .m. Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO angestrebten Ziel eines angemessenen Ausgleichs zwischen einerseits der Gewährung effektiven Rechtsschutzes und der Ermöglichung einer raschen Bestimmung des für die inhaltliche Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats (vgl. Erwägungsgrund 5 zur Dublin III-VO) und andererseits dem Ziel zu verhindern, dass sich Asylbewerber durch Weiterwanderung den für die Prüfung ihres Asylbegehrens zuständigen Mitgliedstaat aussuchen (Verhinderung von Sekundärmigration). 91Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2016 – 1 C 24/15 ‑ Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 82 Rn. 13. 92Der Zuständigkeitsübergang nach Ablauf der Überstellungsfrist soll verhindern, dass Asylanträge monate- oder gar jahrelang nicht geprüft werden. Zugleich soll das Ziel einer möglichst schnellen Prüfung nicht dazu führen, dass dem jeweiligen Mitgliedstaat keine zusammenhängende Überstellungsfrist von sechs Monaten zur Verfügung steht, in der nur noch die Überstellungsmodalitäten zu regeln sind, 93vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 ‑ C-19/08 ‑ Rn. 43 ff., juris, 94oder dass der Beschleunigungsgedanke zulasten eines effektiven Rechtsschutzes verwirklicht wird (vgl. Art. 27 Abs. 3 und 4 Dublin III-VO). 95Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2019 ‑ 1 C 16.18 ‑, Rn. 26, juris und BVerwGE 164, 165. 96Eine behördliche Aussetzungsentscheidung darf hiernach auch unionsrechtlich jedenfalls dann ergehen, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestehen, 97so bereits BVerwG, Urteil vom 9. August 2016 ‑ 1 C 6/16 ‑, Rn. 18, BVerwGE 156, 9; 98dann haben die Belange eines Antragstellers auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes offenkundig Vorrang vor dem Beschleunigungsgedanken. Die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes (s.a. Art. 46 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes) erlaubt eine behördliche Aussetzung aus sachlich vertretbaren Erwägungen, die nicht rechtlich zwingend sein müssen, auch unterhalb dieser Schwelle, wenn diese den Beschleunigungsgedanken und die Interessen des zuständigen Mitgliedstaats nicht willkürlich verkennen und auch sonst nicht missbräuchlich sind. 99Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2019 ‑ 1 C 16/18 ‑, Rn. 27, juris und BVerwGE 164, 165. 100bb) Die Aussetzungsentscheidung des Bundesamtes vom 15. April 2020 hat nach diesen Grundsätzen die Überstellungsfrist (neuerlich) unterbrochen. 101(1) Das unionsrechtliche Mindesterfordernis, dass der Kläger einen Rechtsbehelf im Sinne des Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO eingelegt hat, ist mit der vorliegenden Klage, die sich auch gegen die Abschiebungsanordnung richtet, erfüllt. 102Dieses Klageverfahren ist tauglicher Rechtsbehelf im Sinne dieser Vorschrift. Dass die beiden bei Gericht gestellten Anträge des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfolglos geblieben sind, ist insofern unbeachtlich. Unionsrecht verbietet es den Mitgliedstaaten jedenfalls nicht, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen oder Überstellungsmaßnahmen auch dann abzusehen, wenn zwar eine erste gerichtliche Überprüfung der Überstellungsentscheidung nicht zur Gewährung aufschiebender Wirkung geführt hat, über den Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung aber noch nicht endgültig entschieden ist. 103Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2019 ‑ 1 C 16/18 ‑, Rn. 29, juris und BVerwGE 164, 165. 104Dem steht auch eine Rechtskraftwirkung der ablehnenden Eilbeschlüsse nicht entgegen, da sich diese von vornherein nicht auf Umstände bezieht, die – wie hier etwaige Überstellungshindernisse infolge der COVID-19-Pandemie – erst nach deren Ergehen eingetreten sind. 105(2) Die Aussetzungsentscheidung verkennt auch nicht den Beschleunigungsgedanken und die Interessen des zuständigen Mitgliedstaats oder ist aus sonstigen Gründen missbräuchlich. Vielmehr ist sie durch tatsächlich vorliegende, der Überstellung des Klägers nach Polen entgegenstehende Hindernisse sachlich gerechtfertigt und frei von Willkür. 106Es lag zum Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung eine Schwebesituationen unklarer oder umstrittener Rechts- und Tatsachenlage vor, 107vgl. hierzu: Berlit, jurisPR-BVerwG 5/2019 Anm. 4 Buchst. D, 108die dem Bundesamt die rechtliche Möglichkeit eröffnete, hierauf mit einer Aussetzung der Vollziehung adäquat zu reagieren. Die Erklärungen der polnischen Behörden vom 12. März 2020 und vom 26. März 2020 lassen es zweifelhaft erscheinen, ob im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG feststand, dass die Abschiebung des Klägers nach Polen hätte durchgeführt werden können. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) können die Mitgliedstaaten eine zusammenhängende Frist von sechs Monaten für die Regelung der Überstellungsmodalitäten und die Bewerkstelligung der Überstellung beanspruchen. An dieser fehlt es auch in Fällen, in denen eine Überstellung – wie hier – lediglich zeitweise ausgeschlossen war. 109Die Aussetzung der Vollziehung diente vorliegend erkennbar nicht (nur) dazu, auf außerhalb des konkreten Sachverhalts und des konkreten Verfahrens liegende Entwicklungen (wie das Auftreten einer Pandemie und damit zusammenhängender rechtlicher oder auch nur tatsächlicher Überstellungshindernisse) zu reagieren, 110so angenommen von VG München, Urteil vom 7. Juli 2020 ‑ M 2 K 19.51274 ‑, Rn. 17, juris. 111Vielmehr lag mit den Mitteilungen der polnischen Behörden vom 12. März 2020 und vom 26. März 2020 eine konkrete, auf den Sachverhalt im vorliegenden Verfahren bezogene Entwicklung vor, die die tatsächliche Möglichkeit der Überstellung des Klägers nach Polen in Zweifel zog. Dass die Entwicklung zugleich auch eine Vielzahl anderer Verfahren betraf, ist insoweit ohne Belang. Das Fristenregime der Dublin III‑VO beansprucht uneingeschränkte Gültigkeit, auch wenn es auf eine (unerwartet) hohe Zahl von Einzelfällen anzuwenden ist. 112(3) Die von der Europäischen Kommission aus Anlass der COVID-19-Pandemie veröffentlichten Hinweise zur Umsetzung der einschlägigen EU-Bestimmungen im Bereich der Asyl- und Rückführungsverfahren und zur Neuansiedlung vom 17. April 2020, 2020/C 126/12, S. 5., 113abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020XC0417(07)&from=EN, 114stehen der Annahme nicht entgegen, dass im jeweiligen konkreten Verfahren ein Hindernis bei der Durchführung der Überstellung infolge dieser Pandemie vorliegen kann. Dort heißt es: 115„Wird die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nicht innerhalb der geltenden Frist durchgeführt, so geht die Zuständigkeit nach Artikel 29 Absatz 2 der Dublin-Verordnung auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Keine Bestimmung der Verordnung erlaubt es, in einer Situation wie der, die sich aus der COVID-19-Pandemie ergibt, von dieser Regel abzuweichen.“ 116Damit wird bekräftigt, dass die sich aus der COVID-19-Pandemie ergebende Situation als solche keine Abweichung vom Fristenregime der Dublin III‑VO rechtfertigt. Dem schließt sich die Kammer uneingeschränkt an. Das Fristenregime der Dublin III‑VO ist uneingeschränkt zu beachten. Die durch die Pandemie ausgelösten Umstände vermögen keine hiervon abweichende Handhabung zu rechtfertigen. 117(4) Dass die Aussetzungsentscheidung einem Umstand Rechnung trägt, der die Überstellung des Klägers nach Polen voraussichtlich nur vorübergehend unmöglich macht, führt nicht dazu, dass ein Eingriff in den für das Dublin-System zentralen Beschleunigungsgedanken (vgl. Erwägungsgrund 5 Satz 2 der Dublin III‑VO) und die Interessen des Asylantragstellers vorliegt, der nicht durch eine tragfähige Rechtschutzerwägung gerechtfertigt werden könnte, 118so aber: VG Aachen, Urteil vom 10. Juni 2020 ‑ 9 K 2584/19.A ‑, Rn. 61, juris und Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 15. Mai 2020 ‑ 10 A 596/19 ‑, Rn. 23, juris; wie hier hingegen: VG Osnabrück, Beschluss vom 12. Mai 2020 ‑ 5 B 95/20 ‑, Rn. 16, juris. 119Bei der Unterbrechung der Überstellungsfrist handelt es sich (unabhängig davon, ob sie von der Beklagten „beabsichtigt“ ist, 120darauf abstellend: VG Aachen, Urteil vom 10. Juni 2020 ‑ 9 K 2584/19.A ‑, Rn. 61, juris), 121um eine mit der Aussetzungsentscheidung untrennbar verknüpfte Folge und führt dazu, dass ein zum Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung noch nicht eingetretener, lediglich in der Zukunft zu einem bestimmten Zeitpunkt erwarteter Zuständigkeitsübergang auf den ersuchenden Staat hinausgeschoben wird. Das Interesse des Asylantragstellers an dem für die Zukunft erwarteten Zuständigkeitsübergang ist jedoch nicht als solches rechtlich geschützt. Der Asylantragsteller hat insoweit lediglich das aus Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 20 EU-GRCh folgende Recht auf Gleichbehandlung und willkürfreies hoheitliches Handeln. Ein Verstoß hiergegen läge vor, wenn die Behörde eine Unterbrechung der Überstellungsfrist ohne sachlichen Grund herbeiführt, etwa um zu verhindern, dass diese aufgrund behördlicher Versäumnisse ansonsten nicht (mehr) gewahrt werden könnte. 122Ein rechtlich geschütztes Interesse des Asylantragstellers an dem für die Zukunft erwarteten Zuständigkeitsübergang (gleichsam ein „Anwartschaftsrecht“ auf Ablauf der Überstellungsfrist) folgt insbesondere nicht aus dem Beschleunigungsgebot. Hat der Antragsteller der Rechtmäßigkeit der Überstellungsentscheidung keine anderen Gründe entgegenzusetzen als den (erst für die Zukunft) erwarteten Übergang der Zuständigkeit infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist, so ist es ihm zuzumuten, eine Beschleunigung in der Weise herbeizuführen, dass er keinen Rechtsbehelf einlegt, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet werden könnte, oder den Rechtsbehelf, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet wurde, zurückzunimmt. In solchen Fällen läuft die Überstellungsfrist und kann nicht durch eine behördliche Aussetzung der Vollziehung unterbrochen werden. Zugleich muss der Antragsteller aber auch mit der Durchführung der Überstellung rechnen. Setzt der Antragsteller der Überstellungsentscheidung indes (auch) andere Gründe entgegen, so wird die Effektivität seines Rechtsschutzes durch die Aussetzung der Vollziehung verbessert, indem es ihm gestattet wird, sich während der gerichtlichen Überprüfung der Überstellungsentscheidung im betreffenden Mitgliedstaat weiter aufzuhalten. 123Dem entspricht es, dass das von der Dublin III-VO anerkannte Instrument der Aussetzung der Vollziehung keine Maximaldauer des Überstellungsverfahrens vorgibt. 124Vgl. VGH BW, Urteil vom 29. Juli 2019 ‑ A 4 S 749/19 ‑, Rn. 124, juris. 125Die Dublin-Fristen entfalten nach der Rechtsprechung des EuGH Individualschutz vor allem „im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Dublin-Systems“ und „den Schutz der Antragsteller“; denn ihr Asylbegehren soll möglichst rasch durch den zuständigen Staat geprüft werden. 126VGH BW, Urteil vom 29. Juli 2019 ‑ A 4 S 749/19 ‑, Rn. 124, juris mit Hinweis auf EuGH, Urteil vom 7. Juni 2016, Ghezelbash, ‑ C-63/15 ‑, Rn. 52, juris. 127Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass ein Antragsteller insoweit grundsätzlich nicht schutzwürdig ist, wenn er, etwa durch Flüchtigkeit oder vergleichbare Verhaltensweisen, den Effet-utile der Dublin III-VO bewusst und gewollt unterläuft, um den fruchtlosen Ablauf der - gerade zu seinem Schutz einzuhaltenden - Fristen herbeizuführen, und damit zu verhindern, dass sein Asylbegehren durch den nach den übrigen Vorgaben bis dahin zuständigen Staat geprüft wird. Nach der Rechtsprechung des EuGH zum Missbrauchsverbot kann sich niemand auf unionsrechtliche Vorteile berufen, wenn in der Absicht gehandelt wird, „sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden“. 128Vgl. VGH BW, Urteil vom 29. Juli 2019 ‑ A 4 S 749/19 ‑, Rn. 124, juris mit Hinweis auf EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke, ‑ C-110/99 ‑, Rn. 52 f. 129(5) Die behördliche Aussetzungsentscheidung vom 15. April 2020 ist auch nicht deshalb als unionsrechtswidrig und damit für den Lauf der Überstellungsfrist unbeachtlich einzustufen, weil im Wortlaut des Art. 27 Abs. 4 Dublin III‑VO lediglich eine Aussetzung „bis zum Abschluss“ des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung erwähnt ist, nicht jedoch eine Aussetzung, die womöglich vor Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung endet – wie hier die vom Bundesamt ausgesprochene Aussetzung „bis auf Weiteres“ und „unter Vorbehalt des Widerrufs“, 130ebenso: VG Osnabrück, Beschluss vom 12. Mai 2020 ‑ 5 B 95/20 ‑, Rn. 15, juris; a.A. VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Mai 2020 ‑ 15 L 776/20.A ‑, Rn. 14, juris; VG Aachen, Urteil vom 10. Juni 2020 ‑ 9 K 2584/19.A ‑, Rn. 39, juris; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 15. Mai 2020 ‑ 10 A 596/19 ‑, Rn. 20, juris. 131Denn Art. 27 Abs. 4 Dublin III‑VO ist als Öffnungsklausel zu verstehen, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, den Regelungsbereich innerhalb des definierten äußeren Rahmens durch nationales Recht zu gestalten. Ein Grund dafür, dass diese Vorschrift vorgeben sollte, dass das nationale Recht, sofern es denn überhaupt eine behördliche Aussetzungsbefugnis vorsieht, nur eine solche bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung vorsehen darf, ist nicht ersichtlich. Es würde auch dem Beschleunigungsgebot widersprechen, dass die Aussetzung zwingend bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs fortzudauern hätte, obwohl mittlerweile die Gründe für die Aussetzung entfallen sein mögen. 132Die Aussetzungsentscheidung des Bundesamtes dient dazu, dem Kläger effektiven Rechtsschutz zu gewähren, auch wenn sie – wie hier – nur „bis auf Weiteres“ und unter „Vorbehalt des Widerrufs“ erfolgt, 133a.A. VG Aachen, Urteil vom 10. Juni 2020 ‑ 9 K 2584/19.A ‑, Rn. 58, juris; Schleswig-Holsteinisches VG, Urteil vom 15. Mai 2020 ‑ 10 A 596/19 ‑, Rn. 20, juris und Gerichtsbescheid vom 18. Mai 2020 ‑ 5 A 255/19 ‑, Rn. 19, juris. 134Denn die Effektivität des Rechtsschutzes wird schon dadurch erhöht, dass dem jeweiligen Kläger der Verbleib im ersuchenden Staat auch nur vorübergehend während der Anhängigkeit seines Rechtsbehelfs gestattet wird. 135(6) Schließlich steht der Annahme, dass die Aussetzungsentscheidung des Bundesamtes vom 15. April 2020 die Überstellungsfrist unterbrochen hat, auch nicht entgegen, dass sie ausschließlich wegen tatsächlicher Hindernisse beim Vollzug der Überstellung ausgesprochen wurde und gerade nicht wegen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides. Die Kammer folgt der Rechtsprechung, die eine Unterbrechung der Überstellungsfrist durch eine gerichtliche oder behördliche Aussetzungsentscheidung nur dann annimmt, wenn diese wegen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der asylrechtlichen Unzulässigkeitsentscheidung ergeht, 136vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Februar 2019 ‑ 15 K 15396/17.A ‑, Rn. 28 ff., juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Mai 2020 ‑ 15 L 776/20.A ‑, Rn. 18, juris, 137nicht. 138Diese Differenzierung lässt sich insbesondere nicht dem Urteil des EuGH vom 16. Februar 2017, 139C.K., H.F. und A.S. / Slowenien, ‑ C-578/16 PPU ‑, juris, 140entnehmen. Zum einen lag der Entscheidung ein Vorlagefall zugrunde, in dem vor allem die Zuständigkeitsfrage (Verpflichtung zum Selbsteintritt) gerichtlich im Streit stand. Zum anderen geht auch der EuGH davon aus, dass der ersuchende Mitgliedstaat in einem solchen Fall die Durchführung seiner Überstellung auszusetzen und den zuständigen Mitgliedstaat über die dadurch eingetretene Verzögerung zu unterrichten habe, 141EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017, C.K., H.F. und A.S. / Slowenien, ‑ C-578/16 PPU ‑, Rn. 85 ff., juris. 142Dem Hinweis, dass im Falle des Ablaufs der Überstellungsfrist die Zuständigkeit auf den ersuchenden Staat übergeht, 143EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017, C.K., H.F. und A.S. / Slowenien, ‑ C-578/16 PPU ‑, Rn. 89, juris, 144lässt sich vor diesem Hintergrund keine Aussage des Inhalts entnehmen, dass die Überstellungsfrist selbst im Falle einer Aussetzung der Vollziehung und Mitteilung an den zuständigen Mitgliedstaat ohne Unterbrechung weiter läuft. Vielmehr dürfte es sich um einen allgemeinen Hinweis auf die Wirkungen des Ablaufs der Überstellungsfrist handeln, der auch für den Fall gilt, dass der Lauf der Überstellungsfrist durch eine etwaige Aussetzung der Vollziehung unterbrochen wurde und nach Wegfall der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs (neu) beginnt. Schließlich spricht der Hinweis auf die Möglichkeit des Selbsteintritts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO, wenn „bei einer langfristigen Aussetzung des Verfahrens“ die Gefahr der Verschlechterung des Zustands des Asylantragstellers bestünde, 145EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017, C.K., H.F. und A.S. / Slowenien, ‑ C-578/16 PPU ‑, Rn. 88 und 96 letzter Spiegelstrich, juris, 146gegen die Annahme, dass die Überstellungsfrist durch eine etwaige Aussetzung der Vollziehung nicht unterbrochen würde. Denn für einen Selbsteintritt wäre kein Anlass mehr, wenn in einer solchen Konstellation die Überstellungsfrist gerade unabhängig von der Aussetzung der Vollziehung weiterlaufen würde. Der Zuständigkeitsübergang auf den ersuchenden Staat würde in absehbarer Zeit auch ohne Ausübung des Selbsteintritts eintreten. 147Es kann dahinstehen, ob es sich bei der Überstellungsentscheidung im Sinne des Art. 26 Abs. 1 Dublin III‑VO (ausschließlich) um die Unzulässigkeitsentscheidung im Hinblick auf die Zuständigkeit eines anderen Staates handelt und der Vollzug der Überstellung einschließlich der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG hiervon unionsrechtlich zu trennen ist, 148so VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Februar 2019 ‑ 15 K 15396/17.A ‑, Rn. 28 ff., juris. 149Denn beide Regelungen werden durch Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III‑VO in Bezug auf die Rechtsfolgen einer nicht fristgerechten Überstellung miteinander verknüpft. Nach Maßgabe des Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin III‑VO soll die Überstellung erfolgen, sobald dies praktisch möglich ist. Die Bestimmung des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG dient lediglich der Umsetzung dieser Vorgabe im nationalen Recht. Eine Auslegung der Dublin III‑VO, die dazu führen würde, dass die Frist für die Durchführung der Überstellung trotz Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung ab der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat zu berechnen wäre, liefe dieser unionsrechtlichen Verknüpfung zuwider. Sie würde Art. 27 Abs. 3 und 4 Dublin III‑VO in der Praxis in weitem Maße ihre praktische Wirksamkeit nehmen, da die Aussetzung nicht angewandt werden könnte, ohne dass die Gefahr bestünde, dass sie die Durchführung der Überstellung innerhalb der von der Dublin-III-Verordnung vorgegebenen Fristen behindert. 150Vgl. zu Art. 27 Abs. 4 Dublin III‑VO: EuGH, Urteil vom 13. September 2017 ‑ C-60/16 ‑, Rn. 71, juris. 1513. Eine Zuständigkeit der Beklagten – anstelle Polens – ergibt sich schließlich auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO. Denn die Beklagte ist nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO gehindert, den Kläger nach Polen zu überstellen. Nach dieser Vorschrift steht es der Überstellung eines Antragstellers in den zunächst als zuständig bestimmten Staat entgegen, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK mit sich bringen. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des EuGH, 152EuGH, Urteile vom 19. März 2019, Jawo, ‑ C-163/17 ‑, EU:C:2019:218, Rn. 87, juris und vom 21. Dezember 2011 ‑ C-411/10 et al. ‑, Rn. 83 ff., 99; juris; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 ‑ 30696/09 ‑, NVwZ 2011, 413, 153der Fall wäre, liegen hier nicht vor. 154Zwar bezieht sich Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-Verordnung nur auf die Situation, in der sich die tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GRCh aus systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Personen, die internationalen Schutz beantragen, in dem Mitgliedstaat ergibt, der nach dieser Verordnung als für die Prüfung des Antrags zuständig bestimmt ist. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sowie aus dem allgemeinen und absoluten Charakter des Verbots in Art. 4 EU-GRCh geht jedoch hervor, dass die Überstellung eines Antragstellers in diesen Mitgliedstaat in all jenen Situationen ausgeschlossen ist, in denen ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antragsteller bei seiner Überstellung oder infolge seiner Überstellung eine solche Gefahr laufen wird. 155Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019, Jawo, ‑ C-163/17 ‑, EU:C:2019:218, Rn. 87, juris. 156Dabei ist für die Anwendung von Art. 4 EU-GRCh gleichgültig, ob es zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss, das heißt im Falle der Gewährung internationalen Schutzes, dazu kommt, dass die betreffende Person aufgrund ihrer Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin III‑Verordnung einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren. 157Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019, Jawo, ‑ C-163/17 ‑, EU:C:2019:218, Rn. 88, 76, juris. 158Insoweit ist das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung befasste Gericht in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die die betreffende Person zum Nachweis des Vorliegens eines solchen Risikos vorgelegt hat, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen. 159Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019, Jawo, ‑ C-163/17 ‑, EU:C:2019:218, Rn. 90, juris, unter Bezugnahme auf Urteil vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru, ‑ C‑404/15 und C‑659/15 PPU ‑, EU:C:2016:198, Rn. 89. 160Schwachstellen fallen nur dann unter Art. 4 EU-GRCh, der Art. 3 EMRK entspricht und nach Art. 52 Abs. 3 EU-GRCh die gleiche Bedeutung und Tragweite hat, wie sie ihm in der EMRK verliehen wird, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt. 161Vgl. EGMR, 21. Januar 2011, M.S.S./Belgien und Griechenland, CE:ECHR:2011:0121JUD003069609, § 254. 162Denn im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und insbesondere der Dublin III-VO, die auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens beruht und durch eine Rationalisierung der Anträge auf internationalen Schutz deren Bearbeitung im Interesse sowohl der Antragsteller als auch der teilnehmenden Staaten beschleunigen soll, gilt die Vermutung, dass die Behandlung dieser Antragsteller in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-GRCh, der GFK und der EMRK steht. 163Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, N. S. u. a., ‑ C-411/10 und C-493/10 ‑, EU:C:2011:865, Rn. 78 bis 80, juris. 164Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist daher selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann. 165Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019, Jawo, ‑ C-163/17 ‑, EU:C:2019:218, Rn. 89 ff., juris unter Bezugnahme auf EGMR, 21. Januar 2011, M.S.S./Belgien und Griechenland, CE:ECHR:2011:0121JUD003069609, §§ 252 bis 263. 166Unter Anwendung dieser Maßstäbe fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Polen mit systemischen Mängeln behaftet wären, die eine beachtliche Gefahr einer dem Kläger drohenden unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss nach sich ziehen könnten. 167Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich aus den dem Gericht vorliegenden aktuellen Erkenntnismaterial nicht, 168ebenso in der jüngeren Rspr.: VG Regensburg, Beschluss vom 5. Februar 2020 ‑ RO 12 S 20.50020 ‑, Rn. 48, juris; VG Würzburg, Beschluss vom 3. Januar 2020 ‑ W 8 S 19.50825 ‑, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 25. Juli 2019 ‑ 12 K 8342/18.A ‑, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 21. Mai 2019 ‑ Au 6 S 19.50444 ‑, juris. 169Auch im Hinblick auf Gesundheitsgefahren, die sich durch die Gefahr einer Ansteckung des Klägers mit dem COVID-19 auslösenden Virus im Falle ihrer Überstellung nach Polen oder infolge einer Überlastung des dortigen Gesundheitssystems wegen einer Vielzahl von COVID-19-Erkrankungen ergeben könnten, fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass der Kläger mit erheblicher Wahrscheinlichkeit in Polen eine seine physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigende Behandlung erwartet. Eine erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung des Klägers mit diesem Virus im Falle ihrer Überstellung nach Polen oder eine Überlastung des dortigen Gesundheitssystems lässt sich nicht feststellen. Nach der Veröffentlichung des European Centre for Disease Prevention and Control, die zu den dem Kläger mitgeteilten Erkenntnismitteln des Gerichts zählt, 170COVID-19 situation update for the EU/EEA and the UK, as of 12. July 2020. Datum der Veröffentlichung: 13.07.2020, abgerufen am 13. Juli 2020 unter: https://www.ecdc.europa.eu/en/cases-2019-ncov-eueea, 171waren in den 14 Tagen vor dem 12. Juli 2020 in Polen pro 100.000 Einwohnern insgesamt 10,0 COVID-19-Fälle sowie insgesamt 0,4 COVID-19-Sterbefälle gemeldet worden. Zugunsten des Klägers wird berücksichtigt, dass sich diese Gesamtzahl der gemeldeten COVID-19-Fälle in den letzten 14 Tagen pro 100.000 Einwohnern zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts auf 11,1 erhöht hat (bei einem nahezu unveränderten Wert von 0,3 Sterbefällen), 172vgl. European Centre for Disease Prevention and Control: COVID-19 situation update for the EU/EEA and the UK, as of 21. July 2020. Datum der Veröffentlichung: 21.07.2020. https://www.ecdc.europa.eu/en/cases-2019-ncov-eueea. 173Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine wesentliche Änderung, die eine andere Bewertung im Hinblick auf die Gefahr einer Ansteckung oder einer Überlastung des Gesundheitssystems rechtfertigen könnte. 174Das Auswärtige Amt spricht derzeit vor dem Hintergrund, dass Polen nach den veröffentlichten Zahlen von COVID-19 weniger stark betroffen sei, auch keine Reisewarnung nach Polen aus, 175vgl. Auswärtiges Amt: Polen: Reise- und Sicherheitshinweise. Datum der Veröffentlichung: 13.07.2020. abrufbar unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/polen-node/polensicherheit/199124. 176II. Da die Klage mit dem Hauptantrag gegen die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides keinen Erfolg hat, ist über den für diesen Fall gestellten Hilfsantrag zu entscheiden. 177Der Hilfsantrag ist unbegründet. 1781. Die Beklagte kann nicht zu der mit dem Hilfsantrag begehrten Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG verpflichtet werden, da der Kläger keinen Anspruch auf diese Feststellung hat und durch deren Versagung nicht in seinen Rechten verletzt wird, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. 179Es liegen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass in der Person des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Polen vorliegt. 180Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Im vorliegenden Fall ergibt sich in Bezug auf Griechenland kein Abschiebungsverbot aus den insoweit allein in Betracht kommenden Schutzwirkungen des Art. 3 EMRK. 181Art. 3 EMRK bestimmt, dass niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Hieraus folgen neben Unterlassungs- auch staatliche Schutzpflichten. Unter Zugrundelegung des Maßstabs des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte muss die Verletzung von Art. 3 EMRK mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen („real risk“). Dies hängt von den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls ab, wie etwa der Art und dem Kontext der Fehlbehandlung, der Dauer, den körperlichen und geistigen Auswirkungen, sowie – in einigen Fällen – vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers. 182Vgl. ständige Rechtsprechung des EGMR, Urteil vom 4. November 2014 ‑ 29217/12 ‑, Tarakhel/Switzerland -, Rn. 93 f., m. w. N.; zum Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit: BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 ‑ 10 C 5.09 ‑, Rn. 22, juris. 183Bezugspunkt dieser Prüfung ist grundsätzlich der gesamte Abschiebungszielstaat und zunächst der Ort, an dem die Abschiebung endet. 184Vgl. EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 - 8319/07, 11449/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich - Rn. 65, 301, 309; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 ‑ 10 C 15.12 ‑, Rn. 26, juris. 185Nach diesen Maßstäben liegen keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass der Kläger im Falle einer Abschiebung nach Polen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen würde, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen in Bezug auf die Gewährleistungen aus Art. 4 EU-GRCh, welche mit Art. 3 EMRK deckungsgleich sind (vgl. Art. 52 Abs. 3 EU-GRCh), verwiesen. 186Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Nach der Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Anhaltspunkte hierfür sind weder vorgetragen noch ersichtlich. 1872. Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des Bescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 188Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. 189Polen ist – wie zuvor ausgeführt – für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig. Es steht auch im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Insbesondere stehen der Abschiebung des Klägers weder zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote noch inlandsbezogene Vollzugshindernisse entgegen. 190Polen ist ausweislich der unwidersprochenen Mitteilung der Beklagten seit dem 13. Juli 2020 wieder bereit, Asylantragsteller im Wege der Überstellung auf der Grundlage der Dublin III‑VO aufzunehmen. 191Sonstige Vollzugshindernisse sind weder dargelegt noch im Übrigen ersichtlich. 1923. Die auf § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG in der Fassung des Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015, BGBl. I 1386 (AufenthG a.F.) gestützte Regelung eines auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) findet diese Regelung als Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots ihre Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG. 193Die Zuständigkeit des Bundesamtes ergibt sich aus § 75 Nr. 12 AufenthG. 194Es ist nach Maßgabe der heranzuziehenden aktuell gültigen Fassung des § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG unschädlich, dass das Bundesamt den Ausspruch und die Ermessensausübung an § 11 AufenthG a.F. orientiert. Denn durch die Neufassung des § 11 AufenthG haben sich die für die behördliche Anordnung und Fristbestimmung zu berücksichtigenden Umstände nicht geändert. Der Gesetzgeber hat lediglich klarstellend die bisherige Rechtslage an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes unionsrechtskonform als behördliche Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes zu verstehen ist, 195vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 ‑ 1 VR 3/17 ‑, Rn. 70 ff., juris, 196angepasst. 197Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. April 2020 ‑ 2 L 30/20 ‑, Rn. 17 m.w.N., juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 22. August 2019 ‑ A 19 K 1718/17 ‑, Rn. 38, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 25. November 2019 ‑ 27 K 1769/18.A ‑ Rn. 33 - 36, juris. 198Die Ermessensentscheidung des Bundesamtes begegnet auch im Übrigen keinen Bedenken. Diese ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich nur darauf, ob die Behörde das Ermessen in seiner Reichweite erkannt, ihre Erwägungen am Zweck der Ermessensermächtigung ausgerichtet und die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten hat, § 114 Satz 1 VwGO, § 40 VwVfG. Mit einer Befristung auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung hat das Bundesamt die Reichweite seines Ermessens nicht überschritten. Aus der Begründung ist zudem erkennbar, dass es seine Erwägungen am Zweck der Ermessensermächtigung ausgerichtet hat, indem es das öffentliche Interesse an dem Verbot einer kurzfristigen Wiedereinreise des Klägers mit dessen Interesse an einer erneuten Einreise in das Bundesgebiet abgewogen hat. Dabei hat es mit Hinweis darauf, dass besondere schutzwürdige Interessen des Klägers an einer kurzfristigen Wiedereinreise nicht ersichtlich sind, das öffentliche Interesse in nicht zu beanstandender Weise entsprechend seiner ständigen Verwaltungspraxis für vergleichbare Fälle gewichtet. 199Vgl. zur Überprüfung der Ermessensentscheidung nach § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG auch: OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2017 ‑ 11 A 52/17.A ‑, Rn. 110, juris. 200Schließlich ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das Bundesamt diese Abwägung auf der Grundlage eines falschen Sachverhalts vorgenommen hätte oder sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt nachträglich in einer Weise verändert hätte, die eine Ergänzung der Ermessensausübung erfordern würde. Entsprechendes wird von dem Kläger auch nicht vorgetragen. 201Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, §§ 83b, 83c AsylG. 202Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. 203Die Revision wird nach § 134 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO unter Übergehung der Berufungsinstanz als Sprungrevision zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Insbesondere die aufgeworfene Frage der Unterbrechung der Überstellungsfrist bei behördlicher Aussetzung der Vollziehung der Überstellungsentscheidung ist bislang nur für den Fall einer verfassungsrechtlichen Überprüfung der Überstellungsentscheidung höchstrichterlich geklärt, nicht jedoch für Fallkonstellationen der vorliegenden Art. Diese Frage betrifft eine Vielzahl von Fällen. 204Rechtsmittelbelehrung: 205Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu. Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich einzulegen. 206Die Revision kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt werden. 207Die Revisionsfrist ist auch gewahrt, wenn die Revision innerhalb der Frist bei dem Bundesverwaltungsgericht (Simsonplatz 1, 04107 Leipzig) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV eingelegt wird. 208Die Revision muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 209Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht (Simsonplatz 1, 04107 Leipzig) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. 210Im Revisionsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 und 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 211Die Revision und die Revisionsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens, für das gerichtskosten nicht erhoben werden. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar.der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des auf grund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. die revision gegen dieses urteil wird unter übergehung der berufungsinstanz zugelassen. 1 | 2der kläger ist am 00.00.1986 geboren und iranischer staatsangehöriger. er ist nach eigenen angaben verheiratet mit frau c. d. , die unter dem aktenzeichen 22 k 8760/18.a ein asylrechtliches klageverfahren beim verwaltungsgericht düsseldorf betreibt. 3seinen angaben zufolge reiste der kläger zusammen mit frau d. am 6. september 2018 in die bundesrepublik ein. beide stellten am 19. september 2018 beim bundesamt für migration und flüchtlinge (nachfolgend: bundesamt) förmliche asylanträge. der asylantrag von frau d. wird vom bundesamt unter dem geschäftszeichen 0000000‑439 geführt. 4bereits am 14. september 2018 war der kläger in deutschland erkennungsdienstlich behandelt worden. die in diesem zusammenhang durchgeführte eurodac-abfrage am 14. september 2018 ergab bezüglich des klägers keinen treffer. jedoch zeigte der am gleichen tag durchgeführte abgleich mit dem visainformationssystem (vis), dass dem kläger am 17. august 2018 durch das polnische konsulat in teheran ein schengen-visum mit gültigkeit vom 4. september 2018 bis zum 13. september 2018 erteilt worden war. 5bei seiner anhörung durch das bundesamt am 19. september 2018 gab der kläger an: er habe von der polnischen botschaft in teheran ein visum erhalten mit gültigkeit bis zum 13. september 2018. am 4. september 2018 habe er den iran verlassen und sei mit einem zwischenstopp am flughafen dubai auf dem luftweg nach polen eingereist; dort habe er sich zwei tage aufgehalten und sei am 6. september 2018 von dort aus nach deutschland eingereist. bei seiner weiteren anhörung durch das bundesamt am 4. oktober 2018 trug der kläger im wesentlichen vor: es stimme, dass ihm ein schengen-visum ausgestellt worden sei. seine frau und er hätten damit legal nach europa reisen wollen. zweck sei primär ihre flitterwochen gewesen. auch habe er seinen onkel in l. und seine schwester (in f. ) wiedersehen wollen. es sei besser, in deutschland zu sein, weil er hier verwandte habe. er denke, er könne sich hier besser in die gesellschaft integrieren. so habe ihm, wenn er in polen englisch gesprochen habe, niemand geantwortet. gesundheitliche beschwerden habe er keine. er sei im mai 2013 wegen eines gendefekts am auge operiert worden, das sei aber heute kein besonderes problem. 6das bundesamt richtete am 5. oktober 2018 ein aufnahmegesuch an die republik polen. diesem stimmte die republik polen mit schreiben vom 18. oktober 2018 mit der begründung zu, dass das aufnahmegesuch im einklang mit art. 12 abs. 4 der verordnung des europäischen parlaments und des rates nr. 604/2013 im hinblick auf das erteilte schengen-visum stehe. ferner wurde in dem zustimmungsschreiben darum gebeten, die polnische behörde gemäß art. 8 abs. 2 der verordnung der kommission (eg) nr. 1560/2003 vom 2. september 2003 mindestens drei werktage vor der überstellung über die vorgeschlagenen einzelheiten der überstellung zu informieren. 7mit bescheid vom 22. oktober 2018 lehnte das bundesamt den asylantrag des klägers nach § 29 abs. 1 nr. 1 asylg als unzulässig ab (ziffer 1), stellte fest, dass keine abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 und 7 satz 1 aufenthg vorliegen (ziffer 2), ordnete die abschiebung des klägers nach polen an (ziffer 3) und befristete das gesetzliche einreise- und aufenthaltsverbot auf 6 monate ab dem tag der abschiebung (ziffer 4). auf die gründe des bescheides wird verwiesen. 8dem bescheid war ein dokument mit der überschrift „wichtige mitteilungen nach dem aufenthaltsgesetz (aufenthg)“ beigefügt. darin enthalten ist auch eine „belehrung nach § 50 abs. 4 aufenthg“, in der ausgeführt wird, dass der kläger auf grund seiner ausreisepflicht nach § 50 abs. 4 aufenthg verpflichtet sei, jeden wohnungswechsel und jedes verlassen des bezirks der ausländerbehörde für mehr als drei tage vorher der für ihn zuständigen ausländerbehörde anzuzeigen. 9der bescheid wurde dem kläger am 26. oktober 2018 gegen empfangsbekenntnis zugestellt. 10der kläger hat am 30. oktober 2018 klage erhoben und einen antrag auf gewährung vorläufigen rechtsschutzes gestellt (22 l 3171/18.a). 11am 6. november 2018 teilte das bundesamt den polnischen dublin-behörden mit, dass die überstellung derzeit nicht möglich sei, weil ein rechtsmittel mit aufschiebender wirkung vom 30. oktober 2018 anhängig sei. 12das erkennende gericht hat mit beschluss vom 7. januar 2019 (bekannt gegeben am 8. januar 2019) den antrag auf gewährung vorläufigen rechtsschutzes als unbegründet abgelehnt. auf die gründe des bescheides wird verwiesen. 13ab dem 28. januar 2019 hat sich der kläger nach eigenen angaben nicht mehr in der ihm zugewiesenen unterkunft in der zentralen unterbringungseinrichtung o. aufgehalten. 14am 7. februar 2019 teilte das bundesamt den polnischen behörden mit, dass die aufschiebende wirkung zum 7. januar 2019 weggefallen sei und das fristende nunmehr auf den 7. juli 2019 falle. 15die aktenführende zentrale ausländerbehörde (zab) f1. hat den kläger am 22. februar 2019 als seit diesem tag unbekannt verzogen abgemeldet. 16das bundesamt hat mit schriftsatz vom 29. märz 2019 dem gericht mitgeteilt, dass die achtzehnmonatige überstellungsfrist gelte, da der kläger flüchtig im sinne des art. 29 abs. 2 dublin iii‑vo sei; die überstellungsfrist ende nunmehr mit ablauf des 7. juli 2020. der schriftsatz enthält darüber hinaus ausführungen zum verfahren in fällen von kirchenasyl. beigefügt war eine e-mail der zab f1. vom 22. märz 2019 an das bundesamt, wonach sich der kläger seit dem 11. februar 2019 im kirchenasyl befinde und seit dem 22. februar 2019 abgängig sei, sowie die antwort des bundesamtes vom 28. märz 2019, in der mitgeteilt wird, dass bis jetzt keine meldung über das kirchenasyl eingegangen sei. zudem informierte das bundesamt die polnischen dublin-behörden am gleichen tag über die verlängerung der überstellungsfrist und das neue fristende. 17mit schriftsatz vom 1. april 2019 hat der kläger dem gericht mitgeteilt, dass er sich im kirchenasyl befinde. beigefügt hat er ein mit dem stempelaufdruck „internationale g. l. “ versehenes und über der namensangabe „s. a. , ältester“ handschriftlich unterzeichnetes dokument. dieses weist ein adressfeld auf, in dem eine anschrift des bundesamtes in o1. angegeben ist. darunter befindet sich der zusatz: 18„per e-mail [email protected] (cc; [email protected], [email protected])“. 20das dokument trägt das datum 28. januar 2019 und enthält die mitteilung, dass sich der kläger und frau d. „seit dem heutigen tag (28.01.2019)“ im kirchenasyl in der evangelischen kirchengemeinde internationale g. l. , t.-----ring 00, 00000 l. aufhielten. weiter heißt es: „die zuständige ausländerbehörde und die zuständige außenstelle des bamf werden zeitgleich ebenfalls informiert. der für uns zuständige ansprechpartner (benennen) ist über das kirchenasyl informiert.“ 21mit einem weiteren, an das bundesamt gerichteten schreiben vom 1. april 2019 gab der kläger durch seinen prozessbevollmächtigten unter beifügung des inhaltsgleichen, zuvor beschriebenen dokuments an, dass er sich nunmehr unter der angegebenen anschrift im kirchenasyl befinde. 22seither gibt der kläger gegenüber dem gericht die anschrift c/o kirchengemeinde internationale g. l. , t.-----ring 00, 00000 l. als diejenige anschrift an, unter der er sich überwiegend aufhält. 23am 29. juli 2019 hat der kläger beantragt, unter änderung des ablehnenden eilbeschlusses vom 7. januar 2019 die aufschiebende wirkung der klage nunmehr anzuordnen (22 l 2116/19.a). zur begründung hat er ausgeführt, die zuständigkeit für die prüfung seines asylantrages sei auf die beklagte übergegangen, da die überstellungsfrist nach art. 29 abs. 2 satz 1 dublin iii-vo abgelaufen sei. insbesondere habe die überstellungsfrist nicht gemäß art. 29 abs. 2 satz 2 dublin iii-vo auf bis zu 18 monate verlängert werden dürfen. denn er sei nicht flüchtig im sinne dieser vorschrift. diesen antrag hat das gericht mit beschluss vom 6. september 2019 abgelehnt. zur begründung wird ausgeführt, dass der kläger als flüchtig anzusehen sei, weil er sich unstreitig ab dem 28. januar 2019 nicht mehr in der ihm zugewiesenen unterkunft aufgehalten habe und nicht hinreichend dargelegt habe, dass er die zuständigen nationalen behörden über seine abwesenheit pflichtgemäß informiert habe. insbesondere lasse sich aus dem mit schriftsatz vom 1. april 2019 übersandten dokument kein substantiierter vortrag des klägers entnehmen, dass – und gegebenenfalls wann – eine benachrichtigung des bundesamtes per e-mail tatsächlich abgesendet wurde. die fehlende mitteilung der neuen anschrift habe auch bewirkt, dass die überstellung nicht habe durchgeführt werden können. denn die ausländerbehörde habe den kläger am 22. februar 2019 als seit diesem tag unbekannt verzogen abgemeldet. 24mit elektronischer nachricht vom 12. märz 2020 hat die polnische dublin-stelle der beklagten sowie einer vielzahl weiterer mitgliedstaaten unter dem betreff „transfer suspension 16.03.2020-03.04.2020 – poland – covid-19 – polish border guard“ mitgeteilt, dass polen entschieden habe, alle überstellungen nach polen ab dem 16. märz 2020 bis zum 3. april 2020 auszusetzen („to suspend“); eine eventuelle verlängerung der aussetzung der dublin-überstellungen werde eine woche vorher mitgeteilt. mit weiterer elektronischer nachricht vom 26. märz 2020 hat polen der beklagten und einer vielzahl weiterer mitgliedstaaten unter dem betreff „transfer suspension – poland – covid-19 – polish border guard“ mitgeteilt, dass polen entschieden habe, bis auf weiteres („until further notice“) alle überstellungen von und nach polen auszusetzen. 25mit schreiben vom 15. april 2020 an den kläger hat das bundesamt die vollziehung der abschiebungsanordnung im streitgegenständlichen bescheid gemäß § 80 abs. 4 vwgo i.v.m. art. 27 abs. 4 dublin iii‑vo „bis auf weiteres“ ausgesetzt und zur begründung im wesentlichen angegeben, derzeit seien dublin-überstellungen im hinblick auf die entwicklung der corona-krise nicht zu vertreten. weiter wird in dem schreiben ausgeführt, die zeitweise aussetzung des überstellungsverfahrens impliziere nicht, dass der zuständige dublin-staat nicht mehr zur übernahme bereit und verpflichtet sei; vielmehr sei der vollzug nur vorübergehend nicht möglich; die abgegebene erklärung gelte unter dem vorbehalt des widerrufs. unter dem 16. april 2020 hat das bundesamt der polnischen dublin-behörde mitgeteilt, dass eine überstellung im hinblick auf ein rechtsmittel mit aufschiebender wirkung vom 15. april 2020 derzeit nicht möglich sei. dieses schreiben ist ausweislich der vorgelegten automatisch generierten empfangsbestätigung am 16. april 2020 bei der polnischen behörde eingegangen. 26mit „bescheid“ vom 14. juli 2020 hat die beklagte die vollziehungsaussetzung aus der verfügung vom 15. april 2020 (ziffer 2) aufgehoben und die vollziehung der abschiebungsanordnung aus dem streitgegenständlichen bescheid vom 22. oktober 2018 bis zum unanfechtbaren abschluss des anhängigen rechtsstreits ausgesetzt (ziffer 1). zur begründung wird ausgeführt, dass polen das überstellungsverfahren seit dem 13. juli 2020 wieder aufgenommen habe und es angesichts der unterschiedlichen bewertung der vollziehungsaussetzungen aufgrund der corona-krise angezeigt sei, die klärung der relevanten rechtsfragen herbeizuführen. 27zur begründung seiner klage macht der kläger im wesentlichen geltend, dass der angefochtene bescheid rechtswidrig sei, da ihm in polen mit beachtlicher wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende behandlung im sinne von art. 4 eu-grch bzw. art. 3 emrk drohe. aus diesem grund lägen auch abschiebungsverbote gemäß § 60 abs. 5 und 7 aufenthg vor. er müsse damit rechnen, inhaftiert zu werden. im falle einer zuerkennung internationalen schutzes sei er dem risiko der verarmung ausgesetzt. ferner sei mittlerweile die überstellungsfrist abgelaufen. er widerspreche der aussetzung der vollziehung, denn die beklagte nutze die corona-situation aus, um eine angebliche unterbrechung der frist herbeizuführen. es sei den asylbewerbern nicht zuzumuten, in eine völlig ungewisse zukunft blicken zu müssen. vielmehr solle das nationale verfahren zügig durchgeführt werden. 28der kläger beantragt schriftsätzlich wörtlich, 29den bescheid des bundesamtes für migration und flüchtlinge vom 22. oktober 2018 aufzuheben. 30die beklagte beantragt schriftsätzlich, 31die klage abzuweisen. 32sie bezieht sich zur begründung auf die gründe des streitgegenständlichen bescheides und trägt ergänzend vor: ihr sei es im zeitpunkt der behördlichen aussetzung der vollziehung der überstellungsentscheidung tatsächlich und über das ende der zunächst bis 7. juli 2020 verlängerten überstellungsfrist hinaus objektiv unmöglich gewesen, den kläger in den als zuständig bestimmten mitgliedstaat polen zu überstellen. das überstellungsverfahren nach polen solle erst ab dem 13. juli 2020 wieder aufgenommen werden. 33die beteiligten haben ihr einverständnis mit einer entscheidung ohne mündliche verhandlung erklärt (der kläger mit schriftsatz vom 10. juli 2020, die beklagte mit der allgemeinen prozesserklärung vom 27. juni 2017, az. 000-0000/0.00). 34die beklagte hat ferner beantragt, die sprungrevision zuzulassen. beide beteiligten haben der sprungrevision zugestimmt (jeweils mit schriftsatz vom 10. juli 2020). 35wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird ergänzend auf den inhalt der gerichtsakte, den inhalt der beigezogenen gerichtsakten 22 k 8760/18.a 22 l 3170/18.a, 22 l 3171/18.a, 22 l 2116/18.a sowie 22 l 2119/19.a und den inhalt der hierzu beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten und der zab f1. sowie auf die auskünfte und erkenntnisse, auf die die beteiligten mit gerichtlichem schreiben vom 13. juli 2020 hingewiesen worden sind, bezug genommen. 36 | 37das gericht entscheidet mit einverständnis der beteiligten gemäß § 101 abs. 2 vwgo ohne mündliche verhandlung. 38der schriftsätzlich gestellte klageantrag ist gemäß § 88 vwgo dahingehend auszulegen, dass der kläger neben dem wörtlich gestellten hauptantrag beantragt, 39hilfsweise, und zwar für den fall, dass der hauptantrag in bezug auf die unzulässigkeitsentscheidung in ziffer 1 des streitgegenständlichen bescheides keinen erfolg hat, die beklagte unter entsprechender aufhebung der ziffern 2 bis 4 des streitgegenständlichen bescheides zu verpflichten festzustellen, dass hinsichtlich polens abschiebungsverbote nach § 60 abs. 5 oder abs. 7 satz 1 aufenthg vorliegen. 40dies entspricht dem erkennbaren klagebegehren des klägers. er beruft sich ausdrücklich auf das vorliegen von abschiebungsverboten nach § 60 abs. 5 und abs. 7 satz 1 aufenthg in bezug auf polen. dieses klageziel ist nur mit einer (hilfsweise zu verfolgenden) verpflichtungsklage zu erreichen. 41die klage hat keinen erfolg. 42a. die klage ist zulässig. 43i. die klage entspricht den anforderungen des § 82 abs. 1 vwgo, insbesondere ist der kläger hinreichend bezeichnet. 44das erfordernis der bezeichnung des klägers erstreckt sich grundsätzlich auch auf die angabe der ladungsfähigen anschrift, d.h. seiner wohnanschrift, unter der er tatsächlich erreichbar ist. im falle einer insofern erfolgenden änderung hat der kläger diese mitzuteilen. eine ladungsfähige anschrift ist dann nicht erforderlich, wenn sich diese aus den von der behörde gemäß § 99 vwgo vorzulegenden akten ergibt, sonstwie bekannt ist oder sich auf andere weise ohne schwierigkeiten ermitteln lässt. 45vgl. bverwg, urteil vom 13. april 1999 ‑ 1 c 24/97 ‑, rn. 28 ff., juris sowie beschluss vom 14. februar 2012 ‑ 9 b 79/11 ‑, rn. 7, juris. 46nach diesen maßstäben liegt dem gericht eine ladungsfähige anschrift vor. der kläger hat eine konkrete und vollständige anschrift angegeben sowie hierzu eine bestätigung der internationalen g. l. vorgelegt. dem gericht liegen zudem keine anhaltspunkte dafür vor, dass sich der kläger tatsächlich nicht an der von ihm angegebenen anschrift überwiegend aufhält. 47ii. die gegen den bescheid insgesamt gerichtete klage ist als anfechtungsklage gemäß § 42 abs. 1, 1. var. vwgo statthaft, 48vgl. im einzelnen: bverwg, urteil vom 27. oktober 2015 ‑ 1 c 32/14 ‑, rn. 13 ff., juris; ovg nrw, urteile vom 7. märz 2014 ‑ 1 a 21/12.a ‑, rn. 28 ff., juris und vom 16. september 2015 ‑ 13 a 800/15.a ‑, rn. 22 ff. m. w. n., juris. 49die isolierte aufhebung dieser regelungen führt auf die weitere prüfung des asylantrags des klägers durch die beklagte. denn mit der aufhebung des streitgegenständlichen bescheids wird das verwaltungsverfahren in den verfahrensstand zurückversetzt, in dem es vor erlass der streitgegenständlichen regelungen war. das bundesamt ist im falle einer aufhebung des bescheides gemäß §§ 24, 31 asylg gesetzlich verpflichtet, das asylverfahren weiterzuführen. 50iii. mit dem hilfsbegehren, die beklagte unter entsprechender aufhebung der ziffern 2 bis 4 des streitgegenständlichen bescheides zu verpflichten festzustellen, dass in der person des klägers ein abschiebungsverbot nach § 60 abs. 5 oder 7 satz 1 aufenthg in bezug auf polen vorliegt, ist die klage als hilfsantrag für den fall, dass die anfechtungsklage gegen ziffer 1 des bescheides abgewiesen wird, 51vgl. bverwg, urteil vom 14. dezember 2016 ‑ 1 c 4.16 ‑, rn. 20 a. e., juris und bverwge 157, 18, 52zulässig. 53b. die klage ist unbegründet. 54i. die klage ist mit dem hauptantrag unbegründet. 55in dem für die rechtliche beurteilung maßgeblichen zeitpunkt der entscheidung des gerichts (vgl. § 77 abs. 1 satz 1 asylg) ist ziffer 1 des streitgegenständlichen bescheides des bundesamtes nicht rechtswidrig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten, vgl. § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 56die unzulässigkeitsentscheidung in ziffer 1 des streitgegenständlichen bescheides findet ihre ermächtigungsgrundlage in § 29 abs. 1 nr. 1 buchst. a asylg. danach ist ein asylantrag unzulässig, wenn ein anderer staat nach maßgabe der verordnung (eu) nr. 604/2013 des europäischen parlaments und des rates vom 26. juni 2013 zur festlegung der kriterien und verfahren zur bestimmung des mitgliedstaats, der für die prüfung eines von einem drittstaatsangehörigen oder staatenlosen in einem mitgliedstaat gestellten antrags auf internationalen schutz zuständig ist (dublin iii‑vo), für die durchführung des asylverfahrens zuständig ist. 57vorliegend ist polen (und nicht die beklagte) für die prüfung des asylantrages des klägers zuständig. denn die zuständigkeit polens ist nach maßgabe der vorschriften der dublin iii‑vo für das aufnahmeverfahren begründet worden (1.), die zuständigkeit ist nicht gemäß art. 29 abs. 1 oder 2 dublin iii‑vo auf die beklagte übergegangen (2.) und die beklagte ist nicht wegen systemischer schwachstellen des asylverfahrens und der aufnahmebedingungen in polen gemäß art. 3 abs. 2 dublin iii‑vo gehindert, den kläger nach polen zu überstellen (3.). 581. die zuständigkeit polens ist nach maßgabe der vorschriften der dublin iii‑vo für das aufnahmeverfahren begründet worden. im aufnahmeverfahren gemäß art. 21, 22 dublin iii-vo wird der für die prüfung des antrages zuständige staat grundsätzlich nach den kriterien des kapitels iii der dublin iii-vo bestimmt, 59eugh, urteil vom 2. april 2019, c‑582/17 und c‑583/17, rn. 55 - 57, juris, 60wobei gemäß art. 7 abs. 2 dublin iii-vo grundsätzlich von der situation auszugehen ist, die zu dem zeitpunkt gegeben ist, zu dem der antragsteller seinen antrag auf internationalen schutz zum ersten mal in einem mitgliedstaat stellt. vorliegend ist der zuständige staat nach art. 12 abs. 4 dublin iii‑vo zu bestimmen, da vorrangig zu prüfende andere kriterien des kapitels iii der dublin iii-vo (vgl. art. 7 abs. 1 dublin iii‑vo) nicht einschlägig sind. 61nach art. 12 abs. 4 dublin iii‑vo ist polen für die prüfung des asylantrages des klägers zuständig. die anfrage des bundesamtes im visainformationssystem (vis) hat ausweislich des übermittlungsprotokolls vom 14. september 2018 ergeben, dass dem kläger am 17. august 2018 von der polnischen auslandsvertretung ein schengen-visum mit gültigkeit vom 4. bis 13. september 2018 erteilt worden war. nach art. 12 abs. 2 satz 1, 1. halbsatz dublin iii‑vo ist in den fällen, in denen der antragsteller ein gültiges visum besitzt, der mitgliedstaat für die prüfung des antrages auf internationalen schutz zuständig, der das visum erteilt hat. dies gilt gemäß art. 12 abs. 4 dublin iii-vo auch, wenn das visum, aufgrund dessen ein antragsteller in das hoheitsgebiet eines mitgliedstaats einreisen konnte, bei stellung des asylantrages (vgl. art. 7 abs. 2 dublin iii‑vo) zwar nicht mehr gültig ist, aber seit weniger als sechs monaten abgelaufen ist, solange der antragsteller das hoheitsgebiet der mitgliedstaaten nicht verlassen hat. so liegt der fall hier. die gültigkeit des visums, aufgrund dessen der kläger in das hoheitsgebiet der mitgliedstaaten einreisen konnte, war bei asylbeantragung (förmlicher asylantrag am 19. september 2018) weniger als sechs monate abgelaufen, und der kläger hatte nach eigenem vortrag das hoheitsgebiet der mitgliedstaaten nicht verlassen. 62ferner erfolgte das aufnahmegesuch des bundesamtes an polen vom 5. oktober 2018 innerhalb der in art. 21 abs. 1 unterabs. 1 dublin iii-vo genannten dreimonatsfrist ab asylantragstellung. polen nahm dieses ersuchen mit schreiben vom 18. oktober 2018, welches am 19. oktober 2018 beim bundesamt einging, an. 632. die zuständigkeit ist nicht gemäß art. 29 abs. 1 oder 2 dublin iii‑vo von polen auf die beklagte übergegangen. ein zuständigkeitsübergang erfolgte weder gemäß art. 29 abs. 1, satz 1, 1. alt. dublin iii‑vo sechs monate nach annahme des aufnahmegesuchs durch polen, hier am 19. april 2019 (a), noch gemäß art. 29 abs. 1, satz 1, 2. alt. dublin iii‑vo sechs monate nach der endgültigen entscheidung über einen rechtsbehelf mit aufschiebender wirkung, hier am 8. juli 2019 (b), noch gemäß art. 29 abs. 2 dublin iii‑vo spätestens 18 monate nach der endgültigen entscheidung über einen rechtsbehelf mit aufschiebender wirkung, hier spätestens am 8. juli 2020 (c). 64a) ein zuständigkeitsübergang auf die beklagte erfolgte nicht gemäß art. 29 abs. 1, satz 1, 1. alt. dublin iii‑vo sechs monate nach annahme des aufnahmegesuchs durch polen, hier am 19. april 2019. denn die in dieser vorschrift bestimmte sechsmonatsfrist, deren lauf mit der annahme des aufnahmegesuchs durch polen am 19. oktober 2018 begann, wurde durch die fristgerechte stellung des eilantrages des klägers am 30. oktober 2018 unterbrochen und begann erst mit der bekanntgabe des ablehnenden eilbeschlusses vom 7. januar 2019 im verfahren 22 l 3170/18.a am 8. januar 2019 neu zu laufen. 65vgl. hierzu: bverwg, urteil vom 26. mai 2016 ‑ 1 c 15/15 ‑, rn. 11, juris. 66ungeachtet der frage, ob dies rechtlich relevant ist, teilte die beklagte die einlegung des rechtsbehelfs mit aufschiebender wirkung den polnischen behörden auch unverzüglich (vgl. art. 9 abs. 1 verordnung (eg) nr. 1560/2003) mit. 67b) die zuständigkeit für die prüfung des schutzgesuchs des klägers ist auch nicht sechs monate nach dem 8. januar 2019 (bekanntgabe des ablehnenden eilbeschlusses vom 7. januar 2019 im verfahren 22 l 3170/18.a), also am 8. juli 2019, gemäß art. 29 abs. 1, satz 1, 2. alt. dublin iii‑vo von polen auf die beklagte übergegangen. denn die überstellungsfrist ist noch vor ablauf dieser sechs monate gemäß art. 29 abs. 2 satz 2 dublin iii‑vo bis zum 7. juli 2020 verlängert worden. 68die verlängerung wurde dadurch bewirkt, dass das bundesamt am 29. märz 2019 entschieden hat, eine verlängerung der frist auf 18 monate vorzunehmen und mit schreiben vom gleichen tag der zuständigen polnischen behörde mitgeteilt hat, dass wegen flüchtigkeit des klägers eine nach art. 29 abs. 2 dublin iii‑vo verlängerte frist bis zum 7. juli 2020 gelte. 69die für diese verlängerung der überstellungsfrist erforderlichen voraussetzungen lagen vor. denn der kläger war im zeitpunkt der verlängerungsentscheidung flüchtig. 70art. 29 abs. 2 satz 2 der dublin iii-vo ist dahin auszulegen, dass ein antragsteller „flüchtig ist“ im sinne dieser bestimmung, wenn er sich den für die durchführung seiner überstellung zuständigen nationalen behörden gezielt entzieht, um die überstellung zu vereiteln. dies kann angenommen werden, wenn die überstellung nicht durchgeführt werden kann, weil der antragsteller die ihm zugewiesene wohnung verlassen hat, ohne die zuständigen nationalen behörden über seine abwesenheit zu informieren, sofern er über die ihm insoweit obliegenden pflichten unterrichtet wurde, was das erkennende gericht zu prüfen hat. der antragsteller behält die möglichkeit nachzuweisen, dass er diesen behörden seine abwesenheit aus stichhaltigen gründen nicht mitgeteilt hat, und nicht in der absicht, sich den behörden zu entziehen. 71vgl. eugh, urteil vom 19. märz 2019, jawo, ‑ c-163/17 ‑, eu:c:2019:218, rn. 70, juris; vgl. ovg nrw, beschluss vom 29. august 2019 ‑ 11 a 2874/19.a ‑, rn. 12 ff., m. w. n., nrwe. 72nach diesen maßstäben war der kläger flüchtig. es ist unstreitig, dass er sich seit dem 28. januar 2019 nicht mehr in der ihm zugewiesenen unterkunft in der zentralen unterbringungseinrichtung o. aufhielt, sondern sich nach l. (in ein kirchenasyl) begeben hat. es ist indes nicht hinreichend dargelegt, dass er die zuständigen nationalen behörden über seine abwesenheit pflichtgemäß informiert hat. das vorbringen des klägers zu den umständen einer eventuellen mitteilung seiner anschrift gegenüber dem bundesamt oder der ausländerbehörde nach dem verlassen der ihm zugewiesenen unterkunft am 28. januar 2019 beschränkt sich darauf, auf das am 1. april 2019 bei gericht vorgelegte dokument zu verweisen, das einen stempel mit dem schriftzug „internationale g. l. “ trägt, auf den 28. januar 2019 datiert ist und die mitteilung enthält, dass sich der kläger seit diesem tag im kirchenasyl aufhalte. diesem vorbringen lässt sich kein sachvortrag dazu entnehmen, dass und gegebenenfalls wann die mitteilung an das im adressfeld genannte bundesamt abgesandt wurde. auch fehlt jegliches vorbringen dazu, dass der kläger die zuständige ausländerbehörde über den wechsel seiner anschrift informiert habe. dies ergibt sich auch nicht aus den akten. auch dem schriftverkehr zwischen der zab f1. und dem bundesamt kann nur entnommen werden, dass die behörden davon ausgegangen sind, dass sich der kläger im kirchenasyl befindet, ohne dass der aufenthaltsort oder auch nur die kirchenasyl gewährende kirchengemeinde an irgendeiner stelle aktenkundig gemacht worden wäre. 73das dauerhafte verlassen der zugewiesenen unterkunft, ohne das bundesamt oder die zuständige ausländerbehörde über den wechsel der anschrift zu informieren, führte dazu, dass die überstellung des klägers bis zur fristverlängerungsentscheidung nicht durchgeführt werden konnte. denn die ausländerbehörde hat den kläger am 22. februar 2019 als seit diesem tag unbekannt verzogen abgemeldet. bis zur mitteilung des aktuellen aufenthaltsorts des klägers an das bundesamt mit schreiben vom 1. april 2019 war die ausländerbehörde von vornherein gehindert, einen termin zur überstellung des klägers nach polen vorzubereiten. 74der kläger wurde durch das dokument „wichtige mitteilungen nach dem aufenthaltsgesetz (aufenthg)“ des bundesamtes, welches ausweislich der beigezogenen verwaltungsvorgänge dem streitgegenständlichen bescheid angehängt war, auch über die ihm insoweit obliegenden pflichten unterrichtet. 75für die verlängerung der überstellungsfrist ist unerheblich, dass die verlängerungsentscheidung des bundesamtes vom 29. märz 2019 nicht auf die zuvor dargelegten, die flüchtigkeit des klägers begründenden umstände gestützt wurde, sondern ausführungen zum verfahren in fällen des kirchenasyls enthält. denn es kommt für die verlängerungsentscheidung allein darauf an, ob die tatbestandlichen voraussetzungen hierfür vorlagen. 76die verlängerungsentscheidung ist (innerstaatlich) eine – tatbestandlich gebundene – verfahrensentscheidung, die (außerstaatlich) dem zuständigen, ersuchten staat mitzuteilen ist, um einem zuständigkeitsübergang durch ablauf der überstellungsfrist zu begegnen. art. 29 abs. 2 satz 2 dublin iii-vo ist dahin auszulegen, dass es für eine verlängerung der überstellungsfrist höchstens auf 18 monate genügt, dass der ersuchende mitgliedstaat vor ablauf der sechsmonatigen überstellungsfrist den zuständigen mitgliedstaat darüber informiert, dass die betreffende person flüchtig ist, und zugleich die neue überstellungsfrist benennt. 77vgl. bverwg, beschluss vom 2. dezember 2019 – 1 b 75/19 ‑, rn. 9, juris mit hinweis auf eugh, urteil vom 19. märz 2019 ‑ c-163/17 ‑ eu:c:2019:218, jawo, rn. 75, juris. 78der schutzsuchende hat zwar einen subjektiv-öffentlichen anspruch darauf, dass die objektive zuständigkeitsordnung eingehalten und insbesondere ein durch das fristenregime des art. 29 abs. 2 dublin iii-vo bewirkter zuständigkeitsübergang auch beachtet wird. insbesondere ist art. 27 abs. 1 dublin iii-vo dahin auszulegen, dass im rahmen eines gegen eine überstellungsentscheidung gerichteten verfahrens die betreffende person sich auf art. 29 abs. 2 der verordnung berufen und geltend machen kann, dass die sechsmonatige überstellungsfrist abgelaufen sei, weil sie nicht flüchtig gewesen sei, 79vgl. bverwg, beschluss vom 2 dezember 2019 – 1 b 75/19 ‑, rn. 10, juris mit hinweis auf eugh, urteil vom 19. märz 2019 - c-163/17 - eu:c:2019:218, jawo, rn. 70, juris. 80der umstand, dass das bundesamt im rahmen seines weiten verfahrensermessens sowohl darüber zu befinden hat, ob die verlängerungsmitteilung an den zuständigen mitgliedstaat ergeht, als auch darüber, ob für die neue überstellungsfrist die unionsrechtlich eröffnete höchstfrist von achtzehn monaten auszuschöpfen ist, macht diese entscheidung jedoch nicht zu einer „ermessensentscheidung“ im sinne des § 40 vwvfg, die nach § 39 abs. 1 satz 3 vwvfg zu begründen wäre. lagen – wie hier – die tatbestandlichen voraussetzungen für die verlängerungsmitteilung an den zuständigen mitgliedstaat vor, ist eine verlängerung auf bis zu achtzehn monate unionsrechtlich vorgesehen und willkürfrei möglich. der bei nationalem begriffsverständnis auf eine ermessensentscheidung deutende begriff „kann“ in art. 29 abs. 2 satz 2 dublin iii‑vo weist bei der unionsweit gebotenen betrachtung lediglich auf die einräumung einer entsprechenden ermächtigung (sog. „kompetenz-kann“). weitere einschränkungen ergeben sich weder aus art. 29 abs. 2 satz 2 dublin iii-vo noch aus sonstigen einschlägigen regelungen des unionsrechts. 81vgl. bverwg, beschluss vom 2. dezember 2019 – 1 b 75/19 ‑, rn. 13, juris m.w.n. und näherer begründung. 82c) schließlich ist die zuständigkeit für die prüfung des asylantrages des klägers auch nicht gemäß art. 29 abs. 2 dublin iii‑vo mit ablauf der bis zum 7. juli 2020 verlängerten überstellungsfrist von polen auf die beklagte übergegangen. denn die überstellungsfrist ist vor diesem zeitpunkt durch die aussetzung der vollziehung der abschiebungsanordnung mit schreiben des bundesamtes vom 15. april 2020 unterbrochen worden. 83aa) die überstellungsfrist beginnt in den fällen, in denen ein rechtsbehelf gemäß art. 27 abs. 3 dublin iii‑vo aufschiebende wirkung hat, erst mit der endgültigen entscheidung über den rechtsbehelf. art. 27 abs. 4 dublin iii‑vo lässt eine nationale regelung für eine behördliche aussetzung der vollziehung zu. 84diese unionsrechtlich vorgesehene möglichkeit ist im nationalen recht durch § 80 abs. 4 vwgo eröffnet. 85vgl. bverwg, urteil vom 8. januar 2019 – 1 c 16/18 ‑, rn. 19, juris und bverwge 164, 165. 86nichts anderes folgt für die unterbrechungswirkung daraus, dass art. 29 abs. 1 unterabs. 1 dublin iii-vo nicht auch auf art. 27 abs. 4 dublin iii-vo bezug nimmt. nach art. 29 abs. 1 unterabs. 1 dublin iii-vo ist allein entscheidend, dass ein rechtsbehelf im sinne des art. 27 abs. 3 dublin iii-vo aufschiebende wirkung hat und daher eine überstellung nicht durchgeführt werden kann. die in art. 27 abs. 4 dublin iii-vo den mitgliedstaaten eröffnete möglichkeit, dass auch die zuständigen behörden die durchführung der überstellungsentscheidung aussetzen können, erweitert lediglich die fallgruppen, in denen einem rechtsbehelf aufschiebende wirkung im sinne des art. 27 abs. 3 dublin iii-vo zukommt. art. 27 abs. 4 dublin iii-vo würde im übrigen in weitem maße seine praktische wirksamkeit verlieren, wenn die regelung nicht angewendet werden könnte, ohne dass die gefahr bestünde, dass die überstellungsfrist abläuft und ein zuständigkeitsübergang die folge wäre. 87vgl. eugh, urteil vom 13. september 2017 ‑ c-60/16 ‑, rn. 71, juris. 88unionsrecht setzt in art. 27 abs. 4 dublin iii-vo eine behördliche aussetzung der vollziehung voraus, steht also § 80 abs. 4 vwgo gerade nicht entgegen. das unionsrecht setzt aber der behördlichen aussetzung der vollziehung, für die das nationale recht (§ 80 abs. 4 satz 1 vwgo) der behörde einen weiten handlungsspielraum eröffnet, in bezug auf die unionsrechtliche rechtsfolge der unterbrechung der überstellungsfrist gewisse grenzen (vgl. insbesondere art. 27 und 28 dublin iii-vo). diese beschränkungen ergeben sich daraus, dass die behördliche aussetzungsentscheidung den antragsteller nicht nur begünstigt, indem aufenthaltsbeendende maßnahmen auf der grundlage der abschiebungsanordnung zunächst nicht mehr erfolgen können, sondern mittelbar auch belastet, weil sie die überstellungsfrist unterbricht und so dazu führen kann, dass ein vom antragsteller möglicherweise erstrebter zuständigkeitsübergang nicht erfolgt; zu berücksichtigen sind auch die belange des zuständigen mitgliedstaats. 89vgl. bverwg, urteil vom 8. januar 2019 - 1 c 16/18 ‑, rn. 25, juris und bverwge 164, 165. 90mindestvoraussetzung einer behördlichen aussetzungsentscheidung nach § 80 abs. 4 vwgo ist, dass der antragsteller einen rechtsbehelf gegen die abschiebungsanordnung eingelegt hat (art. 27 abs. 4 und art. 29 abs. 1 unterabs. 1 dublin iii-vo). weitere grenzen folgen aus dem von art. 27 abs. 3 und 4 i. v .m. art. 29 abs. 1 unterabs. 1 dublin iii-vo angestrebten ziel eines angemessenen ausgleichs zwischen einerseits der gewährung effektiven rechtsschutzes und der ermöglichung einer raschen bestimmung des für die inhaltliche prüfung des asylantrags zuständigen mitgliedstaats (vgl. erwägungsgrund 5 zur dublin iii-vo) und andererseits dem ziel zu verhindern, dass sich asylbewerber durch weiterwanderung den für die prüfung ihres asylbegehrens zuständigen mitgliedstaat aussuchen (verhinderung von sekundärmigration). 91vgl. bverwg, urteil vom 27. april 2016 – 1 c 24/15 ‑ buchholz 451.902 europ. ausl.- u. asylrecht nr. 82 rn. 13. 92der zuständigkeitsübergang nach ablauf der überstellungsfrist soll verhindern, dass asylanträge monate- oder gar jahrelang nicht geprüft werden. zugleich soll das ziel einer möglichst schnellen prüfung nicht dazu führen, dass dem jeweiligen mitgliedstaat keine zusammenhängende überstellungsfrist von sechs monaten zur verfügung steht, in der nur noch die überstellungsmodalitäten zu regeln sind, 93vgl. eugh, urteil vom 29. januar 2009 ‑ c-19/08 ‑ rn. 43 ff., juris, 94oder dass der beschleunigungsgedanke zulasten eines effektiven rechtsschutzes verwirklicht wird (vgl. art. 27 abs. 3 und 4 dublin iii-vo). 95vgl. bverwg, urteil vom 8. januar 2019 ‑ 1 c 16.18 ‑, rn. 26, juris und bverwge 164, 165. 96eine behördliche aussetzungsentscheidung darf hiernach auch unionsrechtlich jedenfalls dann ergehen, wenn zweifel an der rechtmäßigkeit der abschiebungsanordnung bestehen, 97so bereits bverwg, urteil vom 9. august 2016 ‑ 1 c 6/16 ‑, rn. 18, bverwge 156, 9; 98dann haben die belange eines antragstellers auf gewährung effektiven rechtsschutzes offenkundig vorrang vor dem beschleunigungsgedanken. die wirksamkeit des gerichtlichen rechtsschutzes (s.a. art. 46 der richtlinie 2013/32/eu des europäischen parlaments und des rates vom 26. juni 2013 zu gemeinsamen verfahren für die zuerkennung und aberkennung des internationalen schutzes) erlaubt eine behördliche aussetzung aus sachlich vertretbaren erwägungen, die nicht rechtlich zwingend sein müssen, auch unterhalb dieser schwelle, wenn diese den beschleunigungsgedanken und die interessen des zuständigen mitgliedstaats nicht willkürlich verkennen und auch sonst nicht missbräuchlich sind. 99vgl. bverwg, urteil vom 8. januar 2019 ‑ 1 c 16/18 ‑, rn. 27, juris und bverwge 164, 165. 100bb) die aussetzungsentscheidung des bundesamtes vom 15. april 2020 hat nach diesen grundsätzen die überstellungsfrist (neuerlich) unterbrochen. 101(1) das unionsrechtliche mindesterfordernis, dass der kläger einen rechtsbehelf im sinne des art. 27 abs. 4 dublin iii-vo eingelegt hat, ist mit der vorliegenden klage, die sich auch gegen die abschiebungsanordnung richtet, erfüllt. 102dieses klageverfahren ist tauglicher rechtsbehelf im sinne dieser vorschrift. dass die beiden bei gericht gestellten anträge des klägers auf anordnung der aufschiebenden wirkung erfolglos geblieben sind, ist insofern unbeachtlich. unionsrecht verbietet es den mitgliedstaaten jedenfalls nicht, von aufenthaltsbeendenden maßnahmen oder überstellungsmaßnahmen auch dann abzusehen, wenn zwar eine erste gerichtliche überprüfung der überstellungsentscheidung nicht zur gewährung aufschiebender wirkung geführt hat, über den rechtsbehelf gegen die überstellungsentscheidung aber noch nicht endgültig entschieden ist. 103vgl. bverwg, urteil vom 8. januar 2019 ‑ 1 c 16/18 ‑, rn. 29, juris und bverwge 164, 165. 104dem steht auch eine rechtskraftwirkung der ablehnenden eilbeschlüsse nicht entgegen, da sich diese von vornherein nicht auf umstände bezieht, die – wie hier etwaige überstellungshindernisse infolge der covid-19-pandemie – erst nach deren ergehen eingetreten sind. 105(2) die aussetzungsentscheidung verkennt auch nicht den beschleunigungsgedanken und die interessen des zuständigen mitgliedstaats oder ist aus sonstigen gründen missbräuchlich. vielmehr ist sie durch tatsächlich vorliegende, der überstellung des klägers nach polen entgegenstehende hindernisse sachlich gerechtfertigt und frei von willkür. 106es lag zum zeitpunkt der aussetzungsentscheidung eine schwebesituationen unklarer oder umstrittener rechts- und tatsachenlage vor, 107vgl. hierzu: berlit, jurispr-bverwg 5/2019 anm. 4 buchst. d, 108die dem bundesamt die rechtliche möglichkeit eröffnete, hierauf mit einer aussetzung der vollziehung adäquat zu reagieren. die erklärungen der polnischen behörden vom 12. märz 2020 und vom 26. märz 2020 lassen es zweifelhaft erscheinen, ob im sinne von § 34a abs. 1 satz 1 asylg feststand, dass die abschiebung des klägers nach polen hätte durchgeführt werden können. nach ständiger rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts in anlehnung an die rechtsprechung des europäischen gerichtshofs (eugh) können die mitgliedstaaten eine zusammenhängende frist von sechs monaten für die regelung der überstellungsmodalitäten und die bewerkstelligung der überstellung beanspruchen. an dieser fehlt es auch in fällen, in denen eine überstellung – wie hier – lediglich zeitweise ausgeschlossen war. 109die aussetzung der vollziehung diente vorliegend erkennbar nicht (nur) dazu, auf außerhalb des konkreten sachverhalts und des konkreten verfahrens liegende entwicklungen (wie das auftreten einer pandemie und damit zusammenhängender rechtlicher oder auch nur tatsächlicher überstellungshindernisse) zu reagieren, 110so angenommen von vg münchen, urteil vom 7. juli 2020 ‑ m 2 k 19.51274 ‑, rn. 17, juris. 111vielmehr lag mit den mitteilungen der polnischen behörden vom 12. märz 2020 und vom 26. märz 2020 eine konkrete, auf den sachverhalt im vorliegenden verfahren bezogene entwicklung vor, die die tatsächliche möglichkeit der überstellung des klägers nach polen in zweifel zog. dass die entwicklung zugleich auch eine vielzahl anderer verfahren betraf, ist insoweit ohne belang. das fristenregime der dublin iii‑vo beansprucht uneingeschränkte gültigkeit, auch wenn es auf eine (unerwartet) hohe zahl von einzelfällen anzuwenden ist. 112(3) die von der europäischen kommission aus anlass der covid-19-pandemie veröffentlichten hinweise zur umsetzung der einschlägigen eu-bestimmungen im bereich der asyl- und rückführungsverfahren und zur neuansiedlung vom 17. april 2020, 2020/c 126/12, s. 5., 113abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/txt/pdf/?uri=celex:52020xc0417(07)&from=en, 114stehen der annahme nicht entgegen, dass im jeweiligen konkreten verfahren ein hindernis bei der durchführung der überstellung infolge dieser pandemie vorliegen kann. dort heißt es: 115„wird die überstellung in den zuständigen mitgliedstaat nicht innerhalb der geltenden frist durchgeführt, so geht die zuständigkeit nach artikel 29 absatz 2 der dublin-verordnung auf den ersuchenden mitgliedstaat über. keine bestimmung der verordnung erlaubt es, in einer situation wie der, die sich aus der covid-19-pandemie ergibt, von dieser regel abzuweichen.“ 116damit wird bekräftigt, dass die sich aus der covid-19-pandemie ergebende situation als solche keine abweichung vom fristenregime der dublin iii‑vo rechtfertigt. dem schließt sich die kammer uneingeschränkt an. das fristenregime der dublin iii‑vo ist uneingeschränkt zu beachten. die durch die pandemie ausgelösten umstände vermögen keine hiervon abweichende handhabung zu rechtfertigen. 117(4) dass die aussetzungsentscheidung einem umstand rechnung trägt, der die überstellung des klägers nach polen voraussichtlich nur vorübergehend unmöglich macht, führt nicht dazu, dass ein eingriff in den für das dublin-system zentralen beschleunigungsgedanken (vgl. erwägungsgrund 5 satz 2 der dublin iii‑vo) und die interessen des asylantragstellers vorliegt, der nicht durch eine tragfähige rechtschutzerwägung gerechtfertigt werden könnte, 118so aber: vg aachen, urteil vom 10. juni 2020 ‑ 9 k 2584/19.a ‑, rn. 61, juris und schleswig-holsteinisches verwaltungsgericht, urteil vom 15. mai 2020 ‑ 10 a 596/19 ‑, rn. 23, juris; wie hier hingegen: vg osnabrück, beschluss vom 12. mai 2020 ‑ 5 b 95/20 ‑, rn. 16, juris. 119bei der unterbrechung der überstellungsfrist handelt es sich (unabhängig davon, ob sie von der beklagten „beabsichtigt“ ist, 120darauf abstellend: vg aachen, urteil vom 10. juni 2020 ‑ 9 k 2584/19.a ‑, rn. 61, juris), 121um eine mit der aussetzungsentscheidung untrennbar verknüpfte folge und führt dazu, dass ein zum zeitpunkt der aussetzungsentscheidung noch nicht eingetretener, lediglich in der zukunft zu einem bestimmten zeitpunkt erwarteter zuständigkeitsübergang auf den ersuchenden staat hinausgeschoben wird. das interesse des asylantragstellers an dem für die zukunft erwarteten zuständigkeitsübergang ist jedoch nicht als solches rechtlich geschützt. der asylantragsteller hat insoweit lediglich das aus art. 3 abs. 1 gg, art. 20 eu-grch folgende recht auf gleichbehandlung und willkürfreies hoheitliches handeln. ein verstoß hiergegen läge vor, wenn die behörde eine unterbrechung der überstellungsfrist ohne sachlichen grund herbeiführt, etwa um zu verhindern, dass diese aufgrund behördlicher versäumnisse ansonsten nicht (mehr) gewahrt werden könnte. 122ein rechtlich geschütztes interesse des asylantragstellers an dem für die zukunft erwarteten zuständigkeitsübergang (gleichsam ein „anwartschaftsrecht“ auf ablauf der überstellungsfrist) folgt insbesondere nicht aus dem beschleunigungsgebot. hat der antragsteller der rechtmäßigkeit der überstellungsentscheidung keine anderen gründe entgegenzusetzen als den (erst für die zukunft) erwarteten übergang der zuständigkeit infolge des ablaufs der überstellungsfrist, so ist es ihm zuzumuten, eine beschleunigung in der weise herbeizuführen, dass er keinen rechtsbehelf einlegt, dessen aufschiebende wirkung angeordnet werden könnte, oder den rechtsbehelf, dessen aufschiebende wirkung angeordnet wurde, zurückzunimmt. in solchen fällen läuft die überstellungsfrist und kann nicht durch eine behördliche aussetzung der vollziehung unterbrochen werden. zugleich muss der antragsteller aber auch mit der durchführung der überstellung rechnen. setzt der antragsteller der überstellungsentscheidung indes (auch) andere gründe entgegen, so wird die effektivität seines rechtsschutzes durch die aussetzung der vollziehung verbessert, indem es ihm gestattet wird, sich während der gerichtlichen überprüfung der überstellungsentscheidung im betreffenden mitgliedstaat weiter aufzuhalten. 123dem entspricht es, dass das von der dublin iii-vo anerkannte instrument der aussetzung der vollziehung keine maximaldauer des überstellungsverfahrens vorgibt. 124vgl. vgh bw, urteil vom 29. juli 2019 ‑ a 4 s 749/19 ‑, rn. 124, juris. 125die dublin-fristen entfalten nach der rechtsprechung des eugh individualschutz vor allem „im hinblick auf die leistungsfähigkeit des dublin-systems“ und „den schutz der antragsteller“; denn ihr asylbegehren soll möglichst rasch durch den zuständigen staat geprüft werden. 126vgh bw, urteil vom 29. juli 2019 ‑ a 4 s 749/19 ‑, rn. 124, juris mit hinweis auf eugh, urteil vom 7. juni 2016, ghezelbash, ‑ c-63/15 ‑, rn. 52, juris. 127hieraus folgt im umkehrschluss, dass ein antragsteller insoweit grundsätzlich nicht schutzwürdig ist, wenn er, etwa durch flüchtigkeit oder vergleichbare verhaltensweisen, den effet-utile der dublin iii-vo bewusst und gewollt unterläuft, um den fruchtlosen ablauf der - gerade zu seinem schutz einzuhaltenden - fristen herbeizuführen, und damit zu verhindern, dass sein asylbegehren durch den nach den übrigen vorgaben bis dahin zuständigen staat geprüft wird. nach der rechtsprechung des eugh zum missbrauchsverbot kann sich niemand auf unionsrechtliche vorteile berufen, wenn in der absicht gehandelt wird, „sich einen unionsrechtlich vorgesehenen vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden voraussetzungen willkürlich geschaffen werden“. 128vgl. vgh bw, urteil vom 29. juli 2019 ‑ a 4 s 749/19 ‑, rn. 124, juris mit hinweis auf eugh, urteil vom 14. dezember 2000, emsland-stärke, ‑ c-110/99 ‑, rn. 52 f. 129(5) die behördliche aussetzungsentscheidung vom 15. april 2020 ist auch nicht deshalb als unionsrechtswidrig und damit für den lauf der überstellungsfrist unbeachtlich einzustufen, weil im wortlaut des art. 27 abs. 4 dublin iii‑vo lediglich eine aussetzung „bis zum abschluss“ des rechtsbehelfs oder der überprüfung erwähnt ist, nicht jedoch eine aussetzung, die womöglich vor abschluss des rechtsbehelfs oder der überprüfung endet – wie hier die vom bundesamt ausgesprochene aussetzung „bis auf weiteres“ und „unter vorbehalt des widerrufs“, 130ebenso: vg osnabrück, beschluss vom 12. mai 2020 ‑ 5 b 95/20 ‑, rn. 15, juris; a.a. vg düsseldorf, beschluss vom 18. mai 2020 ‑ 15 l 776/20.a ‑, rn. 14, juris; vg aachen, urteil vom 10. juni 2020 ‑ 9 k 2584/19.a ‑, rn. 39, juris; schleswig-holsteinisches verwaltungsgericht, urteil vom 15. mai 2020 ‑ 10 a 596/19 ‑, rn. 20, juris. 131denn art. 27 abs. 4 dublin iii‑vo ist als öffnungsklausel zu verstehen, die es den mitgliedstaaten ermöglicht, den regelungsbereich innerhalb des definierten äußeren rahmens durch nationales recht zu gestalten. ein grund dafür, dass diese vorschrift vorgeben sollte, dass das nationale recht, sofern es denn überhaupt eine behördliche aussetzungsbefugnis vorsieht, nur eine solche bis zum abschluss des rechtsbehelfs oder der überprüfung vorsehen darf, ist nicht ersichtlich. es würde auch dem beschleunigungsgebot widersprechen, dass die aussetzung zwingend bis zum abschluss des rechtsbehelfs fortzudauern hätte, obwohl mittlerweile die gründe für die aussetzung entfallen sein mögen. 132die aussetzungsentscheidung des bundesamtes dient dazu, dem kläger effektiven rechtsschutz zu gewähren, auch wenn sie – wie hier – nur „bis auf weiteres“ und unter „vorbehalt des widerrufs“ erfolgt, 133a.a. vg aachen, urteil vom 10. juni 2020 ‑ 9 k 2584/19.a ‑, rn. 58, juris; schleswig-holsteinisches vg, urteil vom 15. mai 2020 ‑ 10 a 596/19 ‑, rn. 20, juris und gerichtsbescheid vom 18. mai 2020 ‑ 5 a 255/19 ‑, rn. 19, juris. 134denn die effektivität des rechtsschutzes wird schon dadurch erhöht, dass dem jeweiligen kläger der verbleib im ersuchenden staat auch nur vorübergehend während der anhängigkeit seines rechtsbehelfs gestattet wird. 135(6) schließlich steht der annahme, dass die aussetzungsentscheidung des bundesamtes vom 15. april 2020 die überstellungsfrist unterbrochen hat, auch nicht entgegen, dass sie ausschließlich wegen tatsächlicher hindernisse beim vollzug der überstellung ausgesprochen wurde und gerade nicht wegen zweifeln an der rechtmäßigkeit der unzulässigkeitsentscheidung in ziffer 1 des streitgegenständlichen bescheides. die kammer folgt der rechtsprechung, die eine unterbrechung der überstellungsfrist durch eine gerichtliche oder behördliche aussetzungsentscheidung nur dann annimmt, wenn diese wegen zweifeln an der rechtmäßigkeit der asylrechtlichen unzulässigkeitsentscheidung ergeht, 136vgl. vg düsseldorf, urteil vom 13. februar 2019 ‑ 15 k 15396/17.a ‑, rn. 28 ff., juris; vg düsseldorf, beschluss vom 18. mai 2020 ‑ 15 l 776/20.a ‑, rn. 18, juris, 137nicht. 138diese differenzierung lässt sich insbesondere nicht dem urteil des eugh vom 16. februar 2017, 139c.k., h.f. und a.s. / slowenien, ‑ c-578/16 ppu ‑, juris, 140entnehmen. zum einen lag der entscheidung ein vorlagefall zugrunde, in dem vor allem die zuständigkeitsfrage (verpflichtung zum selbsteintritt) gerichtlich im streit stand. zum anderen geht auch der eugh davon aus, dass der ersuchende mitgliedstaat in einem solchen fall die durchführung seiner überstellung auszusetzen und den zuständigen mitgliedstaat über die dadurch eingetretene verzögerung zu unterrichten habe, 141eugh, urteil vom 16. februar 2017, c.k., h.f. und a.s. / slowenien, ‑ c-578/16 ppu ‑, rn. 85 ff., juris. 142dem hinweis, dass im falle des ablaufs der überstellungsfrist die zuständigkeit auf den ersuchenden staat übergeht, 143eugh, urteil vom 16. februar 2017, c.k., h.f. und a.s. / slowenien, ‑ c-578/16 ppu ‑, rn. 89, juris, 144lässt sich vor diesem hintergrund keine aussage des inhalts entnehmen, dass die überstellungsfrist selbst im falle einer aussetzung der vollziehung und mitteilung an den zuständigen mitgliedstaat ohne unterbrechung weiter läuft. vielmehr dürfte es sich um einen allgemeinen hinweis auf die wirkungen des ablaufs der überstellungsfrist handeln, der auch für den fall gilt, dass der lauf der überstellungsfrist durch eine etwaige aussetzung der vollziehung unterbrochen wurde und nach wegfall der aufschiebenden wirkung des rechtsbehelfs (neu) beginnt. schließlich spricht der hinweis auf die möglichkeit des selbsteintritts nach art. 17 abs. 1 dublin iii-vo, wenn „bei einer langfristigen aussetzung des verfahrens“ die gefahr der verschlechterung des zustands des asylantragstellers bestünde, 145eugh, urteil vom 16. februar 2017, c.k., h.f. und a.s. / slowenien, ‑ c-578/16 ppu ‑, rn. 88 und 96 letzter spiegelstrich, juris, 146gegen die annahme, dass die überstellungsfrist durch eine etwaige aussetzung der vollziehung nicht unterbrochen würde. denn für einen selbsteintritt wäre kein anlass mehr, wenn in einer solchen konstellation die überstellungsfrist gerade unabhängig von der aussetzung der vollziehung weiterlaufen würde. der zuständigkeitsübergang auf den ersuchenden staat würde in absehbarer zeit auch ohne ausübung des selbsteintritts eintreten. 147es kann dahinstehen, ob es sich bei der überstellungsentscheidung im sinne des art. 26 abs. 1 dublin iii‑vo (ausschließlich) um die unzulässigkeitsentscheidung im hinblick auf die zuständigkeit eines anderen staates handelt und der vollzug der überstellung einschließlich der abschiebungsanordnung nach § 34a asylg hiervon unionsrechtlich zu trennen ist, 148so vg düsseldorf, urteil vom 13. februar 2019 ‑ 15 k 15396/17.a ‑, rn. 28 ff., juris. 149denn beide regelungen werden durch art. 29 abs. 1 und 2 dublin iii‑vo in bezug auf die rechtsfolgen einer nicht fristgerechten überstellung miteinander verknüpft. nach maßgabe des art. 29 abs. 1 satz 1 dublin iii‑vo soll die überstellung erfolgen, sobald dies praktisch möglich ist. die bestimmung des § 34a abs. 1 satz 1 asylg dient lediglich der umsetzung dieser vorgabe im nationalen recht. eine auslegung der dublin iii‑vo, die dazu führen würde, dass die frist für die durchführung der überstellung trotz aussetzung der vollziehung der abschiebungsanordnung ab der annahme des aufnahme- oder wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen mitgliedstaat zu berechnen wäre, liefe dieser unionsrechtlichen verknüpfung zuwider. sie würde art. 27 abs. 3 und 4 dublin iii‑vo in der praxis in weitem maße ihre praktische wirksamkeit nehmen, da die aussetzung nicht angewandt werden könnte, ohne dass die gefahr bestünde, dass sie die durchführung der überstellung innerhalb der von der dublin-iii-verordnung vorgegebenen fristen behindert. 150vgl. zu art. 27 abs. 4 dublin iii‑vo: eugh, urteil vom 13. september 2017 ‑ c-60/16 ‑, rn. 71, juris. 1513. eine zuständigkeit der beklagten – anstelle polens – ergibt sich schließlich auch nicht aus art. 3 abs. 2 unterabs. 2 und 3 dublin iii-vo. denn die beklagte ist nicht gemäß art. 3 abs. 2 unterabs. 2 dublin iii-vo gehindert, den kläger nach polen zu überstellen. nach dieser vorschrift steht es der überstellung eines antragstellers in den zunächst als zuständig bestimmten staat entgegen, wenn es wesentliche gründe für die annahme gibt, dass das asylverfahren und die aufnahmebedingungen für antragsteller in diesem mitgliedstaat systemische schwachstellen aufweisen, die eine gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden behandlung im sinne des art. 4 eu-grch bzw. art. 3 emrk mit sich bringen. die voraussetzungen, unter denen dies nach der rechtsprechung des europäischen gerichtshofs für menschenrechte und des eugh, 152eugh, urteile vom 19. märz 2019, jawo, ‑ c-163/17 ‑, eu:c:2019:218, rn. 87, juris und vom 21. dezember 2011 ‑ c-411/10 et al. ‑, rn. 83 ff., 99; juris; egmr, urteil vom 21. januar 2011 ‑ 30696/09 ‑, nvwz 2011, 413, 153der fall wäre, liegen hier nicht vor. 154zwar bezieht sich art. 3 abs. 2 unterabs. 2 dublin iii-verordnung nur auf die situation, in der sich die tatsächliche gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden behandlung im sinne von art. 4 eu-grch aus systemischen schwachstellen des asylverfahrens und der aufnahmebedingungen für personen, die internationalen schutz beantragen, in dem mitgliedstaat ergibt, der nach dieser verordnung als für die prüfung des antrags zuständig bestimmt ist. aus der rechtsprechung des europäischen gerichtshofes sowie aus dem allgemeinen und absoluten charakter des verbots in art. 4 eu-grch geht jedoch hervor, dass die überstellung eines antragstellers in diesen mitgliedstaat in all jenen situationen ausgeschlossen ist, in denen ernsthafte und durch tatsachen bestätigte gründe für die annahme vorliegen, dass der antragsteller bei seiner überstellung oder infolge seiner überstellung eine solche gefahr laufen wird. 155vgl. eugh, urteil vom 19. märz 2019, jawo, ‑ c-163/17 ‑, eu:c:2019:218, rn. 87, juris. 156dabei ist für die anwendung von art. 4 eu-grch gleichgültig, ob es zum zeitpunkt der überstellung, während des asylverfahrens oder nach dessen abschluss, das heißt im falle der gewährung internationalen schutzes, dazu kommt, dass die betreffende person aufgrund ihrer überstellung an den zuständigen mitgliedstaat im sinne der dublin iii‑verordnung einem ernsthaften risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende behandlung zu erfahren. 157vgl. eugh, urteil vom 19. märz 2019, jawo, ‑ c-163/17 ‑, eu:c:2019:218, rn. 88, 76, juris. 158insoweit ist das mit einem rechtsbehelf gegen eine überstellungsentscheidung befasste gericht in dem fall, dass es über angaben verfügt, die die betreffende person zum nachweis des vorliegens eines solchen risikos vorgelegt hat, verpflichtet, auf der grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter angaben und im hinblick auf den durch das unionsrecht gewährleisteten schutzstandard der grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte personengruppen betreffende schwachstellen vorliegen. 159vgl. eugh, urteil vom 19. märz 2019, jawo, ‑ c-163/17 ‑, eu:c:2019:218, rn. 90, juris, unter bezugnahme auf urteil vom 5. april 2016, aranyosi und căldăraru, ‑ c‑404/15 und c‑659/15 ppu ‑, eu:c:2016:198, rn. 89. 160schwachstellen fallen nur dann unter art. 4 eu-grch, der art. 3 emrk entspricht und nach art. 52 abs. 3 eu-grch die gleiche bedeutung und tragweite hat, wie sie ihm in der emrk verliehen wird, wenn sie eine besonders hohe schwelle der erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen umständen des falles abhängt. 161vgl. egmr, 21. januar 2011, m.s.s./belgien und griechenland, ce:echr:2011:0121jud003069609, § 254. 162denn im kontext des gemeinsamen europäischen asylsystems und insbesondere der dublin iii-vo, die auf dem grundsatz des gegenseitigen vertrauens beruht und durch eine rationalisierung der anträge auf internationalen schutz deren bearbeitung im interesse sowohl der antragsteller als auch der teilnehmenden staaten beschleunigen soll, gilt die vermutung, dass die behandlung dieser antragsteller in jedem einzelnen mitgliedstaat in einklang mit den erfordernissen der eu-grch, der gfk und der emrk steht. 163vgl. eugh, urteil vom 21. dezember 2011, n. s. u. a., ‑ c-411/10 und c-493/10 ‑, eu:c:2011:865, rn. 78 bis 80, juris. 164diese besonders hohe schwelle der erheblichkeit wäre erreicht, wenn die gleichgültigkeit der behörden eines mitgliedstaats zur folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher unterstützung abhängige person sich unabhängig von ihrem willen und ihren persönlichen entscheidungen in einer situation extremer materieller not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen zustand der verelendung versetzte, der mit der menschenwürde unvereinbar wäre. diese schwelle ist daher selbst in durch große armut oder eine starke verschlechterung der lebensverhältnisse der betreffenden person gekennzeichneten situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller not verbunden sind, aufgrund deren sich diese person in einer solch schwerwiegenden lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden behandlung gleichgestellt werden kann. 165vgl. eugh, urteil vom 19. märz 2019, jawo, ‑ c-163/17 ‑, eu:c:2019:218, rn. 89 ff., juris unter bezugnahme auf egmr, 21. januar 2011, m.s.s./belgien und griechenland, ce:echr:2011:0121jud003069609, §§ 252 bis 263. 166unter anwendung dieser maßstäbe fehlt es an hinreichenden anhaltspunkten dafür, dass das asylverfahren oder die aufnahmebedingungen in polen mit systemischen mängeln behaftet wären, die eine beachtliche gefahr einer dem kläger drohenden unmenschlichen behandlung im sinne von art. 4 eu-grch bzw. art. 3 emrk zum zeitpunkt der überstellung, während des asylverfahrens oder nach dessen abschluss nach sich ziehen könnten. 167entsprechende anhaltspunkte ergeben sich aus den dem gericht vorliegenden aktuellen erkenntnismaterial nicht, 168ebenso in der jüngeren rspr.: vg regensburg, beschluss vom 5. februar 2020 ‑ ro 12 s 20.50020 ‑, rn. 48, juris; vg würzburg, beschluss vom 3. januar 2020 ‑ w 8 s 19.50825 ‑, juris; vg düsseldorf, urteil vom 25. juli 2019 ‑ 12 k 8342/18.a ‑, juris; vg augsburg, beschluss vom 21. mai 2019 ‑ au 6 s 19.50444 ‑, juris. 169auch im hinblick auf gesundheitsgefahren, die sich durch die gefahr einer ansteckung des klägers mit dem covid-19 auslösenden virus im falle ihrer überstellung nach polen oder infolge einer überlastung des dortigen gesundheitssystems wegen einer vielzahl von covid-19-erkrankungen ergeben könnten, fehlt es an anhaltspunkten dafür, dass der kläger mit erheblicher wahrscheinlichkeit in polen eine seine physische oder psychische gesundheit beeinträchtigende behandlung erwartet. eine erhebliche wahrscheinlichkeit einer ansteckung des klägers mit diesem virus im falle ihrer überstellung nach polen oder eine überlastung des dortigen gesundheitssystems lässt sich nicht feststellen. nach der veröffentlichung des european centre for disease prevention and control, die zu den dem kläger mitgeteilten erkenntnismitteln des gerichts zählt, 170covid-19 situation update for the eu/eea and the uk, as of 12. july 2020. datum der veröffentlichung: 13.07.2020, abgerufen am 13. juli 2020 unter: https://www.ecdc.europa.eu/en/cases-2019-ncov-eueea, 171waren in den 14 tagen vor dem 12. juli 2020 in polen pro 100.000 einwohnern insgesamt 10,0 covid-19-fälle sowie insgesamt 0,4 covid-19-sterbefälle gemeldet worden. zugunsten des klägers wird berücksichtigt, dass sich diese gesamtzahl der gemeldeten covid-19-fälle in den letzten 14 tagen pro 100.000 einwohnern zum maßgeblichen zeitpunkt der entscheidung des gerichts auf 11,1 erhöht hat (bei einem nahezu unveränderten wert von 0,3 sterbefällen), 172vgl. european centre for disease prevention and control: covid-19 situation update for the eu/eea and the uk, as of 21. july 2020. datum der veröffentlichung: 21.07.2020. https://www.ecdc.europa.eu/en/cases-2019-ncov-eueea. 173hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine wesentliche änderung, die eine andere bewertung im hinblick auf die gefahr einer ansteckung oder einer überlastung des gesundheitssystems rechtfertigen könnte. 174das auswärtige amt spricht derzeit vor dem hintergrund, dass polen nach den veröffentlichten zahlen von covid-19 weniger stark betroffen sei, auch keine reisewarnung nach polen aus, 175vgl. auswärtiges amt: polen: reise- und sicherheitshinweise. datum der veröffentlichung: 13.07.2020. abrufbar unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/polen-node/polensicherheit/199124. 176ii. da die klage mit dem hauptantrag gegen die unzulässigkeitsentscheidung in ziffer 1 des streitgegenständlichen bescheides keinen erfolg hat, ist über den für diesen fall gestellten hilfsantrag zu entscheiden. 177der hilfsantrag ist unbegründet. 1781. die beklagte kann nicht zu der mit dem hilfsantrag begehrten feststellung von abschiebungsverboten nach § 60 abs. 5 oder 7 satz 1 aufenthg verpflichtet werden, da der kläger keinen anspruch auf diese feststellung hat und durch deren versagung nicht in seinen rechten verletzt wird, vgl. § 113 abs. 5 satz 1 vwgo. 179es liegen keine greifbaren anhaltspunkte dafür vor, dass in der person des klägers ein abschiebungsverbot nach § 60 abs. 5 oder 7 satz 1 aufenthg in bezug auf polen vorliegt. 180gemäß § 60 abs. 5 aufenthg darf ein ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der anwendung der konvention vom 4. november 1950 zum schutze der menschenrechte und grundfreiheiten (emrk) ergibt, dass die abschiebung unzulässig ist. im vorliegenden fall ergibt sich in bezug auf griechenland kein abschiebungsverbot aus den insoweit allein in betracht kommenden schutzwirkungen des art. 3 emrk. 181art. 3 emrk bestimmt, dass niemand der folter oder unmenschlicher oder erniedrigender behandlung oder strafe unterworfen werden darf. hieraus folgen neben unterlassungs- auch staatliche schutzpflichten. unter zugrundelegung des maßstabs des europäischen gerichtshofes für menschenrechte muss die verletzung von art. 3 emrk mit beachtlicher wahrscheinlichkeit drohen („real risk“). dies hängt von den gesamtumständen des jeweiligen einzelfalls ab, wie etwa der art und dem kontext der fehlbehandlung, der dauer, den körperlichen und geistigen auswirkungen, sowie – in einigen fällen – vom geschlecht, alter und gesundheitszustand des opfers. 182vgl. ständige rechtsprechung des egmr, urteil vom 4. november 2014 ‑ 29217/12 ‑, tarakhel/switzerland -, rn. 93 f., m. w. n.; zum maßstab der beachtlichen wahrscheinlichkeit: bverwg, urteil vom 27. april 2010 ‑ 10 c 5.09 ‑, rn. 22, juris. 183bezugspunkt dieser prüfung ist grundsätzlich der gesamte abschiebungszielstaat und zunächst der ort, an dem die abschiebung endet. 184vgl. egmr, urteil vom 28. juni 2011 - 8319/07, 11449/07, sufi und elmi/vereinigtes königreich - rn. 65, 301, 309; bverwg, urteil vom 31. januar 2013 ‑ 10 c 15.12 ‑, rn. 26, juris. 185nach diesen maßstäben liegen keine anhaltspunkte für die annahme vor, dass der kläger im falle einer abschiebung nach polen mit beachtlicher wahrscheinlichkeit gefahr laufen würde, einer unmenschlichen oder erniedrigenden behandlung im sinne von art. 3 emrk ausgesetzt zu werden. es wird insoweit auf die obigen ausführungen in bezug auf die gewährleistungen aus art. 4 eu-grch, welche mit art. 3 emrk deckungsgleich sind (vgl. art. 52 abs. 3 eu-grch), verwiesen. 186die voraussetzungen für ein abschiebungsverbot gemäß § 60 abs. 7 satz 1 aufenthg liegen ebenfalls nicht vor. nach der vorschrift soll von der abschiebung eines ausländers in einen anderen staat abgesehen werden, wenn dort für diesen ausländer eine erhebliche konkrete gefahr für leib, leben oder freiheit besteht. anhaltspunkte hierfür sind weder vorgetragen noch ersichtlich. 1872. die abschiebungsanordnung in ziffer 3 des bescheides ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten, vgl. § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. 188sie findet ihre rechtsgrundlage in § 34a abs. 1 satz 1 asylg. danach ordnet das bundesamt die abschiebung in einen für die durchführung des asylverfahrens zuständigen staat (§ 29 abs. 1 nr. 1 asylg) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. diese voraussetzungen sind hier erfüllt. 189polen ist – wie zuvor ausgeführt – für die durchführung des asylverfahrens des klägers zuständig. es steht auch im sinne von § 34a abs. 1 satz 1 asylg fest, dass die abschiebung durchgeführt werden kann. insbesondere stehen der abschiebung des klägers weder zielstaatsbezogene abschiebungsverbote noch inlandsbezogene vollzugshindernisse entgegen. 190polen ist ausweislich der unwidersprochenen mitteilung der beklagten seit dem 13. juli 2020 wieder bereit, asylantragsteller im wege der überstellung auf der grundlage der dublin iii‑vo aufzunehmen. 191sonstige vollzugshindernisse sind weder dargelegt noch im übrigen ersichtlich. 1923. die auf § 11 abs. 1 und 2 aufenthg in der fassung des art. 1 nr. 5 des gesetzes zur neubestimmung des bleiberechts und der aufenthaltsbeendigung vom 27. juli 2015, bgbl. i 1386 (aufenthg a.f.) gestützte regelung eines auf 6 monate ab dem tag der abschiebung befristeten einreise- und aufenthaltsverbotes in ziffer 4 des streitgegenständlichen bescheides ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo. zum maßgeblichen zeitpunkt der entscheidung des gerichts (§ 77 abs. 1 satz 1 asylg) findet diese regelung als anordnung eines befristeten einreise- und aufenthaltsverbots ihre rechtsgrundlage in § 11 abs. 1 und 2 aufenthg. 193die zuständigkeit des bundesamtes ergibt sich aus § 75 nr. 12 aufenthg. 194es ist nach maßgabe der heranzuziehenden aktuell gültigen fassung des § 11 abs. 1 und 2 aufenthg unschädlich, dass das bundesamt den ausspruch und die ermessensausübung an § 11 aufenthg a.f. orientiert. denn durch die neufassung des § 11 aufenthg haben sich die für die behördliche anordnung und fristbestimmung zu berücksichtigenden umstände nicht geändert. der gesetzgeber hat lediglich klarstellend die bisherige rechtslage an die rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts, wonach die befristung des gesetzlichen einreise- und aufenthaltsverbotes unionsrechtskonform als behördliche anordnung eines befristeten einreise- und aufenthaltsverbotes zu verstehen ist, 195vgl. bverwg, beschluss vom 13. juli 2017 ‑ 1 vr 3/17 ‑, rn. 70 ff., juris, 196angepasst. 197vgl. ovg sachsen-anhalt, beschluss vom 23. april 2020 ‑ 2 l 30/20 ‑, rn. 17 m.w.n., juris; vg karlsruhe, urteil vom 22. august 2019 ‑ a 19 k 1718/17 ‑, rn. 38, juris; vg düsseldorf, urteil vom 25. november 2019 ‑ 27 k 1769/18.a ‑ rn. 33 - 36, juris. 198die ermessensentscheidung des bundesamtes begegnet auch im übrigen keinen bedenken. diese ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich nur darauf, ob die behörde das ermessen in seiner reichweite erkannt, ihre erwägungen am zweck der ermessensermächtigung ausgerichtet und die gesetzlichen grenzen ihres ermessens nicht überschritten hat, § 114 satz 1 vwgo, § 40 vwvfg. mit einer befristung auf 6 monate ab dem tag der abschiebung hat das bundesamt die reichweite seines ermessens nicht überschritten. aus der begründung ist zudem erkennbar, dass es seine erwägungen am zweck der ermessensermächtigung ausgerichtet hat, indem es das öffentliche interesse an dem verbot einer kurzfristigen wiedereinreise des klägers mit dessen interesse an einer erneuten einreise in das bundesgebiet abgewogen hat. dabei hat es mit hinweis darauf, dass besondere schutzwürdige interessen des klägers an einer kurzfristigen wiedereinreise nicht ersichtlich sind, das öffentliche interesse in nicht zu beanstandender weise entsprechend seiner ständigen verwaltungspraxis für vergleichbare fälle gewichtet. 199vgl. zur überprüfung der ermessensentscheidung nach § 11 abs. 2 und 3 aufenthg auch: ovg nrw, urteil vom 19. mai 2017 ‑ 11 a 52/17.a ‑, rn. 110, juris. 200schließlich ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das bundesamt diese abwägung auf der grundlage eines falschen sachverhalts vorgenommen hätte oder sich der entscheidungserhebliche sachverhalt nachträglich in einer weise verändert hätte, die eine ergänzung der ermessensausübung erfordern würde. entsprechendes wird von dem kläger auch nicht vorgetragen. 201die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo, §§ 83b, 83c asylg. 202die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i. v. m. § 708 nr. 11, § 711 zpo. 203die revision wird nach § 134 abs. 1, abs. 2 satz 1 vwgo i.v.m. § 132 abs. 2 nr. 1 vwgo unter übergehung der berufungsinstanz als sprungrevision zugelassen. die rechtssache hat grundsätzliche bedeutung. grundsätzliche bedeutung kommt einer rechtssache zu, wenn sie eine für die revisionsentscheidung erhebliche frage des revisiblen rechts aufwirft, die im interesse der einheit oder der fortbildung des rechts revisionsgerichtlicher klärung bedarf. diese voraussetzungen sind hier erfüllt. insbesondere die aufgeworfene frage der unterbrechung der überstellungsfrist bei behördlicher aussetzung der vollziehung der überstellungsentscheidung ist bislang nur für den fall einer verfassungsrechtlichen überprüfung der überstellungsentscheidung höchstrichterlich geklärt, nicht jedoch für fallkonstellationen der vorliegenden art. diese frage betrifft eine vielzahl von fällen. 204rechtsmittelbelehrung: 205gegen dieses urteil steht den beteiligten die revision an das bundesverwaltungsgericht zu. die revision ist innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich einzulegen. 206die revision kann auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer rechtsverkehr-verordnung – ervv) eingelegt werden. 207die revisionsfrist ist auch gewahrt, wenn die revision innerhalb der frist bei dem bundesverwaltungsgericht (simsonplatz 1, 04107 leipzig) schriftlich oder als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der ervv eingelegt wird. 208die revision muss das angefochtene urteil bezeichnen. 209die revision ist innerhalb von zwei monaten nach zustellung dieses urteils zu begründen. die begründung ist bei dem bundesverwaltungsgericht (simsonplatz 1, 04107 leipzig) schriftlich oder als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der ervv einzureichen. 210im revisionsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 5 und 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 211die revision und die revisionsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. | Verklagte*r | 0 |
344,201 | 1 Sa 1282/21 | 2022-02-25T00:00:00 | Urteil | Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 16.09.2021 – 1 Ca 46/21 – unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten teilweise abgeändert. Unter vollständiger Zurückweisung ihrer Widerklage wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 1.390 € netto sowie weitere 6.275,22 € brutto nebst jeweils fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.01.2021 zu zahlen. Der Kläger trägt 16 %, die Beklagte 84 % der Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 20 %, der Beklagten zu 80 % auferlegt. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Parteien streiten – klagend und widerklagend – um Zahlungsansprüche aus dem inzwischen beendeten Arbeitsverhältnis. 3Der Kläger war bei der Beklagten auf der Basis eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 13.05.2019 nebst Nachträgen (Im Folgenden: AV-Nachträge) gleichen Datums über den Zeitraum vom 01.06.2019 bis zum 30.11.2020 als stellvertretende verantwortliche Pflegefachkraft mit regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Bruttomonatsverdienst von 3.250 € soweit einer Zulage von 200 € tätig. Arbeitsvertrag und Anhänge wurden dem Kläger vorformuliert von der Beklagten zur Unterzeichnung vorgelegt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Klägers vom 01.11.2020. 4Der Kläger, dem kalenderjährlich ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Gewährung von Erholungsurlaub im Umfang von 30 Tagen zustand, befand sich vom 06.01.2020 bis zum 28.01.2020, vom 20.04.2020 bis zum 24.04.2020, vom 26.07.2020 bis zum 31.07.2020, vom 03.08.2020 bis zum 07.08.2020 und vom 12.10.2020 bis zum 16.10.2020 und damit insgesamt an 37 Tagen im Erholungsurlaub. 5Dem Kläger war ein Dienstfahrzeug zu einem Anschaffungspreis von etwa 21.000 € überlassen. Die dazu getroffene „Dienstwagenvereinbarung“ vom 20.07.2019 legte u.a. fest: 6„§ 7 Widerruf, Rückgabe des Fahrzeugs 7Der Arbeitgeber behält sich vor, aus betriebliche Gründen die Rückgabe des Fahrzeugs nebst Zubehör von dem Arbeitnehmer zu verlangen, insbesondere bei Erkrankung des Arbeitnehmers mit dem Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums, in der Elternzeit, mit Freistellung des Arbeitnehmers, sowie für den Fall einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses. 8Dieses Widerrufsrecht des Arbeitgebers gilt unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung. Für die bisherige Privatnutzung wird dem Arbeitnehmer eine Nutzungsentschädigung in Höhe der lohnsteuerrechtlichen Nutzungspauschale gewährt.“ 9Das Dienstfahrzeug gab der Kläger am 22.01.2020 bei der Beklagte ab. Er stellte das Fahrzeug auf den Betriebshof der Beklagten vor das dortige Büro. Den Fahrzeugschlüssel gab der Kläger Ende Januar 2020 ab. 10Der Kläger nahm in der Zeit von August bis November 2020 an einer Fortbildung zum Erwerb des Zertifikats „Pflegeexperte für die außerklinische Beatmungspflege“ teil. Die Kosten für die Teilnahme des Klägers beliefen sich auf 1.890 €. Der Kläger erhielt einen Bildungsscheck in Höhe von 500 €, der vom Bildungsträger auf diese Kosten angerechnet wurde. Für die Teilnahme wurde der Kläger von der Arbeit unter Vergütungszahlung an insgesamt 12 Tagen freigestellt. 11Arbeitsvertraglich regelten die Parteien in den Nachträgen vom 13.05.2021 u.a. Folgendes: 12„§ 13 Vereinbarung Fortbildung (Anhang 6 und 7) 13„Vereinbarung über Fortbildung mit Rückzahlungsklausel“ 14Der Arbeitnehmer nimmt nach der Probezeit (6 Monate) verpflichtend an folgenden Fortbildungsmaßnahmen teil: (Grundkurs Pflegefachkraft Beatmungspflege (falls noch nicht vorhanden), innerbetriebliche, regelmäßige Schulungen, sonstige Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. 15(…) 16Der Arbeitnehmer ist zur Rückzahlung der für die Dauer der Fortbildungsmaßnahmen empfangenen Bezüge und der von dem Arbeitgeber übernommenen Kosten der Fortbildungsmaßnahme verpflichtet, wenn er das Arbeitsverhältnis selbst kündigt oder wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aus einem Grund gekündigt wird, den der Arbeitnehmer zu vertreten hat.“ 17Einer zweitinstanzlich erstmals vorgelegten „Dienstvereinbarung über Arbeitszeitkonten vom 13.05.2019 ist im dortigen § 2 „Führung des Arbeitszeitkontos“ zu entnehmen, dass die Beklagte ein Arbeitszeitkonto mittels eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems für die Erfassung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit unterhält, die die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit über- oder unterschreitet. Die Dienstvereinbarung regelt u.a.: 18„§ 4 Erfassung und Aufzeichnung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit 19Zur Ermittlung der monatlich geleisteten Mehr- oder Minderzeiten hat der Anstellungsträger die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden (Beginn, Ende, Dauer) aufzuzeichnen. 20Der Anstellungsträger (PDL/GF) kann die Aufzeichnung delegieren. 21Wird die Aufzeichnung der Arbeitszeit auf den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin selbst delegiert, kann die Arbeitszeit auf einem Stundenzettel erfasst werden. In diesen Fällen erfolgt die Übernahme der auf dem Stundenzettel erfassten Arbeitszeiten in die Arbeitszeitaufzeichnung durch die PDL/GF oder durch eine von der PDL/GF beauftragte Person. 22Die tatsächliche Arbeitszeit (Stundenzettel) ist spätestens bis zum Ablauf des 3. Kalendertages des nächsten Monats der PDL/GF per Mail, SMS oder auf dem Postweg vorzulegen. 23Die am Ende des Kalendermonats von der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit abweichenden Arbeitsstunden werden auf das vom Anstellungsträger geführte Arbeitszeitkonto gebucht.“ 24Von dem Vergütungsanspruch des Klägers für den Monat November 2019 zog die Beklagte 1.890 € netto ab und wies dies in der Lohnabrechnung unter „sonstiger Lohnabzug aus“. 25Der Kläger hat behauptet, die Geschäftsführerin der Beklagten habe ihm angeboten, den Dienstwagen gegen Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung in Höhe von 500 € zurückzugeben. Ein diesbezügliches Gespräch habe zwischen den Parteien in der Wohnung einer Patientin während der Übergabezeit stattgefunden. Zwei Angehörige der Patientin seien anwesend gewesen. Am 16.01.2020 habe er dem Zeugen A. telefonisch mitgeteilt, dass er den Dienstwagen zu Ende Januar zurückgeben werde und die Ersatzzahlung in Anspruch nehme. Am 24.01.2020 sei die Geschäftsführerin nicht persönlich zugegen gewesen. Der Schlüssel sei ihr am 29.01.2020 ausgehändigt worden. Daher, so seine Auffassung, stünde ihm eine Nutzungspauschale von 500 € monatlich zu, die er für 10 Monate in Höhe von 5.000 € einfordere. 26Der von ihm überreichten Tabelle sei zu entnehmen, dass sein Arbeitszeitkonto bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses 414,5 Mehrarbeitsstunden aufgewiesen habe. Die Beklagte habe seine Arbeitszeit von Juni 2019 bis April 2020 elektronisch erfasst. Von Mai bis November 2020 habe das nicht mehr stattgefunden, obwohl der Beklagten seine handschriftlichen Stundenzettel vorgelegen hätten. Vergütet habe die Beklagte mit der Novemberabrechnung lediglich 80 Mehrarbeitsstunden. Es seien damit noch 334,5 Stunden zu je 18,76 €, also 6.275,22 € brutto zu bezahlen. 27Der Lohnabzug für November 2020 – so seine Auffassung - sei ohne Rechtsgrund erfolgt. Soweit die Beklagte Kosten im Zusammenhang mit der von ihm absolvierten Fortbildung in Abzug gebracht habe, stünde der Beklagten eine Anspruchsgrundlage für die Rückforderung nicht zu. Die Beklagte müsse daher für November 2020 an ihn noch 1.890 € netto bezahlen. 28Fordere die Beklagte nun widerklagend Rückzahlung der Urlaubsabgeltung und Zahlung für vermeintlich zu viel gewährten Urlaub ein, fehle ihr eine Anspruchsgrundlage. So habe es sich beim Urlaub vom 6. bis zum 28.01.2020 in Höhe von 17 Tagen um Resturlaub aus 2019 gehandelt. Dieser Erholungsurlaub sei von der Beklagten einseitig angeordnet worden. Aufgrund des massiven Arbeitsaufkommens habe er den Urlaub in 2019 nicht antreten können. 2020 habe er lediglich 20 Urlaubstage erhalten. 10 Urlaubstage hätten damit – wie geschehen - abgegolten werden müssen. 29Die Vorwürfe der Beklagten, die sie zur Grundlage von Schadensersatzforderungen über 8.000 € mache, seien unsubstantiiert. Die Beklagte müsse ferner Nachtschichtzulagen in Höhe von 78,96 € zahlen, Arbeitspapiere herausgeben und ein Arbeitszeugnis erteilen. 30Der Kläger hat beantragt: 31321. Die Beklagte wird verurteilt, an ihn 11.275,22 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 332. Die Beklagte wird verurteilt, an ihn 1.968,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 343. Die Beklagte wird verurteilt, ihm ein Arbeitszeugnis zu erteilen. 354. Die Beklagte wird verurteilt, ihm einen Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2020 auszuhändigen oder elektronisch bereitzustellen. 365. Die Beklagte wird verurteilt, ihm den Inhalt der Meldung zur Sozialversicherung betreffend die Jahresmeldung für das Jahr 2020 in Textform mitzuteilen. 37Die Beklagte hat beantragt, 38die Klage abzuweisen. 39sowie - rechtshängig seit dem 27.05.2021 - unter Widerklagerücknahme im Übrigen: 40411. Der Kläger wird verurteilt, an sie 4.877,60 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2020 zu zahlen. 422. Der Kläger wird verurteilt, an sie 8.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 43Die Kläger hat beantragt, 44die Widerklage abzuweisen. 45Die Beklagte hat bestritten, dass zwischen den Parteien ein Gespräch über die Gewährung einer monatlichen Nutzungsentschädigung stattgefunden habe. Sie hat die Auffassung geäußert, sie könne vom Kläger nach § 13 Abs. 6 AV-Nachtrag Erstattung der Kosten verlangen, die dessen Fortbildung verursacht hätte. Diese habe sie in Höhe von 1.890 € vom Novemberlohn in Abzug gebracht. Außerdem stünde ihr ein Anspruch auf Rückzahlung der während der Freistellung des Klägers für die Zwecke der Teilnahme an der Fortbildung für 12 Tage gewährten Vergütung zu. Bei einem Stundenlohn von 18,76 € und einer achtstündigen täglichen Arbeitsverpflichtung ergäbe sich damit unter Berücksichtigung arbeitgeberseitiger Sozialabgaben von 20 Prozent ein Betrag in Höhe von 2.165,15 €, den sie zuletzt reduziert um den Betrag der Sozialabgaben in Höhe von 1.800,96 € widerklagend einfordere. 46Der Kläger habe eine Urlaubsabgeltung erhalten, die ihm nicht zustünde. Dem Kläger seien im Kalenderjahr 2020 37 Tage Erholungsurlaub gewährt worden. Mit der Novemberabrechnung habe sie für 10 Tage eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.026,08 € brutto an den Kläger zur Auszahlung gebracht, ohne dass dem Kläger ein Zahlungsanspruch zugestanden habe. Die Rückzahlung des Betrages verfolge sie mit der Widerklage. Für das Jahr 2020 habe der Kläger 7 Tag zu viel Urlaub erhalten. Darauf entfiele ein Urlaubsentgelt in Höhe von 1.056,56 € brutto. Auch diesen Betrag fordere sie vom Kläger mit ihrer Widerklage ein. 47Sie hat behauptet, eine elektronische Zeiterfassung habe nicht bestanden. Ihren Dienstplänen lasse sich entnehmen, dass der Kläger 2019 insgesamt 1.360.50 Stunden und im Jahr 2020 insgesamt 1.639 Stunden gearbeitet habe. Abgegolten worden seien sowohl 2019 als auch 2020 jeweils 90 Überstunden. Damit ergebe sich ein Saldo zugunsten des Klägers von 17 Stunden. Der Vortrag des Klägers zu Überstunden, die er einfordere, sei vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. 48Sie könne vom Kläger Schadensersatz in Höhe von 8.000 € verlangen. Der Kläger habe während seiner Tätigkeit für sie aktiv den Pflegedienst B eingeschaltet, damit der Patient C. betreut werden solle. Die Ehefrau des Patienten habe er mit Vergünstigungen gelockt. Dies habe er offen gegenüber einer weiteren Mitarbeiterin bekundet. Die Abwerbung sei im November/Dezember 2020 erfolgt. Gegenüber anderen Patienten habe er bekundet, er habe die Absicht, sie - die Beklagte - zu vernichten. Eine erste Aussage dieser Art sei bereits auf der Weihnachtsfeier 2019 erfolgt. Durch die Abwerbung des Patienten sei ihr ein Schaden in Höhe von monatlich 2.000 € entstanden, den sie für die Monate Januar bis April 2021 widerklagend einfordere. 49Mit Urteil vom 16.09.2021 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, soweit der Kläger Zahlung einer Nutzungsentschädigung sowie Abgeltung von Überstunden eingefordert hat. Der Kläger habe nicht vortragen können, dass die Vorrausetzungen einer vertraglichen Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Nutzungsausfallentschädigung gegeben seien. Auch Schadensersatzansprüche seien nicht ersichtlich. Der Sachvortrag des Klägers habe der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess nicht entsprochen. Abgewiesen hat das Arbeitsgericht die Klage auch insoweit, als der Kläger Zahlung des von der Novembervergütung einbehaltenen Betrags in Höhe von 1.890 € netto einfordert, soweit die Klage insoweit den Betrag von 500 € überschritten hatte. Die Beklagte habe zurecht mit einem Anspruch auf Rückzahlung der für die Fortbildung des Klägers aufgewandten Kosten aufrechnen können. Der Rückzahlungsanspruch ergebe sich aus § 13 AV-Nachtrag. An der Wirksamkeit der Klausel, deren Voraussetzungen gegeben seien, bestünden keine Zweifel. Anrechnen lassen müsse sich die Beklagte allerdings einen Betrag in Höhe von 500 €. Der dem Kläger gewährte und vom Träger der Fortbildung akzeptierte Bildungsscheck reduziere die erstattungsfähigen Kosten der Beklagten. Zuzusprechen sei der Klage, soweit der Kläger Nachtzuschläge in Höhe von 78,96 € einfordere. Auch solche Erschwerniszuschläge unterfielen der Entgeltfortzahlungsverpflichtung. Die bergehrten Arbeitspapiere und das Arbeitszeugnis könne der Kläger ebenfalls einfordern. 50Das Arbeitsgericht hat der Widerklage im Umfang von 1.800,96 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Beklagte könne auf der Grundlage des § 13 AV-Nachträge auch die Vergütungskosten während der Freistellung zur Teilnahme des Klägers an der Fortbildung verlangen. 51Weitere Zahlungsansprüche stünden ihr nicht zu. Die Urlaubsabgeltung des Klägers sei nicht ohne Rechtsgrund erfolgt. Die Beklagte sei den Behauptungen des Klägers nicht substantiiert entgegengetreten, bei dem ihm vom 06.01.2020 bis zum 28.01.2020 gewährten Urlaub habe es sich um Resturlaub aus dem Kalenderjahr 2019 gehandelt. Mit der Gewährung des in diese Zeit fallenden Urlaubs habe die Beklagte demgemäß nicht den Erholungsurlaubsanspruch des Jahres 2020 erfüllt. Die auf diese Zeit entfallenden 17 Tage an Erholungsurlaub seien von den 37 in 2020 gewährten Tagen in Abzug zu bringen. Damit habe die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Erholungsurlaub für das Kalenderjahr 2020 in einem Umfang von 20 Tagen erfüllt. 10 Tage seien damit noch abzugelten gewesen. Damit bestünde weder ein Anspruch auf Rückzahlung einer rechtsgrundlos gewährten Urlaubsabgeltung noch ein Anspruch auf Erstattung des auf 7 Tage entfallenden Urlaubsentgelts. Der im Übrigen eingeklagte Schadensersatz über 8.000 € scheitere am unschlüssigem Vortrag der Beklagten zu einer Pflichtverletzung des Klägers. 52Gegen das dem Kläger am 08.10.2021 und der Beklagten am 11.10.2021 zugestellte Urteil richten sich die Berufungen der Parteien. Der Kläger hat die Berufung am 29.10.2021 eingelegt und am 28.12.2021 nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.01.2022 begründet. Der Berufung hat sich die Beklagte am 13.12.2021 angeschlossen und diese am 04.01.2022 begründet. 53Der Kläger begründet seine Berufung unter Wiederholung und Vertiefung der erstinstanzlichen Ausführungen und unter Beantwortung der Berufung der Beklagten im Wesentlichen wie folgt: 54Das Arbeitsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, sein Vortrag zur Gewährung einer Nutzungsausfallentschädigung sei zu pauschal. Kurz vor dem 16.01.2020 habe ein Gespräch zwischen ihm und der Geschäftsführerin der Beklagten in der Wohnung einer Patientin stattgefunden. Während des Gesprächs habe die Geschäftsführerin der Beklagten ihm angeboten, den Dienstwagen gegen Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung in Höhe von 500,00 € zurückzugeben. Dieses Gespräch habe in Anwesenheit zweier Angehöriger der Patientin stattgefunden. Zuletzt habe die Geschäftsführerin angeboten, 500 € monatlich zu zahlen. Am 16.01.2021 habe er sodann dem Mitarbeiter A. mitgeteilt, er werde den Dienstwagen zu Ende Januar zurückgegeben und die Ersatzzahlung ab Februar in Anspruch nehmen. Das Fahrzeug sei am 24.01.2020 ordnungsgemäß übergeben worden. Da die Geschäftsführerin nicht anwesend gewesen sei, sei ihr der Schlüssel am 29.01.2021 ausgehändigt worden. 55Das Arbeitsgericht habe zwar die Grundsätze der bestehenden Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess richtig erkannt, doch fehlerhaft angewandt. Zwischen den Parteien bestünde eine „Dienstvereinbarung über Arbeitszeitkonten“. Dadurch habe sich die Beklagte verpflichtet, ein Arbeitszeitkonto mittels eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems zu führen. Die Erfassung der Arbeitszeiten habe die Beklagte entsprechend der Regelung in § 4 dieser Dienstvereinbarung auf ihn – den Kläger – delegiert. Am Ende eines jeden Monats habe er dem Mitarbeiter A. seine Aufzeichnungen übergeben. Bis April 2020 habe dieser Mitarbeiter die übermittelten Angaben in das Arbeitszeitkonto eingetragen. Die von ihm im Rahmen des Prozesses vorgelegten Ausdrucke seien solche aus dem Arbeitszeiterfassungssystem der Beklagten. Für Mai bis November 2020 habe er seine Aufzeichnungen ebenfalls übergeben. Seiner Kenntnis entziehe es sich, warum der Mitarbeiter A. diese Angaben nicht in das Arbeitszeiterfassungssystem übertragen habe. 56Einen Lohnabzug im November 2020 habe die Beklagte zu Unrecht vorgenommen. Dem stünde schon entgegen, dass es sich ausweislich der Regelung in § 13 AV-Nachtrag bei der Fortbildung zu Beatmungspflege um eine Pflichtfortbildung gehandelt habe. Außerdem sei die Klausel unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB und damit unwirksam. Sie differenziere nicht ausreichend nach dem Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte könne damit weder den Lohneinbehalt vornehmen noch einen Betrag in Höhe von 1.800,06 € an Freistellungskosten von ihm zurückverlangen. Die Widerklage sei demgemäß in vollem Umfang abzuweisen. 57Zutreffend habe das Arbeitsgericht die Widerklage abgewiesen, soweit die Beklagte Rückzahlung für eine vermeintlich ohne Rechtsgrund erlangte Urlaubsabgeltung und gezahltes Urlaubsentgelt für 7 Tage sowie Schadensersatz eingefordert hat. Der Urlaub – so seine Behauptung – habe 2019 aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden können. Die Beklagte habe auch in ihrer Berufung nicht dargelegt, wann er Urlaub im Kalenderjahr 2019 Urlaub erhalten haben solle. Aus dem elektronischen Arbeitszeitkonto ergebe sich, dass ihm im Jahr 2019 kein Erholungsurlaub gewährt worden sei. Er sei deshalb in das Folgejahr übertragen worden. Er habe keinen Patienten der Beklagten abgeworben. Den Geschäftsführer des von der Beklagten benannten Pflegdienstes kenne er nicht. Die Ausführungen zur Schadenshöhe seien nach wie vor unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar. Die Behauptungen im Zusammenhang mit einem vermeintlichen Abwerben eines Patienten seien unsubstantiiert geblieben. 58Der Kläger beantragt, 59das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 16.09.2021 – 1 Ca 46/21 – teilweise abzuändern und die Beklagte unter vollständiger Abweisung deren Widerklage zu verurteilen, an ihn 11.275,22 € brutto sowie weitere 1.390 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.01.2021 zu zahlen. 60Die Beklagte beantragt, 61unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen teilweise abzuändern und den Kläger widerklagend zu verurteilen, an sie 3.076,64 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2020 sowie weitere 8.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.05.2021 zu zahlen. 62Der Kläger beantragt, 63die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. 64Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Abweisung der Widerklage. Sie begründet ihre Berufung und erwidert auf die klägerische Berufung im Wesentlichen wie folgt: 65Ihr stünde ein Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.026,08 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Unstreitig sei, dass dem Kläger in 2020 insgesamt 37 Tage Urlaub gewährt worden seien. Ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Gewährung von Urlaub für das Kalenderjahr 2019 sei mit Ablauf des 31.12.2019 verfallen. Hat sie zunächst behauptet, der Kläger habe in 2019 bereits 17 Tage Urlaub genommen, wozu sie Urlaubslisten für das Kalenderjahr 2019 vorlegen könne, behauptet sie nun, der Kläger sei immer wieder darauf angesprochen worden, er möge seinen Jahresurlaub nehmen, andernfalls verfalle dieser. Der Kläger habe immer wieder mitgeteilt, er benötige keinen Urlaub. Das gelte auch für den dem Kläger ihrerseits für die zweite, dritte und vierte Woche im Dezember 2019 angebotenen Urlaub. Sie könne demgemäß die gezahlte Urlaubsabgeltung und das Urlaubsentgelt für 7 Tage Erholungsurlaub, die dem Kläger nicht zugestanden hätten, herausverlangen. 66Außerdem stünde ihr ein Zahlungsanspruch über 8.000 € aus § 280 Abs. 1 BGB zu. Der Kläger habe seine Pflichten im November 2020 verletzt. Während seiner Tätigkeit habe er den Patienten C. aus D betreut. Ende November 2020 sei der Kläger „proaktiv“ auf den Pflegedienst B zugegangen. Dem dortigen Geschäftsführer habe er mitgeteilt, er könne ihm einen Patienten vermitteln. Der Ehefrau des Patienten habe er dafür eine Belohnung versprochen. Diese habe in einer „Vergünstigung“ bei der Pflege bestanden. Dazu habe er mit dem Geschäftsführer der Fa. B besondere Konditionen ausgehandelt. Der Behandlungsvertrag des Patienten C. sei nach diesem Gespräch außerordentlich gekündigt worden. Dies stelle einen vorsätzlichen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten dar. Der Schaden belaufe sich monatlich auf 2.000 €. Dieser Gewinn sei bei einer vierundzwanzigstündigen Intensivpflege üblich. Das Arbeitsgericht hätte ihrem erstinstanzlichen Vortrag nachgehen und Beweis über ihre Behauptung erheben müssen, der Kläger habe sich bereits anlässlich der Weihnachtsfeier 2019 geschäftsschädigend gegenüber einer Zeugin geäußert. 67Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen. 68Entscheidungsgründe: 69I. Die Berufungen beider Parteien sind nach § 64 Abs. 1 ArbGG statthaft und nach dem Wert des jeweiligen Beschwerdegegenstandes gem. § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG zulässig. Der Kläger hat die Berufung gegen das ihm am 08.10.2021 zugestellte Urteil am 29.10.2021 eingelegt und am 28.12.2021 nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.01.2022 begründet. Der Beklagten wurde das Urteil am 10.11.2021 zugestellt. Sie hat sich der Berufung des Klägers am 13.12.2021 angeschlossen und diese am 04.01.2022 – also innerhalb der ihr bis zum 12.02.2022 gesetzten Berufungserwiderungsfrist und damit rechtzeitig gem. den §§ 64 Abs. 6 ArbGG; 524 Abs. 2 S. 2 ZPO - begründet. 70Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. 71II. Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet. 721. Unbegründet ist sie jedoch, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Arbeitsgericht den auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.000 € gerichteten Klageantrag abgewiesen hat. Der Kläger selbst stützt diesen Anspruch ausschließlich auf eine angenommene vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien. Eine solche ist nicht ersichtlich. Der klägerische Vortrag ist unschlüssig. 73Der Kläger kann den Anspruch insbesondere nicht auf § 7 Abs. 2 S. 2 Dienstwagenvereinbarung stützen. Danach wird dem Arbeitnehmer für die bisherige Privatnutzung eine Nutzungsentschädigung in Höhe der lohnsteuerrechtlichen Nutzungspauschale gewährt. Das wiederum setzt voraus, dass der Arbeitgeber von seinem in § 7 Abs. 1 Dienstwagenvereinbarung geregelten Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hat. 74a) Der Kläger hat nicht behauptet, die Beklagte habe einen solchen Widerruf im Sinne des § 7 Abs. 1 Dienstwagenvereinbarung erklärt. Behauptet hat er, die Geschäftsführerin der Beklagten habe ihm angeboten, den Dienstwagen gegen Zahlung der monatlichen Nutzungsentschädigung zurückzugeben. Das Berufungsgericht versteht dies dahingehend, der Kläger wolle behaupten, die Geschäftsführerin der Beklagten habe ihm ein Angebot dahingehend unterbreitet, trotz des nicht erfolgten Widerrufs der Fahrzeugüberlassung eine Nutzungsentschädigung zu zahlen, sofern er das Fahrzeug zurückgebe. 75b) Das so vom Kläger behauptete Angebot im Sinne des § 145 BGB soll nach den in der Berufung ergänzend vorgetragenen Behauptungen des Klägers während eines Gesprächs der Parteien in der Wohnung einer Patientin in Anwesenheit zweier Angehöriger erfolgt sein. Dieses Gespräch soll kurz vor dem 16.01.2020 stattgefunden haben. Die Geschäftsführerin habe ihm angeboten, 500 € monatlich zu zahlen. 76c) Nach den weiteren Behauptungen des Klägers habe er sodann dem Mitarbeiter A. der Beklagten am 16.01.2020 telefonisch mitgeteilt, er werde den Dienstwagen zu Ende Januar zurückgegeben und die Ersatzzahlung ab Februar in Anspruch nehmen. Danach hat der Kläger die Annahme des behaupteten Angebots der Beklagten also nicht unmittelbar während des Gesprächs in Anwesenheit der Patientin und zweier Angehöriger erklärt, sondern erst am 16.01.2020 telefonisch gegenüber einem Mitarbeiter der Beklagten. 77d) Ein Angebot unter Anwesenden kann nach § 147 Abs. 1 S. 1 BGB allerdings nur sofort angenommen werden. Das ist nach den – als zutreffend unterstellten - Behauptungen des Klägers indes nicht geschehen. Nach § 147 BGB erlischt ein Angebot, wenn es nicht nach den §§ 147 ff BGB rechtzeitig angenommen wird. Mangels sofortiger Annahme des vom Kläger behaupteten Angebots der Beklagten „kurz vor dem 16.01.2020“ wäre dieses Angebot nach § 146 BGB erloschen. 78e) Die verspätet erklärte Annahme des behaupteten Angebots der Geschäftsführerin der Beklagten, die der Kläger gegenüber dem Mitarbeiter A. am 16.01.2020 telefonisch abgegeben haben will, gilt nach § 150 Abs. 1 BGB als neuer Antrag. Doch lassen sich dem Sachvortrag des Klägers keine weiteren Behauptungen entnehmen, dass die Annahme dieses neuen Angebot des Klägers von der Beklagten erklärt worden ist. Eine Annahmeerklärung des Mitarbeiters A. wird vom Kläger nicht behauptet. Auch fehlen Behauptungen zur Vertretungsmacht dieses Mitarbeiters i.S.d. § 164 Abs. 1 BGB. Soweit der Kläger behauptet, der Schlüssel des Dienstfahrzeugs sei der Geschäftsführerin am 29.01.2020 ausgehändigt worden, lässt sich auch dem nicht entnehmen, dass das Angebot des Klägers auf Abschluss einer Nutzungsentschädigungsvereinbarung angenommen worden sein könnte. Will der Kläger vortragen, dass in der behaupteten Annahme des Schlüssels durch die Geschäftsführerin eine konkludente Annahme eines möglichen Angebots vom 16.01.2020 zu sehen sei, wäre auch dieses Angebot verspätet angenommen worden. Denn auch das Angebot vom 16.01.2020 hätte sofort angenommen werden müssen. Dies gilt nämlich nach § 147 Abs. 1 S. 2 BGB auch für solche Angebote, die mittels Fernsprechers von Person zu Person gemacht worden sind. 79f) Damit lässt sich dem unstreitigen Sachvortrag und den – als richtig unterstellten – Behauptungen des Klägers nicht schlüssig entnehmen, dass zwischen den Parteien eine Vereinbarung über die Gewährung einer Nutzungsausfallentschädigung zustande gekommen ist. Da der Kläger bereits den Grund des Anspruchs nicht schlüssig vorgetragen hat, musste sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage befassen, ob dies jedenfalls für die Höhe des Anspruchs gilt. Die Kammer konnte auch offenlassen, ob der Anspruch des Klägers – zumindest teilweise – verfallen ist, weil er vom Kläger nicht innerhalb der sechsmonatigen Verfallfrist des § 12 Arbeitsvertrag geltend gemacht worden ist. 802. Die Berufung des Klägers hat Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Arbeitsgericht die Klage im Hinblick auf geltend gemachte Überstunden abgewiesen hat. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung einer Überstundenvergütung für 334,5 Überstunden zu je 18,76 € in Höhe von insgesamt 6.275,22 € brutto aus § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag der Parteien und § 5 Abs. 2 Dienstvereinbarung Arbeitszeitkonten zu. 81a) Die Parteien haben in § 5 Abs. 1 Dienstvereinbarung Arbeitszeitkonten ausdrücklich geregelt, dass Überstunden unter dort näher genannten Voraussetzungen auszuzahlen sind. Sie haben damit eine arbeitsvertragliche Vereinbarung zur Abgeltung von Überstunden herbeigefügt, so dass die Regelung in § 612 BGB nicht mehr zu bemühen war. 82b) Die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos, das der Erfassung von Überstunden diente, gilt zweitinstanzlich als unbestritten. Zwar hat die Beklage erstinstanzlich behauptet, eine elektronische Zeiterfassung habe nicht bestanden. Den zweitinstanzlichen Behauptungen des Klägers zur verpflichtenden Führung eines Arbeitszeitkontos, die der Kläger unter Vorlage einer von den Parteien unter dem 13.05.2019 unterzeichneten „Dienstvereinbarung über Arbeitszeitkonten“ vorgetragen hat, ist die Beklagte aber nicht mehr entgegengetreten. 83Damit steht für das Berufungsgericht fest, dass die Beklagte – wie es § 4 Dienstvereinbarung über Arbeitszeitkonten vorsah und möglich machte – die Erfassung der Arbeitszeit auf den Kläger delegierte, dieser die Arbeitszeit auf Stundenzetteln erfasste und sodann von der Pflegedienstleitung oder Geschäftsleitung in die Arbeitszeitaufzeichnung übernehmen ließ. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang bereits erstinstanzlich unter Vorlage von Auszügen aus der Arbeitszeiterfassung und von Stundenzetteln zu geleisteten Überstunden vorgetragen, ohne dass sich die Beklagte dazu über ein bloßes Bestreiten hinaus qualifiziert erklärt hätte. Zweitinstanzlich hat der Kläger diese Behauptungen durch Vorlage der „Dienstvereinbarung über Arbeitszeitkonten“ und weitere Unterlagen konkretisiert. Zu diesem Vortrag hat sich die Beklagte zweitinstanzlich nicht mehr erklärt. Die Behauptungen des Klägers gelten damit nach § 138 Abs. 3 ZPO mangels ausdrücklichen Bestreitens als zugestanden. 84b) Damit ist der Kläger seiner Darlegungslast zu Überstunden, die noch nicht vergütet worden sind, zumindest zweitinstanzlich ausreichend nachgekommen. Einen Arbeitnehmer, der eine Vergütung von Überstunden begehrt, trifft die Darlegungs- und Beweislast sowohl für geleisteten Arbeitsstunden über die vereinbarte Normalarbeitszeit hinaus als auch dafür, dass die Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst worden oder diesem jedenfalls zuzurechnen sind (BAG, 21.12.2016 - 5 AZR 363/16; 10.04.2013 - 5 AZR 122/12 - Rn 9, 13 ff). 85aa) Der Kläger hat schlüssig dargelegt, dass sich der Stand seines Arbeitszeitkontos im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf 334,5 Stunden belief. Für den schlüssigen Sachvortrag des Klägers ist es ausreichend, dass er die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos und das Bestehen eines Guthabens zum vereinbarten Auszahlungszeitpunkt darlegt. Buchungen auf einem Arbeitszeitkonto sind zwar keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen, sondern lediglich tatsächliche Handlungen im Sinne von Wissenserklärungen. Doch stellt der Arbeitgeber mit der vorbehaltlosen Ausweisung von Guthabenstunden in einem Arbeitszeitkonto dessen Saldo streitlos und bringt damit zum Ausdruck, dass bestimmte Arbeitsstunden tatsächlich und mit seiner Billigung geleistet wurden (vgl. BAG 26.06.2019 – 5 AZR 452/18; 23.09.2015 - 5 AZR 767/13). 86bb) Der Schlüssigkeit des klägerischen Vortrags steht nicht entgegen, dass nicht sämtliche der 334,5 zur Abgeltung eingeklagten Überstunden in das Arbeitszeitkonto eingestellt worden waren. So hat die Beklagte die vom Kläger auf einem dafür vorgesehenen Muster handschriftlich erfassten Arbeitszeiten nur bis April 2020 in das Arbeitszeitkonto übertragen und sodann lediglich die vom Kläger erfassten Arbeitszeiten entgegengenommen. § 4 Abs. 3 Dienstvereinbarung über ein Arbeitszeitkonto legt fest, dass die vom Arbeitnehmer auf einem Stundenzettel erfassten Arbeitszeiten durch die Pflegedienstleitung, die Geschäftsführung oder eine entsprechend beauftragte Person in die Arbeitszeitaufzeichnung zu übernehmen sind. Es lag damit im Verantwortungs- und Pflichtenkreis der Beklagten, nach Hereingabe der Stundenzettel eine Übernahme in die Arbeitszeitaufzeichnung durchzuführen. Kommt sie dem nicht nach, obwohl der Kläger seinerseits alle arbeitsvertraglichen Verpflichtungen erfüllt hat, kann sie sich darauf nach § 162 Abs. 1 BGB nicht berufen. 87Nach § 162 Abs. 1 BGB gilt eine Bedingung dann als eingetreten, wenn sie von der Person wider Treu und Glauben vereitelt wird, zu deren Nachteil der Bedingungseintritt gereichen würde. Nach diesem Rechtssatz, der § 242 BGB entspringt, handelt wider Treu und Glauben, wer sich anders verhält, als es im Hinblick auf Eintritt und Nichteintritt der Bedingung Sinn und Zweck des Rechtsgeschäfts entspricht (Jauernig-Mansel, BGB, 18. Aufl. 2021, § 162 Rn. 3). Der Kläger musste sich darauf verlassen können, dass die Beklagte ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachkommt und die in ihrem Verantwortungsbereich liegende Übertragung der vom Kläger erfassten Arbeitszeiten vornimmt. Rechtsfolge des § 161 BGB ist die Fiktion des Bedingungseintritts, hier also die Annahme, dass eine Übertragung der vom Kläger aufgelisteten Arbeitsstunden in das Arbeitszeitkonto erfolgt ist. Für diese fingiert erfassten Arbeitsstunden greifen dieselben Darlegungsgrundsätze wie für diejenigen Stunden, die die Beklagte dem Arbeitszeitkonto bis April 2020 zugeführt hat. 88cc) Dem so schlüssig dargelegten Umfang offener Überstunden am Ende des Arbeitsverhältnisses ist die Beklagte ihrerseits nicht mit substantiiertem und schlüssigem Vortrag entgegengetreten. So ist insbesondere der erfolgte Verweis auf die in Dienstplänen festgelegten Arbeitszeiten unbehelflich. Darin dokumentieren sich lediglich die Soll-, nicht aber die Ist-Arbeitszeiten der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, also diejenigen Arbeitszeiten, die abweichend geplanter Dienste tatsächlich erbracht worden sind. 89c) Die Beklagte kann nicht einwenden, die Abgeltung der auf dem Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Überstunden sei nach § 12 Arbeitsvertrag – zumindest teilweise – verfallen, weil sie nicht vom Kläger innerhalb der dort genannten Verfallfristen geltend gemacht worden ist. Werden Überstunden in einem Arbeitszeitkonto vorbehaltlos ausgewiesen, ist der Zweck der Geltendmachung – ähnlich der vorbehaltlosen Ausweisung einer Vergütungsforderung in einer Lohnabrechnung – erreicht (BAG 23.09.2015 -5 AZR 767/13). Der Kläger war daher nicht mehr angehalten, die von der Beklagten durch Ausweisung des Arbeitszeitkontos bereits streitlos gestellten Guthaben erneut geltend zu machen. 903. Das arbeitsgerichtliche Urteil war abzuändern, soweit es den auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.890 € netto geltend gemachten Zahlungsantrag nur in einem Umfang von 500,00 € netto zugesprochen und im Übrigen abgewiesen hat. Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung des im November 2020 einbehaltenen Betrages in vollständiger Höhe aus § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag verlangen. 91Der zwischen den Parteien dem Grunde nach nicht im Streite stehende Teilvergütungsanspruch des Klägers ist nicht durch Aufrechnung der Beklagten mit einem Gegenanspruch nach § 389 BGB erloschen. Der Beklagten steht kein Anspruch gegen den Kläger in dieser Höhe zu, mit dem sie die Aufrechnung mit Erfüllungswirkung erklärt hätte. Insbesondere steht der Beklagten kein Anspruch auf Rückzahlung der Kosten für die Fortbildung zu, die der Kläger in den Monaten August bis November 2020 bei einer Freistellung unter Vergütungsfortzahlung mit dem Fortbildungsziel „Pflegeexperte für die außerklinische Beatmungspflege“ durchgeführt hat. Die Beklagte kann diesen Anspruch nicht auf eine rechtswirksame Anspruchsgrundlage stützen, insbesondere nicht auf § 13 AV-Nachträge. Die Rückzahlungsklausel in dieser vertraglichen Bestimmung benachteiligt den Kläger unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und ist demgemäß unwirksam. 92a) § 13 AV-Nachtrag stellt eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. §§ 305, 310 Abs. 3 Ziff. 1 BGB dar. Sowohl der Arbeitsvertrag als auch dessen Nachträge wurden dem Kläger von der Beklagte vorformuliert vorgelegt. Sie gelten damit bereits nach § 310 Abs. 3 Ziff. 1 BGB als Allgemeine Geschäftsbedingungen. 93Die Bestimmung verpflichtet den Kläger zur Rückzahlung der für die Dauer der Fortbildungsmaßnahme empfangenen Bezüge und der vom dem Arbeitgeber übernommenen Kosten der Fortbildungsmaßname, „wenn er das Arbeitsverhältnis selbst kündigt oder wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aus einem Grund gekündigt wird, den der Arbeitnehmer zu vertreten hat.“ Eine Rückzahlungsverpflichtung des Klägers besteht nicht, würde der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen kündigen. 94aa) Die Rückzahlungsklausel in § 13 AV-Nachtrag unterliegt mit diesem Inhalt einer Angemessenheits- und Transparenzkontrolle i.S.d. §§ 307 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB. Eine solche findet nach § 308 Abs. 3 S. 1 BGB nur bei solchen Allgemeinen Geschäftsbedingungen statt, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Dazu zählen alle Gesetze im materiellen Sinne, ebenso wie richterrechtlich entwickelte Rechtsgrundsätze (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 307 Rn. 51) und auch solche Regelungen, die die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; 18.03.2014 - 9 AZR 545/12; 13.12.2011 - 3 AZR 791/09; LAG Hamm 29.01.2021 - 1 Sa 954/20). Eine solche Ausgestaltung des Hauptleistungsversprechens legt § 13 AV-Nachtrag fest. Dort wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine Rückzahlung der Fortbildungskosten in Betracht kommt, zu deren Zahlung der Kläger sich synallagmatisch verpflichtet hatte. 95Ferner wird durch den ausgelösten Bleibedruck eine von der arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1, 2 GG und damit eine von Rechtsvorschriften abweichende Bestimmung getroffen (vgl. BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; 18.11.2008 - 3 AZR 192/07; 23.01.2007 - 9 AZR 482/06; 11.04.2006 - 9 AZR 610/05; LAG Hamm 11.02.2022 - 1 Sa 648/21; 29.01.2021 - 1 Sa 954/20; 18.05.2018 - 1 Sa. 49/18; 10.09.2010 – 7 Sa 633/10). 96bb) § 13 AV-Nachtrag benachteiligt dem Kläger gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Die Klausel ist daher unwirksam und entfällt ersatzlos. Sie ist auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung mit einem zulässigen Inhalt aufrechtzuerhalten. 97(1) Nach ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung müssen sich Rückzahlungsklauseln, die als allgemeine Geschäftsbedingungen formuliert sind, nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB daran messen lassen, ob sie den Arbeitnehmer als Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligen. Dabei sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB angemessen zu berücksichtigen (vgl. nur BAG 18.03.2014 - 9 AZR 545/12; 21.08.2012 - 3 AZR 698/10; 18.11.2008 - 3 AZR 192/07; 23.01.2007 - 9 AZR 482/06; 11.04.2001 - 9 AZR 610/05; LAG Hamm 11.02.2022 - 1 Sa 648/21; 29.01.2021 - 1 Sa 954/20; 18.05.2018 - 1 Sa. 49/18; 09.03.2012 - 7 Sa 1500/11; 14.01.2011 - 7 Sa 1386/10; 10.09.2010 - 7 Sa 633/10; LAG Nürnberg 26.03.2021 - 8 Sa 412/20; Schrade, Festschrift Ingrid Schmidt, 2021, S. 895, 897; Hoffmann, NZA-RR 2015, 337, 338; Meier/Mosig, NZA 2008, 1168, 1169; Düwell/Ebeling, DB 2008, 406; Schmidt, NZA 2004, 1002). 98Vorformulierte Rückforderungsklauseln sind nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dann unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu beachten und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren (BAG 18.03.2008 - 9 AZR 186/07; LAG Hamm 11.02.2022 - 1 Sa 648/21; 21.01.2021 – 1 Sa 954/20; 18.05.2018 - 1 Sa. 49/18). Um festzustellen, ob eine unangemessene Benachteiligung gegeben ist, sind die rechtlich anzuerkennenden Interessen der Vertragspartner wechselseitig zu berücksichtigen und zu bewerten. Dabei ist ein genereller und typisierender Maßstab anzulegen, der vom Einzelfall losgelöst ist. Unter Berücksichtigung der beteiligten Verkehrskreise sind Art, Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des Geschäfts zu berücksichtigen (BAG 27.7.2010 - 3 AZR 777/08; 18.03.2008 - 9 AZR 186/07; 11.04.2006 - 9 AZR 610/05; LAG Hamm 11.02.2022 - 1 Sa 648/21; 29.01.2021 – 1 Sa 954/20; 18.05.2018 - 1 Sa. 49/18). 99Zwar sind einzelvertragliche Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer zu einer Beteiligung an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung für den Fall verpflichten, dass er aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, grundsätzlich zulässig (BAG 18.03.2008 - 9 AZR 186/07; 11.04.2006 - 9 AZR 610/05; 24.06.2004 - 6 AZR 383/03; LAG Hamm 11.02.2022 - 1 Sa 648/21; 29.01.2021 - 1 Sa 954/20; 18.05.2018 - 1 Sa. 49/18; 09.03.2012 - 7 Sa 1500/11; 14.01.2011 - 7 Sa 1386/10; LAG Nürnberg 26.03.2021 – 8 Sa 412/20). Unwirksam sind sie dann, wenn die grundgesetzlich über Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG garantierte arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers unzulässig eingeschränkt wird. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn die Rückzahlungsverpflichtung bei verständiger Betrachtung einerseits einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entspricht und andererseits der Arbeitnehmer mit der Fortbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhält. Dabei sind die für den Arbeitnehmer zumutbaren Bindungen anhand einer unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips erfolgenden Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln (BAG 11.04.2006 - 9 AZR 610/05; 19.02.2004 – 6 AZR 552/02; 05.12.2002 - 6 AZR 539/01; LAG Hamm 11.02.2022 - 1 Sa 648/21; 29.01.2021 - 1 Sa 954/20; 18.05.2018 - 1 Sa. 49/18; 09.03.2012 - 7 Sa 1500/11; 14.01.2011 - 7 Sa 1386/10). 100Auf Seiten des Arbeitgebers ist zunächst das Interesse beachtenswert, eine vom Arbeitnehmer erworbene und von ihm – dem Arbeitgeber – finanzierte Qualifikation grundsätzlich für seinen Betrieb nutzen zu können (Erf-Kom.-Preis, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB Rn. 438). Dies lässt es berechtigt erscheinen, einen auf Kosten des Arbeitgebers fortgebildeten Arbeitnehmer im Falle eines Ausscheidens aus dem Betrieb an den Kosten zu beteiligen (BAG 11.04.2006 - 9 AZR 610/05; 19.02.2004 - 6 AZR 552/02). Dem steht das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber, seinen Arbeitsplatz frei wählen zu können, ohne mit der Last einer Kostenerstattung konfrontiert zu sein. Im Vordergrund des Abwägungsprozesses befindet sich der Umstand, ob der Arbeitnehmer mit der Ausbildung einen geldwerten Vorteil erlangt, der über die sonstigen wechselseitigen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen hinausgeht (vgl. nur BAG 11.04.2006 - 9 AZR 610/05; 19.02.2004 – 6 AZR 552/02; 16.03.1994 - 5 AZR 339/92; LAG Hamm 11.02.2022 - 1 Sa 648/21; 21.01.2021 – 1 Sa 954/20; 18.05.2018 – 1 Sa 49/18; 09.03.2012 - 7 Sa 1500/11; 14.01.2011 - 7 Sa 1386/10). 101(2) Es mag offen bleiben, ob dem Kläger mit der zwölftägigen Fortbildung zum „Pflegexperten für die außerklinische Beatmungspflege“ ein geldwerter Vorteil zugekommen ist, an den überhaupt eine Rückforderungsverpflichtung geknüpft werden kann. Dagegen spricht, dass es sich um eine Fortbildung zu handeln scheint, die durchgeführt werden muss, damit die Beklagte ihren pflegerischen Verpflichtungen gegenüber ihren Patienten mit den so geschulten Arbeitnehmern überhaupt erfüllen kann. So legt jedenfalls § 13 Abs. 1 AV-Nachtrag fest, dass ein „Grundkurs Pflegefachkraft Beatmungspflege“ zu absolvieren ist, falls eine solche Fortbildung noch nicht abgeschlossen worden war. 102(3) Die Klausel ist jedenfalls deshalb unangemessen benachteiligend, weil sie unter Berücksichtigung des generellen und typisierenden Maßstabs, der im Rahmen der Angemessenheitskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen anzulegen ist (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; LAG Hamm 11.02.2022 - 1 Sa 648/21; 29.01.2021 – 1 Sa 954/20; 18.05.2018 – 1 Sa 49/18), nicht ausreichend nach dem Grund für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses differenziert. 103So ist höchstrichterlich entschieden, dass es nicht zulässig ist, eine Rückzahlungspflicht einschränkungslos an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Es bedarf vielmehr einer nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenzierten Betrachtung (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; 28.05.2013 – 3 AZR 103/12; 11.04.2006 - 9 AZR 610; vgl. auch LAG Hamm 11.02.2022 - 1 Sa 648/21). Dabei lässt sich die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung davon leiten, dass eine Rückzahlungsklausel nur dann ausgewogen ist, wenn es der Arbeitnehmer selbst in der Hand hat, der Rückzahlungsverpflichtung durch eigene Betriebstreue zu entgehen. Damit wird der Risikoverteilung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber entsprochen. So ist es der Arbeitgeber, der Verluste aufgrund von Investitionen trägt, die nachträglich wertlos werden. Müsste der Arbeitnehmer die in seine Aus- und Weiterbildung investierten Betriebsausgaben auch dann zurückzahlen, wenn die Ursachen einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses alleine dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers entstammen, hätte es der Arbeitgeber entgegen der das Arbeitsrecht prägenden Risikoverteilung in der Hand, den Arbeitnehmer mit den Kosten einer fehlgeschlagenen Investition zu belasten. Eine solche Klausel würde den Arbeitnehmer mangels ausreichender Beachtung der wechselseitigen Interessen unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB benachteiligen (vgl. BAG 18.03.2014 – 9 AZR 545/12; 28.05.2013 – 3 AZR 103/12; 13.12.2011 - 3 AZR 791/09; 24.06.2004 - 6 AZR 383/03; LAG Hamm 11.02.2022 - 1 Sa 648/21; 21.01.2021 – 1 Sa 954/20; 18.05.2018 – 1 Sa 49/18; Hessisches LAG 20.10.2010 – 19 Sa 329/10). 104Zwar nimmt § 13 AV-Nachtrag eine Differenzierung vor. Doch ist die vorgenommene Differenzierung unzureichend. Denn der Kläger bleibt uneingeschränkt zur Rückzahlung verpflichtet, wenn „er das Arbeitsverhältnis selbst kündigt“. Der Kläger müsste damit Aus- und Fortbildungskosten auch dann tragen, wenn die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich der Beklagten zuzurechnen wären. Eine Vertragsklausel, die auch für einen solchen Fall eine Rückzahlungspflicht vorsieht, berücksichtigt nicht die wechselseitig anzuerkennenden Interessen beider Vertragspartner, sondern einseitig diejenigen des Arbeitgebers. Das Bundesarbeitsgericht nimmt überzeugend an, dass eine Rückzahlungsklausel unwirksam ist, die den Arbeitnehmer „im Falle einer selbst ausgesprochenen Kündigung auch dann mit den Ausbildungskosten belastet, wenn er sich wegen eines Fehlverhaltens des Arbeitgebers als zur Eigenkündigung berechtigt ansehen darf“ (BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 Rn. 27) oder aber dazu „vom Arbeitgeber veranlasst wurde“ (BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 Rn. 20; vgl. auch LAG Hamm 11.02.2022 - 1 Sa 648/21). Die Rückzahlungsklausel in § 13 AV-Nachtrag berücksichtigt daher nicht die im Arbeitsleben übliche Risikoverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, bevorzugt einseitig die Interessen der Beklagten und benachteiligt damit den Kläger unangemessen (vgl. BAG 13.12.2011 - 3 AZR 791/09; 24.06.2004 - 6 AZR 383/03; LAG Hamm 11.02.2022 - 1 Sa 648/21). Die Klausel ist demgemäß nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam und kann der Beklagten nicht als Anspruchsgrundlage dienen. 105b) § 13 AV-Nachtrag kann auch nicht mit einem rechtlich haltbaren Inhalt Bestand haben. Eine geltungserhaltende Reduktion Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nicht möglich (BAG 11.12.2018 – 9 AZR 383/18; 28.05.2013 – 3 AZR 103/12; 13.12.2011 - 3 AZR 791/09; LAG Hamm 11.02.2022 - 1 Sa 648/21; 29.01.2021 – 1 Sa 954/20; 18.05.2018 – 1 Sa 49/18; Wisskirchen/Block, in: Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, 11. Aufl. 2019, Arbeitsvertrag und AGB-Kontrolle, Rn. 118b). 106c) Die Beklagte kann ihren Anspruch auf Erstattung der Fortbildungskosten auch nicht auf die §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB stützen. Der Kläger hat die Fortbildung nicht ohne rechtlichen Grund erlangt, sondern auf Basis der - mit Ausnahme der Rückzahlungsklausel - wirksamen arbeitsvertraglichen Vereinbarung der Parteien über die Durchführung der Fortbildung (vgl. BAG 06.08.2013 - 9 AZR 442/12; 21. 08. 2012 - 3 AZR 698/10; LAG Hamm 11.02.2022 - 1 Sa 648/21; 21.01.2021 – 1 Sa 954/20; 18.05.2018 – 1 Sa 49/18; Staudinger/Richardi/Fischinger (2020) BGB § 611a, Rn. 1581). 107d) Mangels Anspruchsgrundlage ging die in der Lohnabrechnung für November 2020 als Lohneinbehalt i.S.d. § 388 BGB konkludent erklärte Aufrechnung der Beklagen über den gesamten Betrag in Höhe von 1.890 € netto ins Leere. Erfüllungswirkung kam der Aufrechnung damit nicht zu. Die Beklagte bleibt zur Zahlung des noch offenen Teil-Vergütungsanspruchs für November 2020 verpflichtet. Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich dieses Streitgegenstands nur in Höhe von 500,00 € netto stattgegeben. Das Urteil war deshalb insoweit abzuändern und ein weiterer Betrag von 1.390 € netto zuzusprechen. 1084. Die Berufung des Kläger ist begründet, soweit er mit ihr die Abweisung der Widerklage verfolgt und sich dagegen wendet, an die Beklagte 1.800,96 € zahlen zu sollen. Aus den bereits dargestellten Gründen hat das Arbeitsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, der Beklagten stünde, gestützt auf § 13 AV-Nachtrag, ein Anspruch auf Rückzahlung der Fortbildungskosten zu. Damit fehlt es auch an einer Anspruchsgrundlage für die Rückzahlung der für die Dauer von 12 Fortbildungstagen erfolgten Vergütungszahlung. 1095. Soweit Zinsen zugesprochen worden sind, beruht dies auf den §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 291, 288 Abs. 1 BGB. 110III. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. 1111. Der Beklagten steht gegen den Kläger kein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 2.026,08 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Dem Kläger stand gegen die Beklagte ein Anspruch auf Abgeltung von 20 Urlaubstagen zu, den die Beklagte mit der Abrechnung für November 2020 zur Auszahlung gebracht hat. Den Betrag über 2.026,08 € hat der Kläger damit nicht ohne Rechtsgrund i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB erlangt. Das Arbeitsgericht hat die Widerklage insoweit zu Recht abgewiesen. 112a) Zwischen den Parteien ist nicht im Streit, dass dem Kläger im Kalenderjahr 2020 insgesamt 37 Urlaubstage während verschiedener Zeiträume von der Beklagten gewährt worden sind. Damit hat die Beklagte den offenen Urlaubsanspruch des Klägers aus dem Kalenderjahr 2019 und 2020 nicht in vollem Umfang erfüllt. Sie war demgemäß zur Abgeltung von 10 Urlaubstagen verpflichtet. 113Im Kalenderjahr 2019 wurde dem Kläger kein Urlaub bewilligt. Der Urlaub des Jahres 2019 ist nicht mit Ablauf des 31.12.2019 untergegangen. Mit dem Urlaub vom 06.01.2020 bis zum 28.01.2020, der dem Kläger gewährt worden ist, wurde ein solcher erfüllt, der in 2019 entstanden war. 114So hat die Beklagte nicht ausreichend vorgetragen, dass sie ihren arbeitgeberseitigen Verpflichtungen nachgekommen ist, dem Kläger eine Verwirklichung seines Urlaubs in 2019 zu ermöglichen. Dabei musste das Berufungsgericht die zweitinstanzlich wenige Tage vor Schluss der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragene Behauptung der Beklagten nicht aufklären, sie habe den Kläger in 2019 immer wieder darauf angesprochen, ihm Resturlaub zu gewähren, der andernfalls verfallen würde. Diese Behauptung der Beklagten ist nicht nur gänzlich ohne Substanz zu Ort, Zeit und näheren Umständen der behaupteten Urlaubsgewährung für 2019. Sie steht ferner in Widerspruch zu deren bisherigen erst- und zweitinstanzlichen Behauptungen. So hat die Beklagte erstinstanzlich und auch zu Beginn in der Berufungsinstanz gegensätzlich vorgetragen und behauptet, dem Kläger sei im Kalenderjahr 2019 ein dreiwöchiger Urlaub gewährt worden, was sie durch Vorlage von Urlaubslisten belegen könne. Gründe für den nunmehrigen Vortragswechsel trägt sie nicht vor. Widersprüchlich mutet es ferner an, ergänzt die Beklagte ihre Behauptungen dahingehend, der Kläger, den sie immer wieder auf die Urlaubsnahme angesprochen haben will, habe einen dreiwöchigen Urlaub im Dezember 2019 abgelehnt, weil er eben keinen Urlaub benötige. Warum der Kläger dann aber gleichwohl im Januar 2020 und damit nur wenige Wochen später unstreitig genau einen solchen Urlaub in Anspruch genommen hat, ist nicht erklärlich. Darüber hinaus ist die Beklagte bis zur Aufnahme dieses Rechtsstreits davon ausgegangen, dem Kläger stünde ein Abgeltungsanspruch zu, den sie zu erfüllen habe und auch durch Zahlung im November 2020 erfüllt hat. Eigenes Verhalten der Beklagten, deren bisherige Behauptungen und der nunmehriger Vortragswechsel stehen in einem derartigen Widerspruch, dass sich die zuletzt vorgetragenen Behauptungen als Verstoß gegen die eine jede Partei nach § 138 Abs. 1 ZPO treffende Verpflichtung zu vollständigem und wahrheitsgemäßen Vortrag darstellen. Sie bleiben aus Gründen der Verletzung der Wahrheitspflicht unbeachtlich. 115b) Mit dem Urlaub vom 06.01.2020 bis zum 28.01.2020, der dem Kläger gewährt worden ist, wurde damit ein solcher erfüllt, der in 2019 entstanden war. Dabei ist es unerheblich, dass es zu einer ausdrücklichen Übertragungsvereinbarung zwischen den Parteien nicht gekommen ist. Denn einer ausdrücklichen Übertragung i.S.d. § 7 Abs. 3 S. 2 BurlG bedurfte es nicht. 116Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub gem. §§ 1, 3 Abs. 1 BurlG erlischt bei einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann gem. § 7 Abs. 3 S. 1 BurlG am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums gem. § 7 Abs. 3 S. 2, 4 BurlG, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen und der Arbeitnehmer diesen Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Den Arbeitgeber trifft eine Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Sollen die Wirkungen des urlaubsrechtlichen Fristenregimes greifen, insbesondere also der Urlaub mit Ablauf des 31. Dezember eines Kalenderjahres erlöschen, ist dafür Voraussetzung, dass der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachkommt (BAG 26.05.2020 - 9 AZR 259/19, 19.02.2019 - 9 AZR 423/16; LAG Rheinland-Pfalz, 14.01.2021 – 5 Sa 267/19). 117So ist bei einer richtlinienkonformen Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 BUrlG der Anwendungsbereich der Fristen- und Übertragungsregelung von § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG auf die Fälle beschränkt, in denen der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten iSv. § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nachgekommen ist. Erfüllt er seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht, ist der Urlaubsanspruch für das jeweilige Urlaubsjahr unabhängig vom Vorliegen eines Übertragungsgrundes regelmäßig nicht i.S.v. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG an das Urlaubsjahr gebunden. Einer Übertragung auf das nächste Kalenderjahr bedarf es demgemäß nicht (BAG, 19.02.2019 – 9 AZR 423/16). 118c) Damit hat die Beklagte mit der Urlaubsgewährung vom 06.01.2020 bis zum 27.01.2020 Urlaubsansprüche des Klägers aus dem Kalenderjahr 2019 erfüllt. Für das Kalenderjahr 2020 stand dem Kläger damit der volle (vertragliche) Urlaubsanspruch von 30 Kalendertagen zu. Gewährt hat die Beklagte darauf 20 Urlaubstage. Die verbliebenen 10 Urlaubstage waren daher – wie mit der Novemberabrechnung geschehen – dem Kläger nach § 7 Abs. 4 BurlG – abzugelten. 1192. Aus vorstehenden Gründen steht der Beklagten auch kein Rückforderungsanspruch des für 7 Tage Erholungsurlaubs gewährten Urlaubsentgelts aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB in Höhe von 1.050,56 € zu. Dem Kläger stand für jeden der in 2020 gewährten Urlaubstage ein Urlaubsentgelt gem. § 7 Abs. 1 BurlG zu. Die Vergütungszahlung hat er deshalb nicht ohne Rechtsgrund erhalten. 1203. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den auf Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 8.000 € gerichteten Widerklageantrag der Beklagte aus den §§ 241 Abs. 2, 280, 282 BGB, 826 BGB abgewiesen. 121a) Die Beklagte ist für die anspruchsbegründenden Tatsachen der haftungsbegründenden Kausalität einer etwaigen vertraglichen oder deliktischen Pflichtverletzung des Klägers darlegungs- und beweispflichtig. Ihr erstinstanzlicher Vortrag beschränkt sich auf die Behauptung, der Kläger habe während seiner Tätigkeit den Pflegedienst B eingeschaltet, damit der Patient C. betreut werde. Er habe die Ehefrau des Patienten mit Vergünstigungen gelockt und sich bereits anlässlich der Weihnachtsfeier 2019 dahingehend erklärt, er wolle sie – die Beklagte - vernichten. Zweitinstanzlich hat die Beklage dies dahingehend ergänzt, der Kläger sei Ende November 2020 „proaktiv“ auf den Pflegedienst B zugegangen und habe mitgeteilt, er könne ihm einen Patienten vermitteln. Der Ehefrau des Patienten sei eine Vergünstigung in der Pflege versprochen worden. Das Arbeitsgericht hat ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der erstinstanzliche Sachvortrag mangels ausreichender Substantiierung zum Schadensgrund und auch zur Schadenshöhe einer Zeugenvernehmung nicht zugänglich war, ohne eine unzulässige Ausforschung zu betreiben, die mit dem die zivil- und arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung beherrschenden Beibringungsgrundsatz nicht vereinbar ist. Auf die Gründe der arbeitsgerichtlichen Entscheidung wird entsprechend § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen. 122b) Die Beklagte trifft nach § 138 Abs. 1 ZPO die Pflicht zum vollständigen Vortrag. Sie darf demgemäß keine in ihre Darlegungslast fallenden Tatsachen unterdrücken. Zugleich ist sie nicht etwa angehalten, den streitigen Lebensvorgang von vornherein in allen Einzelheiten wiederzugeben. Für die Schlüssigkeit des klägerischen Vortrags ist die Wiedergabe der tatsächlichen Umstände ausreichend, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Rechtsfolge ergeben. Soweit dem entsprochen ist, trifft wiederum den Gegner die Erklärungslast, die wiederum eine Substantiierungslast des Darlegungspflichtigen auslöst ((Zöller-Greger, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 138 Rn. 7b). Der Kläger hat die sehr pauschal gehaltenen Behauptungen der Beklagten seinerseits bestritten. Zweitinstanzlich hat die Beklagte ihren Vortrag nicht weiter substantiiert und ist dabei geblieben, ein „proaktives Zugehen“ auf den Geschäftsführer eines weiteren Pflegedienstes zu behaupten, ohne dies nach Zeit, Ort und näheren Umständen des Geschehens oder dem Inhalt behaupteter Erklärungen und den Umständen eigenen Erfahrens näher darzulegen. Ihren prozessualen Verpflichtungen zu einem nach näheren Umständen vollständigen Vortrag ist die Beklagte damit nicht nachgekommen. 123IV. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Der Gebührenstreitwert des arbeitsgerichtlichen Urteils belief sich auf 30.621,97 €. Der Kläger unterlag erstinstanzlich hinsichtlich der eingeforderten Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 5.000 € und hat die darauf anteilig entfallenden Kosten zu tragen. Die auf einen Streitwert von 25.621,97 € entfallenden Kosten hat die Beklagte infolge ihres Unterliegens und der Teilrücknahme ihrer Widerklage zu tragen. Die Kosten erster Instanz waren damit dem Kläger zu 16 % und der Beklagten zu 84 % aufzuerlegen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt unter Berücksichtigung der nicht mehr in die Berufung gelangten Streitgegenstände 25.542,82 €. Der Kläger unterliegt zweitinstanzlich in einem Umfang von 5.000 €. Dies führt zu einer Kostenlast des Klägers von 20 % und einer solchen der Beklagten von 80 %. 124Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG nicht zuzulassen. Keine der angesprochenen Rechtsfragen ist von grundsätzlicher Bedeutung. Auch weicht die Entscheidung des Berufungsgerichts von keiner Entscheidung der in § 72 Abs. 2 Ziff. 2 genannten Gerichte ab. 125RECHTSMITTELBELEHRUNG 126Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. 127Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen. | auf die berufung des klägers wird das urteil des arbeitsgerichts hagen vom 16.09.2021 – 1 ca 46/21 – unter zurückweisung der berufung der beklagten teilweise abgeändert. unter vollständiger zurückweisung ihrer widerklage wird die beklagte verurteilt, an den kläger weitere 1.390 € netto sowie weitere 6.275,22 € brutto nebst jeweils fünf prozentpunkten zinsen über dem basiszinssatz seit dem 21.01.2021 zu zahlen. der kläger trägt 16 %, die beklagte 84 % der kosten des arbeitsgerichtlichen verfahrens. die kosten des berufungsverfahrens werden dem kläger zu 20 %, der beklagten zu 80 % auferlegt. die revision wird nicht zugelassen. 1 | 2die parteien streiten – klagend und widerklagend – um zahlungsansprüche aus dem inzwischen beendeten arbeitsverhältnis. 3der kläger war bei der beklagten auf der basis eines schriftlichen arbeitsvertrages vom 13.05.2019 nebst nachträgen (im folgenden: av-nachträge) gleichen datums über den zeitraum vom 01.06.2019 bis zum 30.11.2020 als stellvertretende verantwortliche pflegefachkraft mit regelmäßiger wöchentlicher arbeitszeit von 40 stunden und einem bruttomonatsverdienst von 3.250 € soweit einer zulage von 200 € tätig. arbeitsvertrag und anhänge wurden dem kläger vorformuliert von der beklagten zur unterzeichnung vorgelegt. das arbeitsverhältnis endete durch kündigung des klägers vom 01.11.2020. 4der kläger, dem kalenderjährlich ein arbeitsvertraglicher anspruch auf gewährung von erholungsurlaub im umfang von 30 tagen zustand, befand sich vom 06.01.2020 bis zum 28.01.2020, vom 20.04.2020 bis zum 24.04.2020, vom 26.07.2020 bis zum 31.07.2020, vom 03.08.2020 bis zum 07.08.2020 und vom 12.10.2020 bis zum 16.10.2020 und damit insgesamt an 37 tagen im erholungsurlaub. 5dem kläger war ein dienstfahrzeug zu einem anschaffungspreis von etwa 21.000 € überlassen. die dazu getroffene „dienstwagenvereinbarung“ vom 20.07.2019 legte u.a. fest: 6„§ 7 widerruf, rückgabe des fahrzeugs 7der arbeitgeber behält sich vor, aus betriebliche gründen die rückgabe des fahrzeugs nebst zubehör von dem arbeitnehmer zu verlangen, insbesondere bei erkrankung des arbeitnehmers mit dem ende des entgeltfortzahlungszeitraums, in der elternzeit, mit freistellung des arbeitnehmers, sowie für den fall einer kündigung des arbeitsverhältnisses. 8dieses widerrufsrecht des arbeitgebers gilt unabhängig von der wirksamkeit der kündigung. für die bisherige privatnutzung wird dem arbeitnehmer eine nutzungsentschädigung in höhe der lohnsteuerrechtlichen nutzungspauschale gewährt.“ 9das dienstfahrzeug gab der kläger am 22.01.2020 bei der beklagte ab. er stellte das fahrzeug auf den betriebshof der beklagten vor das dortige büro. den fahrzeugschlüssel gab der kläger ende januar 2020 ab. 10der kläger nahm in der zeit von august bis november 2020 an einer fortbildung zum erwerb des zertifikats „pflegeexperte für die außerklinische beatmungspflege“ teil. die kosten für die teilnahme des klägers beliefen sich auf 1.890 €. der kläger erhielt einen bildungsscheck in höhe von 500 €, der vom bildungsträger auf diese kosten angerechnet wurde. für die teilnahme wurde der kläger von der arbeit unter vergütungszahlung an insgesamt 12 tagen freigestellt. 11arbeitsvertraglich regelten die parteien in den nachträgen vom 13.05.2021 u.a. folgendes: 12„§ 13 vereinbarung fortbildung (anhang 6 und 7) 13„vereinbarung über fortbildung mit rückzahlungsklausel“ 14der arbeitnehmer nimmt nach der probezeit (6 monate) verpflichtend an folgenden fortbildungsmaßnahmen teil: (grundkurs pflegefachkraft beatmungspflege (falls noch nicht vorhanden), innerbetriebliche, regelmäßige schulungen, sonstige fort- und weiterbildungsmaßnahmen. 15(…) 16der arbeitnehmer ist zur rückzahlung der für die dauer der fortbildungsmaßnahmen empfangenen bezüge und der von dem arbeitgeber übernommenen kosten der fortbildungsmaßnahme verpflichtet, wenn er das arbeitsverhältnis selbst kündigt oder wenn das arbeitsverhältnis vom arbeitgeber aus einem grund gekündigt wird, den der arbeitnehmer zu vertreten hat.“ 17einer zweitinstanzlich erstmals vorgelegten „dienstvereinbarung über arbeitszeitkonten vom 13.05.2019 ist im dortigen § 2 „führung des arbeitszeitkontos“ zu entnehmen, dass die beklagte ein arbeitszeitkonto mittels eines elektronischen arbeitszeiterfassungssystems für die erfassung der tatsächlich geleisteten arbeitszeit unterhält, die die vertraglich vereinbarte arbeitszeit über- oder unterschreitet. die dienstvereinbarung regelt u.a.: 18„§ 4 erfassung und aufzeichnung der tatsächlich geleisteten arbeitszeit 19zur ermittlung der monatlich geleisteten mehr- oder minderzeiten hat der anstellungsträger die tatsächlich geleisteten arbeitsstunden (beginn, ende, dauer) aufzuzeichnen. 20der anstellungsträger (pdl/gf) kann die aufzeichnung delegieren. 21wird die aufzeichnung der arbeitszeit auf den mitarbeiter oder die mitarbeiterin selbst delegiert, kann die arbeitszeit auf einem stundenzettel erfasst werden. in diesen fällen erfolgt die übernahme der auf dem stundenzettel erfassten arbeitszeiten in die arbeitszeitaufzeichnung durch die pdl/gf oder durch eine von der pdl/gf beauftragte person. 22die tatsächliche arbeitszeit (stundenzettel) ist spätestens bis zum ablauf des 3. kalendertages des nächsten monats der pdl/gf per mail, sms oder auf dem postweg vorzulegen. 23die am ende des kalendermonats von der vertraglich vereinbarten arbeitszeit abweichenden arbeitsstunden werden auf das vom anstellungsträger geführte arbeitszeitkonto gebucht.“ 24von dem vergütungsanspruch des klägers für den monat november 2019 zog die beklagte 1.890 € netto ab und wies dies in der lohnabrechnung unter „sonstiger lohnabzug aus“. 25der kläger hat behauptet, die geschäftsführerin der beklagten habe ihm angeboten, den dienstwagen gegen zahlung einer monatlichen nutzungsentschädigung in höhe von 500 € zurückzugeben. ein diesbezügliches gespräch habe zwischen den parteien in der wohnung einer patientin während der übergabezeit stattgefunden. zwei angehörige der patientin seien anwesend gewesen. am 16.01.2020 habe er dem zeugen a. telefonisch mitgeteilt, dass er den dienstwagen zu ende januar zurückgeben werde und die ersatzzahlung in anspruch nehme. am 24.01.2020 sei die geschäftsführerin nicht persönlich zugegen gewesen. der schlüssel sei ihr am 29.01.2020 ausgehändigt worden. daher, so seine auffassung, stünde ihm eine nutzungspauschale von 500 € monatlich zu, die er für 10 monate in höhe von 5.000 € einfordere. 26der von ihm überreichten tabelle sei zu entnehmen, dass sein arbeitszeitkonto bei beendigung des arbeitsverhältnisses 414,5 mehrarbeitsstunden aufgewiesen habe. die beklagte habe seine arbeitszeit von juni 2019 bis april 2020 elektronisch erfasst. von mai bis november 2020 habe das nicht mehr stattgefunden, obwohl der beklagten seine handschriftlichen stundenzettel vorgelegen hätten. vergütet habe die beklagte mit der novemberabrechnung lediglich 80 mehrarbeitsstunden. es seien damit noch 334,5 stunden zu je 18,76 €, also 6.275,22 € brutto zu bezahlen. 27der lohnabzug für november 2020 – so seine auffassung - sei ohne rechtsgrund erfolgt. soweit die beklagte kosten im zusammenhang mit der von ihm absolvierten fortbildung in abzug gebracht habe, stünde der beklagten eine anspruchsgrundlage für die rückforderung nicht zu. die beklagte müsse daher für november 2020 an ihn noch 1.890 € netto bezahlen. 28fordere die beklagte nun widerklagend rückzahlung der urlaubsabgeltung und zahlung für vermeintlich zu viel gewährten urlaub ein, fehle ihr eine anspruchsgrundlage. so habe es sich beim urlaub vom 6. bis zum 28.01.2020 in höhe von 17 tagen um resturlaub aus 2019 gehandelt. dieser erholungsurlaub sei von der beklagten einseitig angeordnet worden. aufgrund des massiven arbeitsaufkommens habe er den urlaub in 2019 nicht antreten können. 2020 habe er lediglich 20 urlaubstage erhalten. 10 urlaubstage hätten damit – wie geschehen - abgegolten werden müssen. 29die vorwürfe der beklagten, die sie zur grundlage von schadensersatzforderungen über 8.000 € mache, seien unsubstantiiert. die beklagte müsse ferner nachtschichtzulagen in höhe von 78,96 € zahlen, arbeitspapiere herausgeben und ein arbeitszeugnis erteilen. 30der kläger hat beantragt: 31321. die beklagte wird verurteilt, an ihn 11.275,22 euro brutto nebst zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu zahlen. 332. die beklagte wird verurteilt, an ihn 1.968,96 euro nebst zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem basiszinssatz seit rechtshängigkeit zu zahlen. 343. die beklagte wird verurteilt, ihm ein arbeitszeugnis zu erteilen. 354. die beklagte wird verurteilt, ihm einen ausdruck der elektronischen lohnsteuerbescheinigung für das jahr 2020 auszuhändigen oder elektronisch bereitzustellen. 365. die beklagte wird verurteilt, ihm den inhalt der meldung zur sozialversicherung betreffend die jahresmeldung für das jahr 2020 in textform mitzuteilen. 37die beklagte hat beantragt, 38die klage abzuweisen. 39sowie - rechtshängig seit dem 27.05.2021 - unter widerklagerücknahme im übrigen: 40411. der kläger wird verurteilt, an sie 4.877,60 € brutto nebst zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 01.12.2020 zu zahlen. 422. der kläger wird verurteilt, an sie 8.000,00 € nebst zinsen in höhe von fünf prozentpunkten seit rechtshängigkeit zu zahlen. 43die kläger hat beantragt, 44die widerklage abzuweisen. 45die beklagte hat bestritten, dass zwischen den parteien ein gespräch über die gewährung einer monatlichen nutzungsentschädigung stattgefunden habe. sie hat die auffassung geäußert, sie könne vom kläger nach § 13 abs. 6 av-nachtrag erstattung der kosten verlangen, die dessen fortbildung verursacht hätte. diese habe sie in höhe von 1.890 € vom novemberlohn in abzug gebracht. außerdem stünde ihr ein anspruch auf rückzahlung der während der freistellung des klägers für die zwecke der teilnahme an der fortbildung für 12 tage gewährten vergütung zu. bei einem stundenlohn von 18,76 € und einer achtstündigen täglichen arbeitsverpflichtung ergäbe sich damit unter berücksichtigung arbeitgeberseitiger sozialabgaben von 20 prozent ein betrag in höhe von 2.165,15 €, den sie zuletzt reduziert um den betrag der sozialabgaben in höhe von 1.800,96 € widerklagend einfordere. 46der kläger habe eine urlaubsabgeltung erhalten, die ihm nicht zustünde. dem kläger seien im kalenderjahr 2020 37 tage erholungsurlaub gewährt worden. mit der novemberabrechnung habe sie für 10 tage eine urlaubsabgeltung in höhe von 2.026,08 € brutto an den kläger zur auszahlung gebracht, ohne dass dem kläger ein zahlungsanspruch zugestanden habe. die rückzahlung des betrages verfolge sie mit der widerklage. für das jahr 2020 habe der kläger 7 tag zu viel urlaub erhalten. darauf entfiele ein urlaubsentgelt in höhe von 1.056,56 € brutto. auch diesen betrag fordere sie vom kläger mit ihrer widerklage ein. 47sie hat behauptet, eine elektronische zeiterfassung habe nicht bestanden. ihren dienstplänen lasse sich entnehmen, dass der kläger 2019 insgesamt 1.360.50 stunden und im jahr 2020 insgesamt 1.639 stunden gearbeitet habe. abgegolten worden seien sowohl 2019 als auch 2020 jeweils 90 überstunden. damit ergebe sich ein saldo zugunsten des klägers von 17 stunden. der vortrag des klägers zu überstunden, die er einfordere, sei vor diesem hintergrund nicht nachvollziehbar. 48sie könne vom kläger schadensersatz in höhe von 8.000 € verlangen. der kläger habe während seiner tätigkeit für sie aktiv den pflegedienst b eingeschaltet, damit der patient c. betreut werden solle. die ehefrau des patienten habe er mit vergünstigungen gelockt. dies habe er offen gegenüber einer weiteren mitarbeiterin bekundet. die abwerbung sei im november/dezember 2020 erfolgt. gegenüber anderen patienten habe er bekundet, er habe die absicht, sie - die beklagte - zu vernichten. eine erste aussage dieser art sei bereits auf der weihnachtsfeier 2019 erfolgt. durch die abwerbung des patienten sei ihr ein schaden in höhe von monatlich 2.000 € entstanden, den sie für die monate januar bis april 2021 widerklagend einfordere. 49mit urteil vom 16.09.2021 hat das arbeitsgericht die klage abgewiesen, soweit der kläger zahlung einer nutzungsentschädigung sowie abgeltung von überstunden eingefordert hat. der kläger habe nicht vortragen können, dass die vorrausetzungen einer vertraglichen anspruchsgrundlage für die gewährung der nutzungsausfallentschädigung gegeben seien. auch schadensersatzansprüche seien nicht ersichtlich. der sachvortrag des klägers habe der darlegungs- und beweislast im überstundenprozess nicht entsprochen. abgewiesen hat das arbeitsgericht die klage auch insoweit, als der kläger zahlung des von der novembervergütung einbehaltenen betrags in höhe von 1.890 € netto einfordert, soweit die klage insoweit den betrag von 500 € überschritten hatte. die beklagte habe zurecht mit einem anspruch auf rückzahlung der für die fortbildung des klägers aufgewandten kosten aufrechnen können. der rückzahlungsanspruch ergebe sich aus § 13 av-nachtrag. an der wirksamkeit der klausel, deren voraussetzungen gegeben seien, bestünden keine zweifel. anrechnen lassen müsse sich die beklagte allerdings einen betrag in höhe von 500 €. der dem kläger gewährte und vom träger der fortbildung akzeptierte bildungsscheck reduziere die erstattungsfähigen kosten der beklagten. zuzusprechen sei der klage, soweit der kläger nachtzuschläge in höhe von 78,96 € einfordere. auch solche erschwerniszuschläge unterfielen der entgeltfortzahlungsverpflichtung. die bergehrten arbeitspapiere und das arbeitszeugnis könne der kläger ebenfalls einfordern. 50das arbeitsgericht hat der widerklage im umfang von 1.800,96 € stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. die beklagte könne auf der grundlage des § 13 av-nachträge auch die vergütungskosten während der freistellung zur teilnahme des klägers an der fortbildung verlangen. 51weitere zahlungsansprüche stünden ihr nicht zu. die urlaubsabgeltung des klägers sei nicht ohne rechtsgrund erfolgt. die beklagte sei den behauptungen des klägers nicht substantiiert entgegengetreten, bei dem ihm vom 06.01.2020 bis zum 28.01.2020 gewährten urlaub habe es sich um resturlaub aus dem kalenderjahr 2019 gehandelt. mit der gewährung des in diese zeit fallenden urlaubs habe die beklagte demgemäß nicht den erholungsurlaubsanspruch des jahres 2020 erfüllt. die auf diese zeit entfallenden 17 tage an erholungsurlaub seien von den 37 in 2020 gewährten tagen in abzug zu bringen. damit habe die beklagte den anspruch des klägers auf erholungsurlaub für das kalenderjahr 2020 in einem umfang von 20 tagen erfüllt. 10 tage seien damit noch abzugelten gewesen. damit bestünde weder ein anspruch auf rückzahlung einer rechtsgrundlos gewährten urlaubsabgeltung noch ein anspruch auf erstattung des auf 7 tage entfallenden urlaubsentgelts. der im übrigen eingeklagte schadensersatz über 8.000 € scheitere am unschlüssigem vortrag der beklagten zu einer pflichtverletzung des klägers. 52gegen das dem kläger am 08.10.2021 und der beklagten am 11.10.2021 zugestellte urteil richten sich die berufungen der parteien. der kläger hat die berufung am 29.10.2021 eingelegt und am 28.12.2021 nach verlängerung der berufungsbegründungsfrist bis zum 08.01.2022 begründet. der berufung hat sich die beklagte am 13.12.2021 angeschlossen und diese am 04.01.2022 begründet. 53der kläger begründet seine berufung unter wiederholung und vertiefung der erstinstanzlichen ausführungen und unter beantwortung der berufung der beklagten im wesentlichen wie folgt: 54das arbeitsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, sein vortrag zur gewährung einer nutzungsausfallentschädigung sei zu pauschal. kurz vor dem 16.01.2020 habe ein gespräch zwischen ihm und der geschäftsführerin der beklagten in der wohnung einer patientin stattgefunden. während des gesprächs habe die geschäftsführerin der beklagten ihm angeboten, den dienstwagen gegen zahlung einer monatlichen nutzungsentschädigung in höhe von 500,00 € zurückzugeben. dieses gespräch habe in anwesenheit zweier angehöriger der patientin stattgefunden. zuletzt habe die geschäftsführerin angeboten, 500 € monatlich zu zahlen. am 16.01.2021 habe er sodann dem mitarbeiter a. mitgeteilt, er werde den dienstwagen zu ende januar zurückgegeben und die ersatzzahlung ab februar in anspruch nehmen. das fahrzeug sei am 24.01.2020 ordnungsgemäß übergeben worden. da die geschäftsführerin nicht anwesend gewesen sei, sei ihr der schlüssel am 29.01.2021 ausgehändigt worden. 55das arbeitsgericht habe zwar die grundsätze der bestehenden darlegungs- und beweislast im überstundenprozess richtig erkannt, doch fehlerhaft angewandt. zwischen den parteien bestünde eine „dienstvereinbarung über arbeitszeitkonten“. dadurch habe sich die beklagte verpflichtet, ein arbeitszeitkonto mittels eines elektronischen arbeitszeiterfassungssystems zu führen. die erfassung der arbeitszeiten habe die beklagte entsprechend der regelung in § 4 dieser dienstvereinbarung auf ihn – den kläger – delegiert. am ende eines jeden monats habe er dem mitarbeiter a. seine aufzeichnungen übergeben. bis april 2020 habe dieser mitarbeiter die übermittelten angaben in das arbeitszeitkonto eingetragen. die von ihm im rahmen des prozesses vorgelegten ausdrucke seien solche aus dem arbeitszeiterfassungssystem der beklagten. für mai bis november 2020 habe er seine aufzeichnungen ebenfalls übergeben. seiner kenntnis entziehe es sich, warum der mitarbeiter a. diese angaben nicht in das arbeitszeiterfassungssystem übertragen habe. 56einen lohnabzug im november 2020 habe die beklagte zu unrecht vorgenommen. dem stünde schon entgegen, dass es sich ausweislich der regelung in § 13 av-nachtrag bei der fortbildung zu beatmungspflege um eine pflichtfortbildung gehandelt habe. außerdem sei die klausel unangemessen benachteiligend im sinne des § 307 abs. 1 bgb und damit unwirksam. sie differenziere nicht ausreichend nach dem grund der beendigung des arbeitsverhältnisses. die beklagte könne damit weder den lohneinbehalt vornehmen noch einen betrag in höhe von 1.800,06 € an freistellungskosten von ihm zurückverlangen. die widerklage sei demgemäß in vollem umfang abzuweisen. 57zutreffend habe das arbeitsgericht die widerklage abgewiesen, soweit die beklagte rückzahlung für eine vermeintlich ohne rechtsgrund erlangte urlaubsabgeltung und gezahltes urlaubsentgelt für 7 tage sowie schadensersatz eingefordert hat. der urlaub – so seine behauptung – habe 2019 aus betrieblichen gründen nicht genommen werden können. die beklagte habe auch in ihrer berufung nicht dargelegt, wann er urlaub im kalenderjahr 2019 urlaub erhalten haben solle. aus dem elektronischen arbeitszeitkonto ergebe sich, dass ihm im jahr 2019 kein erholungsurlaub gewährt worden sei. er sei deshalb in das folgejahr übertragen worden. er habe keinen patienten der beklagten abgeworben. den geschäftsführer des von der beklagten benannten pflegdienstes kenne er nicht. die ausführungen zur schadenshöhe seien nach wie vor unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar. die behauptungen im zusammenhang mit einem vermeintlichen abwerben eines patienten seien unsubstantiiert geblieben. 58der kläger beantragt, 59das urteil des arbeitsgerichts hagen vom 16.09.2021 – 1 ca 46/21 – teilweise abzuändern und die beklagte unter vollständiger abweisung deren widerklage zu verurteilen, an ihn 11.275,22 € brutto sowie weitere 1.390 € netto zuzüglich zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 21.01.2021 zu zahlen. 60die beklagte beantragt, 61unter zurückweisung der berufung des klägers das urteil des arbeitsgerichts hagen teilweise abzuändern und den kläger widerklagend zu verurteilen, an sie 3.076,64 € nebst 5 prozentpunkte zinsen über dem basiszinssatz seit dem 01.12.2020 sowie weitere 8.000 € nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 27.05.2021 zu zahlen. 62der kläger beantragt, 63die berufung der beklagten zurückzuweisen. 64die beklagte wendet sich mit ihrer berufung gegen die abweisung der widerklage. sie begründet ihre berufung und erwidert auf die klägerische berufung im wesentlichen wie folgt: 65ihr stünde ein anspruch auf rückzahlung der überzahlten urlaubsabgeltung in höhe von 2.026,08 € aus § 812 abs. 1 s. 1 bgb zu. unstreitig sei, dass dem kläger in 2020 insgesamt 37 tage urlaub gewährt worden seien. ein etwaiger anspruch des klägers auf gewährung von urlaub für das kalenderjahr 2019 sei mit ablauf des 31.12.2019 verfallen. hat sie zunächst behauptet, der kläger habe in 2019 bereits 17 tage urlaub genommen, wozu sie urlaubslisten für das kalenderjahr 2019 vorlegen könne, behauptet sie nun, der kläger sei immer wieder darauf angesprochen worden, er möge seinen jahresurlaub nehmen, andernfalls verfalle dieser. der kläger habe immer wieder mitgeteilt, er benötige keinen urlaub. das gelte auch für den dem kläger ihrerseits für die zweite, dritte und vierte woche im dezember 2019 angebotenen urlaub. sie könne demgemäß die gezahlte urlaubsabgeltung und das urlaubsentgelt für 7 tage erholungsurlaub, die dem kläger nicht zugestanden hätten, herausverlangen. 66außerdem stünde ihr ein zahlungsanspruch über 8.000 € aus § 280 abs. 1 bgb zu. der kläger habe seine pflichten im november 2020 verletzt. während seiner tätigkeit habe er den patienten c. aus d betreut. ende november 2020 sei der kläger „proaktiv“ auf den pflegedienst b zugegangen. dem dortigen geschäftsführer habe er mitgeteilt, er könne ihm einen patienten vermitteln. der ehefrau des patienten habe er dafür eine belohnung versprochen. diese habe in einer „vergünstigung“ bei der pflege bestanden. dazu habe er mit dem geschäftsführer der fa. b besondere konditionen ausgehandelt. der behandlungsvertrag des patienten c. sei nach diesem gespräch außerordentlich gekündigt worden. dies stelle einen vorsätzlichen verstoß gegen arbeitsvertragliche nebenpflichten dar. der schaden belaufe sich monatlich auf 2.000 €. dieser gewinn sei bei einer vierundzwanzigstündigen intensivpflege üblich. das arbeitsgericht hätte ihrem erstinstanzlichen vortrag nachgehen und beweis über ihre behauptung erheben müssen, der kläger habe sich bereits anlässlich der weihnachtsfeier 2019 geschäftsschädigend gegenüber einer zeugin geäußert. 67wegen des weiteren sach- und rechtsvortrags der parteien wird auf die gewechselten schriftsätze nebst anlagen ergänzend bezug genommen. 68 | 69i. die berufungen beider parteien sind nach § 64 abs. 1 arbgg statthaft und nach dem wert des jeweiligen beschwerdegegenstandes gem. § 64 abs. 2 lit. b) arbgg zulässig. der kläger hat die berufung gegen das ihm am 08.10.2021 zugestellte urteil am 29.10.2021 eingelegt und am 28.12.2021 nach verlängerung der berufungsbegründungsfrist bis zum 08.01.2022 begründet. der beklagten wurde das urteil am 10.11.2021 zugestellt. sie hat sich der berufung des klägers am 13.12.2021 angeschlossen und diese am 04.01.2022 – also innerhalb der ihr bis zum 12.02.2022 gesetzten berufungserwiderungsfrist und damit rechtzeitig gem. den §§ 64 abs. 6 arbgg; 524 abs. 2 s. 2 zpo - begründet. 70die berufung des klägers ist teilweise begründet. die berufung der beklagten ist unbegründet. 71ii. die berufung des klägers ist teilweise begründet. 721. unbegründet ist sie jedoch, soweit sie sich dagegen richtet, dass das arbeitsgericht den auf zahlung einer nutzungsentschädigung in höhe von 5.000 € gerichteten klageantrag abgewiesen hat. der kläger selbst stützt diesen anspruch ausschließlich auf eine angenommene vertragliche vereinbarung zwischen den parteien. eine solche ist nicht ersichtlich. der klägerische vortrag ist unschlüssig. 73der kläger kann den anspruch insbesondere nicht auf § 7 abs. 2 s. 2 dienstwagenvereinbarung stützen. danach wird dem arbeitnehmer für die bisherige privatnutzung eine nutzungsentschädigung in höhe der lohnsteuerrechtlichen nutzungspauschale gewährt. das wiederum setzt voraus, dass der arbeitgeber von seinem in § 7 abs. 1 dienstwagenvereinbarung geregelten widerrufsrecht gebrauch gemacht hat. 74a) der kläger hat nicht behauptet, die beklagte habe einen solchen widerruf im sinne des § 7 abs. 1 dienstwagenvereinbarung erklärt. behauptet hat er, die geschäftsführerin der beklagten habe ihm angeboten, den dienstwagen gegen zahlung der monatlichen nutzungsentschädigung zurückzugeben. das berufungsgericht versteht dies dahingehend, der kläger wolle behaupten, die geschäftsführerin der beklagten habe ihm ein angebot dahingehend unterbreitet, trotz des nicht erfolgten widerrufs der fahrzeugüberlassung eine nutzungsentschädigung zu zahlen, sofern er das fahrzeug zurückgebe. 75b) das so vom kläger behauptete angebot im sinne des § 145 bgb soll nach den in der berufung ergänzend vorgetragenen behauptungen des klägers während eines gesprächs der parteien in der wohnung einer patientin in anwesenheit zweier angehöriger erfolgt sein. dieses gespräch soll kurz vor dem 16.01.2020 stattgefunden haben. die geschäftsführerin habe ihm angeboten, 500 € monatlich zu zahlen. 76c) nach den weiteren behauptungen des klägers habe er sodann dem mitarbeiter a. der beklagten am 16.01.2020 telefonisch mitgeteilt, er werde den dienstwagen zu ende januar zurückgegeben und die ersatzzahlung ab februar in anspruch nehmen. danach hat der kläger die annahme des behaupteten angebots der beklagten also nicht unmittelbar während des gesprächs in anwesenheit der patientin und zweier angehöriger erklärt, sondern erst am 16.01.2020 telefonisch gegenüber einem mitarbeiter der beklagten. 77d) ein angebot unter anwesenden kann nach § 147 abs. 1 s. 1 bgb allerdings nur sofort angenommen werden. das ist nach den – als zutreffend unterstellten - behauptungen des klägers indes nicht geschehen. nach § 147 bgb erlischt ein angebot, wenn es nicht nach den §§ 147 ff bgb rechtzeitig angenommen wird. mangels sofortiger annahme des vom kläger behaupteten angebots der beklagten „kurz vor dem 16.01.2020“ wäre dieses angebot nach § 146 bgb erloschen. 78e) die verspätet erklärte annahme des behaupteten angebots der geschäftsführerin der beklagten, die der kläger gegenüber dem mitarbeiter a. am 16.01.2020 telefonisch abgegeben haben will, gilt nach § 150 abs. 1 bgb als neuer antrag. doch lassen sich dem sachvortrag des klägers keine weiteren behauptungen entnehmen, dass die annahme dieses neuen angebot des klägers von der beklagten erklärt worden ist. eine annahmeerklärung des mitarbeiters a. wird vom kläger nicht behauptet. auch fehlen behauptungen zur vertretungsmacht dieses mitarbeiters i.s.d. § 164 abs. 1 bgb. soweit der kläger behauptet, der schlüssel des dienstfahrzeugs sei der geschäftsführerin am 29.01.2020 ausgehändigt worden, lässt sich auch dem nicht entnehmen, dass das angebot des klägers auf abschluss einer nutzungsentschädigungsvereinbarung angenommen worden sein könnte. will der kläger vortragen, dass in der behaupteten annahme des schlüssels durch die geschäftsführerin eine konkludente annahme eines möglichen angebots vom 16.01.2020 zu sehen sei, wäre auch dieses angebot verspätet angenommen worden. denn auch das angebot vom 16.01.2020 hätte sofort angenommen werden müssen. dies gilt nämlich nach § 147 abs. 1 s. 2 bgb auch für solche angebote, die mittels fernsprechers von person zu person gemacht worden sind. 79f) damit lässt sich dem unstreitigen sachvortrag und den – als richtig unterstellten – behauptungen des klägers nicht schlüssig entnehmen, dass zwischen den parteien eine vereinbarung über die gewährung einer nutzungsausfallentschädigung zustande gekommen ist. da der kläger bereits den grund des anspruchs nicht schlüssig vorgetragen hat, musste sich das berufungsgericht nicht mit der frage befassen, ob dies jedenfalls für die höhe des anspruchs gilt. die kammer konnte auch offenlassen, ob der anspruch des klägers – zumindest teilweise – verfallen ist, weil er vom kläger nicht innerhalb der sechsmonatigen verfallfrist des § 12 arbeitsvertrag geltend gemacht worden ist. 802. die berufung des klägers hat erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das arbeitsgericht die klage im hinblick auf geltend gemachte überstunden abgewiesen hat. dem kläger steht gegen die beklagte ein anspruch auf zahlung einer überstundenvergütung für 334,5 überstunden zu je 18,76 € in höhe von insgesamt 6.275,22 € brutto aus § 611a abs. 2 bgb i.v.m. dem arbeitsvertrag der parteien und § 5 abs. 2 dienstvereinbarung arbeitszeitkonten zu. 81a) die parteien haben in § 5 abs. 1 dienstvereinbarung arbeitszeitkonten ausdrücklich geregelt, dass überstunden unter dort näher genannten voraussetzungen auszuzahlen sind. sie haben damit eine arbeitsvertragliche vereinbarung zur abgeltung von überstunden herbeigefügt, so dass die regelung in § 612 bgb nicht mehr zu bemühen war. 82b) die vereinbarung eines arbeitszeitkontos, das der erfassung von überstunden diente, gilt zweitinstanzlich als unbestritten. zwar hat die beklage erstinstanzlich behauptet, eine elektronische zeiterfassung habe nicht bestanden. den zweitinstanzlichen behauptungen des klägers zur verpflichtenden führung eines arbeitszeitkontos, die der kläger unter vorlage einer von den parteien unter dem 13.05.2019 unterzeichneten „dienstvereinbarung über arbeitszeitkonten“ vorgetragen hat, ist die beklagte aber nicht mehr entgegengetreten. 83damit steht für das berufungsgericht fest, dass die beklagte – wie es § 4 dienstvereinbarung über arbeitszeitkonten vorsah und möglich machte – die erfassung der arbeitszeit auf den kläger delegierte, dieser die arbeitszeit auf stundenzetteln erfasste und sodann von der pflegedienstleitung oder geschäftsleitung in die arbeitszeitaufzeichnung übernehmen ließ. der kläger hat in diesem zusammenhang bereits erstinstanzlich unter vorlage von auszügen aus der arbeitszeiterfassung und von stundenzetteln zu geleisteten überstunden vorgetragen, ohne dass sich die beklagte dazu über ein bloßes bestreiten hinaus qualifiziert erklärt hätte. zweitinstanzlich hat der kläger diese behauptungen durch vorlage der „dienstvereinbarung über arbeitszeitkonten“ und weitere unterlagen konkretisiert. zu diesem vortrag hat sich die beklagte zweitinstanzlich nicht mehr erklärt. die behauptungen des klägers gelten damit nach § 138 abs. 3 zpo mangels ausdrücklichen bestreitens als zugestanden. 84b) damit ist der kläger seiner darlegungslast zu überstunden, die noch nicht vergütet worden sind, zumindest zweitinstanzlich ausreichend nachgekommen. einen arbeitnehmer, der eine vergütung von überstunden begehrt, trifft die darlegungs- und beweislast sowohl für geleisteten arbeitsstunden über die vereinbarte normalarbeitszeit hinaus als auch dafür, dass die überstunden vom arbeitgeber veranlasst worden oder diesem jedenfalls zuzurechnen sind (bag, 21.12.2016 - 5 azr 363/16; 10.04.2013 - 5 azr 122/12 - rn 9, 13 ff). 85aa) der kläger hat schlüssig dargelegt, dass sich der stand seines arbeitszeitkontos im zeitpunkt der beendigung des arbeitsverhältnisses auf 334,5 stunden belief. für den schlüssigen sachvortrag des klägers ist es ausreichend, dass er die vereinbarung eines arbeitszeitkontos und das bestehen eines guthabens zum vereinbarten auszahlungszeitpunkt darlegt. buchungen auf einem arbeitszeitkonto sind zwar keine rechtsgeschäftlichen erklärungen, sondern lediglich tatsächliche handlungen im sinne von wissenserklärungen. doch stellt der arbeitgeber mit der vorbehaltlosen ausweisung von guthabenstunden in einem arbeitszeitkonto dessen saldo streitlos und bringt damit zum ausdruck, dass bestimmte arbeitsstunden tatsächlich und mit seiner billigung geleistet wurden (vgl. bag 26.06.2019 – 5 azr 452/18; 23.09.2015 - 5 azr 767/13). 86bb) der schlüssigkeit des klägerischen vortrags steht nicht entgegen, dass nicht sämtliche der 334,5 zur abgeltung eingeklagten überstunden in das arbeitszeitkonto eingestellt worden waren. so hat die beklagte die vom kläger auf einem dafür vorgesehenen muster handschriftlich erfassten arbeitszeiten nur bis april 2020 in das arbeitszeitkonto übertragen und sodann lediglich die vom kläger erfassten arbeitszeiten entgegengenommen. § 4 abs. 3 dienstvereinbarung über ein arbeitszeitkonto legt fest, dass die vom arbeitnehmer auf einem stundenzettel erfassten arbeitszeiten durch die pflegedienstleitung, die geschäftsführung oder eine entsprechend beauftragte person in die arbeitszeitaufzeichnung zu übernehmen sind. es lag damit im verantwortungs- und pflichtenkreis der beklagten, nach hereingabe der stundenzettel eine übernahme in die arbeitszeitaufzeichnung durchzuführen. kommt sie dem nicht nach, obwohl der kläger seinerseits alle arbeitsvertraglichen verpflichtungen erfüllt hat, kann sie sich darauf nach § 162 abs. 1 bgb nicht berufen. 87nach § 162 abs. 1 bgb gilt eine bedingung dann als eingetreten, wenn sie von der person wider treu und glauben vereitelt wird, zu deren nachteil der bedingungseintritt gereichen würde. nach diesem rechtssatz, der § 242 bgb entspringt, handelt wider treu und glauben, wer sich anders verhält, als es im hinblick auf eintritt und nichteintritt der bedingung sinn und zweck des rechtsgeschäfts entspricht (jauernig-mansel, bgb, 18. aufl. 2021, § 162 rn. 3). der kläger musste sich darauf verlassen können, dass die beklagte ihren arbeitsvertraglichen verpflichtungen nachkommt und die in ihrem verantwortungsbereich liegende übertragung der vom kläger erfassten arbeitszeiten vornimmt. rechtsfolge des § 161 bgb ist die fiktion des bedingungseintritts, hier also die annahme, dass eine übertragung der vom kläger aufgelisteten arbeitsstunden in das arbeitszeitkonto erfolgt ist. für diese fingiert erfassten arbeitsstunden greifen dieselben darlegungsgrundsätze wie für diejenigen stunden, die die beklagte dem arbeitszeitkonto bis april 2020 zugeführt hat. 88cc) dem so schlüssig dargelegten umfang offener überstunden am ende des arbeitsverhältnisses ist die beklagte ihrerseits nicht mit substantiiertem und schlüssigem vortrag entgegengetreten. so ist insbesondere der erfolgte verweis auf die in dienstplänen festgelegten arbeitszeiten unbehelflich. darin dokumentieren sich lediglich die soll-, nicht aber die ist-arbeitszeiten der betroffenen arbeitnehmerinnen und arbeitnehmer, also diejenigen arbeitszeiten, die abweichend geplanter dienste tatsächlich erbracht worden sind. 89c) die beklagte kann nicht einwenden, die abgeltung der auf dem arbeitszeitkonto ausgewiesenen überstunden sei nach § 12 arbeitsvertrag – zumindest teilweise – verfallen, weil sie nicht vom kläger innerhalb der dort genannten verfallfristen geltend gemacht worden ist. werden überstunden in einem arbeitszeitkonto vorbehaltlos ausgewiesen, ist der zweck der geltendmachung – ähnlich der vorbehaltlosen ausweisung einer vergütungsforderung in einer lohnabrechnung – erreicht (bag 23.09.2015 -5 azr 767/13). der kläger war daher nicht mehr angehalten, die von der beklagten durch ausweisung des arbeitszeitkontos bereits streitlos gestellten guthaben erneut geltend zu machen. 903. das arbeitsgerichtliche urteil war abzuändern, soweit es den auf zahlung eines betrages in höhe von 1.890 € netto geltend gemachten zahlungsantrag nur in einem umfang von 500,00 € netto zugesprochen und im übrigen abgewiesen hat. der kläger kann von der beklagten zahlung des im november 2020 einbehaltenen betrages in vollständiger höhe aus § 611a abs. 2 bgb i.v.m. dem arbeitsvertrag verlangen. 91der zwischen den parteien dem grunde nach nicht im streite stehende teilvergütungsanspruch des klägers ist nicht durch aufrechnung der beklagten mit einem gegenanspruch nach § 389 bgb erloschen. der beklagten steht kein anspruch gegen den kläger in dieser höhe zu, mit dem sie die aufrechnung mit erfüllungswirkung erklärt hätte. insbesondere steht der beklagten kein anspruch auf rückzahlung der kosten für die fortbildung zu, die der kläger in den monaten august bis november 2020 bei einer freistellung unter vergütungsfortzahlung mit dem fortbildungsziel „pflegeexperte für die außerklinische beatmungspflege“ durchgeführt hat. die beklagte kann diesen anspruch nicht auf eine rechtswirksame anspruchsgrundlage stützen, insbesondere nicht auf § 13 av-nachträge. die rückzahlungsklausel in dieser vertraglichen bestimmung benachteiligt den kläger unangemessen i.s.d. § 307 abs. 1 s. 1 bgb und ist demgemäß unwirksam. 92a) § 13 av-nachtrag stellt eine allgemeine geschäftsbedingung i.s.d. §§ 305, 310 abs. 3 ziff. 1 bgb dar. sowohl der arbeitsvertrag als auch dessen nachträge wurden dem kläger von der beklagte vorformuliert vorgelegt. sie gelten damit bereits nach § 310 abs. 3 ziff. 1 bgb als allgemeine geschäftsbedingungen. 93die bestimmung verpflichtet den kläger zur rückzahlung der für die dauer der fortbildungsmaßnahme empfangenen bezüge und der vom dem arbeitgeber übernommenen kosten der fortbildungsmaßname, „wenn er das arbeitsverhältnis selbst kündigt oder wenn das arbeitsverhältnis vom arbeitgeber aus einem grund gekündigt wird, den der arbeitnehmer zu vertreten hat.“ eine rückzahlungsverpflichtung des klägers besteht nicht, würde der arbeitgeber das arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten gründen kündigen. 94aa) die rückzahlungsklausel in § 13 av-nachtrag unterliegt mit diesem inhalt einer angemessenheits- und transparenzkontrolle i.s.d. §§ 307 abs. 1 s. 1 und 2 bgb. eine solche findet nach § 308 abs. 3 s. 1 bgb nur bei solchen allgemeinen geschäftsbedingungen statt, durch die von rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende regelungen vereinbart werden. dazu zählen alle gesetze im materiellen sinne, ebenso wie richterrechtlich entwickelte rechtsgrundsätze (grüneberg/grüneberg, bgb, 81. aufl. 2022, § 307 rn. 51) und auch solche regelungen, die die umstände des vom verwender gemachten hauptleistungsversprechens ausgestalten (bag 11.12.2018 – 9 azr 383/18; 18.03.2014 - 9 azr 545/12; 13.12.2011 - 3 azr 791/09; lag hamm 29.01.2021 - 1 sa 954/20). eine solche ausgestaltung des hauptleistungsversprechens legt § 13 av-nachtrag fest. dort wird geregelt, unter welchen voraussetzungen eine rückzahlung der fortbildungskosten in betracht kommt, zu deren zahlung der kläger sich synallagmatisch verpflichtet hatte. 95ferner wird durch den ausgelösten bleibedruck eine von der arbeitsplatzbezogenen berufswahlfreiheit des arbeitnehmers aus art. 12 abs. 1, 2 gg und damit eine von rechtsvorschriften abweichende bestimmung getroffen (vgl. bag 11.12.2018 – 9 azr 383/18; 18.11.2008 - 3 azr 192/07; 23.01.2007 - 9 azr 482/06; 11.04.2006 - 9 azr 610/05; lag hamm 11.02.2022 - 1 sa 648/21; 29.01.2021 - 1 sa 954/20; 18.05.2018 - 1 sa. 49/18; 10.09.2010 – 7 sa 633/10). 96bb) § 13 av-nachtrag benachteiligt dem kläger gem. § 307 abs. 1 s. 1 bgb entgegen den geboten von treu und glauben unangemessen. die klausel ist daher unwirksam und entfällt ersatzlos. sie ist auch nicht im wege der ergänzenden vertragsauslegung mit einem zulässigen inhalt aufrechtzuerhalten. 97(1) nach ständiger arbeitsgerichtlicher rechtsprechung müssen sich rückzahlungsklauseln, die als allgemeine geschäftsbedingungen formuliert sind, nach § 307 abs. 1 s. 1 bgb daran messen lassen, ob sie den arbeitnehmer als vertragspartner des verwenders unangemessen benachteiligen. dabei sind die im arbeitsrecht geltenden besonderheiten nach § 310 abs. 4 s. 2 bgb angemessen zu berücksichtigen (vgl. nur bag 18.03.2014 - 9 azr 545/12; 21.08.2012 - 3 azr 698/10; 18.11.2008 - 3 azr 192/07; 23.01.2007 - 9 azr 482/06; 11.04.2001 - 9 azr 610/05; lag hamm 11.02.2022 - 1 sa 648/21; 29.01.2021 - 1 sa 954/20; 18.05.2018 - 1 sa. 49/18; 09.03.2012 - 7 sa 1500/11; 14.01.2011 - 7 sa 1386/10; 10.09.2010 - 7 sa 633/10; lag nürnberg 26.03.2021 - 8 sa 412/20; schrade, festschrift ingrid schmidt, 2021, s. 895, 897; hoffmann, nza-rr 2015, 337, 338; meier/mosig, nza 2008, 1168, 1169; düwell/ebeling, db 2008, 406; schmidt, nza 2004, 1002). 98vorformulierte rückforderungsklauseln sind nach § 307 abs. 1 satz 1 bgb dann unangemessen, wenn der verwender durch einseitige vertragsgestaltung missbräuchlich eigene interessen auf kosten seines vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen belange hinreichend zu beachten und ihm einen angemessenen ausgleich zu gewähren (bag 18.03.2008 - 9 azr 186/07; lag hamm 11.02.2022 - 1 sa 648/21; 21.01.2021 – 1 sa 954/20; 18.05.2018 - 1 sa. 49/18). um festzustellen, ob eine unangemessene benachteiligung gegeben ist, sind die rechtlich anzuerkennenden interessen der vertragspartner wechselseitig zu berücksichtigen und zu bewerten. dabei ist ein genereller und typisierender maßstab anzulegen, der vom einzelfall losgelöst ist. unter berücksichtigung der beteiligten verkehrskreise sind art, gegenstand, zweck und besondere eigenart des geschäfts zu berücksichtigen (bag 27.7.2010 - 3 azr 777/08; 18.03.2008 - 9 azr 186/07; 11.04.2006 - 9 azr 610/05; lag hamm 11.02.2022 - 1 sa 648/21; 29.01.2021 – 1 sa 954/20; 18.05.2018 - 1 sa. 49/18). 99zwar sind einzelvertragliche vereinbarungen, die den arbeitnehmer zu einer beteiligung an den kosten einer vom arbeitgeber finanzierten fortbildung für den fall verpflichten, dass er aus dem arbeitsverhältnis ausscheidet, grundsätzlich zulässig (bag 18.03.2008 - 9 azr 186/07; 11.04.2006 - 9 azr 610/05; 24.06.2004 - 6 azr 383/03; lag hamm 11.02.2022 - 1 sa 648/21; 29.01.2021 - 1 sa 954/20; 18.05.2018 - 1 sa. 49/18; 09.03.2012 - 7 sa 1500/11; 14.01.2011 - 7 sa 1386/10; lag nürnberg 26.03.2021 – 8 sa 412/20). unwirksam sind sie dann, wenn die grundgesetzlich über art. 12 abs. 1 s. 1 gg garantierte arbeitsplatzbezogene berufswahlfreiheit des arbeitnehmers unzulässig eingeschränkt wird. das ist nur dann nicht der fall, wenn die rückzahlungsverpflichtung bei verständiger betrachtung einerseits einem billigenswerten interesse des arbeitgebers entspricht und andererseits der arbeitnehmer mit der fortbildungsmaßnahme eine angemessene gegenleistung für die rückzahlungsverpflichtung erhält. dabei sind die für den arbeitnehmer zumutbaren bindungen anhand einer unter berücksichtigung des verhältnismäßigkeitsprinzips erfolgenden güter- und interessenabwägung zu ermitteln (bag 11.04.2006 - 9 azr 610/05; 19.02.2004 – 6 azr 552/02; 05.12.2002 - 6 azr 539/01; lag hamm 11.02.2022 - 1 sa 648/21; 29.01.2021 - 1 sa 954/20; 18.05.2018 - 1 sa. 49/18; 09.03.2012 - 7 sa 1500/11; 14.01.2011 - 7 sa 1386/10). 100auf seiten des arbeitgebers ist zunächst das interesse beachtenswert, eine vom arbeitnehmer erworbene und von ihm – dem arbeitgeber – finanzierte qualifikation grundsätzlich für seinen betrieb nutzen zu können (erf-kom.-preis, 22. aufl. 2022, § 611a bgb rn. 438). dies lässt es berechtigt erscheinen, einen auf kosten des arbeitgebers fortgebildeten arbeitnehmer im falle eines ausscheidens aus dem betrieb an den kosten zu beteiligen (bag 11.04.2006 - 9 azr 610/05; 19.02.2004 - 6 azr 552/02). dem steht das interesse des arbeitnehmers gegenüber, seinen arbeitsplatz frei wählen zu können, ohne mit der last einer kostenerstattung konfrontiert zu sein. im vordergrund des abwägungsprozesses befindet sich der umstand, ob der arbeitnehmer mit der ausbildung einen geldwerten vorteil erlangt, der über die sonstigen wechselseitigen arbeitsvertraglichen verpflichtungen hinausgeht (vgl. nur bag 11.04.2006 - 9 azr 610/05; 19.02.2004 – 6 azr 552/02; 16.03.1994 - 5 azr 339/92; lag hamm 11.02.2022 - 1 sa 648/21; 21.01.2021 – 1 sa 954/20; 18.05.2018 – 1 sa 49/18; 09.03.2012 - 7 sa 1500/11; 14.01.2011 - 7 sa 1386/10). 101(2) es mag offen bleiben, ob dem kläger mit der zwölftägigen fortbildung zum „pflegexperten für die außerklinische beatmungspflege“ ein geldwerter vorteil zugekommen ist, an den überhaupt eine rückforderungsverpflichtung geknüpft werden kann. dagegen spricht, dass es sich um eine fortbildung zu handeln scheint, die durchgeführt werden muss, damit die beklagte ihren pflegerischen verpflichtungen gegenüber ihren patienten mit den so geschulten arbeitnehmern überhaupt erfüllen kann. so legt jedenfalls § 13 abs. 1 av-nachtrag fest, dass ein „grundkurs pflegefachkraft beatmungspflege“ zu absolvieren ist, falls eine solche fortbildung noch nicht abgeschlossen worden war. 102(3) die klausel ist jedenfalls deshalb unangemessen benachteiligend, weil sie unter berücksichtigung des generellen und typisierenden maßstabs, der im rahmen der angemessenheitskontrolle allgemeiner geschäftsbedingungen anzulegen ist (bag 11.12.2018 – 9 azr 383/18; lag hamm 11.02.2022 - 1 sa 648/21; 29.01.2021 – 1 sa 954/20; 18.05.2018 – 1 sa 49/18), nicht ausreichend nach dem grund für eine beendigung des arbeitsverhältnisses differenziert. 103so ist höchstrichterlich entschieden, dass es nicht zulässig ist, eine rückzahlungspflicht einschränkungslos an das ausscheiden aufgrund einer eigenkündigung des arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten bindungsfrist zu knüpfen. es bedarf vielmehr einer nach dem grund des vorzeitigen ausscheidens differenzierten betrachtung (bag 11.12.2018 – 9 azr 383/18; 28.05.2013 – 3 azr 103/12; 11.04.2006 - 9 azr 610; vgl. auch lag hamm 11.02.2022 - 1 sa 648/21). dabei lässt sich die arbeitsgerichtliche rechtsprechung davon leiten, dass eine rückzahlungsklausel nur dann ausgewogen ist, wenn es der arbeitnehmer selbst in der hand hat, der rückzahlungsverpflichtung durch eigene betriebstreue zu entgehen. damit wird der risikoverteilung zwischen arbeitnehmer und arbeitgeber entsprochen. so ist es der arbeitgeber, der verluste aufgrund von investitionen trägt, die nachträglich wertlos werden. müsste der arbeitnehmer die in seine aus- und weiterbildung investierten betriebsausgaben auch dann zurückzahlen, wenn die ursachen einer vorzeitigen beendigung des arbeitsverhältnisses alleine dem verantwortungs- und risikobereich des arbeitgebers entstammen, hätte es der arbeitgeber entgegen der das arbeitsrecht prägenden risikoverteilung in der hand, den arbeitnehmer mit den kosten einer fehlgeschlagenen investition zu belasten. eine solche klausel würde den arbeitnehmer mangels ausreichender beachtung der wechselseitigen interessen unangemessen im sinne des § 307 abs. 1 bgb benachteiligen (vgl. bag 18.03.2014 – 9 azr 545/12; 28.05.2013 – 3 azr 103/12; 13.12.2011 - 3 azr 791/09; 24.06.2004 - 6 azr 383/03; lag hamm 11.02.2022 - 1 sa 648/21; 21.01.2021 – 1 sa 954/20; 18.05.2018 – 1 sa 49/18; hessisches lag 20.10.2010 – 19 sa 329/10). 104zwar nimmt § 13 av-nachtrag eine differenzierung vor. doch ist die vorgenommene differenzierung unzureichend. denn der kläger bleibt uneingeschränkt zur rückzahlung verpflichtet, wenn „er das arbeitsverhältnis selbst kündigt“. der kläger müsste damit aus- und fortbildungskosten auch dann tragen, wenn die gründe für die vorzeitige beendigung des arbeitsverhältnisses ausschließlich dem verantwortungs- und risikobereich der beklagten zuzurechnen wären. eine vertragsklausel, die auch für einen solchen fall eine rückzahlungspflicht vorsieht, berücksichtigt nicht die wechselseitig anzuerkennenden interessen beider vertragspartner, sondern einseitig diejenigen des arbeitgebers. das bundesarbeitsgericht nimmt überzeugend an, dass eine rückzahlungsklausel unwirksam ist, die den arbeitnehmer „im falle einer selbst ausgesprochenen kündigung auch dann mit den ausbildungskosten belastet, wenn er sich wegen eines fehlverhaltens des arbeitgebers als zur eigenkündigung berechtigt ansehen darf“ (bag 13.12.2011 – 3 azr 791/09 rn. 27) oder aber dazu „vom arbeitgeber veranlasst wurde“ (bag 13.12.2011 – 3 azr 791/09 rn. 20; vgl. auch lag hamm 11.02.2022 - 1 sa 648/21). die rückzahlungsklausel in § 13 av-nachtrag berücksichtigt daher nicht die im arbeitsleben übliche risikoverteilung zwischen arbeitgeber und arbeitnehmer, bevorzugt einseitig die interessen der beklagten und benachteiligt damit den kläger unangemessen (vgl. bag 13.12.2011 - 3 azr 791/09; 24.06.2004 - 6 azr 383/03; lag hamm 11.02.2022 - 1 sa 648/21). die klausel ist demgemäß nach § 307 abs. 1 s. 1 bgb unwirksam und kann der beklagten nicht als anspruchsgrundlage dienen. 105b) § 13 av-nachtrag kann auch nicht mit einem rechtlich haltbaren inhalt bestand haben. eine geltungserhaltende reduktion allgemeiner geschäftsbedingungen ist nicht möglich (bag 11.12.2018 – 9 azr 383/18; 28.05.2013 – 3 azr 103/12; 13.12.2011 - 3 azr 791/09; lag hamm 11.02.2022 - 1 sa 648/21; 29.01.2021 – 1 sa 954/20; 18.05.2018 – 1 sa 49/18; wisskirchen/block, in: tschöpe, arbeitsrecht handbuch, 11. aufl. 2019, arbeitsvertrag und agb-kontrolle, rn. 118b). 106c) die beklagte kann ihren anspruch auf erstattung der fortbildungskosten auch nicht auf die §§ 812 abs. 1 satz 1, 818 abs. 2 bgb stützen. der kläger hat die fortbildung nicht ohne rechtlichen grund erlangt, sondern auf basis der - mit ausnahme der rückzahlungsklausel - wirksamen arbeitsvertraglichen vereinbarung der parteien über die durchführung der fortbildung (vgl. bag 06.08.2013 - 9 azr 442/12; 21. 08. 2012 - 3 azr 698/10; lag hamm 11.02.2022 - 1 sa 648/21; 21.01.2021 – 1 sa 954/20; 18.05.2018 – 1 sa 49/18; staudinger/richardi/fischinger (2020) bgb § 611a, rn. 1581). 107d) mangels anspruchsgrundlage ging die in der lohnabrechnung für november 2020 als lohneinbehalt i.s.d. § 388 bgb konkludent erklärte aufrechnung der beklagen über den gesamten betrag in höhe von 1.890 € netto ins leere. erfüllungswirkung kam der aufrechnung damit nicht zu. die beklagte bleibt zur zahlung des noch offenen teil-vergütungsanspruchs für november 2020 verpflichtet. das arbeitsgericht hat der klage hinsichtlich dieses streitgegenstands nur in höhe von 500,00 € netto stattgegeben. das urteil war deshalb insoweit abzuändern und ein weiterer betrag von 1.390 € netto zuzusprechen. 1084. die berufung des kläger ist begründet, soweit er mit ihr die abweisung der widerklage verfolgt und sich dagegen wendet, an die beklagte 1.800,96 € zahlen zu sollen. aus den bereits dargestellten gründen hat das arbeitsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, der beklagten stünde, gestützt auf § 13 av-nachtrag, ein anspruch auf rückzahlung der fortbildungskosten zu. damit fehlt es auch an einer anspruchsgrundlage für die rückzahlung der für die dauer von 12 fortbildungstagen erfolgten vergütungszahlung. 1095. soweit zinsen zugesprochen worden sind, beruht dies auf den §§ 286 abs. 1, abs. 2 nr. 1, 291, 288 abs. 1 bgb. 110iii. die berufung der beklagten ist unbegründet. 1111. der beklagten steht gegen den kläger kein anspruch auf zahlung in höhe von 2.026,08 € aus § 812 abs. 1 s. 1 bgb zu. dem kläger stand gegen die beklagte ein anspruch auf abgeltung von 20 urlaubstagen zu, den die beklagte mit der abrechnung für november 2020 zur auszahlung gebracht hat. den betrag über 2.026,08 € hat der kläger damit nicht ohne rechtsgrund i.s.d. § 812 abs. 1 s. 1 bgb erlangt. das arbeitsgericht hat die widerklage insoweit zu recht abgewiesen. 112a) zwischen den parteien ist nicht im streit, dass dem kläger im kalenderjahr 2020 insgesamt 37 urlaubstage während verschiedener zeiträume von der beklagten gewährt worden sind. damit hat die beklagte den offenen urlaubsanspruch des klägers aus dem kalenderjahr 2019 und 2020 nicht in vollem umfang erfüllt. sie war demgemäß zur abgeltung von 10 urlaubstagen verpflichtet. 113im kalenderjahr 2019 wurde dem kläger kein urlaub bewilligt. der urlaub des jahres 2019 ist nicht mit ablauf des 31.12.2019 untergegangen. mit dem urlaub vom 06.01.2020 bis zum 28.01.2020, der dem kläger gewährt worden ist, wurde ein solcher erfüllt, der in 2019 entstanden war. 114so hat die beklagte nicht ausreichend vorgetragen, dass sie ihren arbeitgeberseitigen verpflichtungen nachgekommen ist, dem kläger eine verwirklichung seines urlaubs in 2019 zu ermöglichen. dabei musste das berufungsgericht die zweitinstanzlich wenige tage vor schluss der mündlichen verhandlung erstmals vorgetragene behauptung der beklagten nicht aufklären, sie habe den kläger in 2019 immer wieder darauf angesprochen, ihm resturlaub zu gewähren, der andernfalls verfallen würde. diese behauptung der beklagten ist nicht nur gänzlich ohne substanz zu ort, zeit und näheren umständen der behaupteten urlaubsgewährung für 2019. sie steht ferner in widerspruch zu deren bisherigen erst- und zweitinstanzlichen behauptungen. so hat die beklagte erstinstanzlich und auch zu beginn in der berufungsinstanz gegensätzlich vorgetragen und behauptet, dem kläger sei im kalenderjahr 2019 ein dreiwöchiger urlaub gewährt worden, was sie durch vorlage von urlaubslisten belegen könne. gründe für den nunmehrigen vortragswechsel trägt sie nicht vor. widersprüchlich mutet es ferner an, ergänzt die beklagte ihre behauptungen dahingehend, der kläger, den sie immer wieder auf die urlaubsnahme angesprochen haben will, habe einen dreiwöchigen urlaub im dezember 2019 abgelehnt, weil er eben keinen urlaub benötige. warum der kläger dann aber gleichwohl im januar 2020 und damit nur wenige wochen später unstreitig genau einen solchen urlaub in anspruch genommen hat, ist nicht erklärlich. darüber hinaus ist die beklagte bis zur aufnahme dieses rechtsstreits davon ausgegangen, dem kläger stünde ein abgeltungsanspruch zu, den sie zu erfüllen habe und auch durch zahlung im november 2020 erfüllt hat. eigenes verhalten der beklagten, deren bisherige behauptungen und der nunmehriger vortragswechsel stehen in einem derartigen widerspruch, dass sich die zuletzt vorgetragenen behauptungen als verstoß gegen die eine jede partei nach § 138 abs. 1 zpo treffende verpflichtung zu vollständigem und wahrheitsgemäßen vortrag darstellen. sie bleiben aus gründen der verletzung der wahrheitspflicht unbeachtlich. 115b) mit dem urlaub vom 06.01.2020 bis zum 28.01.2020, der dem kläger gewährt worden ist, wurde damit ein solcher erfüllt, der in 2019 entstanden war. dabei ist es unerheblich, dass es zu einer ausdrücklichen übertragungsvereinbarung zwischen den parteien nicht gekommen ist. denn einer ausdrücklichen übertragung i.s.d. § 7 abs. 3 s. 2 burlg bedurfte es nicht. 116der anspruch auf den gesetzlichen mindesturlaub gem. §§ 1, 3 abs. 1 burlg erlischt bei einer mit art. 7 der richtlinie 2003/88/eg konformen auslegung von § 7 burlg nur dann gem. § 7 abs. 3 s. 1 burlg am ende des kalenderjahres oder eines zulässigen übertragungszeitraums gem. § 7 abs. 3 s. 2, 4 burlg, wenn der arbeitgeber den arbeitnehmer zuvor in die lage versetzt hat, seinen urlaubsanspruch wahrzunehmen und der arbeitnehmer diesen urlaub dennoch aus freien stücken nicht genommen hat. den arbeitgeber trifft eine initiativlast bei der verwirklichung des urlaubsanspruchs. sollen die wirkungen des urlaubsrechtlichen fristenregimes greifen, insbesondere also der urlaub mit ablauf des 31. dezember eines kalenderjahres erlöschen, ist dafür voraussetzung, dass der arbeitgeber seinen mitwirkungsobliegenheiten nachkommt (bag 26.05.2020 - 9 azr 259/19, 19.02.2019 - 9 azr 423/16; lag rheinland-pfalz, 14.01.2021 – 5 sa 267/19). 117so ist bei einer richtlinienkonformen auslegung von § 7 abs. 1 satz 1 und abs. 3 satz 1 burlg der anwendungsbereich der fristen- und übertragungsregelung von § 7 abs. 3 satz 2 burlg auf die fälle beschränkt, in denen der arbeitgeber seinen mitwirkungsobliegenheiten isv. § 7 abs. 1 satz 1 burlg nachgekommen ist. erfüllt er seine mitwirkungsobliegenheiten nicht, ist der urlaubsanspruch für das jeweilige urlaubsjahr unabhängig vom vorliegen eines übertragungsgrundes regelmäßig nicht i.s.v. § 7 abs. 3 satz 1 burlg an das urlaubsjahr gebunden. einer übertragung auf das nächste kalenderjahr bedarf es demgemäß nicht (bag, 19.02.2019 – 9 azr 423/16). 118c) damit hat die beklagte mit der urlaubsgewährung vom 06.01.2020 bis zum 27.01.2020 urlaubsansprüche des klägers aus dem kalenderjahr 2019 erfüllt. für das kalenderjahr 2020 stand dem kläger damit der volle (vertragliche) urlaubsanspruch von 30 kalendertagen zu. gewährt hat die beklagte darauf 20 urlaubstage. die verbliebenen 10 urlaubstage waren daher – wie mit der novemberabrechnung geschehen – dem kläger nach § 7 abs. 4 burlg – abzugelten. 1192. aus vorstehenden gründen steht der beklagten auch kein rückforderungsanspruch des für 7 tage erholungsurlaubs gewährten urlaubsentgelts aus § 812 abs. 1 s. 1 bgb in höhe von 1.050,56 € zu. dem kläger stand für jeden der in 2020 gewährten urlaubstage ein urlaubsentgelt gem. § 7 abs. 1 burlg zu. die vergütungszahlung hat er deshalb nicht ohne rechtsgrund erhalten. 1203. zu recht hat das arbeitsgericht den auf zahlung eines schadensersatzes in höhe von 8.000 € gerichteten widerklageantrag der beklagte aus den §§ 241 abs. 2, 280, 282 bgb, 826 bgb abgewiesen. 121a) die beklagte ist für die anspruchsbegründenden tatsachen der haftungsbegründenden kausalität einer etwaigen vertraglichen oder deliktischen pflichtverletzung des klägers darlegungs- und beweispflichtig. ihr erstinstanzlicher vortrag beschränkt sich auf die behauptung, der kläger habe während seiner tätigkeit den pflegedienst b eingeschaltet, damit der patient c. betreut werde. er habe die ehefrau des patienten mit vergünstigungen gelockt und sich bereits anlässlich der weihnachtsfeier 2019 dahingehend erklärt, er wolle sie – die beklagte - vernichten. zweitinstanzlich hat die beklage dies dahingehend ergänzt, der kläger sei ende november 2020 „proaktiv“ auf den pflegedienst b zugegangen und habe mitgeteilt, er könne ihm einen patienten vermitteln. der ehefrau des patienten sei eine vergünstigung in der pflege versprochen worden. das arbeitsgericht hat ausführlich und zutreffend dargelegt, dass der erstinstanzliche sachvortrag mangels ausreichender substantiierung zum schadensgrund und auch zur schadenshöhe einer zeugenvernehmung nicht zugänglich war, ohne eine unzulässige ausforschung zu betreiben, die mit dem die zivil- und arbeitsgerichtliche auseinandersetzung beherrschenden beibringungsgrundsatz nicht vereinbar ist. auf die gründe der arbeitsgerichtlichen entscheidung wird entsprechend § 69 abs. 2 arbgg bezug genommen. 122b) die beklagte trifft nach § 138 abs. 1 zpo die pflicht zum vollständigen vortrag. sie darf demgemäß keine in ihre darlegungslast fallenden tatsachen unterdrücken. zugleich ist sie nicht etwa angehalten, den streitigen lebensvorgang von vornherein in allen einzelheiten wiederzugeben. für die schlüssigkeit des klägerischen vortrags ist die wiedergabe der tatsächlichen umstände ausreichend, aus denen sich die gesetzlichen voraussetzungen der begehrten rechtsfolge ergeben. soweit dem entsprochen ist, trifft wiederum den gegner die erklärungslast, die wiederum eine substantiierungslast des darlegungspflichtigen auslöst ((zöller-greger, zpo, 34. aufl. 2022, § 138 rn. 7b). der kläger hat die sehr pauschal gehaltenen behauptungen der beklagten seinerseits bestritten. zweitinstanzlich hat die beklagte ihren vortrag nicht weiter substantiiert und ist dabei geblieben, ein „proaktives zugehen“ auf den geschäftsführer eines weiteren pflegedienstes zu behaupten, ohne dies nach zeit, ort und näheren umständen des geschehens oder dem inhalt behaupteter erklärungen und den umständen eigenen erfahrens näher darzulegen. ihren prozessualen verpflichtungen zu einem nach näheren umständen vollständigen vortrag ist die beklagte damit nicht nachgekommen. 123iv. die kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 abs. 1, 92 abs. 1 zpo. der gebührenstreitwert des arbeitsgerichtlichen urteils belief sich auf 30.621,97 €. der kläger unterlag erstinstanzlich hinsichtlich der eingeforderten nutzungsausfallentschädigung in höhe von 5.000 € und hat die darauf anteilig entfallenden kosten zu tragen. die auf einen streitwert von 25.621,97 € entfallenden kosten hat die beklagte infolge ihres unterliegens und der teilrücknahme ihrer widerklage zu tragen. die kosten erster instanz waren damit dem kläger zu 16 % und der beklagten zu 84 % aufzuerlegen. der streitwert für das berufungsverfahren beträgt unter berücksichtigung der nicht mehr in die berufung gelangten streitgegenstände 25.542,82 €. der kläger unterliegt zweitinstanzlich in einem umfang von 5.000 €. dies führt zu einer kostenlast des klägers von 20 % und einer solchen der beklagten von 80 %. 124die revision war nach § 72 abs. 2 ziff. 1 arbgg nicht zuzulassen. keine der angesprochenen rechtsfragen ist von grundsätzlicher bedeutung. auch weicht die entscheidung des berufungsgerichts von keiner entscheidung der in § 72 abs. 2 ziff. 2 genannten gerichte ab. 125rechtsmittelbelehrung 126gegen dieses urteil ist ein rechtsmittel nicht gegeben. 127wegen der möglichkeit der nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a arbgg verwiesen. | Klaeger*in | 1 |
164,421 | 215 C 38/15 | 2015-06-30T00:00:00 | Urteil | Tenor 1. Das Versäumnisurteil vom 13.03.2015 wird aufgeboben und die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 1Tatbestand: 2Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft G.str. in Köln. Der Kläger ist Sondereigentümer der Wohneinheit Nr. 3 gemäß Aufteilungsplan. Die Wohneinheit befindet sich in einem Anbau zur Wohnanlage der Gemeinschaft (Hinterhaus). Die Wohneinheit Nr. 3 des Klägers verfügt über zwei Etagen, welche durch eine Zwischendecke getrennt sind. In der Zwischendecke verlaufen Rohrleitungen zur Wasserversorgung. 3In § 4 Ziffer 1c) der Teilungserklärung vom 21.06.2012 findet sich folgende Regelung: 4„§ 4 51. Die Kosten der Instandhaltung der zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Teile des Gebäudes (insbesondere Wände, Decken, Böden, Türen, Fenster, Rollläden) einschließlich der äußeren Fenster 6(…) 7c) trägt, soweit sich diese im Bereich der der zum Sondereigentum der Wohnung Nr. 3 gehörenden Räumlichkeiten befinden, der Eigentümer der Wohnung Nr. 3, einschließlich der über diesem Wohnungseigentum liegenden Dachkonstruktion mit Dach, (…). 8Die Kosten der Instandhaltung aller Ver- und Entsorgungsleitungen 9a) trägt, soweit diese Leitungen nur von einem Eigentümer allein genutzt werden, derjenige Eigentümer allein, der die Leitungen allein nutzt, 10b) tragen, soweit diese Leitungen von mehreren oder allen Eigentümern gemeinsam genutzt werden, diejenigen Eigentümer, die diese Leitungen nutzen, untereinander in dem in § 6 Ziffer 2 genannten Verhältnis.“ 11Wegen der Einzelheiten wird auf die Teilungserklärung vom 21.06.2012 (Bl. 15 ff. GA) Bezug genommen. 12Am 14.07.2011 kam es in der Zwischendecke der klägerischen Wohnung zu einem Wasserrohrbruch. Aufgrund des austretenden Wassers kam es zu Folgeschäden innerhalb der Wohneinheit. Die Decke war durchfeuchtet und hing durch. Gemäß Kostenvoranschlages der Firma I. GmbH & Co KG vom 01.08.2011 war die Decke zu begradigen und mit neuen Platten zu schließen. Zudem musst die Decke neu mit Raufaser tapeziert werden. Hierfür wurden Kosten in Höhe von € 1.335,66 brutto (€ 1.122,40 netto) veranschlagt. Auf den Kostenvoranschlag (Bl. 49 f. GA) wird Bezug genommen. 13Der Kläger beseitigte den Schaden selbst. Mit Schreiben vom 22.04.2013 sowie mit anwaltlichen Schreiben vom 14.06.2013 und 12.07.2013 wurde die sonstige Beteiligte unter Fristsetzung aufgefordert, Kosten in Höhe von € 1.122,40 zu zahlen sowie die Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von € 155,30 zu begleichen. 14Der Kläger ist der Auffassung, die Regelungen der Teilungserklärung unterschieden nach Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen. Letztere seien aber nicht dem Sondereigentümer zugewiesen. Instandsetzungsarbeiten seien daher kostenmäßig von allen Eigentümern anteilig zu tragen. Darüber hinaus stehe die streitgegenständliche Wasserleitung im Gemeinschaftseigentum. 15Der Kläger beantragt, 16die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 1.122,40 nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.05.2013 zu zahlen sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von EUR 155,30 nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 06.07.2013 zu zahlen. 17Hilfsweise 18Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 600,00 (30 Stunden á 20,00 EUR) nebst Verzugszinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.05.2015 zu zahlen. 19Die Beklagte beantragt, 20 das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. 21Sie ist der Auffassung, bei der streitgegenständlichen Wasserleitung handele es sich um Sondereigentum. Eine Anspruchsgrundlage für die klägerseits geltend gemachten Folgekosten zur Schadensbeseitigung im Bereich seines Sondereigentums sei nicht ersichtlich. 22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. 23Entscheidungsgründe: 24Der Einspruch ist zulässig und begründet. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. 25Dem Kläger steht ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu. 26Die streitgegenständliche Leitung ist nicht zwingendes Gemeinschaftseigentum nach § 5 Abs. 2 WEG. 27Die Leitung verläuft innerhalb des Sondereigentums des Klägers in der Zwischendecke, und nicht im räumlichen Bereich des Gemeinschaftseigentum. Bei der Zwischendecke handelt es sich auch nicht um eine tragende Decke, welche im Gemeinschaftseigentum stehen würde. Die Leitung dient ebenfalls unstreitig ausschließlich zur Versorgung der klägerischen Einheit, was zum Teil als ausreichend für die Bejahung von Sondereigentum betrachtet wird (vgl. OLG München, OLGR 2002, 140; MünchKomm-BGB/Commichau, WEG, § 5, Rn. 12; BeckOK-Timme/Kesseler, WEG, § 5, Rn. 19, 34). 28Jedenfalls sind Leitungen, die sich im räumlichen Bereich der Wohnung befinden, von den einzelnen Abzweigungen an dem Sondereigentum zugeordnet (vgl. auch Bärmann u.a., WEG, 11. Aufl., § 5, Rn. 90; Niedenführ u.a., WEG, 10. Aufl., § 5, Rn. 24 mwN). 29Etwas anderes ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht aus der Entscheidung des BGH in seiner Entscheidung vom 26.10.2012 (WuM 2013, 244 ff.). 30Dort ging es um eine Wasserleitung, welche in der zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Dachabseite verlief. Der BGH hatte die umstrittene Rechtsfrage, wann wesentliche Bestandteile des Gebäudes, die sich zwar im Bereich des Gemeinschaftseigentums befinden, aber nur einer Sondereigentumseinheit dienen, im Sinne des § 5 Absatz 1 WEG zu den Räumen dieser Einheit „gehören", nicht entschieden. Diese Frage ist auch vorliegend nicht entscheidend, da sich die Leitung unstreitig im räumlichen Bereich des Sondereigentums befindet 31Der BGH hat weiter angeführt, dass Wasser- und Heizungsleitungen ihre Zugehörigkeit zu dem Gesamtnetz nicht nur bis zu ihrem Eintritt in den räumlichen Bereich des Sondereigentums verlieren, sondern jedenfalls auch von dem Punkt an, an dem sie sich durch eine im räumlichen Bereich des Sondereigentums befindliche Absperrvorrichtung hiervon trennen lassen. Auch wenn vorliegend eine Absperrmöglichkeit im gemeinschaftlichen Heizungskeller besteht, schließt dies die Eigenschaft der hier streitgegenständlichen Leitung als Sondereigentum nicht aus, sondern trägt vielmehr den jeweiligen Interessen ausreichend Rechnung. 32Die Gemeinschaft behält so die gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis über das Leitungsnetz und ermöglicht Veränderungen daran, beispielsweise die Verwendung von Leitungen, die nur eine Wohneinheit versorgen, auch für andere Zwecke; ferner erleichtert sie die Durchführung von Instandsetzungsarbeiten oder Modernisierungsmaßnahmen an den Versorgungsleitungen. Demgegenüber werden auch schützenswerte Interessen des einzelnen Sondereigentümers daran, dass sich seine Verfügungs- und Gestaltungsmacht auf Leitungen erstreckt, die innerhalb seiner Räume liegen, Rechnung getragen. 33Es kann insofern auch dahingestellt bleiben, ob sich aufgrund der Teilungserklärung eine Kostenbelastung des Klägers nicht nur für Instandhaltungs-, sondern auch für Instandsetzungsmaßnahmen ergibt. 34Mangels bestehendem Zahlungsanspruch kann der Kläger auch nicht den Ersatz der entstandenen Rechtsverfolgungskosten als Verzugsschaden geltend machen. 35Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO. 36Der Streitwert wird auf 1.122,40 EUR festgesetzt. 37Der Streitwert wird auf 1.122,40 EUR festgesetzt. 38Rechtsbehelfsbelehrung: 39Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist, 401. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder 412. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist. 42Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. 43Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen. 44Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 45Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden. 46 Köln, 25.06.2015AmtsgerichtRichterin am Amtsgericht | 1. das versäumnisurteil vom 13.03.2015 wird aufgeboben und die klage wird abgewiesen. 2. die kosten des rechtsstreits werden dem kläger auferlegt. 3. das urteil ist vorläufig vollstreckbar. dem kläger wird nachgelassen, die vollstreckung gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abzuwenden, wenn nicht die beklagte zuvor sicherheit in gleicher höhe leistet. 1 | 2die parteien bilden die wohnungseigentümergemeinschaft g.str. in köln. der kläger ist sondereigentümer der wohneinheit nr. 3 gemäß aufteilungsplan. die wohneinheit befindet sich in einem anbau zur wohnanlage der gemeinschaft (hinterhaus). die wohneinheit nr. 3 des klägers verfügt über zwei etagen, welche durch eine zwischendecke getrennt sind. in der zwischendecke verlaufen rohrleitungen zur wasserversorgung. 3in § 4 ziffer 1c) der teilungserklärung vom 21.06.2012 findet sich folgende regelung: 4„§ 4 51. die kosten der instandhaltung der zum gemeinschaftlichen eigentum gehörenden teile des gebäudes (insbesondere wände, decken, böden, türen, fenster, rollläden) einschließlich der äußeren fenster 6(…) 7c) trägt, soweit sich diese im bereich der der zum sondereigentum der wohnung nr. 3 gehörenden räumlichkeiten befinden, der eigentümer der wohnung nr. 3, einschließlich der über diesem wohnungseigentum liegenden dachkonstruktion mit dach, (…). 8die kosten der instandhaltung aller ver- und entsorgungsleitungen 9a) trägt, soweit diese leitungen nur von einem eigentümer allein genutzt werden, derjenige eigentümer allein, der die leitungen allein nutzt, 10b) tragen, soweit diese leitungen von mehreren oder allen eigentümern gemeinsam genutzt werden, diejenigen eigentümer, die diese leitungen nutzen, untereinander in dem in § 6 ziffer 2 genannten verhältnis.“ 11wegen der einzelheiten wird auf die teilungserklärung vom 21.06.2012 (bl. 15 ff. ga) bezug genommen. 12am 14.07.2011 kam es in der zwischendecke der klägerischen wohnung zu einem wasserrohrbruch. aufgrund des austretenden wassers kam es zu folgeschäden innerhalb der wohneinheit. die decke war durchfeuchtet und hing durch. gemäß kostenvoranschlages der firma i. gmbh & co kg vom 01.08.2011 war die decke zu begradigen und mit neuen platten zu schließen. zudem musst die decke neu mit raufaser tapeziert werden. hierfür wurden kosten in höhe von € 1.335,66 brutto (€ 1.122,40 netto) veranschlagt. auf den kostenvoranschlag (bl. 49 f. ga) wird bezug genommen. 13der kläger beseitigte den schaden selbst. mit schreiben vom 22.04.2013 sowie mit anwaltlichen schreiben vom 14.06.2013 und 12.07.2013 wurde die sonstige beteiligte unter fristsetzung aufgefordert, kosten in höhe von € 1.122,40 zu zahlen sowie die kosten der rechtsverfolgung in höhe von € 155,30 zu begleichen. 14der kläger ist der auffassung, die regelungen der teilungserklärung unterschieden nach instandhaltungs- und instandsetzungsmaßnahmen. letztere seien aber nicht dem sondereigentümer zugewiesen. instandsetzungsarbeiten seien daher kostenmäßig von allen eigentümern anteilig zu tragen. darüber hinaus stehe die streitgegenständliche wasserleitung im gemeinschaftseigentum. 15der kläger beantragt, 16die beklagte zu verurteilen, an den kläger eur 1.122,40 nebst verzugszinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit dem 09.05.2013 zu zahlen sowie vorgerichtliche kosten in höhe von eur 155,30 nebst verzugszinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz der ezb seit dem 06.07.2013 zu zahlen. 17hilfsweise 18die beklagte zu verurteilen, an den kläger € 600,00 (30 stunden á 20,00 eur) nebst verzugszinsen von 5 prozentpunkten über dem basiszinssatz seit dem 12.05.2015 zu zahlen. 19die beklagte beantragt, 20 das versäumnisurteil aufzuheben und die klage abzuweisen. 21sie ist der auffassung, bei der streitgegenständlichen wasserleitung handele es sich um sondereigentum. eine anspruchsgrundlage für die klägerseits geltend gemachten folgekosten zur schadensbeseitigung im bereich seines sondereigentums sei nicht ersichtlich. 22wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die eingereichten schriftsätze nebst anlagen bezug genommen. 23 | 24der einspruch ist zulässig und begründet. die zulässige klage hat in der sache keinen erfolg. 25dem kläger steht ein zahlungsanspruch gegen die beklagte nicht zu. 26die streitgegenständliche leitung ist nicht zwingendes gemeinschaftseigentum nach § 5 abs. 2 weg. 27die leitung verläuft innerhalb des sondereigentums des klägers in der zwischendecke, und nicht im räumlichen bereich des gemeinschaftseigentum. bei der zwischendecke handelt es sich auch nicht um eine tragende decke, welche im gemeinschaftseigentum stehen würde. die leitung dient ebenfalls unstreitig ausschließlich zur versorgung der klägerischen einheit, was zum teil als ausreichend für die bejahung von sondereigentum betrachtet wird (vgl. olg münchen, olgr 2002, 140; münchkomm-bgb/commichau, weg, § 5, rn. 12; beckok-timme/kesseler, weg, § 5, rn. 19, 34). 28jedenfalls sind leitungen, die sich im räumlichen bereich der wohnung befinden, von den einzelnen abzweigungen an dem sondereigentum zugeordnet (vgl. auch bärmann u.a., weg, 11. aufl., § 5, rn. 90; niedenführ u.a., weg, 10. aufl., § 5, rn. 24 mwn). 29etwas anderes ergibt sich im vorliegenden fall auch nicht aus der entscheidung des bgh in seiner entscheidung vom 26.10.2012 (wum 2013, 244 ff.). 30dort ging es um eine wasserleitung, welche in der zum gemeinschaftseigentum gehörenden dachabseite verlief. der bgh hatte die umstrittene rechtsfrage, wann wesentliche bestandteile des gebäudes, die sich zwar im bereich des gemeinschaftseigentums befinden, aber nur einer sondereigentumseinheit dienen, im sinne des § 5 absatz 1 weg zu den räumen dieser einheit „gehören", nicht entschieden. diese frage ist auch vorliegend nicht entscheidend, da sich die leitung unstreitig im räumlichen bereich des sondereigentums befindet 31der bgh hat weiter angeführt, dass wasser- und heizungsleitungen ihre zugehörigkeit zu dem gesamtnetz nicht nur bis zu ihrem eintritt in den räumlichen bereich des sondereigentums verlieren, sondern jedenfalls auch von dem punkt an, an dem sie sich durch eine im räumlichen bereich des sondereigentums befindliche absperrvorrichtung hiervon trennen lassen. auch wenn vorliegend eine absperrmöglichkeit im gemeinschaftlichen heizungskeller besteht, schließt dies die eigenschaft der hier streitgegenständlichen leitung als sondereigentum nicht aus, sondern trägt vielmehr den jeweiligen interessen ausreichend rechnung. 32die gemeinschaft behält so die gemeinschaftliche verfügungsbefugnis über das leitungsnetz und ermöglicht veränderungen daran, beispielsweise die verwendung von leitungen, die nur eine wohneinheit versorgen, auch für andere zwecke; ferner erleichtert sie die durchführung von instandsetzungsarbeiten oder modernisierungsmaßnahmen an den versorgungsleitungen. demgegenüber werden auch schützenswerte interessen des einzelnen sondereigentümers daran, dass sich seine verfügungs- und gestaltungsmacht auf leitungen erstreckt, die innerhalb seiner räume liegen, rechnung getragen. 33es kann insofern auch dahingestellt bleiben, ob sich aufgrund der teilungserklärung eine kostenbelastung des klägers nicht nur für instandhaltungs-, sondern auch für instandsetzungsmaßnahmen ergibt. 34mangels bestehendem zahlungsanspruch kann der kläger auch nicht den ersatz der entstandenen rechtsverfolgungskosten als verzugsschaden geltend machen. 35die prozessualen nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 nr. 11, 711 zpo. 36der streitwert wird auf 1.122,40 eur festgesetzt. 37der streitwert wird auf 1.122,40 eur festgesetzt. 38rechtsbehelfsbelehrung: 39gegen dieses urteil ist das rechtsmittel der berufung für jeden zulässig, der durch dieses urteil in seinen rechten benachteiligt ist, 401. wenn der wert des beschwerdegegenstandes 600,00 eur übersteigt oder 412. wenn die berufung in dem urteil durch das amtsgericht zugelassen worden ist. 42die berufung muss innerhalb einer notfrist von einem monat nach zustellung dieses urteils schriftlich bei dem landgericht köln, luxemburger str. 101, 50939 köln, eingegangen sein. die berufungsschrift muss die bezeichnung des urteils, gegen das die berufung gerichtet wird, sowie die erklärung, dass gegen dieses urteil berufung eingelegt werde, enthalten. 43die berufung ist, sofern nicht bereits in der berufungsschrift erfolgt, binnen zwei monaten nach zustellung dieses urteils schriftlich gegenüber dem landgericht köln zu begründen. 44die parteien müssen sich vor dem landgericht köln durch einen rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die berufungs- und die berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. 45mit der berufungsschrift soll eine ausfertigung oder beglaubigte abschrift des angefochtenen urteils vorgelegt werden. 46 köln, 25.06.2015amtsgerichtrichterin am amtsgericht | Verklagte*r | 0 |
183,816 | 9 K 1189/12 | 2014-02-20T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Kläger darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden,wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks L. , Gemarkung C. , Flur 3, Flurstück 16 (C1. Straße 12). Das Grundstück ist mit einer gewerblich genutzten Halle und Nebenanlagen bebaut. An der Grenze zum südöstlich gelegenen Nachbargrundstück C1. Straße 10 ist seit mehreren Jahrzehnten eine Betonmauer vorhanden, die das zur Einebnung angefüllte Grundstück des Klägers abstützt. Auf dem Nachbargrundstück befindet sich vor der Mauer eine Bodenanschüttung. Die Höhe der Stützmauer über der Oberkante der Bodenanschüttung beträgt in dem hier maßgeblichen Bereich im Mittel ca. 0,80 m. 3Nach einer Beschwerde des Eigentümers des Nachbargrundstücks stellte der Beklagte bei einer Ortsbesichtigung am 09.06.2009 fest, dass der Kläger auf seinem Grundstück unmittelbar an der Grenze einen Carport, drei Fertiggaragen und ein überdachtes Holzlager errichtet hatte. 4Mit Bauordnungsverfügung vom 12.01.2010 forderte der Beklagte den Kläger zur Beseitigung des Carports und des überdachten Holzlagers auf. Die Verfügung ist seit der Rücknahme der zunächst dagegen erhobenen Klage (9 K 198/10) in der mündlichen Verhandlung am 21.11.2011 bestandskräftig. 5Nachdem Gespräche über eine Umsetzung der Garagen ergebnislos blieben, forderte der Beklagte den Kläger mit Bauordnungsverfügung vom 06.02.2012 auf, die drei in einem anliegenden Lageplan rot gekennzeichneten Garagen spätestens bis zum 27.04.2012, im Falle der Anfechtung des Bescheides innerhalb von sechs Wochen nach Bestandskraft des Bescheides, vollständig zu beseitigen oder beseitigen zu lassen. Für den Fall, dass der Kläger der Aufforderung bis zum genannten Termin nicht oder nicht ausreichend nachkomme, drohte der Beklagte ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 € an. Zur Begründung gab er an, die direkt an der Nachbargrenze errichteten baulichen Anlagen hielten die erforderliche Abstandfläche von 3,00 m nicht ein. Zu der Höhe der Garagen von ca. 3 m sei die Höhe der Aufschüttung auf seinem Grundstück von ca. 1,40 m hinzuzurechnen. Maßgeblich sei die Geländehöhe des Nachbargrundstücks, welches die natürliche Geländeoberfläche habe. Es ergebe sich daher eine Gesamthöhe von 4,40 m, die deutlich über der maximal zulässigen Höhe von Garagen an der Grundstücksgrenze liege. Weiter wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass es ihm frei stehe, anstelle der geforderten Beseitigung die Garagen auf dem Grundstück unter Beachtung der Abstandflächenvorschriften zu versetzen. 6Gegen die am 08.02.2012 zugestellte Bauordnungsverfügung hat der Kläger am 07.03.2012 Klage erhoben. 7Während des Klageverfahrens hat der Kläger einen Bauantrag für eine Standortveränderung der Garagen und eine Änderung des Carports gestellt, auf den ihm der Beklagte am 24.07.2012 mit einem Nachtrag vom 20.08.2012 eine entsprechende Baugenehmigung erteilte. Die von dem Grundstücksnachbar gegen die Genehmigung erhobene Klage hat das Gericht mit Urteil vom 17.01.2014 - 9 K 2544/12 - abgewiesen. 8Im vorliegenden Verfahren trägt der Kläger zur Begründung vor, die Garagen seien bereits 1987 auf dem Grundstück aufgestellt worden. Sie seien, wie sich aus einer Baubeschreibung des Architekten B. vom 11.10.1989 ergebe, Gegenstand eines an den Beklagten gerichteten Bauantrages gewesen. Ausweislich eines mit Grünstempel versehenen Lageplans seien die drei Garagen mit einer Gesamtbreite von 8,91 m unter dem 23.01.1990 von dem Beklagten bauaufsichtlich genehmigt worden. Bei Erteilung der Genehmigung hätte dem Beklagten auch die Höhe der Grenzmauer und die Gesamthöhe an der Grenze bekannt sein müssen. Aufgrund dieser Unterlagen habe er davon ausgehen können, dass die Garagen an der Grenze zulässig seien. Der Carport sei zunächst als Überdachung eines Wasserbeckens als Freizeitanlage aufgestellt worden. Weder von den Garagen noch von dem Carport gingen Beeinträchtigungen für das Nachbargrundstück aus. Es könne auch nicht sein, dass der Nachbar sich nach über 20 Jahren noch über die an der Grenze befindliche Bebauung beschweren könne. Nach Erteilung der Baugenehmigung vom 24.07.2012 habe er sich mit dem Hersteller der Garagen in Verbindung gesetzt und von ihm die Auskunft erhalten, dass ein Versetzen nach der langen Verweildauer zu einer Zerstörung führen würde. Mit der Nachtragsbaugenehmigung vom 20.08.2012 sei ihm gestattet worden, nur die Konstruktion des Daches über den Garagen zu verändern, die Garagen aber an dem Standort stehen zu lassen. 9Der Kläger beantragt, 10die Bauordnungsverfügung des Beklagten vom 06.02.2012 aufzuheben. 11Der Beklagte beantragt, 12die Klage abzuweisen. 13Er vertieft die Begründung des angefochtenen Bescheides. 14Anlässlich eines am 11.11.2013 durchgeführten Erörterungstermins hat der Berichterstatter die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Terminsniederschrift verwiesen. 15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und der Verfahren 9 K 198/10 und 9 K 2544/12 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. 16Entscheidungsgründe: 17Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. 18Die Bauordnungsverfügung vom 06.02.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Der Beklagte hat den Kläger zu Recht zur Beseitigung der auf seinem Grundstück aufgestellten drei Fertiggaragen aufgefordert. 19Nach § 61 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - BauO NRW - haben die Bauaufsichtsbehörde u.a. bei der Errichtung, der Änderung, dem Abbruch, der Nutzung, der Nutzungsänderung sowie der Instandhaltung baulicher Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden, und in Wahrnehmung dieser Aufgabe nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Unter Beachtung dieser Vorgaben ist der Beklagte zu Recht gegen die Garagen eingeschritten. 20Die Garagen sind an dem Standort formell illegal errichtet worden. Entgegen der Ansicht des Klägers werden sie von der Legalisierungswirkung der Baugenehmigung vom 23.01.1990 nicht erfasst. Dabei kann für die Entscheidung offen bleiben, ob die der Baugenehmigung beigefügte Nebenbestimmung G 307, wonach die mittlere Wandhöhe (der Garagen) 3,00 m über Geländeoberfläche an der Grenze nicht überschreiten dürfe (§ 6 Abs. 11 BauO NW), der Problematik hinreichend Rechnung trägt, dass die Garagen auf einer durch eine Stützmauer gesicherten Anschüttung errichtet wurden, und ausreichend deutlich regelt, dass deshalb für die Berechnung der maximal zulässigen Höhe die Geländeoberfläche des Nachbargrundstücks zugrunde zu legen ist. Entscheidungserheblich ist, dass die Garagen nicht an dem in dem genehmigten Lageplan dargestellten Standort, sondern ca. 12 m weiter nordöstlich errichtet wurden, so dass sie sich als ein anderes Vorhaben („aliud“) darstellen, das von der Baugenehmigung nicht gedeckt ist. 21Ein sog. „aliud“ ist in der Regel gegeben, wenn sich das verwirklichte Vorhaben in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien von dem ursprünglich genehmigten Vorhaben unterscheidet. Ein baurechtlich relevanter Unterschied zwischen dem ursprünglich genehmigten und dem abgewandelten Bauvorhaben ist immer dann anzunehmen, wenn sich für das abgewandelte Bauvorhaben die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen neu stellt. Dies folgt aus Sinn und Zweck der Baugenehmigung, die sicherstellen soll, dass nur solche Bauvorhaben zur Ausführung gelangen, deren Vereinbarkeit mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne des § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW von der Bauaufsichtsbehörde festgestellt worden ist. 22Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22.09.2011 – 2 A 2191/10 -; vom 29.06.2011 - 7 A 1194/10 - und vom 04.05.2004 - 10 A 1476/04 , BRS 67 Nr. 169 = juris Rn. 9, Urteil vom 07.11.1996 - 7 A 4820/95 -, juris Rn. 59; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/ Radeisen, BauO NRW, Loseblatt-Kommentar, Stand Juli 2013, § 75 Rn. 46 ff. 23Vorliegend wirft die Verschiebung des Standortes um ca. 12 m die Genehmigungsfrage neu auf. Die Anordnung baulicher Anlagen ist regelmäßig für die Prüfung von Bedeutung, ob die Abstandflächenvorschriften eingehalten werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – die benachbarten Grundstücke nicht die gleiche Höhe aufweisen. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Garagen an dem Aufstellungsort eingemessen wurden, da die Erfassung im Liegenschaftskataster nur die tatsächlichen Verhältnisse nachvollzieht, aber eine Baugenehmigung nicht ersetzen kann. 24Die Garagen sind entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht durch die Nachtragsbaugenehmigung vom 20.08.2012 legalisiert worden. Diese Genehmigung trifft nur insoweit eine von der Baugenehmigung vom 24.07.2012 abweichende Regelung, als eine geringere Abschrägung des Daches des Carports zugelassen wurde. Hinsichtlich des Standortes der Garagen enthält die Nachtragsbaugenehmigung, der auch kein neuer Lageplan zugrundelag, keine Aussagen, so dass es insoweit bei der Baugenehmigung vom 24.07.2012 verbleibt. 25Die daher von keiner Genehmigung gedeckten Garagen entsprechen nicht den materiellen Bauvorschriften. Sie überschreiten unter Berücksichtigung der Höhe der Stützmauer die an der Grenze zulässige Gesamthöhe. Weiter wird die an einer Grundstücksgrenze zulässige Gesamtlänge der Grenzbebauung überschritten. 26Nach § 6 Abs. 11 Satz 1 BauO NRW sind an der Grenze Gebäude zulässig, die als Garage, Gewächshaus oder zu Abstellzwecken genutzt werden, wenn sie eine mittlere Wandhöhe von maximal 3,00 m aufweisen. Als Wandhöhe gilt nach § 6 Abs. 4 Satz 2 BauO NRW das Maß von der Geländeoberfläche bis zur Schnittlinie der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. 27Nach § 2 Abs. 4 BauO NRW ist dabei die Geländeoberfläche maßgeblich, die sich aus der Baugenehmigung oder den Festsetzungen eines Bebauungsplans ergibt, im Übrigen die natürliche Geländeoberfläche. Da vorliegend weder eine Baugenehmigung noch ein Bebauungsplan vorhanden sind, ist auf die natürliche Geländeoberfläche abzustellen. Dabei ist im Regelfall von den Verhältnissen auf dem Baugrundstück auszugehen. Soll das Vorhaben jedoch - wie hier - an der Grenze errichtet werden und weist das Gelände einen Versprung auf, ist auch die Höhenlage des Nachbargrundstück zu berücksichtigen. 28Nach der Rechtsprechung ist die natürliche Geländeoberfläche nicht der vor jedweder Bebauung vorgefundene Zustand, sondern in bebauten Gebieten, in denen das Gelände bereits verändert wurde, das Geländeniveau, das vor Durchführung der in Rede stehenden Baumaßnahme vorgefunden wird; dies gilt jedenfalls für die Geländeverhältnisse, die von den Beteiligten unangefochten hingenommen worden sind. 29OVG NRW, Beschluss vom 08.01.2008 - 7 B 1653/07 -,juris Rn. 16; Beschluss vom 16.01.2006 – 7 B 1963/05 –, juris Rn. 8; Beschluss vom 21.02.2005 – 7 B 2195/04 –, juris Rn. 4; Urteil vom 02.05.1996 - 7 A 3378/93 -, juris Rn 35 ff.; Boeddinghaus/ Hahn/Schulte/Radeisen, BauO NRW, Loseblatt-Kommentar, Stand Juli 2013, § 2 Rn. 59 f. und § 6 Rn. 174. 30Vorliegend ist – wie das Gericht im Urteil vom 17.01.2014 – 9 K 2544/12 – im Einzelnen dargelegt hat – auf die Höhe der Grenzmauer über der auf dem Nachbargrundstück vorgenommenen Anschüttung abzustellen. Diese beträgt nach den Feststellungen im gerichtlichen Ortstermin vom 11.11.2013 in dem hier fraglichen Bereich im Mittel ca. 0,80 m. Die in der angefochtenen Bauordnungsverfügung angegebene Höhe von ca. 1,40 m ist im Ortstermin vom 04.11.2010 im Verfahren 9 K 198/10 lediglich für die Mauer im Bereich des weiter nördlich gelegenen Holzlagers festgestellt worden. Die drei Fertiggaragen haben einschließlich der aufgesetzten und über alle Garagen gezogenen Überdachung bereits eine Höhe von ca. 3 m über der Oberkante der Stützmauer, so dass sie selbst bei Zugrundelegung einer maßgeblichen Höhe der Mauer von 0,80 m das zulässige Maß deutlich übersteigen. 31Die drei Garagen verstoßen weiter gegen § 6 Abs. 11 Satz 5 BauO NRW. Nach dieser Vorschrift darf die Gesamtlänge der Bebauung je Nachbargrenze 9,00 m nicht überschreiten. Die Garagen haben nach Angaben des Klägers eine Gesamtbreite von 8,91 m (3 x 2,97 m). Der an derselben Nachbargrenze vorhandene Carport ist 5,27 m breit, sodass die Gesamtlänge der Bebauung an der Grenze bereits 14,18 m beträgt und damit deutlich über dem zulässigen Maß liegt. Auf den Einwand des Klägers, dass von der Grenzbebauung keine Beeinträchtigungen für das Nachbargrundstück ausgehen würden, kommt es nicht an, da das nordrhein-westfälische Bauordnungsrecht hierauf nicht abstellt. 32Der Beklagte hat dem Kläger auch zu Recht durch die – bestandskräftige - Bauordnungsverfügung vom 12.01.2010 und die hier angefochtene Bauordnungsverfügung vom 06.02.2012 aufgegeben, die baulichen Anlagen an der Grenze (Holzlager, Carport, Garagen) insgesamt zu beseitigen. Die baulichen Anlagen verstoßen jede für sich gegen die Bestimmungen über die maximal zulässige Wandhöhe und in Kombination gegen die Regelungen über die Gesamtlänge. Zwar können die Verstöße auch durch bauliche Änderungen beseitigt werden. Nach § 61 Abs. 2 BauO NRW i.V.m. § 21 des Ordnungsbehördengesetzes NRW - OBG – genügt es jedoch in den Fällen, in denen mehrere Mittel in Betracht kommen, wenn eines davon bestimmt wird. Dem Betroffenen ist auf Antrag zu gestatten, ein anderes ebenso wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird. Der Antrag kann nur bis zum Ablauf einer dem Betroffenen für die Ausführung der Verfügung gesetzten Frist, andernfalls bis zum Ablauf der Klagefrist gestellt werden. 33Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. 34Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO. | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar.der kläger darf eine vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von110 % des aufgrund des urteils beizutreibenden betrages abwenden,wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von110 % des jeweils beizutreibenden betrages leistet. 1 | 2der kläger ist eigentümer des grundstücks l. , gemarkung c. , flur 3, flurstück 16 (c1. straße 12). das grundstück ist mit einer gewerblich genutzten halle und nebenanlagen bebaut. an der grenze zum südöstlich gelegenen nachbargrundstück c1. straße 10 ist seit mehreren jahrzehnten eine betonmauer vorhanden, die das zur einebnung angefüllte grundstück des klägers abstützt. auf dem nachbargrundstück befindet sich vor der mauer eine bodenanschüttung. die höhe der stützmauer über der oberkante der bodenanschüttung beträgt in dem hier maßgeblichen bereich im mittel ca. 0,80 m. 3nach einer beschwerde des eigentümers des nachbargrundstücks stellte der beklagte bei einer ortsbesichtigung am 09.06.2009 fest, dass der kläger auf seinem grundstück unmittelbar an der grenze einen carport, drei fertiggaragen und ein überdachtes holzlager errichtet hatte. 4mit bauordnungsverfügung vom 12.01.2010 forderte der beklagte den kläger zur beseitigung des carports und des überdachten holzlagers auf. die verfügung ist seit der rücknahme der zunächst dagegen erhobenen klage (9 k 198/10) in der mündlichen verhandlung am 21.11.2011 bestandskräftig. 5nachdem gespräche über eine umsetzung der garagen ergebnislos blieben, forderte der beklagte den kläger mit bauordnungsverfügung vom 06.02.2012 auf, die drei in einem anliegenden lageplan rot gekennzeichneten garagen spätestens bis zum 27.04.2012, im falle der anfechtung des bescheides innerhalb von sechs wochen nach bestandskraft des bescheides, vollständig zu beseitigen oder beseitigen zu lassen. für den fall, dass der kläger der aufforderung bis zum genannten termin nicht oder nicht ausreichend nachkomme, drohte der beklagte ihm ein zwangsgeld in höhe von 500,00 € an. zur begründung gab er an, die direkt an der nachbargrenze errichteten baulichen anlagen hielten die erforderliche abstandfläche von 3,00 m nicht ein. zu der höhe der garagen von ca. 3 m sei die höhe der aufschüttung auf seinem grundstück von ca. 1,40 m hinzuzurechnen. maßgeblich sei die geländehöhe des nachbargrundstücks, welches die natürliche geländeoberfläche habe. es ergebe sich daher eine gesamthöhe von 4,40 m, die deutlich über der maximal zulässigen höhe von garagen an der grundstücksgrenze liege. weiter wies der beklagte den kläger darauf hin, dass es ihm frei stehe, anstelle der geforderten beseitigung die garagen auf dem grundstück unter beachtung der abstandflächenvorschriften zu versetzen. 6gegen die am 08.02.2012 zugestellte bauordnungsverfügung hat der kläger am 07.03.2012 klage erhoben. 7während des klageverfahrens hat der kläger einen bauantrag für eine standortveränderung der garagen und eine änderung des carports gestellt, auf den ihm der beklagte am 24.07.2012 mit einem nachtrag vom 20.08.2012 eine entsprechende baugenehmigung erteilte. die von dem grundstücksnachbar gegen die genehmigung erhobene klage hat das gericht mit urteil vom 17.01.2014 - 9 k 2544/12 - abgewiesen. 8im vorliegenden verfahren trägt der kläger zur begründung vor, die garagen seien bereits 1987 auf dem grundstück aufgestellt worden. sie seien, wie sich aus einer baubeschreibung des architekten b. vom 11.10.1989 ergebe, gegenstand eines an den beklagten gerichteten bauantrages gewesen. ausweislich eines mit grünstempel versehenen lageplans seien die drei garagen mit einer gesamtbreite von 8,91 m unter dem 23.01.1990 von dem beklagten bauaufsichtlich genehmigt worden. bei erteilung der genehmigung hätte dem beklagten auch die höhe der grenzmauer und die gesamthöhe an der grenze bekannt sein müssen. aufgrund dieser unterlagen habe er davon ausgehen können, dass die garagen an der grenze zulässig seien. der carport sei zunächst als überdachung eines wasserbeckens als freizeitanlage aufgestellt worden. weder von den garagen noch von dem carport gingen beeinträchtigungen für das nachbargrundstück aus. es könne auch nicht sein, dass der nachbar sich nach über 20 jahren noch über die an der grenze befindliche bebauung beschweren könne. nach erteilung der baugenehmigung vom 24.07.2012 habe er sich mit dem hersteller der garagen in verbindung gesetzt und von ihm die auskunft erhalten, dass ein versetzen nach der langen verweildauer zu einer zerstörung führen würde. mit der nachtragsbaugenehmigung vom 20.08.2012 sei ihm gestattet worden, nur die konstruktion des daches über den garagen zu verändern, die garagen aber an dem standort stehen zu lassen. 9der kläger beantragt, 10die bauordnungsverfügung des beklagten vom 06.02.2012 aufzuheben. 11der beklagte beantragt, 12die klage abzuweisen. 13er vertieft die begründung des angefochtenen bescheides. 14anlässlich eines am 11.11.2013 durchgeführten erörterungstermins hat der berichterstatter die örtlichkeit in augenschein genommen. hinsichtlich der dabei getroffenen feststellungen wird auf die terminsniederschrift verwiesen. 15wegen der weiteren einzelheiten des sachverhalts und des vorbringens der beteiligten im übrigen wird auf den inhalt der gerichtsakten des vorliegenden verfahrens und der verfahren 9 k 198/10 und 9 k 2544/12 sowie der beigezogenen verwaltungsvorgänge des beklagten bezug genommen. 16 | 17die klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. 18die bauordnungsverfügung vom 06.02.2012 ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten (§ 113 abs. 1 der verwaltungsgerichtsordnung - vwgo -). der beklagte hat den kläger zu recht zur beseitigung der auf seinem grundstück aufgestellten drei fertiggaragen aufgefordert. 19nach § 61 abs. 1 der bauordnung für das land nordrhein-westfalen - bauo nrw - haben die bauaufsichtsbehörde u.a. bei der errichtung, der änderung, dem abbruch, der nutzung, der nutzungsänderung sowie der instandhaltung baulicher anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen vorschriften eingehalten werden, und in wahrnehmung dieser aufgabe nach pflichtgemäßem ermessen die erforderlichen maßnahmen zu treffen. unter beachtung dieser vorgaben ist der beklagte zu recht gegen die garagen eingeschritten. 20die garagen sind an dem standort formell illegal errichtet worden. entgegen der ansicht des klägers werden sie von der legalisierungswirkung der baugenehmigung vom 23.01.1990 nicht erfasst. dabei kann für die entscheidung offen bleiben, ob die der baugenehmigung beigefügte nebenbestimmung g 307, wonach die mittlere wandhöhe (der garagen) 3,00 m über geländeoberfläche an der grenze nicht überschreiten dürfe (§ 6 abs. 11 bauo nw), der problematik hinreichend rechnung trägt, dass die garagen auf einer durch eine stützmauer gesicherten anschüttung errichtet wurden, und ausreichend deutlich regelt, dass deshalb für die berechnung der maximal zulässigen höhe die geländeoberfläche des nachbargrundstücks zugrunde zu legen ist. entscheidungserheblich ist, dass die garagen nicht an dem in dem genehmigten lageplan dargestellten standort, sondern ca. 12 m weiter nordöstlich errichtet wurden, so dass sie sich als ein anderes vorhaben („aliud“) darstellen, das von der baugenehmigung nicht gedeckt ist. 21ein sog. „aliud“ ist in der regel gegeben, wenn sich das verwirklichte vorhaben in bezug auf baurechtlich relevante kriterien von dem ursprünglich genehmigten vorhaben unterscheidet. ein baurechtlich relevanter unterschied zwischen dem ursprünglich genehmigten und dem abgewandelten bauvorhaben ist immer dann anzunehmen, wenn sich für das abgewandelte bauvorhaben die frage der genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher voraussetzungen neu stellt. dies folgt aus sinn und zweck der baugenehmigung, die sicherstellen soll, dass nur solche bauvorhaben zur ausführung gelangen, deren vereinbarkeit mit den öffentlich-rechtlichen vorschriften im sinne des § 75 abs. 1 satz 1 bauo nrw von der bauaufsichtsbehörde festgestellt worden ist. 22vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 22.09.2011 – 2 a 2191/10 -; vom 29.06.2011 - 7 a 1194/10 - und vom 04.05.2004 - 10 a 1476/04 , brs 67 nr. 169 = juris rn. 9, urteil vom 07.11.1996 - 7 a 4820/95 -, juris rn. 59; boeddinghaus/hahn/schulte/ radeisen, bauo nrw, loseblatt-kommentar, stand juli 2013, § 75 rn. 46 ff. 23vorliegend wirft die verschiebung des standortes um ca. 12 m die genehmigungsfrage neu auf. die anordnung baulicher anlagen ist regelmäßig für die prüfung von bedeutung, ob die abstandflächenvorschriften eingehalten werden. dies gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – die benachbarten grundstücke nicht die gleiche höhe aufweisen. hieran ändert auch der umstand nichts, dass die garagen an dem aufstellungsort eingemessen wurden, da die erfassung im liegenschaftskataster nur die tatsächlichen verhältnisse nachvollzieht, aber eine baugenehmigung nicht ersetzen kann. 24die garagen sind entgegen der ansicht des klägers auch nicht durch die nachtragsbaugenehmigung vom 20.08.2012 legalisiert worden. diese genehmigung trifft nur insoweit eine von der baugenehmigung vom 24.07.2012 abweichende regelung, als eine geringere abschrägung des daches des carports zugelassen wurde. hinsichtlich des standortes der garagen enthält die nachtragsbaugenehmigung, der auch kein neuer lageplan zugrundelag, keine aussagen, so dass es insoweit bei der baugenehmigung vom 24.07.2012 verbleibt. 25die daher von keiner genehmigung gedeckten garagen entsprechen nicht den materiellen bauvorschriften. sie überschreiten unter berücksichtigung der höhe der stützmauer die an der grenze zulässige gesamthöhe. weiter wird die an einer grundstücksgrenze zulässige gesamtlänge der grenzbebauung überschritten. 26nach § 6 abs. 11 satz 1 bauo nrw sind an der grenze gebäude zulässig, die als garage, gewächshaus oder zu abstellzwecken genutzt werden, wenn sie eine mittlere wandhöhe von maximal 3,00 m aufweisen. als wandhöhe gilt nach § 6 abs. 4 satz 2 bauo nrw das maß von der geländeoberfläche bis zur schnittlinie der wand mit der dachhaut oder bis zum oberen abschluss der wand. 27nach § 2 abs. 4 bauo nrw ist dabei die geländeoberfläche maßgeblich, die sich aus der baugenehmigung oder den festsetzungen eines bebauungsplans ergibt, im übrigen die natürliche geländeoberfläche. da vorliegend weder eine baugenehmigung noch ein bebauungsplan vorhanden sind, ist auf die natürliche geländeoberfläche abzustellen. dabei ist im regelfall von den verhältnissen auf dem baugrundstück auszugehen. soll das vorhaben jedoch - wie hier - an der grenze errichtet werden und weist das gelände einen versprung auf, ist auch die höhenlage des nachbargrundstück zu berücksichtigen. 28nach der rechtsprechung ist die natürliche geländeoberfläche nicht der vor jedweder bebauung vorgefundene zustand, sondern in bebauten gebieten, in denen das gelände bereits verändert wurde, das geländeniveau, das vor durchführung der in rede stehenden baumaßnahme vorgefunden wird; dies gilt jedenfalls für die geländeverhältnisse, die von den beteiligten unangefochten hingenommen worden sind. 29ovg nrw, beschluss vom 08.01.2008 - 7 b 1653/07 -,juris rn. 16; beschluss vom 16.01.2006 – 7 b 1963/05 –, juris rn. 8; beschluss vom 21.02.2005 – 7 b 2195/04 –, juris rn. 4; urteil vom 02.05.1996 - 7 a 3378/93 -, juris rn 35 ff.; boeddinghaus/ hahn/schulte/radeisen, bauo nrw, loseblatt-kommentar, stand juli 2013, § 2 rn. 59 f. und § 6 rn. 174. 30vorliegend ist – wie das gericht im urteil vom 17.01.2014 – 9 k 2544/12 – im einzelnen dargelegt hat – auf die höhe der grenzmauer über der auf dem nachbargrundstück vorgenommenen anschüttung abzustellen. diese beträgt nach den feststellungen im gerichtlichen ortstermin vom 11.11.2013 in dem hier fraglichen bereich im mittel ca. 0,80 m. die in der angefochtenen bauordnungsverfügung angegebene höhe von ca. 1,40 m ist im ortstermin vom 04.11.2010 im verfahren 9 k 198/10 lediglich für die mauer im bereich des weiter nördlich gelegenen holzlagers festgestellt worden. die drei fertiggaragen haben einschließlich der aufgesetzten und über alle garagen gezogenen überdachung bereits eine höhe von ca. 3 m über der oberkante der stützmauer, so dass sie selbst bei zugrundelegung einer maßgeblichen höhe der mauer von 0,80 m das zulässige maß deutlich übersteigen. 31die drei garagen verstoßen weiter gegen § 6 abs. 11 satz 5 bauo nrw. nach dieser vorschrift darf die gesamtlänge der bebauung je nachbargrenze 9,00 m nicht überschreiten. die garagen haben nach angaben des klägers eine gesamtbreite von 8,91 m (3 x 2,97 m). der an derselben nachbargrenze vorhandene carport ist 5,27 m breit, sodass die gesamtlänge der bebauung an der grenze bereits 14,18 m beträgt und damit deutlich über dem zulässigen maß liegt. auf den einwand des klägers, dass von der grenzbebauung keine beeinträchtigungen für das nachbargrundstück ausgehen würden, kommt es nicht an, da das nordrhein-westfälische bauordnungsrecht hierauf nicht abstellt. 32der beklagte hat dem kläger auch zu recht durch die – bestandskräftige - bauordnungsverfügung vom 12.01.2010 und die hier angefochtene bauordnungsverfügung vom 06.02.2012 aufgegeben, die baulichen anlagen an der grenze (holzlager, carport, garagen) insgesamt zu beseitigen. die baulichen anlagen verstoßen jede für sich gegen die bestimmungen über die maximal zulässige wandhöhe und in kombination gegen die regelungen über die gesamtlänge. zwar können die verstöße auch durch bauliche änderungen beseitigt werden. nach § 61 abs. 2 bauo nrw i.v.m. § 21 des ordnungsbehördengesetzes nrw - obg – genügt es jedoch in den fällen, in denen mehrere mittel in betracht kommen, wenn eines davon bestimmt wird. dem betroffenen ist auf antrag zu gestatten, ein anderes ebenso wirksames mittel anzuwenden, sofern die allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird. der antrag kann nur bis zum ablauf einer dem betroffenen für die ausführung der verfügung gesetzten frist, andernfalls bis zum ablauf der klagefrist gestellt werden. 33die klage ist daher mit der kostenfolge aus § 154 abs. 1 vwgo abzuweisen. 34die entscheidungen über die vorläufige vollstreckbarkeit und die abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 vwgo i.v.m. § 708 nr. 11 und § 711 zpo. | Verklagte*r | 0 |
182,193 | 10 K 1504/13 | 2014-03-17T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der am 00.00.1961 in Quito/ Ecuador geborene Kläger ist ecuadorianischer Staatsangehöriger. Er stammt in der väterlichen Linie ab von S. X. M. V. (Vater des Klägers), geboren am 00.00.1934 in Quito, und S1. X1. M1. V. (Großvater des Klägers), geboren am 00.00.1876 in F. , heute S2. , einer Gemeinde im Oberbergischen Kreis in Nordrhein-Westfalen. Der Kläger ist ehelich geboren. Sein Vater wurde gut ein Jahr nach seiner Geburt wirksam legitimiert. 3Der Großvater des Klägers reiste am 17. Januar 1903 über den Hamburger Hafen mit dem Dampfschiff „Memphis“ der Deutschen Dampfschifffahrtsgesellschaft „Kosmos“ nach Ecuador aus und ließ sich dort nieder. 4Der Kläger stellte beim Bundesverwaltungsamt im September 2007 einen Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Im Rahmen der Antragstellung reichte er die Geburtsurkunde seines Vaters aus dem Jahre 1934, die Heiratsurkunde seines Großvaters aus dem Jahre 1935 und die Sterbeurkunde seines Großvaters aus dem Jahre 1936 ein. In allen drei ecuadorianischen Urkunden heißt es, der Großvater sei „deutscher Staatsangehörigkeit“. In der Sterbeurkunde ist als Geburtsort des Großvaters „Berlin“ angegeben. Wegen der Einzelheiten der Urkunden wird auf Blatt 18, 33 und 38 des Verwaltungsvorgangs verwiesen. Der Kläger legte außerdem eine Bescheinigung einer Stelle des ecuadorianischen Außenministeriums vom 20. September 2005 vor, in der „bestätigt“ wird, „dass Herr S1. X1. M1. V. , deutscher Staatsangehörigkeit, nicht als ecuadorianischer Staatsangehöriger eingebürgert wurde.“ Wegen der Einzelheiten dieser Bescheinigung wird auf Blatt 42 des Verwaltungsvorgangs verwiesen. Der Kläger machte folgende ergänzende Angaben: Er könne weitere Dokumente – wie etwa deutsche Pässe oder Militärunterlagen des Großvaters – nicht vorlegen, weil diese durch einen Brand in dessen Haus zerstört worden seien. Es sei davon auszugehen, dass sein Großvater zum Zeitpunkt der Ausreise im Besitz eines deutschen Passes gewesen sei. Er habe diesen auf dem Schiff, mit dem er das Deutsche Reich verlassen habe, vorzeigen müssen. 5Das Auswärtige Amt teilte dem Bundesverwaltungsamt Ende November 2007 auf dessen Nachfrage mit, dass in seinen Unterlagen keine Hinweise auf den Vater und den Großvater des Klägers vorhanden seien. Es setzte das Bundesverwaltungsamt davon in Kenntnis, dass aus Ecuador keine Matrikel und Passregister aus Quito überliefert seien. Lediglich aus Guayaquil lägen entsprechende Unterlagen vor. 6Mit Bescheid vom 25. August 2011, zugestellt am 14. September 2011, lehnte das Bundesverwaltungsamt den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte es an: Der Kläger sei nicht deutscher Staatsangehöriger nach seinem Vater, weil dieser die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nach seinem Vater, dem Großvater des Klägers, erworben habe. Der Großvater habe seine Reichsangehörigkeit vor der Geburt seines Sohnes (1934) im Jahre 1913 nach § 21 des Reichsgesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 (StAG 1870) durch zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt im Ausland verloren. Eine Unterbrechung der Frist durch Eintragung in die Matrikel eines Reichskonsulats sei nicht nachgewiesen. Es gebe keinen direkten Nachweis für die Eintragung in die Matrikel. Auch lägen keine aussagekräftigen Indizien vor, die indirekt den Schluss auf eine Eintragung in die Matrikel zuließen. Für die Eintragung trage der Kläger die Beweislast. Anhaltspunkte dafür, dass der Großvater des Klägers den Verlust seiner Reichsangehörigkeit durch Verlängerung eines deutschen Reisepasses, Ausstellung eines Heimatscheines oder Rückkehr in das Reichsgebiet abgewandt habe, bestünden nicht. 7Der Kläger erhob dagegen am 26. September 2011 Widerspruch und begründete diesen wie folgt: Es lägen hinreichende Indizien für eine Eintragung seines Großvaters in die Matrikel des deutschen Konsulats in Quito vor. Er werde sowohl in seiner Heiratsurkunde als auch in seiner Sterbeurkunde als auch in der Geburtsurkunde seines Sohnes als deutscher Staatsangehöriger bezeichnet. Es sei davon auszugehen, dass die ecuadorianischen Behörden sich vor Aufnahme dieser Feststellungen in die Urkunden von dem Bestehen seiner deutschen Staatsangehörigkeit anhand von Legitimationsdokumenten überzeugt hätten. Nach der damaligen ecuadorianischen Rechtslage habe bei entsprechenden Beurkundungsvorgängen eine Verpflichtung der veranlassten Person zur Legitimation bestanden. Ein bedeutsames Indiz dafür, dass sein Großvater die deutsche Staatsangehörigkeit nicht verloren habe, sei außerdem die Bescheinigung des ecuadorianischen Außenministeriums aus dem Jahre 2005, in der sein Großvater als deutscher Staatsangehöriger bezeichnet und bestätigt werde, dass er nicht in den ecuadorianischen Staatsverband eingebürgert worden sei. 8Nachdem das Bundesverwaltungsamt eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes zu den von dem Kläger vorgelegten Urkunden eingeholt hatte, wies es den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2013, zugestellt am 26. Januar 2013, zurück. Zur Begründung führte es ergänzend an: Die von dem Kläger vorgelegten ecuadorianischen Urkunden aus den Jahren 1934, 1935 und 1936, in denen sein Großvater jeweils als deutscher Staatsangehöriger bezeichnet werde, ließen nicht mit der notwendigen Sicherheit den Schluss zu, dass dieser sich in die Matrikel eines Reichskonsulats habe eintragen lassen. Es fehle an jeder Erkenntnis darüber, welche Prüfungen diesen Eintragungen der ecuadorianischen Behörden zugrunde gelegen hätten. Nach den von ihm, dem Bundesverwaltungsamt, durchgeführten Ermittlungen sei wahrscheinlich, dass der Großvater des Klägers nach seiner Ankunft in Ecuador seine Papiere für den legalen Aufenthalt als Ausländer geregelt und sich danach für den Rest seines Lebens mit ecuadorianischen Dokumenten ausgewiesen habe, in denen er als deutscher Staatsangehöriger geführt worden sei. Ob er die deutsche Staatsangehörigkeit beibehalten oder nach deutschen Gesetzen verloren habe, hätten die ecuadorianischen Behörden nicht beurteilen und überprüfen können. Die Annahme, dass der Großvater sich nicht mit aktuellen deutschen Papieren ausgewiesen habe bzw. diese bei seinem Tod nicht vorgelegt worden seien, werde dadurch bestätigt, dass sein Geburtsort in seiner Sterbeurkunde mit „Berlin“ angegeben worden sei. Bei Vorlage einer gültigen deutschen Urkunde, etwa eines Passes, wäre aus dieser der korrekte Geburtsort, F. (heute S2. ), übernommen worden. Soweit der Großvater bis zu seinem Tod nicht in den ecuadorianischen Staatsverband eingebürgert worden sei, ändere dies nichts daran, dass er seine Reichsangehörigkeit durch zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt im Ausland verloren habe. Der Verlust sei spätestens Ende 1913 eingetreten. Die Zehnjahresfrist sei von dem Zeitpunkt des Austritts aus dem Reichsgebiet oder, wenn der Austretende sich im Besitz eines Reisepapiers oder Heimatscheines befunden habe, von dem Zeitpunkt des Ablaufs dieser Papiere an gerechnet worden. Lege man zugrunde, dass der Großvater des Klägers das Reichsgebiet am 17. Januar 1903 mit einem gültigen deutschen Reisedokument verlassen habe, hätte dieses Dokument spätestens am 31. Dezember 1903 seine Gültigkeit verloren. Denn nach Auskunft des Auswärtigen Amtes seien die deutschen Reisepässe um die Jahrhundertwende mit einer Gültigkeitsdauer von drei Monaten bis zu einem Jahr ausgestellt worden. 9Dagegen hat der Kläger am 25. Februar 2013 Klage erhoben. 10Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor: 11Gehe man davon aus, dass sein Großvater das Reichsgebiet mit einem gültigen deutschen Reisedokument verlassen habe, hätte das Dokument bis zum 16. Januar 1904 gültig sein können. In diesem Fall wäre die Zehnjahresfrist erst am 16. Januar 1914 und damit nach Außerkrafttreten des StAG 1870 zum 31. Dezember 1913 abgelaufen. Ein Reichsangehörigkeitsverlust wäre dann nicht eingetreten. Dies sei zu seinen Gunsten anzunehmen. 12Er könne nicht nachvollziehen, weshalb in der Sterbeurkunde seines Großvaters dessen Geburtsort mit „Berlin“ angegeben worden sei. Möglicherweise habe man sich seinerzeit vor der damaligen Reichshauptstadt „verneigt“. Denkbar sei auch, dass es sich schlicht um einen Irrtum des ausstellenden Beamten gehandelt habe. Solche Irrtümer kämen selbst in deutschen Standesämtern vor. Die Angabe entkräfte jedenfalls nicht die indizielle Wirkung der vorgelegten Urkunden. Das OVG NRW habe in seinem Urteil vom 6. Juni 2012 – 19 A 1170/11 – entsprechende Urkunden ausdrücklich als indirekte Nachweise für eine Eintragung in die Matrikel eines Reichskonsulats anerkannt. 13Hinzuweisen sei schließlich darauf, dass sein Großvater auf seinem Grabstein in der ersten Zeile als „Ing. Aleman“ [deutscher Ingenieur] bezeichnet werde. Wegen der Einzelheiten der von dem Kläger vorgelegten Kopie eines Fotos des Grabsteins wird auf Blatt 46 der Gerichtsakte verwiesen. 14Der Kläger beantragt, 15die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 25. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2013 zu verpflichten, ihm einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen. 16Die Beklagte beantragt, 17 die Klage abzuweisen. 18Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: 19Man könne nicht unterstellen, dass ein zum Zeitpunkt der Ausreise des Großvaters am 17. Januar 1903 eventuell in seinem Besitz befindliches deutsches Reisepapier bis zum 16. Januar 1904 gültig gewesen sei. Es erscheine lebensfern, eine Ausreise mit einem am selben Tag ausgestellten Reisepass oder gleichwertigen Dokument anzunehmen. Ohne entsprechende Belege könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Großvater einen Reisepass mit einer Gültigkeitsdauer von einem Jahr besessen habe und dieser Pass im Zeitpunkt seiner Ausreise weniger als 18 Tage alt gewesen sei. 20Die Grabsteininschrift „Ing. Aleman“ sei – wie die eingereichten Urkunden – kein hinreichender Nachweis für eine Eintragung des Großvaters in die Matrikel eines Reichskonsulats. Die Inschrift möge darauf zurückzuführen sein, dass im allgemeinen Sprachgebrauch häufig nicht zwischen Staatsangehörigkeit und Volkszugehörigkeit differenziert werde. Mit der Inschrift habe vermutlich nicht auf die deutsche Staatsangehörigkeit des Verstorbenen im juristischen Sinne hingewiesen, sondern seine Herkunft und sein soziokultureller Hintergrund hervorgehoben werden sollen. 21Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Bundesverwaltungsamts verwiesen. 22Entscheidungsgründe: 23Die Klage ist unbegründet. 24Die Ablehnung des Antrags auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 25Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises aus § 30 Abs. 3 Satz 1 StAG, weil nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 1 StAG nachgewiesen ist, dass er deutscher Staatsangehöriger ist. 26Er ist nicht deutscher Staatsangehöriger nach seinem Vater, weil dieser die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nach seinem Vater, dem Großvater des Klägers, erworben hat. Zwar war der im Jahre 1876 im Deutschen Reich geborene Großvater ursprünglich deutscher Reichsangehöriger. Er hat seine Reichsangehörigkeit aber vor der Geburt seines Sohnes (1934) im Jahre 1913 durch zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt im Ausland nach § 21 Abs. 1 StAG 1870 verloren. 27Danach verloren Deutsche, welche das Reichsgebiet verließen und sich zehn Jahre lang ununterbrochen im Ausland aufhielten, dadurch ihre Staatsangehörigkeit (Satz 1). Die vorbezeichnete Frist wurde von dem Zeitpunkt des Austritts aus dem Reichsgebiet, oder, wenn der Austretende sich im Besitz eines Reisepapiers oder Heimatscheins befand, von dem Zeitpunkt des Ablaufs dieser Papiere an gerechnet (Satz 2). Sie wurde unterbrochen durch die Eintragung in die Matrikel eines Reichskonsulats (Satz 3). 28Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Zehnjahresfrist des § 21 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StAG 1870 noch unter Geltung des StAG 1870 im Jahre 1913 endete. Nimmt man an, dass der Großvater des Klägers im Zeitpunkt seiner Ausreise am 17. Januar 1903 im Besitz eines gültigen deutschen Reisepasses war, spricht alles dafür, dass der Pass jedenfalls Ende 1903 ablief. Deutsche Reisepässe hatten damals eine Gültigkeit von bis zu einem Jahr. Vor der Ausreise musste die Schiffspassage gebucht und eine Bestätigung des aufnehmenden Landes in den Pass eingetragen werden, was einige Zeit in Anspruch nahm. Dies macht es sehr unwahrscheinlich, dass der Pass des Großvaters noch bis Anfang/ Mitte Januar 1904 gültig war und schließt es aus, ohne entsprechende Belege, die der Kläger nicht beigebracht hat, zu seinen Gunsten eine Ausreise des Großvaters mit einem bis dahin gültigen Ausweisdokument zu unterstellen. 29Eine Unterbrechung der Zehnjahresfrist durch Eintragung in die Matrikel eines Reichskonsulats gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 StAG 1870 ist nicht nachgewiesen. 30Ein direkter Nachweis für eine Matrikeleintragung des Großvaters ist nicht erbracht. Ein Matrikelschein, den die Reichskonsulate eintragungspflichtigen Personen auf Antrag ausstellten, 31 vgl. insoweit OVG NRW, Beschl. vom 6. Juni 2012 – 19 A 1170/11 – juris Rdnr. 48, 32liegt nicht vor. Das Auswärtige Amt hat dem Bundesverwaltungsamt Ende November 2007 mitgeteilt, dass der Großvater in der erhalten gebliebenen Matrikel aus Guayaquil/ Ecuador nicht verzeichnet ist und dass aus Quito keine Unterlagen überliefert sind. 33Es sind auch keine hinreichenden Indizien nachgewiesen, die indirekt den Schluss auf eine Matrikeleintragung des Großvaters zulassen. 34Als solche indirekten Nachweise kommen zwar grundsätzlich Geburtsurkunden, Heiratsurkunden, Sterbeurkunden oder sonstige amtliche Personaldokumente in Betracht, in denen die zuständige Stelle den Eintragungspflichtigen als deutschen Staatsangehörigen bezeichnet hat. 35 Vgl. OVG NRW, Beschl. vom 6. Juni 2012 – 19 A 1170/11 – juris Rdnr. 50. 36Die von dem Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten ecuadorianischen Urkunden (Geburtsurkunde seines Vaters aus dem Jahre 1934, Heiratsurkunde seines Großvaters aus dem Jahre 1935, Sterbeurkunde seines Großvaters aus dem Jahre 1936), in denen sein Großvater jeweils als deutscher Staatsangehöriger bezeichnet wird, sind aber als indirekte Nachweise für die Matrikeleintragung des Großvaters nicht ausreichend. Es liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der jeweilige Standesbeamte oder sonstige Amtsinhaber bei Ausstellung der Urkunden die deutsche Reichsangehörigkeit des Großvaters anhand eines gültigen deutschen Personaldokuments überprüft hat. Aus den Urkunden geht nicht, etwa durch die Formulierung „erscheint (…), ausgewiesen durch (...)“, hervor, dass der Großvater oder – im Falle der Sterbeurkunde – die die Beurkundung veranlassende Person ein solches Dokument vorgezeigt haben. Nach der dem Bundesverwaltungsamt im Widerspruchsverfahren erteilten Auskunft des Auswärtigen Amtes ist es umgekehrt eher wahrscheinlich, dass der Großvater nach seiner Ankunft in Ecuador seine Papiere für den legalen Aufenthalt als Ausländer geregelt und sich in der Folgezeit mit ecuadorianischen Dokumenten ausgewiesen hat, in denen er als deutscher Staatsangehöriger geführt wurde. Nicht ersichtlich ist, dass der jeweilige Urkundsbeamte bei Ausstellung der Urkunden den Verlusttatbestand des § 21 Abs. 1 StAG 1870 überprüft hat. Der Urkundsbeamte kannte diesen Verlusttatbestand vermutlich nicht einmal. Dem korrespondiert, dass nach der zeitgenössischen Kommentierung des § 21 StAG 1870 „von ausländischen Behörden auch Reichsangehörige, die aufgrund des § 21 Abs. 1 ihrer Staatsangehörigkeit verlustig gegangen sind, meistens nach wie vor als Deutsche angesehen und behandelt“ wurden. 37 Vgl. Cahn, Das Reichsgesetz über die Erwerbung und den Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit, 3. Auflage, Berlin 1908, Kommentierung zu § 21, Seite 155. 38Dagegen, dass es bei Ausstellung der Urkunden zur Vorlage eines gültigen deutschen Personaldokuments durch oder für den Großvater gekommen ist, spricht auch, dass in dessen Sterbeurkunde fälschlicherweise „Berlin“ (und nicht F. ) als Geburtsort angegeben ist. Hätte der ecuadorianische Urkundsbeamte sich ein gültiges deutsches Personaldokument vorzeigen lassen, wäre aller Voraussicht nach der richtige Geburtsort eingetragen worden. 39Auch die von dem Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegte Bescheinigung einer Stelle des ecuadorianischen Außenministeriums vom 20. September 2005, in der „bestätigt“ wird, „dass Herr S1. X1. M1. V. , deutscher Staatsangehörigkeit, nicht als ecuadorianischer Staatsangehöriger eingebürgert wurde“, ist weder für sich betrachtet noch in Zusammenhang mit den übrigen Urkunden ein ausreichender indirekter Nachweis für eine Matrikeleintragung seines Großvaters. Es ist nicht erkennbar, worauf die Feststellung zur deutschen Staatsangehörigkeit des Großvaters beruht. Dass er nicht in den ecuadorianischen Staatsverband eingebürgert worden ist, bedeutet nicht, dass er seine Reichsangehörigkeit nicht nach § 21 Abs. 1 StAG 1870 verloren hat. 40Schließlich ist die Inschrift „Ing. Aleman“ [deutscher Ingenieur] auf dem Grabstein des Großvaters kein indirekter Nachweis für dessen Eintragung in die Matrikel eines Reichskonsulats. Die Inschrift mag darauf zurückzuführen sein, dass die Hinterbliebenen des Großvaters von einem Fortbestehen seiner Reichsangehörigkeit ausgegangen sind. Möglicherweise sollte mit ihr auch lediglich die Herkunft und der soziokulturelle Hintergrund des Großvaters hervorgehoben werden. Sie lässt jedenfalls nicht mit der notwendigen Sicherheit den Schluss auf eine Matrikeleintragung des Großvaters zu. 41Insgesamt lassen die von dem Kläger vorgelegten Urkunden und Unterlagen eine Matrikeleintragung seines Großvaters lediglich als möglich erscheinen, ohne eine darüber hinausgehende hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 1 StAG für eine solche Eintragung zu begründen. Es gibt auch keine tatsächliche Vermutung für die Matrikeleintragung. Im Gegenteil hat „das vom Gesetze den Auswanderern zur Abwendung des Verlustes der Staatsangehörigkeit an die Hand gegebene Mittel der Eintragung in die Konsulatsmatrikel im Großen und Ganzen versagt, da von diesem Mittel teils aus Unkenntnis, teils aus Saumseligkeit nur ein verhältnismäßig sehr geringer Gebrauch gemacht“ wurde. 42 Vgl. Verhandlungen des Reichstags, XIII. Legislaturperiode, I. Session, Band 298, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Nr. 6, Seite 16, abrufbar unter http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt_k13_bsb00003394_00090.html; siehe dazu auch OVG NRW, Beschl. vom 6. Juni 2012 – 19 A 1170/11 – juris Rdnr. 54. 43Der Kläger trägt die materielle Beweislast für die Eintragung seines Großvaters in die Matrikel eines Reichskonsulats. Denn bei der Matrikeleintragung nach § 21 Abs. 1 Satz 3 StAG 1870 handelt es sich um eine für ihn günstige Ausnahme von dem Grundsatz des Verlustes der deutschen Reichsangehörigkeit durch zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt im Ausland nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StAG 1870. 44 Ebenso OVG NRW, Beschl. vom 6. Juni 2012 – 19 A 1170/11 – juris Rdnr. 63. 45Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist hinsichtlich der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2der am 00.00.1961 in quito/ ecuador geborene kläger ist ecuadorianischer staatsangehöriger. er stammt in der väterlichen linie ab von s. x. m. v. (vater des klägers), geboren am 00.00.1934 in quito, und s1. x1. m1. v. (großvater des klägers), geboren am 00.00.1876 in f. , heute s2. , einer gemeinde im oberbergischen kreis in nordrhein-westfalen. der kläger ist ehelich geboren. sein vater wurde gut ein jahr nach seiner geburt wirksam legitimiert. 3der großvater des klägers reiste am 17. januar 1903 über den hamburger hafen mit dem dampfschiff „memphis“ der deutschen dampfschifffahrtsgesellschaft „kosmos“ nach ecuador aus und ließ sich dort nieder. 4der kläger stellte beim bundesverwaltungsamt im september 2007 einen antrag auf ausstellung eines staatsangehörigkeitsausweises. im rahmen der antragstellung reichte er die geburtsurkunde seines vaters aus dem jahre 1934, die heiratsurkunde seines großvaters aus dem jahre 1935 und die sterbeurkunde seines großvaters aus dem jahre 1936 ein. in allen drei ecuadorianischen urkunden heißt es, der großvater sei „deutscher staatsangehörigkeit“. in der sterbeurkunde ist als geburtsort des großvaters „berlin“ angegeben. wegen der einzelheiten der urkunden wird auf blatt 18, 33 und 38 des verwaltungsvorgangs verwiesen. der kläger legte außerdem eine bescheinigung einer stelle des ecuadorianischen außenministeriums vom 20. september 2005 vor, in der „bestätigt“ wird, „dass herr s1. x1. m1. v. , deutscher staatsangehörigkeit, nicht als ecuadorianischer staatsangehöriger eingebürgert wurde.“ wegen der einzelheiten dieser bescheinigung wird auf blatt 42 des verwaltungsvorgangs verwiesen. der kläger machte folgende ergänzende angaben: er könne weitere dokumente – wie etwa deutsche pässe oder militärunterlagen des großvaters – nicht vorlegen, weil diese durch einen brand in dessen haus zerstört worden seien. es sei davon auszugehen, dass sein großvater zum zeitpunkt der ausreise im besitz eines deutschen passes gewesen sei. er habe diesen auf dem schiff, mit dem er das deutsche reich verlassen habe, vorzeigen müssen. 5das auswärtige amt teilte dem bundesverwaltungsamt ende november 2007 auf dessen nachfrage mit, dass in seinen unterlagen keine hinweise auf den vater und den großvater des klägers vorhanden seien. es setzte das bundesverwaltungsamt davon in kenntnis, dass aus ecuador keine matrikel und passregister aus quito überliefert seien. lediglich aus guayaquil lägen entsprechende unterlagen vor. 6mit bescheid vom 25. august 2011, zugestellt am 14. september 2011, lehnte das bundesverwaltungsamt den antrag des klägers ab. zur begründung führte es an: der kläger sei nicht deutscher staatsangehöriger nach seinem vater, weil dieser die deutsche staatsangehörigkeit nicht nach seinem vater, dem großvater des klägers, erworben habe. der großvater habe seine reichsangehörigkeit vor der geburt seines sohnes (1934) im jahre 1913 nach § 21 des reichsgesetzes über die erwerbung und den verlust der reichs- und staatsangehörigkeit vom 1. juni 1870 (stag 1870) durch zehnjährigen ununterbrochenen aufenthalt im ausland verloren. eine unterbrechung der frist durch eintragung in die matrikel eines reichskonsulats sei nicht nachgewiesen. es gebe keinen direkten nachweis für die eintragung in die matrikel. auch lägen keine aussagekräftigen indizien vor, die indirekt den schluss auf eine eintragung in die matrikel zuließen. für die eintragung trage der kläger die beweislast. anhaltspunkte dafür, dass der großvater des klägers den verlust seiner reichsangehörigkeit durch verlängerung eines deutschen reisepasses, ausstellung eines heimatscheines oder rückkehr in das reichsgebiet abgewandt habe, bestünden nicht. 7der kläger erhob dagegen am 26. september 2011 widerspruch und begründete diesen wie folgt: es lägen hinreichende indizien für eine eintragung seines großvaters in die matrikel des deutschen konsulats in quito vor. er werde sowohl in seiner heiratsurkunde als auch in seiner sterbeurkunde als auch in der geburtsurkunde seines sohnes als deutscher staatsangehöriger bezeichnet. es sei davon auszugehen, dass die ecuadorianischen behörden sich vor aufnahme dieser feststellungen in die urkunden von dem bestehen seiner deutschen staatsangehörigkeit anhand von legitimationsdokumenten überzeugt hätten. nach der damaligen ecuadorianischen rechtslage habe bei entsprechenden beurkundungsvorgängen eine verpflichtung der veranlassten person zur legitimation bestanden. ein bedeutsames indiz dafür, dass sein großvater die deutsche staatsangehörigkeit nicht verloren habe, sei außerdem die bescheinigung des ecuadorianischen außenministeriums aus dem jahre 2005, in der sein großvater als deutscher staatsangehöriger bezeichnet und bestätigt werde, dass er nicht in den ecuadorianischen staatsverband eingebürgert worden sei. 8nachdem das bundesverwaltungsamt eine stellungnahme des auswärtigen amtes zu den von dem kläger vorgelegten urkunden eingeholt hatte, wies es den widerspruch mit widerspruchsbescheid vom 9. januar 2013, zugestellt am 26. januar 2013, zurück. zur begründung führte es ergänzend an: die von dem kläger vorgelegten ecuadorianischen urkunden aus den jahren 1934, 1935 und 1936, in denen sein großvater jeweils als deutscher staatsangehöriger bezeichnet werde, ließen nicht mit der notwendigen sicherheit den schluss zu, dass dieser sich in die matrikel eines reichskonsulats habe eintragen lassen. es fehle an jeder erkenntnis darüber, welche prüfungen diesen eintragungen der ecuadorianischen behörden zugrunde gelegen hätten. nach den von ihm, dem bundesverwaltungsamt, durchgeführten ermittlungen sei wahrscheinlich, dass der großvater des klägers nach seiner ankunft in ecuador seine papiere für den legalen aufenthalt als ausländer geregelt und sich danach für den rest seines lebens mit ecuadorianischen dokumenten ausgewiesen habe, in denen er als deutscher staatsangehöriger geführt worden sei. ob er die deutsche staatsangehörigkeit beibehalten oder nach deutschen gesetzen verloren habe, hätten die ecuadorianischen behörden nicht beurteilen und überprüfen können. die annahme, dass der großvater sich nicht mit aktuellen deutschen papieren ausgewiesen habe bzw. diese bei seinem tod nicht vorgelegt worden seien, werde dadurch bestätigt, dass sein geburtsort in seiner sterbeurkunde mit „berlin“ angegeben worden sei. bei vorlage einer gültigen deutschen urkunde, etwa eines passes, wäre aus dieser der korrekte geburtsort, f. (heute s2. ), übernommen worden. soweit der großvater bis zu seinem tod nicht in den ecuadorianischen staatsverband eingebürgert worden sei, ändere dies nichts daran, dass er seine reichsangehörigkeit durch zehnjährigen ununterbrochenen aufenthalt im ausland verloren habe. der verlust sei spätestens ende 1913 eingetreten. die zehnjahresfrist sei von dem zeitpunkt des austritts aus dem reichsgebiet oder, wenn der austretende sich im besitz eines reisepapiers oder heimatscheines befunden habe, von dem zeitpunkt des ablaufs dieser papiere an gerechnet worden. lege man zugrunde, dass der großvater des klägers das reichsgebiet am 17. januar 1903 mit einem gültigen deutschen reisedokument verlassen habe, hätte dieses dokument spätestens am 31. dezember 1903 seine gültigkeit verloren. denn nach auskunft des auswärtigen amtes seien die deutschen reisepässe um die jahrhundertwende mit einer gültigkeitsdauer von drei monaten bis zu einem jahr ausgestellt worden. 9dagegen hat der kläger am 25. februar 2013 klage erhoben. 10zur begründung wiederholt und vertieft er sein vorbringen aus dem verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor: 11gehe man davon aus, dass sein großvater das reichsgebiet mit einem gültigen deutschen reisedokument verlassen habe, hätte das dokument bis zum 16. januar 1904 gültig sein können. in diesem fall wäre die zehnjahresfrist erst am 16. januar 1914 und damit nach außerkrafttreten des stag 1870 zum 31. dezember 1913 abgelaufen. ein reichsangehörigkeitsverlust wäre dann nicht eingetreten. dies sei zu seinen gunsten anzunehmen. 12er könne nicht nachvollziehen, weshalb in der sterbeurkunde seines großvaters dessen geburtsort mit „berlin“ angegeben worden sei. möglicherweise habe man sich seinerzeit vor der damaligen reichshauptstadt „verneigt“. denkbar sei auch, dass es sich schlicht um einen irrtum des ausstellenden beamten gehandelt habe. solche irrtümer kämen selbst in deutschen standesämtern vor. die angabe entkräfte jedenfalls nicht die indizielle wirkung der vorgelegten urkunden. das ovg nrw habe in seinem urteil vom 6. juni 2012 – 19 a 1170/11 – entsprechende urkunden ausdrücklich als indirekte nachweise für eine eintragung in die matrikel eines reichskonsulats anerkannt. 13hinzuweisen sei schließlich darauf, dass sein großvater auf seinem grabstein in der ersten zeile als „ing. aleman“ [deutscher ingenieur] bezeichnet werde. wegen der einzelheiten der von dem kläger vorgelegten kopie eines fotos des grabsteins wird auf blatt 46 der gerichtsakte verwiesen. 14der kläger beantragt, 15die beklagte unter aufhebung des bescheides des bundesverwaltungsamtes vom 25. august 2011 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 9. januar 2013 zu verpflichten, ihm einen staatsangehörigkeitsausweis auszustellen. 16die beklagte beantragt, 17 die klage abzuweisen. 18sie verteidigt die angegriffenen bescheide und trägt ergänzend vor: 19man könne nicht unterstellen, dass ein zum zeitpunkt der ausreise des großvaters am 17. januar 1903 eventuell in seinem besitz befindliches deutsches reisepapier bis zum 16. januar 1904 gültig gewesen sei. es erscheine lebensfern, eine ausreise mit einem am selben tag ausgestellten reisepass oder gleichwertigen dokument anzunehmen. ohne entsprechende belege könne nicht davon ausgegangen werden, dass der großvater einen reisepass mit einer gültigkeitsdauer von einem jahr besessen habe und dieser pass im zeitpunkt seiner ausreise weniger als 18 tage alt gewesen sei. 20die grabsteininschrift „ing. aleman“ sei – wie die eingereichten urkunden – kein hinreichender nachweis für eine eintragung des großvaters in die matrikel eines reichskonsulats. die inschrift möge darauf zurückzuführen sein, dass im allgemeinen sprachgebrauch häufig nicht zwischen staatsangehörigkeit und volkszugehörigkeit differenziert werde. mit der inschrift habe vermutlich nicht auf die deutsche staatsangehörigkeit des verstorbenen im juristischen sinne hingewiesen, sondern seine herkunft und sein soziokultureller hintergrund hervorgehoben werden sollen. 21wegen der einzelheiten des sach- und streitstandes wird ergänzend auf den inhalt der gerichtsakte und des beigezogenen verwaltungsvorgangs des bundesverwaltungsamts verwiesen. 22 | 23die klage ist unbegründet. 24die ablehnung des antrags auf ausstellung eines staatsangehörigkeitsausweises ist rechtmäßig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten (§ 113 abs. 5 satz 1 vwgo). 25der kläger hat keinen anspruch auf ausstellung eines staatsangehörigkeitsausweises aus § 30 abs. 3 satz 1 stag, weil nicht mit hinreichender wahrscheinlichkeit im sinne des § 30 abs. 2 satz 1 stag nachgewiesen ist, dass er deutscher staatsangehöriger ist. 26er ist nicht deutscher staatsangehöriger nach seinem vater, weil dieser die deutsche staatsangehörigkeit nicht nach seinem vater, dem großvater des klägers, erworben hat. zwar war der im jahre 1876 im deutschen reich geborene großvater ursprünglich deutscher reichsangehöriger. er hat seine reichsangehörigkeit aber vor der geburt seines sohnes (1934) im jahre 1913 durch zehnjährigen ununterbrochenen aufenthalt im ausland nach § 21 abs. 1 stag 1870 verloren. 27danach verloren deutsche, welche das reichsgebiet verließen und sich zehn jahre lang ununterbrochen im ausland aufhielten, dadurch ihre staatsangehörigkeit (satz 1). die vorbezeichnete frist wurde von dem zeitpunkt des austritts aus dem reichsgebiet, oder, wenn der austretende sich im besitz eines reisepapiers oder heimatscheins befand, von dem zeitpunkt des ablaufs dieser papiere an gerechnet (satz 2). sie wurde unterbrochen durch die eintragung in die matrikel eines reichskonsulats (satz 3). 28im vorliegenden fall ist davon auszugehen, dass die zehnjahresfrist des § 21 abs. 1 sätze 1 und 2 stag 1870 noch unter geltung des stag 1870 im jahre 1913 endete. nimmt man an, dass der großvater des klägers im zeitpunkt seiner ausreise am 17. januar 1903 im besitz eines gültigen deutschen reisepasses war, spricht alles dafür, dass der pass jedenfalls ende 1903 ablief. deutsche reisepässe hatten damals eine gültigkeit von bis zu einem jahr. vor der ausreise musste die schiffspassage gebucht und eine bestätigung des aufnehmenden landes in den pass eingetragen werden, was einige zeit in anspruch nahm. dies macht es sehr unwahrscheinlich, dass der pass des großvaters noch bis anfang/ mitte januar 1904 gültig war und schließt es aus, ohne entsprechende belege, die der kläger nicht beigebracht hat, zu seinen gunsten eine ausreise des großvaters mit einem bis dahin gültigen ausweisdokument zu unterstellen. 29eine unterbrechung der zehnjahresfrist durch eintragung in die matrikel eines reichskonsulats gemäß § 21 abs. 1 satz 3 stag 1870 ist nicht nachgewiesen. 30ein direkter nachweis für eine matrikeleintragung des großvaters ist nicht erbracht. ein matrikelschein, den die reichskonsulate eintragungspflichtigen personen auf antrag ausstellten, 31 vgl. insoweit ovg nrw, beschl. vom 6. juni 2012 – 19 a 1170/11 – juris rdnr. 48, 32liegt nicht vor. das auswärtige amt hat dem bundesverwaltungsamt ende november 2007 mitgeteilt, dass der großvater in der erhalten gebliebenen matrikel aus guayaquil/ ecuador nicht verzeichnet ist und dass aus quito keine unterlagen überliefert sind. 33es sind auch keine hinreichenden indizien nachgewiesen, die indirekt den schluss auf eine matrikeleintragung des großvaters zulassen. 34als solche indirekten nachweise kommen zwar grundsätzlich geburtsurkunden, heiratsurkunden, sterbeurkunden oder sonstige amtliche personaldokumente in betracht, in denen die zuständige stelle den eintragungspflichtigen als deutschen staatsangehörigen bezeichnet hat. 35 vgl. ovg nrw, beschl. vom 6. juni 2012 – 19 a 1170/11 – juris rdnr. 50. 36die von dem kläger im verwaltungsverfahren vorgelegten ecuadorianischen urkunden (geburtsurkunde seines vaters aus dem jahre 1934, heiratsurkunde seines großvaters aus dem jahre 1935, sterbeurkunde seines großvaters aus dem jahre 1936), in denen sein großvater jeweils als deutscher staatsangehöriger bezeichnet wird, sind aber als indirekte nachweise für die matrikeleintragung des großvaters nicht ausreichend. es liegen keine hinreichenden anhaltspunkte dafür vor, dass der jeweilige standesbeamte oder sonstige amtsinhaber bei ausstellung der urkunden die deutsche reichsangehörigkeit des großvaters anhand eines gültigen deutschen personaldokuments überprüft hat. aus den urkunden geht nicht, etwa durch die formulierung „erscheint (…), ausgewiesen durch (...)“, hervor, dass der großvater oder – im falle der sterbeurkunde – die die beurkundung veranlassende person ein solches dokument vorgezeigt haben. nach der dem bundesverwaltungsamt im widerspruchsverfahren erteilten auskunft des auswärtigen amtes ist es umgekehrt eher wahrscheinlich, dass der großvater nach seiner ankunft in ecuador seine papiere für den legalen aufenthalt als ausländer geregelt und sich in der folgezeit mit ecuadorianischen dokumenten ausgewiesen hat, in denen er als deutscher staatsangehöriger geführt wurde. nicht ersichtlich ist, dass der jeweilige urkundsbeamte bei ausstellung der urkunden den verlusttatbestand des § 21 abs. 1 stag 1870 überprüft hat. der urkundsbeamte kannte diesen verlusttatbestand vermutlich nicht einmal. dem korrespondiert, dass nach der zeitgenössischen kommentierung des § 21 stag 1870 „von ausländischen behörden auch reichsangehörige, die aufgrund des § 21 abs. 1 ihrer staatsangehörigkeit verlustig gegangen sind, meistens nach wie vor als deutsche angesehen und behandelt“ wurden. 37 vgl. cahn, das reichsgesetz über die erwerbung und den verlust der reichs- und staatsangehörigkeit, 3. auflage, berlin 1908, kommentierung zu § 21, seite 155. 38dagegen, dass es bei ausstellung der urkunden zur vorlage eines gültigen deutschen personaldokuments durch oder für den großvater gekommen ist, spricht auch, dass in dessen sterbeurkunde fälschlicherweise „berlin“ (und nicht f. ) als geburtsort angegeben ist. hätte der ecuadorianische urkundsbeamte sich ein gültiges deutsches personaldokument vorzeigen lassen, wäre aller voraussicht nach der richtige geburtsort eingetragen worden. 39auch die von dem kläger im verwaltungsverfahren vorgelegte bescheinigung einer stelle des ecuadorianischen außenministeriums vom 20. september 2005, in der „bestätigt“ wird, „dass herr s1. x1. m1. v. , deutscher staatsangehörigkeit, nicht als ecuadorianischer staatsangehöriger eingebürgert wurde“, ist weder für sich betrachtet noch in zusammenhang mit den übrigen urkunden ein ausreichender indirekter nachweis für eine matrikeleintragung seines großvaters. es ist nicht erkennbar, worauf die feststellung zur deutschen staatsangehörigkeit des großvaters beruht. dass er nicht in den ecuadorianischen staatsverband eingebürgert worden ist, bedeutet nicht, dass er seine reichsangehörigkeit nicht nach § 21 abs. 1 stag 1870 verloren hat. 40schließlich ist die inschrift „ing. aleman“ [deutscher ingenieur] auf dem grabstein des großvaters kein indirekter nachweis für dessen eintragung in die matrikel eines reichskonsulats. die inschrift mag darauf zurückzuführen sein, dass die hinterbliebenen des großvaters von einem fortbestehen seiner reichsangehörigkeit ausgegangen sind. möglicherweise sollte mit ihr auch lediglich die herkunft und der soziokulturelle hintergrund des großvaters hervorgehoben werden. sie lässt jedenfalls nicht mit der notwendigen sicherheit den schluss auf eine matrikeleintragung des großvaters zu. 41insgesamt lassen die von dem kläger vorgelegten urkunden und unterlagen eine matrikeleintragung seines großvaters lediglich als möglich erscheinen, ohne eine darüber hinausgehende hinreichende wahrscheinlichkeit im sinne des § 30 abs. 2 satz 1 stag für eine solche eintragung zu begründen. es gibt auch keine tatsächliche vermutung für die matrikeleintragung. im gegenteil hat „das vom gesetze den auswanderern zur abwendung des verlustes der staatsangehörigkeit an die hand gegebene mittel der eintragung in die konsulatsmatrikel im großen und ganzen versagt, da von diesem mittel teils aus unkenntnis, teils aus saumseligkeit nur ein verhältnismäßig sehr geringer gebrauch gemacht“ wurde. 42 vgl. verhandlungen des reichstags, xiii. legislaturperiode, i. session, band 298, anlagen zu den stenographischen berichten, nr. 6, seite 16, abrufbar unter http://www.reichstagsprotokolle.de/blatt_k13_bsb00003394_00090.html; siehe dazu auch ovg nrw, beschl. vom 6. juni 2012 – 19 a 1170/11 – juris rdnr. 54. 43der kläger trägt die materielle beweislast für die eintragung seines großvaters in die matrikel eines reichskonsulats. denn bei der matrikeleintragung nach § 21 abs. 1 satz 3 stag 1870 handelt es sich um eine für ihn günstige ausnahme von dem grundsatz des verlustes der deutschen reichsangehörigkeit durch zehnjährigen ununterbrochenen aufenthalt im ausland nach § 21 abs. 1 satz 1 stag 1870. 44 ebenso ovg nrw, beschl. vom 6. juni 2012 – 19 a 1170/11 – juris rdnr. 63. 45die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 vwgo, § 708 nr. 11, § 711 zpo. | Verklagte*r | 0 |
168,558 | 4 K 1956/13 VSt | 2015-01-21T00:00:00 | Urteil | Tenor Der Bescheid des Beklagten vom 18. Dezember 2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2013 wird aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Klägerin ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, deren Aufgaben sich aus § 2 des ihrer Errichtung zu Grunde liegenden Errichtungsgesetzes (EG) ergeben. 3… 4In § 3 EG werden als Unternehmen der Genossenschaft Planung, Bau Betrieb und Unterhaltung der für die Aufgabenerledigung notwendigen Anlagen sowie alle sonstigen für die Durchführung der Aufgaben erforderlichen Ermittlungen und Arbeiten genannt. 5Mit Bescheid vom 08.06.2000 bewilligte der Beklagte der Klägerin die steuerbegünstigte Entnahme von Strom als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes für betriebliche Zwecke nach § 9 Abs. 3 des Stromsteuergesetzes in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (StromStG). 6Auf Anordnung des Beklagten begann am 13.03.2009 bei der Klägerin eine Außenprüfung der Stromsteuer für das Jahr 2007 durch das Sachgebiet Prüfungsdienst des Beklagten, in der die Erlaubnis zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom nach § 9 Abs. 3 StromStG als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes sowie der Antrag auf Steuervergütung nach § 10 StromStG geprüft wurden. Das Ergebnis wurde im Prüfungsbericht vom 03.09.2009, …, zusammengefasst. Dabei führten die Prüfungsbeamten aus: 7Im Rahmen der Prüfung wurde die Klägerin gebeten, eine neue Zuordnung nach § 15 der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes (Stromsteuer-Durchführungsverordnung – StromStV) in der seinerzeit geltenden Fassung in die vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 (WZ 2003) vorzunehmen. 8Die Klägerin hat daraufhin eine Einklassifizierung erstellt und sich selbst – wie bisher – dem Abschnitt F (Baugewerbe) WZ 2003 nach § 15 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 StromStV auf Grundlage der 2006 vereinnahmen Beiträge zugeordnet. 9Entsprechend ihren gesetzlichen Aufgaben nach dem EG verteilte die Klägerin alle vereinnahmten Beiträge für Unterhaltung und Betrieb, Planung und Bau, Gemeinkosten und sonstige Ausgaben der betriebenen Anlagen anhand der Kostenstellen auf die einzelnen Tätigkeitsbereiche: 10Abschnitt WZ 2003 Beiträge 2006 in % E … 1,87 F … 57,27 O … 35,48 K … 1,73 Nicht zuzuordnen … 3,66 Summe: … 100 11Die ihr gesetzlich nach dem EG zugewiesenen Aufgaben wies die Klägerin folgenden Abschnitten und Unterklassen in der WZ 2003 zu: 12§ 2 Abs. 1 Nr. 1 EG F 45.24.0, 45.11.2 13§ 2 Abs. 1 Nr. 2 EG F 45.24.0 14§ 2 Abs. 1 Nr. 3 EG F 45.24.0, 45.11.2 15§ 2 Abs. 1 Nr. 4 EG F 45.24.0, 45.11.2 16§ 2 Abs. 1 Nr. 5 EG F 45.24.0 17§ 2 Abs. 1 Nr. 6 EG E 41.00.2, 45.24.0, 45.11.2 18§ 2 Abs. 1 Nr. 7 EG O 90.01.1, 90.01.2 19 E 40.11.1 20§ 2 Abs. 1 Nr. 8 EG O 90.02.1 21§ 2 Abs. 1 Nr. 9 EG keine Zuordnung möglich 22§ 2 Abs. 1 Nr. 10 EG F 45.24.0 23 K 24Die Beiträge für den Bereich Planung und Bau in Form kalkulatorischer Zinsen und Tilgung ordnete die Klägerin vollständig dem Anschnitt F zu, und zwar unabhängig davon, ob den Beiträgen Baumaßnahmen im Bereich Entwässerung, Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung zu Grunde lagen, weil die durchgeführten Arbeiten zur Bildung von Anlagevermögen beigetragen hatten. 25Die Arbeiten wurden grundsätzlich von Erfüllungsgehilfen erledigt. Die Klägerin betrachtete sich als Bauherrin und erbrachte wesentliche Teile der Ingenieurleistungen wie Planung und Bauleitung selbst. Ca. 10% des jährlichen Investitionsvolumens von 16 bis 18 Mio. € wurden durch Eigenleistungen erbracht, der Rest durch Fremdfirmen. 26Die Verhältnisse seit 2006 hatten sich nicht wesentlich verändert (Tz. 3.1 des Prüfungsberichts). 27Nach Auffassung der Prüfungsbeamten sei die Klägerin dem Abschnitt F WZ 2003 zuzuweisen. Auf Grund der Komplexität und wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Sachverhalts werde jedoch vorgeschlagen, eine schriftliche Stellungnahme des Statistischen Bundesamtes einzuholen (Tz. 4.1 des Prüfungsberichts). 28Nach Auswertung des Prüfungsberichts übersandte der Beklagte der Klägerin ein Schreiben vom 22.10.2010, in dem er u.a. mitteilte, das statistische Bundesamt beurteile die Tätigkeiten der Klägerin in Teilen anders. Ihre Zuordnung in den Bereich F erfolge unter der Prämisse, dass die Beiträge für Planung und Bau aus den einzelnen Tätigkeitsbereichen eigenständig als dem Abschnitt F zugehörig erachtet werden könnten. 29Auf ihren Antrag vom 22.09.2011 auf Entlastung von der Stromsteuer in Sonderfällen (§ 10 StromStG) für 2010 gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 05.10.2011 die beantragte Vergütung, die er um einen geringfügigen Rechenfehler korrigierte, in Höhe von 373.035,95 €. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. 30In ihrer Beschreibung der wirtschaftlichen Tätigkeiten für das Kalenderjahr 2010 vom 05.10.2011 bezeichnete die Klägerin ihre wirtschaftliche Tätigkeit als „Regelung des Wasserabflusses, des Grundwasserstands sowie der Abwasserbeseitigung“ und ihre Haupttätigkeit als „Beseitigung und Ausgleich nachteiliger Veränderungen der Wasserwirtschaft durch Bergbau“. Sie sei der Klasse 45.24 zuzuordnen. 31Mit Schreiben vom 30.10. und 27.11.2012 teilte das Statistische Bundesamt der Bundesfinanzdirektion Südwest mit, Bautätigkeiten von Wasser‑ und Abwasserverbänden und –genossenschaften, die für die Unternehmen Investitionen darstellten, seien aus klassifikatorischer Sicht keine Hilfstätigkeiten. Sie seien dem Baugewerbe zuzuordnen. Das gelte aber nur für selbst ausgeführte Bauarbeiten, was sich aus dem Wortlaut der International Standard Industrial Classification of All Economic Activities (ISIC Rev. 3.1 – ISIC ‑) ergebe. Die ISIC bilde die Grundlage der statistischen Systematik der EU (NACE Rev. 1.1) und in deren Folge der WZ 2003. 32Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Erläuterungen zur Abteilung 45 WZ 2003. Insoweit komme es nur auf selbst ausgeführte Bauarbeiten an. 33Zur Klasse 74.20 (Architektur- und Ingenieurbüros) gehörten nur Planung und Bauaufsicht als Dienstleistung für Dritte. 34Bei Bauherren, den Auftraggebern von Bauvorhaben, seien an Subunternehmer vergebene Bauarbeiten statistisch-klassifikatorisch nicht als Bauarbeiten des Bauherren anzusehen. Sie seien den Bauherren nicht zuzuordnen. 35Dem folgend forderte der Beklagte mit Bescheid vom 18.12.2012 von der Klägerin die mit Bescheid vom 05.10.2011 gewährte Entlastung wieder zurück, da sie kein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes sei. 36Zur Begründung ihres fristgerechten Einspruchs verwies die Klägerin auf das Ergebnis der Außenprüfung und auf Absatz 3 der Vorbemerkungen zu Abschnitt F WZ 2003, nach der ihre Arbeiten in diesen Abschnitt gehörten. 37Mit Einspruchsentscheidung vom 10.05.2013 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, da die Rückforderung zu Recht erfolgt sei, weil die Antragsvoraussetzungen bei der Klägerin nicht gegeben gewesen seien. Auf Grund der 2009 durchgeführten Außenprüfung ergebe sich nichts anderes, weil die Prüfungsbeamten auf die Komplexität der Materie hingewiesen hätten. 38Nach der nunmehr eingeholten Auskunft des Statistischen Bundesamtes seien Bautätigkeiten, die von Bauträgern oder Bauherren mit eigenem Personal an eigenem Anlagevermögen ausgeführt würden, dem Abschnitt F WZ 2003 zuzuordnen. 39Wie die Klägerin angegeben habe, habe sich ihr Anteil an den Bauarbeiten auf ca. 10% des Investitionsvolumens beschränkt, während der Rest von Erfüllungsgehilfen wahrgenommen worden sei. Als Bauherrin seien ihr die Bauarbeiten der Erfüllungsgehilfen nicht zuzuordnen, auch wenn sie dafür die wirtschaftlichen Kosten trage. 40Weil nur 10% des Investitionsvolumens aus den erhobenen Beiträgen auf Grund eigener Tätigkeit der Klägerin für Planung und Bau zum Abschnitt F gehörten, müsse ihre weitere Tätigkeit dem Abschnitt O WZ 2003 zugewiesen werden. Das gelte auch dann, wenn ihre Tätigkeiten, die zum Abschnitt O gehörten, mit denen, die zum Abschnitt F gehörten, ins Verhältnis gesetzt würden. Dann würde ihr wirtschaftlicher Schwerpunkt zum Abschnitt O gehören. Damit sei sie kein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes mehr. 41Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt dazu vor: 42Im Jahr 2009 seien ihre Beiträge wie folgt den Abschnitten der WZ 2003 zuzuordnen: 43Abschnitt WZ 2003 Beiträge 2009 in % A … 7,37 E … 1,02 Bereich Wasserbau F 45.24, 45.11 … Anlagevermögen … F (Summe) … 53,52 Bereich Abwasser, Abfall … Bereich Umweltverschmutzungen … O (Summe) … 38,95 K … 1,74 Nicht zuzuordnen … 2.59 Gesamtsumme: … 44Danach sei sie ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes. Die Bautätigkeit gehöre zu ihren eigenen Aufgaben. Mit diesem Mittel erfülle sie ihren gesetzlich festgelegten Unternehmenszweck. 45Soweit im Rahmen einer Unternehmensbeurteilung nach § 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 StromStV für Umsätze verkaufter Waren Baukosten für die Produktionsanlagen in die Kalkulation einbezogen würden, möge dies im Regelfall zutreffen, gelte aber nicht in ihrem Fall, in dem Planung und Bau nach § 3 Abs. 1 EG Gegenstand ihres Unternehmens seien. 46Sie habe zu Recht ihre gegenüber den Genossen erbrachte Bautätigkeit, die bei ihr zu Anlagevermögen führe, dem Abschnitt F WZ 2003 zugeordnet. Der WZ 2003 sei nicht zu entnehmen, dass derartige Bautätigkeiten außer Betracht zu bleiben hätten. Auch Bauleistungen für eigene Zwecke seien Bautätigkeiten. 47Die Erläuterungen zu Abteilung 45, wie auch die den entsprechenden Vorschriften der NACE Rev. 1.1 und der ISIC Rev. 3.1 ließen dann, wenn die Arbeiten auf eigene Rechnung, gegen Entgelt oder auf sonstiger vertraglicher Grundlage durchgeführt würden, auch zu, dass ein Teil der Arbeiten, manchmal auch die gesamte praktische Arbeit, von Subunternehmen ausgeführt würden. Diesen Vorschriften sei auch nicht zu entnehmen, dass dann, wenn die Arbeiten zu eigenem Anlagevermögen führten, vom eigenen Personal des zu beurteilenden Unternehmens auszuführen seien. 48Die Klassifizierung eines Auftraggebers ändere sich auch dann nicht, wenn er Aufgaben an Subunternehmer übertrage. Vielmehr werde der Auftragnehmer so klassifiziert wie der Auftraggeber. Die vom Beklagten zitierten Vorschriften der ISIC ließen nicht den Schluss zu, dass durch Drittunternehmen durchgeführte Tätigkeiten davon nicht umfasst sein sollten. 49Zur Ausführung von Bautätigkeiten durch Dritte werde auf das BFH-Urteil vom 16.04.2013, VII R 7/11 verwiesen. 50Die Erstellung von Anlagen für eigene Rechnung sei keine Hilfstätigkeit, sondern dem Baugewerbe zuzuordnen, VO (EWG) Nr. 696/93 des Rates vom 15.03.1993 betreffend die statistischen Einheiten für die Beobachtung und Analyse der Wirtschaft in der Gemeinschaft – VO 696/93 – Anhang Abschnitt IV A. 4. a). 51Die Nichtzuordnung der durch Subunternehmen erbrachten Bautätigkeit widerspreche der Systematik der Schwerpunktermittlung nach § 15 StromStV. 52In ihrem Fall liege auch keine einmalige Anfangsinvestition in Anlagevermögen vor, auf Grund derer es möglich sei, kurzfristig in den Jahren der Investition zu einem Unternehmen des Baugewerbes zu werden. Die Kosten ihrer Bautätigkeit seien Teil der Beiträge und würden den Genossen ausdrücklich in Rechnung gestellt. Ihre Bautätigkeit sei eine ihr kraft Gesetzes obliegende Aufgabe, die zu einer fortlaufenden Bautätigkeit führe. 53Sie sei auch kein Bauherr, sondern schulde selbst die Bauleistung ihren Genossen. 54Die im Streitfall nicht anwendbare Neuregelung in § 15 Abs. 9 StromStV sei angreifbar. Die zur Begründung der Neuregelung behauptete ständige Verwaltungspraxis habe es nicht gegeben, wie auch ihr Fall zeige. Zudem würde eine andere Zuordnungspraxis zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. 55Zudem sei zweifelhaft, ob von der Ermächtigung nach § 11 Nr. 4 StromStG zutreffend Gebrauch gemacht worden sei, wenn das Bundesministerium der Finanzen die Zuordnung von Unternehmen in die WZ 2003 regeln dürfe. 56Ihr Vorflutanlagenbau gehöre selbst nach Auffassung des Beklagten zur Klasse 45.24 des Abschnitts F. 57Die Klägerin beantragt, 58den Bescheid des Beklagten vom 18.12.2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.05.2013 aufzuheben, 59hilfsweise die Revision zuzulassen. 60Der Beklagte beantragt, 61die Klage abzuweisen, 62hilfsweise die Revision zuzulassen. 63Hierzu führt er aus: Die frühere Zuordnung der Klägerin in den Abschnitt F habe unterstellt, dass die Beiträge für Planung und Bau aus den einzelnen Tätigkeitsbereichen eigenständig dem Abschnitt F zugewiesen werden könnten. Das sei unzutreffend. 64Die ISIC Rev. 3.1 gehe bei der Klassifizierung von Bauunternehmen von selbst ausgeführten Bauarbeiten aus, indem von „doing work that is part of fixed capital formation“ und beispielhaft von „doing construction work“ die Rede sei (ISIC Part One, II., B. Absatz 30 Buchst. a) ). Dies belegten die aktiven Verbformen. 65Diese Bestimmungen der ISIC seien auch maßgebend für die Auslegung der Untergruppe 45.2 der WZ 2003. 66Aus der Regelung im Anhang Abschnitt IV. B. 4 Buchst. a VO 696/93 ergebe sich nichts anderes, weil der Frage, ob eine Tätigkeit Haupt-, Neben- oder Hilfstätigkeit sei, die Frage vorgehen müsse, ob diese Tätigkeit dem Unternehmen überhaupt zuzurechnen sei. Dies sei aber bei Tätigkeiten der Subunternehmer der Klägerin im Verhältnis zur Klägerin nicht der Fall. 67Seine Rechtsauffassung werde auch durch die Neufassung des § 15 Abs. 9 StromStV durch Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Verordnung zur Änderung der Energiesteuer- und der Stromsteuer-Durchführungsverordnung vom 24.07.2013 (BGBl. I S. 2763) bestätigt, die nur klarstellend die bisherige Praxis des Statistischen Bundesamtes bestätige. 68Bei den Erläuterungen zu Abteilung 45 handele es sich nur um Bestimmungen ausschließlich für Hoch- und Tiefbau, dem schon für 2007 keine der Tätigkeiten der Klägerin vom Statistischen Bundesamt den Aufgaben nach § 2 EG zugeordnet worden seien. 69Zudem habe die Klägerin die für Planung und Bau in Form kalkulatorischer Zinsen und Tilgung erhobenen Beiträge vollständig dem Abschnitt F zugeordnet, obwohl den Beiträgen auch Baumaßnahmen im Bereich der Entwässerung, der Abwasserentsorgung oder der Wasserversorgung zu Grunde gelegen hätten. Tatsächlich aber seien die Beiträge für alle gesetzlichen Aufgaben der Klägerin geleistet worden und müssten diesen auch zugeordnet werden. 70Gleiches gelte für Abschreibungen und Zinsen. Nach § 25 Abs. 2 EG könnten bei der Ermittlung der Beitragshöhe Abschreibungen und Zinsen berücksichtigt werden. Daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass Abschreibungen und Zinsen nur für Bauleistungen der Klägerin gegenüber Genossen anfielen. § 25 Abs. 2 EG bestimme nur, welche Kosten die Klägerin zur Beitragsberechnung berücksichtigen dürfe. 71Dem entspreche auch § 3 EG, der die Bautätigkeit nicht als Aufgabe, sondern als Unternehmen der Genossenschaft bezeichne. Folglich sei die Bautätigkeit keine eigenständige Aufgabe, sondern nur Mittel zum Zweck. 72Die Beitragsanteile der Genossen für die Bautätigkeiten der Klägerin könnten bei der von ihr gewählten Zuordnungsmethode des § 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 StromStV nicht als steuerbarer Umsatz berücksichtigt werden. Zwar komme es danach auf den höchsten steuerbaren Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) an. Als steuerbarer Umsatz gelte auch das den Leistungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts zuzurechnende Aufkommen aus Beiträgen. Dadurch solle einerseits deren wirtschaftliche Tätigkeiten auch im Hinblick auf die Regelungen des § 2 Abs. 3 UStG zutreffender abgebildet werden. Andererseits müsse aber die inhaltliche Anwendung der Zuordnungsmethode des § 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 StromStV beibehalten werden. Dementsprechend stellten die in § 2 EG genannten Aufgaben die zu betrachtenden Leistungen dar, für die die Bauleistungen nur Mittel zum Zweck seien und in die Gesamtkalkulation einzufließen hätten. In Folge dessen müssten die Beitragsanteile prozentual auf die wirtschaftlichen Tätigkeiten aufgeteilt werden. 73Das BFH-Urteil vom 16.04.2013, VII R 7/11 berücksichtige noch nicht die statistisch-klassifikatorische Sichtweise, dass Bautätigkeiten, die zur Bildung von Anlagevermögen führten, nur dann der statistischen Einheit zuzurechnen seien, wenn sie selbst ausgeführt würden. 74Die von ihm vertretene Zuordnungspraxis führe auch nicht zu unzutreffenden Ergebnissen, da Bauträger zur Klasse 70.11 WZ 2003 gehörten. 75Entscheidungsgründe: 76Die Klage ist begründet. 77Der Bescheid des Beklagten vom 18.12.2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.05.2013 war aufzuheben, da er rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). 78Von der dem Beklagten nach §§ 164 Abs. 2 Satz 1, 155 Abs. 4 AO gegebenen Befugnis, eine nach § 10 StromStG gewährte Steuervergütung für 2010 zurückzufordern und damit auch auf Null festzusetzen, hat er der Klägerin gegenüber zu Unrecht Gebrauch gemacht. Bei der Klägerin handelt es sich nämlich um ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes. 79Nach § 10 Abs. 1 StromStG wird einem Unternehmen des Produzierenden Gewerbes die Steuer für nachweislich versteuerten Strom, den dieses für betriebliche Zwecke entnommen hat, auf Antrag nach Maßgabe des § 10 Abs. 2 StromStG bis auf einen geringen Sockelbetrag erstattet oder vergütet. 80Als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes werden in § 2 Nr. 3 StromStG im hier interessierenden Zusammenhang u.a. Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes angesprochen, die in der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 (WZ 2003) dem Abschnitt F zuzuordnen sind. 81Dafür sind nach § 15 Abs. 1 Satz 2 der StromStV die in der WZ 2003 und in deren Vorbemerkungen genannten Abgrenzungsmerkmale maßgebend, soweit in § 15 Abs. 2 bis 8 StromStV nichts anderes geregelt ist. 82Handelt es sich aber wie bei der Klägerin um ein Unternehmen, das mehrere wirtschaftliche Tätigkeiten ausübt, die nicht alle dem Produzierenden Gewerbe zuzuordnen sind, ist sie nach dem Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit einem Abschnitt der WZ 2003 zuzuordnen, § 15 Abs. 2 Satz 2 StromStV. Der Schwerpunkt wird dabei nach Wahl der Klägerin durch den Abschnitt der WZ 2003 bestimmt, mit dessen Tätigkeiten sie als juristische Person des öffentlichen Rechts im Jahr 2009 das höchste zuzurechnende Aufkommen aus Beiträgen erzielte, § 15 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4, Satz 4 StromStV. 83Ausgehend von dem genannten Maßstab des Beitragsaufkommens sind die Tätigkeiten der Klägerin in Anwendung der Top-down-Methode (Vorbemerkungen 3.3 Abs. 6 WZ 2003) aufzulisten. Dabei sind das der jeweiligen Tätigkeit zuzurechnende Beitragsaufkommen im Jahr 2009 und der der jeweiligen Tätigkeit zuzuordnende Abschnitt der WZ 2003 zu ermitteln. 84Die Klägerin ist im Bereich Wasserbau tätig, wobei sie ihre diesbezüglichen Tätigkeiten den Klassen 45.11 (Abbruch-, Spreng- und Enttrümmerungsarbeiten, Erdbewegungsarbeiten) und 45.24 WZ 2003 (Wasserbau) zuordnet. Weiter ist die Klägerin im Bereich O (Erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen), nämlich der Klasse 90.01 (Abwasserbeseitigung) und der Klasse 90.02 (Abfallbeseitigung) tätig. Dies ist zwischen den Beteiligten dem Grundsatz nach unstreitig. 85Bei den weiteren Tätigkeiten der Klägerin in den Klassen A, E und K handelt es sich nur um geringfügige, hier zu vernachlässigende Tätigkeiten. 86Die Bautätigkeit stellt eine der wirtschaftlichen Tätigkeiten der Klägerin dar, denn mit ihr werden durch den kombinierten Einsatz von Produktionsfaktoren wie Betriebsmittel und Werkstoffe, Arbeit, Herstellungsverfahren, Informationsnetze usw. bestimmte Waren produziert (Vorbemerkungen 3.1 Abs. 1 WZ 2003). 87Diese Tätigkeit ist auch keine Hilfstätigkeit im Sinne der Vorbemerkungen 3.1 Abs. 4 WZ 2003, denn sie dient wie z B. Rechnungswesen, Transport, Lagerung, Einkauf, Verkaufsförderung, Reparatur und Wartung usw. nicht nur der Unterstützung einer Haupt- oder Nebentätigkeit. Vielmehr dient sie der Erfüllung der Aufgaben der Klägerin, wie § 2 Nr. 2 EG zeigt (vgl. BFH Urteil vom 16.04.2013, VII R 7/11, juris). 88Die Annahme des Beklagten, Bauunternehmen seien nur Unternehmen, die selbst bauen, stützt er zu Unrecht auf die Bestimmung in Part One (Introduction to ISIC), II. (The underlying principles of the classification), B. (Principal, secondary and ancillary activities), paragraph 30, letter (a) ISIC. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob diese Bestimmung, die der Regelung im Anhang Abschnitt IV B. Nr. 4 Buchst. a VO 696/93 entspricht, überhaupt zur Auslegung der WZ 2003, die keine entsprechende Regelung enthält, herangezogen werden kann. Schon nach dem Wortlaut der zitierten Bestimmungen ergibt sich nicht, dass eine klassifikatorisch anzuerkennende Bautätigkeit nur selbst bzw. durch eigenes Personal ausgeführt werden muss. 89Im Einzelnen heißt es in der ISIC: 90“Under the definition given in paragraph 27 the following activities are not to be considered ancillary. Therefore, in all these cases … separate units should be distinguished and they should be classified by their own activities. 91(a) Producing goods or doing work which are part of fixed capital formation. The type of units most affected are those doing construction work on the account of their parent unit. This approach is in accordance with the classification in the ISIC of own-account construction units for which data are available, to the construction industry; ...” 92Übersetzt hat die o.a. Regelung des ISIC folgenden Inhalt: „Unter der in Absatz 27 gegebenen Definition sind die folgenden Tätigkeiten nicht als Hilfstätigkeiten anzusehen. Dafür sind in allen Fällen getrennte Einheiten auseinander zu halten und nach ihren eigenen Tätigkeiten zu klassifizieren. 93a) Herstellung von Gütern und Erledigung von Arbeiten, die Teil von Anlageinvestitionen sind. Die Einheiten der am meisten betroffenen Art sind diejenigen, die Arbeiten auf Rechnung ihrer Muttergesellschaft(en) erledigen. Diese Vorgehensweise steht in Übereinstimmung mit der Klassifikation nach der ISIC für auf eigene Rechnung herstellende Einheiten, für die Daten erhältlich sind, mit der Bauindustrie. … „ 94Danach ist die Herstellung von Anlageinvestitionen wie die Herstellung dieser Güter selbst zu klassifizieren. Bei der hier interessierenden Herstellung durch die Klägerin handelt es sich um Baumaßnahmen, im Wesentlichen um Erdbewegungsarbeiten und Wasserbau. Zudem sind Planung und Bau nach § 3 Abs. 1 EG Gegenstand des Unternehmens der Klägerin. 95Diese Tätigkeiten erbringt sie nach ihren ‑ vom Beklagten nicht bestrittenen Angaben ‑ zu 10% mit eigenem Personal. 96Eine Tätigkeit in der Bauindustrie erlaubt den Einsatz von Subunternehmen, s. Absatz 3 der Vorbemerkungen zu Abteilung 45 (Baugewerbe) WZ 2003 bzw. Explanatory Note zu Abteilung 45 ISIC. Anhaltspunkte dafür, dass diese speziellere Bestimmung nicht für die allgemeinere Bestimmung in Part One, II., B., paragraph 30, letter (a) ISIC oder Anhang Abschnitt IV B. Nr. 4 Buchst. a VO 696/93 gelten soll, sind nicht ersichtlich. 97Auch handelt es sich dabei um Regelungen für den Hoch- und Tiefbau der Gruppe 45.2, der auch den Wasserbau (Klasse 45.25) umfasst. 98Dementsprechend berücksichtigt das BFH-Urteil vom 16.04.2013, VII R 7/11 auch nicht die statistisch-klassifikatorische Sichtweise, dass Bautätigkeiten, die zur Bildung von Anlagevermögen führen, nur dann der statistischen Einheit zuzurechnen sind, wenn sie von dieser Einheit selbst ausgeführt worden sind. 99Die Klägerin ist auch nicht als ein Unternehmen, das die Erschließung von Grundstücken zum Gegenstand hat (Klasse 70.11 WZ 2003), anzusehen, da diese Tätigkeit gerade die Abwicklung und Errichtung von Bauprojekten durch Einheiten des Baugewerbes ausschließt (s. Erläuterungen zu den Unterklassen 70.11.1 bis 70.11.3 WZ 2003). Zudem wird die Klägerin nicht zum Zweck des späteren Verkaufs der errichteten Anlagen tätig (s. Anmerkung zu Unterklasse 70.11.2 WZ 2003), was Voraussetzung einer Klassifizierung als Bauträger wäre. 100Auch kann die Bautätigkeit der Klägerin nicht als eine Tätigkeit von Architektur- oder Ingenieurbüros (Gruppe 74.2 WZ 2003) angesehen werden, weil die Klägerin diese Tätigkeiten nicht auf dem Markt anbietet, sondern nur für sich erbringt. 101§ 15 Abs. 9 StromStV, der durch Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Verordnung zur Änderung der Energiesteuer- und der Stromsteuer-Durchführungsverordnung vom 24.07.2013 (BGBl. I S. 2763) neu gefasst wurde, ist im Streitfall nicht anwendbar, weil diese Verordnung nach ihrem Art. 4 erst zum 01.08.2013 in Kraft getreten ist. Insoweit ist auch unerheblich, ob die damit bewirkte Änderung durch Ergänzung des §15 StromStV mit einem Absatz 9 zu Recht auf die Ermächtigung des § 11 Nr. 4 StromStG, der erlaubt, die Zuordnung von Unternehmen zu einem Abschnitt der WZ 2003 zu regeln, gestützt werden konnte. 102Anhaltspunkte für die in der Begründung der o.a. Änderungsverordnung (s. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen, veröffentlicht in http://www.energiecontracting.de/2-politik-recht/energiepolitik/Kraft-Waerme-Kopplung/ 2012-12-25-ReferentenentwurfEnergie-StromStDV.pdf) enthaltene Behauptung, nach ständiger Zuordnungspraxis des Statistischen Bundesamtes seien die Erläuterungen zu Abteilung 45 zum Einsatz von Subunternehmen nicht zu berücksichtigen, wenn die Baumaßnahmen Investitionen für das zuzuordnende Unternehmen darstellten, sind jedenfalls im Streitfall nicht erkennbar gewesen. Eine derartige Praxis gab es gegenüber der Klägerin nicht. 103Die Bautätigkeit hat die Klägerin zu Recht und in zutreffender Höhe nach dem Aufkommen an Beiträgen ermittelt. Dieser Tätigkeitsbereich, der keine Hilfstätigkeit darstellt, enthält auch Beiträge in Form kalkulatorischer Zinsen und Tilgung. 104Anhaltspunkte dafür, dass eine Bautätigkeit auch zu Beiträgen in Form kalkulatorischer Zinsen und Tilgung führt, die für die Tätigkeiten der Klägerin im Sinne des Abschnitts O angefallen sind, sind weder erkennbar noch vom Beklagten substantiiert vorgetragen worden. Gegen eine ausschließliche Zuordnung zum Abschnitt F bestehen daher keine Bedenken. 105Soweit der Beklagte meint, Beiträge für Baumaßnahmen, die Aufgaben der Klägerin nach Abschnitt O dienten, müssten den Tätigkeiten dieses Abschnitts zugeordnet werden, übersieht er, dass die Bautätigkeit keine Hilfstätigkeit ist, die nach dem gewählten Maßstab auf die übrigen Tätigkeiten aufgeteilt werden muss und bei der Berechnung des Schwerpunkts der wirtschaftlichen Tätigkeiten außer Betracht zu bleiben hat. 106Die Bautätigkeit ist entgegen den Ausführungen des Beklagten nicht nur Mittel zum Zweck, sondern dient unmittelbar der Erfüllung der Aufgaben der Klägerin, wie sich insbesondere aus § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 und 10 EG ergibt. Für eine Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 4 StromStV ist kein Raum (s. BFH Urteil vom 16.04.2013, VII R 7/11, juris). 107Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. 108Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. 109Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO nicht ersichtlich war. Der Rechtsstreit betrifft auslaufendes Recht, für das eine ständige andere Verwaltungspraxis der Zollverwaltung gar nicht erst behauptet worden ist und eine solche des Statistischen Bundesamtes nicht feststellbar war. | der bescheid des beklagten vom 18. dezember 2012 in der gestalt der einspruchsentscheidung vom 10. mai 2013 wird aufgehoben. die kosten des verfahrens trägt der beklagte. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der jeweilige kostenschuldner darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des jeweils zu vollstreckenden betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige kostengläubiger vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1 | 2die klägerin ist eine körperschaft öffentlichen rechts, deren aufgaben sich aus § 2 des ihrer errichtung zu grunde liegenden errichtungsgesetzes (eg) ergeben. 3… 4in § 3 eg werden als unternehmen der genossenschaft planung, bau betrieb und unterhaltung der für die aufgabenerledigung notwendigen anlagen sowie alle sonstigen für die durchführung der aufgaben erforderlichen ermittlungen und arbeiten genannt. 5mit bescheid vom 08.06.2000 bewilligte der beklagte der klägerin die steuerbegünstigte entnahme von strom als unternehmen des produzierenden gewerbes für betriebliche zwecke nach § 9 abs. 3 des stromsteuergesetzes in der bis zum 31.12.2010 geltenden fassung (stromstg). 6auf anordnung des beklagten begann am 13.03.2009 bei der klägerin eine außenprüfung der stromsteuer für das jahr 2007 durch das sachgebiet prüfungsdienst des beklagten, in der die erlaubnis zur steuerbegünstigten entnahme von strom nach § 9 abs. 3 stromstg als unternehmen des produzierenden gewerbes sowie der antrag auf steuervergütung nach § 10 stromstg geprüft wurden. das ergebnis wurde im prüfungsbericht vom 03.09.2009, …, zusammengefasst. dabei führten die prüfungsbeamten aus: 7im rahmen der prüfung wurde die klägerin gebeten, eine neue zuordnung nach § 15 der verordnung zur durchführung des stromsteuergesetzes (stromsteuer-durchführungsverordnung – stromstv) in der seinerzeit geltenden fassung in die vom statistischen bundesamt herausgegebene klassifikation der wirtschaftszweige, ausgabe 2003 (wz 2003) vorzunehmen. 8die klägerin hat daraufhin eine einklassifizierung erstellt und sich selbst – wie bisher – dem abschnitt f (baugewerbe) wz 2003 nach § 15 abs. 2 nr. 4 satz 2 stromstv auf grundlage der 2006 vereinnahmen beiträge zugeordnet. 9entsprechend ihren gesetzlichen aufgaben nach dem eg verteilte die klägerin alle vereinnahmten beiträge für unterhaltung und betrieb, planung und bau, gemeinkosten und sonstige ausgaben der betriebenen anlagen anhand der kostenstellen auf die einzelnen tätigkeitsbereiche: 10abschnitt wz 2003 beiträge 2006 in % e … 1,87 f … 57,27 o … 35,48 k … 1,73 nicht zuzuordnen … 3,66 summe: … 100 11die ihr gesetzlich nach dem eg zugewiesenen aufgaben wies die klägerin folgenden abschnitten und unterklassen in der wz 2003 zu: 12§ 2 abs. 1 nr. 1 eg f 45.24.0, 45.11.2 13§ 2 abs. 1 nr. 2 eg f 45.24.0 14§ 2 abs. 1 nr. 3 eg f 45.24.0, 45.11.2 15§ 2 abs. 1 nr. 4 eg f 45.24.0, 45.11.2 16§ 2 abs. 1 nr. 5 eg f 45.24.0 17§ 2 abs. 1 nr. 6 eg e 41.00.2, 45.24.0, 45.11.2 18§ 2 abs. 1 nr. 7 eg o 90.01.1, 90.01.2 19 e 40.11.1 20§ 2 abs. 1 nr. 8 eg o 90.02.1 21§ 2 abs. 1 nr. 9 eg keine zuordnung möglich 22§ 2 abs. 1 nr. 10 eg f 45.24.0 23 k 24die beiträge für den bereich planung und bau in form kalkulatorischer zinsen und tilgung ordnete die klägerin vollständig dem anschnitt f zu, und zwar unabhängig davon, ob den beiträgen baumaßnahmen im bereich entwässerung, wasserversorgung oder abwasserentsorgung zu grunde lagen, weil die durchgeführten arbeiten zur bildung von anlagevermögen beigetragen hatten. 25die arbeiten wurden grundsätzlich von erfüllungsgehilfen erledigt. die klägerin betrachtete sich als bauherrin und erbrachte wesentliche teile der ingenieurleistungen wie planung und bauleitung selbst. ca. 10% des jährlichen investitionsvolumens von 16 bis 18 mio. € wurden durch eigenleistungen erbracht, der rest durch fremdfirmen. 26die verhältnisse seit 2006 hatten sich nicht wesentlich verändert (tz. 3.1 des prüfungsberichts). 27nach auffassung der prüfungsbeamten sei die klägerin dem abschnitt f wz 2003 zuzuweisen. auf grund der komplexität und wegen der grundsätzlichen bedeutung des sachverhalts werde jedoch vorgeschlagen, eine schriftliche stellungnahme des statistischen bundesamtes einzuholen (tz. 4.1 des prüfungsberichts). 28nach auswertung des prüfungsberichts übersandte der beklagte der klägerin ein schreiben vom 22.10.2010, in dem er u.a. mitteilte, das statistische bundesamt beurteile die tätigkeiten der klägerin in teilen anders. ihre zuordnung in den bereich f erfolge unter der prämisse, dass die beiträge für planung und bau aus den einzelnen tätigkeitsbereichen eigenständig als dem abschnitt f zugehörig erachtet werden könnten. 29auf ihren antrag vom 22.09.2011 auf entlastung von der stromsteuer in sonderfällen (§ 10 stromstg) für 2010 gewährte der beklagte mit bescheid vom 05.10.2011 die beantragte vergütung, die er um einen geringfügigen rechenfehler korrigierte, in höhe von 373.035,95 €. der bescheid erging unter dem vorbehalt der nachprüfung. 30in ihrer beschreibung der wirtschaftlichen tätigkeiten für das kalenderjahr 2010 vom 05.10.2011 bezeichnete die klägerin ihre wirtschaftliche tätigkeit als „regelung des wasserabflusses, des grundwasserstands sowie der abwasserbeseitigung“ und ihre haupttätigkeit als „beseitigung und ausgleich nachteiliger veränderungen der wasserwirtschaft durch bergbau“. sie sei der klasse 45.24 zuzuordnen. 31mit schreiben vom 30.10. und 27.11.2012 teilte das statistische bundesamt der bundesfinanzdirektion südwest mit, bautätigkeiten von wasser‑ und abwasserverbänden und –genossenschaften, die für die unternehmen investitionen darstellten, seien aus klassifikatorischer sicht keine hilfstätigkeiten. sie seien dem baugewerbe zuzuordnen. das gelte aber nur für selbst ausgeführte bauarbeiten, was sich aus dem wortlaut der international standard industrial classification of all economic activities (isic rev. 3.1 – isic ‑) ergebe. die isic bilde die grundlage der statistischen systematik der eu (nace rev. 1.1) und in deren folge der wz 2003. 32etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den erläuterungen zur abteilung 45 wz 2003. insoweit komme es nur auf selbst ausgeführte bauarbeiten an. 33zur klasse 74.20 (architektur- und ingenieurbüros) gehörten nur planung und bauaufsicht als dienstleistung für dritte. 34bei bauherren, den auftraggebern von bauvorhaben, seien an subunternehmer vergebene bauarbeiten statistisch-klassifikatorisch nicht als bauarbeiten des bauherren anzusehen. sie seien den bauherren nicht zuzuordnen. 35dem folgend forderte der beklagte mit bescheid vom 18.12.2012 von der klägerin die mit bescheid vom 05.10.2011 gewährte entlastung wieder zurück, da sie kein unternehmen des produzierenden gewerbes sei. 36zur begründung ihres fristgerechten einspruchs verwies die klägerin auf das ergebnis der außenprüfung und auf absatz 3 der vorbemerkungen zu abschnitt f wz 2003, nach der ihre arbeiten in diesen abschnitt gehörten. 37mit einspruchsentscheidung vom 10.05.2013 wies der beklagte den einspruch als unbegründet zurück, da die rückforderung zu recht erfolgt sei, weil die antragsvoraussetzungen bei der klägerin nicht gegeben gewesen seien. auf grund der 2009 durchgeführten außenprüfung ergebe sich nichts anderes, weil die prüfungsbeamten auf die komplexität der materie hingewiesen hätten. 38nach der nunmehr eingeholten auskunft des statistischen bundesamtes seien bautätigkeiten, die von bauträgern oder bauherren mit eigenem personal an eigenem anlagevermögen ausgeführt würden, dem abschnitt f wz 2003 zuzuordnen. 39wie die klägerin angegeben habe, habe sich ihr anteil an den bauarbeiten auf ca. 10% des investitionsvolumens beschränkt, während der rest von erfüllungsgehilfen wahrgenommen worden sei. als bauherrin seien ihr die bauarbeiten der erfüllungsgehilfen nicht zuzuordnen, auch wenn sie dafür die wirtschaftlichen kosten trage. 40weil nur 10% des investitionsvolumens aus den erhobenen beiträgen auf grund eigener tätigkeit der klägerin für planung und bau zum abschnitt f gehörten, müsse ihre weitere tätigkeit dem abschnitt o wz 2003 zugewiesen werden. das gelte auch dann, wenn ihre tätigkeiten, die zum abschnitt o gehörten, mit denen, die zum abschnitt f gehörten, ins verhältnis gesetzt würden. dann würde ihr wirtschaftlicher schwerpunkt zum abschnitt o gehören. damit sei sie kein unternehmen des produzierenden gewerbes mehr. 41mit ihrer fristgerecht erhobenen klage verfolgt die klägerin ihr begehren weiter und trägt dazu vor: 42im jahr 2009 seien ihre beiträge wie folgt den abschnitten der wz 2003 zuzuordnen: 43abschnitt wz 2003 beiträge 2009 in % a … 7,37 e … 1,02 bereich wasserbau f 45.24, 45.11 … anlagevermögen … f (summe) … 53,52 bereich abwasser, abfall … bereich umweltverschmutzungen … o (summe) … 38,95 k … 1,74 nicht zuzuordnen … 2.59 gesamtsumme: … 44danach sei sie ein unternehmen des produzierenden gewerbes. die bautätigkeit gehöre zu ihren eigenen aufgaben. mit diesem mittel erfülle sie ihren gesetzlich festgelegten unternehmenszweck. 45soweit im rahmen einer unternehmensbeurteilung nach § 15 abs. 4 satz 2 nr. 4 stromstv für umsätze verkaufter waren baukosten für die produktionsanlagen in die kalkulation einbezogen würden, möge dies im regelfall zutreffen, gelte aber nicht in ihrem fall, in dem planung und bau nach § 3 abs. 1 eg gegenstand ihres unternehmens seien. 46sie habe zu recht ihre gegenüber den genossen erbrachte bautätigkeit, die bei ihr zu anlagevermögen führe, dem abschnitt f wz 2003 zugeordnet. der wz 2003 sei nicht zu entnehmen, dass derartige bautätigkeiten außer betracht zu bleiben hätten. auch bauleistungen für eigene zwecke seien bautätigkeiten. 47die erläuterungen zu abteilung 45, wie auch die den entsprechenden vorschriften der nace rev. 1.1 und der isic rev. 3.1 ließen dann, wenn die arbeiten auf eigene rechnung, gegen entgelt oder auf sonstiger vertraglicher grundlage durchgeführt würden, auch zu, dass ein teil der arbeiten, manchmal auch die gesamte praktische arbeit, von subunternehmen ausgeführt würden. diesen vorschriften sei auch nicht zu entnehmen, dass dann, wenn die arbeiten zu eigenem anlagevermögen führten, vom eigenen personal des zu beurteilenden unternehmens auszuführen seien. 48die klassifizierung eines auftraggebers ändere sich auch dann nicht, wenn er aufgaben an subunternehmer übertrage. vielmehr werde der auftragnehmer so klassifiziert wie der auftraggeber. die vom beklagten zitierten vorschriften der isic ließen nicht den schluss zu, dass durch drittunternehmen durchgeführte tätigkeiten davon nicht umfasst sein sollten. 49zur ausführung von bautätigkeiten durch dritte werde auf das bfh-urteil vom 16.04.2013, vii r 7/11 verwiesen. 50die erstellung von anlagen für eigene rechnung sei keine hilfstätigkeit, sondern dem baugewerbe zuzuordnen, vo (ewg) nr. 696/93 des rates vom 15.03.1993 betreffend die statistischen einheiten für die beobachtung und analyse der wirtschaft in der gemeinschaft – vo 696/93 – anhang abschnitt iv a. 4. a). 51die nichtzuordnung der durch subunternehmen erbrachten bautätigkeit widerspreche der systematik der schwerpunktermittlung nach § 15 stromstv. 52in ihrem fall liege auch keine einmalige anfangsinvestition in anlagevermögen vor, auf grund derer es möglich sei, kurzfristig in den jahren der investition zu einem unternehmen des baugewerbes zu werden. die kosten ihrer bautätigkeit seien teil der beiträge und würden den genossen ausdrücklich in rechnung gestellt. ihre bautätigkeit sei eine ihr kraft gesetzes obliegende aufgabe, die zu einer fortlaufenden bautätigkeit führe. 53sie sei auch kein bauherr, sondern schulde selbst die bauleistung ihren genossen. 54die im streitfall nicht anwendbare neuregelung in § 15 abs. 9 stromstv sei angreifbar. die zur begründung der neuregelung behauptete ständige verwaltungspraxis habe es nicht gegeben, wie auch ihr fall zeige. zudem würde eine andere zuordnungspraxis zu widersprüchlichen ergebnissen führen. 55zudem sei zweifelhaft, ob von der ermächtigung nach § 11 nr. 4 stromstg zutreffend gebrauch gemacht worden sei, wenn das bundesministerium der finanzen die zuordnung von unternehmen in die wz 2003 regeln dürfe. 56ihr vorflutanlagenbau gehöre selbst nach auffassung des beklagten zur klasse 45.24 des abschnitts f. 57die klägerin beantragt, 58den bescheid des beklagten vom 18.12.2012 in der gestalt der einspruchsentscheidung vom 10.05.2013 aufzuheben, 59hilfsweise die revision zuzulassen. 60der beklagte beantragt, 61die klage abzuweisen, 62hilfsweise die revision zuzulassen. 63hierzu führt er aus: die frühere zuordnung der klägerin in den abschnitt f habe unterstellt, dass die beiträge für planung und bau aus den einzelnen tätigkeitsbereichen eigenständig dem abschnitt f zugewiesen werden könnten. das sei unzutreffend. 64die isic rev. 3.1 gehe bei der klassifizierung von bauunternehmen von selbst ausgeführten bauarbeiten aus, indem von „doing work that is part of fixed capital formation“ und beispielhaft von „doing construction work“ die rede sei (isic part one, ii., b. absatz 30 buchst. a) ). dies belegten die aktiven verbformen. 65diese bestimmungen der isic seien auch maßgebend für die auslegung der untergruppe 45.2 der wz 2003. 66aus der regelung im anhang abschnitt iv. b. 4 buchst. a vo 696/93 ergebe sich nichts anderes, weil der frage, ob eine tätigkeit haupt-, neben- oder hilfstätigkeit sei, die frage vorgehen müsse, ob diese tätigkeit dem unternehmen überhaupt zuzurechnen sei. dies sei aber bei tätigkeiten der subunternehmer der klägerin im verhältnis zur klägerin nicht der fall. 67seine rechtsauffassung werde auch durch die neufassung des § 15 abs. 9 stromstv durch art. 2 nr. 9 buchst. b der verordnung zur änderung der energiesteuer- und der stromsteuer-durchführungsverordnung vom 24.07.2013 (bgbl. i s. 2763) bestätigt, die nur klarstellend die bisherige praxis des statistischen bundesamtes bestätige. 68bei den erläuterungen zu abteilung 45 handele es sich nur um bestimmungen ausschließlich für hoch- und tiefbau, dem schon für 2007 keine der tätigkeiten der klägerin vom statistischen bundesamt den aufgaben nach § 2 eg zugeordnet worden seien. 69zudem habe die klägerin die für planung und bau in form kalkulatorischer zinsen und tilgung erhobenen beiträge vollständig dem abschnitt f zugeordnet, obwohl den beiträgen auch baumaßnahmen im bereich der entwässerung, der abwasserentsorgung oder der wasserversorgung zu grunde gelegen hätten. tatsächlich aber seien die beiträge für alle gesetzlichen aufgaben der klägerin geleistet worden und müssten diesen auch zugeordnet werden. 70gleiches gelte für abschreibungen und zinsen. nach § 25 abs. 2 eg könnten bei der ermittlung der beitragshöhe abschreibungen und zinsen berücksichtigt werden. daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass abschreibungen und zinsen nur für bauleistungen der klägerin gegenüber genossen anfielen. § 25 abs. 2 eg bestimme nur, welche kosten die klägerin zur beitragsberechnung berücksichtigen dürfe. 71dem entspreche auch § 3 eg, der die bautätigkeit nicht als aufgabe, sondern als unternehmen der genossenschaft bezeichne. folglich sei die bautätigkeit keine eigenständige aufgabe, sondern nur mittel zum zweck. 72die beitragsanteile der genossen für die bautätigkeiten der klägerin könnten bei der von ihr gewählten zuordnungsmethode des § 15 abs. 4 satz 2 nr. 4 stromstv nicht als steuerbarer umsatz berücksichtigt werden. zwar komme es danach auf den höchsten steuerbaren umsatz nach § 1 abs. 1 nr. 1 des umsatzsteuergesetzes (ustg) an. als steuerbarer umsatz gelte auch das den leistungen von juristischen personen des öffentlichen rechts zuzurechnende aufkommen aus beiträgen. dadurch solle einerseits deren wirtschaftliche tätigkeiten auch im hinblick auf die regelungen des § 2 abs. 3 ustg zutreffender abgebildet werden. andererseits müsse aber die inhaltliche anwendung der zuordnungsmethode des § 15 abs. 4 satz 2 nr. 4 stromstv beibehalten werden. dementsprechend stellten die in § 2 eg genannten aufgaben die zu betrachtenden leistungen dar, für die die bauleistungen nur mittel zum zweck seien und in die gesamtkalkulation einzufließen hätten. in folge dessen müssten die beitragsanteile prozentual auf die wirtschaftlichen tätigkeiten aufgeteilt werden. 73das bfh-urteil vom 16.04.2013, vii r 7/11 berücksichtige noch nicht die statistisch-klassifikatorische sichtweise, dass bautätigkeiten, die zur bildung von anlagevermögen führten, nur dann der statistischen einheit zuzurechnen seien, wenn sie selbst ausgeführt würden. 74die von ihm vertretene zuordnungspraxis führe auch nicht zu unzutreffenden ergebnissen, da bauträger zur klasse 70.11 wz 2003 gehörten. 75 | 76die klage ist begründet. 77der bescheid des beklagten vom 18.12.2012 in der gestalt der einspruchsentscheidung vom 10.05.2013 war aufzuheben, da er rechtswidrig ist und die klägerin in ihren rechten verletzt, § 100 abs. 1 satz 1 der finanzgerichtsordnung (fgo). 78von der dem beklagten nach §§ 164 abs. 2 satz 1, 155 abs. 4 ao gegebenen befugnis, eine nach § 10 stromstg gewährte steuervergütung für 2010 zurückzufordern und damit auch auf null festzusetzen, hat er der klägerin gegenüber zu unrecht gebrauch gemacht. bei der klägerin handelt es sich nämlich um ein unternehmen des produzierenden gewerbes. 79nach § 10 abs. 1 stromstg wird einem unternehmen des produzierenden gewerbes die steuer für nachweislich versteuerten strom, den dieses für betriebliche zwecke entnommen hat, auf antrag nach maßgabe des § 10 abs. 2 stromstg bis auf einen geringen sockelbetrag erstattet oder vergütet. 80als unternehmen des produzierenden gewerbes werden in § 2 nr. 3 stromstg im hier interessierenden zusammenhang u.a. unternehmen des verarbeitenden gewerbes angesprochen, die in der vom statistischen bundesamt herausgegebenen klassifikation der wirtschaftszweige, ausgabe 2003 (wz 2003) dem abschnitt f zuzuordnen sind. 81dafür sind nach § 15 abs. 1 satz 2 der stromstv die in der wz 2003 und in deren vorbemerkungen genannten abgrenzungsmerkmale maßgebend, soweit in § 15 abs. 2 bis 8 stromstv nichts anderes geregelt ist. 82handelt es sich aber wie bei der klägerin um ein unternehmen, das mehrere wirtschaftliche tätigkeiten ausübt, die nicht alle dem produzierenden gewerbe zuzuordnen sind, ist sie nach dem schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen tätigkeit einem abschnitt der wz 2003 zuzuordnen, § 15 abs. 2 satz 2 stromstv. der schwerpunkt wird dabei nach wahl der klägerin durch den abschnitt der wz 2003 bestimmt, mit dessen tätigkeiten sie als juristische person des öffentlichen rechts im jahr 2009 das höchste zuzurechnende aufkommen aus beiträgen erzielte, § 15 abs. 2 satz 3 nr. 4, satz 4 stromstv. 83ausgehend von dem genannten maßstab des beitragsaufkommens sind die tätigkeiten der klägerin in anwendung der top-down-methode (vorbemerkungen 3.3 abs. 6 wz 2003) aufzulisten. dabei sind das der jeweiligen tätigkeit zuzurechnende beitragsaufkommen im jahr 2009 und der der jeweiligen tätigkeit zuzuordnende abschnitt der wz 2003 zu ermitteln. 84die klägerin ist im bereich wasserbau tätig, wobei sie ihre diesbezüglichen tätigkeiten den klassen 45.11 (abbruch-, spreng- und enttrümmerungsarbeiten, erdbewegungsarbeiten) und 45.24 wz 2003 (wasserbau) zuordnet. weiter ist die klägerin im bereich o (erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen dienstleistungen), nämlich der klasse 90.01 (abwasserbeseitigung) und der klasse 90.02 (abfallbeseitigung) tätig. dies ist zwischen den beteiligten dem grundsatz nach unstreitig. 85bei den weiteren tätigkeiten der klägerin in den klassen a, e und k handelt es sich nur um geringfügige, hier zu vernachlässigende tätigkeiten. 86die bautätigkeit stellt eine der wirtschaftlichen tätigkeiten der klägerin dar, denn mit ihr werden durch den kombinierten einsatz von produktionsfaktoren wie betriebsmittel und werkstoffe, arbeit, herstellungsverfahren, informationsnetze usw. bestimmte waren produziert (vorbemerkungen 3.1 abs. 1 wz 2003). 87diese tätigkeit ist auch keine hilfstätigkeit im sinne der vorbemerkungen 3.1 abs. 4 wz 2003, denn sie dient wie z b. rechnungswesen, transport, lagerung, einkauf, verkaufsförderung, reparatur und wartung usw. nicht nur der unterstützung einer haupt- oder nebentätigkeit. vielmehr dient sie der erfüllung der aufgaben der klägerin, wie § 2 nr. 2 eg zeigt (vgl. bfh urteil vom 16.04.2013, vii r 7/11, juris). 88die annahme des beklagten, bauunternehmen seien nur unternehmen, die selbst bauen, stützt er zu unrecht auf die bestimmung in part one (introduction to isic), ii. (the underlying principles of the classification), b. (principal, secondary and ancillary activities), paragraph 30, letter (a) isic. insoweit kann dahingestellt bleiben, ob diese bestimmung, die der regelung im anhang abschnitt iv b. nr. 4 buchst. a vo 696/93 entspricht, überhaupt zur auslegung der wz 2003, die keine entsprechende regelung enthält, herangezogen werden kann. schon nach dem wortlaut der zitierten bestimmungen ergibt sich nicht, dass eine klassifikatorisch anzuerkennende bautätigkeit nur selbst bzw. durch eigenes personal ausgeführt werden muss. 89im einzelnen heißt es in der isic: 90“under the definition given in paragraph 27 the following activities are not to be considered ancillary. therefore, in all these cases … separate units should be distinguished and they should be classified by their own activities. 91(a) producing goods or doing work which are part of fixed capital formation. the type of units most affected are those doing construction work on the account of their parent unit. this approach is in accordance with the classification in the isic of own-account construction units for which data are available, to the construction industry; ...” 92übersetzt hat die o.a. regelung des isic folgenden inhalt: „unter der in absatz 27 gegebenen definition sind die folgenden tätigkeiten nicht als hilfstätigkeiten anzusehen. dafür sind in allen fällen getrennte einheiten auseinander zu halten und nach ihren eigenen tätigkeiten zu klassifizieren. 93a) herstellung von gütern und erledigung von arbeiten, die teil von anlageinvestitionen sind. die einheiten der am meisten betroffenen art sind diejenigen, die arbeiten auf rechnung ihrer muttergesellschaft(en) erledigen. diese vorgehensweise steht in übereinstimmung mit der klassifikation nach der isic für auf eigene rechnung herstellende einheiten, für die daten erhältlich sind, mit der bauindustrie. … „ 94danach ist die herstellung von anlageinvestitionen wie die herstellung dieser güter selbst zu klassifizieren. bei der hier interessierenden herstellung durch die klägerin handelt es sich um baumaßnahmen, im wesentlichen um erdbewegungsarbeiten und wasserbau. zudem sind planung und bau nach § 3 abs. 1 eg gegenstand des unternehmens der klägerin. 95diese tätigkeiten erbringt sie nach ihren ‑ vom beklagten nicht bestrittenen angaben ‑ zu 10% mit eigenem personal. 96eine tätigkeit in der bauindustrie erlaubt den einsatz von subunternehmen, s. absatz 3 der vorbemerkungen zu abteilung 45 (baugewerbe) wz 2003 bzw. explanatory note zu abteilung 45 isic. anhaltspunkte dafür, dass diese speziellere bestimmung nicht für die allgemeinere bestimmung in part one, ii., b., paragraph 30, letter (a) isic oder anhang abschnitt iv b. nr. 4 buchst. a vo 696/93 gelten soll, sind nicht ersichtlich. 97auch handelt es sich dabei um regelungen für den hoch- und tiefbau der gruppe 45.2, der auch den wasserbau (klasse 45.25) umfasst. 98dementsprechend berücksichtigt das bfh-urteil vom 16.04.2013, vii r 7/11 auch nicht die statistisch-klassifikatorische sichtweise, dass bautätigkeiten, die zur bildung von anlagevermögen führen, nur dann der statistischen einheit zuzurechnen sind, wenn sie von dieser einheit selbst ausgeführt worden sind. 99die klägerin ist auch nicht als ein unternehmen, das die erschließung von grundstücken zum gegenstand hat (klasse 70.11 wz 2003), anzusehen, da diese tätigkeit gerade die abwicklung und errichtung von bauprojekten durch einheiten des baugewerbes ausschließt (s. erläuterungen zu den unterklassen 70.11.1 bis 70.11.3 wz 2003). zudem wird die klägerin nicht zum zweck des späteren verkaufs der errichteten anlagen tätig (s. anmerkung zu unterklasse 70.11.2 wz 2003), was voraussetzung einer klassifizierung als bauträger wäre. 100auch kann die bautätigkeit der klägerin nicht als eine tätigkeit von architektur- oder ingenieurbüros (gruppe 74.2 wz 2003) angesehen werden, weil die klägerin diese tätigkeiten nicht auf dem markt anbietet, sondern nur für sich erbringt. 101§ 15 abs. 9 stromstv, der durch art. 2 nr. 9 buchst. b der verordnung zur änderung der energiesteuer- und der stromsteuer-durchführungsverordnung vom 24.07.2013 (bgbl. i s. 2763) neu gefasst wurde, ist im streitfall nicht anwendbar, weil diese verordnung nach ihrem art. 4 erst zum 01.08.2013 in kraft getreten ist. insoweit ist auch unerheblich, ob die damit bewirkte änderung durch ergänzung des §15 stromstv mit einem absatz 9 zu recht auf die ermächtigung des § 11 nr. 4 stromstg, der erlaubt, die zuordnung von unternehmen zu einem abschnitt der wz 2003 zu regeln, gestützt werden konnte. 102anhaltspunkte für die in der begründung der o.a. änderungsverordnung (s. referentenentwurf des bundesministeriums der finanzen, veröffentlicht in http://www.energiecontracting.de/2-politik-recht/energiepolitik/kraft-waerme-kopplung/ 2012-12-25-referentenentwurfenergie-stromstdv.pdf) enthaltene behauptung, nach ständiger zuordnungspraxis des statistischen bundesamtes seien die erläuterungen zu abteilung 45 zum einsatz von subunternehmen nicht zu berücksichtigen, wenn die baumaßnahmen investitionen für das zuzuordnende unternehmen darstellten, sind jedenfalls im streitfall nicht erkennbar gewesen. eine derartige praxis gab es gegenüber der klägerin nicht. 103die bautätigkeit hat die klägerin zu recht und in zutreffender höhe nach dem aufkommen an beiträgen ermittelt. dieser tätigkeitsbereich, der keine hilfstätigkeit darstellt, enthält auch beiträge in form kalkulatorischer zinsen und tilgung. 104anhaltspunkte dafür, dass eine bautätigkeit auch zu beiträgen in form kalkulatorischer zinsen und tilgung führt, die für die tätigkeiten der klägerin im sinne des abschnitts o angefallen sind, sind weder erkennbar noch vom beklagten substantiiert vorgetragen worden. gegen eine ausschließliche zuordnung zum abschnitt f bestehen daher keine bedenken. 105soweit der beklagte meint, beiträge für baumaßnahmen, die aufgaben der klägerin nach abschnitt o dienten, müssten den tätigkeiten dieses abschnitts zugeordnet werden, übersieht er, dass die bautätigkeit keine hilfstätigkeit ist, die nach dem gewählten maßstab auf die übrigen tätigkeiten aufgeteilt werden muss und bei der berechnung des schwerpunkts der wirtschaftlichen tätigkeiten außer betracht zu bleiben hat. 106die bautätigkeit ist entgegen den ausführungen des beklagten nicht nur mittel zum zweck, sondern dient unmittelbar der erfüllung der aufgaben der klägerin, wie sich insbesondere aus § 2 abs. 1 nrn. 1 bis 6 und 10 eg ergibt. für eine anwendung des § 15 abs. 2 satz 4 stromstv ist kein raum (s. bfh urteil vom 16.04.2013, vii r 7/11, juris). 107die kostenentscheidung folgt aus § 135 abs. 1 fgo. 108die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 abs. 3, 155 fgo i. v. m. §§ 708 nr. 10, 711 der zivilprozessordnung. 109die revision war nicht zuzulassen, da ein zulassungsgrund nach § 115 abs. 2 fgo nicht ersichtlich war. der rechtsstreit betrifft auslaufendes recht, für das eine ständige andere verwaltungspraxis der zollverwaltung gar nicht erst behauptet worden ist und eine solche des statistischen bundesamtes nicht feststellbar war. | Klaeger*in | 1 |
170,958 | 20 K 8219/13 | 2014-09-10T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 1Tatbestand: 2Die am 00.0.1951 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie arbeitete zuletzt als angestellte Anästhesistin in einem Krankenhaus. 31999 reduzierte die Klägerin ihre Arbeitszeit auf 50%. Nach 2008 war sie außerdem von Nacht- und Wochenenddiensten befreit. Schon in den Jahren 2004 bis 2007 befand sie sich wegen einer depressiven Episode in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung. 4Bei der Klägerin wurde durch den Bescheid des Versorgungsamtes E. vom 3. Dezember 2003 ein Grad der Schwerbehinderung von 50% festgestellt. Der Bescheid stellte als Beeinträchtigungen der Gesundheit der Klägerin unter anderem eine Wirbelsäulenfunktionsstörung, Schwindel, eine Depression sowie eine Fettstoffwechselstörung fest. 5Seit dem 12. März 2012 ist die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Wegen eines akuten Zusammenbruchs wurde sie in der Zeit vom 5. Juni bis 31. Juli 2012 in der I. -Klinik in L. stationär psychosomatisch behandelt. 6Am 29. Mai 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente. Zum Nachweis ihrer Erkrankungen legte sie der Beklagten eine Vielzahl ärztlicher Befunde und Atteste vor. 7Der Beklagte nahm dies zum Anlass, den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. med. K. G. aus L1. mit der Erstattung eines Gutachtens über die Frage der Berufsunfähigkeit der Klägerin zu beauftragen. Wegen des Ergebnisses wird auf das ausführliche Gutachten vom 4. August 2013 Bezug genommen. Der Gutachter der Beklagten verneinte eine Berufsunfähigkeit der Klägerin unter Hinweis auf bestehende Erfolgsaussichten bei der weiteren Behandlung. 8Durch den angefochtenen Bescheid vom 2. Oktober 2013 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Berufsunfähigkeitsrente unter Bezugnahme auf das Gutachten des Prof. Dr. G. ab. 9Am 23. Oktober 2013 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. 10Durch Auflösungsvertrag mit der Ev. Krankenhaus X. gGmbH vom 9. Dezember 2013 beendete die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2013. 11Auf Antrag der Klägerin bewilligte ihr die Beklagte durch Bescheid vom 18. Dezember 2013 vorgezogene Altersrente ab dem 1. Januar 2014 in Höhe von 2.082,01 Euro monatlich. Der Altersrentenbescheid erfolgte unter der auflösenden Bedingung der Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente auf Grund des Antrages vom 27. Mai 2013. 12Am 1. Januar 2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Bewilligung von Berufsunfähigkeitsrente. Zur Begründung nahm sie Bezug auf das aufgelöste Arbeitsverhältnis. 13Durch Bescheid vom 18. Februar 2014 lehnte die Beklagte den neuerlichen Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente unter Hinweis auf den angefochtenen Bescheid vom 2. Oktober 2013 sowie das laufende verwaltungsgerichtliche Verfahren als unzulässig ab. 14Durch Schriftsatz vom 10. März 2014 hat die Klägerin auch gegen den Bescheid vom 18. Februar 2014 Klage erhoben. 15Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im wesentlichen vor, der Gutachter der Beklagten habe ihre Berufsunfähigkeit falsch beurteilt. Es bestünden keine Behandlungsmöglichkeiten mehr, die noch nicht ausgeschöpft seien. Ihr behandelnder Psychiater, Prof. Dr. med. K. vom M. -Universitätsklinikum C. gehe angesichts ihres fortgeschrittenen Alters sowie der langen bisherigen Dauer der Erkrankung von einem chronifizierten Zustand aus, der auch durch die Gabe einer Phasenprophylaxe, bzw. durch weitere stationäre Krankenhausaufenthalte nicht mehr so weit gebessert werden könne, dass sie bis zum Erreichen des Regelruhestandsalters ihre Arbeitsfähigkeit zurück gewinnen könne. Die Beurteilung des gerichtlich bestellten Gutachters sei in Ansehung der Feststellungen ihres behandelnden Psychiaters nicht haltbar. Er berücksichtige ihre sonstigen Erkrankungen, insbesondere die Einschränkungen ihrer Sehfähigkeit, nicht in ausreichendem Maße. 16Die Klägerin beantragt, 17die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 2. Oktober 2013 zu verpflichten, ihr bezogen auf den Antrag vom 29. Mai 2013 Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren, 18hilfsweise, 191.20die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18. Februar 2014 zu verpflichten, ihr mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 Berufsunfähigkeitsrente gemäß den Bestimmungen der Satzung der Beklagten zu gewähren, 2.21festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Berufsunfähigkeitsrente nach den Bestimmungen der Satzung der Beklagten ab dem 1. Januar 2014 zu gewähren. 22Die Beklagte beantragt, 23die Klage abzuweisen. 24Sie sieht die angefochtenen Bescheide durch das eingeholte gerichtliche Gutachten bestätigt und geht davon aus, dass die Klägerin noch vor dem Erreichen der Regelaltersrente wieder berufsfähig werden kann. 25Das Gericht hat über die Frage der Berufsunfähigkeit der Klägerin Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Zum Gutachter wurde der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. V. T. aus O. bestimmt. Wegen des Ergebnisses der Beweiserhebung wird auf das schriftliche psychiatrische Gutachten vom 28. März 2014 sowie das Ergebnis der persönlichen Befragung des Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen. 26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten. 27Entscheidungsgründe: 28Die Klage hat mit Haupt- und Hilfsantrag keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet. 29Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 2. Oktober 2013 und 18. Februar 2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5, 1 VwGO. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Bewilligung von Berufsunfähigkeitsrente, weil sie nicht berufsunfähig ist. 30Daran scheitert nicht nur der Hauptantrag, sondern auch der Hilfsantrag zu 1. und 2.. Soweit in dem Hilfsantrag zu 1. nicht nur ein Verpflichtungsbegehren, sondern auch eine Anfechtung des Bescheides vom 18. Februar 2014 steckt, bleibt die Klage ohne Erfolg, weil die Beklagte den weiteren Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente vom 1. Januar 2014 zutreffend als unzulässig abgelehnt hat. Solange über den ersten Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente vom 29. Mai 2013 nicht rechtskräftig entschieden worden ist, haben weitere Anträge keinen eigenständigen Bedeutungsgehalt. Entscheidungserheblicher Zeitpunkt der auf die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente gerichteten Verpflichtungsklage ist die letzte mündliche Verhandlung, d.h. das Verwaltungsgericht bewertet die Berufsunfähigkeit der Klägerin für den Zeitraum von der Antragstellung bis zum Augenblick der letzten mündlichen Verhandlung. Dies nimmt weiteren Anträgen auf Berufsunfähigkeitsrente während des laufenden gerichtlichen Verfahrens die Bescheidungsfähigkeit in der Sache. 31Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten - im Folgenden: SNÄV - haben Mitglieder, die mindestens für einen Monat ihre Versorgungsabgabe geleistet haben und noch keine Altersrente beziehen, Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente, wenn sie berufsunfähig sind und die Ausübung des ärztlichen Berufes aufgeben. Berufsunfähig ist ein Mitglied gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 SNÄV, wenn es infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande ist, eine ärztliche Tätigkeit auszuüben, wobei gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 SNÄV als ärztliche Tätigkeit in diesem Sinne jede Tätigkeit verstanden wird, bei der die ärztliche Vorbildung ganz oder teilweise verwandt werden kann. 32Der Begriff der Berufsunfähigkeit im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 2 SNÄV ist dahin auszulegen, dass er eine gesundheitliche Einschränkung voraussetzt, die die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit ausschließt und die nicht nur vorübergehender Natur ist und hinsichtlich derer erfolgversprechende, zumutbare Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind. 33Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2010 - 17 A 1643/08 -. 34Für eine solche Auslegung, bei der an die Rentengewährung strenge Anforderungen gestellt werden, spricht der mit § 10 Abs. 1 SNÄV verfolgte Zweck, das Berufsunfähigkeitsrisiko auf einem vergleichsweise hohen Niveau gemeinschaftlich abzusichern. Um ein solches Niveau zu gewährleisten, erscheint es im Interesse sowohl des Einzelnen als auch der Versorgungsgemeinschaft sachgerecht und notwendig, dem Eintritt der Berufsunfähigkeit im Sinne einer dauerhaften Aufhebung der beruflichen Leistungsfähigkeit bei den einzelnen Mitgliedern mit allen erfolgversprechenden und zumutbaren Mitteln entgegenzuwirken. 35Ein entscheidendes Merkmal der Berufsunfähigkeit ist die Dauerhaftigkeit der gesundheitlichen Einschränkung. Von einer Dauerhaftigkeit der Berufsunfähigkeit kann dann nicht ausgegangen werden, wenn in einem überschaubaren Zeitraum begründete Heilungschancen gegeben sind. Das Vorhandensein von Heilungsmöglichkeiten beinhaltet für das Mitglied die Verpflichtung, zumutbare Therapiemaßnahmen wahrzunehmen. Sofern zumutbare Therapiemaßnahmen nicht wahrgenommen werden, geht dies zu Lasten des Mitglieds und schließt die Berücksichtigung einer nicht austherapierten Erkrankung aus. Dabei sind erfolgversprechend nicht nur solche Therapieansätze, denen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Heilung oder deutlichen Besserung innewohnt, sondern auch solche Maßnahmen, die nur eine unterdurchschnittliche, aber nicht völlig unbedeutende Erfolgsprognose versprechen. 36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. November 2009 - 17 A 251/07 -, Beschluss vom 18. Mai 2001- 4 A 5470/00 -, VG Köln, Urteil vom 29. November 2011 - 7 K 5419/10 -, m.w.N., juris. 37In verfahrensrechtlicher Hinsicht setzt die Feststellung der Berufsunfähigkeit voraus, dass sich aus ärztlichen Gutachten, Attesten oder Bescheinigungen ergibt, dass bei dem Mitglied ein körperliches Gebrechen oder eine Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte vorliegt. Darüber hinaus müssen diese Stellungnahmen eine substantiierte Aussage darüber enthalten, dass dem Mitglied die Ausübung ärztlicher Tätigkeit infolge des festgestellten Defizits auf Dauer nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zugemutet werden kann. Nur eine in diesem Sinne qualifizierte ärztliche Stellungnahme ist im Allgemeinen geeignet, die erforderliche volle richterliche Überzeugung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO von der Berufsunfähigkeit des Mitgliedes zu vermitteln. Eine ärztliche Stellungnahme, die lediglich eine Aussage zu den körperlichen Gebrechen oder der Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte trifft und eine derzeitige Unfähigkeit, der beruflichen Tätigkeit als Arzt oder Ärztin nachzugehen, feststellt, genügt diesen Anforderungen nicht. 38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. März 1997, - 25 A 3536/94 -, NRWE, ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. zuletzt: Urteil vom 17. Juli 2013 – 20 K 4453/11 -, Urteil vom 15. Mai 2013 ‑20 K 6768/11 – zum Versorgungswerk der Architektenkammer. 39Unter Zugrundelegung dieser Kriterien lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin berufsunfähig im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 2 SNÄV ist. 40Für den Zeitraum von der Antragstellung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 folgt dies bereits daraus, dass die Klägerin während dieser Zeit die Ausübung des ärztlichen Berufes noch nicht endgültig aufgegeben hatte. 41Das Aufgeben der Berufsausübung erfordert bei einem abhängig beschäftigten Arzt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und zwar auch dann, wenn dieses zuvor nur noch „auf dem Papier“ bestanden hat, d.h. von beiden Seiten nicht mehr erfüllt wurde, weil der angestellte Arzt infolge Arbeitsunfähigkeit keine Arbeitsleistung erbringen konnte und der Arbeitgeber dadurch von der Verpflichtung zu Gehaltszahlungen frei wurde. 42Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Januar 2009 – 17 A 251/08 -, zitiert nach juris. 43Diese Rechtsprechung ist unabhängig davon gültig, ob das Mitglied, wie es in dem vom OVG NRW entschiedenen Rechtsstreit der Fall war, bei Antragstellung von dem richtigen Begriffsverständnis des endgültigen Einstellens der beruflichen Tätigkeit ausgegangen ist. Sollte die Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente der Klägerin nicht bekannt gewesen sein, so wäre es ihre Obliegenheit gewesen, sich darüber von der Beklagten in Kenntnis setzen zu lassen, um die anspruchsausschließende Folge eines formal fortbestehenden Arbeitsverhältnisses zu vermeiden. Spätestens mit Klageerhebung war die Klägerin auch anwaltlich beraten. Sie hatte damit Zugriff auf die maßgebliche Rechtsprechung. Die Klägerin konnte sich von Anfang an darauf einstellen, dass das Arbeitsverhältnis dem geltend gemachten Anspruch entgegen stand. Einer ausdrücklichen Regelung dieser Rechtsfolge in der Satzung der Beklagten bedurfte es dazu nicht. 44Da das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin erst durch den Auflösungsvertrag mit ihrem Arbeitgeber vom 9. Dezember 2013 zum 31. Dezember 2013 beendet worden ist, stellt sich die Frage, ob die Klägerin berufsunfähig ist, für die davor liegende Zeit nicht. 45Für die Zeit nach dem 31. Dezember 2013 ist ein Anspruch der Klägerin ausgeschlossen, weil sie nicht auf Dauer berufsunfähig ist. 46Die Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage der Berufsunfähigkeit der Klägerin hat zur vollen Überzeugung des Einzelrichters ergeben, dass bei der Klägerin Behandlungsoptionen bestehen, die bisher nicht ausgeschöpft wurden, die aber eine ausreichende Wahrscheinlichkeit dafür bieten, dass die Arbeitsfähigkeit der Klägerin wieder hergestellt werden kann. Ein prozentualer Wert für die maßgebliche Wahrscheinlichkeit von Heilungschancen kann nicht bestimmt werden. Es genügt die Feststellung, dass eine unterdurchschnittliche, aber nicht völlig zu vernachlässigende Wahrscheinlichkeit für den Heilungserfolg besteht, 47Vgl. Urteil der Kammer vom 2. Juni 2014 – 20 K 6718/13 -, unter Berufung auf OVG NRW, Urteile vom 18. Mai 2001 – 4 A 5470/00 – und vom 18. November 2009 – 17 A 629/05 -. 48Der bestellte Gutachter Prof. Dr. V. T. hat in seinem psychiatrischen Gutachten vom 28. März 2014 bekundet, dass der Gesundheitszustand der Klägerin durch ausreichend Erfolg versprechende Maßnahmen noch verbessert werden kann. Er hat dies während seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung dahin gehend präzisiert, dass er die Erfolgsaussichten der vorgeschlagenen Behandlung leicht unterdurchschnittlich beurteilt. Dies genügt, um die Klägerin auf diese Möglichkeiten zu verweisen. 49Der Sachverständige hat außerdem bekundet, dass eine Heilungsmöglichkeit auch schon vor dem Eintritt der Klägerin in den Regelaltersruhestand besteht. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Begriff der Dauerhaftigkeit des berufsunfähigen Zustandes Berufsunfähigkeit bei einem Mitglied, welches demnächst die Regelaltersgrenze erreicht, anders zu verstehen ist, kommt es also nicht an. Entscheidend ist, dass die Klägerin nach der Einschätzung des Gutachters noch vor der Vollendung des 65. Lebensjahres wieder berufsfähig werden kann, wenn sie sich der vorgeschlagenen Behandlung unterzieht. 50Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme leidet die Klägerin an einer rezidivierenden depressiven Störung mit derzeitig mittelgradiger Episode. Diese Erkrankung steht im Vordergrund der Leistungsminderung. Die Klägerin leidet außerdem an arterieller Hypertonie, Gonarthrose beidseits, an einem allergisch bedingten Asthma bronchiale, an einem Zustand nach Katarakt-Operation beider Augen sowie an einer Glaskörpertrübung beider Augen. Es besteht außerdem ein Wirbelsäulenleiden. Der Gutachter hält die geäußerten Beschwerden der Klägerin für glaubhaft. Aggravationstendenzen hat er nicht festgestellt. 51Die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin lassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Berufsausübung der Klägerin nicht zu. Der Sachverständige meint, die noch bestehenden erheblichen kognitiven Defizite in Bezug auf das Konzentrationsvermögen, die auch bei der aktuellen testpsychologischen Untersuchung auffällig gewesen seien und die noch leichtgradig eingeschränkte Gedächtnisleistung ließen derzeit ein für den ärztlichen Beruf notwendiges konzentriertes Arbeiten nicht zu. Durch die depressive Stimmungslage und das damit verbundene geringe Selbstwertgefühl werde eine realistische Einschätzung beruflicher Sachverhalte ganz erheblich erschwert. Eine aktuell noch vorhandene Müdigkeitssymptomatik, die bereits nach sehr kleinen Anstrengungen auftrete, verhindere eine gewinnbringende berufliche Tätigkeit als Ärztin. Bereits nach kürzeren Zeitabschnitten müsse sich die Klägerin immer wieder hinlegen und sich ausruhen. Zudem sei die Klägerin auf augenärztlichem Fachgebiet (Sehstörung) daran gehindert, über einen längeren Zeitraum an einem Bildschirmarbeitsplatz tätig zu werden oder Akten zu lesen. Sie klage über erhebliches „Schleiersehen“. 52Der von dem Gutachter festgestellte gesundheitliche Zustand der Klägerin ist im wesentlichen unstreitig. Der von der Beklagten eingeschaltete Gutachter Prof. Dr. G. aus L1. sowie die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Befunde und Gutachten gelangen zu übereinstimmenden Ergebnissen. 53Unterschiedlich fallen die ärztlichen Prognosen zu den Heilungschancen der Klägerin aus. Der Einzelrichter hält die getroffene Prognose des gerichtlich bestellten Sachverständigen für überzeugend. Er geht davon aus, dass die Berufsunfähigkeit der Klägerin nicht auf Dauer besteht. 54Da die schriftliche und auch mündliche Expertise des Sachverständigen in sich schlüssig erscheint, an seiner Sachkunde keine vernünftigen Zweifel bestehen und auch sonst keine Indizien dafür sprechen, seine Schlussfolgerungen in Frage zu stellen, hat das Gericht keinen Anlass gesehen, die Berufsunfähigkeit der Klägerin durch Einholung eines Obergutachtens weiter aufzuklären. Ein entsprechender Beweisantrag ist in der mündlichen Verhandlung auch nicht gestellt worden. 55Der Sachverständige Prof. Dr. T. hat zu den Heilungsmöglichkeiten der Depression der Klägerin vorgetragen, es sei aktuell nicht ersichtlich, warum bislang noch keine Phasenprophylaxe durchgeführt worden sei, obwohl dies von verschiedenen Vorgutachtern und auch von behandelnden Ärzten immer wieder avisiert worden sei. Eine Phasenprophylaxe könne sehr wirksam das Auftreten neuer depressiver Episoden verhindern. Es sei dies ein Behandlungsansatz, der nicht zum Ziel habe, vorhandene depressive Symptome abzuschwächen bzw. zum vollständigen Sistieren zu bringen, sondern vielmehr diese Symptome erst gar nicht mehr zur Ausprägung kommen zu lassen. Als weitere Therapiemaßnahme wäre nach der Einschätzung des Sachverständigen auch an eine stationäre Behandlung auf einer spezialisierten Depressionsstation zu denken. Die stationäre Therapie in der I. -Klinik habe zu einem fassbaren Therapieerfolg geführt. Erst nach Umsetzung der dort applizierten Medikamente sei erneut eine depressive Episode aufgetreten. 56Wie der Sachverständige während seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung bekundet hat, könnte die Klägerin ersatzweise auch eine teilstationäre Behandlung auf einer spezialisierten Depressionsstation versuchen, die es ihr ermöglichte, die Abende und Wochenenden zu Hause zu verbringen. Entscheidend sei insoweit, dass der behandelnde Arzt die Möglichkeit habe, täglich bei der Klägerin die Wirksamkeit der medikamentösen Therapie zu erfragen und auf Probleme flexibel zu reagieren. Dies sei der entscheidende Vorzug einer stationären oder teilstationären Therapie gegenüber der ambulanten Therapie, bei welcher der Arzt allenfalls ein- oder zweimal wöchentlich Kontakt zum Patienten habe. Im Übrigen gewährleiste der stationäre Aufenthalt die Möglichkeit eines vielfältigen Therapieansatzes, bei dem die medikamentöse Behandlung durch Gesprächstherapien, Gruppentherapien, musikalische Therapien sowie Sport und Bewegungstherapien ergänzt werde. 57Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung persönlich bestätigt, dass sie den stationären Aufenthalt in der I1. -Klinik zwar als anstrengend und auch belastend empfunden habe, sie letztlich von der Behandlung aber profitiert und sich ihr Zustand verbessert habe. Diese Einlassung stützt die Einschätzung des Gutachters, dass eine weitere stationäre oder teilstationäre Behandlung Erfolg versprechend sein könnte. 58Die Kritik der Klägerin an der Begutachtung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen teilt der Einzelrichter nicht: 59Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2014 hat die Klägerin vorgetragen, es sei nicht klar, von welchem Beurteilungszeitraum der Gutachter ausgegangen sei. Aus ihrer Sicht komme es auf die Zeit nach dem 1. Juni 2013, hilfsweise auf die Zeit nach dem 1. Januar 2014 an. 60Diesem Einwand ist entgegen zu halten, dass das Gericht den Gutachter schon in seinem Beweisbeschluss vom 15. Januar 2014 darauf hingewiesen hat, dass maßgeblich für die Beantwortung der Beweisfragen allein der Zustand der Klägerin in dem Zeitraum seit dem 1. Januar 2014 ist, weil vorher der ärztliche Beruf nicht endgültig aufgegeben worden war. Auf diesen entscheidungserheblichen Zeitraum hat der Gutachter, wie Blatt 45 des Gutachtens ergibt, auch abgestellt. 61Soweit die Klägerin rügt, ihr Gesundheitszustand sei als mittelschwere Depression anzusehen, keinesfalls aber als leichte Depression, geht dies ins Leere, weil ihr auch der Sachverständige eine depressive Störung mit derzeit mittelgradiger Episode bescheinigt (Seite 46 des Gutachtens). 62Wenn die Klägerin dem Vorschlag des Gutachters, eine weitere stationäre Therapie zu versuchen, entgegen hält, eine solche sei nicht erfolgversprechend, weil schon der Aufenthalt in der I. -Klinik das Auftreten einer erneuten depressiven Episode nicht habe verhindern können, so ist darauf hinzuweisen, dass der Aufenthalt in der I. -Klinik grundsätzlich Erfolg hatte. Der Gutachter bezeichnet es als einen fassbaren Erfolg (Blatt 49 des Gutachtens). Erst nach Umsetzung der dort applizierten Medikamente sei erneut eine depressive Episode aufgetreten. 63Dem Arztbrief der I. -Klinik vom 31. Juli 2012 ist detailliert zu entnehmen, welchen stabilisierenden Einfluss die dortige Behandlung auf das Wohlbefinden der Klägerin hatte. Die Klägerin war zwar auch nach dem stationären Aufenthalt noch arbeitsunfähig, sie erfuhr aber eine Besserung ihrer Symptomatik, weil sie engagiert an ihrer Thematik mitarbeitete. Schon während des Aufenthaltes in L. hatte sich gezeigt, dass die Angstsymptomatik bei der Klägerin nach einem Absetzen von Opipramol wieder auftrat. Daraus eine fehlende Eignung des gesamten stationären Behandlungsverfahrens zu schließen, erscheint unangebracht. 64Die Einschätzung des gerichtlichen Gutachters, der das Vorliegen von Berufsunfähigkeit verneint, stimmt außerdem überein mit der Bewertung des von der Beklagten beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. G. aus L1. . Er gelangt in seinem Neurologisch-Psychiatrischen Gutachten vom 4. August 2013 zu der Schlussfolgerung, die Klägerin sei zurzeit wegen Schwäche der geistigen Kräfte (rezidivierende depressive Störung) noch nicht in der Lage, eine ärztliche Tätigkeit auszuüben. Die derzeitige psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung sei aber bereits relativ erfolgreich gewesen und auch weiterhin erfolgversprechend, so dass die Wiedererlangung der ärztlichen Berufsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden könne. Zu empfehlen seien berufliche Wiedereingliederungsmaßnahmen mit zunehmender Arbeitsbelastung bis zum Umfang etwa einer Teilzeitstelle mit halber Stundenzahl und ohne Bereitschaftsdienste. Möglich erschiene unter diesen Voraussetzungen auch wieder eine Tätigkeit als Anästhesistin in Kliniken oder Arztpraxen, allerdings möglichst ohne eigenverantwortliche Narkosedurchführung. Zu denken sei auch an Tätigkeiten etwa in einer Schmerzambulanz. Da die Klägerin sehr motiviert erscheine, könne eine derartige Tätigkeit innerhalb eines Jahres vielleicht wieder aufgenommen werden. Aufgrund der bereits langen Dauer der Erkrankung und auch der erheblichen familiären Belastung sei eine sichere Prognose allerdings nicht möglich. 65Die Klägerin hat zwar versucht, die Urteilsfähigkeit des Prof. Dr. G. in Frage zu stellen, indem sie ihm Senilität vorwirft. Dies überzeugt den Einzelrichter jedoch nicht. Prof. Dr. G. ist dem Gericht als erfahrener Gutachter für die Beurteilung von Berufsunfähigkeitsfragen auf neurologischem sowie psychiatrischem Fachgebiet bekannt. Er wird regelmäßig auch von der Kammer mit der Erstellung von Gutachten beauftragt und hat sich bislang anlässlich seiner Befragungen durch die Kammer nicht nur als ausnahmslos kompetent, sondern auch als überaus vital erwiesen. Seine überragenden Erfahrungen als Gutachter erlauben es ihm, seine Untersuchung der zu begutachtenden Patienten auf das Wesentliche zu beschränken. Insofern kann auch nicht nachvollzogen werden, wenn ihm die Klägerin eine mangelnde Exploration ihres Gesundheitszustandes vorhält. 66Es kommt hinzu, dass die Bewertungen der Professoren Dr. T. und Dr. G. auch in der von der B. Deutschland AG veranlassten vertrauensärztlichen Untersuchung der Klägerin ihre Bestätigung gefunden haben. Die Untersuchung durch den Facharzt Th. T1. vom 3. Januar 2013 mündete in der Empfehlung, eine Phasenprophylaxe durchzuführen, und zwar mit der Begründung (Blatt 29 der BA Heft 1): 67„Insbesondere fällt auf, dass eine Phasenprophylaxe bisher nicht durchgeführt wurde. Auch während der klinischen Behandlung in der I. -Klinik wurde das Behandlungsschwergewicht überwiegend auf die psychotherapeutische Behandlung gelegt. Bei dem offensichtlich im Wesentlichen endogenen bestimmten Verlauf der Erkrankung wäre hier eine Phasenprophylaxe und ein deutlich stärkeres medikamentöses Engagement wünschenswert und auch erfolgversprechend gewesen. Dieses sollte auf jeden Fall nachgeholt werden.“ 68Der Facharzt Th. T1. gelangt zu der Bewertung, auf Grund der Störungsdauer und der Schwere der Erkrankung im Querschnitt sowie unter Berücksichtigung weiterer prognostischer Kriterien müsse die Prognose eigentlich insgesamt als ungünstig beurteilt werden. Zu dieser Stellungnahme könne er sich jetzt jedoch noch nicht durchringen, weil wesentliche medikamentöse Gesichtspunkte in der Behandlung bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden seien, insbesondere die Phasenprophylaxe. 69An einem solchen Behandlungsversuch fehlt es bis heute. 70Zwar gelangt eine weitere vertrauensärztliche Untersuchung der Klägerin am 4. Juli 2013 durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. B1. N. aus X1. zu der Einschätzung, die Phasenprophylaxe stehe noch aus, sei jedoch für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit und deren Prognose nicht von ausschließlicher Bedeutung. Im Ergebnis geht Dr. N. davon aus, die Klägerin werde in ihrer bisherigen Tätigkeit als Fachärztin für Anästhesie auf nicht absehbare Zeit – jedenfalls länger als drei Jahre - zu mehr als 50% leistungseingeschränkt bleiben. Dr. N. datiert den Beginn der Berufsunfähigkeit auf den 4. Juli 2013. 71Eine Begründung, warum er der Durchführung einer Phasenprophylaxe keine maßgebliche Bedeutung für einen möglichen Heilungserfolg bei der Klägerin bemisst, bleibt das Gutachten Dr. N. leider schuldig. Es ist im Übrigen so, dass der versicherungsrechtliche Begriff der Berufsunfähigkeit mit demjenigen Begriff, wie ihn die Satzung der Beklagten versteht, nicht identisch ist. Das im Auftrag der B. Deutschland AG erstellte Gutachten des Dr. N. bejaht zwar eine versicherungsrechtliche Berufsunfähigkeit der Klägerin, die auf den versorgungsrechtlichen Begriff der Berufsunfähigkeit bezogene Expertise des gerichtlich bestellten Gutachters widerlegt dies jedoch nicht. 72Das gilt auch für das Attest des behandelnden Psychiaters Prof. Dr. med. H. K. aus C. vom 26. Juni 2014. Er meint zwar, kurzfristige und mittelfristige Verbesserungen der Symptomatik seien nicht zu erwarten. Zugleich stellt er aber fest, es sei abzuwarten, inwiefern langfristiges hartnäckiges und intensives Weiterbehandeln in seiner Ambulanz sich auszahlen würden. Einen Erfolg der Behandlung schließt er damit nicht aus. Vielmehr sieht er wenig Aussicht auf die Wiederherstellung der Berufsfähigkeit in den verbleibenden Jahren vor Eintritt in das Rentenalter. Wenig Sinn sieht er auch in der Durchführung einer Phasenprophylaxe, bzw. in der Durchführung weiterer stationärer Aufenthalte. Damit ist allein festgestellt, dass der behandelnde Arzt diesen Behandlungsmöglichkeiten derzeit keine Präferenz beimisst. Dies könnte auch daran liegen, dass die Klägerin einer weiteren stationären Behandlung ablehnend gegenüber steht, weil sie die erlebte stationäre Behandlung in der I. -Klinik als belastend empfunden hat. 73Die weitere Auffassung des Prof. Dr. K. , wonach eine stationäre Behandlung nicht erfolgversprechend sei, weil auch seine engmaschige ambulante Behandlung der Klägerin den gewünschten Erfolg bisher nicht gebracht habe, hat der gerichtlich bestellte Gutachter während seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis darauf widerlegt, nur die stationäre oder die tägliche teilstationäre Behandlung ermögliche ein ausreichend schnelles Reagieren des Arztes auf die wechselnden Befindlichkeiten des Patienten während des Behandlungsprozesses. Im Übrigen erfolge die Behandlung des depressiven Patienten in einer spezialisierten Klinik als ganzheitlicher Prozess, der neben der seelischen Behandlung auch körpertherapeutische Methoden einschließe. Dies vermöge eine ambulante Behandlung nicht zu leisten. Der Einzelrichter findet dies ohne weiteres einleuchtend. 74Zwar bezeichnet Prof. Dr. K. das Zustandsbild der Klägerin als frustran und residual. Er erlebe immer wieder, dass langjährige rezidivierende depressive Erkrankungen in einen Dauerzustand von Chronizität übergehen, ohne dass hier wirklich eine Verbesserungstendenz, egal durch welche Maßnahmen, zu erreichen sei. 75Der gerichtliche bestellte Gutachter hat zur Überzeugung des Einzelrichters während seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung aber begründet, warum er die Klägerin nicht dieser Patientengruppe zuordnet. Aus den erzielten Erfolgen bei der Behandlung der Klägerin in den vergangenen Jahren folgert er, dass der Zustand der Klägerin noch von ausreichender Dynamik geprägt ist. Es gibt spürbare Veränderungen des psychischen Beschwerdebildes, wie sie nicht nur die behandelnden Ärzte beschreiben, sondern auch die Klägerin bestätigt hat. Die erzielten Erfolge sprechen gegen eine schon eingetretene Chronizität. 76Beide Ärzte, Prof. Dr. T. und Prof. Dr. K. stimmen letztlich darüber ein, dass die Heilungschancen unterdurchschnittlich sind. Der gerichtliche Gutachter bewertet die Situation etwas günstiger. Seinem Urteil ist der Vorzug zu geben, weil er als unabhängiger Gutachter zu keiner Rücksichtnahme gegenüber den Parteien verpflichtet ist. Der ärztlichen Stellungnahme des Prof. Dr. K. vom 26. Juni 2014 kommt dagegen ein geringerer Beweiswert zu, weil er der behandelnde Arzt ist. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der fachlichen Äußerung eines behandelnden und von der Nähe des Arzt-Patienten-Verhältnisses beeinflussten Arztes in Zweifelsfällen nicht ein derartiges Gewicht beizumessen ist, wie es einem Gutachten eines vom Gericht bestellten neutralen Gutachters zukommt, 77vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Mai 2001 – 4 A 5470/00 -. 78Der Einzelrichter hat daher auch keine Veranlassung gesehen, Prof. Dr. K. als sachverständigen Zeugen zu dem Gesundheitszustand der Klägerin zu befragen. Einen entsprechenden Beweisantrag hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht gestellt. 79In summa folgt aus dem Beschwerdebild der depressiven Störung eine Berufsunfähigkeit der Klägerin bei Würdigung sämtlicher vorliegender Befunde nicht. 80Dies gilt auch für die sonstigen Erkrankungen der Klägerin. 81Zum Nachweis ihrer orthopädisch bedingten Leistungseinschränkungen hat die Klägerin unter anderem eine ärztliche Bescheinigung der behandelnden Fachärztin für Innere Medizin Frau Dr. med T2. T3. aus X. vom 20. Mai 2013 vorgelegt. Die Ärztin attestiert der Klägerin außerdem ein medikamentös behandlungsbedürftiges Asthma bronchiale, Migräneattacken sowie einen ebenfalls behandlungsbedürftigen Bluthochdruck. Die Ärztin schließt aus dem Restleistungsvermögen auf eine Berufsunfähigkeit der Klägerin. 82Diese Schlussfolgerung überzeugt jedoch nicht. Es fehlt nämlich an jeglichen Angaben dazu, inwieweit sich die von der Internistin genannten, über die depressive Grunderkrankung hinaus gehenden Beschwerden auf die körperlichen und geistigen Fähigkeiten der Klägerin auswirken sollen, welche die Ausübung des Arztberufes erfordern. Ein Erfahrungssatz des Inhalts, wonach ein Arzt, der unter einem Bandscheibenschaden, Knieproblemen, Migräne und Bluthochdruck leidet, seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, gibt es aber nicht. Damit bleibt die Schlussfolgerung einer bei der Klägerin bestehenden Berufsunfähigkeit durch die Internistin Dr. T3. eine bloße Behauptung, die durch nichts bewiesen ist. Die Klägerin hat auch nicht erklärt, sie habe ihren Beruf wegen der o.g. Symptome aufgeben müssen. Im Vordergrund der Arbeitsunfähigkeit seit dem 12. März 2012 stand vielmehr stets die depressive Symptomatik. Obwohl die orthopädischen Probleme bei der Klägerin nach ihren Angaben in der bei Antragstellung vorgelegten Krankengeschichte (vgl. Blatt 43 der Beiakte Heft 1) seit 1985 bestanden haben und schon 2003 zur Anerkennung einer Schwerbehinderung von 50% geführt haben, hinderte dies die Klägerin an einer Berufsausübung nicht. Das Gericht hat daher keine Veranlassung gesehen, über den Einfluss der übrigen Erkrankungen auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin ein gesondertes Gutachten einzuholen. Der gerichtlich bestellte Gutachter hat die über die Depression hinaus gehenden Erkrankungen der Klägerin erkannt und ausreichend gewürdigt. 83Dies gilt auch für die Augenerkrankung der Klägerin. Durch die augenärztlichen Bescheinigungen des behandelnden Facharztes für Augenheilkunde Dr. L2. -N1. vom 24. Mai 2013 und 23. Mai 2014 steht fest, dass die Klägerin unter deutlichen Glaskörperdestruktionen auf beiden Augen leidet. Dadurch ist das Sehvermögen der Klägerin zeitweise beidseits eingeschränkt. Die Klägerin bezeichnet dies als „Schleiersehen“. Der Visus betrug zuletzt noch 0,6 auf beiden Augen. Der Augenarzt folgert daraus eine ausgeprägte Behinderung der Feinmotorik z.B. beim Punktieren von Gefäßen sowie bei der Bildschirmarbeit. 84Diese Einschränkungen können als wahr unterstellt werden. Es ist zwar denkbar, dass die Klägerin durch ihre Probleme beim Sehen einen Teil der mit dem Arztberuf verbundenen Tätigkeitsbilder nicht mehr zuverlässig ausführen kann. Eine Berufsunfähigkeit folgt daraus jedoch nicht. Es sind ärztliche Tätigkeiten denkbar, bei denen es auf die Feinmotorik sowie die Arbeit am Bildschirm wenig oder gar nicht ankommt. Zu verweisen wäre die Klägerin etwa auf eine Tätigkeit als Aktengutachterin bei Versicherungen, im vertrauensärztlichen Dienst oder bei einem Gesundheitsamt, 85vgl. zu den Möglichkeiten einer leidensgerechten Berufsausübung: OVG NRW, Urteil vom17. November 1989 – 5 A 924/89 -, zitiert nach juris. 86Zwar hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eine weitere Verschlechterung ihrer Sehkraft beschrieben. Fassbare Anhaltspunkte dafür, dass ihr Augenleiden nunmehr eine Dimension erreicht hat, welche auch die Ausübung einer leidensgerechten ärztlichen Tätigkeit ausschließt, gibt es aber nicht. Der von der Klägerin beschriebene progrediente Verlauf der Erkrankung rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme, dass die Klägerin schon heute als berufsunfähig zu gelten hat. Berufsunfähigkeit bedingen die Einschränkungen der Sehkraft vielmehr erst dann, wenn sie die Ausübung des ärztlichen Berufes unmöglich machen. Es spricht bisher nichts dafür, dass diese Schwelle bereits überschritten ist. 87Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO. | die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten für die beklagte gegen sicherheitsleistung in höhe des beizutreibenden betrages vorläufig vollstreckbar. 1 | 2die am 00.0.1951 geborene klägerin ist mitglied der beklagten. sie arbeitete zuletzt als angestellte anästhesistin in einem krankenhaus. 31999 reduzierte die klägerin ihre arbeitszeit auf 50%. nach 2008 war sie außerdem von nacht- und wochenenddiensten befreit. schon in den jahren 2004 bis 2007 befand sie sich wegen einer depressiven episode in ambulanter psychotherapeutischer behandlung. 4bei der klägerin wurde durch den bescheid des versorgungsamtes e. vom 3. dezember 2003 ein grad der schwerbehinderung von 50% festgestellt. der bescheid stellte als beeinträchtigungen der gesundheit der klägerin unter anderem eine wirbelsäulenfunktionsstörung, schwindel, eine depression sowie eine fettstoffwechselstörung fest. 5seit dem 12. märz 2012 ist die klägerin arbeitsunfähig erkrankt. wegen eines akuten zusammenbruchs wurde sie in der zeit vom 5. juni bis 31. juli 2012 in der i. -klinik in l. stationär psychosomatisch behandelt. 6am 29. mai 2013 beantragte die klägerin bei der beklagten die bewilligung einer berufsunfähigkeitsrente. zum nachweis ihrer erkrankungen legte sie der beklagten eine vielzahl ärztlicher befunde und atteste vor. 7der beklagte nahm dies zum anlass, den facharzt für neurologie und psychiatrie prof. dr. med. k. g. aus l1. mit der erstattung eines gutachtens über die frage der berufsunfähigkeit der klägerin zu beauftragen. wegen des ergebnisses wird auf das ausführliche gutachten vom 4. august 2013 bezug genommen. der gutachter der beklagten verneinte eine berufsunfähigkeit der klägerin unter hinweis auf bestehende erfolgsaussichten bei der weiteren behandlung. 8durch den angefochtenen bescheid vom 2. oktober 2013 lehnte die beklagte den antrag der klägerin auf bewilligung von berufsunfähigkeitsrente unter bezugnahme auf das gutachten des prof. dr. g. ab. 9am 23. oktober 2013 hat die klägerin die vorliegende klage erhoben. 10durch auflösungsvertrag mit der ev. krankenhaus x. ggmbh vom 9. dezember 2013 beendete die klägerin ihr arbeitsverhältnis zum 31. dezember 2013. 11auf antrag der klägerin bewilligte ihr die beklagte durch bescheid vom 18. dezember 2013 vorgezogene altersrente ab dem 1. januar 2014 in höhe von 2.082,01 euro monatlich. der altersrentenbescheid erfolgte unter der auflösenden bedingung der gewährung von berufsunfähigkeitsrente auf grund des antrages vom 27. mai 2013. 12am 1. januar 2014 beantragte die klägerin bei der beklagten erneut die bewilligung von berufsunfähigkeitsrente. zur begründung nahm sie bezug auf das aufgelöste arbeitsverhältnis. 13durch bescheid vom 18. februar 2014 lehnte die beklagte den neuerlichen antrag auf berufsunfähigkeitsrente unter hinweis auf den angefochtenen bescheid vom 2. oktober 2013 sowie das laufende verwaltungsgerichtliche verfahren als unzulässig ab. 14durch schriftsatz vom 10. märz 2014 hat die klägerin auch gegen den bescheid vom 18. februar 2014 klage erhoben. 15zur begründung ihrer klage trägt die klägerin im wesentlichen vor, der gutachter der beklagten habe ihre berufsunfähigkeit falsch beurteilt. es bestünden keine behandlungsmöglichkeiten mehr, die noch nicht ausgeschöpft seien. ihr behandelnder psychiater, prof. dr. med. k. vom m. -universitätsklinikum c. gehe angesichts ihres fortgeschrittenen alters sowie der langen bisherigen dauer der erkrankung von einem chronifizierten zustand aus, der auch durch die gabe einer phasenprophylaxe, bzw. durch weitere stationäre krankenhausaufenthalte nicht mehr so weit gebessert werden könne, dass sie bis zum erreichen des regelruhestandsalters ihre arbeitsfähigkeit zurück gewinnen könne. die beurteilung des gerichtlich bestellten gutachters sei in ansehung der feststellungen ihres behandelnden psychiaters nicht haltbar. er berücksichtige ihre sonstigen erkrankungen, insbesondere die einschränkungen ihrer sehfähigkeit, nicht in ausreichendem maße. 16die klägerin beantragt, 17die beklagte unter aufhebung ihres bescheides vom 2. oktober 2013 zu verpflichten, ihr bezogen auf den antrag vom 29. mai 2013 berufsunfähigkeitsrente zu gewähren, 18hilfsweise, 191.20die beklagte unter aufhebung ihres bescheides vom 18. februar 2014 zu verpflichten, ihr mit wirkung ab dem 1. januar 2014 berufsunfähigkeitsrente gemäß den bestimmungen der satzung der beklagten zu gewähren, 2.21festzustellen, dass die beklagte verpflichtet ist, der klägerin berufsunfähigkeitsrente nach den bestimmungen der satzung der beklagten ab dem 1. januar 2014 zu gewähren. 22die beklagte beantragt, 23die klage abzuweisen. 24sie sieht die angefochtenen bescheide durch das eingeholte gerichtliche gutachten bestätigt und geht davon aus, dass die klägerin noch vor dem erreichen der regelaltersrente wieder berufsfähig werden kann. 25das gericht hat über die frage der berufsunfähigkeit der klägerin beweis erhoben durch einholung eines sachverständigengutachtens. zum gutachter wurde der facharzt für psychiatrie und psychotherapie prof. dr. med. dr. rer. nat. v. t. aus o. bestimmt. wegen des ergebnisses der beweiserhebung wird auf das schriftliche psychiatrische gutachten vom 28. märz 2014 sowie das ergebnis der persönlichen befragung des sachverständigen im termin zur mündlichen verhandlung bezug genommen. 26wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird ergänzend bezug genommen auf den inhalt der gerichtsakte sowie der beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten. 27 | 28die klage hat mit haupt- und hilfsantrag keinen erfolg. sie ist zulässig, aber nicht begründet. 29die angefochtenen bescheide der beklagten vom 2. oktober 2013 und 18. februar 2014 sind rechtmäßig und verletzen die klägerin nicht in ihren rechten, § 113 abs. 5, 1 vwgo. die klägerin hat gegen die beklagte keinen anspruch auf die bewilligung von berufsunfähigkeitsrente, weil sie nicht berufsunfähig ist. 30daran scheitert nicht nur der hauptantrag, sondern auch der hilfsantrag zu 1. und 2.. soweit in dem hilfsantrag zu 1. nicht nur ein verpflichtungsbegehren, sondern auch eine anfechtung des bescheides vom 18. februar 2014 steckt, bleibt die klage ohne erfolg, weil die beklagte den weiteren antrag auf berufsunfähigkeitsrente vom 1. januar 2014 zutreffend als unzulässig abgelehnt hat. solange über den ersten antrag auf berufsunfähigkeitsrente vom 29. mai 2013 nicht rechtskräftig entschieden worden ist, haben weitere anträge keinen eigenständigen bedeutungsgehalt. entscheidungserheblicher zeitpunkt der auf die bewilligung einer berufsunfähigkeitsrente gerichteten verpflichtungsklage ist die letzte mündliche verhandlung, d.h. das verwaltungsgericht bewertet die berufsunfähigkeit der klägerin für den zeitraum von der antragstellung bis zum augenblick der letzten mündlichen verhandlung. dies nimmt weiteren anträgen auf berufsunfähigkeitsrente während des laufenden gerichtlichen verfahrens die bescheidungsfähigkeit in der sache. 31gemäß § 10 abs. 1 satz 1 der satzung der beklagten - im folgenden: snäv - haben mitglieder, die mindestens für einen monat ihre versorgungsabgabe geleistet haben und noch keine altersrente beziehen, anspruch auf berufsunfähigkeitsrente, wenn sie berufsunfähig sind und die ausübung des ärztlichen berufes aufgeben. berufsunfähig ist ein mitglied gemäß § 10 abs. 1 satz 2 snäv, wenn es infolge eines körperlichen gebrechens oder wegen schwäche seiner körperlichen oder geistigen kräfte außerstande ist, eine ärztliche tätigkeit auszuüben, wobei gemäß § 10 abs. 1 satz 3 snäv als ärztliche tätigkeit in diesem sinne jede tätigkeit verstanden wird, bei der die ärztliche vorbildung ganz oder teilweise verwandt werden kann. 32der begriff der berufsunfähigkeit im sinne von § 10 abs. 1 satz 2 snäv ist dahin auszulegen, dass er eine gesundheitliche einschränkung voraussetzt, die die ausübung einer ärztlichen tätigkeit ausschließt und die nicht nur vorübergehender natur ist und hinsichtlich derer erfolgversprechende, zumutbare therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind. 33vgl. ovg nrw, beschluss vom 1. juni 2010 - 17 a 1643/08 -. 34für eine solche auslegung, bei der an die rentengewährung strenge anforderungen gestellt werden, spricht der mit § 10 abs. 1 snäv verfolgte zweck, das berufsunfähigkeitsrisiko auf einem vergleichsweise hohen niveau gemeinschaftlich abzusichern. um ein solches niveau zu gewährleisten, erscheint es im interesse sowohl des einzelnen als auch der versorgungsgemeinschaft sachgerecht und notwendig, dem eintritt der berufsunfähigkeit im sinne einer dauerhaften aufhebung der beruflichen leistungsfähigkeit bei den einzelnen mitgliedern mit allen erfolgversprechenden und zumutbaren mitteln entgegenzuwirken. 35ein entscheidendes merkmal der berufsunfähigkeit ist die dauerhaftigkeit der gesundheitlichen einschränkung. von einer dauerhaftigkeit der berufsunfähigkeit kann dann nicht ausgegangen werden, wenn in einem überschaubaren zeitraum begründete heilungschancen gegeben sind. das vorhandensein von heilungsmöglichkeiten beinhaltet für das mitglied die verpflichtung, zumutbare therapiemaßnahmen wahrzunehmen. sofern zumutbare therapiemaßnahmen nicht wahrgenommen werden, geht dies zu lasten des mitglieds und schließt die berücksichtigung einer nicht austherapierten erkrankung aus. dabei sind erfolgversprechend nicht nur solche therapieansätze, denen eine überwiegende wahrscheinlichkeit einer heilung oder deutlichen besserung innewohnt, sondern auch solche maßnahmen, die nur eine unterdurchschnittliche, aber nicht völlig unbedeutende erfolgsprognose versprechen. 36vgl. ovg nrw, urteil vom 18. november 2009 - 17 a 251/07 -, beschluss vom 18. mai 2001- 4 a 5470/00 -, vg köln, urteil vom 29. november 2011 - 7 k 5419/10 -, m.w.n., juris. 37in verfahrensrechtlicher hinsicht setzt die feststellung der berufsunfähigkeit voraus, dass sich aus ärztlichen gutachten, attesten oder bescheinigungen ergibt, dass bei dem mitglied ein körperliches gebrechen oder eine schwäche seiner körperlichen oder geistigen kräfte vorliegt. darüber hinaus müssen diese stellungnahmen eine substantiierte aussage darüber enthalten, dass dem mitglied die ausübung ärztlicher tätigkeit infolge des festgestellten defizits auf dauer nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zugemutet werden kann. nur eine in diesem sinne qualifizierte ärztliche stellungnahme ist im allgemeinen geeignet, die erforderliche volle richterliche überzeugung im sinne des § 108 abs. 1 vwgo von der berufsunfähigkeit des mitgliedes zu vermitteln. eine ärztliche stellungnahme, die lediglich eine aussage zu den körperlichen gebrechen oder der schwäche der körperlichen oder geistigen kräfte trifft und eine derzeitige unfähigkeit, der beruflichen tätigkeit als arzt oder ärztin nachzugehen, feststellt, genügt diesen anforderungen nicht. 38vgl. ovg nrw, urteil vom 11. märz 1997, - 25 a 3536/94 -, nrwe, ständige rechtsprechung der kammer, vgl. zuletzt: urteil vom 17. juli 2013 – 20 k 4453/11 -, urteil vom 15. mai 2013 ‑20 k 6768/11 – zum versorgungswerk der architektenkammer. 39unter zugrundelegung dieser kriterien lässt sich nicht feststellen, dass die klägerin berufsunfähig im sinne von § 10 abs. 1 satz 2 snäv ist. 40für den zeitraum von der antragstellung bis zum ablauf des 31. dezember 2013 folgt dies bereits daraus, dass die klägerin während dieser zeit die ausübung des ärztlichen berufes noch nicht endgültig aufgegeben hatte. 41das aufgeben der berufsausübung erfordert bei einem abhängig beschäftigten arzt die beendigung des arbeitsverhältnisses und zwar auch dann, wenn dieses zuvor nur noch „auf dem papier“ bestanden hat, d.h. von beiden seiten nicht mehr erfüllt wurde, weil der angestellte arzt infolge arbeitsunfähigkeit keine arbeitsleistung erbringen konnte und der arbeitgeber dadurch von der verpflichtung zu gehaltszahlungen frei wurde. 42vgl. ovg nrw, beschluss vom 19. januar 2009 – 17 a 251/08 -, zitiert nach juris. 43diese rechtsprechung ist unabhängig davon gültig, ob das mitglied, wie es in dem vom ovg nrw entschiedenen rechtsstreit der fall war, bei antragstellung von dem richtigen begriffsverständnis des endgültigen einstellens der beruflichen tätigkeit ausgegangen ist. sollte die auslegung der tatbestandlichen voraussetzungen für die gewährung einer berufsunfähigkeitsrente der klägerin nicht bekannt gewesen sein, so wäre es ihre obliegenheit gewesen, sich darüber von der beklagten in kenntnis setzen zu lassen, um die anspruchsausschließende folge eines formal fortbestehenden arbeitsverhältnisses zu vermeiden. spätestens mit klageerhebung war die klägerin auch anwaltlich beraten. sie hatte damit zugriff auf die maßgebliche rechtsprechung. die klägerin konnte sich von anfang an darauf einstellen, dass das arbeitsverhältnis dem geltend gemachten anspruch entgegen stand. einer ausdrücklichen regelung dieser rechtsfolge in der satzung der beklagten bedurfte es dazu nicht. 44da das beschäftigungsverhältnis der klägerin erst durch den auflösungsvertrag mit ihrem arbeitgeber vom 9. dezember 2013 zum 31. dezember 2013 beendet worden ist, stellt sich die frage, ob die klägerin berufsunfähig ist, für die davor liegende zeit nicht. 45für die zeit nach dem 31. dezember 2013 ist ein anspruch der klägerin ausgeschlossen, weil sie nicht auf dauer berufsunfähig ist. 46die beweiserhebung durch einholung eines sachverständigengutachtens zu der frage der berufsunfähigkeit der klägerin hat zur vollen überzeugung des einzelrichters ergeben, dass bei der klägerin behandlungsoptionen bestehen, die bisher nicht ausgeschöpft wurden, die aber eine ausreichende wahrscheinlichkeit dafür bieten, dass die arbeitsfähigkeit der klägerin wieder hergestellt werden kann. ein prozentualer wert für die maßgebliche wahrscheinlichkeit von heilungschancen kann nicht bestimmt werden. es genügt die feststellung, dass eine unterdurchschnittliche, aber nicht völlig zu vernachlässigende wahrscheinlichkeit für den heilungserfolg besteht, 47vgl. urteil der kammer vom 2. juni 2014 – 20 k 6718/13 -, unter berufung auf ovg nrw, urteile vom 18. mai 2001 – 4 a 5470/00 – und vom 18. november 2009 – 17 a 629/05 -. 48der bestellte gutachter prof. dr. v. t. hat in seinem psychiatrischen gutachten vom 28. märz 2014 bekundet, dass der gesundheitszustand der klägerin durch ausreichend erfolg versprechende maßnahmen noch verbessert werden kann. er hat dies während seiner befragung in der mündlichen verhandlung dahin gehend präzisiert, dass er die erfolgsaussichten der vorgeschlagenen behandlung leicht unterdurchschnittlich beurteilt. dies genügt, um die klägerin auf diese möglichkeiten zu verweisen. 49der sachverständige hat außerdem bekundet, dass eine heilungsmöglichkeit auch schon vor dem eintritt der klägerin in den regelaltersruhestand besteht. auf die zwischen den parteien streitige frage, ob der begriff der dauerhaftigkeit des berufsunfähigen zustandes berufsunfähigkeit bei einem mitglied, welches demnächst die regelaltersgrenze erreicht, anders zu verstehen ist, kommt es also nicht an. entscheidend ist, dass die klägerin nach der einschätzung des gutachters noch vor der vollendung des 65. lebensjahres wieder berufsfähig werden kann, wenn sie sich der vorgeschlagenen behandlung unterzieht. 50nach dem ergebnis der beweisaufnahme leidet die klägerin an einer rezidivierenden depressiven störung mit derzeitig mittelgradiger episode. diese erkrankung steht im vordergrund der leistungsminderung. die klägerin leidet außerdem an arterieller hypertonie, gonarthrose beidseits, an einem allergisch bedingten asthma bronchiale, an einem zustand nach katarakt-operation beider augen sowie an einer glaskörpertrübung beider augen. es besteht außerdem ein wirbelsäulenleiden. der gutachter hält die geäußerten beschwerden der klägerin für glaubhaft. aggravationstendenzen hat er nicht festgestellt. 51die gesundheitlichen einschränkungen der klägerin lassen zum gegenwärtigen zeitpunkt eine berufsausübung der klägerin nicht zu. der sachverständige meint, die noch bestehenden erheblichen kognitiven defizite in bezug auf das konzentrationsvermögen, die auch bei der aktuellen testpsychologischen untersuchung auffällig gewesen seien und die noch leichtgradig eingeschränkte gedächtnisleistung ließen derzeit ein für den ärztlichen beruf notwendiges konzentriertes arbeiten nicht zu. durch die depressive stimmungslage und das damit verbundene geringe selbstwertgefühl werde eine realistische einschätzung beruflicher sachverhalte ganz erheblich erschwert. eine aktuell noch vorhandene müdigkeitssymptomatik, die bereits nach sehr kleinen anstrengungen auftrete, verhindere eine gewinnbringende berufliche tätigkeit als ärztin. bereits nach kürzeren zeitabschnitten müsse sich die klägerin immer wieder hinlegen und sich ausruhen. zudem sei die klägerin auf augenärztlichem fachgebiet (sehstörung) daran gehindert, über einen längeren zeitraum an einem bildschirmarbeitsplatz tätig zu werden oder akten zu lesen. sie klage über erhebliches „schleiersehen“. 52der von dem gutachter festgestellte gesundheitliche zustand der klägerin ist im wesentlichen unstreitig. der von der beklagten eingeschaltete gutachter prof. dr. g. aus l1. sowie die von der klägerin vorgelegten ärztlichen befunde und gutachten gelangen zu übereinstimmenden ergebnissen. 53unterschiedlich fallen die ärztlichen prognosen zu den heilungschancen der klägerin aus. der einzelrichter hält die getroffene prognose des gerichtlich bestellten sachverständigen für überzeugend. er geht davon aus, dass die berufsunfähigkeit der klägerin nicht auf dauer besteht. 54da die schriftliche und auch mündliche expertise des sachverständigen in sich schlüssig erscheint, an seiner sachkunde keine vernünftigen zweifel bestehen und auch sonst keine indizien dafür sprechen, seine schlussfolgerungen in frage zu stellen, hat das gericht keinen anlass gesehen, die berufsunfähigkeit der klägerin durch einholung eines obergutachtens weiter aufzuklären. ein entsprechender beweisantrag ist in der mündlichen verhandlung auch nicht gestellt worden. 55der sachverständige prof. dr. t. hat zu den heilungsmöglichkeiten der depression der klägerin vorgetragen, es sei aktuell nicht ersichtlich, warum bislang noch keine phasenprophylaxe durchgeführt worden sei, obwohl dies von verschiedenen vorgutachtern und auch von behandelnden ärzten immer wieder avisiert worden sei. eine phasenprophylaxe könne sehr wirksam das auftreten neuer depressiver episoden verhindern. es sei dies ein behandlungsansatz, der nicht zum ziel habe, vorhandene depressive symptome abzuschwächen bzw. zum vollständigen sistieren zu bringen, sondern vielmehr diese symptome erst gar nicht mehr zur ausprägung kommen zu lassen. als weitere therapiemaßnahme wäre nach der einschätzung des sachverständigen auch an eine stationäre behandlung auf einer spezialisierten depressionsstation zu denken. die stationäre therapie in der i. -klinik habe zu einem fassbaren therapieerfolg geführt. erst nach umsetzung der dort applizierten medikamente sei erneut eine depressive episode aufgetreten. 56wie der sachverständige während seiner befragung in der mündlichen verhandlung bekundet hat, könnte die klägerin ersatzweise auch eine teilstationäre behandlung auf einer spezialisierten depressionsstation versuchen, die es ihr ermöglichte, die abende und wochenenden zu hause zu verbringen. entscheidend sei insoweit, dass der behandelnde arzt die möglichkeit habe, täglich bei der klägerin die wirksamkeit der medikamentösen therapie zu erfragen und auf probleme flexibel zu reagieren. dies sei der entscheidende vorzug einer stationären oder teilstationären therapie gegenüber der ambulanten therapie, bei welcher der arzt allenfalls ein- oder zweimal wöchentlich kontakt zum patienten habe. im übrigen gewährleiste der stationäre aufenthalt die möglichkeit eines vielfältigen therapieansatzes, bei dem die medikamentöse behandlung durch gesprächstherapien, gruppentherapien, musikalische therapien sowie sport und bewegungstherapien ergänzt werde. 57die klägerin hat in der mündlichen verhandlung persönlich bestätigt, dass sie den stationären aufenthalt in der i1. -klinik zwar als anstrengend und auch belastend empfunden habe, sie letztlich von der behandlung aber profitiert und sich ihr zustand verbessert habe. diese einlassung stützt die einschätzung des gutachters, dass eine weitere stationäre oder teilstationäre behandlung erfolg versprechend sein könnte. 58die kritik der klägerin an der begutachtung durch den gerichtlich bestellten sachverständigen teilt der einzelrichter nicht: 59mit schriftsatz vom 2. juni 2014 hat die klägerin vorgetragen, es sei nicht klar, von welchem beurteilungszeitraum der gutachter ausgegangen sei. aus ihrer sicht komme es auf die zeit nach dem 1. juni 2013, hilfsweise auf die zeit nach dem 1. januar 2014 an. 60diesem einwand ist entgegen zu halten, dass das gericht den gutachter schon in seinem beweisbeschluss vom 15. januar 2014 darauf hingewiesen hat, dass maßgeblich für die beantwortung der beweisfragen allein der zustand der klägerin in dem zeitraum seit dem 1. januar 2014 ist, weil vorher der ärztliche beruf nicht endgültig aufgegeben worden war. auf diesen entscheidungserheblichen zeitraum hat der gutachter, wie blatt 45 des gutachtens ergibt, auch abgestellt. 61soweit die klägerin rügt, ihr gesundheitszustand sei als mittelschwere depression anzusehen, keinesfalls aber als leichte depression, geht dies ins leere, weil ihr auch der sachverständige eine depressive störung mit derzeit mittelgradiger episode bescheinigt (seite 46 des gutachtens). 62wenn die klägerin dem vorschlag des gutachters, eine weitere stationäre therapie zu versuchen, entgegen hält, eine solche sei nicht erfolgversprechend, weil schon der aufenthalt in der i. -klinik das auftreten einer erneuten depressiven episode nicht habe verhindern können, so ist darauf hinzuweisen, dass der aufenthalt in der i. -klinik grundsätzlich erfolg hatte. der gutachter bezeichnet es als einen fassbaren erfolg (blatt 49 des gutachtens). erst nach umsetzung der dort applizierten medikamente sei erneut eine depressive episode aufgetreten. 63dem arztbrief der i. -klinik vom 31. juli 2012 ist detailliert zu entnehmen, welchen stabilisierenden einfluss die dortige behandlung auf das wohlbefinden der klägerin hatte. die klägerin war zwar auch nach dem stationären aufenthalt noch arbeitsunfähig, sie erfuhr aber eine besserung ihrer symptomatik, weil sie engagiert an ihrer thematik mitarbeitete. schon während des aufenthaltes in l. hatte sich gezeigt, dass die angstsymptomatik bei der klägerin nach einem absetzen von opipramol wieder auftrat. daraus eine fehlende eignung des gesamten stationären behandlungsverfahrens zu schließen, erscheint unangebracht. 64die einschätzung des gerichtlichen gutachters, der das vorliegen von berufsunfähigkeit verneint, stimmt außerdem überein mit der bewertung des von der beklagten beauftragten sachverständigen prof. dr. g. aus l1. . er gelangt in seinem neurologisch-psychiatrischen gutachten vom 4. august 2013 zu der schlussfolgerung, die klägerin sei zurzeit wegen schwäche der geistigen kräfte (rezidivierende depressive störung) noch nicht in der lage, eine ärztliche tätigkeit auszuüben. die derzeitige psychiatrisch-psychotherapeutische behandlung sei aber bereits relativ erfolgreich gewesen und auch weiterhin erfolgversprechend, so dass die wiedererlangung der ärztlichen berufsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden könne. zu empfehlen seien berufliche wiedereingliederungsmaßnahmen mit zunehmender arbeitsbelastung bis zum umfang etwa einer teilzeitstelle mit halber stundenzahl und ohne bereitschaftsdienste. möglich erschiene unter diesen voraussetzungen auch wieder eine tätigkeit als anästhesistin in kliniken oder arztpraxen, allerdings möglichst ohne eigenverantwortliche narkosedurchführung. zu denken sei auch an tätigkeiten etwa in einer schmerzambulanz. da die klägerin sehr motiviert erscheine, könne eine derartige tätigkeit innerhalb eines jahres vielleicht wieder aufgenommen werden. aufgrund der bereits langen dauer der erkrankung und auch der erheblichen familiären belastung sei eine sichere prognose allerdings nicht möglich. 65die klägerin hat zwar versucht, die urteilsfähigkeit des prof. dr. g. in frage zu stellen, indem sie ihm senilität vorwirft. dies überzeugt den einzelrichter jedoch nicht. prof. dr. g. ist dem gericht als erfahrener gutachter für die beurteilung von berufsunfähigkeitsfragen auf neurologischem sowie psychiatrischem fachgebiet bekannt. er wird regelmäßig auch von der kammer mit der erstellung von gutachten beauftragt und hat sich bislang anlässlich seiner befragungen durch die kammer nicht nur als ausnahmslos kompetent, sondern auch als überaus vital erwiesen. seine überragenden erfahrungen als gutachter erlauben es ihm, seine untersuchung der zu begutachtenden patienten auf das wesentliche zu beschränken. insofern kann auch nicht nachvollzogen werden, wenn ihm die klägerin eine mangelnde exploration ihres gesundheitszustandes vorhält. 66es kommt hinzu, dass die bewertungen der professoren dr. t. und dr. g. auch in der von der b. deutschland ag veranlassten vertrauensärztlichen untersuchung der klägerin ihre bestätigung gefunden haben. die untersuchung durch den facharzt th. t1. vom 3. januar 2013 mündete in der empfehlung, eine phasenprophylaxe durchzuführen, und zwar mit der begründung (blatt 29 der ba heft 1): 67„insbesondere fällt auf, dass eine phasenprophylaxe bisher nicht durchgeführt wurde. auch während der klinischen behandlung in der i. -klinik wurde das behandlungsschwergewicht überwiegend auf die psychotherapeutische behandlung gelegt. bei dem offensichtlich im wesentlichen endogenen bestimmten verlauf der erkrankung wäre hier eine phasenprophylaxe und ein deutlich stärkeres medikamentöses engagement wünschenswert und auch erfolgversprechend gewesen. dieses sollte auf jeden fall nachgeholt werden.“ 68der facharzt th. t1. gelangt zu der bewertung, auf grund der störungsdauer und der schwere der erkrankung im querschnitt sowie unter berücksichtigung weiterer prognostischer kriterien müsse die prognose eigentlich insgesamt als ungünstig beurteilt werden. zu dieser stellungnahme könne er sich jetzt jedoch noch nicht durchringen, weil wesentliche medikamentöse gesichtspunkte in der behandlung bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden seien, insbesondere die phasenprophylaxe. 69an einem solchen behandlungsversuch fehlt es bis heute. 70zwar gelangt eine weitere vertrauensärztliche untersuchung der klägerin am 4. juli 2013 durch den facharzt für psychiatrie und psychotherapie dr. med. b1. n. aus x1. zu der einschätzung, die phasenprophylaxe stehe noch aus, sei jedoch für die beurteilung der leistungsfähigkeit und deren prognose nicht von ausschließlicher bedeutung. im ergebnis geht dr. n. davon aus, die klägerin werde in ihrer bisherigen tätigkeit als fachärztin für anästhesie auf nicht absehbare zeit – jedenfalls länger als drei jahre - zu mehr als 50% leistungseingeschränkt bleiben. dr. n. datiert den beginn der berufsunfähigkeit auf den 4. juli 2013. 71eine begründung, warum er der durchführung einer phasenprophylaxe keine maßgebliche bedeutung für einen möglichen heilungserfolg bei der klägerin bemisst, bleibt das gutachten dr. n. leider schuldig. es ist im übrigen so, dass der versicherungsrechtliche begriff der berufsunfähigkeit mit demjenigen begriff, wie ihn die satzung der beklagten versteht, nicht identisch ist. das im auftrag der b. deutschland ag erstellte gutachten des dr. n. bejaht zwar eine versicherungsrechtliche berufsunfähigkeit der klägerin, die auf den versorgungsrechtlichen begriff der berufsunfähigkeit bezogene expertise des gerichtlich bestellten gutachters widerlegt dies jedoch nicht. 72das gilt auch für das attest des behandelnden psychiaters prof. dr. med. h. k. aus c. vom 26. juni 2014. er meint zwar, kurzfristige und mittelfristige verbesserungen der symptomatik seien nicht zu erwarten. zugleich stellt er aber fest, es sei abzuwarten, inwiefern langfristiges hartnäckiges und intensives weiterbehandeln in seiner ambulanz sich auszahlen würden. einen erfolg der behandlung schließt er damit nicht aus. vielmehr sieht er wenig aussicht auf die wiederherstellung der berufsfähigkeit in den verbleibenden jahren vor eintritt in das rentenalter. wenig sinn sieht er auch in der durchführung einer phasenprophylaxe, bzw. in der durchführung weiterer stationärer aufenthalte. damit ist allein festgestellt, dass der behandelnde arzt diesen behandlungsmöglichkeiten derzeit keine präferenz beimisst. dies könnte auch daran liegen, dass die klägerin einer weiteren stationären behandlung ablehnend gegenüber steht, weil sie die erlebte stationäre behandlung in der i. -klinik als belastend empfunden hat. 73die weitere auffassung des prof. dr. k. , wonach eine stationäre behandlung nicht erfolgversprechend sei, weil auch seine engmaschige ambulante behandlung der klägerin den gewünschten erfolg bisher nicht gebracht habe, hat der gerichtlich bestellte gutachter während seiner befragung in der mündlichen verhandlung unter hinweis darauf widerlegt, nur die stationäre oder die tägliche teilstationäre behandlung ermögliche ein ausreichend schnelles reagieren des arztes auf die wechselnden befindlichkeiten des patienten während des behandlungsprozesses. im übrigen erfolge die behandlung des depressiven patienten in einer spezialisierten klinik als ganzheitlicher prozess, der neben der seelischen behandlung auch körpertherapeutische methoden einschließe. dies vermöge eine ambulante behandlung nicht zu leisten. der einzelrichter findet dies ohne weiteres einleuchtend. 74zwar bezeichnet prof. dr. k. das zustandsbild der klägerin als frustran und residual. er erlebe immer wieder, dass langjährige rezidivierende depressive erkrankungen in einen dauerzustand von chronizität übergehen, ohne dass hier wirklich eine verbesserungstendenz, egal durch welche maßnahmen, zu erreichen sei. 75der gerichtliche bestellte gutachter hat zur überzeugung des einzelrichters während seiner befragung in der mündlichen verhandlung aber begründet, warum er die klägerin nicht dieser patientengruppe zuordnet. aus den erzielten erfolgen bei der behandlung der klägerin in den vergangenen jahren folgert er, dass der zustand der klägerin noch von ausreichender dynamik geprägt ist. es gibt spürbare veränderungen des psychischen beschwerdebildes, wie sie nicht nur die behandelnden ärzte beschreiben, sondern auch die klägerin bestätigt hat. die erzielten erfolge sprechen gegen eine schon eingetretene chronizität. 76beide ärzte, prof. dr. t. und prof. dr. k. stimmen letztlich darüber ein, dass die heilungschancen unterdurchschnittlich sind. der gerichtliche gutachter bewertet die situation etwas günstiger. seinem urteil ist der vorzug zu geben, weil er als unabhängiger gutachter zu keiner rücksichtnahme gegenüber den parteien verpflichtet ist. der ärztlichen stellungnahme des prof. dr. k. vom 26. juni 2014 kommt dagegen ein geringerer beweiswert zu, weil er der behandelnde arzt ist. in der rechtsprechung ist geklärt, dass der fachlichen äußerung eines behandelnden und von der nähe des arzt-patienten-verhältnisses beeinflussten arztes in zweifelsfällen nicht ein derartiges gewicht beizumessen ist, wie es einem gutachten eines vom gericht bestellten neutralen gutachters zukommt, 77vgl. ovg nrw, beschluss vom 18. mai 2001 – 4 a 5470/00 -. 78der einzelrichter hat daher auch keine veranlassung gesehen, prof. dr. k. als sachverständigen zeugen zu dem gesundheitszustand der klägerin zu befragen. einen entsprechenden beweisantrag hat die klägerin in der mündlichen verhandlung auch nicht gestellt. 79in summa folgt aus dem beschwerdebild der depressiven störung eine berufsunfähigkeit der klägerin bei würdigung sämtlicher vorliegender befunde nicht. 80dies gilt auch für die sonstigen erkrankungen der klägerin. 81zum nachweis ihrer orthopädisch bedingten leistungseinschränkungen hat die klägerin unter anderem eine ärztliche bescheinigung der behandelnden fachärztin für innere medizin frau dr. med t2. t3. aus x. vom 20. mai 2013 vorgelegt. die ärztin attestiert der klägerin außerdem ein medikamentös behandlungsbedürftiges asthma bronchiale, migräneattacken sowie einen ebenfalls behandlungsbedürftigen bluthochdruck. die ärztin schließt aus dem restleistungsvermögen auf eine berufsunfähigkeit der klägerin. 82diese schlussfolgerung überzeugt jedoch nicht. es fehlt nämlich an jeglichen angaben dazu, inwieweit sich die von der internistin genannten, über die depressive grunderkrankung hinaus gehenden beschwerden auf die körperlichen und geistigen fähigkeiten der klägerin auswirken sollen, welche die ausübung des arztberufes erfordern. ein erfahrungssatz des inhalts, wonach ein arzt, der unter einem bandscheibenschaden, knieproblemen, migräne und bluthochdruck leidet, seinen beruf nicht mehr ausüben kann, gibt es aber nicht. damit bleibt die schlussfolgerung einer bei der klägerin bestehenden berufsunfähigkeit durch die internistin dr. t3. eine bloße behauptung, die durch nichts bewiesen ist. die klägerin hat auch nicht erklärt, sie habe ihren beruf wegen der o.g. symptome aufgeben müssen. im vordergrund der arbeitsunfähigkeit seit dem 12. märz 2012 stand vielmehr stets die depressive symptomatik. obwohl die orthopädischen probleme bei der klägerin nach ihren angaben in der bei antragstellung vorgelegten krankengeschichte (vgl. blatt 43 der beiakte heft 1) seit 1985 bestanden haben und schon 2003 zur anerkennung einer schwerbehinderung von 50% geführt haben, hinderte dies die klägerin an einer berufsausübung nicht. das gericht hat daher keine veranlassung gesehen, über den einfluss der übrigen erkrankungen auf die leistungsfähigkeit der klägerin ein gesondertes gutachten einzuholen. der gerichtlich bestellte gutachter hat die über die depression hinaus gehenden erkrankungen der klägerin erkannt und ausreichend gewürdigt. 83dies gilt auch für die augenerkrankung der klägerin. durch die augenärztlichen bescheinigungen des behandelnden facharztes für augenheilkunde dr. l2. -n1. vom 24. mai 2013 und 23. mai 2014 steht fest, dass die klägerin unter deutlichen glaskörperdestruktionen auf beiden augen leidet. dadurch ist das sehvermögen der klägerin zeitweise beidseits eingeschränkt. die klägerin bezeichnet dies als „schleiersehen“. der visus betrug zuletzt noch 0,6 auf beiden augen. der augenarzt folgert daraus eine ausgeprägte behinderung der feinmotorik z.b. beim punktieren von gefäßen sowie bei der bildschirmarbeit. 84diese einschränkungen können als wahr unterstellt werden. es ist zwar denkbar, dass die klägerin durch ihre probleme beim sehen einen teil der mit dem arztberuf verbundenen tätigkeitsbilder nicht mehr zuverlässig ausführen kann. eine berufsunfähigkeit folgt daraus jedoch nicht. es sind ärztliche tätigkeiten denkbar, bei denen es auf die feinmotorik sowie die arbeit am bildschirm wenig oder gar nicht ankommt. zu verweisen wäre die klägerin etwa auf eine tätigkeit als aktengutachterin bei versicherungen, im vertrauensärztlichen dienst oder bei einem gesundheitsamt, 85vgl. zu den möglichkeiten einer leidensgerechten berufsausübung: ovg nrw, urteil vom17. november 1989 – 5 a 924/89 -, zitiert nach juris. 86zwar hat die klägerin in der mündlichen verhandlung eine weitere verschlechterung ihrer sehkraft beschrieben. fassbare anhaltspunkte dafür, dass ihr augenleiden nunmehr eine dimension erreicht hat, welche auch die ausübung einer leidensgerechten ärztlichen tätigkeit ausschließt, gibt es aber nicht. der von der klägerin beschriebene progrediente verlauf der erkrankung rechtfertigt für sich genommen nicht die annahme, dass die klägerin schon heute als berufsunfähig zu gelten hat. berufsunfähigkeit bedingen die einschränkungen der sehkraft vielmehr erst dann, wenn sie die ausübung des ärztlichen berufes unmöglich machen. es spricht bisher nichts dafür, dass diese schwelle bereits überschritten ist. 87die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo, die entscheidung zur vorläufigen vollstreckbarkeit auf § 167 vwgo i.v.m. § 709 zpo. | Verklagte*r | 0 |
183,813 | L 5 KR 295/12 | 2014-02-20T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 03.04.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 1Tatbestand: 2Streitig ist die Höhe des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts und dabei insbesondere, ob und gegebenenfalls inwieweit die Umlagezahlungen der Beigeladenen zu 2) an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) als beitragspflichtiges Entgelt zu berücksichtigen sind oder ob dem Kläger insoweit ein Beitragserstattungsanspruch zusteht. 3Der 1974 geborene Kläger, der in der Zeit vom 1.4.2004 bis 31.3.2011 bei der Beklagten krankenversichert war, stand von August 1990 bis Juni 2011 in einem Angestelltenverhältnis bei der Beigeladenen zu 2) bzw. deren Rechtsvorgängerin (im folgenden nur: Beigeladene zu 2)). Die Beigeladene zu 2) war Mitglied der VBL und gewährte ihren Beschäftigten auf tarifvertraglicher Grundlage eine Zusatzversorgung bei der VBL. In den Arbeitsverträgen wird hinsichtlich der Zusatzversorgung auf den Tarifvertrag Bezug genommen. Mit der Neufassung ihrer Satzung vom 22.11.2002 stellte die VBL ihr Zusatzversorgungssystem um, indem das bisherige endgehaltbezogene System der Gesamtversorgung formell zum 31.12.2001 geschlossen und ab 1.1.2002 durch ein Betriebsrentensystem ersetzt wurde. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes zuvor vereinbart. Die neue Zusatzversorgung basiert auf einem versicherungsmathematischen Punktemodell, bei dem die Leistungen ab 1.1.2002 so bemessen werden, als ob eine Gesamtbeitragsleistung von 4 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgeltes (2,59 % Arbeitgeberanteil, 1,41 % Arbeitnehmeranteil) in ein kapitalgedecktes System eingezahlt worden sei. 4Die Beigeladene zu 2) entrichtete als Arbeitgeberin regelmäßig Umlagen in Höhe von insgesamt 7,86 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts, welches grundsätzlich dem steuerpflichtigen Arbeitslohn entspricht, an die VBL, wobei die Umlagen zu 6,45 % die Beigeladene zu 2) und zu 1,41 % der Kläger aufgebracht hat. Die Beigeladene zu 2) berücksichtigte jedenfalls teilweise auch die von ihr gezahlte Umlage - entsprechend den Regelungen der bis zum 31.12.2006 geltenden Verordnung über die Bestimmung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung (Arbeitsentgeltverordnung - ArEV) bzw. der ab 1.1.2007 geltenden Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV)) - als sozialversicherungspflichtiges Entgelt. 5Im Januar 2007 belief sich das zusatzversorgungspflichtige Entgelt des Klägers auf 2.628,29 EUR, die vom Kläger zu zahlende Umlage auf 37,06 EUR und die von der Beigeladenen zu 2) als Arbeitgeberanteil geleistete Umlage betrug 169,53 EUR. Dieser Betrag wurde von der Beigeladenen zu 2) bis zum Höchstbetrag von 92,03 EUR pauschal zu ihren Lasten versteuert. Der übersteigende Betrag von 77,50 EUR war vom Kläger individuell zu versteuern und wurde ebenso wie der sich nach § 1 Absatz 1 S. 3 SvEV ergebende Hinzurechnungsbetrag von 22,37 EUR als beitragspflichtig angesehen, so dass in der Gehaltsbescheinigung insoweit insgesamt 99,87 EUR als weiteres beitragspflichtiges Entgelt ausgewiesen wurden. 6Im Februar 2007 wandte der Kläger sich an die Beklagte und begehrte die Feststellung, dass der pauschal versteuerte Anteil von 92,03 EUR auch nicht teilweise - nämlich i.H.v. 22,37 EUR - der Sozialversicherungspflicht unterliege; die in der Vergangenheit zu Unrecht erhobenen Beiträge seien im Rahmen der Verjährungsfristen zu erstatten. 7Mit Bescheid vom 27.11.2007 lehnte die Beklagte die begehrte Feststellung und die Beitragserstattung ab. Die Beigeladene zu 2) habe das sozialversicherungspflichtige Entgelt zutreffend unter Berücksichtigung der einschlägigen Vorschriften ermittelt, so dass keine Beitragsüberzahlung vorliege. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.5.2008 als unbegründet zurück. 8Am 30.6.2008 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Münster erhoben und vorgetragen, die Umlage sei nicht nur hinsichtlich des Hinzurechnungsbetrages sondern in vollem Umfang nicht beitragspflichtig. Denn bei der Umlagezahlung handele es sich nicht um sozialversicherungspflichtiges Entgelt im Rahmen der maßgeblichen gesetzlichen Regelung des § 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Hilfsweise hat er geltend gemacht, dass die Umlage allenfalls zu einem geringeren Anteil als von der Beklagten zu Grunde gelegt beitragspflichtig sei. 9Der Kläger hat beantragt, 10den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses der Beklagten vom 30.5.2008 aufzuheben und festzustellen, dass die vom Arbeitgeber des Klägers (dem Beigeladenen zu 2)) an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder geleistete Umlage nicht - auch nicht zum Teil - der Beitragspflicht zur Sozialversicherung unterliegt und die Beklagte verpflichtet ist, für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2010 die auf die Umlage erhobenen Sozialversicherungsbeiträge von der Beklagten an den Kläger zu erstatten. 11Die Beklagte hat beantragt, 12die Klage abzuweisen. 13Sie hat auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide verwiesen. 14Durch Urteil vom 3.4.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Umlage sei grundsätzlich als Arbeitsentgelt einzustufen. Die Beklagte habe die Höhe des sozialversicherungspflichtigen Anteils der vom Arbeitgeber gezahlten Umlage auch zutreffend ermittelt. Die maßgeblichen Regelungen der SvEV seien nicht verfassungswidrig. 15Gegen das ihm am 20.4.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.5.2012 (Montag) Berufung eingelegt. Er hat sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Falls seiner Ansicht der gänzlich fehlenden Sozialversicherungspflicht der Umlage nicht gefolgt werde, so könnten von dem Arbeitgeberanteil i.H.v. 6,45 % maximal 2,59 % beitragspflichtig sein. Der Wert von 2,59 % sei die Differenz zwischen dem Arbeitnehmeranteil von 1,41 % und dem Leistungsanspruch des Arbeitnehmers aus dem kapitalgedeckten System i.H.v. 4 %. Äußerst hilfsweise werde geltend gemacht, das zumindest keine Hinzurechnung nach § 1 Abs. 1 S. 3 und 4 SvEV erfolgen könne, denn weder die steuerfreien noch die pauschal versteuerten Umlageanteile könnten beitragspflichtig sein. Die entgegenstehenden Regelungen der SvEV verstießen insoweit gegen höherrangiges Recht. Streitgegenständlich sei die Zeit vom 1.4.2004 bis zum 31.3.2011. 16Der Kläger beantragt, 17das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 3.4.2012 zu ändern und 1. den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.5.2008 aufzuheben 2. festzustellen, dass die vom Arbeitgeber des Klägers an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder geleistete Umlage nicht - auch nicht zum Teil - der Beitragspflicht zur Sozialversicherung unterliegt 3. die Beklagte zu verpflichten, die für die Zeit vom 1.4.2004 bis 31.3.2011 auf die Umlage erhobenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge an den Kläger zu erstatten. 18Die Beklagte beantragt, 19die Berufung zurückzuweisen. 20Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und verweist ergänzend auf die höchstrichterliche Rechtsprechung. Danach sei die Umlage als Arbeitsentgelt einzustufen und die Regelungen der SvEV seien rechtmäßig. 21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. 22Entscheidungsgründe: 23Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat die von der Beigeladenen zu 2) für den Kläger an die VBL geleistete Umlage zutreffend teilweise dem beitragspflichtigen Entgelt in der Sozialversicherung zugerechnet und insoweit Beiträge zur Sozialversicherung erhoben. Beitragserstattungsansprüche des Klägers bestehen mithin nicht. 24Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 27.11.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.5.2008, mit dem die Beklagte entschieden hat, dass die von der Beigeladenen zu 2) getragene Umlage teilweise - entsprechend den Regelungen der ArEV bzw. SvEV - dem Arbeitsentgelt zuzurechnen und davon Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten sind. Diese Entscheidung der Beklagten betrifft die Zeit der Mitgliedschaft des Klägers; die dementsprechende Änderung des Klageantrags ist gemäß §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 1, 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig ... Die Beklagte hat als zuständige Einzugsstelle zutreffend gemäß § 28h Abs. 2 SGB IV über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Zeit der Mitgliedschaft des Klägers entschieden (BSG SozR 4-2400 § 28h Nrn. 1, 4). 25Die Umlage gehört zu dem Arbeitsentgelt, das nach § 226 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der Krankenversicherung, nach § 57 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) in der Pflegeversicherung, nach § 162 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der Rentenversicherung und nach § 342 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auch zur Bundesagentur für Arbeit beitragspflichtig ist. Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 SGB IV, der für sämtliche Sozialversicherungszweige einschließlich der Bundesagentur für Arbeit gilt (§ 1 Abs. 1 SGB IV), alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden oder ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. 26Zum Arbeitsentgelt in diesem - weiten - Sinne gehört auch die Umlage, die der Arbeitgeber in Höhe eines bestimmten Vomhundertsatzes des maßgebenden Entgelts für seinen Arbeitnehmer an eine Zusatzversorgungseinrichtung zahlt. Daran ändert entgegen der Ansicht des Klägers nichts, dass diese Einnahmen unmittelbar nicht ihm sondern einer Zusatzversorgungseinrichtung zu fließen. 27Die weite Begriffsbestimmung des Arbeitsentgelts in § 14 Abs. 1 SGB IV erfasst alle Einnahmen, die Versicherten in ursächlichem Zusammenhang mit einer Beschäftigung zufließen. Hierzu gehören die Gegenleistungen des Arbeitsgebers oder eines Dritten für eine konkret zu ermittelnde Arbeitsleistung des Beschäftigten und solche Vergütungen, die zugleich einen Anreiz für weitere erfolgreiche Arbeit schaffen sollen (vergleiche BSG SozR 4-2400 § 14 Nr. 8). Die Umlagezahlungen der Beigeladenen zu 2) sind als Zukunftssicherungsleistungen Teil des Arbeitslohnes. Daran ändert entgegen der Ansicht des Klägers auch die Umstellung des Zusatzversorgungssystems zum 31.12.2001 nichts. 28Die VBL hat die Aufgabe, den Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22.11.2002 hat die VBL ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31.12.2001 umgestellt. Diesen Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 1.3.2002 vereinbart. Damit wurde das frühere - auf dem Versorgungstarifvertrag vom 4.11.1966 beruhende - endgehaltbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell nach versicherungsmathematischen Grundsätzen beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt. In dem eingeführten Betriebsrentensystem beruht die Berechnung der monatlichen Betriebsrente auf der Summe der bis zum Beginn der Betriebsrente erworbenen Versorgungspunkte, die sich unter anderem für das zusatzversorgungsberechtigte Entgelt, für soziale Komponenten und als Bonuspunkte ergeben können. In Versorgung umgerechnet wurden auch die bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften der Versicherten, die als so genannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten übertragen wurden. Die Umstellung auf ein kapitalgedecktes Versorgungssystem ist zwar angestrebt aber noch nicht vollzogen; derzeit handelt es sich weiterhin um eine Umlagefinanzierung. 29Maßgebend für die Einstufung als Arbeitsentgelt ist, dass dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unmittelbarer und unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht (vergleiche LSG Baden-Württemberg Urteil vom 28.2.2012, L 13 R 5466/09; BFH Urteile vom 7.5.2009, VI R 8/07 und vom 15.9.2011, VI R 36/09). Erlangt der Arbeitnehmer - wie hier -einen eigenen Rechtsanspruch gegen den Versicherer, fließt im Zeitpunkt der Beitragszahlung des Arbeitgebers Arbeitslohn zu. Das Entgelt liegt dabei in den Beiträgen des Arbeitgebers, mit denen dieser den Versicherungsschutz des Arbeitnehmers finanziert. Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer durch die Teilnahme an dem kollektiven Finanzierungssystem Anwartschaftsrechte auf künftige Versorgung erhält; dass zwischen der nominalen Höhe der Umlage und dem versicherungsmathematisch errechneten Barwert der Versorgungsanwartschaft keine Deckungsgleichheit bestehen mag, ist unschädlich. Auch die Art des zur Zukunftssicherung angewandten Deckungssystems ist für die Qualifizierung der entsprechenden Beiträge als Arbeitslohn grundsätzlich nicht von Bedeutung. Denn mit der Finanzierung des Versicherungsschutzes des Arbeitnehmers wendet der Arbeitgeber die entsprechenden Beiträge und nicht die bei Eintritt des Versicherungsfalles zu gewährenden Versicherungsleistungen zu. Mithin ist grundsätzlich die vom Arbeitgeber gezahlte Umlage in vollem Umfang und entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur im Umfang von 4 % bzw. 2,59 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts als Entgelt im Sinne von § 14 SGB IV anzusehen. 30Soweit der Kläger meint, die Einstufung der Umlage als Entgelt scheide deshalb aus, weil es sich um ein verdecktes Sanierungsgeld handele, stellt er wiederum auf Wirtschaftlichkeitsaspekte ab, die - wie oben dargelegt - hier nicht maßgeblich sind. Dem umlagefinanzierten System ist gerade immanent, dass die Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft wirtschaftlich von der jeweiligen Erwerbsgeneration getragen wird. Letztlich sind die Zahlungen im Umlageverfahren nicht zu vergleichen mit Zahlungen, die aufgrund einer Schließung des Gesamtversorgungssystems als Sanierungsgeld geleistet werden (vergleiche BFH aaO). 31Die Umlage ist in der Höhe, in der die Beklagte ihre Beitragspflicht angenommen hat, nicht vom Arbeitsentgelt ausgenommen, insbesondere nicht durch die aufgrund von § 17 SGB IV erlassene ArEV bzw. SvEV. 32In § 17 Abs. 1 SGB IV in der bis zum 10.8.2010 geltenden Fassung wurde die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung, zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung und zur Vereinfachung des Beitragseinzugs, zu bestimmen, dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, und steuerfreie Einnahmen ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten (Nr. 1), dass Beiträge an Direktversicherungen und Zuwendungen an Pensionskassen oder Pensionsfonds ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten (Nr. 2), wie das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen und das Gesamteinkommen zu ermitteln und zeitlich zuzurechnen sind (Nr. 3), den Wert der Sachbezüge nach dem tatsächlichen Verkehrswert im Voraus für jedes Kalenderjahr (Nr. 4).). Dabei ist eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen, § 17 Abs. 1 S. 2 SGB IV. Mit Wirkung zum 11.8.2010 wurde die Verordnungsermächtigung aus Vereinfachungsgründen von der Bundesregierung auf das zuständige Ministerium übertragen (vergleiche BT-Drucksache 17/1684, Seite 11). 33Die Bundesregierung hat von der Ermächtigung Gebrauch gemacht und mit Zustimmung des Bundesrates zunächst die ArEV vom 6.7.1977 erlassen, die in der Folgezeit mehrfach geändert wurde. Nach § 1 ArEV in der ab Januar 2004 geltenden Fassung waren einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei waren und sich aus § 3 nichts Abweichendes ergab. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArEV in der ab Januar 2004 geltenden Fassung waren Beträge und Zuwendungen nach § 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG), die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt wurden, dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen, soweit S. 2 nichts Abweichendes bestimmte, soweit der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz erheben kann und er die Lohnsteuer nicht nach den Vorschriften der §§ 39b, 39c oder 39d EStG erhebt. Die in S. 1 Nr. 3 genannten Beiträge und Zuwendungen waren bis zur Höhe von 2,5 vom Hundert des für ihre Bemessung maßgebenden Entgelts dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, wenn die Versorgungsregelung mindestens bis 31.12.2000 - vor der Anwendung etwaiger Nettobegrenzungsregelungen - eine allgemein erreichbare Gesamtversorgung von mindestens 75 vom Hundert des gesamtversorgungsfähigen Entgelts und nach Eintritt des Versorgungsfalles eine Anpassung nach Maßgabe der Entwicklung der Arbeitsentgelte im Bereich der entsprechenden Versorgungsregelung oder gesetzlicher Versorgungsbezüge vorgesehen hat; die dem Arbeitsentgelt zuzurechnenden Beiträge und Zuwendungen vermindern sich um monatlich 13,30 EUR. Aufgrund dieser Regelung hat die Beklagte die Umlage, die die Beigeladene zu 2) als Arbeitgeberin für den Kläger an die VBL gezahlt hat und gemäß § 40b EStG pauschal versteuert hat, i.H.v. 2,5 vom Hundert des für die Bemessung maßgebenden Entgelts - abzüglich des Zukunftssicherungsfreibetrages i.H.v. 13,30 EUR - zu Recht dem Arbeitsentgelt zugerechnet, ebenso wie den für den Kläger individuell lohnsteuerpflichtigen Anteil der Umlage. Dass die Beklagte das sozialversicherungspflichtige Entgelt entsprechend den Bestimmungen der ArEV zutreffend errechnet hat, stellt auch der Kläger nicht in Abrede. 34Zum 1.1.2007 wurde die SvEV als Art. 1 der Verordnung zur Neuordnung der Regelungen über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt vom 21.12.2006 von der Bundesregierung, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Bundesministerium des Inneren im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und mit Zustimmung des Bundesrates erlassen BGBl I 2006, Seite 3385). Mit dieser Verordnung wurden die zum 1.1.2007 außer Kraft gesetzten Regelungen der ArEV und der Sachbezugsverordnung zusammengeführt. Durch Art. 19a des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007 (BGBl I 2007, Seite 3024) wurden § 1 Abs. 1 Nr. 4 und S. 3 SvEV neugefasst und § 1 Abs. 1 Nr. 4a und S. 4 SvEV eingefügt. 35§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 4 i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 2 und S. 3 SvEV übernahmen die Regelungen der ArEV - jedenfalls für die hier streitige Umlage - zunächst im Wesentlichen unverändert. Durch die Änderungen der SvEV zum 1.1.2008 war die Summe der in S. 1 Nr. 4a genannten Zuwendungen nach §§ 3 Nr. 56 und 40b EStG, höchstens jedoch monatlich 100 EUR, bis zur Höhe von 2,5 % des für ihre Bemessung maßgebenden Entgelts dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, wenn die Versorgungsregelung mindestens bis zum einen 31.12.2000 vor der Anwendung etwaiger Nettobegrenzungsregelungen eine allgemein erreichbare Gesamtversorgung von mindestens 75 % des gesamtversorgungsfähigen Entgelts und nach dem Eintritt des Versorgungsfalles eine Anpassung nach Maßgabe der Entwicklung der Arbeitsentgelte im Bereich der entsprechenden Versorgungsregelung oder gesetzlicher Versorgungsbezüge vorsieht; die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen Beiträge und Zuwendungen vermindern sich um monatlich 13,30 EUR (§ 1 Abs. 1 Satz 3 SvEV). Satz 3 gilt mit der Maßgabe, dass die Zuwendungen nach §§ 3 Nr. 56 und § 40b EStG dem Arbeitsentgelt insoweit zu gerechnet werden, als sie in der Summe monatlich 100 EUR übersteigen (§ 1 Abs. 1 Satz 4 SvEV). Die Beklagte hat bei der Ermittlung des sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelts des Klägers die Regelungen der SvEV stets zutreffend umgesetzt, was auch von dem Kläger nicht in Zweifel gezogen wird. 36Die Regelungen der ArEV und der SvEV sind entgegen der Ansicht des Klägers auch rechtmäßig. Dies gilt zunächst für die Ermächtigung zum Erlass der streitigen Bestimmungen. Die dafür in § 17 Abs. 1 SGB IV enthaltene Ermächtigung genügt den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. Nach dieser Verfassungsnorm müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. § 17 Abs. 1 SGB IV ermächtigt zu Bestimmungen über näher beschriebene Zusatzleistungen zu Löhnen und Gehältern. Die Ermächtigung geht nur dahin, Zusatzleistungen vom Arbeitsentgelt auszunehmen; das schließt allerdings auch die Befugnis ein, eine in der Verordnung vorgesehene Ausnahme wieder einzuschränken, wie dies in § 2 Abs. 1 S. 2 ArEV bzw. § 1 Abs. 1 S. 3 und 4 SvEV geschehen ist. Die Ermächtigungsnorm umreißt auch in mehrfacher Hinsicht die Zwecke, die der Verordnungsgeber verfolgen darf und sieht ferner in S. 2 vor, dass eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen ist. Schließlich betrifft die Ermächtigung einen Bereich, der wegen der Vielzahl der in unterschiedlichster Weise ausgestalteten Nebenleistungen zu Löhnen und Gehältern nur schwer fassbar ist und sich daher für eine nähere Abgrenzung durch den Verordnungsgeber anbot. Eine konkretere Angabe der zu verfolgenden Zwecke hätte dem Verordnungsgeber zum Teil die Möglichkeit zu sachgerechten, den Besonderheiten der jeweiligen Bezüge angepassten Bestimmungen genommen, die der Gesetzgeber in diesem Bereich offenbar für erforderlich gehalten hat. Er hat sich deswegen hier der Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Pflichten nicht in einer mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG unvereinbaren Weise entzogen (vergleiche BSG SozR 2100 § 17 Nr. 5). 37Entgegen der Ansicht des Klägers ist auch die SvEV formell ordnungsgemäß zu Stande gekommen, formelle Mängel sind nicht ersichtlich, insbesondere sind die ermächtigende Einzelvorschrift und die Bundesregierung als Verordnungsgeber eindeutig erkennbar. 38Eine Verordnung, die - wie hier - auf mehreren Ermächtigungsgrundlagen beruht, muss diese vollständig zitieren (vergleiche BVerfGE 101,1 ff.). Diesen Vorgaben wird die streitige Verordnung gerecht. In der Präambel der Verordnung zur Neuordnung der Regelungen über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt vom 21.12.2006 ist zutreffend ausschließlich die Bundesregierung als Verordnungsgeber auf der Grundlage des § 17 Abs. 1 SGB IV benannt, für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium des Inneren werden die hier einschlägigen Ermächtigungsnormen (§ 13 SGB II bzw. § 12 Abs. 4 Bundesumzugskostengesetz, § 15 Abs. 1 Bundesreisekostengesetz) genannt. Daraus ergibt sich eindeutig, dass die in Art. 1 der Verordnung vom 21.12.2006 normierte SvEV ausschließlich die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen hat. Die Tätigkeit der genannten Ministerien bezieht sich - wie eindeutig ersichtlich - ausschließlich auf die in Art. 3 der Verordnung vom 21.12.2006 vorgenommene Änderung anderer Verordnungen, für die eine Zuständigkeit der genannten Ministerien bestand. 39Die Bundesregierung hat mit Zustimmung des Bundesrates von der Ermächtigung in der Weise Gebrauch gemacht, dass sie zunächst bestimmte Beiträge und Zuwendungen vom Arbeitsentgelt ausgenommen, die Ausnahme später aber in § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V.m. S. 2 ArEV bzw. § 1 Absatz 1 S. 3 und S. 4 SvEV teilweise wieder eingeschränkt hat. Im Umfang dieser Einschränkung wurde damit zu der Regel des § 14 Abs. 1 SGB IV zurückgekehrt, so dass die fraglichen Beiträge und Zuwendungen wieder dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind (vergleiche BSG SozR 2100 § 17 Nr. 5). So gesehen beruht die Beschwer des Klägers letztlich auf § 14 Abs. 1 SGB IV und nicht auf der ArEV bzw. der SvEV. 40In der Zusammenschau der genannten Regelungen ergibt sich für die Beitragspflicht des Klägers, dass die Umlage, soweit sie vom Kläger als Arbeitnehmer zu versteuern war, stets gemäß § 14 SGB IV der Beitragspflicht unterlag. Insoweit fanden sich weder in der ArEV noch in der SvEV Ausnahmevorschriften. Die Regelungen der genannten Verordnungen bezogen sich stets nur auf den nach § 40b EStG pauschal versteuerten Anteil sowie - seit Januar 2008 - auch auf den nunmehr nach § 3 Nr. 56 EStG steuerfreien Anteil der Umlage; insoweit regelten die Verordnungen Hinzurechnungsbeträge, die als Arbeitsentgelt anzusehen waren, aber stets deutlich unter der von dem Arbeitgeber geleisteten Umlage lagen. Dies verdeutlicht, dass der gesamte Inhalt der Verordnung im Vergleich zu einer ausnahmslosen Anwendung des § 14 Abs. 1 SGB IV für den Beitragszahler entlastend, nicht jedoch erhöhend wirkte. Dies mindert die Grundrechtsrelevanz der Verordnung (vergleiche BSG SozR 2100 § 17 Nr. 5). 41Die ArEV und die SvEV sind hinsichtlich dieser Hinzurechnungsregelungen rechtmäßig. Die Verordnungen sind entsprechend der Ermächtigung nur für Regelungen vorgesehen und zulässig, nach denen bestimmte Einnahmen ganz oder teilweise nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind. Deshalb bedürfen die Regelungen der Rechtfertigung gegenüber der gesetzlichen Ermächtigung grundsätzlich nur, soweit Beiträge und Zuwendungen vom Arbeitsentgelt ausgenommen werden, nicht hingegen, soweit sie - wie vom Kläger beanstandet - Arbeitsentgelt bleiben (BSG SozR 2100 § 17 Nr. 5). 42Auch soweit die Regelungen gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 ArEV bzw. § 1 Abs. 1 S. 3 und 4 SvEV umfassender auf die Vereinbarkeit mit der Ermächtigung geprüft werden müssen, weil sie den Beitragseinzug komplizieren und zu Ungleichbehandlungen zwischen Arbeitnehmern führen können, sind sie nicht zu beanstanden (vergleiche BSG SozR 2100 § 17 Nr. 5). Dabei ist zu beachten, dass der Verordnungsgeber verfassungsrechtlich von vornherein einen Gestaltungsspielraum nur innerhalb der ihm jeweils aufgrund Art. 80 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen haben kann. Das Gleichheitsgebot bedeutet, dass der Verordnungsgeber im wohlverstandenen Sinne der ihm erteilten Ermächtigung zu handeln und sich von sachfremden Erwägungen freizuhalten hat. Diese Grenzen sind hier nicht überschritten. 43Die streitigen Regelungen stellen das Ergebnis einer Abwägung zwischen zwei widerstreitenden Zielen dar: Indem mit der Grundvorschrift zunächst bestimmte Zukunftssicherungsleistungen vom Arbeitsentgelt ausgenommen wurden, räumte der Verordnungsgeber der Beitragsentlastung den Vorrang ein. Durch die spätere Einschränkung der Ausnahme drängte er demgegenüber den Entlastungseffekt teilweise wieder zurück und verschaffte den Interessen der Sozialversicherung an der Sicherung der zu ihrer Funktionsfähigkeit erforderlichen Beitragseinnahmen Geltung. Eine solche Entscheidung des Verordnungsgebers ist nach Wortlaut und Zweck der gesetzlichen Ermächtigung des § 17 SGB IV legitim, weil die Regelung der Wahrung der Belange der Sozialversicherung dient. Der Schutz vor einem unvermittelt eintretenden erheblichen Beitragsausfall bleibt auch dann ein erlaubter Zweck, wenn dadurch andere Belange der Sozialversicherung und der in ihr Versicherten zurücktreten müssen (vergleiche BSG SozR 2100 § 17 Nr. 5). Der Verordnungsgeber durfte unter diesem Gesichtspunkt auch davon absehen, die Hinzurechnungsbeträge - wie ursprünglich beabsichtigt - zum 1.1.2008 zu streichen (vergleiche BR-Drucksache 819/06, Seite 10). Gleiches gilt für die Änderungen zum 1.1.2008 durch Art. 19a des Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 19.12.2007 (vergleiche BT-Drucksache 16/6986, Seite 37; Werner in: Juris-PK § 14 SGB IV Rn. 171). 44Die streitigen Regelungen sind auch mit Art. 3 GG vereinbar, soweit die Beiträge und Zuwendungen nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ArEV bzw. nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 SvEV bzw. die Zuwendungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4a SvEV nur unter den in § 2 Abs. 1 S. 2 ArEV bzw. in § 1 Abs. 1 S. 3 und 4 SvEV genannten Voraussetzungen dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, denn die Zurechnung der dort genannten Zukunftssicherungsleistungen zum Arbeitsentgelt ist auf Grund der in den Vorschriften jeweils beschriebenen Besonderheiten der Versorgungssysteme gerechtfertigt (vergleiche BSG SozR 2100 § 17 Nr. 5). Diese Besonderheiten bestehen auch nach der Umstellung des Zusatzversorgungssystems im öffentlichen Dienst zumindest derzeit noch in hinreichendem Umfang, wie die Ermittlung von Startgutschriften und die Berücksichtigung sozialer Komponenten deutlich machen. 45Nach alledem hat die Beklagte die Höhe der Beitragspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung zutreffend festgestellt, so dass auch kein Anspruch auf Beitragserstattung besteht. 46Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. 47Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht, da die Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind. | die berufung des klägers gegen das urteil des sozialgerichts münster vom 03.04.2012 wird zurückgewiesen. kosten sind auch im berufungsverfahren nicht zu erstatten. 1 | 2streitig ist die höhe des beitragspflichtigen arbeitsentgelts und dabei insbesondere, ob und gegebenenfalls inwieweit die umlagezahlungen der beigeladenen zu 2) an die versorgungsanstalt des bundes und der länder (vbl) als beitragspflichtiges entgelt zu berücksichtigen sind oder ob dem kläger insoweit ein beitragserstattungsanspruch zusteht. 3der 1974 geborene kläger, der in der zeit vom 1.4.2004 bis 31.3.2011 bei der beklagten krankenversichert war, stand von august 1990 bis juni 2011 in einem angestelltenverhältnis bei der beigeladenen zu 2) bzw. deren rechtsvorgängerin (im folgenden nur: beigeladene zu 2)). die beigeladene zu 2) war mitglied der vbl und gewährte ihren beschäftigten auf tarifvertraglicher grundlage eine zusatzversorgung bei der vbl. in den arbeitsverträgen wird hinsichtlich der zusatzversorgung auf den tarifvertrag bezug genommen. mit der neufassung ihrer satzung vom 22.11.2002 stellte die vbl ihr zusatzversorgungssystem um, indem das bisherige endgehaltbezogene system der gesamtversorgung formell zum 31.12.2001 geschlossen und ab 1.1.2002 durch ein betriebsrentensystem ersetzt wurde. den systemwechsel hatten die tarifvertragsparteien des öffentlichen dienstes zuvor vereinbart. die neue zusatzversorgung basiert auf einem versicherungsmathematischen punktemodell, bei dem die leistungen ab 1.1.2002 so bemessen werden, als ob eine gesamtbeitragsleistung von 4 % des zusatzversorgungspflichtigen entgeltes (2,59 % arbeitgeberanteil, 1,41 % arbeitnehmeranteil) in ein kapitalgedecktes system eingezahlt worden sei. 4die beigeladene zu 2) entrichtete als arbeitgeberin regelmäßig umlagen in höhe von insgesamt 7,86 % des zusatzversorgungspflichtigen entgelts, welches grundsätzlich dem steuerpflichtigen arbeitslohn entspricht, an die vbl, wobei die umlagen zu 6,45 % die beigeladene zu 2) und zu 1,41 % der kläger aufgebracht hat. die beigeladene zu 2) berücksichtigte jedenfalls teilweise auch die von ihr gezahlte umlage - entsprechend den regelungen der bis zum 31.12.2006 geltenden verordnung über die bestimmung des arbeitsentgelts in der sozialversicherung (arbeitsentgeltverordnung - arev) bzw. der ab 1.1.2007 geltenden verordnung über die sozialversicherungsrechtliche beurteilung von zuwendungen des arbeitgebers als arbeitsentgelt (sozialversicherungsentgeltverordnung (svev)) - als sozialversicherungspflichtiges entgelt. 5im januar 2007 belief sich das zusatzversorgungspflichtige entgelt des klägers auf 2.628,29 eur, die vom kläger zu zahlende umlage auf 37,06 eur und die von der beigeladenen zu 2) als arbeitgeberanteil geleistete umlage betrug 169,53 eur. dieser betrag wurde von der beigeladenen zu 2) bis zum höchstbetrag von 92,03 eur pauschal zu ihren lasten versteuert. der übersteigende betrag von 77,50 eur war vom kläger individuell zu versteuern und wurde ebenso wie der sich nach § 1 absatz 1 s. 3 svev ergebende hinzurechnungsbetrag von 22,37 eur als beitragspflichtig angesehen, so dass in der gehaltsbescheinigung insoweit insgesamt 99,87 eur als weiteres beitragspflichtiges entgelt ausgewiesen wurden. 6im februar 2007 wandte der kläger sich an die beklagte und begehrte die feststellung, dass der pauschal versteuerte anteil von 92,03 eur auch nicht teilweise - nämlich i.h.v. 22,37 eur - der sozialversicherungspflicht unterliege; die in der vergangenheit zu unrecht erhobenen beiträge seien im rahmen der verjährungsfristen zu erstatten. 7mit bescheid vom 27.11.2007 lehnte die beklagte die begehrte feststellung und die beitragserstattung ab. die beigeladene zu 2) habe das sozialversicherungspflichtige entgelt zutreffend unter berücksichtigung der einschlägigen vorschriften ermittelt, so dass keine beitragsüberzahlung vorliege. den hiergegen eingelegten widerspruch wies die beklagte mit widerspruchsbescheid vom 30.5.2008 als unbegründet zurück. 8am 30.6.2008 hat der kläger klage vor dem sozialgericht (sg) münster erhoben und vorgetragen, die umlage sei nicht nur hinsichtlich des hinzurechnungsbetrages sondern in vollem umfang nicht beitragspflichtig. denn bei der umlagezahlung handele es sich nicht um sozialversicherungspflichtiges entgelt im rahmen der maßgeblichen gesetzlichen regelung des § 14 sozialgesetzbuch viertes buch (sgb iv). hilfsweise hat er geltend gemacht, dass die umlage allenfalls zu einem geringeren anteil als von der beklagten zu grunde gelegt beitragspflichtig sei. 9der kläger hat beantragt, 10den bescheid der beklagten vom 27.11.2007 in der gestalt des widerspruchsbescheides des widerspruchsausschusses der beklagten vom 30.5.2008 aufzuheben und festzustellen, dass die vom arbeitgeber des klägers (dem beigeladenen zu 2)) an die versorgungsanstalt des bundes und der länder geleistete umlage nicht - auch nicht zum teil - der beitragspflicht zur sozialversicherung unterliegt und die beklagte verpflichtet ist, für die zeit vom 1. januar 2003 bis 31. dezember 2010 die auf die umlage erhobenen sozialversicherungsbeiträge von der beklagten an den kläger zu erstatten. 11die beklagte hat beantragt, 12die klage abzuweisen. 13sie hat auf den inhalt der angefochtenen bescheide verwiesen. 14durch urteil vom 3.4.2012 hat das sg die klage abgewiesen. die umlage sei grundsätzlich als arbeitsentgelt einzustufen. die beklagte habe die höhe des sozialversicherungspflichtigen anteils der vom arbeitgeber gezahlten umlage auch zutreffend ermittelt. die maßgeblichen regelungen der svev seien nicht verfassungswidrig. 15gegen das ihm am 20.4.2012 zugestellte urteil hat der kläger am 21.5.2012 (montag) berufung eingelegt. er hat sein erstinstanzliches vorbringen wiederholt und vertieft. falls seiner ansicht der gänzlich fehlenden sozialversicherungspflicht der umlage nicht gefolgt werde, so könnten von dem arbeitgeberanteil i.h.v. 6,45 % maximal 2,59 % beitragspflichtig sein. der wert von 2,59 % sei die differenz zwischen dem arbeitnehmeranteil von 1,41 % und dem leistungsanspruch des arbeitnehmers aus dem kapitalgedeckten system i.h.v. 4 %. äußerst hilfsweise werde geltend gemacht, das zumindest keine hinzurechnung nach § 1 abs. 1 s. 3 und 4 svev erfolgen könne, denn weder die steuerfreien noch die pauschal versteuerten umlageanteile könnten beitragspflichtig sein. die entgegenstehenden regelungen der svev verstießen insoweit gegen höherrangiges recht. streitgegenständlich sei die zeit vom 1.4.2004 bis zum 31.3.2011. 16der kläger beantragt, 17das urteil des sozialgerichts münster vom 3.4.2012 zu ändern und 1. den bescheid der beklagten vom 27.11.2007 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 30.5.2008 aufzuheben 2. festzustellen, dass die vom arbeitgeber des klägers an die versorgungsanstalt des bundes und der länder geleistete umlage nicht - auch nicht zum teil - der beitragspflicht zur sozialversicherung unterliegt 3. die beklagte zu verpflichten, die für die zeit vom 1.4.2004 bis 31.3.2011 auf die umlage erhobenen gesamtsozialversicherungsbeiträge an den kläger zu erstatten. 18die beklagte beantragt, 19die berufung zurückzuweisen. 20sie hält das erstinstanzliche urteil für zutreffend und verweist ergänzend auf die höchstrichterliche rechtsprechung. danach sei die umlage als arbeitsentgelt einzustufen und die regelungen der svev seien rechtmäßig. 21wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakten und der beigezogenen verwaltungsakte der beklagten bezug genommen, der gegenstand der mündlichen verhandlung gewesen ist. 22 | 23die zulässige berufung ist unbegründet. das sg hat die klage zu recht abgewiesen. die beklagte hat die von der beigeladenen zu 2) für den kläger an die vbl geleistete umlage zutreffend teilweise dem beitragspflichtigen entgelt in der sozialversicherung zugerechnet und insoweit beiträge zur sozialversicherung erhoben. beitragserstattungsansprüche des klägers bestehen mithin nicht. 24streitgegenstand ist der bescheid der beklagten vom 27.11.2007 in der fassung des widerspruchsbescheides vom 30.5.2008, mit dem die beklagte entschieden hat, dass die von der beigeladenen zu 2) getragene umlage teilweise - entsprechend den regelungen der arev bzw. svev - dem arbeitsentgelt zuzurechnen und davon beiträge zur sozialversicherung zu entrichten sind. diese entscheidung der beklagten betrifft die zeit der mitgliedschaft des klägers; die dementsprechende änderung des klageantrags ist gemäß §§ 153 abs. 1, 99 abs. 1, 3 nr. 2 sozialgerichtsgesetz (sgg) zulässig ... die beklagte hat als zuständige einzugsstelle zutreffend gemäß § 28h abs. 2 sgb iv über die versicherungspflicht und beitragshöhe in der kranken-, pflege-, und rentenversicherung sowie nach dem recht der arbeitsförderung für die zeit der mitgliedschaft des klägers entschieden (bsg sozr 4-2400 § 28h nrn. 1, 4). 25die umlage gehört zu dem arbeitsentgelt, das nach § 226 abs. 1 nr. 1 sozialgesetzbuch fünftes buch (sgb v) in der krankenversicherung, nach § 57 abs. 1 sozialgesetzbuch elftes buch (sgb xi) in der pflegeversicherung, nach § 162 nr. 1 sozialgesetzbuch sechstes buch (sgb vi) in der rentenversicherung und nach § 342 sozialgesetzbuch drittes buch (sgb iii) auch zur bundesagentur für arbeit beitragspflichtig ist. arbeitsentgelt sind nach § 14 abs. 1 sgb iv, der für sämtliche sozialversicherungszweige einschließlich der bundesagentur für arbeit gilt (§ 1 abs. 1 sgb iv), alle laufenden oder einmaligen einnahmen aus einer beschäftigung, gleichgültig, ob ein rechtsanspruch auf die einnahmen besteht, unter welcher bezeichnung oder in welcher form sie geleistet werden oder ob sie unmittelbar aus der beschäftigung oder im zusammenhang mit ihr erzielt werden. 26zum arbeitsentgelt in diesem - weiten - sinne gehört auch die umlage, die der arbeitgeber in höhe eines bestimmten vomhundertsatzes des maßgebenden entgelts für seinen arbeitnehmer an eine zusatzversorgungseinrichtung zahlt. daran ändert entgegen der ansicht des klägers nichts, dass diese einnahmen unmittelbar nicht ihm sondern einer zusatzversorgungseinrichtung zu fließen. 27die weite begriffsbestimmung des arbeitsentgelts in § 14 abs. 1 sgb iv erfasst alle einnahmen, die versicherten in ursächlichem zusammenhang mit einer beschäftigung zufließen. hierzu gehören die gegenleistungen des arbeitsgebers oder eines dritten für eine konkret zu ermittelnde arbeitsleistung des beschäftigten und solche vergütungen, die zugleich einen anreiz für weitere erfolgreiche arbeit schaffen sollen (vergleiche bsg sozr 4-2400 § 14 nr. 8). die umlagezahlungen der beigeladenen zu 2) sind als zukunftssicherungsleistungen teil des arbeitslohnes. daran ändert entgegen der ansicht des klägers auch die umstellung des zusatzversorgungssystems zum 31.12.2001 nichts. 28die vbl hat die aufgabe, den angestellten und arbeitern der an ihr beteiligten arbeitgeber des öffentlichen dienstes im wege privatrechtlicher versicherung eine zusätzliche alters-, erwerbsminderungs- und hinterbliebenenversorgung zu gewähren. mit neufassung ihrer satzung vom 22.11.2002 hat die vbl ihr zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31.12.2001 umgestellt. diesen systemwechsel hatten die tarifvertragsparteien des öffentlichen dienstes im tarifvertrag altersversorgung vom 1.3.2002 vereinbart. damit wurde das frühere - auf dem versorgungstarifvertrag vom 4.11.1966 beruhende - endgehaltbezogene gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem punktemodell nach versicherungsmathematischen grundsätzen beruhendes betriebsrentensystem ersetzt. in dem eingeführten betriebsrentensystem beruht die berechnung der monatlichen betriebsrente auf der summe der bis zum beginn der betriebsrente erworbenen versorgungspunkte, die sich unter anderem für das zusatzversorgungsberechtigte entgelt, für soziale komponenten und als bonuspunkte ergeben können. in versorgung umgerechnet wurden auch die bis zur systemumstellung erworbenen rentenanwartschaften der versicherten, die als so genannte startgutschriften auf die neuen versorgungskonten der versicherten übertragen wurden. die umstellung auf ein kapitalgedecktes versorgungssystem ist zwar angestrebt aber noch nicht vollzogen; derzeit handelt es sich weiterhin um eine umlagefinanzierung. 29maßgebend für die einstufung als arbeitsentgelt ist, dass dem arbeitnehmer gegen die versorgungseinrichtung, an die der arbeitgeber die beiträge geleistet hat, ein unmittelbarer und unentziehbarer rechtsanspruch auf die leistung zusteht (vergleiche lsg baden-württemberg urteil vom 28.2.2012, l 13 r 5466/09; bfh urteile vom 7.5.2009, vi r 8/07 und vom 15.9.2011, vi r 36/09). erlangt der arbeitnehmer - wie hier -einen eigenen rechtsanspruch gegen den versicherer, fließt im zeitpunkt der beitragszahlung des arbeitgebers arbeitslohn zu. das entgelt liegt dabei in den beiträgen des arbeitgebers, mit denen dieser den versicherungsschutz des arbeitnehmers finanziert. entscheidend ist, dass der arbeitnehmer durch die teilnahme an dem kollektiven finanzierungssystem anwartschaftsrechte auf künftige versorgung erhält; dass zwischen der nominalen höhe der umlage und dem versicherungsmathematisch errechneten barwert der versorgungsanwartschaft keine deckungsgleichheit bestehen mag, ist unschädlich. auch die art des zur zukunftssicherung angewandten deckungssystems ist für die qualifizierung der entsprechenden beiträge als arbeitslohn grundsätzlich nicht von bedeutung. denn mit der finanzierung des versicherungsschutzes des arbeitnehmers wendet der arbeitgeber die entsprechenden beiträge und nicht die bei eintritt des versicherungsfalles zu gewährenden versicherungsleistungen zu. mithin ist grundsätzlich die vom arbeitgeber gezahlte umlage in vollem umfang und entgegen der ansicht des klägers nicht nur im umfang von 4 % bzw. 2,59 % des zusatzversorgungspflichtigen entgelts als entgelt im sinne von § 14 sgb iv anzusehen. 30soweit der kläger meint, die einstufung der umlage als entgelt scheide deshalb aus, weil es sich um ein verdecktes sanierungsgeld handele, stellt er wiederum auf wirtschaftlichkeitsaspekte ab, die - wie oben dargelegt - hier nicht maßgeblich sind. dem umlagefinanzierten system ist gerade immanent, dass die leistungsfähigkeit der solidargemeinschaft wirtschaftlich von der jeweiligen erwerbsgeneration getragen wird. letztlich sind die zahlungen im umlageverfahren nicht zu vergleichen mit zahlungen, die aufgrund einer schließung des gesamtversorgungssystems als sanierungsgeld geleistet werden (vergleiche bfh aao). 31die umlage ist in der höhe, in der die beklagte ihre beitragspflicht angenommen hat, nicht vom arbeitsentgelt ausgenommen, insbesondere nicht durch die aufgrund von § 17 sgb iv erlassene arev bzw. svev. 32in § 17 abs. 1 sgb iv in der bis zum 10.8.2010 geltenden fassung wurde die bundesregierung ermächtigt, durch rechtsverordnung mit zustimmung des bundesrates zur wahrung der belange der sozialversicherung und der arbeitsförderung, zur förderung der betrieblichen altersversorgung und zur vereinfachung des beitragseinzugs, zu bestimmen, dass einmalige einnahmen oder laufende zulagen, zuschläge, zuschüsse oder ähnliche einnahmen, die zusätzlich zu löhnen oder gehältern gewährt werden, und steuerfreie einnahmen ganz oder teilweise nicht als arbeitsentgelt gelten (nr. 1), dass beiträge an direktversicherungen und zuwendungen an pensionskassen oder pensionsfonds ganz oder teilweise nicht als arbeitsentgelt gelten (nr. 2), wie das arbeitsentgelt, das arbeitseinkommen und das gesamteinkommen zu ermitteln und zeitlich zuzurechnen sind (nr. 3), den wert der sachbezüge nach dem tatsächlichen verkehrswert im voraus für jedes kalenderjahr (nr. 4).). dabei ist eine möglichst weitgehende übereinstimmung mit den regelungen des steuerrechts sicherzustellen, § 17 abs. 1 s. 2 sgb iv. mit wirkung zum 11.8.2010 wurde die verordnungsermächtigung aus vereinfachungsgründen von der bundesregierung auf das zuständige ministerium übertragen (vergleiche bt-drucksache 17/1684, seite 11). 33die bundesregierung hat von der ermächtigung gebrauch gemacht und mit zustimmung des bundesrates zunächst die arev vom 6.7.1977 erlassen, die in der folgezeit mehrfach geändert wurde. nach § 1 arev in der ab januar 2004 geltenden fassung waren einmalige einnahmen, laufende zulagen, zuschläge, zuschüsse sowie ähnliche einnahmen, die zusätzlich zu löhnen oder gehältern gewährt werden, nicht dem arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei waren und sich aus § 3 nichts abweichendes ergab. gemäß § 2 abs. 1 nr. 3 arev in der ab januar 2004 geltenden fassung waren beträge und zuwendungen nach § 40b des einkommensteuergesetzes (estg), die zusätzlich zu löhnen oder gehältern gewährt wurden, dem arbeitsentgelt nicht zuzurechnen, soweit s. 2 nichts abweichendes bestimmte, soweit der arbeitgeber die lohnsteuer mit einem pauschsteuersatz erheben kann und er die lohnsteuer nicht nach den vorschriften der §§ 39b, 39c oder 39d estg erhebt. die in s. 1 nr. 3 genannten beiträge und zuwendungen waren bis zur höhe von 2,5 vom hundert des für ihre bemessung maßgebenden entgelts dem arbeitsentgelt zuzurechnen, wenn die versorgungsregelung mindestens bis 31.12.2000 - vor der anwendung etwaiger nettobegrenzungsregelungen - eine allgemein erreichbare gesamtversorgung von mindestens 75 vom hundert des gesamtversorgungsfähigen entgelts und nach eintritt des versorgungsfalles eine anpassung nach maßgabe der entwicklung der arbeitsentgelte im bereich der entsprechenden versorgungsregelung oder gesetzlicher versorgungsbezüge vorgesehen hat; die dem arbeitsentgelt zuzurechnenden beiträge und zuwendungen vermindern sich um monatlich 13,30 eur. aufgrund dieser regelung hat die beklagte die umlage, die die beigeladene zu 2) als arbeitgeberin für den kläger an die vbl gezahlt hat und gemäß § 40b estg pauschal versteuert hat, i.h.v. 2,5 vom hundert des für die bemessung maßgebenden entgelts - abzüglich des zukunftssicherungsfreibetrages i.h.v. 13,30 eur - zu recht dem arbeitsentgelt zugerechnet, ebenso wie den für den kläger individuell lohnsteuerpflichtigen anteil der umlage. dass die beklagte das sozialversicherungspflichtige entgelt entsprechend den bestimmungen der arev zutreffend errechnet hat, stellt auch der kläger nicht in abrede. 34zum 1.1.2007 wurde die svev als art. 1 der verordnung zur neuordnung der regelungen über die sozialversicherungsrechtliche beurteilung von zuwendungen des arbeitgebers als arbeitsentgelt vom 21.12.2006 von der bundesregierung, dem bundesministerium für arbeit und soziales und dem bundesministerium des inneren im einvernehmen mit dem bundesministerium der finanzen und mit zustimmung des bundesrates erlassen bgbl i 2006, seite 3385). mit dieser verordnung wurden die zum 1.1.2007 außer kraft gesetzten regelungen der arev und der sachbezugsverordnung zusammengeführt. durch art. 19a des gesetzes zur änderung des vierten buches sozialgesetzbuch und anderer gesetze vom 19.12.2007 (bgbl i 2007, seite 3024) wurden § 1 abs. 1 nr. 4 und s. 3 svev neugefasst und § 1 abs. 1 nr. 4a und s. 4 svev eingefügt. 35§ 1 abs. 1 s. 1 nr. 1 und nr. 4 i.v.m. § 1 abs. 1 s. 2 und s. 3 svev übernahmen die regelungen der arev - jedenfalls für die hier streitige umlage - zunächst im wesentlichen unverändert. durch die änderungen der svev zum 1.1.2008 war die summe der in s. 1 nr. 4a genannten zuwendungen nach §§ 3 nr. 56 und 40b estg, höchstens jedoch monatlich 100 eur, bis zur höhe von 2,5 % des für ihre bemessung maßgebenden entgelts dem arbeitsentgelt zuzurechnen, wenn die versorgungsregelung mindestens bis zum einen 31.12.2000 vor der anwendung etwaiger nettobegrenzungsregelungen eine allgemein erreichbare gesamtversorgung von mindestens 75 % des gesamtversorgungsfähigen entgelts und nach dem eintritt des versorgungsfalles eine anpassung nach maßgabe der entwicklung der arbeitsentgelte im bereich der entsprechenden versorgungsregelung oder gesetzlicher versorgungsbezüge vorsieht; die dem arbeitsentgelt zuzurechnen beiträge und zuwendungen vermindern sich um monatlich 13,30 eur (§ 1 abs. 1 satz 3 svev). satz 3 gilt mit der maßgabe, dass die zuwendungen nach §§ 3 nr. 56 und § 40b estg dem arbeitsentgelt insoweit zu gerechnet werden, als sie in der summe monatlich 100 eur übersteigen (§ 1 abs. 1 satz 4 svev). die beklagte hat bei der ermittlung des sozialversicherungspflichtigen arbeitsentgelts des klägers die regelungen der svev stets zutreffend umgesetzt, was auch von dem kläger nicht in zweifel gezogen wird. 36die regelungen der arev und der svev sind entgegen der ansicht des klägers auch rechtmäßig. dies gilt zunächst für die ermächtigung zum erlass der streitigen bestimmungen. die dafür in § 17 abs. 1 sgb iv enthaltene ermächtigung genügt den anforderungen des art. 80 abs. 1 s. 2 gg. nach dieser verfassungsnorm müssen inhalt, zweck und ausmaß der erteilten ermächtigung im gesetz bestimmt werden. § 17 abs. 1 sgb iv ermächtigt zu bestimmungen über näher beschriebene zusatzleistungen zu löhnen und gehältern. die ermächtigung geht nur dahin, zusatzleistungen vom arbeitsentgelt auszunehmen; das schließt allerdings auch die befugnis ein, eine in der verordnung vorgesehene ausnahme wieder einzuschränken, wie dies in § 2 abs. 1 s. 2 arev bzw. § 1 abs. 1 s. 3 und 4 svev geschehen ist. die ermächtigungsnorm umreißt auch in mehrfacher hinsicht die zwecke, die der verordnungsgeber verfolgen darf und sieht ferner in s. 2 vor, dass eine möglichst weitgehende übereinstimmung mit den regelungen des steuerrechts sicherzustellen ist. schließlich betrifft die ermächtigung einen bereich, der wegen der vielzahl der in unterschiedlichster weise ausgestalteten nebenleistungen zu löhnen und gehältern nur schwer fassbar ist und sich daher für eine nähere abgrenzung durch den verordnungsgeber anbot. eine konkretere angabe der zu verfolgenden zwecke hätte dem verordnungsgeber zum teil die möglichkeit zu sachgerechten, den besonderheiten der jeweiligen bezüge angepassten bestimmungen genommen, die der gesetzgeber in diesem bereich offenbar für erforderlich gehalten hat. er hat sich deswegen hier der erfüllung seiner verfassungsrechtlichen pflichten nicht in einer mit art. 80 abs. 1 s. 2 gg unvereinbaren weise entzogen (vergleiche bsg sozr 2100 § 17 nr. 5). 37entgegen der ansicht des klägers ist auch die svev formell ordnungsgemäß zu stande gekommen, formelle mängel sind nicht ersichtlich, insbesondere sind die ermächtigende einzelvorschrift und die bundesregierung als verordnungsgeber eindeutig erkennbar. 38eine verordnung, die - wie hier - auf mehreren ermächtigungsgrundlagen beruht, muss diese vollständig zitieren (vergleiche bverfge 101,1 ff.). diesen vorgaben wird die streitige verordnung gerecht. in der präambel der verordnung zur neuordnung der regelungen über die sozialversicherungsrechtliche beurteilung von zuwendungen des arbeitgebers als arbeitsentgelt vom 21.12.2006 ist zutreffend ausschließlich die bundesregierung als verordnungsgeber auf der grundlage des § 17 abs. 1 sgb iv benannt, für das bundesministerium für arbeit und soziales und das bundesministerium des inneren werden die hier einschlägigen ermächtigungsnormen (§ 13 sgb ii bzw. § 12 abs. 4 bundesumzugskostengesetz, § 15 abs. 1 bundesreisekostengesetz) genannt. daraus ergibt sich eindeutig, dass die in art. 1 der verordnung vom 21.12.2006 normierte svev ausschließlich die bundesregierung mit zustimmung des bundesrates erlassen hat. die tätigkeit der genannten ministerien bezieht sich - wie eindeutig ersichtlich - ausschließlich auf die in art. 3 der verordnung vom 21.12.2006 vorgenommene änderung anderer verordnungen, für die eine zuständigkeit der genannten ministerien bestand. 39die bundesregierung hat mit zustimmung des bundesrates von der ermächtigung in der weise gebrauch gemacht, dass sie zunächst bestimmte beiträge und zuwendungen vom arbeitsentgelt ausgenommen, die ausnahme später aber in § 2 abs. 1 s. 1 nr. 3 i.v.m. s. 2 arev bzw. § 1 absatz 1 s. 3 und s. 4 svev teilweise wieder eingeschränkt hat. im umfang dieser einschränkung wurde damit zu der regel des § 14 abs. 1 sgb iv zurückgekehrt, so dass die fraglichen beiträge und zuwendungen wieder dem arbeitsentgelt zuzurechnen sind (vergleiche bsg sozr 2100 § 17 nr. 5). so gesehen beruht die beschwer des klägers letztlich auf § 14 abs. 1 sgb iv und nicht auf der arev bzw. der svev. 40in der zusammenschau der genannten regelungen ergibt sich für die beitragspflicht des klägers, dass die umlage, soweit sie vom kläger als arbeitnehmer zu versteuern war, stets gemäß § 14 sgb iv der beitragspflicht unterlag. insoweit fanden sich weder in der arev noch in der svev ausnahmevorschriften. die regelungen der genannten verordnungen bezogen sich stets nur auf den nach § 40b estg pauschal versteuerten anteil sowie - seit januar 2008 - auch auf den nunmehr nach § 3 nr. 56 estg steuerfreien anteil der umlage; insoweit regelten die verordnungen hinzurechnungsbeträge, die als arbeitsentgelt anzusehen waren, aber stets deutlich unter der von dem arbeitgeber geleisteten umlage lagen. dies verdeutlicht, dass der gesamte inhalt der verordnung im vergleich zu einer ausnahmslosen anwendung des § 14 abs. 1 sgb iv für den beitragszahler entlastend, nicht jedoch erhöhend wirkte. dies mindert die grundrechtsrelevanz der verordnung (vergleiche bsg sozr 2100 § 17 nr. 5). 41die arev und die svev sind hinsichtlich dieser hinzurechnungsregelungen rechtmäßig. die verordnungen sind entsprechend der ermächtigung nur für regelungen vorgesehen und zulässig, nach denen bestimmte einnahmen ganz oder teilweise nicht dem arbeitsentgelt zuzurechnen sind. deshalb bedürfen die regelungen der rechtfertigung gegenüber der gesetzlichen ermächtigung grundsätzlich nur, soweit beiträge und zuwendungen vom arbeitsentgelt ausgenommen werden, nicht hingegen, soweit sie - wie vom kläger beanstandet - arbeitsentgelt bleiben (bsg sozr 2100 § 17 nr. 5). 42auch soweit die regelungen gemäß § 2 abs. 1 s. 2 arev bzw. § 1 abs. 1 s. 3 und 4 svev umfassender auf die vereinbarkeit mit der ermächtigung geprüft werden müssen, weil sie den beitragseinzug komplizieren und zu ungleichbehandlungen zwischen arbeitnehmern führen können, sind sie nicht zu beanstanden (vergleiche bsg sozr 2100 § 17 nr. 5). dabei ist zu beachten, dass der verordnungsgeber verfassungsrechtlich von vornherein einen gestaltungsspielraum nur innerhalb der ihm jeweils aufgrund art. 80 abs. 1 gg gezogenen grenzen haben kann. das gleichheitsgebot bedeutet, dass der verordnungsgeber im wohlverstandenen sinne der ihm erteilten ermächtigung zu handeln und sich von sachfremden erwägungen freizuhalten hat. diese grenzen sind hier nicht überschritten. 43die streitigen regelungen stellen das ergebnis einer abwägung zwischen zwei widerstreitenden zielen dar: indem mit der grundvorschrift zunächst bestimmte zukunftssicherungsleistungen vom arbeitsentgelt ausgenommen wurden, räumte der verordnungsgeber der beitragsentlastung den vorrang ein. durch die spätere einschränkung der ausnahme drängte er demgegenüber den entlastungseffekt teilweise wieder zurück und verschaffte den interessen der sozialversicherung an der sicherung der zu ihrer funktionsfähigkeit erforderlichen beitragseinnahmen geltung. eine solche entscheidung des verordnungsgebers ist nach wortlaut und zweck der gesetzlichen ermächtigung des § 17 sgb iv legitim, weil die regelung der wahrung der belange der sozialversicherung dient. der schutz vor einem unvermittelt eintretenden erheblichen beitragsausfall bleibt auch dann ein erlaubter zweck, wenn dadurch andere belange der sozialversicherung und der in ihr versicherten zurücktreten müssen (vergleiche bsg sozr 2100 § 17 nr. 5). der verordnungsgeber durfte unter diesem gesichtspunkt auch davon absehen, die hinzurechnungsbeträge - wie ursprünglich beabsichtigt - zum 1.1.2008 zu streichen (vergleiche br-drucksache 819/06, seite 10). gleiches gilt für die änderungen zum 1.1.2008 durch art. 19a des gesetzes zur änderung des sgb iv und anderer gesetze vom 19.12.2007 (vergleiche bt-drucksache 16/6986, seite 37; werner in: juris-pk § 14 sgb iv rn. 171). 44die streitigen regelungen sind auch mit art. 3 gg vereinbar, soweit die beiträge und zuwendungen nach § 2 abs. 1 s. 1 nr. 3 arev bzw. nach § 1 abs. 1 nr. 4 svev bzw. die zuwendungen nach § 1 abs. 1 nr. 4a svev nur unter den in § 2 abs. 1 s. 2 arev bzw. in § 1 abs. 1 s. 3 und 4 svev genannten voraussetzungen dem arbeitsentgelt zuzurechnen sind, denn die zurechnung der dort genannten zukunftssicherungsleistungen zum arbeitsentgelt ist auf grund der in den vorschriften jeweils beschriebenen besonderheiten der versorgungssysteme gerechtfertigt (vergleiche bsg sozr 2100 § 17 nr. 5). diese besonderheiten bestehen auch nach der umstellung des zusatzversorgungssystems im öffentlichen dienst zumindest derzeit noch in hinreichendem umfang, wie die ermittlung von startgutschriften und die berücksichtigung sozialer komponenten deutlich machen. 45nach alledem hat die beklagte die höhe der beitragspflicht zu allen zweigen der sozialversicherung zutreffend festgestellt, so dass auch kein anspruch auf beitragserstattung besteht. 46die kostenentscheidung beruht auf § 193 sgg. 47anlass zur zulassung der revision besteht nicht, da die voraussetzungen gemäß § 160 abs. 2 sgg nicht erfüllt sind. | Verklagte*r | 0 |
188,777 | 1 K 1448/13 | 2013-10-22T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 1Tatbestand:2Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Außenbereichs-grundstücks G. in M. .3Mit Baugenehmigung vom 11.03.2013 genehmigte die Beklagte dem beigeladenen Verein die Errichtung eines Tierheims auf dem Grundstück Gemarkung M. Flur … Flurstück …. Dieses Grundstück liegt südöstlich des Wohngrundstücks des Klägers. Zu dem Vorhaben gehören zwei Hundehäuser nebst Hundequarantäne-station, zwei Katzenhäuser, ein Verwaltungsgebäude sowie ein Wohnhaus, das nach der Betriebsbeschreibung von einer Tierpflegerin genutzt werden soll, um Betreuung und Überwachung der Tiere sowie einen Notdienst über 24 Stunden zu gewähr-leisten. Die Entfernung zwischen dem Wohnhaus und den Einrichtungen des Tierheims beträgt mehr als 300 m. Gemäß Nebenbestimmung UAIS 01 sind die von der Genehmigung erfassten Anlagenteile schalltechnisch so zu errichten und zu betreiben, dass die von diesen Anlagen einschließlich aller Nebeneinrichtungen verursachten Geräuschimmissionen am Wohnhaus des Klägers Immissionsricht-werte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts nicht überschreiten. Laut Nebenbe-stimmung UAIS 04 werden sogenannte Zwingerhunde, die nachts nicht in geschlossenen Räumen gehalten werden können, im Zwinger außerhalb der Gebäude untergebracht, und zwar bis zu vier Tiere im Bereich der Quarantänestation sowie bis zu 3 Tiere im Bereich des Hundehauses 1. Weitere Bestandteile der Baugenehmigung sind das schalltechnische Gutachten der B. GmbH vom 18.10.2012 sowie die ergänzende Begutachtung vom 08.11.2012, die sich auf die nächtliche Unterbringung der sog. Zwingerhunde außerhalb der Gebäude bezieht.4Am 08.04.2013 hat der Kläger Klage erhoben. Er meint, die Baugenehmigung verstoße zu seinen Lasten gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Die Begutachtung der zu erwartenden Lärmbelastung durch die B. GmbH sei mangelhaft. Damit sei nicht hinreichend sichergestellt, dass die in der Baugenehmigung festgeschriebenen Immissionsrichtwerte beim Betrieb des Tierheims eingehalten werden. Der den Berechnungen zu Grunde gelegte Schallleistungspegel für Hundegebell sei nicht nachvollziehbar. Die eigene Messung, auf die sich der Gutachter berufe, sei nicht in einer überprüfbaren Weise dokumentiert worden. Gleiches gelte für dessen Behauptung, die in den Berechnungen nicht berücksichtigte Abschirmungswirkung der Gebäude sei mit wenigstens 5 dB(A) zu veranschlagen. Im Übrigen dürfe die Prognose, um auf der sicheren Seite zu liegen, keinen Mittelwert unterschiedlich lauter Hunde zu Grunde legen. Sie müsse vielmehr von dem maximalen Schallleistungspegel bellender Hunde ausgehen. Außerdem bedürfe es eines Zuschlags für Ton- und Informationshaltigkeit von 3 dB(A) bzw. 6 dB(A).5Der Kläger beantragt,6die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 11.03.2013 für den Neubau eines Tierheims auf dem Grundstück Gemarkung M. Flur … Flurstück … aufzuheben.7Die Beklagte beantragt,8die Klage abzuweisen.9Zur Begründung weist sie darauf hin, dass das Schallgutachten der B. GmbH in konservativer Vorgehensweise erstellt worden sei. So betrage die Abschirmungswirkung, die durch die Anordnung der Hundezwinger vor den südlichen Außenwänden der Gebäude erzielt werde und in der Berechnung der B. GmbH nicht berücksichtigt worden sei, mehr als 5 dB(A). Somit werde der Immissionswert für die Nachtzeit um 6 dB(A) unterschritten. Maßnahmen zur Einhaltung der Immissionsrichtwerte müssten nicht explizit in der Baugenehmigung aufgegeben werden. Sie lägen im Ermessen des professionellen Betriebspersonals.10Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.11Die Kammer hat das Verfahren durch Beschluss vom 28.08.2013 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, § 6 Abs. 1 VwGO.12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten.13Entscheidungsgründe:14Die zulässige Anfechtungsklage ist nicht begründet.15Die streitbefangene Baugenehmigung vom 11.03.2013 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.16Ein Rechtsanspruch des Nachbarn auf Aufhebung besteht nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Hinzukommen muss, dass der Nachbar durch die rechtswidrige Baugenehmigung zugleich in eigenen Rechten verletzt wird. Dies setzt voraus, dass die Baugenehmigung gegen Rechtsnormen verstößt, die nachbarschützenden Charakter haben und der jeweilige Nachbar auch tatsächlich in seinen eigenen Rechten, deren Schutz die Vorschriften zu dienen bestimmt sind, verletzt wird.17Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.08.1983 - 4 B 94.93 -, BRS 40 Nr. 190; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, BauO NRW, § 74 Rn. 49 ff.18Einen solchen Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften vermag die Kammer nicht festzustellen. Insbesondere verletzt die Baugenehmigung nicht das insoweit hier allein in Betracht zu ziehende bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.19Welche Anforderungen konkret bestehen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Es kommt wesentlich auf eine Abwägung an zwischen dem, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist.20Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, BRS 55 Nr.168.21Für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärmimmissionen kann im Rahmen der Genehmigung von Bauvorhaben in Form von - wie hier - nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen im Sinne von § 22 BImSchG grundsätzlich auf die TA Lärm abgestellt werden. Dies gilt auch in Bezug auf die hier in Rede stehenden Immissionen durch Hundegebell.22Vgl. (bezogen auf eine Tierpension) OVG NRW, Beschlüsse vom 08.01.2008 - 7 B 1741/07 -, BRS 73 Nr. 106, und vom 06.10.2010 - 2 A 1503/09 -, BRS 76 Nr. 190.23Die Beklagte hat den beim Betrieb des Tierheims einzuhaltenden Immissionsrichtwert in der Nebenbestimmung UAIS 01 zutreffend festgelegt. Für das im Außenbereich gelegene Wohngrundstück des Klägers sind in Ermangelung einer eigenständigen Regelung die nach Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c) TA Lärm für Kern-, Dorf- und Mischgebiete maßgeblichen Werte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts heranzuziehen.24Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 08.01.2008 - 7 B 1741/07 -, a.a.O.25Die schalltechnischen Untersuchungen der B. GmbH sind hinreichend aussagekräftig. Sie tragen die sichere Erwartung, dass bei genehmigungskonformem Betrieb des Tierheims die festgesetzten Immissionsrichtwerte am Wohnhaus des Klägers eingehalten werden.26Dies gilt insbesondere auch für die nächtliche Unterbringung von maximal sieben sog. Zwingerhunden außerhalb der Gebäude. Die schalltechnische Berechnung vom 08.11.2012 gelangt für diese spezielle Konstellation zu einem Beurteilungspegel am Wohnhaus des Klägers von 44 dB(A).27Der in Ansatz gebrachte Schallleistungspegel für Hundegebell ist nicht zu beanstanden. Der Gutachter hat mit Schreiben vom 25.06.2013 erläutert, dass der Wert auf Messungen vor einem Hundezwinger mit neun Hunden basiere, die zum Zweck der Messung ständig zum Bellen animiert worden seien. Hierbei habe sich ein Schallleistungspegel vom 101 dB(A) sowie ein Impulszuschlag von 8 dB(A) ergeben. Dieses auf eigener Erfahrung des Sachverständigen beruhende Ergebnis wird gestützt durch die Ermittlungen der Sächsischen Freizeitlärmstudie des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie vom April 2006 betreffend die Beurteilung von Lärm, der von einem Hundedressurplatz ausgeht. Mit dem dortigen, ebenfalls auf Messungen beruhenden Schallleistungspegel für die Lärmquelle „Hunde im Zwinger“ stimmt der hier in Ansatz gebrachte Wert in etwa überein.28Der Verwendung dieses Schallleistungspegels hat der Kläger nichts Substantiiertes entgegen gehalten. Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit des Schallleistungspegels sind auch sonst nicht ersichtlich. Soweit der Kläger meint, die Berechnung müsse von der maximalen Lautstärke eines bellenden Hundes ausgehen, steht dem entgegen, dass der an den Immissionsrichtwerten der Nr. 6.1 TA Lärm zu messende Beurteilungspegel nach Nr. 2.10 TA Lärm die mittlere Geräuschbelastung während jeder Beurteilungszeit kennzeichnet. Folglich ist bei der Berechnung des Beurteilungspegels gemäß Nr. A.2.3.2 der Anlage zur TA Lärm vom mittleren Schallleistungspegel jeder zu berücksichtigenden Schallquelle auszugehen.29Der Kläger dringt im Ergebnis auch nicht mit dem Einwand durch, der mittlere Schallleistungspegel für Hundegebell hätte um einen Zuschlag für Ton- bzw. Informationshaltigkeit erhöht werden müssen. Die Kammer kann diese Frage im vorliegenden Verfahren offen lassen, weil die gewählte konservative Vorgehensweise in der Berechnung vom 08.11.2012 so weitreichende Sicherheiten enthält, dass die Einhaltung der Immissionsrichtwerte am Wohnhaus des Klägers selbst bei Berücksichtigung eines solchen Zuschlags von 3 dB gewährleistet ist. So ist zum Einen die Abschirmwirkung der Gebäude, die den Zwingern in Richtung des Wohnhauses des Klägers unmittelbar vorgelagert sein werden, unberücksichtigt geblieben. Der Gutachter hat diese Abschirmwirkung mit wenigstens 5 dB(A) veranschlagt. Konkrete Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit dieser sachverständigen Angabe liegen nicht vor. Allein dieser Aspekt würde einen etwaigen Zuschlag wegen Ton-bzw. Informationshaltigkeit ausgleichen. Eine weitere erhebliche Sicherheit liegt in dem für die lauteste Nachtstunde veranschlagten Anteil von 100 % Hundegebell. Die Annahme eines kontinuierlichen Hundegebells über den Zeitraum einer ganzen Nachtstunde hinweg übersteigt das, was bei dem Betrieb des Tierheims realistischerweise zu erwarten ist, bei Weitem. Denn die Baugenehmigung sieht eine 24-stündige Betreuung und Bewachung der Tiere durch geschultes Personal vor, das regelmäßig in der Lage sein wird, anschlagende Hunde innerhalb eines deutlich kürzeren Zeitraums zu beruhigen.30Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Kammer hält es für billig, den Kläger nicht auch mit der Tragung etwaiger außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen zu belasten, weil sich Letzterer nicht durch Stellung eines Klageabweisungsantrags am Kostenrisiko dieses Verfahrens beteiligt hat, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO. | die klage wird abgewiesen.der kläger trägt die kosten des verfahrens. außergerichtliche kosten des beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leistet. 1 | 2der kläger ist eigentümer des mit einem wohnhaus bebauten außenbereichs-grundstücks g. in m. .3mit baugenehmigung vom 11.03.2013 genehmigte die beklagte dem beigeladenen verein die errichtung eines tierheims auf dem grundstück gemarkung m. flur … flurstück …. dieses grundstück liegt südöstlich des wohngrundstücks des klägers. zu dem vorhaben gehören zwei hundehäuser nebst hundequarantäne-station, zwei katzenhäuser, ein verwaltungsgebäude sowie ein wohnhaus, das nach der betriebsbeschreibung von einer tierpflegerin genutzt werden soll, um betreuung und überwachung der tiere sowie einen notdienst über 24 stunden zu gewähr-leisten. die entfernung zwischen dem wohnhaus und den einrichtungen des tierheims beträgt mehr als 300 m. gemäß nebenbestimmung uais 01 sind die von der genehmigung erfassten anlagenteile schalltechnisch so zu errichten und zu betreiben, dass die von diesen anlagen einschließlich aller nebeneinrichtungen verursachten geräuschimmissionen am wohnhaus des klägers immissionsricht-werte von 60 db(a) tags und 45 db(a) nachts nicht überschreiten. laut nebenbe-stimmung uais 04 werden sogenannte zwingerhunde, die nachts nicht in geschlossenen räumen gehalten werden können, im zwinger außerhalb der gebäude untergebracht, und zwar bis zu vier tiere im bereich der quarantänestation sowie bis zu 3 tiere im bereich des hundehauses 1. weitere bestandteile der baugenehmigung sind das schalltechnische gutachten der b. gmbh vom 18.10.2012 sowie die ergänzende begutachtung vom 08.11.2012, die sich auf die nächtliche unterbringung der sog. zwingerhunde außerhalb der gebäude bezieht.4am 08.04.2013 hat der kläger klage erhoben. er meint, die baugenehmigung verstoße zu seinen lasten gegen das bauplanungsrechtliche rücksichtnahmegebot. die begutachtung der zu erwartenden lärmbelastung durch die b. gmbh sei mangelhaft. damit sei nicht hinreichend sichergestellt, dass die in der baugenehmigung festgeschriebenen immissionsrichtwerte beim betrieb des tierheims eingehalten werden. der den berechnungen zu grunde gelegte schallleistungspegel für hundegebell sei nicht nachvollziehbar. die eigene messung, auf die sich der gutachter berufe, sei nicht in einer überprüfbaren weise dokumentiert worden. gleiches gelte für dessen behauptung, die in den berechnungen nicht berücksichtigte abschirmungswirkung der gebäude sei mit wenigstens 5 db(a) zu veranschlagen. im übrigen dürfe die prognose, um auf der sicheren seite zu liegen, keinen mittelwert unterschiedlich lauter hunde zu grunde legen. sie müsse vielmehr von dem maximalen schallleistungspegel bellender hunde ausgehen. außerdem bedürfe es eines zuschlags für ton- und informationshaltigkeit von 3 db(a) bzw. 6 db(a).5der kläger beantragt,6die dem beigeladenen erteilte baugenehmigung der beklagten vom 11.03.2013 für den neubau eines tierheims auf dem grundstück gemarkung m. flur … flurstück … aufzuheben.7die beklagte beantragt,8die klage abzuweisen.9zur begründung weist sie darauf hin, dass das schallgutachten der b. gmbh in konservativer vorgehensweise erstellt worden sei. so betrage die abschirmungswirkung, die durch die anordnung der hundezwinger vor den südlichen außenwänden der gebäude erzielt werde und in der berechnung der b. gmbh nicht berücksichtigt worden sei, mehr als 5 db(a). somit werde der immissionswert für die nachtzeit um 6 db(a) unterschritten. maßnahmen zur einhaltung der immissionsrichtwerte müssten nicht explizit in der baugenehmigung aufgegeben werden. sie lägen im ermessen des professionellen betriebspersonals.10der beigeladene hat keinen antrag gestellt.11die kammer hat das verfahren durch beschluss vom 28.08.2013 dem berichterstatter als einzelrichter zur entscheidung übertragen, § 6 abs. 1 vwgo.12wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird bezug genommen auf den inhalt der gerichtsakte sowie des beigezogenen verwaltungsvorgangs der beklagten.13 | 14die zulässige anfechtungsklage ist nicht begründet.15die streitbefangene baugenehmigung vom 11.03.2013 verletzt den kläger nicht in seinen rechten, § 113 abs. 1 satz 1 vwgo.16ein rechtsanspruch des nachbarn auf aufhebung besteht nicht schon dann, wenn die baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. hinzukommen muss, dass der nachbar durch die rechtswidrige baugenehmigung zugleich in eigenen rechten verletzt wird. dies setzt voraus, dass die baugenehmigung gegen rechtsnormen verstößt, die nachbarschützenden charakter haben und der jeweilige nachbar auch tatsächlich in seinen eigenen rechten, deren schutz die vorschriften zu dienen bestimmt sind, verletzt wird.17vgl. bverwg, beschluss vom 16.08.1983 - 4 b 94.93 -, brs 40 nr. 190; boeddinghaus/hahn/schulte/radeisen, bauo nrw, § 74 rn. 49 ff.18einen solchen verstoß gegen nachbarschützende vorschriften vermag die kammer nicht festzustellen. insbesondere verletzt die baugenehmigung nicht das insoweit hier allein in betracht zu ziehende bauplanungsrechtliche rücksichtnahmegebot.19welche anforderungen konkret bestehen, hängt von den umständen des einzelfalls ab. je empfindlicher und schutzwürdiger die stellung desjenigen ist, dem die rücksichtnahme im gegebenen zusammenhang zu gute kommt, umso mehr kann er an rücksichtnahme verlangen. je verständlicher und unabweisbarer die mit dem vorhaben verfolgten interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das vorhaben verwirklichen will, rücksicht zu nehmen. es kommt wesentlich auf eine abwägung an zwischen dem, was dem rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach lage der dinge zuzumuten ist.20vgl. bverwg, urteil vom 28.10.1993 - 4 c 5.93 -, brs 55 nr.168.21für die beurteilung der zumutbarkeit von lärmimmissionen kann im rahmen der genehmigung von bauvorhaben in form von - wie hier - nicht genehmigungsbedürftigen anlagen im sinne von § 22 bimschg grundsätzlich auf die ta lärm abgestellt werden. dies gilt auch in bezug auf die hier in rede stehenden immissionen durch hundegebell.22vgl. (bezogen auf eine tierpension) ovg nrw, beschlüsse vom 08.01.2008 - 7 b 1741/07 -, brs 73 nr. 106, und vom 06.10.2010 - 2 a 1503/09 -, brs 76 nr. 190.23die beklagte hat den beim betrieb des tierheims einzuhaltenden immissionsrichtwert in der nebenbestimmung uais 01 zutreffend festgelegt. für das im außenbereich gelegene wohngrundstück des klägers sind in ermangelung einer eigenständigen regelung die nach nr. 6.1 satz 1 buchst. c) ta lärm für kern-, dorf- und mischgebiete maßgeblichen werte von 60 db(a) tags und 45 db(a) nachts heranzuziehen.24vgl. ovg nrw, beschluss vom 08.01.2008 - 7 b 1741/07 -, a.a.o.25die schalltechnischen untersuchungen der b. gmbh sind hinreichend aussagekräftig. sie tragen die sichere erwartung, dass bei genehmigungskonformem betrieb des tierheims die festgesetzten immissionsrichtwerte am wohnhaus des klägers eingehalten werden.26dies gilt insbesondere auch für die nächtliche unterbringung von maximal sieben sog. zwingerhunden außerhalb der gebäude. die schalltechnische berechnung vom 08.11.2012 gelangt für diese spezielle konstellation zu einem beurteilungspegel am wohnhaus des klägers von 44 db(a).27der in ansatz gebrachte schallleistungspegel für hundegebell ist nicht zu beanstanden. der gutachter hat mit schreiben vom 25.06.2013 erläutert, dass der wert auf messungen vor einem hundezwinger mit neun hunden basiere, die zum zweck der messung ständig zum bellen animiert worden seien. hierbei habe sich ein schallleistungspegel vom 101 db(a) sowie ein impulszuschlag von 8 db(a) ergeben. dieses auf eigener erfahrung des sachverständigen beruhende ergebnis wird gestützt durch die ermittlungen der sächsischen freizeitlärmstudie des sächsischen landesamtes für umwelt und geologie vom april 2006 betreffend die beurteilung von lärm, der von einem hundedressurplatz ausgeht. mit dem dortigen, ebenfalls auf messungen beruhenden schallleistungspegel für die lärmquelle „hunde im zwinger“ stimmt der hier in ansatz gebrachte wert in etwa überein.28der verwendung dieses schallleistungspegels hat der kläger nichts substantiiertes entgegen gehalten. anhaltspunkte für die fehlerhaftigkeit des schallleistungspegels sind auch sonst nicht ersichtlich. soweit der kläger meint, die berechnung müsse von der maximalen lautstärke eines bellenden hundes ausgehen, steht dem entgegen, dass der an den immissionsrichtwerten der nr. 6.1 ta lärm zu messende beurteilungspegel nach nr. 2.10 ta lärm die mittlere geräuschbelastung während jeder beurteilungszeit kennzeichnet. folglich ist bei der berechnung des beurteilungspegels gemäß nr. a.2.3.2 der anlage zur ta lärm vom mittleren schallleistungspegel jeder zu berücksichtigenden schallquelle auszugehen.29der kläger dringt im ergebnis auch nicht mit dem einwand durch, der mittlere schallleistungspegel für hundegebell hätte um einen zuschlag für ton- bzw. informationshaltigkeit erhöht werden müssen. die kammer kann diese frage im vorliegenden verfahren offen lassen, weil die gewählte konservative vorgehensweise in der berechnung vom 08.11.2012 so weitreichende sicherheiten enthält, dass die einhaltung der immissionsrichtwerte am wohnhaus des klägers selbst bei berücksichtigung eines solchen zuschlags von 3 db gewährleistet ist. so ist zum einen die abschirmwirkung der gebäude, die den zwingern in richtung des wohnhauses des klägers unmittelbar vorgelagert sein werden, unberücksichtigt geblieben. der gutachter hat diese abschirmwirkung mit wenigstens 5 db(a) veranschlagt. konkrete anhaltspunkte für die fehlerhaftigkeit dieser sachverständigen angabe liegen nicht vor. allein dieser aspekt würde einen etwaigen zuschlag wegen ton-bzw. informationshaltigkeit ausgleichen. eine weitere erhebliche sicherheit liegt in dem für die lauteste nachtstunde veranschlagten anteil von 100 % hundegebell. die annahme eines kontinuierlichen hundegebells über den zeitraum einer ganzen nachtstunde hinweg übersteigt das, was bei dem betrieb des tierheims realistischerweise zu erwarten ist, bei weitem. denn die baugenehmigung sieht eine 24-stündige betreuung und bewachung der tiere durch geschultes personal vor, das regelmäßig in der lage sein wird, anschlagende hunde innerhalb eines deutlich kürzeren zeitraums zu beruhigen.30die kostenentscheidung folgt aus §§ 154 abs. 1, 162 abs. 3 vwgo. die kammer hält es für billig, den kläger nicht auch mit der tragung etwaiger außergerichtlicher kosten des beigeladenen zu belasten, weil sich letzterer nicht durch stellung eines klageabweisungsantrags am kostenrisiko dieses verfahrens beteiligt hat, vgl. § 154 abs. 3 vwgo. | Verklagte*r | 0 |
343,370 | 7a K 424/21 | 2022-01-26T00:00:00 | Urteil | Tenor Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheids des M. vom 20. Januar 2021 verpflichtet, der Klägerin für den Mitarbeiter O. D. N. betreffend den Zeitraum vom 18. Juni bis zum 30. Juni 2020 eine Erstattung in Höhe von 574,44 Euro (Netto-Verdienstausfall) zuzüglich 390,39 Euro geleisteter Sozialabgaben zu bewilligen, sowie auf diesen Betrag Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtsanhängigkeit zu zahlen. Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Klägerin begehrt die Erstattung der an ihren Arbeitnehmer gezahlten Verdienstausfallentschädigung infolge behördlich angeordneter Quarantäne. 3Es handelt sich bei der Klägerin um eine Zweigniederlassung eines rumänischen Unternehmens in der Rechtsform S.R.L. Sie ist in der Fleischverarbeitungsbranche tätig. Ihr Firmensitz befindet sich unter der Anschrift „F.----- in 33378 Rheda-Wiedenbrück“. Seit 2014 ist sie geschäftlich mit der U. M. GmbH & Co. KG (Betriebssitz „J. in 33378 Rheda-Wiedenbrück“) verbunden. 4Mit Werkvertrag vom 10. Januar 2020 verpflichtete sich die Klägerin als Werkunternehmerin gegenüber der Firma U. M. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Firma U. ) als Bestellerin im Zeitraum vom 1. Februar 2020 bis zum 31. Juli 2020 zur Herstellung von Fleischteilstücken und Zerlegenebenprodukten. Die Werk-leistung wird nach den vertraglichen Bestimmungen auf dem Betriebsgelände der Firma U. erbracht. Räumlichkeiten und Betriebsmittel (mit Ausnahme von Messern, Wetzstählen, Arbeits- und Schutzkleidung) werden von dieser zur Verfügung gestellt. 5Gemäß § 2 Nr. 5 Werkvertrag haben (die Klägerin als) Werkunternehmerin und die Personen, deren sie sich zur Erfüllung ihrer werkvertraglichen Leistungen bedient, u.a. Weisungen der Hygienebeauftragen des Bestellers Folge zu leisten. Nach § 2 Nr. 6 Werkvertrag ist die Werkunternehmerin verpflichtet, gemäß § 8 Abs. 1 ArbSchG ihre Beschäftigten über Gefahren und Risiken für Sicherheit und Gesundheit sowie über Schutzmaßnahmen vor Arbeitsaufnahme zu unterweisen. Weiter ist sie verpflichtet, ihre Beschäftigten vor Arbeitsaufnahme nach der Betriebseinweisung Personalhygiene FB HY 8-01 in der jeweils gültigen Version zu schulen. Der Nachweis über die stattgefundenen Unterweisungen ist schriftlich von den Beschäftigten per Unterschrift zu bestätigen und unaufgefordert vor Arbeitsaufnahme an das Lohnbüro des Bestellers weiterzuleiten. Die Klägerin hat zudem nach § 2 Nr. 7 Werkvertrag gegenüber der Bestellerin einen verantwortlichen Vertreter zu benennen bzw. dafür Sorge zu tragen, dass ein verantwortlicher Vertreter bei der Erfüllung der werkvertraglichen Verpflichtungen präsent ist. § 2 Nr. 9 Werkvertrag bestimmt, dass die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus den mit ihren Arbeitnehmern geschlossenen Verträgen der Klägerin als Werkunternehmerin obliegt. 6Im Rahmen dieses Werkvertrags setzte die Klägerin ihren Arbeitnehmer O. D. N. als Fleischer auf dem Betriebsgelände der Firma U. ein. Er war vom 15. November 2018 bis Ende 2020 bei der Klägerin beschäftigt. Seit Anfang 2021 ist er direkt bei der U. Unternehmensgruppe angestellt. 7Im Rahmen einer am 16. Juni 2020 durchgeführten Reihentestung stellte das Gesundheitsamt des Kreises Gütersloh bei 730 von 1.106 Abstrichen von in der „Zerlegung“ auf dem Werksgelände der Firma U. tätigen Mitarbeitern einen positiven Befund auf das Coronavirus SARS-CoV-2 fest. 8Der Landrat des Kreises Gütersloh ordnete daraufhin am 17. Juni 2020 zunächst mündlich die Schließung des Betriebsstandortes der U. Unternehmensgruppe in Rheda-Wiedenbrück an. Unter dem 10. August 2020 bestätigte er gegenüber der U. & Co. KG die Allgemeinverfügung zur Schließung des Betriebs der Unternehmensgruppe U. am Betriebsstandort „J. , 33378 Rheda-Wiedenbrück“ schriftlich. 9Mit Allgemeinverfügung zur fortbestehenden Schließung und den Voraussetzungen einer schrittweise möglichen Wiederaufnahme des Betriebs der Unternehmensgruppe U. am Betriebsstandort „J……, 33378 Rheda-Wiedenbrück“ vom 2. Juli 2020 verfügte der Bürgermeister der Stadt Rheda-Wiedenbrück eine weitere Schließung bis zum 17. Juli 2020. Überdies wurden Regelungen zur schrittweisen Wiederaufnahme des Betriebs getroffen. 10Mit Allgemeinverfügung zur Absonderung in sog. häusliche Quarantäne vom 18. Juni 2020 ordnete der Landrat des Kreises Gütersloh in Ziffer 1 die Absonderung in häusliche Quarantäne gegenüber allen im Betrieb der Firma U. in Rheda-Wiedenbrück in der Produktion tätigen Personen an. Ziffer 2 enthielt einen Ausnahmetatbestand für alle seit dem 16. Juni 2020 durch Beauftragte des Gesundheitsamtes negativ getesteten Personen, die auch bei Erhalt des Testergebnisses noch keinerlei Symptome aufwiesen. Gleichzeitig wurde der Fall geregelt, dass der Betroffene zwar negativ getestet worden ist, aber im Rahmen der Kontaktnachverfolgung als Kontaktperson der Kategorie 1 nach den Kriterien des Robert-Koch-Instituts ermittelt wurde. In diesem Fall sollte das Gesundheitsamt mitteilen, bis wann die Absonderung zu erfolgen hat. 11Mit Allgemeinverfügung zur Absonderung in sog. häusliche Quarantäne vom 20. Juni 2020 hob der Landrat des Kreises Gütersloh die Allgemeinverfügung vom 18. Juni 2020 auf und ordnete für alle auf dem Betriebsgelände der Firma U. in Rheda-Wiedenbrück tätigen Personen die Absonderung in häusliche Quarantäne bis zum 2. Juli 2020, 24:00 Uhr, an. Zugleich erließ er Ausnahmeregelungen für eine sog. Arbeitsquarantäne für bestimmte Personengruppen die auf dem Gelände der Firma U. tätig waren. Die Produktion war von dieser Ausnahme nicht erfasst. 12Mit Allgemeinverfügung zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 gegenüber im Betrieb der Firma U. am Standort „J. , 33378 Rheda-Wiedenbrück“ tätigen und mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen durch Absonderung in häuslicher Quarantäne vom 1. Juli 2020 ordnete das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) ab dem 3. Juli 2020, 00:00, Uhr gegenüber allen Personen, die im Zeitraum vom 3. Juni 2020 bis zum 17. Juni 2020 an mindestens einem Tag auf dem Betriebsgelände der Firma U. am Standort „J. , 33378 Rheda-Wiedenbrück“ tätig waren, unabhängig davon, ob sie unmittelbar bei dieser Firma, einem Subunternehmer oder einer Leiharbeitsfirma angestellt sind oder für diese tätig waren, die Absonderung in häusliche Quarantäne bis zum 17. Juli 2020, 24.00 Uhr an. Zugleich erließ das MAGS Ausnahmeregelungen für eine sog. Arbeitsquarantäne für bestimmte Personengruppen, die auf dem Gelände der Firma U. tätig waren. Die Produktion war von dieser Ausnahme nicht erfasst. 13Mit Verfügung vom 17. Juli 2020 ordnete die Stadt Rheda-Wiedenbrück gegenüber dem Arbeitnehmer O. D. N. als Kontaktperson mit einer mit dem Coronavirus infizierten Person die häusliche Quarantäne bis einschließlich zum 24. Juli 2020 an. Ausweislich der dazu eingereichten Bescheinigung der Stadt Rheda-Wiedenbrück vom 27. Oktober 2021 befand sich Herr N. vom 17. Juli 2020 bis zum 23. Juli 2020 in Absonderung. 14Am 28. Juli 2020 beantragte die Klägerin (erstmals) die „Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen bei Verdienstausfall eines Arbeitnehmers auf Grund behördlich angeordneter Quarantäne (Absonderung) oder Tätigkeitsverbot nach § 56 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)“ für den Arbeitnehmer O. D. N. für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2020. Dazu erklärte sie u.a., dass der Arbeitnehmer sich vom 17. Juni 2020 bis zum 30. Juni 2020 in Absonderung befunden habe, er in diesem Zeitraum keinen genehmigten Urlaub gehabt habe, er nicht aufgrund eines kranken Kindes arbeitsbefreit gewesen sei und er in diesem Zeitraum keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB, auf Arbeitslosengeld I, Kurzarbeitergeld, sonstige Zuschüsse, zusätzliches Einkommen aus Ersatztätigkeiten gehabt habe. Der Betrieb sei ab dem 18. Juni 2020 geschlossen gewesen. Ein Enddatum der Betriebsschließung gab die Klägerin nicht an. 15Bei der Frage, ob der Arbeitnehmer während der Absonderung arbeitsunfähig krank gewesen sei, kreuzte die Klägerin beide der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten „Ja“ und „Nein“ an. Im Klageverfahren erklärte sie dazu, dass es sich um einen Tippfehler handele. Der Arbeitnehmer sei im Zeitraum vom 18. Juni 2020 bis zum 24. Juni 2020 nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen. 16Mit Bescheid vom 20. Januar 2021 lehnte der M. (M. ) den Antrag auf Erstattung von Verdienstausfallentschädigung für den Zeitraum vom 17. Juni 2020 bis zum 30. Juni 2020 für Herrn O. D. N. ab. Zur Begründung führte der M. aus, dass die Klägerin beim Einsatz ihres Arbeitnehmers Gesundheits- und Arbeitsschutzvorschriften, insbesondere Hygienevorgaben verletzt habe. Aus diesem Grund habe der Arbeitnehmer einen Lohnfortzahlungsanspruch gegen die Klägerin als Arbeitgeberin, sodass ein Verdienstausfall i.S.v. § 56 Abs. 1 IfSG und damit ein entsprechender Erstattungsanspruch nicht vorlägen. Der Betrieb, in dem der Arbeitnehmer eingesetzt gewesen sei, sei vom 16. Juni 2020 bis zum 17. Juli 2020 aufgrund behördlicher Anordnung geschlossen gewesen. Ein Einsatz des Arbeitnehmers sei somit bereits aus betrieblichen Gründen nicht möglich gewesen. Im Zeitraum der Betriebsschließung habe bereits aus diesem Grund kein Verdienstausfall vorgelegen, da der Arbeitnehmer einen Lohnfortzahlungsanspruch gegen die Klägerin als Arbeitgeberin gehabt habe, sodass ein möglicher Entschädigungsanspruch entfalle. 17Die Klägerin hat am 23. Februar 2021 Klage erhoben. 18Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass Herr N. zum Zeitpunkt der Absonderungsanordnung in der Zerlegung in der Spätschicht „am Band Lachse“ auf dem Betriebsgelände der Firma U. in Rheda-Wiedenbrück gearbeitet habe. Insgesamt habe sich der Arbeitnehmer vom 18. Juni bis zum 24. Juli 2020 in häuslicher Absonderung befunden. Dementsprechend habe sie am 18. September 2020 einen zweiten Erstattungsantrag beim M. gestellt. Dieser betreffe den Absonderungszeitraum vom 1. Juli bis zum 24. Juli 2020. 19Der Arbeitnehmer N. sei zwischen dem 18. Juni 2020 und dem 24. Juli 2020 nicht an COVID-19 erkrankt gewesen, er habe auch nicht an typischen Symptomen gelitten. Überdies sei er negativ getestet worden. Die Testungen seien von Mitarbeitern des Deutschen Roten Kreuzes oder der Bundeswehr durchgeführt worden, schriftliche Unterlagen lägen dazu aber nicht vor. Die Ergebnisse seien ihren Mitarbeitern lediglich telefonisch mitgeteilt worden; ebenso sei die Aufforderung, in Quarantäne zu verbleiben, telefonisch ergangen. Vom Gesundheitsamt des Kreises Gütersloh habe sie die Negativtests nicht erlangen können, diese Daten seien nach behördlicher Auskunft nicht gespeichert worden. 20Der Anspruch sei insbesondere nicht wegen Verstößen gegen Gesundheits- und Arbeitsvorschriften oder Hygienevorgaben ausgeschlossen. Der Behördenakte lasse sich weder der vom M. behauptete Verstoß entnehmen, noch sei ersichtlich, dass die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Arbeitnehmers N. geprüft worden seien. Auch in den Begründungen der Allgemeinverfügungen über die Absonderung in häusliche Quarantäne seien keine Verstöße gegen Gesundheits- und Arbeitsschutzvorschriften zum Zeitpunkt der Anordnung festgestellt worden. In der Verfügung des Kreises Gütersloh vom 18. Juni 2020 werde auf Seite 4 von einem „unklaren Ausbruchsgeschehen“ ausgegangen und nach den Ausführungen auf Seite 3 werde es nur als „sehr naheliegend“ erachtet, dass die infizierten Beschäftigten aus der Zerlegung der Firma U. weitere in der Produktion tätige Personen durch Kontakte am Arbeitsplatz, in der gemeinsamen Unterkunft oder auf dem gemeinsamen Transportweg infiziert hätten. 21Im Übrigen habe sie beim Einsatz ihrer Arbeitnehmer auf dem Betriebsgelände der Firma U. auch keine Verstöße begangen. Seitens ihrer Bestellerin seien seit Beginn der Corona-Pandemie Präventionsmaßnahmen und Hygienekonzepte eingeführt worden, die auch von ihr - als auf dem Betriebsgelände tätige Subunternehmerin - umgesetzt worden seien. Sie habe etwa dafür Sorge getragen, dass sich die Arbeitnehmer der unterschiedlichen Schichten nicht vermischten. Auch hätten die Arbeitnehmer getrennt voneinander gewohnt, eine Vermischung sei auch insoweit vermieden worden. Ihre Mitarbeiter seien mündliche über die (sich ändernden) einzuhaltenden Maßnahmen informiert und angewiesen worden, sich an diese Anordnungen zu halten. Der Betriebsleiter M1. C. sei zuständig gewesen für Schulungen und Informationen vor Ort. Einzuhaltende Schutzmaßnahmen seien auch schriftlich in rumänischer Sprache an die Mitarbeiter verteilt worden. Zudem seien regelmäßig Amtsärzte vor Ort gewesen, die lebensmittelrechtliche Kontrollen durchgeführt hätten. Hinweise auf Verstöße gegen Hygienevorschriften hätten die Kontrolleure nicht festgestellt. Sämtliche Arbeitnehmer in der Produktion hätten z.B. Schutzkleidung getragen und sich vor dem Betreten der Arbeitsbereiche Hände und Schuhe desinfiziert. Auch die Kontrollen durch die Gewerbeaufsicht seien beanstandungslos geblieben. 22Herr N. habe im Juni 2020 mit seiner Familie in einer eigenen Wohnung gelebt. Es habe sich dabei nicht um eine Firmenunterkunft gehandelt. 23Die Klägerin beantragt, 24251. das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheids des M. vom 20. Januar 2021 zu verpflichten, ihr für den Mitarbeiter O. D. N. betreffend den Zeitraum vom 18. Juni bis zum 30. Juni 2020 eine Erstattung in Höhe von 574,44 Euro (Netto-Verdienstausfall) zuzüglich 390,39 Euro geleisteter Sozialabgaben zu bewilligen, 262. das beklagte Land zu verpflichten, an sie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtsanhängigkeit zu zahlen. 27Das beklagte Land beantragt, 28die Klage abzuweisen. 29Es trägt im Wesentlichen vor, der Arbeitnehmer N. habe keinen Verdienstausfall erlitten. Ihm stehe ein Lohnfortzahlungsanspruch gegen die Klägerin nach § 616 Satz 1 BGB zu. Insbesondere stelle die Dauer der Verhinderung eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit dar. Insoweit erschließe sich schon nicht, warum Herr N. über den sonst üblichen Zeitraum von 14 Tagen abgesondert gewesen sei. Aber auch eine Absonderung von fünf Wochen stelle eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit dar. Die Absonderung sei mit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vergleichbar, sodass nach dem Rechtsgedanken des Entgeltfortzahlungsgesetzes ein Fortzahlungsanspruch von bis zu sechs Wochen bestehe. Die gesetzgeberischen Motive stellten klar, dass ein Quarantäne-Pflichtiger in ähnlicher Weise betroffen sei wie eine erkrankte Person. 30Zudem sei der Vergütungsanspruch wegen der Regelung des § 615 Sätze 1 und 3 BGB nicht untergegangen. Dies sei zunächst der Fall, weil es sich bei dem der Absonderung des Herrn N. zu Grunde liegenden Ansteckungsverdacht um ein Betriebsrisiko handele. Die Absonderung beruhe auf einem Ansteckungsverdacht, der wiederrum aus der arbeitsvertraglich geschuldeten Erbringung der Arbeitsleistung als Fleischer auf dem U. Betriebsgelände resultiere. Hätte der Arbeitnehmer nicht am Betriebsstandort in Rheda-Wiedenbrück gearbeitet, wäre der Grund für die Absonderung entfallen. Die Klägerin könne sich nicht auf ein Unvermögen ihres Arbeitnehmers zum Erbringen der Arbeitsleistung infolge der Absonderung berufen, da das Unvermögen gerade aus ihrer Sphäre stamme, nämlich dem ihren unternehmerischen Interessen dienenden Einsatz des Arbeitnehmers am Betriebsstandort. Würde man aufgrund der Absonderung von einem einen Anspruch aus § 615 Satz 3 BGB ausschließenden Unvermögen des Arbeitnehmers ausgehen, bürdete man ihm so - entgegen der gesetzlichen Wertung - das in der Sphäre der Klägerin liegende Betriebsrisiko auf. 31Darüber hinaus stehe dem Arbeitnehmer N. der Lohnfortzahlungsanspruch nach § 615 Sätze 1 und 3 BGB aufgrund der behördlich angeordneten Schließung des Betriebsstandorts zu. Diese Schließung sei dem Betriebsrisiko der Klägerin zuzurechnen, da sie auf eine erhebliche Begünstigung der Virus-Verbreitung durch die betrieblichen Verhältnisses - insbesondere baulicher und betriebsorganisatorischer Natur - zurückzuführen sei. 32Des Weiteren sei der Arbeitnehmer N. seines Vergütungsanspruchs nach § 615 Sätze 1 und 3 BGB nicht verlustig gegangen, weil die Klägerin bei dessen Einsatz Gesundheits- und Arbeitsvorschriften verletzt habe. Unter das Betriebsrisiko fielen auch Verstöße gegen die den Arbeitgeber treffende Fürsorgepflicht gemäß § 618 Abs. 1 BGB; auf ein Verschulden komme es dabei nicht an. Die dem Arbeitgeber obliegende Fürsorgepflicht werde durch die öffentlich-rechtlichen Schutzmaßnahmen konkretisiert, wobei diese lediglich das Mindestmaß festlegten. Diese Bestimmungen des Arbeitsschutzes seien im Hinblick auf die ausgebrochene Covid-19-Pandemie dahingehend auszulegen, dass der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen hinsichtlich des Gesundheitsschutzes seiner Arbeitnehmer zu ergreifen habe, um eine Infektion mit dem neuartigen Virus zu vermeiden und Infektionsrisiken so zu minimieren. 33Ein Infektionsgeschehen, wie es in der Begründung zur Allgemeinverfügung des Bürgermeisters der Stadt Rheda-Wiedenbrück vom 2. Juli 2020 dargelegt sei, biete hinreichend belastende Anhaltspunkte dafür, dass die Verbreitung insbesondere durch die baulichen und betriebsorganisatorische Verhältnisse begünstigt worden sei; im Falle eines funktionierenden und dem Pandemiegeschehen angepassten Hygieneplans sei ein derartiges Infektionsgeschehen schlechterdings nicht denkbar. Entsprechende Verstöße ergäben sich zudem aus den Begründungen der Allgemeinverfügungen des Kreises Gütersloh und der Stadt Rheda-Wiedenbrück, in denen von einem großen, unklaren Ausbruchsgeschehen die Rede sei und dargelegt werde, dass sich das Coronavirus, begünstigt durch die betrieblichen Verhältnisse, von der Zerlegung in andere Bereiche durch Kontakte am Arbeitsort, in den Unterkünften und auf dem Transportweg verbreitet habe. Im Übrigen seien im Rahmen der Besichtigung am 15. Mai 2020 aller Abteilungen und Bereiche der Unternehmensgruppe U. durch die Bezirksregierung Detmold gravierende Mängel im Hinblick auf die Vorgaben der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards und damit Verstöße gegen den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes festgestellt worden. Auch ein bei YouTube veröffentlichtes Video zeige die Verhältnisse in der Kantine, in der Mindestabstände nicht eingehalten worden seien. 34Die Absonderungsverfügung sei nicht kausal für den geltend gemachten Verdienstausfall, da der Arbeitnehmer N. bereits aufgrund der Betriebsschließung vom 17. Juni 2020 bis zum 17. Juli 2020 nicht habe arbeiten können. 35Des Weiteren wirkten sich die werkvertraglichen Bestimmungen auf den geltend gemachten Erstattungsanspruch aus. Soweit die Klägerin nachweise, dass sie sich nicht vertragswidrig verhalten habe, könne sie grundsätzlich gegenüber der Bestellerin einen Schadensersatzanspruch geltend machen. Zwar sei der Anspruch werkvertraglich ausgeschlossen, das Entschädigungsrecht diene aber nicht dazu, ausgeschlossene Schadensersatzansprüche zu kompensieren. Dies gelte umso mehr, als dass eine Entschädigung im Vergütungsanspruch enthalten sei. 36Jedenfalls müsse sich die Klägerin ein weit überwiegendes Mitverschulden anrechnen lassen, das den Erstattungsanspruch ausschließe. Die Pflichtverstöße der Klägerin als Arbeitgeberin gegenüber ihren Arbeitnehmern betreffend deren Gesundheitsschutz seien derart erheblich gewesen und hätten zu einer so großen Infektionsgefahr geführt, dass diese letztlich nur durch eine flächendeckende Allgemeinverfügung zur Absonderung der am Betriebsstandort in Rheda-Wiedenbrück tätigen Personen sowie durch eine mehrwöchige Betriebsschließung eingedämmt werden konnte. 37Die Kammer hat den Arbeitnehmer N. als Zeugen gehört. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom heutigen Tage verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs. 38Entscheidungsgründe: 39Die zulässige Klage ist begründet. 40Der Bescheid des beklagten Landes vom 20. Februar 2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Ihr steht ein Anspruch auf Erstattung der an ihren Arbeitnehmer O. D. N. gezahlten Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 574,44 Euro Netto-Verdienstausfall (A.) zuzüglich Sozialversicherungsabgaben in Höhe von 390,39 Euro (B.) für den Zeitraum vom 18. bis zum 30. Juni 2020 zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO). Des Weiteren hat die Klägerin einen Anspruch auf die geltend gemachten Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit (C.). 41A. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Bewilligung einer Erstattung der an ihren Arbeitnehmer N. geleisteten Aufwendungen in Höhe von 574,44 Euro aus § 56 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. Abs. 5 IfSG. 42I. Maßgeblich ist insoweit die ab dem 23. Mai 2020 gültige Gesetzesfassung, dem Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Entschädigung. 43Aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich für die Frage des richtigen Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage aus dem Prozessrecht nur, dass ein Kläger im verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit ebenso mit einem Aufhebungsbegehren wie mit einem Verpflichtungsbegehren nur dann Erfolg haben kann, wenn er im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf die erstrebte Aufhebung des Verwaltungsakts bzw. auf die erstrebte Leistung hat. Ob ein solcher Anspruch jedoch besteht, d.h. ob ein belastender Verwaltungsakt den Kläger im Sinne des § 113 Abs. 1 VwGO rechtswidrig in seinen Rechten verletzt oder die Ablehnung eines begehrten Verwaltungsakts im Sinne des § 113 Abs. 5 VwGO rechtswidrig ist, beurteilt sich nach dem materiellen Recht, dem nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage oder eines Anspruchs selbst, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen. 44Vgl. nur: BVerwG, Urteil vom 31. März 2004 - 8 C 5.03 -, juris Rn. 35; VG Bayreuth, Urteil vom 21. Juni 2021 - B 7 K 21.110 -, juris Rn. 22, jeweils m.w.N.; vgl. auch Eckart/Kruse, in: BeckOK, Infektionsschutzrecht, IfSG, 10. Edition, 15. Januar 2022, § 56 Rn. 20a, m.w.N. zum Streitstand. 45Nach diesen Grundsätzen ist hier § 56 IfSG in der vom 23. Mai bis zum 18. November 2020 gültigen Fassung anzuwenden, denn der insoweit maßgebliche Anspruch des Arbeitnehmers, der hier durch die Klägerin als Arbeitgeberin geltend gemacht wird (§ 56 Abs. 5 Sätze 1 und 2 IfSG), war jedenfalls zu diesem Zeitpunkt bereits entstanden. Dies ergibt sich aus der damals gültigen Fassung des § 56 Abs. 6 Satz 1 IfSG, der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch unverändert fort gilt. Danach richtet sich die Fälligkeit der Entschädigungsleistungen bei Arbeitnehmern nach der Fälligkeit des aus der bisherigen Tätigkeit erzielten Arbeitsentgelts. § 614 BGB bestimmt dabei, dass die Vergütung nach der Leistung der Dienste zu entrichten ist (Satz 1) und dass, soweit die Vergütung nach Zeitabschnitten bemessen ist, diese nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten ist (Satz 2). 46Vgl. Maties, in: BeckOGK, BGB, 1. August 2021, § 614 Rn. 54 f. 47Die Klägerin hatte mit ihrem Arbeitnehmer einen Stundenlohn und eine wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden vereinbart, die Fälligkeit sollte zum 15. des Monats eintreten, der auf den Monat der Arbeitsleistung folgt (§ 4 und 5 Abs. 1 Arbeitsvertrag). Da der letzte Absonderungstag, für den hier noch Erstattung beansprucht wird, der 30. Juni 2020 (Dienstag) gewesen ist, war der Anspruch spätestens am 15. Juli 2020 fällig und damit auch jedenfalls entstanden. Insoweit braucht nicht entschieden werden, ob der Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers bereits zum Zeitpunkt der Absonderung entstanden sein könnte, da die im Zeitpunkt der Fälligkeit gültige Fassung bereits während der Absonderung galt. 48II. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 56 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 IfSG liegen vor. 49Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG erhält eine Entschädigung in Geld, wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet. Das Gleiche gilt nach § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG für Personen, die als Ausscheider, Ansteckungsverdächtige oder Krankheitsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können. 50Satz 3 des § 56 Abs. 1 IfSG bestimmt zudem, dass eine Entschädigung nach den Sätzen 1 und 2 nicht erhält, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können. 51Gemäß § 56 Abs. 5 IfSG hat der Arbeitgeber bei Arbeitnehmern für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen (Satz 1). Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet (Satz 2). Im Übrigen wird die Entschädigung von der zuständigen Behörde auf Antrag gewährt (Satz 3). 52Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 IfSG sind erfüllt. 531. Der für den Erstattungsanspruch der Klägerin primär erforderliche ursprüngliche Entschädigungsanspruch des Herrn N. gegen das beklagte Land nach § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 IfSG liegt vor. 54a. Einschlägig ist hier § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG (Entschädigung aufgrund einer Absonderung). 55Der Arbeitnehmer N. unterlag ausweislich der Allgemeinverfügungen vom 18. Juni 2020 und 20. Juni 2020 des Kreises Gütersloh „zur Absonderung in sog. häusliche Quarantäne“ vom 18. Juni 2020 bis zum 30. Juni 2020 einer behördlich angeordneten Absonderung (i.S.d. § 30 IfSG). Es ist unter Berücksichtigung der Begründung der Allgemeinverfügung auch davon auszugehen, dass Herr N. als Ansteckungsverdächtiger (§ 2 Nr. 7 IfSG) galt, da er unmittelbar vor Erlass der ersten Absonderungsverfügung als Schlachter auf dem Betriebsgelände der Firma U. tätig war. Sein Einsatzort war die Zerlegung, dort wurde am 16. Juni 2020 eine Vielzahl von mit dem Coronavirus infizierten Kollegen festgestellt. 56Da § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 IfSG das Erfordernis der Rechtmäßigkeit der Absonderungsverfügung nicht voraussetzt, genügt tatbestandlich eine wirksame Maßnahme. 57Vgl. zum Streitstand: Eckart/Kruse, in: BeckOK, Infektionsschutzrecht, IfSG, 10. Edition, 15. Januar 2022, § 56 Rn. 34, m.w.N.; Kümper, in: Kießling, IfSG, 2. Auflage 2021, § 56 Rn. 20, m.w.N. 58Gegen die Wirksamkeit der Verfügung bestehen keine Bedenken, solche wurden von den Beteiligten auch nicht vorgetragen. Ungeachtet dessen bestehen - unter Berücksichtigung der o.g. Umstände - auch keine (durchgreifenden) Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Absonderungsanordnung. 59b. Unabhängig davon, ob § 56 Abs. 1 Satz 3 IfSG in seiner hier maßgeblichen Fassung über die dort ausdrücklich geregelten Fälle dahingehend zu verstehen ist, dass allgemein bei Vermeidbarkeit der Absonderung durch den Abgesonderten die Entschädigung ausscheidet, 60vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 10. Mai 2021 - 9 K 67/21 -, juris Rn. 94, 61ist hier nicht zu erkennen, dass die Absonderung vom 18. bis zum 30. Juni 2020 für den Arbeitnehmer vermeidbar gewesen sein könnte. Insbesondere hat er sich nach eigenen Angaben ab dem 18. Juni 2020 durchgängig in häuslicher Absonderung befunden; eine Freitestung nach den in der Allgemeinverfügung des Kreises Gütersloh vom 18. Juni 2020 festgelegten Kriterien erfolgte für ihn in dieser Zeit nicht. In der Allgemeinverfügung vom 20. Juni 2020 bestand die Möglichkeit einer Freitestung für Ansteckungsverdächtige wie den Arbeitnehmer nicht mehr. 62c. Der Arbeitnehmer N. hat außerdem in dem Zeitraum vom 18. Juni 2020 bis zum 30. Juni 2020 den erforderlichen Verdienstausfall erlitten. 63Nach dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ (§ 326 Abs. 1 BGB) stand ihm im Zeitraum der Absonderung, in dem er seine Wohnung nicht verlassen durfte, kein Anspruch aus seinem Arbeitsvertrag i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB auf Zahlung seines Arbeitslohns zu. 64Vgl. dazu z.B.: Maties, in: BeckOGK, BGB, 1. August 2021, § 611a Rn. 1670 ff.; Fandel/Kock, in: Herberger/Martinek u.a., jurisPK-BGB, 9. Auflage 2020, § 611a Rn. 198. 65Er konnte seine Tätigkeit als „Fleischer“ offenkundig auch nicht im Home-Office erbringen. 66Vgl. zur arbeitsorganisatorischen Umstellung auch: Eckart/Kruse, in: BeckOK, Infektionsschutzrecht, IfSG, 10. Edition, 15. Januar 2022, § 56 Rn. 35. 67Es lag kein Fall vor, in dem die Klägerin gegenüber dem Arbeitnehmer nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen zur Lohnfortzahlung trotz nicht geleisteter Arbeit verpflichtet gewesen wäre. 68aa. Die Voraussetzungen des § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB liegen nicht vor. 69Der Anwendung von § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB im Arbeitsrecht steht § 615 BGB nicht entgegen. Die dienstvertraglichen Regeln des Annahmeverzugs verdrängen § 326 BGB nicht. Vielmehr ergänzen sich beide. 70Vgl. im Einzelnen z.B.: BAG, Urteil vom 23. September 2015 - 5 AZR 146/14 -, juris Rn. 26; Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, BGB, 22. Auflage 2022, § 615 Rn. 5, m.w.N.; Bieder, in: BeckOGK, BGB, 1. Februar 2020, § 615 Rn. 6. 71Nach § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Arbeitgeber für den Umstand, auf Grund dessen der Arbeitnehmer nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist. 72Es fehlt an der danach erforderlichen Verantwortlichkeit der Klägerin, denn es ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin allein oder weit überwiegend verantwortlich ist für den Grund der - wegen des Fixschuldcharakters der nach wöchentlicher Arbeitszeit bemessenen Arbeitsleistung (§ 4 Arbeitsvertrag) -, 73vgl. BAG, Urteile vom 17. März 1988 - 2 AZR 576/87 -, juris Rn. 47, und vom 23. September 2015 - 5 AZR 146/14 -, juris Rn. 26; Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, BGB, 22. Auflage 2022, § 611a Rn. 675; Fandel/Kock, in: Herberger/Martinek u.a., jurisPK-BGB, 9. Auflage 2020, § 611a Rn. 198; Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 275 Rn. 49, 52, zur Einzelfallbetrachtung, 74absonderungsbedingten Unmöglichkeit. Verantwortlichkeit im vg. Sinne erfasst nach der hier maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Vertretenmüssen i.S.d. §§ 276, 278 BGB, d.h. mindestens fahrlässiges Handeln. 75Vgl. z.B.: BAG, Urteil vom 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 -, juris Rn. 29; Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Auflage 2021, § 95 Rn. 2. 76Soweit darüber hinaus vertreten wird, dass sich eine - auch verschuldensunabhängige - Verantwortlichkeit des Gläubigers für bestimmte Risiken ergeben kann, 77vgl. z.B. Ulber, in: Erman, BGB, 16. Auflage 2020, § 326 Rn. 26 ff.; Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 326 Rn. 53 ff., jeweils m.w.N., 78bedarf es einer solchen erweiternden Auslegung im Arbeitsverhältnis nicht, da derartige Konstellationen über die Grundsätze der Betriebsrisikolehre zu lösen sind (§ 615 Satz 3 BGB). 79Vgl. Schwarze, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, § 326 Rn. C56. 80Dessen ungeachtet ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin durch vertragliche oder gesetzliche Regelungen einer besonderen Risikoübernahme unterliegt. 81Der Gläubiger ist allein oder weit überwiegend verantwortlich i.S.d. § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB, wenn unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 254 BGB eine Verantwortungsquote von 90% vorliegt. 82Vgl. z.B.: Herresthal, in: BeckOGK, BGB, 1. Juni 2019, § 326 Rn. 187, m.w.N.; Stadler, in: Jauernig, BGB, 18. Auflage 2021, § 326 Rn. 14; Dauner-Lieb, in: NK-BGB, 4. Auflage 2021, § 326 Rn. 13; vgl. auch BT-Drs. 14/6040, 187: Vielmehr muss der Gläubiger zumindest „weit“ überwiegend für die Entstehung des Rücktrittsgrundes mit verantwortlich sein. Damit soll ein Grad der Mitverantwortung umschrieben werden, der über § 254 auch einen Schadensersatzanspruch ausschließen würde; a.M. Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 326 Rn. 9 und § 254 Rn. 64. 83Eine eigene (mindestens) weit überwiegende Verantwortlichkeit der Klägerin ist nicht gegeben, weder bezüglich des Ansteckungsverdachts ihres Arbeitnehmers noch bezüglich des erheblichen Ausbruchsgeschehens auf dem Betriebsgelände der Firma U. in Rheda-Wiedenbrück. Zwar hat es von der Klägerin zu verantwortende Verstöße gegen Arbeitsschutzregeln gegeben (1.). Dass die Klägerin damit jedoch weit überwiegend verantwortlich sein könnte, ist nicht ersichtlich (2.). 84(1.) Die Klägerin hat gegen Arbeitsschutzpflichten verstoßen. 85(a.) Nach den der Kammer zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Erkenntnissen sind der Klägerin im hier maßgeblichen Zeitraum Verstöße gegen ihre arbeitsschutzrechtlichen Pflichten vorzuwerfen. 86Maßgeblich für die Beurteilung etwaiger Verstöße ist aus Sicht der Kammer der Zeitraum ab Mitte Mai 2020. Denn eine am 7. Mai 2020 vom MAGS veranlasse Reihentestung auf das Coronavirus in allen Schlachtbetrieben Nordrhein-Westfalens, 87vgl. Bericht für den Ausschuss Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landtags Nordrhein-Westfalens „SARS-CoV-2/COVID-19 Ausbruchsgeschehen in Schlachtbetrieben“, 13. Mai 2020, abrufbar unter: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-3441.pdf, 88hat nur vereinzelt positive Befunde (4 von 6.289) unter den auf dem Betriebsgelände der Firma U. tätigen Personen (im Wesentlichen wohl vom 11. Mai bis zum 18. Mai 2020) ergeben. Diese mit dem Coronavirus infizierten Personen waren nicht in die Fleischverarbeitung involviert und wurden als wahrscheinlich voneinander unabhängig beurteilt. 89Vgl. so: F3. /C. , u.a. „SARS-CoV-2 outbreak investigation in a German meat processing plant“, Preprint vom 23. Juli 2020, abrufbar unter: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3654517, und Update vom 6. Oktober 2020 (peer reviewed), abrufbar unter: https://www.embopress.org/doi/full/10.15252/emmm.202013296; vgl. auch: F. u.a., Hygienisch-medizinische Risikoeinschätzung und Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle von COVID-19-Infektionen bei der Firma U. in Rheda-Wiedenbrück zur Unterstützung der Abteilung Gesundheit des Kreises Gütersloh, 28. Juli 2020. 90Erst danach kam es zu dem hier maßgeblichen Ausbruchsgeschehen. 91Gemäß § 618 Abs. 1 BGB hat der Dienstberechtigte Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. 92Der Inhalt der Fürsorgepflichten, die dem Arbeitgeber nach § 618 BGB im Hinblick auf die Sicherheit und das Leben der Arbeitnehmer obliegen, wird dabei durch die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen konkretisiert, insbesondere durch das Arbeitsschutzgesetz. Sie transformieren dabei den technischen Arbeitsschutz in den Arbeitsvertrag. 93Vgl. BAG, Urteil vom 12. August 2008 - 9 AZR 1117/06 -, juris Rn. 13; Oetker, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 618 Rn. 14. 94Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten 1. für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie 2. Vorkehrungen zu treffen, dass die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können (Absatz 2). 95Gemäß § 5 Abs. 1 ArbSchG hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Des Weiteren hat der Arbeitgeber die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit während ihrer Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG). Die Klägerin war dabei durch den Einsatz ihrer Mitarbeiter auf dem (fremden) Betriebsgelände der Firma U. nicht von ihren arbeitsschutzrechtlichen Pflichten entbunden. 96Vgl. Oetker, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 618 Rn. 95, m.w.N.; Wiebauer, Arbeitsschutz in Fremdfirmen, in: ZfA 2014, 49 f.; vgl. auch z.B. § 2 Nr. 5, 6 und 9 Werkvertrag. 97Werden Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber an einem Arbeitsplatz tätig, sind die Arbeitgeber nach § 8 Abs. 1 ArbSchG verpflichtet, bei der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen zusammenzuarbeiten (Satz 1). Soweit dies für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit erforderlich ist, haben die Arbeitgeber je nach Art der Tätigkeiten insbesondere sich gegenseitig und ihre Beschäftigten über die mit den Arbeiten verbundenen Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu unterrichten und Maßnahmen zur Verhütung dieser Gefahren abzustimmen (Satz 2). 98Im Hinblick auf die Coronapandemie hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 20. April 2020 die sog. SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards (IIIb4-34503) festgelegt. Dabei handelt es sich zwar nicht um ein verbindliches Regelwerk. Es ist aber bei der Ermittlung der vom Arbeitgeber zu beachtenden Schutzpflichten einzubeziehen. 99Vgl. z.B. Wilrich, Der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandard des BMAS, NZA 2020, 634 (637). 100Dies berücksichtigend ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Klägerin sich ihrer arbeitsschutzrechtlichen Pflichten bewusst war und Maßnahmen zum Schutz ihrer Beschäftigten ergriffen hat. Sie hat sich nach eigenem Bekunden an die Vorgaben der Firma U. gehalten, ihre Mitarbeiter entsprechend informiert und diese zur Einhaltung der Vorgaben angehalten. Für die Kontrolle der Schutzmaßnahmen im Bestellerbetrieb waren eigene Betriebsleiter der Klägerin zuständig. Dass diese Angaben unrichtig sind, ist nicht ersichtlich. Insoweit hat auch der Zeuge N. erklärt, dass er und seine Kollegen u.a. von der Klägerin über einzuhaltende Hygieneregeln unterrichtet worden seien. Schriftliche Belehrungen seien ihm, auch in seiner Muttersprache Rumänisch, mehrfach ausgehändigt worden. Zudem habe es vor Ort von Mitarbeitern der Firma U. entsprechende Instruktionen gegeben, was die Behauptung der Klägerin über ihre Einbeziehung in das Hygienekonzept der Firma U. stützt. In diesem Sinne ist - auch dem beklagten Land aus anderen Verfahren - bekannt, dass der „Corona-Krisenstab“ der Firma U. unter der Leitung von Herrn E. B. die erarbeiteten Schutzmaßnahmen u.a. auch an die Betriebs- und Abteilungsleiter der „Dienstleister“ weitergegeben hat. Die Beteiligung ist im Übrigen offenkundig notwendig gewesen, weil die Klägerin im Rahmen des mit der Firma U. geschlossenen Werkvertrages die Räumlichkeiten - inklusive z.B. der Kantine oder der Sanitärräume, dazu sogleich unter (2.) - und Betriebsmittel der Bestellerin genutzt hat. In diesem Rahmen hat es insbesondere auch die erforderliche Gefährdungsbeurteilung gegeben, da das von den Betriebs- und Werksleitern an den jeweiligen Standorten umzusetzende Hygienekonzept zur Corona-Risiko-Minimierung vom 12. Mai 2020, das in der Folgezeit mehrfach angepasst worden ist, u.a. auf der „Ergänzung der Gefährdungsbeurteilung im Sinne des SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards, Branche: Fleischwirtschaft“ der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) vom 29. April 2020 basiert. Sofern davon ausgegangen wird, dass § 8 Abs. 1 ArbSchG auch eine Koordinierung der Klägerin mit den anderen Werkvertragspartnern und Dienstleistern der Firma U. verlangt, die auf dem Gelände ebenfalls Arbeitnehmer eingesetzt haben, ist dies jedenfalls mittelbar über die Abstimmung mit der Firma U. erfolgt. 101Nach der Vernehmung des Arbeitnehmers N. geht die Kammer jedoch davon aus, dass nicht alle Schutzmaßnahmen konsequent um- bzw. durchgesetzt wurden. So wurden insbesondere das Abstandsgebot bzw. Schutzalternativen wie das Anbringen von Abtrennungen oder das Tragen einer FFP2-Maske nicht eingehalten (vgl. Nr. 1 SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards i.V.m. der Ergänzung der Gefährdungsbeurteilung für die Fleischwirtschaftsbranche sowie die Vorgaben zur Verhaltensweise in den Produktionsbereichen des Hygienekonzepts zur Corona-Risiko-Minimierung). Der Zeuge hat dazu erklärt, dass er vor dem hier maßgeblichen Ausbruchsgeschehen im Juni 2020 am Band „Lachse“ im Bereich „Zerlegung von Schweinen“ nur einen Abstand von etwa 1 Meter zum nächsten Kollegen eingehalten habe, nach der Absonderung seien diese Abstände deutlich vergrößert und die Anzahl der Mitarbeiter am Band reduziert worden. Aus der von F3. /H. erstellten „Hygienisch-medizinischen Risikoeinschätzung und Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle von COVID-19-Infektionen bei der Firma U. in Rheda-Wiedenbrück zur Unterstützung der Abteilung Gesundheit des Kreises Gütersloh“ vom 27. Juli 2020 ergibt sich zudem, dass keine Barrieren zwischen den Mitarbeitern der Schweinezerlegung zur Verhinderung einer direkten Tröpfcheninfektion etabliert waren und das Tragen von FFP2-Masken mit der dort verrichteten schweren körperlichen Arbeit nicht vereinbar war. 102(b.) Darüber hinaus fehlt es an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass von der Klägerin weitere Gesundheits- und Arbeitsschutzvorschriften verletzt worden sind. 103Dies gilt insbesondere für Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Kantinennutzung. Belegt werden solche jedenfalls nicht durch ein im Juni 2020 bei YouTube eingestelltes Video (https://www.youtube.com/watch?v=HQagACah_V0), das eine vollbesetzte Kantine auf dem Betriebsgelände der Firma U. zeigen soll. Das Video hat aus Sicht der Kammer keinerlei Beweiswert. Es ist schon gar nicht klar, wann diese Aufnahme erstellt worden ist. Zudem lässt sich nicht feststellen, ob Mitarbeiter der Klägerin zu sehen sind oder diese die Kantine in dem hier relevanten Zeitraum unter Verstoß gegen das Abstandsgebot genutzt haben. Auch die Aussage des Zeugen N. , der in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, die Aufenthaltsräume während der Pausen gemeinsam mit Beschäftigten anderer Unternehmen genutzt zu haben, indiziert keinen Verstoß gegen die Corona(arbeits-)schutzmaßnahmen. Vorgesehen war ausweislich des Hygienekonzepts vom 12. Mai 2020 (und bereits zuvor) nämlich eine Trennung der Abteilungen bzw. Unterabteilungen in der Kantine und im Übrigen während der Pausen außerhalb der Kantine die Einhaltung von Sicherheitsabständen bzw. im Falle des fehlenden Sicherheitsabstands das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung. 104Anhaltspunkte für Pflichtverstöße im Zusammenhang mit der Unterbringung des Arbeitnehmers N. oder der weiteren Mitarbeiter der Klägerin liegen der Kammer nicht vor. Solche Verstöße hat das beklagte Land auch weder im Bescheid vom 20. Januar 2021 behauptet, denn dort wird nur ausgeführt, dass die Klägerin „beim Einsatz“ ihres Arbeitnehmers „Gesundheits- und Arbeitsschutzvorschriften, insbesondere Hygienevorgaben“ verletzt habe, noch hat sie solche Vorwürfe im Klageverfahren erhoben, da sie auch in diesem Rahmen nur auf Verstöße im betrieblichen Umfeld verweist. Dass es im Juni 2020 entsprechende Ermittlungen der Aufsichtsbehörden bei von der Klägerin z.B. vermieteten Wohnungen oder betriebenen Sammelunterkünften gegeben hat, 105vgl. zu entsprechenden Ermittlungen in Coesfeld und Rheda-Wiedenbrück z.B.: Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Ausschussprotokoll APr 17/1065 vom 25. Juni 2020, S. 6 f., 106auf deren Ergebnisse nunmehr zurückgegriffen werden könnte, ist weder bekannt noch vom beklagten Land, dem die staatliche Arbeitsschutzverwaltung obliegt, vorgetragen worden. Die Kammer hat - ungeachtet dessen - aber auch keine Anhaltspunkte für zurechenbare Pflichtverletzungen der Klägerin, insbesondere mit Blick auf die in § 618 Abs. 2 BGB, § 36 IfSG oder § 576 BGB geregelten Vorgaben. Eine Verantwortlichkeit der Klägerin für die Wohnverhältnisse des Herrn N1. scheidet schon deshalb aus, weil er sich nach seinen glaubhaften Ausführungen in der mündlichen Verhandlung die Wohnung unter der Adresse T.--------straße in Rheda-Wiedenbrück selbst im Internet gesucht hat. Die Klägerin hat ihm nicht bei der Wohnungssuche geholfen. Sie ist nach eigenen Angaben auch nicht Vermieterin der Wohnung gewesen. Soweit die Klägerin nach ihren Bekundungen an (andere) Mitarbeiter Wohnungen vermittelt oder diesen Personen im hier relevanten Zeitraum Wohnungen zur Verfügung gestellt hat, mag sie dafür zwar im Sinne der vorbenannten Normen verantwortlich sein. Hinweise auf mit der (erhöhten) Verbreitung des Coronavirus relevante Pflichtverletzungen ihrerseits liegen aber nicht vor. Die Kammer sieht sich daher nicht veranlasst, weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen. In diesem Zusammenhang weist die Kammer - wegen des in der Allgemeinverfügungen des Kreises Gütersloh vom 18. und 20. Juni 2020 enthaltenen Hinweises auf eine Weiterverbreitung des Coronavirus in gemeinsamen Unterkünften der auf dem Betriebsgelände der Firma U. Beschäftigten - vorsorglich darauf hin, dass gemeinsames Wohnen mit Nahkontakten - was im Mai/Juni 2020 bereits bekannt war - zur Verbreitung des Coronavirus führt bzw. geführt hat, und dies auch ohne relevante Verstöße gegen spezielle Coronaschutzmaßnahmen. Zudem erhöht nicht jeder „Hygieneverstoß“ im Wohnumfeld das Verbreitungsrisiko des Virus. Zuletzt lässt der Umstand, dass v.a. in der Presse immer wieder von unzumutbaren Unterbringungsbedingungen ausländischer Arbeitnehmer „in der Fleischwirtschaft“ berichtet wird, weder im Sinne eines Anscheinsweises auf eine derartige Pflichtverletzung der Klägerin (als ein damals in der Fleischverarbeitungsbranche tätiges Unternehmen) schließen noch wird damit ein relevanter Verursachungsbeitrag der etwaigen Pflichtverletzung am erhöhten Infektionsrisiko belegt. 107Auch der Klägerin zurechenbare Verstöße gegen Schutzmaßnahmen im Rahmen der von ihr organisierten Transporte ihrer Mitarbeiter zwischen Wohnung und Betriebsstätte der Firma U. sind weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen worden. Zwar ist davon auszugehen, dass sie derartige Fahrten organisiert und die Fahrzeuge zur Verfügung gestellt hat. Allerdings ist eine Zurechnung etwaiger Verstöße zweifelhaft. Zum einen deshalb, weil ihre Arbeitnehmer für diese „Serviceleistung“ offenbar kein Entgelt entrichtet haben bzw. keinen Abzug vom Arbeitslohn hinnehmen mussten. Zum anderen sind die Fahrer offenbar auch „nur“ Mitarbeiter gewesen, die z.B. „mit am Band“ gearbeitet haben, was eher für den Charakter einer Fahrgemeinschaft spricht. Ungeachtet dieser Zurechnungsproblematik sind auch keine relevanten Pflichtverstöße der Klägerin in diesem Zusammenhang zu erkennen. Nr. 4 SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards sah insoweit (u.a.) vor, dass auch bei arbeitsbezogenen Kontakten außerhalb der Betriebsstätte „soweit wie möglich Abstände von mindestens 1,5 m einzuhalten“ waren. Es sollten bei den Fahrten „kleine, feste Teams“ gebildet werden, um wechselnde Kontakte zu vermeiden, und die Fahrzeuge regelmäßig gereinigt werden. Zwar ist unter Berücksichtigung der Zeugenaussage des Arbeitnehmers N. davon auszugehen, dass die Mitarbeiter der Klägerin in den von ihr zur Verfügung gestellten Kleinbussen diesen Mindestabstand nicht eingehalten haben. Dies gilt trotz der Einschätzung des Zeugen, wonach aus seiner Sicht die Abstände wegen der reduzierten Fahrgastzahl ausreichend gewesen seien. Jedenfalls aber hat der Zeuge glaubhaft bekundet, dass er in den von der Klägerin organisierten Transporten - wie angeordnet - eine Maske getragen habe. Hierbei handelt es sich um eine im Mai/Juni 2020 übliche Alternativmaßnahme. 108(2.) Die danach festgestellten Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften führen nicht zu einer alleinigen oder weit überwiegenden Verantwortlichkeit der Klägerin, weder für das Ausbruchsgeschehen am Betriebsstandort der Firma U. , noch für den individuellen Ansteckungsverdacht des Arbeitnehmers N. . Das Ausbruchsgeschehen bei der Firma U. wurde maßgeblich durch Umstände beeinflusst (a.), auf die die Klägerin selbst keinen Einfluss hatte bzw. haben konnte (b.). Weitere mögliche Ursachenbeiträge führen zu keinem anderen Ergebnis ((c.) bis (g.)). 109(a.) Nach den gegenwärtigen Erkenntnissen gab es auf dem Betriebsgelände der Firma U. ein erstes (kleineres) Ausbruchsgeschehen ab dem 19. Mai 2020 in der Zerlegung. Die daraufhin angestellten Untersuchungen, an denen die Firma U. jedenfalls durch die Ermöglichung von Betriebsbegehungen und durch zur Verfügung gestellte Unterlagen beteiligt war, weisen darauf hin, dass die Umgebungsbedingungen in der Anlage, einschließlich niedriger Temperatur, geringer Luftaustauschraten und ständiger Umwälzung der Luft, zusammen mit relativ geringen Abständen zwischen den Arbeitern und der anstrengenden körperlichen Arbeit eine ungünstige Mischung aus Faktoren darstellt, die eine effiziente Aerosolübertragung von SARS-CoV-2-Partikeln begünstigen. Dagegen spielen die Unterbringung der Mitarbeiter in Gemeinschaftsunterkünften sowie Fahrgemeinschaften keine (große) Rolle während der ersten Phase des Ausbruchs. Es ist nach den Ergebnissen der Untersuchungen sehr wahrscheinlich, dass die erwähnten ungünstigen Faktoren für die seit Beginn der Coronapandemie eingetretenen Ausbrüche auch in anderen Fleischverarbeitungsbetrieben verantwortlich sind. Die Analysen deuten ferner darauf hin, dass es durch eine potenziell kontinuierliche Übertragung unter den Mitarbeitern zum zweiten - hier relevanten - großen Ausbruch im Juni 2020 gekommen ist. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch von den Mitarbeitern gemeinsam genutzte Wohnräume sowie Fahrgemeinschaften zur Arbeitsstelle zur Virusverbreitung beigetragen haben. 110Vgl. dazu: F3. /C. , u.a. „SARS-CoV-2 outbreak investigation in a German meat processing plant“, Preprint vom 23. Juli 2020, abrufbar unter: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3654517, und Update vom 6. Oktober 2020 (peer reviewed), abrufbar unter: https://www.embopress.org/doi/full/10.15252/emmm.202013296; vgl. auch: F3. u.a., Hygienisch-medizinische Risikoeinschätzung und Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle von COVID-19-Infektionen bei der Firma U. in Rheda-Wiedenbrück zur Unterstützung der Abteilung Gesundheit des Kreises Gütersloh, 28. Juli 2020. 111Nach diesen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die oben festgestellten Verstöße der Klägerin eine überwiegende Verantwortlichkeit i.S.v. § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB (mindestens 90 %) begründen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Lüftungsbedingungen in der Betriebsstätte einen maßgeblichen Anteil an der weitreichenden Verbreitung des Virus unter den auf dem Betriebsgelände tätigen Personen hatten, der jedenfalls über 10 % lag. 112(b.) Hinsichtlich dieser offenbar branchenüblichen Produktionsbedingungen in der Fleisch- und Fischverarbeitung, 113vgl. dazu: „Discussion“ bei F3. /C. , u.a. „SARS-CoV-2 outbreak investigation in a German meat processing plant“, Preprint vom 23. Juli 2020, abrufbar unter: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3654517, und Update vom 6. Oktober 2020 (peer reviewed), abrufbar unter: https://www.embopress.org/doi/full/10.15252/emmm.202013296, 114trifft die Klägerin kein Verschulden, insbesondere nicht über eine Zurechnung nach § 278 BGB. Zwar dürfte die Firma U. bezüglich der insoweit bestehenden Arbeitsschutzpflicht ihr Erfüllungsgehilfe gewesen sein, ein Verschulden kann jedoch nicht festgestellt werden. 115Bezüglich der im Rahmen des On-Site Werkvertrages überlassenen Räumlichkeiten (Betriebsstätte) und Betriebsmittel dürfte die Firma U. als Bestellerin insbesondere mit Blick auf die für die Klägerin bestehenden Pflichten zum Gesundheitsschutz ihrer Beschäftigten bei der Arbeit (vgl. § 1 Abs. 1 ArbSchG) als Erfüllungsgehilfe i.S.d. § 278 BGB tätig geworden sein. 116Nach § 278 Satz 1 BGB hat der Schuldner u.a. ein Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Ein solcher Erfüllungsgehilfe ist, wer nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als dessen Hilfsperson tätig wird. 117Vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2011 - XI ZR 373/08 -, juris Rn. 24, m.w.N. 118Entscheidend ist dabei der Wille der Klägerin als Schuldnerin der arbeitsschutzrechtlichen Pflichten gegenüber ihren Arbeitnehmern. Nicht erforderlich ist, dass der Schuldner eine entsprechende Willenserklärung gegenüber dem Gläubiger oder der Hilfsperson abgibt. Es genügt, dass er den Willen, die Hilfsperson an der Erfüllung seiner Verbindlichkeit mitwirken zu lassen, tatsächlich hat. Entscheidend ist auch nicht, dass der Gehilfe weiß, dass eine Verbindlichkeit des Geschäftsherrn bestand oder dass er durch sein Handeln eine Verbindlichkeit des Geschäftsherrn erfüllte. 119Vgl. Caspers, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 278 Rn. 18 ff., m.w.N. 120Von einem derartigen Willen dürfte hier auszugehen sein. Die Klägerin und die Firma U. haben in ihrem Werkvertrag vereinbart, dass die Bestellerin die Räume und wesentliche Teile der Betriebsmittel zur Verfügung stellt (§ 2 Nr. 1 Werkvertrag). Dabei gingen die Vertragsparteien selbstverständlich davon aus, dass die Klägerin sich zur Erfüllung der werkvertraglichen Verpflichtung eigener Arbeitnehmer bedienen wird (vgl. nur § 1 Nr. 2 und 3, § 2 Nr. 6 bis 10 Werkvertrag), die auch Kantine, Pausenräume oder Sanitäranlagen der Bestellerin genutzt haben. 121Vgl. dazu auch: F1. u.a., Hygienisch-medizinische Risikoeinschätzung und Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle von COVID-19-Infektionen bei der Firma U. in Rheda-Wiedenbrück zur Unterstützung der Abteilung Gesundheit des Kreises Gütersloh, 28. Juli 2020, S. 17. 122Zwar unterlagen die Arbeitnehmer der Klägerin - wie im Werkvertrag üblich - grundsätzlich nicht den Weisungen der Bestellerin (§ 1 Nr. 3 Werkvertrag), eine Einschränkung wurde aber bezüglich der hier relevanten Weisungen des Hygienebeauftragen der Firma U. vereinbart (§ 2 Nr. 5 Werkvertrag), was aufgrund der Nutzung der Betriebsräume (u.a.) auch erforderlich erscheint. Gleichzeitig verpflichtete sich die Klägerin gegenüber der Firma U. , die deutschen Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten (vgl. z.B. § 2 Nr. 6 Werkvertrag). Unter diesen Umständen dürfte die Klägerin jedenfalls den Willen gehabt haben, sich der Firma U. und ihrer Erfüllungsgehilfen hinsichtlich des Gesundheitsschutzes zu Gunsten ihrer Arbeitnehmer bezüglich der ihr überlassenen Räumlichkeiten und Arbeitsmittel zu bedienen. 123Vgl. BGH, Urteil vom 6. April 1995 - VII ZR 36/94 -, juris Rn. 12; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 618 Rn. 100; Oetker, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 618 Rn. 95 m.w.N.; a.A. Wiebauer, Arbeitsschutz im Fremdbetrieb, in: ZfA 2014, 29 (54 ff.). 124Ein relevanter Verschuldensvorwurf hinsichtlich der Lüftungsbedingungen in der Betriebsstätte trifft die Klägerin und ihre Bestellerin aber nicht. 125Dass die Belüftungssituation eine - wesentliche - Ursache der erheblichen „Infektionsgeneigtheit“ der betrieblichen Umgebung war, war nach den zum Zeitpunkt des Ausbruchsgeschehens vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen für die Firma U. - und damit erst Recht für die Klägerin - jedenfalls nicht in der Weise vorhersehbar, die eine angemessene Reaktion ermöglicht hätte. Bereits ein Fahrlässigkeitsvorwurf scheidet deshalb aus. 126Nach § 4 Abs. Nr. 3 ArbSchG hat der Arbeitgeber bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes den Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen. Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene meint dabei den Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, der die praktische Eignung einer Maßnahme zum Gesundheitsschutz gesichert erscheinen lässt. 127Vgl. Kohte, in: Kollmer/Klindt/Schucht, Arbeitsschutzgesetz, 4. Auflage 2021, § 4 Rn. 14 und 16, m.w.N. zur Verallgemeinerung dieser in § 2 Abs. 15 GefStoffV und § 2 Abs. 10 BetrSichV enthaltenen Definition. 128Gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse liegen vor, wenn sie methodisch abgesichert sind und von einer überwiegenden Meinung der beteiligten Fachkreise zugrunde gelegt werden. 129Vgl. Kohte, in: Kollmer/Klindt/Schucht, Arbeitsschutzgesetz, 4. Auflage 2021, § 4 Rn. 19; Roloff, in; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, ArbSchG, 22. Auflage 2022, § 4 Rn. 3; siehe auch BAG, Beschluss vom 13. August 2019 - 1 ABR 6/18 -, juris Rn. 63. 130Vor diesem Hintergrund ist der Firma U. wegen des dynamischen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns hinsichtlich des Coronavirus SARS-CoV-2, welcher der Kammer aus eigener Spruchpraxis bekannt ist, kein arbeitsschutzrechtlicher Fahrlässigkeitsverstoßes i.S.v. § 278 BGB bezüglich der Belüftungssituation in den hier maßgeblichen Betriebsräumen vorzuwerfen. 131Dass es in der Fleischindustrie zu erheblichen Ausbruchsgeschehen kommen kann, musste der Firma U. spätestens nach dem Ausbruch bei der Großschlachterei X.......... in Coesfeld, 132vgl. dazu z.B.: Lebensmittelpraxis, X.........., Mitarbeiter mit Corona infiziert, 6. Mai 2020, abrufbar unter: https://lebensmittelpraxis.de/industrie-aktuell/27263-westfleisch-mitarbeiter-mit-corona-infiziert-2020-05-06-11-02-24.html, 133und in einem von X. betriebenen Fleisch-Zerlegebetrieb in Dissen jeweils im Mai 2020 bekannt gewesen sein. 134Vgl. dazu z.B.: Rundschau für den Lebensmittelhandel, X. : Weiterer Standort von Corona-Infektionen betroffen, 18. Mai 2020, abrufbar unter: https://www.rundschau.de/artikel/westfleisch-weiterer-standort-von-corona-infektionen-betroffen. 135Der Ausbruch in Coesfeld hat dann auch zu der vom MAGS veranlassten und - bereits erwähnten - Reihentestung im Betrieb der Firma U. geführt. 136Im Zuge des - nach Abschluss der Reihentestung beginnenden - ersten, kleineren Ausbruchsgeschehens Mitte Mai 2020 bei der Firma U. , welches bereits am 2. Juni 2020 durch Prof. Dr. C1. auf dem Betriebsgelände untersucht wurde, konnte nach dem betrieblichen Hygienekonzept vom 10. Juni 2020 offensichtlich auch die Erkenntnis gewonnen werden, dass die „klimatischen Bedingungen in den Produktionsräumen der Zerlegung eine Übertragung zu begünstigen [scheinen]“. Aus dieser wagen Erkenntnis jedoch unmittelbar konkrete Handlungsgebote ableiten zu wollen, überspannt die dargelegten arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen. Denn nicht einmal diese - zumindest mit Unterstützung der Firma U. stattfindende - initiale wissenschaftliche Untersuchung der Infektionsgeneigtheit in der Fleischindustrie war zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen. Die Studienergebnisse wurden erst im Juli 2020 auf dem Preprint-Server veröffentlicht und hatten zu dieser Zeit auch noch kein Peer-Review-Verfahren durchlaufen, waren also noch nicht von anderen unabhängigen Wissenschaftlern geprüft worden. Von der Firma U. konnte bei der Erfüllung der arbeitsschutzrechtlichen Pflichten nicht verlangt werden, den insoweit maßgeblichen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn vorherzusehen und im Vorgriff auf etwaige Ergebnisse konkrete Handlungen vorzunehmen. 137Vgl. dazu auch: MAGS NRW, Protokoll des Behördentreffens zwischen MAGS NRW, Bezirksregierung Detmold, Kreis Gütersloh und Stadt Rheda-Wiedenbrück mit Vertretern der Unternehmensgruppe U. am 26. April 2021 zum Thema Antrag auf Aufhebung von Ordnungsverfügungen seitens der Unternehmensgruppe U. , in dem festgehalten worden ist: „Mit Blick auf die rechtliche Einordnung stellt Herr M....... fest, dass die Unternehmensgruppe U. deutliche Ausstrahlung in die Bevölkerung habe, Struktur und Situation gingen deutlich über den Schutz der Arbeitnehmer hinaus. Hier sei die Zielrichtung der Maßnahmen auch der Bevölkerungsschutz. Seinerzeit waren beim Ausbruch im Unternehmen zwei Kreise unter Quarantäne gestellt worden. Inzwischen sei wohl anzunehmen, dass dem Unternehmen U. kein schuldhafter Vorwurf zu machen sei, sondern vordringlich die unbekannte Aerosolproblematik zum Ausbruch führte.“; vgl. zudem: Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Ausschussprotokoll Apr 17/1065 vom 25. Juni 2020: „StS Dr. F2. I. (MAGS): [...] Es ist dann sofort die Zusammenarbeit mit Professor F1. in Bonn und mit Fachleuten vom RKI gesucht worden, die sich bei der Ursachensuche vor allem mit der Frage der Belüftung befasst haben. Die Spekulation oder das, was man vorab in Erwägung gezogen hat und nun auch definitiv überprüfen will, ist, ob die Aerosolbelastung - also nicht die Tröpfchenbelastung, für die ja die 1,5-m-Abstandsregelung und der Mundschutz gelten, sondern die Schwebstoffe in der Luft - neben der Tröpfchenbelastung eine wesentliche Rolle bei einem solchen Infektionsgeschehen spielen kann. Dazu sind Fragen zu beantworten, die wissenschaftlich noch nicht definitiv beantwortet sind, beispielsweise wie lange die Viren als Aerosole in diesem Schwebezustand verbleiben können, wie die Luftverteilung in dem Zerlegebetrieb aussieht. Die Leute arbeiten dort bei einer Temperatur von 8 bis 10 Grad. Die Luft wird in einem Umluftsystem auf diese 8 bis 10 Grad gekühlt. Durch diese Kühlung - wer einmal in einem Zerlegebetrieb war, der weiß, dass die Schlangen oben unter der Decke hängen - wird die Luft zugleich breit verteilt.“ 138Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass unmittelbar vor dem bzw. im Zuge des ersten Ausbruchsgeschehens zweimal die Einhaltung der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards des BMAS auf dem Betriebsgelände von der zuständigen Bezirksregierung Detmold kontrolliert wurde. Bei der ersten Überprüfung aller Abteilungen und Bereiche des Schlachthofes am 15. Mai 2020, 139vgl. Anhörungsschreiben der Bezirksregierung Detmold vom 18. Mai 2020 zur Arbeitsschutz - Besichtigung am 15. Mai 2020: „Bei der Begehung wurden alle Abteilungen und Bereiche des Schlachthofes besichtigt, inklusive der von der U. GmbH und U. M. GmbH & Co. KG genutzten Räumlichkeiten.“ 140wurden Mängel hinsichtlich der Umsetzung des - im Einklang mit den Arbeitsschutzstandards - stehenden Hygienekonzepts, 141vgl. Anhörungsschreiben der Bezirksregierung Detmold vom 18. Mai 2020 zur Arbeitsschutz - Besichtigung am 15. Mai 2020: „Die BMAS SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards sind der Firma bekannt und werden berücksichtigt. […] Grundlage für all diese Maßnahmen ist das von der Firma U. erstellte „Hygienekonzept zur Corona-Risiko-Minimierung“ (siehe Anhang). In diesem Konzept, das sich im absoluten Einklang mit den Arbeitsschutzstandards des BMAS befindet, werden alle Maßnahmen zusammengefasst, die zum Coronaschutz in der Firma umgesetzt werden sollen. […]“. 142festgestellt, insbesondere hinsichtlich des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung und mangelnden Abstands in der Kantine. 143Vgl. Aktenvermerk der Bezirksregierung Detmold vom 16. Mai 2020 und Anhörungsschreiben der Bezirksregierung Detmold vom 18. Mai 2020 zur Arbeitsschutz - Besichtigung am 15. Mai 2020. 144Ein Verstoß bezüglich der Belüftungssituation wurde nicht festgestellt, zumal auch Nr. 3 SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards zu diesem Zeitpunkt davon ausging, dass das Übertragungsrisiko über raumlufttechnische Anlagen insgesamt als gering einzustufen sei. Ebenso sieht die „Ergänzung der Gefährdungsbeurteilung im Sinne des SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards, Branche: Fleischwirtschaft“ der BNG vom 29. April 2020 insoweit nur eine Wartung und Reinigung der Lüftungsanlagen bzw. raumlufttechnischen Anlagen durch eine Fachfirma in den erforderlichen Intervallen vor. 145Nach fristgerechter unternehmensseitiger Erläuterung der im Rahmen der Begehung am 15. Mai 2020 erörterten Aspekte kam es am 29. Mai 2020 zu einer erneuten unangekündigten behördlichen Kontrolle der Betriebsbereiche, in denen nach Auffassung der Bezirksregierung Detmold zuvor zum Teil gravierende Mängel in Bezug auf die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards festgestellt worden waren. Zusammenfassend kam die Bezirksregierung zu dem Ergebnis, dass die vormals aufgezeigten Mängel beseitigt oder zumindest soweit beseitigt wurden, dass die SARS-CoV2 Arbeitsschutzstandards eingehalten sind. Da auch weitere Verbesserungen hinsichtlich der Kantine bereits in Planung waren, wurde vom Erlass weiterer arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen seitens der Bezirksregierung abgesehen. 146Vgl. Aktenvermerk der Bezirksregierung Detmold vom 29. Mai 2020. 147Wurde die Belüftungssituation danach schon von der zuständigen Aufsichtsbehörde nicht als arbeitsschutzrechtlich problematisch angesehen, konnte dies erst Recht nicht von der Firma U. erwartet werden. Gleichwohl hatte die Firma U. dem Kreis Gütersloh noch am 16. Juni 2020 mitgeteilt, auch in dieser Hinsicht - im Hinblick auf den noch nicht definitiven wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn - weitere Maßnahmen (u.a. Einbau einer UVC-Luftentkeimung, Erhöhung des Luftaustausch, mobile Belüftungssysteme zur Erhöhung der Frischluftzufuhr) ergriffen zu haben. 148(c.) Eine überwiegende Verantwortlichkeit der Klägerin ist auch nicht durch andere, ihr ggf. zurechenbare Verstöße der Firma U. gegeben. Zwar mag man nach den Feststellungen der Bezirksregierung Detmold bei der Betriebsbegehung am 15. Mai 2020 davon ausgehen, dass das Hygienekonzept insbesondere hinsichtlich der Abstands- und Maskenpflicht nicht vollständig durchgesetzt wurde. Diese Verstöße führen jedoch - ebenso wie der arbeitsschutzrechtliche Verstoß der Klägerin selbst - nicht dazu, die mitursächliche Belüftungssituation in der für § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB erforderlichen Weise zu negieren. Dies gilt auch dann, wenn die Verstöße der Firma U. und die der Klägerin gemeinsam betrachtet werden. 149Soweit das beklagte Land meint, zu dem Ausbruchsgeschehen im Juni 2020 konnte es nur wegen der am 15. Mai 2020 festgestellten Verstöße kommen, ist dem entgegenzuhalten, dass unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse ein fehlerhaftes Coronamanagement auf dem Betriebsgelände der Firma U. nicht erkennbar ist. Die vom MAGS im Mai 2020 veranlasste Reihentestung hat lediglich „vereinzelt“ positive Befunde hervorgebracht. Etwaige Verstöße gegen coronavirusbezogene Arbeitsschutzvorschriften haben offenbar keine Konsequenzen gehabt. Der Positivfall, der letztlich als Initiator des ersten Ausbruchsgeschehens im Mai 2020 gilt, wurde entsprechend der damaligen Vorgaben des Robert-Koch-Instituts zunächst als Kontaktperson mit geringem Infektionsrisiko eingestuft und nach positiver Testung am 20. Mai 2020 im häuslichen Umfeld separiert. Entsprechendes gilt für den zweiten in diesem Zusammenhang entdeckten Positivfall. Nachdem eine daran anschließende Reihentestung der Kollegen der Frühschicht in der Rinderzerlegung am 25. Mai 2020 im Folgenden weitere positive Befunde hervorgebracht hatte, haben auch diese sich am 27. Mai 2020 in häusliche Absonderung begeben. Probleme, diese Mitarbeiter wegen fehlender Adressen ausfindig zu machen, hat es (jedenfalls zu diesem Zeitpunkt) nicht gegeben. Durch weitere Testungen des Gesundheitsamts wurden Infektionen in verschiedenen Bereichen des Werks identifiziert und letztlich ein Ausbruch in der Schweinezerlegung am 9. Juni 2020 festgestellt. Die Studienergebnisse deuten letztlich auf ein anhaltendes, sich weiterverbreitendes Ausbruchsgeschehen mit einem Übergang vom ersten Ausbruch im Mai zum zweiten größeren Ausbruch im Juni 2020. Gemeinsames Wohnen und Fahrgemeinschaften der Beschäftigten sind dabei auch Faktoren für die Weiterverbreitung gewesen. 150Vgl. F1. /C. , u.a. „SARS-CoV-2 outbreak investigation in a German meat processing plant“, Preprint vom 23. Juli 2020, abrufbar unter: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3654517, und Update vom 6. Oktober 2020 (peer reviewed), abrufbar unter: https://www.embopress.org/doi/full/10.15252/emmm.202013296; vgl. auch: F1. u.a., Hygienisch-medizinische Risikoeinschätzung und Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle von COVID-19-Infektionen bei der Firma U. in Rheda-Wiedenbrück zur Unterstützung der Abteilung Gesundheit des Kreises Gütersloh, 28. Juli 2020; Robert Koch Institut, Kontaktpersonennachverfolgung bei respiratorischen Erkrankungen durch das Coronavirus, Stand: 16. April 2020; Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Ausschussprotokoll APr 17/1065 vom 25. Juni 2020, S. 12 f. 151Dass die festgestellten Verstöße, insbesondere gegen die Abstands- und Maskenpflicht, aber die entscheidende Ursache für den hier maßgeblichen Ausbruch waren, kann nicht festgestellt werden. Entsprechende Belege oder Indizien (an die eine weitere gerichtliche Aufklärung anknüpfen könnte) wurden auch nicht vom beklagten Land geliefert, das mit Hilfe der Bezirksregierung die Arbeitsschutzverwaltung durchführt und damit über die notwendigen Informationen verfügen müsste. 152Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass etwaige Verstöße gegen Coronaschutz- und Hygienemaßnahmen der Firma U. oder der U. Unternehmensgruppe mit Blick auf die etwaige Unterbringung oder den Transport ihrer Mitarbeiter der Klägerin schon nicht zurechenbar sind. 153(d.) Zu einem anderen Ergebnis gelangt die Kammer auch dann nicht, wenn etwaige Arbeitsschutzverstöße anderer auf dem Betriebsgelände der Firma U. tätigen Subunternehmern in die Würdigung des Verschuldensbeitrags einbezogen würden. Diese Unternehmen sind keine Erfüllungsgehilfen der Klägerin bezüglich der ihr obliegenden arbeitsschutzrechtlichen Pflichten. Für deren etwaiges Fehlverhalten hat sie nicht einzustehen. Für die Annahme, die Klägerin habe den insoweit erforderlichen Willen gehabt, diese Unternehmen bei der Erfüllung des Arbeitsschutzes bezüglich der eigenen Mitarbeiter einzubeziehen, fehlt es mangels vertraglicher oder anderer rechtlicher Verknüpfungen an jedweden Anhaltspunkten. Ohne solche wird man der Klägerin einen entsprechenden Willen auch nicht unterstellen können, da ihr keinerlei Einflussmöglichkeiten zur Auswahl der weiteren mit der Firma U. verbundenen Subunternehmen auf dem Betriebsgelände zustehen und sie im Zweifel auch keine Kenntnis über diese Unternehmen hat. 154Unabhängig von der Frage, ob andere Subunternehmen als Erfüllungsgehilfen der Firma U. wiederrum die arbeitsschutzrechtlichen Pflichten der Klägerin miterfüllen und dieser etwaige Verstöße zuzurechnen sein könnten, kommt es auch dann nicht zu einer überwiegenden Verantwortlichkeit i.S.v. § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB. Als Erfüllungsgehilfen des Erfüllungsgehilfen kommen diese Unternehmen von vornherein nur in Betracht, soweit ihr Verhalten in den Betriebsräumen der Firma U. in Rede steht. Denn nur diesbezüglich besteht nach den obigen Ausführungen der Wille der Klägerin, die Firma U. in ihre arbeitsschutzrechtliche Verantwortung miteinzubeziehen. Soweit die anderen Subunternehmer bei sonstigen Gelegenheiten - etwa im Rahmen der Unterbringung oder des Transports ihrer Arbeitnehmer - Arbeitsschutzpflichten verletzt haben, berühren diese Verstöße das von der Klägerin begehrte schützende Verhalten durch die Firma U. auf deren Betriebsgelände nicht. Allein die Betriebsstätte betrachtet ist jedoch - wie oben bereits dargelegt - der Verursachungsbeitrag durch die Belüftungssituation derart gewichtig, dass selbst bei Zurechnung etwaiger dort begangener Verstöße der anderen Werkvertragsunternehmen keine überwiegende Verantwortlichkeit i.S.v. § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB gegeben wäre. 155Dass aufgrund der aufgezeigten Zersplitterung der arbeitsschutzrechtlichen Verantwortlichkeiten bei den sogenannten On-Site-Werkverträgen allenfalls über die Einschränkungen des § 278 BGB eine Verantwortlichkeit der Werkunternehmer untereinander zu begründen ist, mag im Hinblick auf die Durchsetzung der Arbeitnehmer(schutz)rechte zu missbilligen sein. Dies rechtfertigt jedoch kein anderes Ergebnis, da nicht zu erkennen ist, dass die Klägerin oder die Firma U. zum Zeitpunkt des Ausbruchsgeschehens bei der Gestaltung der Arbeitsabläufe mit solchen Werkverträgen den Rahmen der Rechtsordnung verlassen hätte. Denn der politische Wille zu Einschränkungen des Einsatzes von Fremdpersonal in der Fleischwirtschaft wurde mit § 6a des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) erst mit Wirkung zum 1. Januar 2021 gefunden, obwohl die Auswirkungen derartiger Verträge bereits lange zuvor bekannt gewesen sind. 156Vgl. Zimmer, in: Das Verbot des Fremdpersonaleinsatzes in der Fleisch-wirtschaft und dessen Anwendungsbereich, NZA 2022, 4, u.a. mit Bezug-nahme auf MAGS NRW, Überwachungsaktion, „Faire Arbeit in der Fleischindustrie“, Abschlussbericht, Dezember 2019, abrufbar unter: https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/191220_abschlussbericht_fleischindustrie_druckdatei.pdf. 157(e.) Anders als das beklagte Land meint, bietet auch die Größe des Infektionsgeschehens als solches keine hinreichend belastenden Anhaltspunkte für die Annahme eines weit überwiegenden Pflichtenverstoßes der Klägerin. Die Ausführungen zu den Lüftungsbedingungen in der Betriebsstätte belegen, dass ein nach damaligen Erkenntnissen aufgestelltes Hygienekonzept nicht ausreichend war, um die Verbreitung des Coronavirus unter den Mitarbeitern zu verhindern. Im Übrigen gab es weltweit Ausbrüche dieser Art, die jedenfalls mit Blick auf die ermittelte Rate von Positivfällen mit dem hier streitgegenständlichen Geschehen vergleichbar waren. 158(f.) Steht danach fest, dass die Unmöglichkeit jedenfalls zu einem nicht unerheblichen Teil nicht durch die Klägerin oder ihr zurechenbare Personen, sondern durch zufällige Umstände verursacht wurde, verbleibt es nach § 326 BGB hinsichtlich der Primärleistungspflicht bei dem synallagmatischen Grundsatz - ohne Leistung keine Gegenleistung (§ 326 Abs. 1 BGB). 159Vgl. OLG München, Urteil vom 7. August 2015 - 25 U 546/15 -, juris Rn. 35 ff.; Schwarze, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, § 326 Rn. C6 160(g.) Ohne dass es nach den obigen Ausführungen für den Ausgang des Verfahrens darauf ankäme, sei darauf hingewiesen, dass im Übrigen völlig unklar ist, ob und in welchem Ausmaß etwaige eigene bzw. der Klägerin zurechenbare Arbeitsschutzverstöße kausal für den Ansteckungsverdacht des Arbeitnehmers bzw. das stattgefundene Infektionsgeschehen gewesen sind. 161Vgl. zu diesem Erfordernis im Rahmen des § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB vgl. Schwarze, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, § 326 Rn. C6 und C16. 162bb. Ein Lohnfortzahlungsanspruch des Herrn N. gegen die Klägerin besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Annahmeverzugs (§§ 293 ff. BGB) der Klägerin gemäß § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 BGB, § 615 Satz 1 BGB oder § 615 Satz 3 BGB. 163Nach § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 BGB behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn der von ihm nicht zu vertretene Umstand, auf Grund dessen er nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu leisten braucht, zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Arbeitgeber im Verzug der Annahme ist. 164Speziell für Arbeitsverträge (u.a.) regelt § 615 Satz 1 BGB, dass der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste in Verzug kommt, für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen kann, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. 165Satz 3 des § 615 BGB bestimmt zudem, dass u.a. Satz 1 entsprechend in den Fällen gilt, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt. 166Alle drei Vorschriften sind im vorliegenden Fall im Grundsatz anwendbar, da sie zwischen der Klägerin und Herrn N. nicht abbedungen wurden. 167Ungeachtet der Frage, nach welchen Kriterien § 326 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 BGB, § 615 Satz 1 BGB und § 615 Satz 3 BGB im Einzelnen voneinander abzugrenzen sind, 168vgl. dazu z.B. BAG, Urteil vom 13. Oktober 2021 - 5 AZR 211/21 -, juris Rn. 14 ff.; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 615 Rn. 8, m.w.N.; Fischinger/Straub, Ohne Arbeit kein Lohn?, in: JuS 2016, 208 (209), 169verlangen alle drei Vorschriften grundsätzlich einen Annahmeverzug des Arbeitgebers. 170Ein solcher erfordert jedenfalls, dass der Arbeitnehmer während des gesamten Verzugszeitraums leistungsbereit, d.h. leistungsfähig und leistungswillig, ist (§ 297 BGB). Der Annahmeverzug des Arbeitgebers endet für die Zukunft (ex-nunc), wenn eine dieser Voraussetzungen fortfällt. Unerheblich ist dabei die Ursache für die Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Das Unvermögen kann auf tatsächlichen Umständen (wie z.B. Arbeitsunfähigkeit) beruhen oder seine Ursache im Rechtlichen haben, etwa wenn ein gesetzliches Beschäftigungsverbot besteht oder eine erforderliche Erlaubnis für das Ausüben der geschuldeten Tätigkeit fehlt. 171Vgl. z.B. BAG, Urteil vom 28. September 2016 - 5 AZR 224/16 -, juris Rn. 23; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 615 Rn. 31; Joussen, in: BeckOK Arbeitsrecht, BGB, 62. Edition, 1. Dezember 2021, § 615 Rn. 7; Krause, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, BGB, 9. Auflage 2020, § 615 Rn. 68. 172Das grundsätzliche Erfordernis des Annahmeverzugs ergibt sich für § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 BGB - als Regelung des allgemeinen Schuldrechts - und für § 615 Satz 1 BGB - als arbeitsrechtliche Norm, die den Lohnfortzahlungszahlung im Falle der Leistungsstörung bei Realisierung des Wirtschaftsrisikos betrifft -, 173vgl. dazu: Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, BGB, 22. Auflage 2022, § 615 Rn. 121 a.E.; Waas/Palonka, in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, BGB, 4. Auflage 2017, § 615 Rn. 33, 174bereits aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut. Die wohl vorherrschende - arbeitsrechtliche - Auffassung nimmt dieses Erfordernis ebenfalls bei Anwendung des als Rechtsgrundverweisung ausgestalteten § 615 Satz 3 BGB an. Dem arbeitsfähigen und arbeitswilligen Arbeitnehmer bleibt im Falle der Annahmeunmöglichkeit der Vergütungsanspruch aufrechterhalten, wenn der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt. 175Vgl. z.B.: BAG, Urteil vom 13. Oktober 2021 - 5 AZR 211/21 -, juris Rn. 20; Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Auflage 2021, § 101 Rn. 6; Tillmanns, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 5. Auflage 2021, § 76 Rn. 82; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 615 Rn. 97; Krause, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, BGB, 9. Auflage 2020, § 615 Rn. 121; Weidenkaff, in: Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 615 Rn. 21: Leistungsfähiger und Leistungsbereiter Arbeitnehmer erforderlich; jedenfalls zur Anwendbarkeit von § 297 BGB (Leistungsfähigkeit) bei Betriebsrisikofällen: Gräf/Rögele: Zusammentreffen von Betriebs- und Wegerisiko, in: NZA 2013, 1120, 1123; a.M. dagegen: Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, BGB, 22. Auflage 2022, 615 Rn. 122; Preis/Mazurek/Schmid, Rechtsfragen der Entgeltfortzahlung in der Pandemie, in: NZA 2020, 1137 (1144). 176Nur der leistungsfähige und leistungswillige Arbeitnehmer hat im doppelten Sinne des Wortes das Entgelt „verdient“. 177Vgl. Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Auflage 2021, § 101 Rn. 12. 178Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs liegen nicht vor. Der Arbeitnehmer N. war im hier maßgeblichen Zeitraum vom 18. Juni bis zum 30. Juni 2020 wegen der behördlichen Anordnungen zur häuslichen Absonderung nicht leistungsfähig. Die Arbeit war im Juni 2020 - grundsätzlich - in Rheda-Wiedenbrück auf dem Firmengelände der Firma U. geschuldet (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Arbeitsvertrag und § 2 Abs. 1 Satz 1 Werkvertrag). Er hatte offenkundig keine Möglichkeit, die geschuldete Tätigkeit als Fleischer in der eigenen Häuslichkeit (Homeoffice) zu erbringen. 179(1.) Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass gegenüber der U. & Co. KG mit mündlicher Verfügung des Kreises Gütersloh vom 17. Juni 2020, schriftlich bestätigt am 10. August 2020, der Betriebsstandort „J. , 33378 Rheda-Wiedenbrück“ der Unternehmensgruppe U. (Betriebsstandort) mit sofortiger Wirkung geschlossen worden ist (Betriebsschließung) und alle nicht ausnahmsweise zugelassenen betrieblichen Tätigkeiten auf dem Betriebsstandort untersagt worden sind. Gegenüber der Klägerin, deren Unternehmenssitz sich unter der Adresse „F.-----weg 5 in 33378 Rheda-Wiedenbrück“ befindet, also nicht am Betriebsstandort der Unternehmensgruppe U. , ist keine Schließungsanordnung ergangen. Die Verfügung des Kreises Gütersloh vom 17. Juni 2020 war auch nicht an sie gerichtet. Dass ihr gegenüber eine entsprechende Anordnung ergangen ist, ist weder ersichtlich noch von den Beteiligten - mit entsprechenden Belegen - geltend gemacht worden. 180Auch der Umstand, dass die Klägerin im Rahmen eines On-Site-Werkvertrags in der Zeit vom 1. Februar 2020 bis zum 31. Juli 2020 verpflichtet war, am Betriebsstandort der Firma U. (vgl. § 2 Nr. 1 Werkvertrag) in einem Auftragsvolumen von 1.451.500 Euro im Leistungsverzeichnis näher aufgelistete Fleischteilstücke und Zerlegenebenprodukte herzustellen, ändert nichts. Aufgabengebiet und Arbeitsort des Arbeitnehmers N. waren ausweislich § 1 Arbeitsvertrag nicht auf eine Tätigkeit als Fleischer am Betriebsstandort der Firma U. unter der Adresse „J. in 33378 Rheda-Wiedenbrück“ beschränkt. Der Tätigkeitsort wurde zwar zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses („derzeit“) auf Rheda-Wiedenbrück begrenzt. Dies schließt aber einen (auch kurzfristigen) Einsatz als Schlachter in einem anderen (auch kleinen) Betrieb (insbesondere Schlachterei) innerhalb der Stadt nicht aus. Überdies - und das dürfte entscheidend sein - konnte die Klägerin den Arbeitnehmer ausweislich der vertraglichen Regelungen auch aus betrieblichen Gründen unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers an einem anderen Ort einsetzen und diesem aus den vorbenannten Gründen eine andere, gleichwertige Tätigkeit oder ein anderes Arbeitsgebiet übertragen. Dass diese Überlegungen eher theoretisch sind, ist dem Umstand geschuldet, dass ein derartiger Einsatz wegen der häuslichen Absonderung schon nicht in Frage kam. 181(2.) Des Weiteren ist die Klägerin nicht wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben gehindert, sich auf die Leistungsunfähigkeit ihres Arbeitnehmers N. zu berufen. Zwar wird vertreten, dass derartiges dem Gläubiger nach § 242 BGB verwehrt sei, wenn er die Leistungsunfähigkeit seines Schuldners herbeigeführt habe. 182Vgl. Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 297 Rn. 2; Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 297 Rn. 2; Feldmann, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 297 Rn. 2. 183Diese Auffassung ist im Grundsatz aber abzulehnen, weil dadurch ein Wertungswiderspruch zu § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB entsteht, der - wie dargelegt - eine Lohnfortzahlung nur bei alleinigem oder weit überwiegendem Verschulden des Gläubigers vorsieht. 184Vgl. Dötterl, in: BeckOGK, BGB, 15. Juli 2021, § 297 Rn. 7; vgl. auch: LAG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juli 1976 - 16 (3) Sa 340/75 -, in: DB 77, 547 f. 185Ein solcher Verschuldensbeitrag ist ausweislich der Ausführungen zu § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB gerade nicht gegeben. 186Zudem würde eine Haftung auf Sekundärebene nach Verschuldensbeiträgen, die im Rahmen der Prüfung eines Lohnfortzahlungsanspruchs wegen fehlender Anwendbarkeit des § 254 BGB keine Berücksichtigung finden könnten, unterlaufen. 187Vgl. zur Anwendbarkeit des § 254 BGB: Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 615 Rn. 1. 188Der Klägerin ist es auch nicht wegen der Umstände des Einzelfalls verwehrt, 189vgl. BAG, Urteil vom 16. März 1967 - 2 AZR 64/66 -, juris Rn. 22, 190sich auf die Leistungsunfähigkeit des Herrn N. zu berufen. Ein missbräuchliches Verhalten, 191vgl. dazu z.B.: Schubert, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 242 Rn. 199 ff., 192ist unter Berücksichtigung der Ausführungen zu § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB nicht zu erkennen. Die aufgezeigten Sorgfaltspflichtverletzungen genügen insoweit nicht. 193(3.) Schließlich muss - speziell - § 615 Satz 3 BGB in Ansehung der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm, 194OLG Hamm, Urteil vom 29. Oktober 2021 - 11 U 60/21 -, juris, 195mit Blick auf das Erfordernis einer Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nicht einschränkend ausgelegt werden. Das Oberlandesgericht Hamm geht in seiner Entscheidung - in der es um den Verdienstanspruch eines Lizenzfußballspielers im Zeitraum seiner coronabedingten Absonderungsverpflichtung wegen Ansteckungsverdachts geht - davon aus, dass sich die dortige Klägerin als Betreiberin der Lizenzspielerabteilung nicht auf das aus der Absonderung folgende Unvermögen zum Erbringen der im Arbeitsvertrag an sich vorgesehenen Arbeitsleistung ihres Spielers berufen könne, da dieses gerade aus ihrer Sphäre stamme, nämlich dem ihren unternehmerischen Interessen dienenden mannschaftsbezogenen Spiel- und Trainingsbetrieb, der die Grundlage für den Ansteckungsverdacht gebildet habe. 196Vgl. OLG Hamm, Urteil vom 29. Oktober 2021 - 11 U 60/21 -, juris Rn. 20; und zur Vorinstanz: LG Münster, Urteil vom 15. April 2021 - 8 O 345/20 -, juris Rn. 2. 197Der Übertragung dieser Rechtsprechung auf den streitgegenständlichen Sachverhalt stehen mehrere Gründe entgehen. Zunächst setzt die Anwendbarkeit des § 615 Satz 3 BGB grundsätzlich voraus, dass sich das Betriebsrisiko der Klägerin realisiert hat; dies ist vorliegend nicht der Fall (a.). Zudem dürfte die Unmöglichkeit der Leistungsverhinderung - als weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal - weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer zu vertreten sein; auch diese Voraussetzung, auf die nicht im Wege der Auslegung verzichtet werden kann, ist nicht erfüllt (b.). Zuletzt mag die vorbenannte Wertung des OLG Hamm anhand der Risikosphären von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zwar einem allgemeinen Billigkeitsgefühl entsprechen. Ihr steht aber entgegen, dass die Betriebsrisikolehre mit Blick auf die andauernde Coronapandemie Gefahr läuft, überstrapaziert zu werden (c.). 198(a.) Voraussetzung des Lohnfortzahlungsanspruchs nach § 615 Satz 3 i.V.m. Satz 1 BGB ist jedenfalls, dass die Arbeit infolge eines Umstandes ausfällt, für den der Arbeitgeber das Risiko (sog. Betriebsrisiko) trägt. 199Vgl. BAG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 5 AZR 810/07 -, juris Rn. 13; OLG Hamm, Urteil vom 29. Oktober 2021 - 11 U 60/21 -, juris Rn. 17 ff.; VG Karlsruhe, Urteil vom 10. Mai 2021 - 9 K 67/21 -, juris Rn. 69. 200Das Betriebsrisiko betrifft die Frage, ob der Arbeitgeber zur Lohnzahlung verpflichtet ist, wenn er zur Beschäftigung der Belegschaft aus betriebstechnischen Gründen nicht imstande ist. Zum Betriebsrisiko gehören die mit der Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers im Zusammenhang stehenden und die Führung des Betriebs betreffenden Ereignisse. Die Feststellung, in wessen Gefahrenkreis das störende Ereignis fällt, hat in erster Linie nach dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu erfolgen. 201Vgl. z.B. Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, BGB, 22. Auflage 2022, § 615 Rn. 120; Eckart/Kruse, in: BeckOK, Infektionsschutzrecht, IfSG, 10. Edition, 15. Januar 2022, § 56 Rn. 37.3; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 615 Rn. 96; BAG, Urteil vom 30. Mai 1963 - 5 AZR 282/62 -, juris Rn. 8; OLG Hamm, Urteil vom 29 Oktober 2021 - 11 U 60/21 -, juris Rn. 18; VG Karlsruhe, Urteil vom 10. Mai 2021 - 9 K 67/21 -, juris Rn. 57. 202In Abgrenzung zum Betriebsrisiko ist das Wirtschaftsrisiko betroffen, das im Falle der Leistungsstörung nach § 615 Satz 1 BGB in direkter Anwendung zu behandeln wäre, wenn die Arbeitsleistung zwar möglich, für den Arbeitgeber aber nicht verwertbar ist. 203Vgl. Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, BGB, 22. Auflage 2022, § 615 Rn. 120; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 615 Rn. 98. 204Dies vorangestellt ist, anders als das OLG Hamm meint, eine wegen eines Ansteckungsverdachts mit dem Coronavirus ergangene Absonderungsverfügung nicht als betriebsbezogen i.S.d. § 615 Satz 3 BGB zu werten. Dies gilt auch dann nicht, wenn der Ansteckungsverdacht aus dem für das Unternehmen notwendigen Spiel- oder Trainingsbetrieb, Kundenkontakten oder Produktionsbedingungen resultiert. 205Der Betriebsrisikolehre liegen in der überwiegenden Anzahl der Fälle betriebliche Störungen, ein Versagen der Betriebsmittel oder aus der besonderen Art des Betriebs bedingte Verbote zu Grunde. Dies schließt zwar nicht grundsätzlich aus, Einwirkungen aus der betrieblichen Sphäre auf die Arbeitnehmer als personelle Mittel miteinzubeziehen. 206Vgl. Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, BGB, 22. Auflage 2022, § 615 Rn. 131 f., 132i. 207Dies dürfte jedoch eher den Fall betreffen, in denen eine mittelbare Betroffenheit des Personals vorliegt, weil z.B. ein Arbeitnehmer etwa auf die (Mit-)Arbeit eines anderen Kollegen angewiesen ist. 208Anders liegt der Fall aber bei der hier streitgegenständlichen infektionsrechtlichen Absonderungsverfügung, bei der es sich - auch im Falle einer Allgemeinverfügung -, 209vgl. dazu z.B. Hohenstatt/Krois, Lohnrisiko und Entgeltfortzahlung während der Corona-Pandemie, in: NZA 2020, 413 (415). 210um einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Verhinderungsgrund i.S.v. § 616 Satz 1 BGB handelt, 211vgl. dazu im Einzelnen: VG Minden, Urteil vom 26. Januar 2022 - 7a K 877/21 -, NRWE, 212was einer Anwendbarkeit des § 615 Satz 3 BGB entgegensteht. 213Vgl. Bieder, in: BeckOGK, BGB, 1. Februar 2020, § 616 Rn. 16: Zu den für § 616 Satz 1 BGB unerheblichen objektiven Leistungshindernissen gehören deshalb regelmäßig solche Sachverhaltsgestaltungen, in denen entweder der Arbeitgeber nach § 615 Satz 3 das Betriebsrisiko oder umgekehrt sein Vertragspartner nach allgemeinen Grundsätzen das Arbeitskampf- oder Wegerisiko zu tragen hat, und a.a.O. Fn. 59: Deshalb fallen z.B. behördliche Betriebsverbote oder Zerstörungen des Arbeitsplatzes nicht unter § 616 BGB; Oetker, in: Staudinger, Neubearbeitung 2019, BGB, § 616 Rn. 80: Des Weiteren zählen behördliche Betriebsverbote, Landestrauer, Smog-Alarm, Vernichtung des Arbeitsplatzes (Brand etc) und Verkehrshindernisse (Verkehrsstau, Ausfall der Nahverkehrsmittel, Demonstrationen, Flugverbot) zu den allgemeinen (objektiven) Leistungshindernissen; VG Koblenz, Urteil vom 10. Mai 2021 - 3 K 107/21.KO -, juris Rn. 25: Nicht erfasst sind demgegenüber objektive Leistungshindernisse, die betriebsbezogen sind und sich auf einen größeren Kreis von Arbeitnehmern beziehen. 214Dass der Grund des Leistungshindernisses (hier: Ansteckungsverdacht als vom Arbeitnehmer ausgehendes Infektionsrisiko) in der betrieblichen Sphäre begründet wurde (hier: Ausbruchsgeschehen im Betrieb), ändert daran nichts. Die gegenteilige Sichtweise würde zu einer Überschneidung mit dem Anwendungsbereich des § 616 Satz 1 BGB führen, der bei in der Person des Arbeitnehmers liegenden Verhinderungsgründen - anders als § 615 Satz 3 BGB - eine zeitliche Haftungsgrenze (“verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“) des Arbeitgebers vorsieht. 215Des Weiteren würde eine über § 615 Satz 1 i.V.m. Satz 3 BGB angeordnete Lohnfortzahlungspflicht bei einem subjektivem Leistungshindernis in der Person des Arbeitnehmers, welches auf betriebliche Umstände zurückzuführen ist, besondere gesetzgeberische Wertungen umgehen. Namentlich gilt dies für die besonderen Regelungen zu Arbeitsunfällen - insbesondere die Regelungen zur krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nach § 3 EFZG und zum Verletztenentgelt in §§ 45 ff. SGB VII. Erfasst man das subjektive Leistungshindernis der Absonderung bei betriebsbedingten Ursachen als Betriebsrisiko, müsste man dies ohne Weiteres auch für eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit wegen eines Arbeitsunfalls (§ 8 Abs. 1 SGB VII) annehmen. In diesem Fall soll nach den Wertungen des § 3 EFZG der Arbeitgeber für sechs Wochen das Arbeitsentgelt fortzahlen - wenn ansonsten die dortigen Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere die entsprechende Vorbeschäftigungszeit (§ 3 Abs. 3 EFZG) und kein Verschulden des Arbeitnehmers - vorliegen. 216Vgl. Feddern, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB VII, 116. EL September 2021, § 45 Rn. 12. 217Anschließend erfolgt der Ersatz des Verdienstausfalls durch die Zahlung eines Verletztengeldes nach §§ 45 ff. SGB VII. 218Zu dieser Ersatzfunktion des Verletztengeldes vgl.: BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - B 2 U 23/06 R -, juris Rn. 14 ff. 219Zahlungspflichtig ist dabei aber nicht der Arbeitgeber, sondern der Versicherungsträger (§ 114 SGB VII). Der Arbeitgeber soll dabei lediglich über seine Versicherungsbeiträge an der Aufbringung der erforderlichen Mittel beteiligt werden (§§ 150 ff. SGB VII). Dieses differenzierte Haftungsregime würde konterkariert, wenn die auf einem Arbeitsunfall beruhende, krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit als Betriebsrisikos aufgefasst würde, das in der Rechtsfolge grundsätzlich nur eine zeitlich unbefristete Haftung des Arbeitgebers selbst kennt. Kann dieses „Musterbeispiel“ eines sich auf subjektiver Arbeitnehmerseite verwirklichenden Betriebsrisikos daher schon nicht unter § 615 Satz 3 BGB subsumiert werden, muss dies erst Recht für das - abgesehen von Zeiten einer Pandemie wohl eher seltene - subjektive Leistungshindernis der häuslichen Absonderung gelten. 220Dieser Ansicht kann nicht entgegen gehalten werden, dass der Arbeitnehmer mangels entsprechender Ersatzregelungen für andere betrieblich begründete, aber in seiner Person liegende Gründe der Arbeitsunfähigkeit im Hinblick auf seinen Verdienstausfall schutzlos gestellt würde. Unabhängig davon, dass derartige Erwägungen bei der Beantwortung der Frage, ob ein Betriebsrisiko vorliegt, nicht von Bedeutung sind, 221vgl. BAG, Urteil vom 13. Oktober 2021 - 5 AZR 211/21 -, juris Rn. 34, 222sieht die Rechtsordnung in § 616 BGB für solche nicht speziell geregelten subjektiven Leistungshindernisse - ungeachtet des Umstandes, ob diese aus der betrieblichen Sphäre stammen oder nicht - grundsätzlich zumindest einen zeitlich begrenzten Lohnfortzahlungsanspruch vor. Im Hinblick auf das hier maßgebliche subjektive Leistungshindernis der Absonderung hat der Gesetzgeber im Übrigen mit den Entschädigungsregeln der §§ 56 ff. IfSG reagiert. Die gesetzgeberische Entscheidung, den Arbeitgeber - im Gegensatz zur betriebsbedingten Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit - bei betriebsbedingter Absonderung abseits der allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen aus der Haftung für das Arbeitsentgelt vollständig zu entlassen und das Entgeltrisiko über die §§ 56 ff. IfSG letztlich der Allgemeinheit aufzuerlegen, ist dabei zu respektieren. 223Diese Abgrenzung von Betriebsrisiko einerseits und subjektivem Leistungshindernis andererseits steht nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts, 224BAG, Urteil vom 13. Oktober 2021 - 5 AZR 211/21 -, juris Rn. 33, 225wonach der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung nach § 615 Satz 3 i.V.m. Satz 1 BGB verpflichtet ist, wenn eine behördliche Maßnahme darauf abzielt, einem im Betrieb des Arbeitgebers angelegten besonderen Risiko zu begegnen, etwa, weil die vom Arbeitgeber gewählten Produktionsmethoden oder -bedingungen oder von ihm zu verantwortende Arbeitsbedingungen (wie z.B. in Teilen der Fleischwirtschaft und bei Saisonkräften in der Landwirtschaft) eine besonders hohe Ansteckungsgefahr innerhalb der Belegschaft in sich bergen. 226Zum einen befasst sich das Gericht gar nicht mit der Frage der behördlichen Absonderung oder gar eines Zusammentreffens von Absonderung und Anordnung einer Betriebsschließung. Zum anderen wurde vorliegend - wie dargelegt - gegen die Klägerin keine Betriebsschließung verfügt. Die an die U. & Co. KG verfügte Schließungsverfügung des Standortes „J. in 33378 Rheda-Wiedenbrück“ betrifft nur das Verwendungs- bzw. Wirtschaftsrisiko der Klägerin, da der Einsatz ihres Arbeitnehmers in einem Fremdbetrieb wegen einer dort angesiedelten Betriebsstörung nicht möglich ist. 227Vgl. auch: BAG, Urteile vom 1. Februar 1973 - 5 AZR 382/72 -, juris Rn 27, und vom 7. November 1975 - 5 AZR 61/75 -, juris Rn. 18 f.; Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, BGB, 22. Auflage 2022, § 615 Rn. 134; Krause, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, BGB, 9. Auflage 2020, § 615 Rn. 118; Bieder, in: BeckOGK, BGB, 1. Februar 2020, § 615 Rn. 108.1; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 615 Rn. 108. 228Schließlich sprechen auch praktische Erwägungen - jedenfalls als Hilfsüberlegung - dagegen, die coronabedingte Absonderung dem Betriebsrisiko zuzuordnen. Ein aus arbeitsbezogenen Kontakten resultierender Ansteckungsverdacht entsteht (Fälle mit Kundenkontakt ausgeklammert) dadurch, dass jedenfalls ein Mitarbeiter sich außerhalb des Betriebs angesteckt hat und das Virus ggf. unter den Kollegen weiterverbreitet haben könnte. Für diese Person hat sich das Betriebsrisiko nicht realisiert. Handelt es sich bei diesem Arbeitnehmer um einen Ausscheider (§ 2 Nr. 6 IfSG), der ebenfalls unter die hier maßgeblichen Regelungen fällt, 229vgl. dazu: VG Minden, Urteil vom 26. Januar 2022 - 7 K 739/21 -, NRWE, 230ist wegen der Vollzugsdefizite bei der Kontaktpersonennachverfolgung bzw. fehlender Sequenzierung oft gar nicht (mehr) feststellbar, wo sich diese Person, die Krankheitserreger ausscheidet und dadurch eine Ansteckungsquelle für die Allgemeinheit sein kann, ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein, angesteckt hat - also innerhalb oder außerhalb eines Betriebs. Eine Feststellung, ob sich das Betriebsrisiko realisiert hat, dürfte daher in diesen Fällen in der Praxis kaum möglich sein. 231Zwar mag diese Erwägung angesichts der Vielzahl der von einer Absonderungsverfügung betroffenen Personen in der vorliegenden Konstellation unerheblich klingen. Auch mag der M. in der Vergangenheit gar nicht so differenziert vorgegangen sein und eine Erstattung von Aufwendungen bei einer Vielzahl von Arbeitgebern beanstandungslos geleistet haben. Rechtlicher Maßstab bei der Entscheidung darf diese Praxis, die davon abhängt, wie genau ein Sachverhalt ermittelt wird, aber nicht sein. Dies gilt umso mehr, als dass eine Beweislastregel zu Gunsten der Arbeitgeber immer dann greifen wird, wenn die Behörden besonders belastet sind und entsprechende Sachverhaltsaufklärungen nicht leisten können. Das erscheint aber willkürlich. 232(b.) Aber auch wenn man davon ausginge, dass die Absonderungsverfügung dem Betriebsrisiko der Klägerin zuzuordnen wäre, verlangt eine Anwendbarkeit des § 615 Satz 3 BGB nach einhelliger Meinung, dass weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber die Unmöglichkeit der (betriebsbezogenen) Leistungsverhinderung zu vertreten haben. 233Vgl. z.B.: BAG, Urteil vom 30. Mai 1963 - 5 AZR 282/ 62 -, juris Rn. 8; Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Auflage 2021, § 101 Rn. 12; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 615 Rn. 96; Lakies, in: Kittner/Zwanziger u.a., Arbeitsrecht Handbuch für die Praxis, 9. Auflage 2017, § 59 Rn. 14. 234Dies ist hier aber nicht der Fall. Dabei kann dahinstehen, ob den Arbeitnehmer N. eine Verantwortlichkeit am Erlass der Absonderungsverfügung trifft, weil er Mindestabstände von 1,5 Metern während der Fahrten zur Arbeitsstelle und zurück sowie während seiner Tätigkeit in der Zerlegung nicht immer eingehalten hat. Jedenfalls trifft die Klägerin - wie dargelegt - eine (wenn auch nicht weit überwiegende) Verantwortlichkeit, wegen Verstoßes gegen Arbeitsschutzvorschriften. 235Nach Ansicht der Kammer kann § 615 Satz 3 i.V.m. Satz 1 BGB (insbesondere) nicht im Wege eines Erst-Recht-Schlusses dahingehend ausgelegt werden, dass der Arbeitgeber auch dann zur Lohnfortzahlung verpflichtet bleibt, wenn ihn ein Verschuldensbeitrag unterhalb der Schwelle des alleinigen oder weit überwiegenden Verschuldens (i.S.d. § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB) trifft. Zwar mag es auf den ersten Blick nicht sachgerecht erscheinen, wenn diese Verantwortlichkeit des Arbeitgebers einen Lohnfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers ausschließt. Denn das bedeutet, dass er bei fehlendem Verschulden (und Realisierung des Betriebsrisikos) nach § 615 Satz 3 i.V.m. Satz 1 BGB zur Weiterzahlung verpflichtet wäre und nach § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB ebenso bei einer „alleinigen oder weit überwiegenden Verantwortlichkeit“ der Leistungsunmöglichkeit des Arbeitnehmers, nicht hingegen bei Vorliegen eines einfachen Verschuldensbeitrags. Allerdings entstünden durch einen solchen Erst-Recht-Schluss Wertungswidersprüche zum allgemeinen Schuldrecht. So lässt sich mit Blick auf die mit der Betriebsrisikolehre verbundenen Präventionsanreize und der Gesamtwohlfahrtoptimierung, 236vgl. Bieder, in: BeckOGK, BGB, 1. Februar 2020, § 615 Rn. 114, 237nicht rechtfertigen, dass der vorliegende Fall anders zu bewerten ist, als dies nach allgemeinen zivilrechtlichen Maßstäben bei mangelnder alleiniger oder überwiegender Gläubigerverantwortlichkeit der Fall wäre, nach denen es gerade bei dem Grundsatz des § 326 Abs. 1 BGB (Ohne Arbeit kein Lohn) verbliebe. 238Vgl. z.B. OLG München, Urteil vom 7. August 2015 - 25 U 546/15 -, juris Rn. 37 f.; vgl. auch: Herresthal, in: BeckOGK, BGB, 1. Juni 2019, § 326 Rn. 209 ff. 239Das Bestreben des Gesetzgebers mit dem Tatbestandsmerkmal der weit überwiegenden Verantwortlichkeit des Gläubigers in § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB die Schadensersatz- und Rücktrittsregelungen und den Wegfall der Gegenleistungspflicht zu harmonisieren, 240vgl. Herresthal, in: BeckOGK, BGB, 1. Juni 2019, § 326 Rn. 187, 241würde durchbrochen. Ein interessengerechter Ausgleich ließe sich auch nicht durch eine Quotelung erreichen. Eine Anwendung von § 254 BGB scheidet wegen der Anrechnungsregelung in Satz 2 des § 615 BGB aus. 242Vgl. Joussen, in: BeckOK Arbeitsrecht, BGB, 62. Edition, 1. Dezember 2021, § 615 Rn. 62, 55; vgl. aber Schwarze, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, § 326 Rn. C6, wonach die Lohnzahlungspflicht in Höhe des Verantwortungsbeitrages bestehen bleibt. 243Dagegen entsteht keine Schutzlücke, wenn an dem Erfordernis fehlenden Verschuldens von Arbeitgeber und Arbeitnehmer festgehalten wird. Der Arbeitgeber ist - grundsätzlich - zur Lohnfortzahlung nach § 616 BGB für einen verhältnismäßig nicht erheblichen Zeitraum weiterhin verpflichtet. Im Übrigen können Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber oder einen sonstigen an der Verursachung beteiligten Dritten - welche nach § 56 Abs. 10 IfSG auch auf das zur Gewährung der Entschädigung verpflichtete Land übergehen würden - einen gerechten Ausgleich erwirken. 244(c.) Schließlich mag - wenn man zum einen davon ausginge, dass die Absonderungsverfügung dem Betriebsrisiko der Klägerin zuzuordnen wäre und § 615 Satz 3 BGB zum anderen ausnahmsweise auch bei einer vom Arbeitgeber und ggf. Arbeitnehmer verschuldeten Leistungsunmöglichkeit anwendbar wäre - die an der Risikosphäre von Arbeitgeber und Arbeitnehmer anknüpfende Auslegung des OLG Hamm (zum Erfordernis einer Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers) einem allgemeinen Billigkeitsgefühl entsprechen. Ihr steht aber entgegen, dass die Betriebsrisikolehre mit Blick auf die andauernde Coronapandemie Gefahr läuft, überstrapaziert zu werden. Wenn der Arbeitgeber - wie in der Entscheidung des OLG Hamm - für potenziell infektiöse Kontakte im Rahmen eines gemeinsamen (Fußball-)Spiel- und Trainingsbetriebs zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist, so müsste dies - anders als in § 616 Satz 1 BGB zeitlich unbefristet - auch bei Arbeitnehmern gelten, die in besonderen Risikobereichen, z.B. mit viel „Kundenverkehr“ wie Kellner, Erzieher und Pflegekräfte, eingesetzt werden. Darüber hinaus gibt es weitere Branchen, wie beispielsweise das Baugewerbe, in denen eine Zusammenarbeit mehrerer Mitarbeiter ohne Abstand und wegen körperlicher Arbeit zwingend erforderlich erscheint. Dieses Problem dürfte sich mit Blick auf die sich gegenwärtig verbreitende Omikron-Variante des Coronavirus noch verschärfen, weil soziale Kontakte wegen der höheren Infektiosität der Mutation nunmehr noch gefahrenträchtiger erscheinen. 245Eine andere Sichtweise lässt sich - wiederrum - nicht mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, 246BAG, Urteil vom 13. Oktober 2021 - 5 AZR 211/21 -, juris Rn. 33, 247rechtfertigen, wonach behördlich angeordnete Betriebsschließungen dem Betriebsrisiko zuzuordnen sind, wenn sie darauf abzielen, einem im Betrieb des Arbeitgebers angelegten besonderen Risiko zu begegnen. Denn zur Frage, ob die weiteren Voraussetzungen des Lohnfortzahlungsanspruchs nach § 615 Satz 3 i.V.m. Satz 1 BGB (Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers, fehlendes Verschulden von Arbeitnehmer und Arbeitgeber) in diesen Fällen ausnahmsweise nicht anspruchsbegründend sein sollen, verhalten sich die Urteilgründe nicht. Im Gegenteil, das BAG hält in seiner Entscheidung an seiner Auffassung fest, dass es sich bei § 615 Satz 3 BGB um eine Rechtsgrundverweisung handelt, mit der Folge, dass (nur) dem leistungsfähigen und leistungswilligen Arbeitnehmer der Vergütungsanspruch verbleibt. 248cc. Ein Vergütungsanspruch folgt nicht aus § 3 EFZG. Danach hat ein Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. 249Ausweislich der insoweit nachvollziehbaren Angaben der Klägerin war Herr N. im streitgegenständlichen Zeitraum nicht arbeitsunfähig erkrankt. Dieser Vortrag wurde auch vom beklagten Land nicht durchgreifend in Frage gestellt. 250dd. Herrn N. stand gegen die Klägerin kein Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 616 Satz 1 BGB zu. Nach dieser Regelung wird der zur Dienstleistung Verpflichtete des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. 251Die Voraussetzungen des § 616 Satz 1 BGB liegen nicht vor. Zwar wurde die Regelung zwischen der Klägerin und Herrn N. nicht abbedungen. Es handelt sich bei der Absonderung, die für den Arbeitnehmer N. als Ansteckungsverdächtigten angeordnet worden ist, auch um einen in seiner Person liegenden Grund. Allerdings bestand seine Leistungsunfähigkeit nicht für einen nur unerheblichen Zeitraum. 252Die Regelung des § 616 Satz 1 BGB wurden zwischen der Klägerin und Herrn N. nicht im Rahmen des vorliegenden Arbeitsvertrags abbedungen. Die Klägerin hat auch weder vorgetragen noch ist anderweitig ersichtlich, dass sich eine Unanwendbarkeit z.B. aus Tarifvertrag ergeben könnte. 253Es handelt sich bei der - streitgegenständlichen - Absonderungsanordnung aufgrund eines an das Betriebsumfeld des Arbeitnehmers begründeten Ansteckungsverdachts mit dem SARS-CoV-2 Coronavirus um ein subjektiv persönliches Hindernis. 254Vgl. dazu im Einzelnen: VG Minden, Urteil vom 26. Januar 2022 - 7a K 877/21 -, NRWE. 255Allerdings bestand die Leistungsunfähigkeit nicht für einen nur unerheblichen Zeitraum. 256Der Arbeitnehmer befand sich vom 18. Juni 2020 bis zum 23. Juli 2020 in häuslicher Absonderung. Die Absonderung beruhte anfangs auf den Allgemeinverfügungen vom 18. Juni 2020 und 20. Juni 2020 des Kreises Gütersloh „zur Absonderung in sog. häusliche Quarantäne“ im Zeitraum vom 18. Juni 2020 bis zum 2. Juli 2021. Anschließend ordnete das MAGS mit Allgemeinverfügung vom 1. Juli 2020 „zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 gegenüber im Betrieb der Firma U. am Standort „J. , 33378 Rheda-Wiedenbrück“ tätigen und mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen durch Ab-sonderung in häuslicher Quarantäne“ eine Absonderung für den Zeitraum vom 3. Juli 2020 bis zum 17. Juli 2020 an. Schließlich verfügte die Stadt Rheda-Wiedenbrück gegenüber dem Arbeitnehmer mit Verwaltungsakt vom 17. Juli 2020 eine häusliche Quarantäne bis einschließlich zum 23. Juli 2020. 257Zunächst ist davon auszugehen, dass bei der Beurteilung der Dauer des Verhinderungsfalls der Gesamtzeitraum der Absonderung maßgeblich ist. Dafür spricht, dass der Arbeitnehmer im Zeitraum vom 18. Juni 2020 bis zum 23. Juli 2020 weder gearbeitet hat noch dies hätte tun dürfen (außerhalb seiner Wohnung) und die Verhinderungen auf derselben Ursache beruhen, nämlich einer Absonderungsanordnung infolge eines fortbestehenden Ansteckungsverdachts. 258Vgl. dazu: Joussen, in: BeckOK Arbeitsrecht, BGB, 62. Edition, 1. Dezember 2021, § 616 Rn. 49; Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Auflage 2021, § 97 Rn. 16; Besgen/Jüngst u.a., in: Handbuch Betrieb und Personal, 248. Lieferung 2021, Stand: 204. Lieferung 05/16, ZWEITES KAPITEL Arbeitsentgelt ohne Arbeitsleistung, Rn. 272; Tillmanns, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, Individualarbeitsrecht I, 5. Auflage 2021, § 77 Rn. 33; Riesenhuber, in: Erman, BGB, 16. Auflage 2020, § 616 Rn. 56, 135 f.; Wilke, in: Personal-Lexikon, 23. Edition 2021, Persönliche Arbeitsverhinderung - Mehrere Verhinderungszeiten; Bieder, in: BeckOGK, BGB, 1. Februar 2020, § 616 Rn. 38; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 616 Rn. 68; Krause, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, BGB, 9. Auflage 2020, § 616 Rn. 43; Oetker, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 616 Rn. 107 f.; Pepping, in: Rancke, Mutterschutz - Elterngeld - Elternzeit - Betreuungsgeld, BGB, 5. Auflage 2018, § 616 Rn. 12; Waas/Palonka, in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, BGB, 4. Auflage 2017, § 616 Rn. 15; Vgl. auch BAG, Urteil vom 12. Juli 1989 - 5 AZR 377/88 -, juris Rn. 27. 259Bei einem Absonderungszeitraum von 5 Wochen handelt es sich um einen erheblichen Zeitraum. 260Wie der unbestimmte Rechtsbegriff der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit zu konkretisieren ist, ist umstritten. Aus dem Wortlaut des § 616 Satz 1 BGB „verhältnismäßig“ folgt zunächst, dass eine Festlegung auf eine feste Tageszahl, 261vgl. zu den in der Literatur festgelegten Konkretisierungshilfen z.B.: Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Auflage 2021, § 97 Rn. 14; Bieder, in: BeckOGK, BGB, 1. Februar 2020, § 616 Rn. 37, 262wegen der Verschiedenartigkeit der in Betracht kommenden Sachverhalte nicht möglich ist. 263Vgl. z.B.: VG Koblenz, Urteil vom 10. Mai 2021 - 3 K 107/21.KO -, juris Rn. 28; Besgen/Jüngst u.a., in: Handbuch Betrieb und Personal, 248. Lieferung 2021, Stand: 204. Lieferung 05/16, ZWEITES KAPITEL Arbeitsentgelt ohne Arbeitsleistung, Rn. 271. 264Zudem darf die Praktikabilität derartiger Richtwerte nicht über ihre fehlende normative Verankerung hinwegtäuschen. 265Vgl. Oetker, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 616 Rn. 106. 266Im Schrifttum wird im Sinne einer ereignisbezogenen Sichtweise die Erheblichkeit der Verhinderungszeit nach dem zur Arbeitsverhinderung führenden Grund sowie danach beurteilt, ob der Arbeitgeber erfahrungsgemäß mit einer derartigen Nichtleistung über einen bestimmten Zeitraum rechnen konnte, sodass er den Ausfall einzukalkulieren hat. Als verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit sei daher auch bei schwerwiegenden Ereignissen nur eine Dauer von wenigen Tagen anzusehen. Die nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz für erkrankte Arbeitnehmer geltende Sechs-Wochen-Frist könne danach grundsätzlich nicht als Maßstab herangezogen werden. 267Vgl. Krause, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, BGB, 9. Auflage 2020, § 616 Rn. 41; Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Auflage 2021, § 97 Rn. 14, 16; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 616 Rn. 67 f.; Oetker, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 616 Rn. 102 f. 268Demgegenüber soll nach der Rechtsprechung im Sinne einer belastungsbezogenen Betrachtungsweise bei der Bewertung des Verhinderungszeitraums - ungeachtet etwaiger Ausnahmen für bestimmte hier nicht relevante Fallgruppen -, 269z.B.: BAG, Urteile vom 25. Oktober 1973 - 5 AZR 156/73 -, juris Rn. 12 f., und vom 19. April 1978 - 5 AZR 834/76 -, juris Rn. 22, 270- auf die gesamten Umstände des Einzelfalles abgestellt werden, insbesondere auf das Verhältnis zwischen der Dauer der Verhinderung und der Länge der bisherigen Beschäftigung. Daneben werden (insbesondere) zusätzliche Abreden sowie die Eigenart des Arbeitsverhältnisses und dessen voraussichtliches Fortbestehen berücksichtigt. 271Vgl. z.B.: BGH, Urteil vom 30. November 1978 - III ZR 43/77 -, juris Rn. 37; BAG, Urteil vom 11. August 1988 - 8 AZR 721/85 -, juris Rn. 43; Krause, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, BGB, 9. Auflage 2020, § 616 Rn. 40; Grimm, in: Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, 12. Auflage 2021, B. Entgeltfortzahlung, Rn. 87; Joussen, in: BeckOK Arbeitsrecht, BGB, 62. Edition, 1. Dezember 2021, § 616 Rn. 46; Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 616 Rn. 66; Oetker, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 616 Rn. 100. 272Die zeitliche Höchstgrenze dürfte regelmäßig bei einer Leistungsunfähigkeit von sechs Wochen liegen. 273Vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1978 - III ZR 43/77 -, juris Rn. 37; BAG, Urteile vom 20. Juli 1977 - 5 AZR 325/76 -, juris Rn. 12, und vom 11. August 1988 - 8 AZR 721/85 -, juris Rn. 43. 274Auch wenn Ansteckungsverdächtige i.S.d. § 2 Nr. 7 IfSG nach den Motiven des BSeuchG-Gesetzgebers vom Schicksal in ähnlicher Weise betroffen sind wie Kranke, 275vgl. BT-Drs. 3/1888, S. 10, 27 zu § 48 BSeuchG (Entschädigung in besonderen Fällen), und BT-Drs. III/2662, S. 3 ebenfalls zu § 48 BSeuchG 276muss bei der Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, 277vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1978 - III ZR 43/77 -, juris Rn. 37, 278berücksichtigt werden, dass der Entscheidung § 616 BGB in der Fassung vom 28. August 1975 zu Grunde lag. In dessen Absatz 2 Satz 2 wurde der Sechs-Wochen-Zeitraum zwar als verhältnismäßig nicht erheblich anerkannt, der Gesetzgeber bediente sich aber mit Blick auf den Fortzahlungsanspruch im Krankheitsfall der Regelungstechnik der Fiktion („Hierbei gilt als verhältnismäßig nicht erheblich eine Zeit von sechs Wochen, wenn nicht durch Tarifvertrag eine andere Dauer bestimmt ist.“). Nunmehr fehlt in § 616 BGB jeglicher Anhaltspunkt für eine Gleichstellung mit dem - aktuell geltenden - § 3 EFZG. 279Vgl. dazu: Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Auflage 2021, § 97 Rn. 15; Oetker, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 616 Rn. 103, m.w.N. 280Überdies liegen den Lohnfortzahlungsansprüchen in § 616 Satz 1 BGB und § 3 EFZG unterschiedliche Normzwecke zu Grunde. Während § 616 Satz 1 BGB seine Grundlage - nach der Rechtsprechung - überwiegend in dem Gedanken der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers findet (bzw. nach „neuerem“ Ansatz in der Literatur dem Gedanken, dass personengebundenen Tätigkeiten das Risiko eines Ausfalls des Dienstverpflichteten stets immanent ist und es daher sachgerecht erscheint, unerhebliche Verhinderungen bereits bei der Bemessung des Entgelts einzukalkulieren - „minima non curat praetor“), 281vgl. z.B.: Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Auflage 2021, § 97 Rn. 2 f., 14; Joussen, in: BeckOK Arbeitsrecht, BGB, 62. Edition, 1. Dezember 2021, § 616 Rn. 46 f.; Krause, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, BGB, 9. Auflage 2020, § 616 Rn. 40; Riesenhuber, in: Erman, BGB, 16. Auflage 2020, § 616 Rn. 2; Oetker, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 616 Rn. 9, 100 f.; BAG, Urteil vom 25. Oktober 1973 - 5 AZR 156/73 -, juris Rn. 12 f., 282dient § 3 EFZG eher der Entlastung der Krankenkassen. 283Vgl. Temming, in: Kluckert, Das neue Infektionsschutzrecht, IfSG, § 16 Rn. 21; Reinhard, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, EFZG, 22. Auflage 2022, § 3 Rn. 1 f.; Müller-Glöge, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, EFZG, § 3 Rn. 2; Oetker, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 616 Rn. 181 ff. 284Angesichts dessen und unter Berücksichtigung des gesetzlichen Wortlauts, 285vgl. VG Koblenz, Urteil vom 10. Mai 2021 - 3 K 107/21.KO -, juris Rn. 30, 286geht die Kammer davon aus, dass bei der Beurteilung der „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit“ (auch) im Falle der Absonderung eines ansteckungsverdächtigen Arbeitnehmers in erster Linie das Verhältnis zwischen bisheriger Dauer des Arbeitsverhältnisses und Dauer der Arbeitsverhinderung maßgeblich ist. Daneben werden weitere Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. 287Nach dieser Maßgabe überschreitet der Absonderungszeitraum von 5 Wochen die Erheblichkeitsschwelle. Insoweit ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer N. erst anderthalb Jahre bei der Klägerin beschäftigt war, als die erste Absonderung angeordnet worden ist. Allein der Umstand, dass der Arbeitsvertrag unbefristet abgeschlossen worden ist und sich im laufenden Klageverfahren die Prognose einer längerfristig fortdauernden Beschäftigung bestätigt hat, da diese erst Ende 2020 mit der Übernahme des Arbeitsverhältnisses durch die U. Unternehmensgruppe beendet worden ist, ändert an dieser Einschätzung nichts. Auch rechtfertigen weder die Eigenart des Arbeitsverhältnisses noch die Eigenart der Verhinderung im vorliegenden Fall eine andere Beurteilung. Zwar mag die coronabedingte Absonderung wegen der Inkubationszeit des Virus von (ursprünglich) zwei Wochen und der möglichen Verlängerung der Absonderung um weitere zwei Wochen nach Ablauf der Inkubationszeit im Falle einer Hausgemeinschaft des Ansteckungsverdächtigen mit einer nachweislich mit dem Coronavirus infizierten Person ohne nachgewiesene Ansteckung nach Ablauf der Inkubationszeit zu einem vorhersehbaren Absonderungszeitraum von 4 Wochen führen. 288Vgl. dazu: VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 6. Juli 2020 - 20 L 860/20 -; OVG NRW, Beschuss vom 10. Juli 2020 - 13 B 981/20 -. 289Auch dieser Zeitraum ist im vorliegenden Fall aber überschritten. 290Da gegen den Arbeitnehmer N. mit Verfügung vom 17. Juli 2020 der Stadt Rheda-Wiedenbrück eine weitere (individuelle) Anordnung der häuslichen Absonderung wegen eines Ansteckungsverdachts ergangen ist, ist im Übrigen nicht davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer den Zeitraum der Leistungsverhinderung durch eine Freitestung, wie sie grundsätzlich ab dem 2. Juli 2020 möglich gewesen ist, hätte verkürzen können. Der Zeuge N. hat in der mündlichen Verhandlung zudem glaubhaft erklärt, dass er sich durchgängig für fünf Wochen in Absonderung befunden habe. Diese weitere Absonderung stellt überdies einen atypischen Verlauf dar. 291Vorsorglich wird zudem darauf hingewiesen, dass aus dem Verfahren Az. 7 L 546/20 bekannt ist, dass der insoweit zuständige Kreis Gütersloh mit den vorhandenen personellen Kapazitäten die Ergebnisse der (Frei-)Testungen aufgrund ihrer Vielzahl ohnehin nicht zeitnah abarbeiten konnte. 292Ob der Fall bei einer asymptomatisch infizierten Person (Ausscheider i.S.d. § 2 Nr. 6 IfSG) anders zu beurteilen ist, da die Entwicklung von Symptomen vom Zufall abhängen mag, 293vgl. VG Koblenz, Urteil vom 10. Mai 2021 - 3 K 107/21.KO -, juris Rn. 32, 294bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Die Kammer bezweifelt die Aussage der Klägerin nicht, dass der Arbeitnehmer durchgängig negativ getestet worden ist. Dafür spricht auch die Verfügung vom 17. Juli 2020, in der Herr N. erneut nur als Kontaktperson einer mit dem Coronavirus infizierten Person eingestuft wurde. 295d. Die Kausalität („dadurch“), 296vgl. dazu: Eckart/Kruse, in: BeckOK, Infektionsschutzrecht, IfSG, 10. Edition, 15. Januar 2022, § 56 Rn. 38, 297zwischen Absonderung und Verdienstausfall ist gegeben. Andere Gründe für den Wegfall des Lohnanspruchs sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Insbesondere bleibt die Schließung des Betriebs der Bestellerin ohne Einfluss. Der Einsatz des Arbeitnehmers als Fleischer in einem anderen Betrieb wäre ohne Absonderungsanordnung - wie bereits dargelegt - grundsätzlich möglich gewesen. 298e. Ein Mitverschulden, das in entsprechender Anwendung von § 254 BGB ggf. über die gesetzlich geregelten Fälle insbesondere in § 56 Abs. 1 Satz 3 IfSG und § 56 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 IfSG anspruchsmindernd zu berücksichtigen sein könnte, 299vgl. zum Streitstand: Eckart/Kruse, in: BeckOK, Infektionsschutzrecht, IfSG, 10. Edition, 15. Januar 2022, § 56 Rn. 41 ff., m.w.N.; Kümper, in: Kießling, IfSG, 2. Auflage 2021, § 56 Rn. 27 ff., m.w.N., 300ist Herrn N. nicht vorzuwerfen. Dies gilt hier insbesondere mit Blick auf ggf. vom Arbeitnehmer begangene Verstöße gegen das Abstandsgebot, da diese jedenfalls keinen Verursachungsbeitrag zum Infektionsgeschehen geleistet haben. Der Arbeitnehmer N. war kein Ausscheider, er wurde (mehrfach) negativ getestet. 3012. Die Voraussetzungen von § 56 Abs. 5 IfSG sind erfüllt. Unstreitig hat die Klägerin die Entschädigung während des streitgegenständlichen Zeitraums an den Arbeitnehmer N. ausgezahlt, § 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG. Einen (formwirksamen) Erstattungsantrag (§ 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG) hat sie am 28. Juli 2020 beim M. (§ 54 IfSG i.V.m. § 11 Abs. 1 IfSBG-NRW) gestellt. 3023. Der Erstattungsanspruch ist entgegen der Auffassung des beklagten Landes auch nicht - nach Sinn und Zweck der Entschädigungsregelung - ausgeschlossen, weil der Klägerin ggf. ein Schadensersatzanspruch in Höhe des gezahlten Lohns gegenüber der Bestellerin zustehen könnte. 303Einer solchen Auslegung steht schon entgegen, dass die Klägerin keinen Lohn an Herrn N. gezahlt hat, sondern den für diesen Arbeitnehmer entstandenen Entschädigungsanspruch infolge eines Verdienstausfalls. Der Lohnanspruch bestand im hier maßgeblichen Zeitraum der Absonderung - wie dargelegt - nach dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ nicht. 304Aber auch mit Blick auf einen etwaigen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Firma U. wegen der gezahlten Entschädigungsleistung und ungeachtet der Frage, ob ein solcher Sekundäranspruch nicht schon nach § 3 Nr. 6 Werkvertrag abbedungen ist, scheidet eine teleologische Reduktion des § 56 Abs. 3 IfSG aus. Die Klägerin fungiert hier nämlich allein als Auszahlungsstelle. Dieses Verfahren soll eine schnelle und unbürokratische Entschädigungsgewährung sicherstellen. 305Vgl. Eckart/Kruse, in: BeckOK, Infektionsschutzrecht, IfSG, 10. Edition, 15. Januar 2022, § 56 Rn. 73; Gerhardt, in: Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, IfSG, 5. Auflage 2021, § 56 Rn. 25. 306Dieser gesetzgeberische Wille ergibt sich auch im Umkehrschluss aus der Legalzession des § 56 Abs. 10 IfSG, da insoweit nur Schadensersatzansprüche des „Entschädigungsberechtigten“ auf das Land übergehen. In diesem Sinne sind in § 56 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 8 IfSG auch nur Leistungen benannt, die „auf die Entschädigung“ anzurechnen sind. 307Das vorbenannte System würde unterlaufen, ließe man darüber hinaus auch im Verhältnis zwischen entschädigungspflichtigem Land und auszahlungsverpflichtetem Arbeitgeber weitere „Anrechnungstatbestände“ zu. In diese Überlegung ist einzustellen, dass der Erstattungsantrag fristgebunden ist (vgl. § 56 Abs. 11 IfSG). Bei der vom beklagten Land vertretenen Vorgehensweise wird dem Arbeitgeber nicht nur das Prozess- und Insolvenzrisiko auferlegt, sondern auch das Erfordernis bei einem ggf. langwierigen Zivilprozess mit Instanzenzug vorsorglich entsprechende Erstattungsansprüche beim M. zu stellen, sodass weitere - ggf. unnötige - Kosten auf beiden Seiten entstehen und für die Bearbeitung Arbeitskraft gebunden wird. 308Auch andere Schadensersatzansprüche, insbesondere Ansprüche des Arbeitnehmer N. gegen die Klägerin oder die Firma U. sind im vorliegenden Fall nicht zu berücksichtigen. Ungeachtet der Frage, ob - erstens - ein Schadensersatzanspruch des entschädigungsberechtigten Arbeitnehmers N1. gegen die Klägerin als frühere Arbeitgeberin entstanden und fällig ist, - zweitens - dieser ggf. entstandene und fällige Anspruch nach § 15 Arbeitsvertrag (Ausschlussfristen / Verfallklausel) wieder verfallen ist und - drittens - gemäß § 56 Abs. 10 IfSG auf das beklagte Land übergegangen ist, hat das beklagte Land jedenfalls nicht die Aufrechnung erklärt, 309vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1987 - 3 C 22/86 -, juris; Hessischer VGH, Beschluss vom 28. Januar 1994 - 3 TG 2026/93 -, juris; VG Minden, Beschluss vom 31. Januar 1996 - 2 K 2333/95 -, 310sodass eine Berücksichtigung im hiesigen Verfahren ausscheidet. 311Sofern dem Arbeitnehmer N1. ein Ersatzanspruch z.B. aufgrund eines Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter gegen die Firma U. als Bestellerin zusteht, so könnte dieser - ungeachtet der Frage seiner Entstehung, Fälligkeit und Höhe - dem Erstattungsanspruch der Klägerin nicht entgegengehalten werden, weil diese nicht Schuldnerin der ggf. auf das beklagte Land übergegangenen Forderung ist. 3124. Das vom beklagten Land behauptete, anspruchsausschließende (überwiegende) Mitverschulden der Klägerin an der Absonderung ihres Arbeitnehmers ist im Rahmen des § 56 Abs. 3 IfSG selbst nicht zu berücksichtigen, sondern nur - wie geschehen - im Rahmen der Prüfung des § 326 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 BGB oder etwaiger zur Aufrechnung gestellter übergegangener Schadensersatzansprüchen gegen die Klägerin. Dies folgt ebenfalls aus der - zuvor bereits dargelegten - Funktion als Auszahlstelle. 3135. Die Höhe des Erstattungsbetrages von 574,44 Euro Nettoverdienstausfall ist von den Beteiligten unter Berücksichtigung von § 56 Abs. 3 IfSG in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt worden. Die Kammer hat keine Veranlassung, von sich aus an der Richtigkeit der zugrunde liegenden Berechnung zu zweifeln. 314B. Der Klägerin steht auch der Anspruch auf Erstattung der von ihr verauslagen und der Höhe nach ebenfalls unstreitig gestellten Sozialabgaben i.H.v. 390,39 Euro nach Maßgabe des § 57 IfSG zu. 315C. Die Klage ist auch begründet, soweit die Klägerin aus dem Erstattungsbetrag von 964,83 Euro die Verurteilung des beklagten Landes zur Zahlung von Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit verlangt. Die Voraussetzungen von §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB analog liegen seit dem 23. Februar 2021 (§ 90 VwGO) vor. 316Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. | das beklagte land wird unter aufhebung des bescheids des m. vom 20. januar 2021 verpflichtet, der klägerin für den mitarbeiter o. d. n. betreffend den zeitraum vom 18. juni bis zum 30. juni 2020 eine erstattung in höhe von 574,44 euro (netto-verdienstausfall) zuzüglich 390,39 euro geleisteter sozialabgaben zu bewilligen, sowie auf diesen betrag zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit rechtsanhängigkeit zu zahlen. das beklagte land trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. das beklagte land darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die klägerin vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2die klägerin begehrt die erstattung der an ihren arbeitnehmer gezahlten verdienstausfallentschädigung infolge behördlich angeordneter quarantäne. 3es handelt sich bei der klägerin um eine zweigniederlassung eines rumänischen unternehmens in der rechtsform s.r.l. sie ist in der fleischverarbeitungsbranche tätig. ihr firmensitz befindet sich unter der anschrift „f.----- in 33378 rheda-wiedenbrück“. seit 2014 ist sie geschäftlich mit der u. m. gmbh & co. kg (betriebssitz „j. in 33378 rheda-wiedenbrück“) verbunden. 4mit werkvertrag vom 10. januar 2020 verpflichtete sich die klägerin als werkunternehmerin gegenüber der firma u. m. gmbh & co. kg (im folgenden: firma u. ) als bestellerin im zeitraum vom 1. februar 2020 bis zum 31. juli 2020 zur herstellung von fleischteilstücken und zerlegenebenprodukten. die werk-leistung wird nach den vertraglichen bestimmungen auf dem betriebsgelände der firma u. erbracht. räumlichkeiten und betriebsmittel (mit ausnahme von messern, wetzstählen, arbeits- und schutzkleidung) werden von dieser zur verfügung gestellt. 5gemäß § 2 nr. 5 werkvertrag haben (die klägerin als) werkunternehmerin und die personen, deren sie sich zur erfüllung ihrer werkvertraglichen leistungen bedient, u.a. weisungen der hygienebeauftragen des bestellers folge zu leisten. nach § 2 nr. 6 werkvertrag ist die werkunternehmerin verpflichtet, gemäß § 8 abs. 1 arbschg ihre beschäftigten über gefahren und risiken für sicherheit und gesundheit sowie über schutzmaßnahmen vor arbeitsaufnahme zu unterweisen. weiter ist sie verpflichtet, ihre beschäftigten vor arbeitsaufnahme nach der betriebseinweisung personalhygiene fb hy 8-01 in der jeweils gültigen version zu schulen. der nachweis über die stattgefundenen unterweisungen ist schriftlich von den beschäftigten per unterschrift zu bestätigen und unaufgefordert vor arbeitsaufnahme an das lohnbüro des bestellers weiterzuleiten. die klägerin hat zudem nach § 2 nr. 7 werkvertrag gegenüber der bestellerin einen verantwortlichen vertreter zu benennen bzw. dafür sorge zu tragen, dass ein verantwortlicher vertreter bei der erfüllung der werkvertraglichen verpflichtungen präsent ist. § 2 nr. 9 werkvertrag bestimmt, dass die erfüllung sämtlicher verpflichtungen aus den mit ihren arbeitnehmern geschlossenen verträgen der klägerin als werkunternehmerin obliegt. 6im rahmen dieses werkvertrags setzte die klägerin ihren arbeitnehmer o. d. n. als fleischer auf dem betriebsgelände der firma u. ein. er war vom 15. november 2018 bis ende 2020 bei der klägerin beschäftigt. seit anfang 2021 ist er direkt bei der u. unternehmensgruppe angestellt. 7im rahmen einer am 16. juni 2020 durchgeführten reihentestung stellte das gesundheitsamt des kreises gütersloh bei 730 von 1.106 abstrichen von in der „zerlegung“ auf dem werksgelände der firma u. tätigen mitarbeitern einen positiven befund auf das coronavirus sars-cov-2 fest. 8der landrat des kreises gütersloh ordnete daraufhin am 17. juni 2020 zunächst mündlich die schließung des betriebsstandortes der u. unternehmensgruppe in rheda-wiedenbrück an. unter dem 10. august 2020 bestätigte er gegenüber der u. & co. kg die allgemeinverfügung zur schließung des betriebs der unternehmensgruppe u. am betriebsstandort „j. , 33378 rheda-wiedenbrück“ schriftlich. 9mit allgemeinverfügung zur fortbestehenden schließung und den voraussetzungen einer schrittweise möglichen wiederaufnahme des betriebs der unternehmensgruppe u. am betriebsstandort „j……, 33378 rheda-wiedenbrück“ vom 2. juli 2020 verfügte der bürgermeister der stadt rheda-wiedenbrück eine weitere schließung bis zum 17. juli 2020. überdies wurden regelungen zur schrittweisen wiederaufnahme des betriebs getroffen. 10mit allgemeinverfügung zur absonderung in sog. häusliche quarantäne vom 18. juni 2020 ordnete der landrat des kreises gütersloh in ziffer 1 die absonderung in häusliche quarantäne gegenüber allen im betrieb der firma u. in rheda-wiedenbrück in der produktion tätigen personen an. ziffer 2 enthielt einen ausnahmetatbestand für alle seit dem 16. juni 2020 durch beauftragte des gesundheitsamtes negativ getesteten personen, die auch bei erhalt des testergebnisses noch keinerlei symptome aufwiesen. gleichzeitig wurde der fall geregelt, dass der betroffene zwar negativ getestet worden ist, aber im rahmen der kontaktnachverfolgung als kontaktperson der kategorie 1 nach den kriterien des robert-koch-instituts ermittelt wurde. in diesem fall sollte das gesundheitsamt mitteilen, bis wann die absonderung zu erfolgen hat. 11mit allgemeinverfügung zur absonderung in sog. häusliche quarantäne vom 20. juni 2020 hob der landrat des kreises gütersloh die allgemeinverfügung vom 18. juni 2020 auf und ordnete für alle auf dem betriebsgelände der firma u. in rheda-wiedenbrück tätigen personen die absonderung in häusliche quarantäne bis zum 2. juli 2020, 24:00 uhr, an. zugleich erließ er ausnahmeregelungen für eine sog. arbeitsquarantäne für bestimmte personengruppen die auf dem gelände der firma u. tätig waren. die produktion war von dieser ausnahme nicht erfasst. 12mit allgemeinverfügung zum schutz der bevölkerung vor der verbreitung des coronavirus sars-cov-2 gegenüber im betrieb der firma u. am standort „j. , 33378 rheda-wiedenbrück“ tätigen und mit ihnen in häuslicher gemeinschaft lebenden personen durch absonderung in häuslicher quarantäne vom 1. juli 2020 ordnete das ministerium für arbeit, gesundheit und soziales des landes nordrhein-westfalen (mags) ab dem 3. juli 2020, 00:00, uhr gegenüber allen personen, die im zeitraum vom 3. juni 2020 bis zum 17. juni 2020 an mindestens einem tag auf dem betriebsgelände der firma u. am standort „j. , 33378 rheda-wiedenbrück“ tätig waren, unabhängig davon, ob sie unmittelbar bei dieser firma, einem subunternehmer oder einer leiharbeitsfirma angestellt sind oder für diese tätig waren, die absonderung in häusliche quarantäne bis zum 17. juli 2020, 24.00 uhr an. zugleich erließ das mags ausnahmeregelungen für eine sog. arbeitsquarantäne für bestimmte personengruppen, die auf dem gelände der firma u. tätig waren. die produktion war von dieser ausnahme nicht erfasst. 13mit verfügung vom 17. juli 2020 ordnete die stadt rheda-wiedenbrück gegenüber dem arbeitnehmer o. d. n. als kontaktperson mit einer mit dem coronavirus infizierten person die häusliche quarantäne bis einschließlich zum 24. juli 2020 an. ausweislich der dazu eingereichten bescheinigung der stadt rheda-wiedenbrück vom 27. oktober 2021 befand sich herr n. vom 17. juli 2020 bis zum 23. juli 2020 in absonderung. 14am 28. juli 2020 beantragte die klägerin (erstmals) die „erstattung von arbeitgeberaufwendungen bei verdienstausfall eines arbeitnehmers auf grund behördlich angeordneter quarantäne (absonderung) oder tätigkeitsverbot nach § 56 abs. 1 des infektionsschutzgesetzes (ifsg)“ für den arbeitnehmer o. d. n. für den zeitraum bis zum 30. juni 2020. dazu erklärte sie u.a., dass der arbeitnehmer sich vom 17. juni 2020 bis zum 30. juni 2020 in absonderung befunden habe, er in diesem zeitraum keinen genehmigten urlaub gehabt habe, er nicht aufgrund eines kranken kindes arbeitsbefreit gewesen sei und er in diesem zeitraum keinen anspruch auf entgeltfortzahlung nach § 616 bgb, auf arbeitslosengeld i, kurzarbeitergeld, sonstige zuschüsse, zusätzliches einkommen aus ersatztätigkeiten gehabt habe. der betrieb sei ab dem 18. juni 2020 geschlossen gewesen. ein enddatum der betriebsschließung gab die klägerin nicht an. 15bei der frage, ob der arbeitnehmer während der absonderung arbeitsunfähig krank gewesen sei, kreuzte die klägerin beide der vorgegebenen antwortmöglichkeiten „ja“ und „nein“ an. im klageverfahren erklärte sie dazu, dass es sich um einen tippfehler handele. der arbeitnehmer sei im zeitraum vom 18. juni 2020 bis zum 24. juni 2020 nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen. 16mit bescheid vom 20. januar 2021 lehnte der m. (m. ) den antrag auf erstattung von verdienstausfallentschädigung für den zeitraum vom 17. juni 2020 bis zum 30. juni 2020 für herrn o. d. n. ab. zur begründung führte der m. aus, dass die klägerin beim einsatz ihres arbeitnehmers gesundheits- und arbeitsschutzvorschriften, insbesondere hygienevorgaben verletzt habe. aus diesem grund habe der arbeitnehmer einen lohnfortzahlungsanspruch gegen die klägerin als arbeitgeberin, sodass ein verdienstausfall i.s.v. § 56 abs. 1 ifsg und damit ein entsprechender erstattungsanspruch nicht vorlägen. der betrieb, in dem der arbeitnehmer eingesetzt gewesen sei, sei vom 16. juni 2020 bis zum 17. juli 2020 aufgrund behördlicher anordnung geschlossen gewesen. ein einsatz des arbeitnehmers sei somit bereits aus betrieblichen gründen nicht möglich gewesen. im zeitraum der betriebsschließung habe bereits aus diesem grund kein verdienstausfall vorgelegen, da der arbeitnehmer einen lohnfortzahlungsanspruch gegen die klägerin als arbeitgeberin gehabt habe, sodass ein möglicher entschädigungsanspruch entfalle. 17die klägerin hat am 23. februar 2021 klage erhoben. 18zur begründung trägt sie im wesentlichen vor, dass herr n. zum zeitpunkt der absonderungsanordnung in der zerlegung in der spätschicht „am band lachse“ auf dem betriebsgelände der firma u. in rheda-wiedenbrück gearbeitet habe. insgesamt habe sich der arbeitnehmer vom 18. juni bis zum 24. juli 2020 in häuslicher absonderung befunden. dementsprechend habe sie am 18. september 2020 einen zweiten erstattungsantrag beim m. gestellt. dieser betreffe den absonderungszeitraum vom 1. juli bis zum 24. juli 2020. 19der arbeitnehmer n. sei zwischen dem 18. juni 2020 und dem 24. juli 2020 nicht an covid-19 erkrankt gewesen, er habe auch nicht an typischen symptomen gelitten. überdies sei er negativ getestet worden. die testungen seien von mitarbeitern des deutschen roten kreuzes oder der bundeswehr durchgeführt worden, schriftliche unterlagen lägen dazu aber nicht vor. die ergebnisse seien ihren mitarbeitern lediglich telefonisch mitgeteilt worden; ebenso sei die aufforderung, in quarantäne zu verbleiben, telefonisch ergangen. vom gesundheitsamt des kreises gütersloh habe sie die negativtests nicht erlangen können, diese daten seien nach behördlicher auskunft nicht gespeichert worden. 20der anspruch sei insbesondere nicht wegen verstößen gegen gesundheits- und arbeitsvorschriften oder hygienevorgaben ausgeschlossen. der behördenakte lasse sich weder der vom m. behauptete verstoß entnehmen, noch sei ersichtlich, dass die arbeits- und beschäftigungsbedingungen des arbeitnehmers n. geprüft worden seien. auch in den begründungen der allgemeinverfügungen über die absonderung in häusliche quarantäne seien keine verstöße gegen gesundheits- und arbeitsschutzvorschriften zum zeitpunkt der anordnung festgestellt worden. in der verfügung des kreises gütersloh vom 18. juni 2020 werde auf seite 4 von einem „unklaren ausbruchsgeschehen“ ausgegangen und nach den ausführungen auf seite 3 werde es nur als „sehr naheliegend“ erachtet, dass die infizierten beschäftigten aus der zerlegung der firma u. weitere in der produktion tätige personen durch kontakte am arbeitsplatz, in der gemeinsamen unterkunft oder auf dem gemeinsamen transportweg infiziert hätten. 21im übrigen habe sie beim einsatz ihrer arbeitnehmer auf dem betriebsgelände der firma u. auch keine verstöße begangen. seitens ihrer bestellerin seien seit beginn der corona-pandemie präventionsmaßnahmen und hygienekonzepte eingeführt worden, die auch von ihr - als auf dem betriebsgelände tätige subunternehmerin - umgesetzt worden seien. sie habe etwa dafür sorge getragen, dass sich die arbeitnehmer der unterschiedlichen schichten nicht vermischten. auch hätten die arbeitnehmer getrennt voneinander gewohnt, eine vermischung sei auch insoweit vermieden worden. ihre mitarbeiter seien mündliche über die (sich ändernden) einzuhaltenden maßnahmen informiert und angewiesen worden, sich an diese anordnungen zu halten. der betriebsleiter m1. c. sei zuständig gewesen für schulungen und informationen vor ort. einzuhaltende schutzmaßnahmen seien auch schriftlich in rumänischer sprache an die mitarbeiter verteilt worden. zudem seien regelmäßig amtsärzte vor ort gewesen, die lebensmittelrechtliche kontrollen durchgeführt hätten. hinweise auf verstöße gegen hygienevorschriften hätten die kontrolleure nicht festgestellt. sämtliche arbeitnehmer in der produktion hätten z.b. schutzkleidung getragen und sich vor dem betreten der arbeitsbereiche hände und schuhe desinfiziert. auch die kontrollen durch die gewerbeaufsicht seien beanstandungslos geblieben. 22herr n. habe im juni 2020 mit seiner familie in einer eigenen wohnung gelebt. es habe sich dabei nicht um eine firmenunterkunft gehandelt. 23die klägerin beantragt, 24251. das beklagte land unter aufhebung des bescheids des m. vom 20. januar 2021 zu verpflichten, ihr für den mitarbeiter o. d. n. betreffend den zeitraum vom 18. juni bis zum 30. juni 2020 eine erstattung in höhe von 574,44 euro (netto-verdienstausfall) zuzüglich 390,39 euro geleisteter sozialabgaben zu bewilligen, 262. das beklagte land zu verpflichten, an sie zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit rechtsanhängigkeit zu zahlen. 27das beklagte land beantragt, 28die klage abzuweisen. 29es trägt im wesentlichen vor, der arbeitnehmer n. habe keinen verdienstausfall erlitten. ihm stehe ein lohnfortzahlungsanspruch gegen die klägerin nach § 616 satz 1 bgb zu. insbesondere stelle die dauer der verhinderung eine verhältnismäßig nicht erhebliche zeit dar. insoweit erschließe sich schon nicht, warum herr n. über den sonst üblichen zeitraum von 14 tagen abgesondert gewesen sei. aber auch eine absonderung von fünf wochen stelle eine verhältnismäßig nicht erhebliche zeit dar. die absonderung sei mit einer krankheitsbedingten arbeitsunfähigkeit vergleichbar, sodass nach dem rechtsgedanken des entgeltfortzahlungsgesetzes ein fortzahlungsanspruch von bis zu sechs wochen bestehe. die gesetzgeberischen motive stellten klar, dass ein quarantäne-pflichtiger in ähnlicher weise betroffen sei wie eine erkrankte person. 30zudem sei der vergütungsanspruch wegen der regelung des § 615 sätze 1 und 3 bgb nicht untergegangen. dies sei zunächst der fall, weil es sich bei dem der absonderung des herrn n. zu grunde liegenden ansteckungsverdacht um ein betriebsrisiko handele. die absonderung beruhe auf einem ansteckungsverdacht, der wiederrum aus der arbeitsvertraglich geschuldeten erbringung der arbeitsleistung als fleischer auf dem u. betriebsgelände resultiere. hätte der arbeitnehmer nicht am betriebsstandort in rheda-wiedenbrück gearbeitet, wäre der grund für die absonderung entfallen. die klägerin könne sich nicht auf ein unvermögen ihres arbeitnehmers zum erbringen der arbeitsleistung infolge der absonderung berufen, da das unvermögen gerade aus ihrer sphäre stamme, nämlich dem ihren unternehmerischen interessen dienenden einsatz des arbeitnehmers am betriebsstandort. würde man aufgrund der absonderung von einem einen anspruch aus § 615 satz 3 bgb ausschließenden unvermögen des arbeitnehmers ausgehen, bürdete man ihm so - entgegen der gesetzlichen wertung - das in der sphäre der klägerin liegende betriebsrisiko auf. 31darüber hinaus stehe dem arbeitnehmer n. der lohnfortzahlungsanspruch nach § 615 sätze 1 und 3 bgb aufgrund der behördlich angeordneten schließung des betriebsstandorts zu. diese schließung sei dem betriebsrisiko der klägerin zuzurechnen, da sie auf eine erhebliche begünstigung der virus-verbreitung durch die betrieblichen verhältnisses - insbesondere baulicher und betriebsorganisatorischer natur - zurückzuführen sei. 32des weiteren sei der arbeitnehmer n. seines vergütungsanspruchs nach § 615 sätze 1 und 3 bgb nicht verlustig gegangen, weil die klägerin bei dessen einsatz gesundheits- und arbeitsvorschriften verletzt habe. unter das betriebsrisiko fielen auch verstöße gegen die den arbeitgeber treffende fürsorgepflicht gemäß § 618 abs. 1 bgb; auf ein verschulden komme es dabei nicht an. die dem arbeitgeber obliegende fürsorgepflicht werde durch die öffentlich-rechtlichen schutzmaßnahmen konkretisiert, wobei diese lediglich das mindestmaß festlegten. diese bestimmungen des arbeitsschutzes seien im hinblick auf die ausgebrochene covid-19-pandemie dahingehend auszulegen, dass der arbeitgeber schutzmaßnahmen hinsichtlich des gesundheitsschutzes seiner arbeitnehmer zu ergreifen habe, um eine infektion mit dem neuartigen virus zu vermeiden und infektionsrisiken so zu minimieren. 33ein infektionsgeschehen, wie es in der begründung zur allgemeinverfügung des bürgermeisters der stadt rheda-wiedenbrück vom 2. juli 2020 dargelegt sei, biete hinreichend belastende anhaltspunkte dafür, dass die verbreitung insbesondere durch die baulichen und betriebsorganisatorische verhältnisse begünstigt worden sei; im falle eines funktionierenden und dem pandemiegeschehen angepassten hygieneplans sei ein derartiges infektionsgeschehen schlechterdings nicht denkbar. entsprechende verstöße ergäben sich zudem aus den begründungen der allgemeinverfügungen des kreises gütersloh und der stadt rheda-wiedenbrück, in denen von einem großen, unklaren ausbruchsgeschehen die rede sei und dargelegt werde, dass sich das coronavirus, begünstigt durch die betrieblichen verhältnisse, von der zerlegung in andere bereiche durch kontakte am arbeitsort, in den unterkünften und auf dem transportweg verbreitet habe. im übrigen seien im rahmen der besichtigung am 15. mai 2020 aller abteilungen und bereiche der unternehmensgruppe u. durch die bezirksregierung detmold gravierende mängel im hinblick auf die vorgaben der sars-cov-2-arbeitsschutzstandards und damit verstöße gegen den arbeits- und gesundheitsschutz der arbeitnehmer im sinne des arbeitsschutzgesetzes festgestellt worden. auch ein bei youtube veröffentlichtes video zeige die verhältnisse in der kantine, in der mindestabstände nicht eingehalten worden seien. 34die absonderungsverfügung sei nicht kausal für den geltend gemachten verdienstausfall, da der arbeitnehmer n. bereits aufgrund der betriebsschließung vom 17. juni 2020 bis zum 17. juli 2020 nicht habe arbeiten können. 35des weiteren wirkten sich die werkvertraglichen bestimmungen auf den geltend gemachten erstattungsanspruch aus. soweit die klägerin nachweise, dass sie sich nicht vertragswidrig verhalten habe, könne sie grundsätzlich gegenüber der bestellerin einen schadensersatzanspruch geltend machen. zwar sei der anspruch werkvertraglich ausgeschlossen, das entschädigungsrecht diene aber nicht dazu, ausgeschlossene schadensersatzansprüche zu kompensieren. dies gelte umso mehr, als dass eine entschädigung im vergütungsanspruch enthalten sei. 36jedenfalls müsse sich die klägerin ein weit überwiegendes mitverschulden anrechnen lassen, das den erstattungsanspruch ausschließe. die pflichtverstöße der klägerin als arbeitgeberin gegenüber ihren arbeitnehmern betreffend deren gesundheitsschutz seien derart erheblich gewesen und hätten zu einer so großen infektionsgefahr geführt, dass diese letztlich nur durch eine flächendeckende allgemeinverfügung zur absonderung der am betriebsstandort in rheda-wiedenbrück tätigen personen sowie durch eine mehrwöchige betriebsschließung eingedämmt werden konnte. 37die kammer hat den arbeitnehmer n. als zeugen gehört. wegen des inhalts und des ergebnisses der beweisaufnahme wird auf die sitzungsniederschrift vom heutigen tage verwiesen. wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird bezug genommen auf den inhalt der gerichtsakte und des beigezogenen verwaltungsvorgangs. 38 | 39die zulässige klage ist begründet. 40der bescheid des beklagten landes vom 20. februar 2021 ist rechtswidrig und verletzt die klägerin in ihren rechten. ihr steht ein anspruch auf erstattung der an ihren arbeitnehmer o. d. n. gezahlten verdienstausfallentschädigung in höhe von 574,44 euro netto-verdienstausfall (a.) zuzüglich sozialversicherungsabgaben in höhe von 390,39 euro (b.) für den zeitraum vom 18. bis zum 30. juni 2020 zu (§ 113 abs. 1 satz 1, abs. 5 vwgo). des weiteren hat die klägerin einen anspruch auf die geltend gemachten prozesszinsen ab rechtshängigkeit (c.). 41a. die klägerin hat einen anspruch auf bewilligung einer erstattung der an ihren arbeitnehmer n. geleisteten aufwendungen in höhe von 574,44 euro aus § 56 abs. 1 sätze 1 und 2 i.v.m. abs. 5 ifsg. 42i. maßgeblich ist insoweit die ab dem 23. mai 2020 gültige gesetzesfassung, dem zeitpunkt der entstehung des anspruchs auf entschädigung. 43aus der ständigen rechtsprechung des bundesverwaltungsgerichts ergibt sich für die frage des richtigen zeitpunkts für die beurteilung der sach- und rechtslage aus dem prozessrecht nur, dass ein kläger im verwaltungsgerichtlichen rechtsstreit ebenso mit einem aufhebungsbegehren wie mit einem verpflichtungsbegehren nur dann erfolg haben kann, wenn er im zeitpunkt der letzten gerichtlichen entscheidung einen anspruch auf die erstrebte aufhebung des verwaltungsakts bzw. auf die erstrebte leistung hat. ob ein solcher anspruch jedoch besteht, d.h. ob ein belastender verwaltungsakt den kläger im sinne des § 113 abs. 1 vwgo rechtswidrig in seinen rechten verletzt oder die ablehnung eines begehrten verwaltungsakts im sinne des § 113 abs. 5 vwgo rechtswidrig ist, beurteilt sich nach dem materiellen recht, dem nicht nur die tatbestandlichen voraussetzungen einer ermächtigungsgrundlage oder eines anspruchs selbst, sondern auch die antwort auf die frage zu entnehmen ist, zu welchem zeitpunkt diese voraussetzungen erfüllt sein müssen. 44vgl. nur: bverwg, urteil vom 31. märz 2004 - 8 c 5.03 -, juris rn. 35; vg bayreuth, urteil vom 21. juni 2021 - b 7 k 21.110 -, juris rn. 22, jeweils m.w.n.; vgl. auch eckart/kruse, in: beckok, infektionsschutzrecht, ifsg, 10. edition, 15. januar 2022, § 56 rn. 20a, m.w.n. zum streitstand. 45nach diesen grundsätzen ist hier § 56 ifsg in der vom 23. mai bis zum 18. november 2020 gültigen fassung anzuwenden, denn der insoweit maßgebliche anspruch des arbeitnehmers, der hier durch die klägerin als arbeitgeberin geltend gemacht wird (§ 56 abs. 5 sätze 1 und 2 ifsg), war jedenfalls zu diesem zeitpunkt bereits entstanden. dies ergibt sich aus der damals gültigen fassung des § 56 abs. 6 satz 1 ifsg, der im zeitpunkt der mündlichen verhandlung auch unverändert fort gilt. danach richtet sich die fälligkeit der entschädigungsleistungen bei arbeitnehmern nach der fälligkeit des aus der bisherigen tätigkeit erzielten arbeitsentgelts. § 614 bgb bestimmt dabei, dass die vergütung nach der leistung der dienste zu entrichten ist (satz 1) und dass, soweit die vergütung nach zeitabschnitten bemessen ist, diese nach dem ablauf der einzelnen zeitabschnitte zu entrichten ist (satz 2). 46vgl. maties, in: beckogk, bgb, 1. august 2021, § 614 rn. 54 f. 47die klägerin hatte mit ihrem arbeitnehmer einen stundenlohn und eine wöchentliche arbeitszeit von 42 stunden vereinbart, die fälligkeit sollte zum 15. des monats eintreten, der auf den monat der arbeitsleistung folgt (§ 4 und 5 abs. 1 arbeitsvertrag). da der letzte absonderungstag, für den hier noch erstattung beansprucht wird, der 30. juni 2020 (dienstag) gewesen ist, war der anspruch spätestens am 15. juli 2020 fällig und damit auch jedenfalls entstanden. insoweit braucht nicht entschieden werden, ob der entschädigungsanspruch des arbeitnehmers bereits zum zeitpunkt der absonderung entstanden sein könnte, da die im zeitpunkt der fälligkeit gültige fassung bereits während der absonderung galt. 48ii. die tatbestandsvoraussetzungen des § 56 abs. 1 i.v.m. abs. 5 ifsg liegen vor. 49nach § 56 abs. 1 satz 1 ifsg erhält eine entschädigung in geld, wer auf grund dieses gesetzes als ausscheider, ansteckungsverdächtiger, krankheitsverdächtiger oder als sonstiger träger von krankheitserregern im sinne von § 31 satz 2 ifsg verboten in der ausübung seiner bisherigen erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen verdienstausfall erleidet. das gleiche gilt nach § 56 abs. 1 satz 2 ifsg für personen, die als ausscheider, ansteckungsverdächtige oder krankheitsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere schutzmaßnahmen nicht befolgen können. 50satz 3 des § 56 abs. 1 ifsg bestimmt zudem, dass eine entschädigung nach den sätzen 1 und 2 nicht erhält, wer durch inanspruchnahme einer schutzimpfung oder anderen maßnahme der spezifischen prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im bereich des gewöhnlichen aufenthaltsorts des betroffenen öffentlich empfohlen wurde, ein verbot in der ausübung seiner bisherigen tätigkeit oder eine absonderung hätte vermeiden können. 51gemäß § 56 abs. 5 ifsg hat der arbeitgeber bei arbeitnehmern für die dauer des arbeitsverhältnisses, längstens für sechs wochen, die entschädigung für die zuständige behörde auszuzahlen (satz 1). die ausgezahlten beträge werden dem arbeitgeber auf antrag von der zuständigen behörde erstattet (satz 2). im übrigen wird die entschädigung von der zuständigen behörde auf antrag gewährt (satz 3). 52die voraussetzungen des § 56 abs. 1 satz 2 i.v.m. satz 1 ifsg sind erfüllt. 531. der für den erstattungsanspruch der klägerin primär erforderliche ursprüngliche entschädigungsanspruch des herrn n. gegen das beklagte land nach § 56 abs. 1 satz 2 i.v.m. satz 1 ifsg liegt vor. 54a. einschlägig ist hier § 56 abs. 1 satz 2 ifsg (entschädigung aufgrund einer absonderung). 55der arbeitnehmer n. unterlag ausweislich der allgemeinverfügungen vom 18. juni 2020 und 20. juni 2020 des kreises gütersloh „zur absonderung in sog. häusliche quarantäne“ vom 18. juni 2020 bis zum 30. juni 2020 einer behördlich angeordneten absonderung (i.s.d. § 30 ifsg). es ist unter berücksichtigung der begründung der allgemeinverfügung auch davon auszugehen, dass herr n. als ansteckungsverdächtiger (§ 2 nr. 7 ifsg) galt, da er unmittelbar vor erlass der ersten absonderungsverfügung als schlachter auf dem betriebsgelände der firma u. tätig war. sein einsatzort war die zerlegung, dort wurde am 16. juni 2020 eine vielzahl von mit dem coronavirus infizierten kollegen festgestellt. 56da § 56 abs. 1 satz 2 i.v.m. satz 1 ifsg das erfordernis der rechtmäßigkeit der absonderungsverfügung nicht voraussetzt, genügt tatbestandlich eine wirksame maßnahme. 57vgl. zum streitstand: eckart/kruse, in: beckok, infektionsschutzrecht, ifsg, 10. edition, 15. januar 2022, § 56 rn. 34, m.w.n.; kümper, in: kießling, ifsg, 2. auflage 2021, § 56 rn. 20, m.w.n. 58gegen die wirksamkeit der verfügung bestehen keine bedenken, solche wurden von den beteiligten auch nicht vorgetragen. ungeachtet dessen bestehen - unter berücksichtigung der o.g. umstände - auch keine (durchgreifenden) zweifel an der rechtmäßigkeit der absonderungsanordnung. 59b. unabhängig davon, ob § 56 abs. 1 satz 3 ifsg in seiner hier maßgeblichen fassung über die dort ausdrücklich geregelten fälle dahingehend zu verstehen ist, dass allgemein bei vermeidbarkeit der absonderung durch den abgesonderten die entschädigung ausscheidet, 60vgl. vg karlsruhe, urteil vom 10. mai 2021 - 9 k 67/21 -, juris rn. 94, 61ist hier nicht zu erkennen, dass die absonderung vom 18. bis zum 30. juni 2020 für den arbeitnehmer vermeidbar gewesen sein könnte. insbesondere hat er sich nach eigenen angaben ab dem 18. juni 2020 durchgängig in häuslicher absonderung befunden; eine freitestung nach den in der allgemeinverfügung des kreises gütersloh vom 18. juni 2020 festgelegten kriterien erfolgte für ihn in dieser zeit nicht. in der allgemeinverfügung vom 20. juni 2020 bestand die möglichkeit einer freitestung für ansteckungsverdächtige wie den arbeitnehmer nicht mehr. 62c. der arbeitnehmer n. hat außerdem in dem zeitraum vom 18. juni 2020 bis zum 30. juni 2020 den erforderlichen verdienstausfall erlitten. 63nach dem grundsatz „ohne arbeit kein lohn“ (§ 326 abs. 1 bgb) stand ihm im zeitraum der absonderung, in dem er seine wohnung nicht verlassen durfte, kein anspruch aus seinem arbeitsvertrag i.v.m. § 611a abs. 2 bgb auf zahlung seines arbeitslohns zu. 64vgl. dazu z.b.: maties, in: beckogk, bgb, 1. august 2021, § 611a rn. 1670 ff.; fandel/kock, in: herberger/martinek u.a., jurispk-bgb, 9. auflage 2020, § 611a rn. 198. 65er konnte seine tätigkeit als „fleischer“ offenkundig auch nicht im home-office erbringen. 66vgl. zur arbeitsorganisatorischen umstellung auch: eckart/kruse, in: beckok, infektionsschutzrecht, ifsg, 10. edition, 15. januar 2022, § 56 rn. 35. 67es lag kein fall vor, in dem die klägerin gegenüber dem arbeitnehmer nach arbeitsrechtlichen grundsätzen zur lohnfortzahlung trotz nicht geleisteter arbeit verpflichtet gewesen wäre. 68aa. die voraussetzungen des § 326 abs. 2 satz 1 var. 1 bgb liegen nicht vor. 69der anwendung von § 326 abs. 2 satz 1 var. 1 bgb im arbeitsrecht steht § 615 bgb nicht entgegen. die dienstvertraglichen regeln des annahmeverzugs verdrängen § 326 bgb nicht. vielmehr ergänzen sich beide. 70vgl. im einzelnen z.b.: bag, urteil vom 23. september 2015 - 5 azr 146/14 -, juris rn. 26; preis, in: erfurter kommentar zum arbeitsrecht, bgb, 22. auflage 2022, § 615 rn. 5, m.w.n.; bieder, in: beckogk, bgb, 1. februar 2020, § 615 rn. 6. 71nach § 326 abs. 2 satz 1 var. 1 bgb behält der arbeitnehmer den anspruch auf die gegenleistung, wenn der arbeitgeber für den umstand, auf grund dessen der arbeitnehmer nach § 275 abs. 1 bis 3 bgb nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist. 72es fehlt an der danach erforderlichen verantwortlichkeit der klägerin, denn es ist nicht davon auszugehen, dass die klägerin allein oder weit überwiegend verantwortlich ist für den grund der - wegen des fixschuldcharakters der nach wöchentlicher arbeitszeit bemessenen arbeitsleistung (§ 4 arbeitsvertrag) -, 73vgl. bag, urteile vom 17. märz 1988 - 2 azr 576/87 -, juris rn. 47, und vom 23. september 2015 - 5 azr 146/14 -, juris rn. 26; preis, in: erfurter kommentar zum arbeitsrecht, bgb, 22. auflage 2022, § 611a rn. 675; fandel/kock, in: herberger/martinek u.a., jurispk-bgb, 9. auflage 2020, § 611a rn. 198; ernst, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2019, § 275 rn. 49, 52, zur einzelfallbetrachtung, 74absonderungsbedingten unmöglichkeit. verantwortlichkeit im vg. sinne erfasst nach der hier maßgeblichen rechtsprechung des bundesarbeitsgerichts vertretenmüssen i.s.d. §§ 276, 278 bgb, d.h. mindestens fahrlässiges handeln. 75vgl. z.b.: bag, urteil vom 19. august 2015 - 5 azr 975/13 -, juris rn. 29; linck, in: schaub, arbeitsrechts-handbuch, 19. auflage 2021, § 95 rn. 2. 76soweit darüber hinaus vertreten wird, dass sich eine - auch verschuldensunabhängige - verantwortlichkeit des gläubigers für bestimmte risiken ergeben kann, 77vgl. z.b. ulber, in: erman, bgb, 16. auflage 2020, § 326 rn. 26 ff.; ernst, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2019, § 326 rn. 53 ff., jeweils m.w.n., 78bedarf es einer solchen erweiternden auslegung im arbeitsverhältnis nicht, da derartige konstellationen über die grundsätze der betriebsrisikolehre zu lösen sind (§ 615 satz 3 bgb). 79vgl. schwarze, in: staudinger, bgb, neubearbeitung 2020, § 326 rn. c56. 80dessen ungeachtet ist nicht ersichtlich, dass die klägerin durch vertragliche oder gesetzliche regelungen einer besonderen risikoübernahme unterliegt. 81der gläubiger ist allein oder weit überwiegend verantwortlich i.s.d. § 326 abs. 2 satz 1 var. 1 bgb, wenn unter heranziehung des rechtsgedankens des § 254 bgb eine verantwortungsquote von 90% vorliegt. 82vgl. z.b.: herresthal, in: beckogk, bgb, 1. juni 2019, § 326 rn. 187, m.w.n.; stadler, in: jauernig, bgb, 18. auflage 2021, § 326 rn. 14; dauner-lieb, in: nk-bgb, 4. auflage 2021, § 326 rn. 13; vgl. auch bt-drs. 14/6040, 187: vielmehr muss der gläubiger zumindest „weit“ überwiegend für die entstehung des rücktrittsgrundes mit verantwortlich sein. damit soll ein grad der mitverantwortung umschrieben werden, der über § 254 auch einen schadensersatzanspruch ausschließen würde; a.m. grüneberg, in: grüneberg, bgb, 81. auflage 2022, § 326 rn. 9 und § 254 rn. 64. 83eine eigene (mindestens) weit überwiegende verantwortlichkeit der klägerin ist nicht gegeben, weder bezüglich des ansteckungsverdachts ihres arbeitnehmers noch bezüglich des erheblichen ausbruchsgeschehens auf dem betriebsgelände der firma u. in rheda-wiedenbrück. zwar hat es von der klägerin zu verantwortende verstöße gegen arbeitsschutzregeln gegeben (1.). dass die klägerin damit jedoch weit überwiegend verantwortlich sein könnte, ist nicht ersichtlich (2.). 84(1.) die klägerin hat gegen arbeitsschutzpflichten verstoßen. 85(a.) nach den der kammer zum entscheidungszeitpunkt vorliegenden erkenntnissen sind der klägerin im hier maßgeblichen zeitraum verstöße gegen ihre arbeitsschutzrechtlichen pflichten vorzuwerfen. 86maßgeblich für die beurteilung etwaiger verstöße ist aus sicht der kammer der zeitraum ab mitte mai 2020. denn eine am 7. mai 2020 vom mags veranlasse reihentestung auf das coronavirus in allen schlachtbetrieben nordrhein-westfalens, 87vgl. bericht für den ausschuss arbeit, gesundheit und soziales des landtags nordrhein-westfalens „sars-cov-2/covid-19 ausbruchsgeschehen in schlachtbetrieben“, 13. mai 2020, abrufbar unter: https://www.landtag.nrw.de/portal/www/dokumentenarchiv/dokument/mmv17-3441.pdf, 88hat nur vereinzelt positive befunde (4 von 6.289) unter den auf dem betriebsgelände der firma u. tätigen personen (im wesentlichen wohl vom 11. mai bis zum 18. mai 2020) ergeben. diese mit dem coronavirus infizierten personen waren nicht in die fleischverarbeitung involviert und wurden als wahrscheinlich voneinander unabhängig beurteilt. 89vgl. so: f3. /c. , u.a. „sars-cov-2 outbreak investigation in a german meat processing plant“, preprint vom 23. juli 2020, abrufbar unter: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3654517, und update vom 6. oktober 2020 (peer reviewed), abrufbar unter: https://www.embopress.org/doi/full/10.15252/emmm.202013296; vgl. auch: f. u.a., hygienisch-medizinische risikoeinschätzung und maßnahmen zur prävention und kontrolle von covid-19-infektionen bei der firma u. in rheda-wiedenbrück zur unterstützung der abteilung gesundheit des kreises gütersloh, 28. juli 2020. 90erst danach kam es zu dem hier maßgeblichen ausbruchsgeschehen. 91gemäß § 618 abs. 1 bgb hat der dienstberechtigte räume, vorrichtungen oder gerätschaften, die er zur verrichtung der dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und dienstleistungen, die unter seiner anordnung oder seiner leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der verpflichtete gegen gefahr für leben und gesundheit soweit geschützt ist, als die natur der dienstleistung es gestattet. 92der inhalt der fürsorgepflichten, die dem arbeitgeber nach § 618 bgb im hinblick auf die sicherheit und das leben der arbeitnehmer obliegen, wird dabei durch die öffentlich-rechtlichen arbeitsschutznormen konkretisiert, insbesondere durch das arbeitsschutzgesetz. sie transformieren dabei den technischen arbeitsschutz in den arbeitsvertrag. 93vgl. bag, urteil vom 12. august 2008 - 9 azr 1117/06 -, juris rn. 13; oetker, in: staudinger, bgb, neubearbeitung 2019, § 618 rn. 14. 94nach § 3 abs. 1 satz 1 arbschg ist der arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen maßnahmen des arbeitsschutzes unter berücksichtigung der umstände zu treffen, die sicherheit und gesundheit der beschäftigten bei der arbeit beeinflussen. zur planung und durchführung der maßnahmen nach absatz 1 hat der arbeitgeber unter berücksichtigung der art der tätigkeiten und der zahl der beschäftigten 1. für eine geeignete organisation zu sorgen und die erforderlichen mittel bereitzustellen sowie 2. vorkehrungen zu treffen, dass die maßnahmen erforderlichenfalls bei allen tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen führungsstrukturen beachtet werden und die beschäftigten ihren mitwirkungspflichten nachkommen können (absatz 2). 95gemäß § 5 abs. 1 arbschg hat der arbeitgeber durch eine beurteilung der für die beschäftigten mit ihrer arbeit verbundenen gefährdung zu ermitteln, welche maßnahmen des arbeitsschutzes erforderlich sind. des weiteren hat der arbeitgeber die beschäftigten über sicherheit und gesundheitsschutz bei der arbeit während ihrer arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen (§ 12 abs. 1 satz 1 arbschg). die klägerin war dabei durch den einsatz ihrer mitarbeiter auf dem (fremden) betriebsgelände der firma u. nicht von ihren arbeitsschutzrechtlichen pflichten entbunden. 96vgl. oetker, in: staudinger, bgb, neubearbeitung 2019, § 618 rn. 95, m.w.n.; wiebauer, arbeitsschutz in fremdfirmen, in: zfa 2014, 49 f.; vgl. auch z.b. § 2 nr. 5, 6 und 9 werkvertrag. 97werden beschäftigte mehrerer arbeitgeber an einem arbeitsplatz tätig, sind die arbeitgeber nach § 8 abs. 1 arbschg verpflichtet, bei der durchführung der sicherheits- und gesundheitsschutzbestimmungen zusammenzuarbeiten (satz 1). soweit dies für die sicherheit und den gesundheitsschutz der beschäftigten bei der arbeit erforderlich ist, haben die arbeitgeber je nach art der tätigkeiten insbesondere sich gegenseitig und ihre beschäftigten über die mit den arbeiten verbundenen gefahren für sicherheit und gesundheit der beschäftigten zu unterrichten und maßnahmen zur verhütung dieser gefahren abzustimmen (satz 2). 98im hinblick auf die coronapandemie hatte das bundesministerium für arbeit und soziales (bmas) am 20. april 2020 die sog. sars-cov-2 arbeitsschutzstandards (iiib4-34503) festgelegt. dabei handelt es sich zwar nicht um ein verbindliches regelwerk. es ist aber bei der ermittlung der vom arbeitgeber zu beachtenden schutzpflichten einzubeziehen. 99vgl. z.b. wilrich, der sars-cov-2 arbeitsschutzstandard des bmas, nza 2020, 634 (637). 100dies berücksichtigend ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die klägerin sich ihrer arbeitsschutzrechtlichen pflichten bewusst war und maßnahmen zum schutz ihrer beschäftigten ergriffen hat. sie hat sich nach eigenem bekunden an die vorgaben der firma u. gehalten, ihre mitarbeiter entsprechend informiert und diese zur einhaltung der vorgaben angehalten. für die kontrolle der schutzmaßnahmen im bestellerbetrieb waren eigene betriebsleiter der klägerin zuständig. dass diese angaben unrichtig sind, ist nicht ersichtlich. insoweit hat auch der zeuge n. erklärt, dass er und seine kollegen u.a. von der klägerin über einzuhaltende hygieneregeln unterrichtet worden seien. schriftliche belehrungen seien ihm, auch in seiner muttersprache rumänisch, mehrfach ausgehändigt worden. zudem habe es vor ort von mitarbeitern der firma u. entsprechende instruktionen gegeben, was die behauptung der klägerin über ihre einbeziehung in das hygienekonzept der firma u. stützt. in diesem sinne ist - auch dem beklagten land aus anderen verfahren - bekannt, dass der „corona-krisenstab“ der firma u. unter der leitung von herrn e. b. die erarbeiteten schutzmaßnahmen u.a. auch an die betriebs- und abteilungsleiter der „dienstleister“ weitergegeben hat. die beteiligung ist im übrigen offenkundig notwendig gewesen, weil die klägerin im rahmen des mit der firma u. geschlossenen werkvertrages die räumlichkeiten - inklusive z.b. der kantine oder der sanitärräume, dazu sogleich unter (2.) - und betriebsmittel der bestellerin genutzt hat. in diesem rahmen hat es insbesondere auch die erforderliche gefährdungsbeurteilung gegeben, da das von den betriebs- und werksleitern an den jeweiligen standorten umzusetzende hygienekonzept zur corona-risiko-minimierung vom 12. mai 2020, das in der folgezeit mehrfach angepasst worden ist, u.a. auf der „ergänzung der gefährdungsbeurteilung im sinne des sars-cov-2 arbeitsschutzstandards, branche: fleischwirtschaft“ der berufsgenossenschaft nahrungsmittel und gastgewerbe (bgn) vom 29. april 2020 basiert. sofern davon ausgegangen wird, dass § 8 abs. 1 arbschg auch eine koordinierung der klägerin mit den anderen werkvertragspartnern und dienstleistern der firma u. verlangt, die auf dem gelände ebenfalls arbeitnehmer eingesetzt haben, ist dies jedenfalls mittelbar über die abstimmung mit der firma u. erfolgt. 101nach der vernehmung des arbeitnehmers n. geht die kammer jedoch davon aus, dass nicht alle schutzmaßnahmen konsequent um- bzw. durchgesetzt wurden. so wurden insbesondere das abstandsgebot bzw. schutzalternativen wie das anbringen von abtrennungen oder das tragen einer ffp2-maske nicht eingehalten (vgl. nr. 1 sars-cov-2 arbeitsschutzstandards i.v.m. der ergänzung der gefährdungsbeurteilung für die fleischwirtschaftsbranche sowie die vorgaben zur verhaltensweise in den produktionsbereichen des hygienekonzepts zur corona-risiko-minimierung). der zeuge hat dazu erklärt, dass er vor dem hier maßgeblichen ausbruchsgeschehen im juni 2020 am band „lachse“ im bereich „zerlegung von schweinen“ nur einen abstand von etwa 1 meter zum nächsten kollegen eingehalten habe, nach der absonderung seien diese abstände deutlich vergrößert und die anzahl der mitarbeiter am band reduziert worden. aus der von f3. /h. erstellten „hygienisch-medizinischen risikoeinschätzung und maßnahmen zur prävention und kontrolle von covid-19-infektionen bei der firma u. in rheda-wiedenbrück zur unterstützung der abteilung gesundheit des kreises gütersloh“ vom 27. juli 2020 ergibt sich zudem, dass keine barrieren zwischen den mitarbeitern der schweinezerlegung zur verhinderung einer direkten tröpfcheninfektion etabliert waren und das tragen von ffp2-masken mit der dort verrichteten schweren körperlichen arbeit nicht vereinbar war. 102(b.) darüber hinaus fehlt es an konkreten anhaltspunkten dafür, dass von der klägerin weitere gesundheits- und arbeitsschutzvorschriften verletzt worden sind. 103dies gilt insbesondere für pflichtverletzungen im zusammenhang mit der kantinennutzung. belegt werden solche jedenfalls nicht durch ein im juni 2020 bei youtube eingestelltes video (https://www.youtube.com/watch?v=hqagacah_v0), das eine vollbesetzte kantine auf dem betriebsgelände der firma u. zeigen soll. das video hat aus sicht der kammer keinerlei beweiswert. es ist schon gar nicht klar, wann diese aufnahme erstellt worden ist. zudem lässt sich nicht feststellen, ob mitarbeiter der klägerin zu sehen sind oder diese die kantine in dem hier relevanten zeitraum unter verstoß gegen das abstandsgebot genutzt haben. auch die aussage des zeugen n. , der in der mündlichen verhandlung angegeben hat, die aufenthaltsräume während der pausen gemeinsam mit beschäftigten anderer unternehmen genutzt zu haben, indiziert keinen verstoß gegen die corona(arbeits-)schutzmaßnahmen. vorgesehen war ausweislich des hygienekonzepts vom 12. mai 2020 (und bereits zuvor) nämlich eine trennung der abteilungen bzw. unterabteilungen in der kantine und im übrigen während der pausen außerhalb der kantine die einhaltung von sicherheitsabständen bzw. im falle des fehlenden sicherheitsabstands das tragen einer mund-nase-bedeckung. 104anhaltspunkte für pflichtverstöße im zusammenhang mit der unterbringung des arbeitnehmers n. oder der weiteren mitarbeiter der klägerin liegen der kammer nicht vor. solche verstöße hat das beklagte land auch weder im bescheid vom 20. januar 2021 behauptet, denn dort wird nur ausgeführt, dass die klägerin „beim einsatz“ ihres arbeitnehmers „gesundheits- und arbeitsschutzvorschriften, insbesondere hygienevorgaben“ verletzt habe, noch hat sie solche vorwürfe im klageverfahren erhoben, da sie auch in diesem rahmen nur auf verstöße im betrieblichen umfeld verweist. dass es im juni 2020 entsprechende ermittlungen der aufsichtsbehörden bei von der klägerin z.b. vermieteten wohnungen oder betriebenen sammelunterkünften gegeben hat, 105vgl. zu entsprechenden ermittlungen in coesfeld und rheda-wiedenbrück z.b.: ausschuss für arbeit, gesundheit und soziales, ausschussprotokoll apr 17/1065 vom 25. juni 2020, s. 6 f., 106auf deren ergebnisse nunmehr zurückgegriffen werden könnte, ist weder bekannt noch vom beklagten land, dem die staatliche arbeitsschutzverwaltung obliegt, vorgetragen worden. die kammer hat - ungeachtet dessen - aber auch keine anhaltspunkte für zurechenbare pflichtverletzungen der klägerin, insbesondere mit blick auf die in § 618 abs. 2 bgb, § 36 ifsg oder § 576 bgb geregelten vorgaben. eine verantwortlichkeit der klägerin für die wohnverhältnisse des herrn n1. scheidet schon deshalb aus, weil er sich nach seinen glaubhaften ausführungen in der mündlichen verhandlung die wohnung unter der adresse t.--------straße in rheda-wiedenbrück selbst im internet gesucht hat. die klägerin hat ihm nicht bei der wohnungssuche geholfen. sie ist nach eigenen angaben auch nicht vermieterin der wohnung gewesen. soweit die klägerin nach ihren bekundungen an (andere) mitarbeiter wohnungen vermittelt oder diesen personen im hier relevanten zeitraum wohnungen zur verfügung gestellt hat, mag sie dafür zwar im sinne der vorbenannten normen verantwortlich sein. hinweise auf mit der (erhöhten) verbreitung des coronavirus relevante pflichtverletzungen ihrerseits liegen aber nicht vor. die kammer sieht sich daher nicht veranlasst, weitere ermittlungen von amts wegen durchzuführen. in diesem zusammenhang weist die kammer - wegen des in der allgemeinverfügungen des kreises gütersloh vom 18. und 20. juni 2020 enthaltenen hinweises auf eine weiterverbreitung des coronavirus in gemeinsamen unterkünften der auf dem betriebsgelände der firma u. beschäftigten - vorsorglich darauf hin, dass gemeinsames wohnen mit nahkontakten - was im mai/juni 2020 bereits bekannt war - zur verbreitung des coronavirus führt bzw. geführt hat, und dies auch ohne relevante verstöße gegen spezielle coronaschutzmaßnahmen. zudem erhöht nicht jeder „hygieneverstoß“ im wohnumfeld das verbreitungsrisiko des virus. zuletzt lässt der umstand, dass v.a. in der presse immer wieder von unzumutbaren unterbringungsbedingungen ausländischer arbeitnehmer „in der fleischwirtschaft“ berichtet wird, weder im sinne eines anscheinsweises auf eine derartige pflichtverletzung der klägerin (als ein damals in der fleischverarbeitungsbranche tätiges unternehmen) schließen noch wird damit ein relevanter verursachungsbeitrag der etwaigen pflichtverletzung am erhöhten infektionsrisiko belegt. 107auch der klägerin zurechenbare verstöße gegen schutzmaßnahmen im rahmen der von ihr organisierten transporte ihrer mitarbeiter zwischen wohnung und betriebsstätte der firma u. sind weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen worden. zwar ist davon auszugehen, dass sie derartige fahrten organisiert und die fahrzeuge zur verfügung gestellt hat. allerdings ist eine zurechnung etwaiger verstöße zweifelhaft. zum einen deshalb, weil ihre arbeitnehmer für diese „serviceleistung“ offenbar kein entgelt entrichtet haben bzw. keinen abzug vom arbeitslohn hinnehmen mussten. zum anderen sind die fahrer offenbar auch „nur“ mitarbeiter gewesen, die z.b. „mit am band“ gearbeitet haben, was eher für den charakter einer fahrgemeinschaft spricht. ungeachtet dieser zurechnungsproblematik sind auch keine relevanten pflichtverstöße der klägerin in diesem zusammenhang zu erkennen. nr. 4 sars-cov-2 arbeitsschutzstandards sah insoweit (u.a.) vor, dass auch bei arbeitsbezogenen kontakten außerhalb der betriebsstätte „soweit wie möglich abstände von mindestens 1,5 m einzuhalten“ waren. es sollten bei den fahrten „kleine, feste teams“ gebildet werden, um wechselnde kontakte zu vermeiden, und die fahrzeuge regelmäßig gereinigt werden. zwar ist unter berücksichtigung der zeugenaussage des arbeitnehmers n. davon auszugehen, dass die mitarbeiter der klägerin in den von ihr zur verfügung gestellten kleinbussen diesen mindestabstand nicht eingehalten haben. dies gilt trotz der einschätzung des zeugen, wonach aus seiner sicht die abstände wegen der reduzierten fahrgastzahl ausreichend gewesen seien. jedenfalls aber hat der zeuge glaubhaft bekundet, dass er in den von der klägerin organisierten transporten - wie angeordnet - eine maske getragen habe. hierbei handelt es sich um eine im mai/juni 2020 übliche alternativmaßnahme. 108(2.) die danach festgestellten verstöße gegen arbeitsschutzvorschriften führen nicht zu einer alleinigen oder weit überwiegenden verantwortlichkeit der klägerin, weder für das ausbruchsgeschehen am betriebsstandort der firma u. , noch für den individuellen ansteckungsverdacht des arbeitnehmers n. . das ausbruchsgeschehen bei der firma u. wurde maßgeblich durch umstände beeinflusst (a.), auf die die klägerin selbst keinen einfluss hatte bzw. haben konnte (b.). weitere mögliche ursachenbeiträge führen zu keinem anderen ergebnis ((c.) bis (g.)). 109(a.) nach den gegenwärtigen erkenntnissen gab es auf dem betriebsgelände der firma u. ein erstes (kleineres) ausbruchsgeschehen ab dem 19. mai 2020 in der zerlegung. die daraufhin angestellten untersuchungen, an denen die firma u. jedenfalls durch die ermöglichung von betriebsbegehungen und durch zur verfügung gestellte unterlagen beteiligt war, weisen darauf hin, dass die umgebungsbedingungen in der anlage, einschließlich niedriger temperatur, geringer luftaustauschraten und ständiger umwälzung der luft, zusammen mit relativ geringen abständen zwischen den arbeitern und der anstrengenden körperlichen arbeit eine ungünstige mischung aus faktoren darstellt, die eine effiziente aerosolübertragung von sars-cov-2-partikeln begünstigen. dagegen spielen die unterbringung der mitarbeiter in gemeinschaftsunterkünften sowie fahrgemeinschaften keine (große) rolle während der ersten phase des ausbruchs. es ist nach den ergebnissen der untersuchungen sehr wahrscheinlich, dass die erwähnten ungünstigen faktoren für die seit beginn der coronapandemie eingetretenen ausbrüche auch in anderen fleischverarbeitungsbetrieben verantwortlich sind. die analysen deuten ferner darauf hin, dass es durch eine potenziell kontinuierliche übertragung unter den mitarbeitern zum zweiten - hier relevanten - großen ausbruch im juni 2020 gekommen ist. nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch von den mitarbeitern gemeinsam genutzte wohnräume sowie fahrgemeinschaften zur arbeitsstelle zur virusverbreitung beigetragen haben. 110vgl. dazu: f3. /c. , u.a. „sars-cov-2 outbreak investigation in a german meat processing plant“, preprint vom 23. juli 2020, abrufbar unter: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3654517, und update vom 6. oktober 2020 (peer reviewed), abrufbar unter: https://www.embopress.org/doi/full/10.15252/emmm.202013296; vgl. auch: f3. u.a., hygienisch-medizinische risikoeinschätzung und maßnahmen zur prävention und kontrolle von covid-19-infektionen bei der firma u. in rheda-wiedenbrück zur unterstützung der abteilung gesundheit des kreises gütersloh, 28. juli 2020. 111nach diesen feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die oben festgestellten verstöße der klägerin eine überwiegende verantwortlichkeit i.s.v. § 326 abs. 2 satz 1 var. 1 bgb (mindestens 90 %) begründen. es ist vielmehr davon auszugehen, dass die lüftungsbedingungen in der betriebsstätte einen maßgeblichen anteil an der weitreichenden verbreitung des virus unter den auf dem betriebsgelände tätigen personen hatten, der jedenfalls über 10 % lag. 112(b.) hinsichtlich dieser offenbar branchenüblichen produktionsbedingungen in der fleisch- und fischverarbeitung, 113vgl. dazu: „discussion“ bei f3. /c. , u.a. „sars-cov-2 outbreak investigation in a german meat processing plant“, preprint vom 23. juli 2020, abrufbar unter: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3654517, und update vom 6. oktober 2020 (peer reviewed), abrufbar unter: https://www.embopress.org/doi/full/10.15252/emmm.202013296, 114trifft die klägerin kein verschulden, insbesondere nicht über eine zurechnung nach § 278 bgb. zwar dürfte die firma u. bezüglich der insoweit bestehenden arbeitsschutzpflicht ihr erfüllungsgehilfe gewesen sein, ein verschulden kann jedoch nicht festgestellt werden. 115bezüglich der im rahmen des on-site werkvertrages überlassenen räumlichkeiten (betriebsstätte) und betriebsmittel dürfte die firma u. als bestellerin insbesondere mit blick auf die für die klägerin bestehenden pflichten zum gesundheitsschutz ihrer beschäftigten bei der arbeit (vgl. § 1 abs. 1 arbschg) als erfüllungsgehilfe i.s.d. § 278 bgb tätig geworden sein. 116nach § 278 satz 1 bgb hat der schuldner u.a. ein verschulden der personen, deren er sich zur erfüllung seiner verbindlichkeit bedient, in gleichem umfang zu vertreten wie eigenes verschulden. ein solcher erfüllungsgehilfe ist, wer nach den tatsächlichen gegebenheiten des falles mit dem willen des schuldners bei der erfüllung einer diesem obliegenden verbindlichkeit als dessen hilfsperson tätig wird. 117vgl. bgh, urteil vom 3. mai 2011 - xi zr 373/08 -, juris rn. 24, m.w.n. 118entscheidend ist dabei der wille der klägerin als schuldnerin der arbeitsschutzrechtlichen pflichten gegenüber ihren arbeitnehmern. nicht erforderlich ist, dass der schuldner eine entsprechende willenserklärung gegenüber dem gläubiger oder der hilfsperson abgibt. es genügt, dass er den willen, die hilfsperson an der erfüllung seiner verbindlichkeit mitwirken zu lassen, tatsächlich hat. entscheidend ist auch nicht, dass der gehilfe weiß, dass eine verbindlichkeit des geschäftsherrn bestand oder dass er durch sein handeln eine verbindlichkeit des geschäftsherrn erfüllte. 119vgl. caspers, in: staudinger, bgb, neubearbeitung 2019, § 278 rn. 18 ff., m.w.n. 120von einem derartigen willen dürfte hier auszugehen sein. die klägerin und die firma u. haben in ihrem werkvertrag vereinbart, dass die bestellerin die räume und wesentliche teile der betriebsmittel zur verfügung stellt (§ 2 nr. 1 werkvertrag). dabei gingen die vertragsparteien selbstverständlich davon aus, dass die klägerin sich zur erfüllung der werkvertraglichen verpflichtung eigener arbeitnehmer bedienen wird (vgl. nur § 1 nr. 2 und 3, § 2 nr. 6 bis 10 werkvertrag), die auch kantine, pausenräume oder sanitäranlagen der bestellerin genutzt haben. 121vgl. dazu auch: f1. u.a., hygienisch-medizinische risikoeinschätzung und maßnahmen zur prävention und kontrolle von covid-19-infektionen bei der firma u. in rheda-wiedenbrück zur unterstützung der abteilung gesundheit des kreises gütersloh, 28. juli 2020, s. 17. 122zwar unterlagen die arbeitnehmer der klägerin - wie im werkvertrag üblich - grundsätzlich nicht den weisungen der bestellerin (§ 1 nr. 3 werkvertrag), eine einschränkung wurde aber bezüglich der hier relevanten weisungen des hygienebeauftragen der firma u. vereinbart (§ 2 nr. 5 werkvertrag), was aufgrund der nutzung der betriebsräume (u.a.) auch erforderlich erscheint. gleichzeitig verpflichtete sich die klägerin gegenüber der firma u. , die deutschen arbeitsschutzvorschriften einzuhalten (vgl. z.b. § 2 nr. 6 werkvertrag). unter diesen umständen dürfte die klägerin jedenfalls den willen gehabt haben, sich der firma u. und ihrer erfüllungsgehilfen hinsichtlich des gesundheitsschutzes zu gunsten ihrer arbeitnehmer bezüglich der ihr überlassenen räumlichkeiten und arbeitsmittel zu bedienen. 123vgl. bgh, urteil vom 6. april 1995 - vii zr 36/94 -, juris rn. 12; henssler, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2020, § 618 rn. 100; oetker, in: staudinger, bgb, neubearbeitung 2019, § 618 rn. 95 m.w.n.; a.a. wiebauer, arbeitsschutz im fremdbetrieb, in: zfa 2014, 29 (54 ff.). 124ein relevanter verschuldensvorwurf hinsichtlich der lüftungsbedingungen in der betriebsstätte trifft die klägerin und ihre bestellerin aber nicht. 125dass die belüftungssituation eine - wesentliche - ursache der erheblichen „infektionsgeneigtheit“ der betrieblichen umgebung war, war nach den zum zeitpunkt des ausbruchsgeschehens vorliegenden wissenschaftlichen erkenntnissen für die firma u. - und damit erst recht für die klägerin - jedenfalls nicht in der weise vorhersehbar, die eine angemessene reaktion ermöglicht hätte. bereits ein fahrlässigkeitsvorwurf scheidet deshalb aus. 126nach § 4 abs. nr. 3 arbschg hat der arbeitgeber bei maßnahmen des arbeitsschutzes den stand von technik, arbeitsmedizin und hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche erkenntnisse zu berücksichtigen. stand der technik, arbeitsmedizin und hygiene meint dabei den entwicklungsstand fortschrittlicher verfahren, der die praktische eignung einer maßnahme zum gesundheitsschutz gesichert erscheinen lässt. 127vgl. kohte, in: kollmer/klindt/schucht, arbeitsschutzgesetz, 4. auflage 2021, § 4 rn. 14 und 16, m.w.n. zur verallgemeinerung dieser in § 2 abs. 15 gefstoffv und § 2 abs. 10 betrsichv enthaltenen definition. 128gesicherte arbeitswissenschaftliche erkenntnisse liegen vor, wenn sie methodisch abgesichert sind und von einer überwiegenden meinung der beteiligten fachkreise zugrunde gelegt werden. 129vgl. kohte, in: kollmer/klindt/schucht, arbeitsschutzgesetz, 4. auflage 2021, § 4 rn. 19; roloff, in; erfurter kommentar zum arbeitsrecht, arbschg, 22. auflage 2022, § 4 rn. 3; siehe auch bag, beschluss vom 13. august 2019 - 1 abr 6/18 -, juris rn. 63. 130vor diesem hintergrund ist der firma u. wegen des dynamischen wissenschaftlichen erkenntnisgewinns hinsichtlich des coronavirus sars-cov-2, welcher der kammer aus eigener spruchpraxis bekannt ist, kein arbeitsschutzrechtlicher fahrlässigkeitsverstoßes i.s.v. § 278 bgb bezüglich der belüftungssituation in den hier maßgeblichen betriebsräumen vorzuwerfen. 131dass es in der fleischindustrie zu erheblichen ausbruchsgeschehen kommen kann, musste der firma u. spätestens nach dem ausbruch bei der großschlachterei x.......... in coesfeld, 132vgl. dazu z.b.: lebensmittelpraxis, x.........., mitarbeiter mit corona infiziert, 6. mai 2020, abrufbar unter: https://lebensmittelpraxis.de/industrie-aktuell/27263-westfleisch-mitarbeiter-mit-corona-infiziert-2020-05-06-11-02-24.html, 133und in einem von x. betriebenen fleisch-zerlegebetrieb in dissen jeweils im mai 2020 bekannt gewesen sein. 134vgl. dazu z.b.: rundschau für den lebensmittelhandel, x. : weiterer standort von corona-infektionen betroffen, 18. mai 2020, abrufbar unter: https://www.rundschau.de/artikel/westfleisch-weiterer-standort-von-corona-infektionen-betroffen. 135der ausbruch in coesfeld hat dann auch zu der vom mags veranlassten und - bereits erwähnten - reihentestung im betrieb der firma u. geführt. 136im zuge des - nach abschluss der reihentestung beginnenden - ersten, kleineren ausbruchsgeschehens mitte mai 2020 bei der firma u. , welches bereits am 2. juni 2020 durch prof. dr. c1. auf dem betriebsgelände untersucht wurde, konnte nach dem betrieblichen hygienekonzept vom 10. juni 2020 offensichtlich auch die erkenntnis gewonnen werden, dass die „klimatischen bedingungen in den produktionsräumen der zerlegung eine übertragung zu begünstigen [scheinen]“. aus dieser wagen erkenntnis jedoch unmittelbar konkrete handlungsgebote ableiten zu wollen, überspannt die dargelegten arbeitsschutzrechtlichen anforderungen. denn nicht einmal diese - zumindest mit unterstützung der firma u. stattfindende - initiale wissenschaftliche untersuchung der infektionsgeneigtheit in der fleischindustrie war zu diesem zeitpunkt abgeschlossen. die studienergebnisse wurden erst im juli 2020 auf dem preprint-server veröffentlicht und hatten zu dieser zeit auch noch kein peer-review-verfahren durchlaufen, waren also noch nicht von anderen unabhängigen wissenschaftlern geprüft worden. von der firma u. konnte bei der erfüllung der arbeitsschutzrechtlichen pflichten nicht verlangt werden, den insoweit maßgeblichen wissenschaftlichen erkenntnisgewinn vorherzusehen und im vorgriff auf etwaige ergebnisse konkrete handlungen vorzunehmen. 137vgl. dazu auch: mags nrw, protokoll des behördentreffens zwischen mags nrw, bezirksregierung detmold, kreis gütersloh und stadt rheda-wiedenbrück mit vertretern der unternehmensgruppe u. am 26. april 2021 zum thema antrag auf aufhebung von ordnungsverfügungen seitens der unternehmensgruppe u. , in dem festgehalten worden ist: „mit blick auf die rechtliche einordnung stellt herr m....... fest, dass die unternehmensgruppe u. deutliche ausstrahlung in die bevölkerung habe, struktur und situation gingen deutlich über den schutz der arbeitnehmer hinaus. hier sei die zielrichtung der maßnahmen auch der bevölkerungsschutz. seinerzeit waren beim ausbruch im unternehmen zwei kreise unter quarantäne gestellt worden. inzwischen sei wohl anzunehmen, dass dem unternehmen u. kein schuldhafter vorwurf zu machen sei, sondern vordringlich die unbekannte aerosolproblematik zum ausbruch führte.“; vgl. zudem: ausschuss für arbeit, gesundheit und soziales, ausschussprotokoll apr 17/1065 vom 25. juni 2020: „sts dr. f2. i. (mags): [...] es ist dann sofort die zusammenarbeit mit professor f1. in bonn und mit fachleuten vom rki gesucht worden, die sich bei der ursachensuche vor allem mit der frage der belüftung befasst haben. die spekulation oder das, was man vorab in erwägung gezogen hat und nun auch definitiv überprüfen will, ist, ob die aerosolbelastung - also nicht die tröpfchenbelastung, für die ja die 1,5-m-abstandsregelung und der mundschutz gelten, sondern die schwebstoffe in der luft - neben der tröpfchenbelastung eine wesentliche rolle bei einem solchen infektionsgeschehen spielen kann. dazu sind fragen zu beantworten, die wissenschaftlich noch nicht definitiv beantwortet sind, beispielsweise wie lange die viren als aerosole in diesem schwebezustand verbleiben können, wie die luftverteilung in dem zerlegebetrieb aussieht. die leute arbeiten dort bei einer temperatur von 8 bis 10 grad. die luft wird in einem umluftsystem auf diese 8 bis 10 grad gekühlt. durch diese kühlung - wer einmal in einem zerlegebetrieb war, der weiß, dass die schlangen oben unter der decke hängen - wird die luft zugleich breit verteilt.“ 138dies gilt insbesondere vor dem hintergrund, dass unmittelbar vor dem bzw. im zuge des ersten ausbruchsgeschehens zweimal die einhaltung der sars-cov-2 arbeitsschutzstandards des bmas auf dem betriebsgelände von der zuständigen bezirksregierung detmold kontrolliert wurde. bei der ersten überprüfung aller abteilungen und bereiche des schlachthofes am 15. mai 2020, 139vgl. anhörungsschreiben der bezirksregierung detmold vom 18. mai 2020 zur arbeitsschutz - besichtigung am 15. mai 2020: „bei der begehung wurden alle abteilungen und bereiche des schlachthofes besichtigt, inklusive der von der u. gmbh und u. m. gmbh & co. kg genutzten räumlichkeiten.“ 140wurden mängel hinsichtlich der umsetzung des - im einklang mit den arbeitsschutzstandards - stehenden hygienekonzepts, 141vgl. anhörungsschreiben der bezirksregierung detmold vom 18. mai 2020 zur arbeitsschutz - besichtigung am 15. mai 2020: „die bmas sars-cov-2 arbeitsschutzstandards sind der firma bekannt und werden berücksichtigt. […] grundlage für all diese maßnahmen ist das von der firma u. erstellte „hygienekonzept zur corona-risiko-minimierung“ (siehe anhang). in diesem konzept, das sich im absoluten einklang mit den arbeitsschutzstandards des bmas befindet, werden alle maßnahmen zusammengefasst, die zum coronaschutz in der firma umgesetzt werden sollen. […]“. 142festgestellt, insbesondere hinsichtlich des tragens einer mund-nasen-bedeckung und mangelnden abstands in der kantine. 143vgl. aktenvermerk der bezirksregierung detmold vom 16. mai 2020 und anhörungsschreiben der bezirksregierung detmold vom 18. mai 2020 zur arbeitsschutz - besichtigung am 15. mai 2020. 144ein verstoß bezüglich der belüftungssituation wurde nicht festgestellt, zumal auch nr. 3 sars-cov-2 arbeitsschutzstandards zu diesem zeitpunkt davon ausging, dass das übertragungsrisiko über raumlufttechnische anlagen insgesamt als gering einzustufen sei. ebenso sieht die „ergänzung der gefährdungsbeurteilung im sinne des sars-cov-2 arbeitsschutzstandards, branche: fleischwirtschaft“ der bng vom 29. april 2020 insoweit nur eine wartung und reinigung der lüftungsanlagen bzw. raumlufttechnischen anlagen durch eine fachfirma in den erforderlichen intervallen vor. 145nach fristgerechter unternehmensseitiger erläuterung der im rahmen der begehung am 15. mai 2020 erörterten aspekte kam es am 29. mai 2020 zu einer erneuten unangekündigten behördlichen kontrolle der betriebsbereiche, in denen nach auffassung der bezirksregierung detmold zuvor zum teil gravierende mängel in bezug auf die sars-cov-2 arbeitsschutzstandards festgestellt worden waren. zusammenfassend kam die bezirksregierung zu dem ergebnis, dass die vormals aufgezeigten mängel beseitigt oder zumindest soweit beseitigt wurden, dass die sars-cov2 arbeitsschutzstandards eingehalten sind. da auch weitere verbesserungen hinsichtlich der kantine bereits in planung waren, wurde vom erlass weiterer arbeitsschutzrechtlicher maßnahmen seitens der bezirksregierung abgesehen. 146vgl. aktenvermerk der bezirksregierung detmold vom 29. mai 2020. 147wurde die belüftungssituation danach schon von der zuständigen aufsichtsbehörde nicht als arbeitsschutzrechtlich problematisch angesehen, konnte dies erst recht nicht von der firma u. erwartet werden. gleichwohl hatte die firma u. dem kreis gütersloh noch am 16. juni 2020 mitgeteilt, auch in dieser hinsicht - im hinblick auf den noch nicht definitiven wissenschaftlichen erkenntnisgewinn - weitere maßnahmen (u.a. einbau einer uvc-luftentkeimung, erhöhung des luftaustausch, mobile belüftungssysteme zur erhöhung der frischluftzufuhr) ergriffen zu haben. 148(c.) eine überwiegende verantwortlichkeit der klägerin ist auch nicht durch andere, ihr ggf. zurechenbare verstöße der firma u. gegeben. zwar mag man nach den feststellungen der bezirksregierung detmold bei der betriebsbegehung am 15. mai 2020 davon ausgehen, dass das hygienekonzept insbesondere hinsichtlich der abstands- und maskenpflicht nicht vollständig durchgesetzt wurde. diese verstöße führen jedoch - ebenso wie der arbeitsschutzrechtliche verstoß der klägerin selbst - nicht dazu, die mitursächliche belüftungssituation in der für § 326 abs. 2 satz 1 var. 1 bgb erforderlichen weise zu negieren. dies gilt auch dann, wenn die verstöße der firma u. und die der klägerin gemeinsam betrachtet werden. 149soweit das beklagte land meint, zu dem ausbruchsgeschehen im juni 2020 konnte es nur wegen der am 15. mai 2020 festgestellten verstöße kommen, ist dem entgegenzuhalten, dass unter berücksichtigung der vorliegenden erkenntnisse ein fehlerhaftes coronamanagement auf dem betriebsgelände der firma u. nicht erkennbar ist. die vom mags im mai 2020 veranlasste reihentestung hat lediglich „vereinzelt“ positive befunde hervorgebracht. etwaige verstöße gegen coronavirusbezogene arbeitsschutzvorschriften haben offenbar keine konsequenzen gehabt. der positivfall, der letztlich als initiator des ersten ausbruchsgeschehens im mai 2020 gilt, wurde entsprechend der damaligen vorgaben des robert-koch-instituts zunächst als kontaktperson mit geringem infektionsrisiko eingestuft und nach positiver testung am 20. mai 2020 im häuslichen umfeld separiert. entsprechendes gilt für den zweiten in diesem zusammenhang entdeckten positivfall. nachdem eine daran anschließende reihentestung der kollegen der frühschicht in der rinderzerlegung am 25. mai 2020 im folgenden weitere positive befunde hervorgebracht hatte, haben auch diese sich am 27. mai 2020 in häusliche absonderung begeben. probleme, diese mitarbeiter wegen fehlender adressen ausfindig zu machen, hat es (jedenfalls zu diesem zeitpunkt) nicht gegeben. durch weitere testungen des gesundheitsamts wurden infektionen in verschiedenen bereichen des werks identifiziert und letztlich ein ausbruch in der schweinezerlegung am 9. juni 2020 festgestellt. die studienergebnisse deuten letztlich auf ein anhaltendes, sich weiterverbreitendes ausbruchsgeschehen mit einem übergang vom ersten ausbruch im mai zum zweiten größeren ausbruch im juni 2020. gemeinsames wohnen und fahrgemeinschaften der beschäftigten sind dabei auch faktoren für die weiterverbreitung gewesen. 150vgl. f1. /c. , u.a. „sars-cov-2 outbreak investigation in a german meat processing plant“, preprint vom 23. juli 2020, abrufbar unter: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3654517, und update vom 6. oktober 2020 (peer reviewed), abrufbar unter: https://www.embopress.org/doi/full/10.15252/emmm.202013296; vgl. auch: f1. u.a., hygienisch-medizinische risikoeinschätzung und maßnahmen zur prävention und kontrolle von covid-19-infektionen bei der firma u. in rheda-wiedenbrück zur unterstützung der abteilung gesundheit des kreises gütersloh, 28. juli 2020; robert koch institut, kontaktpersonennachverfolgung bei respiratorischen erkrankungen durch das coronavirus, stand: 16. april 2020; ausschuss für arbeit, gesundheit und soziales, ausschussprotokoll apr 17/1065 vom 25. juni 2020, s. 12 f. 151dass die festgestellten verstöße, insbesondere gegen die abstands- und maskenpflicht, aber die entscheidende ursache für den hier maßgeblichen ausbruch waren, kann nicht festgestellt werden. entsprechende belege oder indizien (an die eine weitere gerichtliche aufklärung anknüpfen könnte) wurden auch nicht vom beklagten land geliefert, das mit hilfe der bezirksregierung die arbeitsschutzverwaltung durchführt und damit über die notwendigen informationen verfügen müsste. 152vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass etwaige verstöße gegen coronaschutz- und hygienemaßnahmen der firma u. oder der u. unternehmensgruppe mit blick auf die etwaige unterbringung oder den transport ihrer mitarbeiter der klägerin schon nicht zurechenbar sind. 153(d.) zu einem anderen ergebnis gelangt die kammer auch dann nicht, wenn etwaige arbeitsschutzverstöße anderer auf dem betriebsgelände der firma u. tätigen subunternehmern in die würdigung des verschuldensbeitrags einbezogen würden. diese unternehmen sind keine erfüllungsgehilfen der klägerin bezüglich der ihr obliegenden arbeitsschutzrechtlichen pflichten. für deren etwaiges fehlverhalten hat sie nicht einzustehen. für die annahme, die klägerin habe den insoweit erforderlichen willen gehabt, diese unternehmen bei der erfüllung des arbeitsschutzes bezüglich der eigenen mitarbeiter einzubeziehen, fehlt es mangels vertraglicher oder anderer rechtlicher verknüpfungen an jedweden anhaltspunkten. ohne solche wird man der klägerin einen entsprechenden willen auch nicht unterstellen können, da ihr keinerlei einflussmöglichkeiten zur auswahl der weiteren mit der firma u. verbundenen subunternehmen auf dem betriebsgelände zustehen und sie im zweifel auch keine kenntnis über diese unternehmen hat. 154unabhängig von der frage, ob andere subunternehmen als erfüllungsgehilfen der firma u. wiederrum die arbeitsschutzrechtlichen pflichten der klägerin miterfüllen und dieser etwaige verstöße zuzurechnen sein könnten, kommt es auch dann nicht zu einer überwiegenden verantwortlichkeit i.s.v. § 326 abs. 2 satz 1 var. 1 bgb. als erfüllungsgehilfen des erfüllungsgehilfen kommen diese unternehmen von vornherein nur in betracht, soweit ihr verhalten in den betriebsräumen der firma u. in rede steht. denn nur diesbezüglich besteht nach den obigen ausführungen der wille der klägerin, die firma u. in ihre arbeitsschutzrechtliche verantwortung miteinzubeziehen. soweit die anderen subunternehmer bei sonstigen gelegenheiten - etwa im rahmen der unterbringung oder des transports ihrer arbeitnehmer - arbeitsschutzpflichten verletzt haben, berühren diese verstöße das von der klägerin begehrte schützende verhalten durch die firma u. auf deren betriebsgelände nicht. allein die betriebsstätte betrachtet ist jedoch - wie oben bereits dargelegt - der verursachungsbeitrag durch die belüftungssituation derart gewichtig, dass selbst bei zurechnung etwaiger dort begangener verstöße der anderen werkvertragsunternehmen keine überwiegende verantwortlichkeit i.s.v. § 326 abs. 2 satz 1 var. 1 bgb gegeben wäre. 155dass aufgrund der aufgezeigten zersplitterung der arbeitsschutzrechtlichen verantwortlichkeiten bei den sogenannten on-site-werkverträgen allenfalls über die einschränkungen des § 278 bgb eine verantwortlichkeit der werkunternehmer untereinander zu begründen ist, mag im hinblick auf die durchsetzung der arbeitnehmer(schutz)rechte zu missbilligen sein. dies rechtfertigt jedoch kein anderes ergebnis, da nicht zu erkennen ist, dass die klägerin oder die firma u. zum zeitpunkt des ausbruchsgeschehens bei der gestaltung der arbeitsabläufe mit solchen werkverträgen den rahmen der rechtsordnung verlassen hätte. denn der politische wille zu einschränkungen des einsatzes von fremdpersonal in der fleischwirtschaft wurde mit § 6a des gesetzes zur sicherung von arbeitnehmerrechten in der fleischwirtschaft (gsa fleisch) erst mit wirkung zum 1. januar 2021 gefunden, obwohl die auswirkungen derartiger verträge bereits lange zuvor bekannt gewesen sind. 156vgl. zimmer, in: das verbot des fremdpersonaleinsatzes in der fleisch-wirtschaft und dessen anwendungsbereich, nza 2022, 4, u.a. mit bezug-nahme auf mags nrw, überwachungsaktion, „faire arbeit in der fleischindustrie“, abschlussbericht, dezember 2019, abrufbar unter: https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/191220_abschlussbericht_fleischindustrie_druckdatei.pdf. 157(e.) anders als das beklagte land meint, bietet auch die größe des infektionsgeschehens als solches keine hinreichend belastenden anhaltspunkte für die annahme eines weit überwiegenden pflichtenverstoßes der klägerin. die ausführungen zu den lüftungsbedingungen in der betriebsstätte belegen, dass ein nach damaligen erkenntnissen aufgestelltes hygienekonzept nicht ausreichend war, um die verbreitung des coronavirus unter den mitarbeitern zu verhindern. im übrigen gab es weltweit ausbrüche dieser art, die jedenfalls mit blick auf die ermittelte rate von positivfällen mit dem hier streitgegenständlichen geschehen vergleichbar waren. 158(f.) steht danach fest, dass die unmöglichkeit jedenfalls zu einem nicht unerheblichen teil nicht durch die klägerin oder ihr zurechenbare personen, sondern durch zufällige umstände verursacht wurde, verbleibt es nach § 326 bgb hinsichtlich der primärleistungspflicht bei dem synallagmatischen grundsatz - ohne leistung keine gegenleistung (§ 326 abs. 1 bgb). 159vgl. olg münchen, urteil vom 7. august 2015 - 25 u 546/15 -, juris rn. 35 ff.; schwarze, in: staudinger, bgb, neubearbeitung 2020, § 326 rn. c6 160(g.) ohne dass es nach den obigen ausführungen für den ausgang des verfahrens darauf ankäme, sei darauf hingewiesen, dass im übrigen völlig unklar ist, ob und in welchem ausmaß etwaige eigene bzw. der klägerin zurechenbare arbeitsschutzverstöße kausal für den ansteckungsverdacht des arbeitnehmers bzw. das stattgefundene infektionsgeschehen gewesen sind. 161vgl. zu diesem erfordernis im rahmen des § 326 abs. 2 satz 1 var. 1 bgb vgl. schwarze, in: staudinger, bgb, neubearbeitung 2020, § 326 rn. c6 und c16. 162bb. ein lohnfortzahlungsanspruch des herrn n. gegen die klägerin besteht auch nicht unter dem gesichtspunkt eines annahmeverzugs (§§ 293 ff. bgb) der klägerin gemäß § 326 abs. 2 satz 1 var. 2 bgb, § 615 satz 1 bgb oder § 615 satz 3 bgb. 163nach § 326 abs. 2 satz 1 var. 2 bgb behält der arbeitnehmer den anspruch auf lohnfortzahlung, wenn der von ihm nicht zu vertretene umstand, auf grund dessen er nach § 275 abs. 1 bis 3 bgb nicht zu leisten braucht, zu einer zeit eintritt, zu welcher der arbeitgeber im verzug der annahme ist. 164speziell für arbeitsverträge (u.a.) regelt § 615 satz 1 bgb, dass der arbeitnehmer, wenn der arbeitgeber mit der annahme der dienste in verzug kommt, für die infolge des verzugs nicht geleisteten dienste die vereinbarte vergütung verlangen kann, ohne zur nachleistung verpflichtet zu sein. 165satz 3 des § 615 bgb bestimmt zudem, dass u.a. satz 1 entsprechend in den fällen gilt, in denen der arbeitgeber das risiko des arbeitsausfalls trägt. 166alle drei vorschriften sind im vorliegenden fall im grundsatz anwendbar, da sie zwischen der klägerin und herrn n. nicht abbedungen wurden. 167ungeachtet der frage, nach welchen kriterien § 326 abs. 1 satz 1 var. 2 bgb, § 615 satz 1 bgb und § 615 satz 3 bgb im einzelnen voneinander abzugrenzen sind, 168vgl. dazu z.b. bag, urteil vom 13. oktober 2021 - 5 azr 211/21 -, juris rn. 14 ff.; henssler, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2020, § 615 rn. 8, m.w.n.; fischinger/straub, ohne arbeit kein lohn?, in: jus 2016, 208 (209), 169verlangen alle drei vorschriften grundsätzlich einen annahmeverzug des arbeitgebers. 170ein solcher erfordert jedenfalls, dass der arbeitnehmer während des gesamten verzugszeitraums leistungsbereit, d.h. leistungsfähig und leistungswillig, ist (§ 297 bgb). der annahmeverzug des arbeitgebers endet für die zukunft (ex-nunc), wenn eine dieser voraussetzungen fortfällt. unerheblich ist dabei die ursache für die leistungsunfähigkeit des arbeitnehmers. das unvermögen kann auf tatsächlichen umständen (wie z.b. arbeitsunfähigkeit) beruhen oder seine ursache im rechtlichen haben, etwa wenn ein gesetzliches beschäftigungsverbot besteht oder eine erforderliche erlaubnis für das ausüben der geschuldeten tätigkeit fehlt. 171vgl. z.b. bag, urteil vom 28. september 2016 - 5 azr 224/16 -, juris rn. 23; henssler, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2020, § 615 rn. 31; joussen, in: beckok arbeitsrecht, bgb, 62. edition, 1. dezember 2021, § 615 rn. 7; krause, in: henssler/willemsen/kalb, arbeitsrecht kommentar, bgb, 9. auflage 2020, § 615 rn. 68. 172das grundsätzliche erfordernis des annahmeverzugs ergibt sich für § 326 abs. 2 satz 1 var. 2 bgb - als regelung des allgemeinen schuldrechts - und für § 615 satz 1 bgb - als arbeitsrechtliche norm, die den lohnfortzahlungszahlung im falle der leistungsstörung bei realisierung des wirtschaftsrisikos betrifft -, 173vgl. dazu: preis, in: erfurter kommentar zum arbeitsrecht, bgb, 22. auflage 2022, § 615 rn. 121 a.e.; waas/palonka, in: däubler/hjort/schubert/wolmerath, arbeitsrecht, bgb, 4. auflage 2017, § 615 rn. 33, 174bereits aus dem eindeutigen gesetzeswortlaut. die wohl vorherrschende - arbeitsrechtliche - auffassung nimmt dieses erfordernis ebenfalls bei anwendung des als rechtsgrundverweisung ausgestalteten § 615 satz 3 bgb an. dem arbeitsfähigen und arbeitswilligen arbeitnehmer bleibt im falle der annahmeunmöglichkeit der vergütungsanspruch aufrechterhalten, wenn der arbeitgeber das risiko des arbeitsausfalls trägt. 175vgl. z.b.: bag, urteil vom 13. oktober 2021 - 5 azr 211/21 -, juris rn. 20; linck, in: schaub, arbeitsrechts-handbuch, 19. auflage 2021, § 101 rn. 6; tillmanns, in: münchener handbuch zum arbeitsrecht, 5. auflage 2021, § 76 rn. 82; henssler, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2020, § 615 rn. 97; krause, in: henssler/willemsen/kalb, arbeitsrecht kommentar, bgb, 9. auflage 2020, § 615 rn. 121; weidenkaff, in: grüneberg, bgb, 81. auflage 2022, § 615 rn. 21: leistungsfähiger und leistungsbereiter arbeitnehmer erforderlich; jedenfalls zur anwendbarkeit von § 297 bgb (leistungsfähigkeit) bei betriebsrisikofällen: gräf/rögele: zusammentreffen von betriebs- und wegerisiko, in: nza 2013, 1120, 1123; a.m. dagegen: preis, in: erfurter kommentar zum arbeitsrecht, bgb, 22. auflage 2022, 615 rn. 122; preis/mazurek/schmid, rechtsfragen der entgeltfortzahlung in der pandemie, in: nza 2020, 1137 (1144). 176nur der leistungsfähige und leistungswillige arbeitnehmer hat im doppelten sinne des wortes das entgelt „verdient“. 177vgl. linck, in: schaub, arbeitsrechts-handbuch, 19. auflage 2021, § 101 rn. 12. 178die voraussetzungen des annahmeverzugs liegen nicht vor. der arbeitnehmer n. war im hier maßgeblichen zeitraum vom 18. juni bis zum 30. juni 2020 wegen der behördlichen anordnungen zur häuslichen absonderung nicht leistungsfähig. die arbeit war im juni 2020 - grundsätzlich - in rheda-wiedenbrück auf dem firmengelände der firma u. geschuldet (vgl. § 1 abs. 1 satz 2 arbeitsvertrag und § 2 abs. 1 satz 1 werkvertrag). er hatte offenkundig keine möglichkeit, die geschuldete tätigkeit als fleischer in der eigenen häuslichkeit (homeoffice) zu erbringen. 179(1.) diesem ergebnis steht nicht entgegen, dass gegenüber der u. & co. kg mit mündlicher verfügung des kreises gütersloh vom 17. juni 2020, schriftlich bestätigt am 10. august 2020, der betriebsstandort „j. , 33378 rheda-wiedenbrück“ der unternehmensgruppe u. (betriebsstandort) mit sofortiger wirkung geschlossen worden ist (betriebsschließung) und alle nicht ausnahmsweise zugelassenen betrieblichen tätigkeiten auf dem betriebsstandort untersagt worden sind. gegenüber der klägerin, deren unternehmenssitz sich unter der adresse „f.-----weg 5 in 33378 rheda-wiedenbrück“ befindet, also nicht am betriebsstandort der unternehmensgruppe u. , ist keine schließungsanordnung ergangen. die verfügung des kreises gütersloh vom 17. juni 2020 war auch nicht an sie gerichtet. dass ihr gegenüber eine entsprechende anordnung ergangen ist, ist weder ersichtlich noch von den beteiligten - mit entsprechenden belegen - geltend gemacht worden. 180auch der umstand, dass die klägerin im rahmen eines on-site-werkvertrags in der zeit vom 1. februar 2020 bis zum 31. juli 2020 verpflichtet war, am betriebsstandort der firma u. (vgl. § 2 nr. 1 werkvertrag) in einem auftragsvolumen von 1.451.500 euro im leistungsverzeichnis näher aufgelistete fleischteilstücke und zerlegenebenprodukte herzustellen, ändert nichts. aufgabengebiet und arbeitsort des arbeitnehmers n. waren ausweislich § 1 arbeitsvertrag nicht auf eine tätigkeit als fleischer am betriebsstandort der firma u. unter der adresse „j. in 33378 rheda-wiedenbrück“ beschränkt. der tätigkeitsort wurde zwar zum zeitpunkt des vertragsschlusses („derzeit“) auf rheda-wiedenbrück begrenzt. dies schließt aber einen (auch kurzfristigen) einsatz als schlachter in einem anderen (auch kleinen) betrieb (insbesondere schlachterei) innerhalb der stadt nicht aus. überdies - und das dürfte entscheidend sein - konnte die klägerin den arbeitnehmer ausweislich der vertraglichen regelungen auch aus betrieblichen gründen unter wahrung der interessen des arbeitnehmers an einem anderen ort einsetzen und diesem aus den vorbenannten gründen eine andere, gleichwertige tätigkeit oder ein anderes arbeitsgebiet übertragen. dass diese überlegungen eher theoretisch sind, ist dem umstand geschuldet, dass ein derartiger einsatz wegen der häuslichen absonderung schon nicht in frage kam. 181(2.) des weiteren ist die klägerin nicht wegen des grundsatzes von treu und glauben gehindert, sich auf die leistungsunfähigkeit ihres arbeitnehmers n. zu berufen. zwar wird vertreten, dass derartiges dem gläubiger nach § 242 bgb verwehrt sei, wenn er die leistungsunfähigkeit seines schuldners herbeigeführt habe. 182vgl. grüneberg, in: grüneberg, bgb, 81. auflage 2022, § 297 rn. 2; ernst, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2019, § 297 rn. 2; feldmann, in: staudinger, bgb, neubearbeitung 2019, § 297 rn. 2. 183diese auffassung ist im grundsatz aber abzulehnen, weil dadurch ein wertungswiderspruch zu § 326 abs. 2 satz 1 var. 1 bgb entsteht, der - wie dargelegt - eine lohnfortzahlung nur bei alleinigem oder weit überwiegendem verschulden des gläubigers vorsieht. 184vgl. dötterl, in: beckogk, bgb, 15. juli 2021, § 297 rn. 7; vgl. auch: lag düsseldorf, urteil vom 12. juli 1976 - 16 (3) sa 340/75 -, in: db 77, 547 f. 185ein solcher verschuldensbeitrag ist ausweislich der ausführungen zu § 326 abs. 2 satz 1 var. 1 bgb gerade nicht gegeben. 186zudem würde eine haftung auf sekundärebene nach verschuldensbeiträgen, die im rahmen der prüfung eines lohnfortzahlungsanspruchs wegen fehlender anwendbarkeit des § 254 bgb keine berücksichtigung finden könnten, unterlaufen. 187vgl. zur anwendbarkeit des § 254 bgb: henssler, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2020, § 615 rn. 1. 188der klägerin ist es auch nicht wegen der umstände des einzelfalls verwehrt, 189vgl. bag, urteil vom 16. märz 1967 - 2 azr 64/66 -, juris rn. 22, 190sich auf die leistungsunfähigkeit des herrn n. zu berufen. ein missbräuchliches verhalten, 191vgl. dazu z.b.: schubert, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2019, § 242 rn. 199 ff., 192ist unter berücksichtigung der ausführungen zu § 326 abs. 2 satz 1 var. 1 bgb nicht zu erkennen. die aufgezeigten sorgfaltspflichtverletzungen genügen insoweit nicht. 193(3.) schließlich muss - speziell - § 615 satz 3 bgb in ansehung der entscheidung des oberlandesgerichts hamm, 194olg hamm, urteil vom 29. oktober 2021 - 11 u 60/21 -, juris, 195mit blick auf das erfordernis einer leistungsfähigkeit des arbeitnehmers nicht einschränkend ausgelegt werden. das oberlandesgericht hamm geht in seiner entscheidung - in der es um den verdienstanspruch eines lizenzfußballspielers im zeitraum seiner coronabedingten absonderungsverpflichtung wegen ansteckungsverdachts geht - davon aus, dass sich die dortige klägerin als betreiberin der lizenzspielerabteilung nicht auf das aus der absonderung folgende unvermögen zum erbringen der im arbeitsvertrag an sich vorgesehenen arbeitsleistung ihres spielers berufen könne, da dieses gerade aus ihrer sphäre stamme, nämlich dem ihren unternehmerischen interessen dienenden mannschaftsbezogenen spiel- und trainingsbetrieb, der die grundlage für den ansteckungsverdacht gebildet habe. 196vgl. olg hamm, urteil vom 29. oktober 2021 - 11 u 60/21 -, juris rn. 20; und zur vorinstanz: lg münster, urteil vom 15. april 2021 - 8 o 345/20 -, juris rn. 2. 197der übertragung dieser rechtsprechung auf den streitgegenständlichen sachverhalt stehen mehrere gründe entgehen. zunächst setzt die anwendbarkeit des § 615 satz 3 bgb grundsätzlich voraus, dass sich das betriebsrisiko der klägerin realisiert hat; dies ist vorliegend nicht der fall (a.). zudem dürfte die unmöglichkeit der leistungsverhinderung - als weiteres ungeschriebenes tatbestandsmerkmal - weder vom arbeitgeber noch vom arbeitnehmer zu vertreten sein; auch diese voraussetzung, auf die nicht im wege der auslegung verzichtet werden kann, ist nicht erfüllt (b.). zuletzt mag die vorbenannte wertung des olg hamm anhand der risikosphären von arbeitgeber und arbeitnehmer zwar einem allgemeinen billigkeitsgefühl entsprechen. ihr steht aber entgegen, dass die betriebsrisikolehre mit blick auf die andauernde coronapandemie gefahr läuft, überstrapaziert zu werden (c.). 198(a.) voraussetzung des lohnfortzahlungsanspruchs nach § 615 satz 3 i.v.m. satz 1 bgb ist jedenfalls, dass die arbeit infolge eines umstandes ausfällt, für den der arbeitgeber das risiko (sog. betriebsrisiko) trägt. 199vgl. bag, urteil vom 9. juli 2008 - 5 azr 810/07 -, juris rn. 13; olg hamm, urteil vom 29. oktober 2021 - 11 u 60/21 -, juris rn. 17 ff.; vg karlsruhe, urteil vom 10. mai 2021 - 9 k 67/21 -, juris rn. 69. 200das betriebsrisiko betrifft die frage, ob der arbeitgeber zur lohnzahlung verpflichtet ist, wenn er zur beschäftigung der belegschaft aus betriebstechnischen gründen nicht imstande ist. zum betriebsrisiko gehören die mit der entscheidungsbefugnis des arbeitgebers im zusammenhang stehenden und die führung des betriebs betreffenden ereignisse. die feststellung, in wessen gefahrenkreis das störende ereignis fällt, hat in erster linie nach dem gesichtspunkt von treu und glauben unter berücksichtigung aller umstände des einzelfalles zu erfolgen. 201vgl. z.b. preis, in: erfurter kommentar zum arbeitsrecht, bgb, 22. auflage 2022, § 615 rn. 120; eckart/kruse, in: beckok, infektionsschutzrecht, ifsg, 10. edition, 15. januar 2022, § 56 rn. 37.3; henssler, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2019, § 615 rn. 96; bag, urteil vom 30. mai 1963 - 5 azr 282/62 -, juris rn. 8; olg hamm, urteil vom 29 oktober 2021 - 11 u 60/21 -, juris rn. 18; vg karlsruhe, urteil vom 10. mai 2021 - 9 k 67/21 -, juris rn. 57. 202in abgrenzung zum betriebsrisiko ist das wirtschaftsrisiko betroffen, das im falle der leistungsstörung nach § 615 satz 1 bgb in direkter anwendung zu behandeln wäre, wenn die arbeitsleistung zwar möglich, für den arbeitgeber aber nicht verwertbar ist. 203vgl. preis, in: erfurter kommentar zum arbeitsrecht, bgb, 22. auflage 2022, § 615 rn. 120; henssler, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2019, § 615 rn. 98. 204dies vorangestellt ist, anders als das olg hamm meint, eine wegen eines ansteckungsverdachts mit dem coronavirus ergangene absonderungsverfügung nicht als betriebsbezogen i.s.d. § 615 satz 3 bgb zu werten. dies gilt auch dann nicht, wenn der ansteckungsverdacht aus dem für das unternehmen notwendigen spiel- oder trainingsbetrieb, kundenkontakten oder produktionsbedingungen resultiert. 205der betriebsrisikolehre liegen in der überwiegenden anzahl der fälle betriebliche störungen, ein versagen der betriebsmittel oder aus der besonderen art des betriebs bedingte verbote zu grunde. dies schließt zwar nicht grundsätzlich aus, einwirkungen aus der betrieblichen sphäre auf die arbeitnehmer als personelle mittel miteinzubeziehen. 206vgl. preis, in: erfurter kommentar zum arbeitsrecht, bgb, 22. auflage 2022, § 615 rn. 131 f., 132i. 207dies dürfte jedoch eher den fall betreffen, in denen eine mittelbare betroffenheit des personals vorliegt, weil z.b. ein arbeitnehmer etwa auf die (mit-)arbeit eines anderen kollegen angewiesen ist. 208anders liegt der fall aber bei der hier streitgegenständlichen infektionsrechtlichen absonderungsverfügung, bei der es sich - auch im falle einer allgemeinverfügung -, 209vgl. dazu z.b. hohenstatt/krois, lohnrisiko und entgeltfortzahlung während der corona-pandemie, in: nza 2020, 413 (415). 210um einen in der person des arbeitnehmers liegenden verhinderungsgrund i.s.v. § 616 satz 1 bgb handelt, 211vgl. dazu im einzelnen: vg minden, urteil vom 26. januar 2022 - 7a k 877/21 -, nrwe, 212was einer anwendbarkeit des § 615 satz 3 bgb entgegensteht. 213vgl. bieder, in: beckogk, bgb, 1. februar 2020, § 616 rn. 16: zu den für § 616 satz 1 bgb unerheblichen objektiven leistungshindernissen gehören deshalb regelmäßig solche sachverhaltsgestaltungen, in denen entweder der arbeitgeber nach § 615 satz 3 das betriebsrisiko oder umgekehrt sein vertragspartner nach allgemeinen grundsätzen das arbeitskampf- oder wegerisiko zu tragen hat, und a.a.o. fn. 59: deshalb fallen z.b. behördliche betriebsverbote oder zerstörungen des arbeitsplatzes nicht unter § 616 bgb; oetker, in: staudinger, neubearbeitung 2019, bgb, § 616 rn. 80: des weiteren zählen behördliche betriebsverbote, landestrauer, smog-alarm, vernichtung des arbeitsplatzes (brand etc) und verkehrshindernisse (verkehrsstau, ausfall der nahverkehrsmittel, demonstrationen, flugverbot) zu den allgemeinen (objektiven) leistungshindernissen; vg koblenz, urteil vom 10. mai 2021 - 3 k 107/21.ko -, juris rn. 25: nicht erfasst sind demgegenüber objektive leistungshindernisse, die betriebsbezogen sind und sich auf einen größeren kreis von arbeitnehmern beziehen. 214dass der grund des leistungshindernisses (hier: ansteckungsverdacht als vom arbeitnehmer ausgehendes infektionsrisiko) in der betrieblichen sphäre begründet wurde (hier: ausbruchsgeschehen im betrieb), ändert daran nichts. die gegenteilige sichtweise würde zu einer überschneidung mit dem anwendungsbereich des § 616 satz 1 bgb führen, der bei in der person des arbeitnehmers liegenden verhinderungsgründen - anders als § 615 satz 3 bgb - eine zeitliche haftungsgrenze (“verhältnismäßig nicht erhebliche zeit“) des arbeitgebers vorsieht. 215des weiteren würde eine über § 615 satz 1 i.v.m. satz 3 bgb angeordnete lohnfortzahlungspflicht bei einem subjektivem leistungshindernis in der person des arbeitnehmers, welches auf betriebliche umstände zurückzuführen ist, besondere gesetzgeberische wertungen umgehen. namentlich gilt dies für die besonderen regelungen zu arbeitsunfällen - insbesondere die regelungen zur krankheitsbedingten arbeitsunfähigkeit nach § 3 efzg und zum verletztenentgelt in §§ 45 ff. sgb vii. erfasst man das subjektive leistungshindernis der absonderung bei betriebsbedingten ursachen als betriebsrisiko, müsste man dies ohne weiteres auch für eine krankheitsbedingte arbeitsunfähigkeit wegen eines arbeitsunfalls (§ 8 abs. 1 sgb vii) annehmen. in diesem fall soll nach den wertungen des § 3 efzg der arbeitgeber für sechs wochen das arbeitsentgelt fortzahlen - wenn ansonsten die dortigen tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere die entsprechende vorbeschäftigungszeit (§ 3 abs. 3 efzg) und kein verschulden des arbeitnehmers - vorliegen. 216vgl. feddern, in: kasseler kommentar sozialversicherungsrecht, sgb vii, 116. el september 2021, § 45 rn. 12. 217anschließend erfolgt der ersatz des verdienstausfalls durch die zahlung eines verletztengeldes nach §§ 45 ff. sgb vii. 218zu dieser ersatzfunktion des verletztengeldes vgl.: bsg, urteil vom 26. juni 2007 - b 2 u 23/06 r -, juris rn. 14 ff. 219zahlungspflichtig ist dabei aber nicht der arbeitgeber, sondern der versicherungsträger (§ 114 sgb vii). der arbeitgeber soll dabei lediglich über seine versicherungsbeiträge an der aufbringung der erforderlichen mittel beteiligt werden (§§ 150 ff. sgb vii). dieses differenzierte haftungsregime würde konterkariert, wenn die auf einem arbeitsunfall beruhende, krankheitsbedingte arbeitsunfähigkeit als betriebsrisikos aufgefasst würde, das in der rechtsfolge grundsätzlich nur eine zeitlich unbefristete haftung des arbeitgebers selbst kennt. kann dieses „musterbeispiel“ eines sich auf subjektiver arbeitnehmerseite verwirklichenden betriebsrisikos daher schon nicht unter § 615 satz 3 bgb subsumiert werden, muss dies erst recht für das - abgesehen von zeiten einer pandemie wohl eher seltene - subjektive leistungshindernis der häuslichen absonderung gelten. 220dieser ansicht kann nicht entgegen gehalten werden, dass der arbeitnehmer mangels entsprechender ersatzregelungen für andere betrieblich begründete, aber in seiner person liegende gründe der arbeitsunfähigkeit im hinblick auf seinen verdienstausfall schutzlos gestellt würde. unabhängig davon, dass derartige erwägungen bei der beantwortung der frage, ob ein betriebsrisiko vorliegt, nicht von bedeutung sind, 221vgl. bag, urteil vom 13. oktober 2021 - 5 azr 211/21 -, juris rn. 34, 222sieht die rechtsordnung in § 616 bgb für solche nicht speziell geregelten subjektiven leistungshindernisse - ungeachtet des umstandes, ob diese aus der betrieblichen sphäre stammen oder nicht - grundsätzlich zumindest einen zeitlich begrenzten lohnfortzahlungsanspruch vor. im hinblick auf das hier maßgebliche subjektive leistungshindernis der absonderung hat der gesetzgeber im übrigen mit den entschädigungsregeln der §§ 56 ff. ifsg reagiert. die gesetzgeberische entscheidung, den arbeitgeber - im gegensatz zur betriebsbedingten arbeitsunfähigkeit durch krankheit - bei betriebsbedingter absonderung abseits der allgemeinen zivilrechtlichen regelungen aus der haftung für das arbeitsentgelt vollständig zu entlassen und das entgeltrisiko über die §§ 56 ff. ifsg letztlich der allgemeinheit aufzuerlegen, ist dabei zu respektieren. 223diese abgrenzung von betriebsrisiko einerseits und subjektivem leistungshindernis andererseits steht nicht im widerspruch zu den ausführungen des bundesarbeitsgerichts, 224bag, urteil vom 13. oktober 2021 - 5 azr 211/21 -, juris rn. 33, 225wonach der arbeitgeber zur lohnfortzahlung nach § 615 satz 3 i.v.m. satz 1 bgb verpflichtet ist, wenn eine behördliche maßnahme darauf abzielt, einem im betrieb des arbeitgebers angelegten besonderen risiko zu begegnen, etwa, weil die vom arbeitgeber gewählten produktionsmethoden oder -bedingungen oder von ihm zu verantwortende arbeitsbedingungen (wie z.b. in teilen der fleischwirtschaft und bei saisonkräften in der landwirtschaft) eine besonders hohe ansteckungsgefahr innerhalb der belegschaft in sich bergen. 226zum einen befasst sich das gericht gar nicht mit der frage der behördlichen absonderung oder gar eines zusammentreffens von absonderung und anordnung einer betriebsschließung. zum anderen wurde vorliegend - wie dargelegt - gegen die klägerin keine betriebsschließung verfügt. die an die u. & co. kg verfügte schließungsverfügung des standortes „j. in 33378 rheda-wiedenbrück“ betrifft nur das verwendungs- bzw. wirtschaftsrisiko der klägerin, da der einsatz ihres arbeitnehmers in einem fremdbetrieb wegen einer dort angesiedelten betriebsstörung nicht möglich ist. 227vgl. auch: bag, urteile vom 1. februar 1973 - 5 azr 382/72 -, juris rn 27, und vom 7. november 1975 - 5 azr 61/75 -, juris rn. 18 f.; preis, in: erfurter kommentar zum arbeitsrecht, bgb, 22. auflage 2022, § 615 rn. 134; krause, in: henssler/willemsen/kalb, arbeitsrecht kommentar, bgb, 9. auflage 2020, § 615 rn. 118; bieder, in: beckogk, bgb, 1. februar 2020, § 615 rn. 108.1; henssler, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2019, § 615 rn. 108. 228schließlich sprechen auch praktische erwägungen - jedenfalls als hilfsüberlegung - dagegen, die coronabedingte absonderung dem betriebsrisiko zuzuordnen. ein aus arbeitsbezogenen kontakten resultierender ansteckungsverdacht entsteht (fälle mit kundenkontakt ausgeklammert) dadurch, dass jedenfalls ein mitarbeiter sich außerhalb des betriebs angesteckt hat und das virus ggf. unter den kollegen weiterverbreitet haben könnte. für diese person hat sich das betriebsrisiko nicht realisiert. handelt es sich bei diesem arbeitnehmer um einen ausscheider (§ 2 nr. 6 ifsg), der ebenfalls unter die hier maßgeblichen regelungen fällt, 229vgl. dazu: vg minden, urteil vom 26. januar 2022 - 7 k 739/21 -, nrwe, 230ist wegen der vollzugsdefizite bei der kontaktpersonennachverfolgung bzw. fehlender sequenzierung oft gar nicht (mehr) feststellbar, wo sich diese person, die krankheitserreger ausscheidet und dadurch eine ansteckungsquelle für die allgemeinheit sein kann, ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein, angesteckt hat - also innerhalb oder außerhalb eines betriebs. eine feststellung, ob sich das betriebsrisiko realisiert hat, dürfte daher in diesen fällen in der praxis kaum möglich sein. 231zwar mag diese erwägung angesichts der vielzahl der von einer absonderungsverfügung betroffenen personen in der vorliegenden konstellation unerheblich klingen. auch mag der m. in der vergangenheit gar nicht so differenziert vorgegangen sein und eine erstattung von aufwendungen bei einer vielzahl von arbeitgebern beanstandungslos geleistet haben. rechtlicher maßstab bei der entscheidung darf diese praxis, die davon abhängt, wie genau ein sachverhalt ermittelt wird, aber nicht sein. dies gilt umso mehr, als dass eine beweislastregel zu gunsten der arbeitgeber immer dann greifen wird, wenn die behörden besonders belastet sind und entsprechende sachverhaltsaufklärungen nicht leisten können. das erscheint aber willkürlich. 232(b.) aber auch wenn man davon ausginge, dass die absonderungsverfügung dem betriebsrisiko der klägerin zuzuordnen wäre, verlangt eine anwendbarkeit des § 615 satz 3 bgb nach einhelliger meinung, dass weder arbeitnehmer noch arbeitgeber die unmöglichkeit der (betriebsbezogenen) leistungsverhinderung zu vertreten haben. 233vgl. z.b.: bag, urteil vom 30. mai 1963 - 5 azr 282/ 62 -, juris rn. 8; linck, in: schaub, arbeitsrechts-handbuch, 19. auflage 2021, § 101 rn. 12; henssler, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2019, § 615 rn. 96; lakies, in: kittner/zwanziger u.a., arbeitsrecht handbuch für die praxis, 9. auflage 2017, § 59 rn. 14. 234dies ist hier aber nicht der fall. dabei kann dahinstehen, ob den arbeitnehmer n. eine verantwortlichkeit am erlass der absonderungsverfügung trifft, weil er mindestabstände von 1,5 metern während der fahrten zur arbeitsstelle und zurück sowie während seiner tätigkeit in der zerlegung nicht immer eingehalten hat. jedenfalls trifft die klägerin - wie dargelegt - eine (wenn auch nicht weit überwiegende) verantwortlichkeit, wegen verstoßes gegen arbeitsschutzvorschriften. 235nach ansicht der kammer kann § 615 satz 3 i.v.m. satz 1 bgb (insbesondere) nicht im wege eines erst-recht-schlusses dahingehend ausgelegt werden, dass der arbeitgeber auch dann zur lohnfortzahlung verpflichtet bleibt, wenn ihn ein verschuldensbeitrag unterhalb der schwelle des alleinigen oder weit überwiegenden verschuldens (i.s.d. § 326 abs. 2 satz 1 var. 1 bgb) trifft. zwar mag es auf den ersten blick nicht sachgerecht erscheinen, wenn diese verantwortlichkeit des arbeitgebers einen lohnfortzahlungsanspruch des arbeitnehmers ausschließt. denn das bedeutet, dass er bei fehlendem verschulden (und realisierung des betriebsrisikos) nach § 615 satz 3 i.v.m. satz 1 bgb zur weiterzahlung verpflichtet wäre und nach § 326 abs. 2 satz 1 var. 1 bgb ebenso bei einer „alleinigen oder weit überwiegenden verantwortlichkeit“ der leistungsunmöglichkeit des arbeitnehmers, nicht hingegen bei vorliegen eines einfachen verschuldensbeitrags. allerdings entstünden durch einen solchen erst-recht-schluss wertungswidersprüche zum allgemeinen schuldrecht. so lässt sich mit blick auf die mit der betriebsrisikolehre verbundenen präventionsanreize und der gesamtwohlfahrtoptimierung, 236vgl. bieder, in: beckogk, bgb, 1. februar 2020, § 615 rn. 114, 237nicht rechtfertigen, dass der vorliegende fall anders zu bewerten ist, als dies nach allgemeinen zivilrechtlichen maßstäben bei mangelnder alleiniger oder überwiegender gläubigerverantwortlichkeit der fall wäre, nach denen es gerade bei dem grundsatz des § 326 abs. 1 bgb (ohne arbeit kein lohn) verbliebe. 238vgl. z.b. olg münchen, urteil vom 7. august 2015 - 25 u 546/15 -, juris rn. 37 f.; vgl. auch: herresthal, in: beckogk, bgb, 1. juni 2019, § 326 rn. 209 ff. 239das bestreben des gesetzgebers mit dem tatbestandsmerkmal der weit überwiegenden verantwortlichkeit des gläubigers in § 326 abs. 2 satz 1 var. 1 bgb die schadensersatz- und rücktrittsregelungen und den wegfall der gegenleistungspflicht zu harmonisieren, 240vgl. herresthal, in: beckogk, bgb, 1. juni 2019, § 326 rn. 187, 241würde durchbrochen. ein interessengerechter ausgleich ließe sich auch nicht durch eine quotelung erreichen. eine anwendung von § 254 bgb scheidet wegen der anrechnungsregelung in satz 2 des § 615 bgb aus. 242vgl. joussen, in: beckok arbeitsrecht, bgb, 62. edition, 1. dezember 2021, § 615 rn. 62, 55; vgl. aber schwarze, in: staudinger, bgb, neubearbeitung 2020, § 326 rn. c6, wonach die lohnzahlungspflicht in höhe des verantwortungsbeitrages bestehen bleibt. 243dagegen entsteht keine schutzlücke, wenn an dem erfordernis fehlenden verschuldens von arbeitgeber und arbeitnehmer festgehalten wird. der arbeitgeber ist - grundsätzlich - zur lohnfortzahlung nach § 616 bgb für einen verhältnismäßig nicht erheblichen zeitraum weiterhin verpflichtet. im übrigen können schadensersatzansprüche des arbeitnehmers gegen den arbeitgeber oder einen sonstigen an der verursachung beteiligten dritten - welche nach § 56 abs. 10 ifsg auch auf das zur gewährung der entschädigung verpflichtete land übergehen würden - einen gerechten ausgleich erwirken. 244(c.) schließlich mag - wenn man zum einen davon ausginge, dass die absonderungsverfügung dem betriebsrisiko der klägerin zuzuordnen wäre und § 615 satz 3 bgb zum anderen ausnahmsweise auch bei einer vom arbeitgeber und ggf. arbeitnehmer verschuldeten leistungsunmöglichkeit anwendbar wäre - die an der risikosphäre von arbeitgeber und arbeitnehmer anknüpfende auslegung des olg hamm (zum erfordernis einer leistungsfähigkeit des arbeitnehmers) einem allgemeinen billigkeitsgefühl entsprechen. ihr steht aber entgegen, dass die betriebsrisikolehre mit blick auf die andauernde coronapandemie gefahr läuft, überstrapaziert zu werden. wenn der arbeitgeber - wie in der entscheidung des olg hamm - für potenziell infektiöse kontakte im rahmen eines gemeinsamen (fußball-)spiel- und trainingsbetriebs zur lohnfortzahlung verpflichtet ist, so müsste dies - anders als in § 616 satz 1 bgb zeitlich unbefristet - auch bei arbeitnehmern gelten, die in besonderen risikobereichen, z.b. mit viel „kundenverkehr“ wie kellner, erzieher und pflegekräfte, eingesetzt werden. darüber hinaus gibt es weitere branchen, wie beispielsweise das baugewerbe, in denen eine zusammenarbeit mehrerer mitarbeiter ohne abstand und wegen körperlicher arbeit zwingend erforderlich erscheint. dieses problem dürfte sich mit blick auf die sich gegenwärtig verbreitende omikron-variante des coronavirus noch verschärfen, weil soziale kontakte wegen der höheren infektiosität der mutation nunmehr noch gefahrenträchtiger erscheinen. 245eine andere sichtweise lässt sich - wiederrum - nicht mit der entscheidung des bundesarbeitsgerichts, 246bag, urteil vom 13. oktober 2021 - 5 azr 211/21 -, juris rn. 33, 247rechtfertigen, wonach behördlich angeordnete betriebsschließungen dem betriebsrisiko zuzuordnen sind, wenn sie darauf abzielen, einem im betrieb des arbeitgebers angelegten besonderen risiko zu begegnen. denn zur frage, ob die weiteren voraussetzungen des lohnfortzahlungsanspruchs nach § 615 satz 3 i.v.m. satz 1 bgb (leistungsfähigkeit des arbeitnehmers, fehlendes verschulden von arbeitnehmer und arbeitgeber) in diesen fällen ausnahmsweise nicht anspruchsbegründend sein sollen, verhalten sich die urteilgründe nicht. im gegenteil, das bag hält in seiner entscheidung an seiner auffassung fest, dass es sich bei § 615 satz 3 bgb um eine rechtsgrundverweisung handelt, mit der folge, dass (nur) dem leistungsfähigen und leistungswilligen arbeitnehmer der vergütungsanspruch verbleibt. 248cc. ein vergütungsanspruch folgt nicht aus § 3 efzg. danach hat ein arbeitnehmer, der durch arbeitsunfähigkeit infolge krankheit an seiner arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein verschulden trifft, anspruch auf entgeltfortzahlung im krankheitsfall durch den arbeitgeber für die zeit der arbeitsunfähigkeit bis zur dauer von sechs wochen. 249ausweislich der insoweit nachvollziehbaren angaben der klägerin war herr n. im streitgegenständlichen zeitraum nicht arbeitsunfähig erkrankt. dieser vortrag wurde auch vom beklagten land nicht durchgreifend in frage gestellt. 250dd. herrn n. stand gegen die klägerin kein anspruch auf lohnfortzahlung nach § 616 satz 1 bgb zu. nach dieser regelung wird der zur dienstleistung verpflichtete des anspruchs auf die vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche zeit durch einen in seiner person liegenden grund ohne sein verschulden an der dienstleistung verhindert wird. 251die voraussetzungen des § 616 satz 1 bgb liegen nicht vor. zwar wurde die regelung zwischen der klägerin und herrn n. nicht abbedungen. es handelt sich bei der absonderung, die für den arbeitnehmer n. als ansteckungsverdächtigten angeordnet worden ist, auch um einen in seiner person liegenden grund. allerdings bestand seine leistungsunfähigkeit nicht für einen nur unerheblichen zeitraum. 252die regelung des § 616 satz 1 bgb wurden zwischen der klägerin und herrn n. nicht im rahmen des vorliegenden arbeitsvertrags abbedungen. die klägerin hat auch weder vorgetragen noch ist anderweitig ersichtlich, dass sich eine unanwendbarkeit z.b. aus tarifvertrag ergeben könnte. 253es handelt sich bei der - streitgegenständlichen - absonderungsanordnung aufgrund eines an das betriebsumfeld des arbeitnehmers begründeten ansteckungsverdachts mit dem sars-cov-2 coronavirus um ein subjektiv persönliches hindernis. 254vgl. dazu im einzelnen: vg minden, urteil vom 26. januar 2022 - 7a k 877/21 -, nrwe. 255allerdings bestand die leistungsunfähigkeit nicht für einen nur unerheblichen zeitraum. 256der arbeitnehmer befand sich vom 18. juni 2020 bis zum 23. juli 2020 in häuslicher absonderung. die absonderung beruhte anfangs auf den allgemeinverfügungen vom 18. juni 2020 und 20. juni 2020 des kreises gütersloh „zur absonderung in sog. häusliche quarantäne“ im zeitraum vom 18. juni 2020 bis zum 2. juli 2021. anschließend ordnete das mags mit allgemeinverfügung vom 1. juli 2020 „zum schutz der bevölkerung vor der verbreitung des coronavirus sars-cov-2 gegenüber im betrieb der firma u. am standort „j. , 33378 rheda-wiedenbrück“ tätigen und mit ihnen in häuslicher gemeinschaft lebenden personen durch ab-sonderung in häuslicher quarantäne“ eine absonderung für den zeitraum vom 3. juli 2020 bis zum 17. juli 2020 an. schließlich verfügte die stadt rheda-wiedenbrück gegenüber dem arbeitnehmer mit verwaltungsakt vom 17. juli 2020 eine häusliche quarantäne bis einschließlich zum 23. juli 2020. 257zunächst ist davon auszugehen, dass bei der beurteilung der dauer des verhinderungsfalls der gesamtzeitraum der absonderung maßgeblich ist. dafür spricht, dass der arbeitnehmer im zeitraum vom 18. juni 2020 bis zum 23. juli 2020 weder gearbeitet hat noch dies hätte tun dürfen (außerhalb seiner wohnung) und die verhinderungen auf derselben ursache beruhen, nämlich einer absonderungsanordnung infolge eines fortbestehenden ansteckungsverdachts. 258vgl. dazu: joussen, in: beckok arbeitsrecht, bgb, 62. edition, 1. dezember 2021, § 616 rn. 49; linck, in: schaub, arbeitsrechts-handbuch, 19. auflage 2021, § 97 rn. 16; besgen/jüngst u.a., in: handbuch betrieb und personal, 248. lieferung 2021, stand: 204. lieferung 05/16, zweites kapitel arbeitsentgelt ohne arbeitsleistung, rn. 272; tillmanns, in: münchener handbuch zum arbeitsrecht, band 1, individualarbeitsrecht i, 5. auflage 2021, § 77 rn. 33; riesenhuber, in: erman, bgb, 16. auflage 2020, § 616 rn. 56, 135 f.; wilke, in: personal-lexikon, 23. edition 2021, persönliche arbeitsverhinderung - mehrere verhinderungszeiten; bieder, in: beckogk, bgb, 1. februar 2020, § 616 rn. 38; henssler, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2020, § 616 rn. 68; krause, in: henssler/willemsen/kalb, arbeitsrecht kommentar, bgb, 9. auflage 2020, § 616 rn. 43; oetker, in: staudinger, bgb, neubearbeitung 2019, § 616 rn. 107 f.; pepping, in: rancke, mutterschutz - elterngeld - elternzeit - betreuungsgeld, bgb, 5. auflage 2018, § 616 rn. 12; waas/palonka, in: däubler/hjort/schubert/wolmerath, arbeitsrecht, bgb, 4. auflage 2017, § 616 rn. 15; vgl. auch bag, urteil vom 12. juli 1989 - 5 azr 377/88 -, juris rn. 27. 259bei einem absonderungszeitraum von 5 wochen handelt es sich um einen erheblichen zeitraum. 260wie der unbestimmte rechtsbegriff der verhältnismäßig nicht erheblichen zeit zu konkretisieren ist, ist umstritten. aus dem wortlaut des § 616 satz 1 bgb „verhältnismäßig“ folgt zunächst, dass eine festlegung auf eine feste tageszahl, 261vgl. zu den in der literatur festgelegten konkretisierungshilfen z.b.: linck, in: schaub, arbeitsrechts-handbuch, 19. auflage 2021, § 97 rn. 14; bieder, in: beckogk, bgb, 1. februar 2020, § 616 rn. 37, 262wegen der verschiedenartigkeit der in betracht kommenden sachverhalte nicht möglich ist. 263vgl. z.b.: vg koblenz, urteil vom 10. mai 2021 - 3 k 107/21.ko -, juris rn. 28; besgen/jüngst u.a., in: handbuch betrieb und personal, 248. lieferung 2021, stand: 204. lieferung 05/16, zweites kapitel arbeitsentgelt ohne arbeitsleistung, rn. 271. 264zudem darf die praktikabilität derartiger richtwerte nicht über ihre fehlende normative verankerung hinwegtäuschen. 265vgl. oetker, in: staudinger, bgb, neubearbeitung 2019, § 616 rn. 106. 266im schrifttum wird im sinne einer ereignisbezogenen sichtweise die erheblichkeit der verhinderungszeit nach dem zur arbeitsverhinderung führenden grund sowie danach beurteilt, ob der arbeitgeber erfahrungsgemäß mit einer derartigen nichtleistung über einen bestimmten zeitraum rechnen konnte, sodass er den ausfall einzukalkulieren hat. als verhältnismäßig nicht erhebliche zeit sei daher auch bei schwerwiegenden ereignissen nur eine dauer von wenigen tagen anzusehen. die nach dem entgeltfortzahlungsgesetz für erkrankte arbeitnehmer geltende sechs-wochen-frist könne danach grundsätzlich nicht als maßstab herangezogen werden. 267vgl. krause, in: henssler/willemsen/kalb, arbeitsrecht kommentar, bgb, 9. auflage 2020, § 616 rn. 41; linck, in: schaub, arbeitsrechts-handbuch, 19. auflage 2021, § 97 rn. 14, 16; henssler, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2020, § 616 rn. 67 f.; oetker, in: staudinger, bgb, neubearbeitung 2019, § 616 rn. 102 f. 268demgegenüber soll nach der rechtsprechung im sinne einer belastungsbezogenen betrachtungsweise bei der bewertung des verhinderungszeitraums - ungeachtet etwaiger ausnahmen für bestimmte hier nicht relevante fallgruppen -, 269z.b.: bag, urteile vom 25. oktober 1973 - 5 azr 156/73 -, juris rn. 12 f., und vom 19. april 1978 - 5 azr 834/76 -, juris rn. 22, 270- auf die gesamten umstände des einzelfalles abgestellt werden, insbesondere auf das verhältnis zwischen der dauer der verhinderung und der länge der bisherigen beschäftigung. daneben werden (insbesondere) zusätzliche abreden sowie die eigenart des arbeitsverhältnisses und dessen voraussichtliches fortbestehen berücksichtigt. 271vgl. z.b.: bgh, urteil vom 30. november 1978 - iii zr 43/77 -, juris rn. 37; bag, urteil vom 11. august 1988 - 8 azr 721/85 -, juris rn. 43; krause, in: henssler/willemsen/kalb, arbeitsrecht kommentar, bgb, 9. auflage 2020, § 616 rn. 40; grimm, in: tschöpe, arbeitsrecht handbuch, 12. auflage 2021, b. entgeltfortzahlung, rn. 87; joussen, in: beckok arbeitsrecht, bgb, 62. edition, 1. dezember 2021, § 616 rn. 46; henssler, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2020, § 616 rn. 66; oetker, in: staudinger, bgb, neubearbeitung 2019, § 616 rn. 100. 272die zeitliche höchstgrenze dürfte regelmäßig bei einer leistungsunfähigkeit von sechs wochen liegen. 273vgl. bgh, urteil vom 30. november 1978 - iii zr 43/77 -, juris rn. 37; bag, urteile vom 20. juli 1977 - 5 azr 325/76 -, juris rn. 12, und vom 11. august 1988 - 8 azr 721/85 -, juris rn. 43. 274auch wenn ansteckungsverdächtige i.s.d. § 2 nr. 7 ifsg nach den motiven des bseuchg-gesetzgebers vom schicksal in ähnlicher weise betroffen sind wie kranke, 275vgl. bt-drs. 3/1888, s. 10, 27 zu § 48 bseuchg (entschädigung in besonderen fällen), und bt-drs. iii/2662, s. 3 ebenfalls zu § 48 bseuchg 276muss bei der anwendung der rechtsprechung des bundesgerichtshofs, 277vgl. bgh, urteil vom 30. november 1978 - iii zr 43/77 -, juris rn. 37, 278berücksichtigt werden, dass der entscheidung § 616 bgb in der fassung vom 28. august 1975 zu grunde lag. in dessen absatz 2 satz 2 wurde der sechs-wochen-zeitraum zwar als verhältnismäßig nicht erheblich anerkannt, der gesetzgeber bediente sich aber mit blick auf den fortzahlungsanspruch im krankheitsfall der regelungstechnik der fiktion („hierbei gilt als verhältnismäßig nicht erheblich eine zeit von sechs wochen, wenn nicht durch tarifvertrag eine andere dauer bestimmt ist.“). nunmehr fehlt in § 616 bgb jeglicher anhaltspunkt für eine gleichstellung mit dem - aktuell geltenden - § 3 efzg. 279vgl. dazu: linck, in: schaub, arbeitsrechts-handbuch, 19. auflage 2021, § 97 rn. 15; oetker, in: staudinger, bgb, neubearbeitung 2019, § 616 rn. 103, m.w.n. 280überdies liegen den lohnfortzahlungsansprüchen in § 616 satz 1 bgb und § 3 efzg unterschiedliche normzwecke zu grunde. während § 616 satz 1 bgb seine grundlage - nach der rechtsprechung - überwiegend in dem gedanken der fürsorgepflicht des arbeitgebers findet (bzw. nach „neuerem“ ansatz in der literatur dem gedanken, dass personengebundenen tätigkeiten das risiko eines ausfalls des dienstverpflichteten stets immanent ist und es daher sachgerecht erscheint, unerhebliche verhinderungen bereits bei der bemessung des entgelts einzukalkulieren - „minima non curat praetor“), 281vgl. z.b.: linck, in: schaub, arbeitsrechts-handbuch, 19. auflage 2021, § 97 rn. 2 f., 14; joussen, in: beckok arbeitsrecht, bgb, 62. edition, 1. dezember 2021, § 616 rn. 46 f.; krause, in: henssler/willemsen/kalb, arbeitsrecht kommentar, bgb, 9. auflage 2020, § 616 rn. 40; riesenhuber, in: erman, bgb, 16. auflage 2020, § 616 rn. 2; oetker, in: staudinger, bgb, neubearbeitung 2019, § 616 rn. 9, 100 f.; bag, urteil vom 25. oktober 1973 - 5 azr 156/73 -, juris rn. 12 f., 282dient § 3 efzg eher der entlastung der krankenkassen. 283vgl. temming, in: kluckert, das neue infektionsschutzrecht, ifsg, § 16 rn. 21; reinhard, in: erfurter kommentar zum arbeitsrecht, efzg, 22. auflage 2022, § 3 rn. 1 f.; müller-glöge, in: münchener kommentar zum bgb, 8. auflage 2020, efzg, § 3 rn. 2; oetker, in: staudinger, bgb, neubearbeitung 2019, § 616 rn. 181 ff. 284angesichts dessen und unter berücksichtigung des gesetzlichen wortlauts, 285vgl. vg koblenz, urteil vom 10. mai 2021 - 3 k 107/21.ko -, juris rn. 30, 286geht die kammer davon aus, dass bei der beurteilung der „verhältnismäßig nicht erheblichen zeit“ (auch) im falle der absonderung eines ansteckungsverdächtigen arbeitnehmers in erster linie das verhältnis zwischen bisheriger dauer des arbeitsverhältnisses und dauer der arbeitsverhinderung maßgeblich ist. daneben werden weitere umstände des einzelfalls berücksichtigt. 287nach dieser maßgabe überschreitet der absonderungszeitraum von 5 wochen die erheblichkeitsschwelle. insoweit ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass der arbeitnehmer n. erst anderthalb jahre bei der klägerin beschäftigt war, als die erste absonderung angeordnet worden ist. allein der umstand, dass der arbeitsvertrag unbefristet abgeschlossen worden ist und sich im laufenden klageverfahren die prognose einer längerfristig fortdauernden beschäftigung bestätigt hat, da diese erst ende 2020 mit der übernahme des arbeitsverhältnisses durch die u. unternehmensgruppe beendet worden ist, ändert an dieser einschätzung nichts. auch rechtfertigen weder die eigenart des arbeitsverhältnisses noch die eigenart der verhinderung im vorliegenden fall eine andere beurteilung. zwar mag die coronabedingte absonderung wegen der inkubationszeit des virus von (ursprünglich) zwei wochen und der möglichen verlängerung der absonderung um weitere zwei wochen nach ablauf der inkubationszeit im falle einer hausgemeinschaft des ansteckungsverdächtigen mit einer nachweislich mit dem coronavirus infizierten person ohne nachgewiesene ansteckung nach ablauf der inkubationszeit zu einem vorhersehbaren absonderungszeitraum von 4 wochen führen. 288vgl. dazu: vg gelsenkirchen, beschluss vom 6. juli 2020 - 20 l 860/20 -; ovg nrw, beschuss vom 10. juli 2020 - 13 b 981/20 -. 289auch dieser zeitraum ist im vorliegenden fall aber überschritten. 290da gegen den arbeitnehmer n. mit verfügung vom 17. juli 2020 der stadt rheda-wiedenbrück eine weitere (individuelle) anordnung der häuslichen absonderung wegen eines ansteckungsverdachts ergangen ist, ist im übrigen nicht davon auszugehen, dass der arbeitnehmer den zeitraum der leistungsverhinderung durch eine freitestung, wie sie grundsätzlich ab dem 2. juli 2020 möglich gewesen ist, hätte verkürzen können. der zeuge n. hat in der mündlichen verhandlung zudem glaubhaft erklärt, dass er sich durchgängig für fünf wochen in absonderung befunden habe. diese weitere absonderung stellt überdies einen atypischen verlauf dar. 291vorsorglich wird zudem darauf hingewiesen, dass aus dem verfahren az. 7 l 546/20 bekannt ist, dass der insoweit zuständige kreis gütersloh mit den vorhandenen personellen kapazitäten die ergebnisse der (frei-)testungen aufgrund ihrer vielzahl ohnehin nicht zeitnah abarbeiten konnte. 292ob der fall bei einer asymptomatisch infizierten person (ausscheider i.s.d. § 2 nr. 6 ifsg) anders zu beurteilen ist, da die entwicklung von symptomen vom zufall abhängen mag, 293vgl. vg koblenz, urteil vom 10. mai 2021 - 3 k 107/21.ko -, juris rn. 32, 294bedarf vorliegend keiner entscheidung. die kammer bezweifelt die aussage der klägerin nicht, dass der arbeitnehmer durchgängig negativ getestet worden ist. dafür spricht auch die verfügung vom 17. juli 2020, in der herr n. erneut nur als kontaktperson einer mit dem coronavirus infizierten person eingestuft wurde. 295d. die kausalität („dadurch“), 296vgl. dazu: eckart/kruse, in: beckok, infektionsschutzrecht, ifsg, 10. edition, 15. januar 2022, § 56 rn. 38, 297zwischen absonderung und verdienstausfall ist gegeben. andere gründe für den wegfall des lohnanspruchs sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. insbesondere bleibt die schließung des betriebs der bestellerin ohne einfluss. der einsatz des arbeitnehmers als fleischer in einem anderen betrieb wäre ohne absonderungsanordnung - wie bereits dargelegt - grundsätzlich möglich gewesen. 298e. ein mitverschulden, das in entsprechender anwendung von § 254 bgb ggf. über die gesetzlich geregelten fälle insbesondere in § 56 abs. 1 satz 3 ifsg und § 56 abs. 8 satz 1 nr. 3 ifsg anspruchsmindernd zu berücksichtigen sein könnte, 299vgl. zum streitstand: eckart/kruse, in: beckok, infektionsschutzrecht, ifsg, 10. edition, 15. januar 2022, § 56 rn. 41 ff., m.w.n.; kümper, in: kießling, ifsg, 2. auflage 2021, § 56 rn. 27 ff., m.w.n., 300ist herrn n. nicht vorzuwerfen. dies gilt hier insbesondere mit blick auf ggf. vom arbeitnehmer begangene verstöße gegen das abstandsgebot, da diese jedenfalls keinen verursachungsbeitrag zum infektionsgeschehen geleistet haben. der arbeitnehmer n. war kein ausscheider, er wurde (mehrfach) negativ getestet. 3012. die voraussetzungen von § 56 abs. 5 ifsg sind erfüllt. unstreitig hat die klägerin die entschädigung während des streitgegenständlichen zeitraums an den arbeitnehmer n. ausgezahlt, § 56 abs. 5 satz 1 ifsg. einen (formwirksamen) erstattungsantrag (§ 56 abs. 5 satz 3 ifsg) hat sie am 28. juli 2020 beim m. (§ 54 ifsg i.v.m. § 11 abs. 1 ifsbg-nrw) gestellt. 3023. der erstattungsanspruch ist entgegen der auffassung des beklagten landes auch nicht - nach sinn und zweck der entschädigungsregelung - ausgeschlossen, weil der klägerin ggf. ein schadensersatzanspruch in höhe des gezahlten lohns gegenüber der bestellerin zustehen könnte. 303einer solchen auslegung steht schon entgegen, dass die klägerin keinen lohn an herrn n. gezahlt hat, sondern den für diesen arbeitnehmer entstandenen entschädigungsanspruch infolge eines verdienstausfalls. der lohnanspruch bestand im hier maßgeblichen zeitraum der absonderung - wie dargelegt - nach dem grundsatz „ohne arbeit kein lohn“ nicht. 304aber auch mit blick auf einen etwaigen schadensersatzanspruch der klägerin gegen die firma u. wegen der gezahlten entschädigungsleistung und ungeachtet der frage, ob ein solcher sekundäranspruch nicht schon nach § 3 nr. 6 werkvertrag abbedungen ist, scheidet eine teleologische reduktion des § 56 abs. 3 ifsg aus. die klägerin fungiert hier nämlich allein als auszahlungsstelle. dieses verfahren soll eine schnelle und unbürokratische entschädigungsgewährung sicherstellen. 305vgl. eckart/kruse, in: beckok, infektionsschutzrecht, ifsg, 10. edition, 15. januar 2022, § 56 rn. 73; gerhardt, in: gerhardt, infektionsschutzgesetz, ifsg, 5. auflage 2021, § 56 rn. 25. 306dieser gesetzgeberische wille ergibt sich auch im umkehrschluss aus der legalzession des § 56 abs. 10 ifsg, da insoweit nur schadensersatzansprüche des „entschädigungsberechtigten“ auf das land übergehen. in diesem sinne sind in § 56 abs. 3 satz 2 und abs. 8 ifsg auch nur leistungen benannt, die „auf die entschädigung“ anzurechnen sind. 307das vorbenannte system würde unterlaufen, ließe man darüber hinaus auch im verhältnis zwischen entschädigungspflichtigem land und auszahlungsverpflichtetem arbeitgeber weitere „anrechnungstatbestände“ zu. in diese überlegung ist einzustellen, dass der erstattungsantrag fristgebunden ist (vgl. § 56 abs. 11 ifsg). bei der vom beklagten land vertretenen vorgehensweise wird dem arbeitgeber nicht nur das prozess- und insolvenzrisiko auferlegt, sondern auch das erfordernis bei einem ggf. langwierigen zivilprozess mit instanzenzug vorsorglich entsprechende erstattungsansprüche beim m. zu stellen, sodass weitere - ggf. unnötige - kosten auf beiden seiten entstehen und für die bearbeitung arbeitskraft gebunden wird. 308auch andere schadensersatzansprüche, insbesondere ansprüche des arbeitnehmer n. gegen die klägerin oder die firma u. sind im vorliegenden fall nicht zu berücksichtigen. ungeachtet der frage, ob - erstens - ein schadensersatzanspruch des entschädigungsberechtigten arbeitnehmers n1. gegen die klägerin als frühere arbeitgeberin entstanden und fällig ist, - zweitens - dieser ggf. entstandene und fällige anspruch nach § 15 arbeitsvertrag (ausschlussfristen / verfallklausel) wieder verfallen ist und - drittens - gemäß § 56 abs. 10 ifsg auf das beklagte land übergegangen ist, hat das beklagte land jedenfalls nicht die aufrechnung erklärt, 309vgl. dazu: bverwg, urteil vom 12. februar 1987 - 3 c 22/86 -, juris; hessischer vgh, beschluss vom 28. januar 1994 - 3 tg 2026/93 -, juris; vg minden, beschluss vom 31. januar 1996 - 2 k 2333/95 -, 310sodass eine berücksichtigung im hiesigen verfahren ausscheidet. 311sofern dem arbeitnehmer n1. ein ersatzanspruch z.b. aufgrund eines vertrags mit schutzwirkungen zugunsten dritter gegen die firma u. als bestellerin zusteht, so könnte dieser - ungeachtet der frage seiner entstehung, fälligkeit und höhe - dem erstattungsanspruch der klägerin nicht entgegengehalten werden, weil diese nicht schuldnerin der ggf. auf das beklagte land übergegangenen forderung ist. 3124. das vom beklagten land behauptete, anspruchsausschließende (überwiegende) mitverschulden der klägerin an der absonderung ihres arbeitnehmers ist im rahmen des § 56 abs. 3 ifsg selbst nicht zu berücksichtigen, sondern nur - wie geschehen - im rahmen der prüfung des § 326 abs. 2 satz 1 var. 1 bgb oder etwaiger zur aufrechnung gestellter übergegangener schadensersatzansprüchen gegen die klägerin. dies folgt ebenfalls aus der - zuvor bereits dargelegten - funktion als auszahlstelle. 3135. die höhe des erstattungsbetrages von 574,44 euro nettoverdienstausfall ist von den beteiligten unter berücksichtigung von § 56 abs. 3 ifsg in der mündlichen verhandlung unstreitig gestellt worden. die kammer hat keine veranlassung, von sich aus an der richtigkeit der zugrunde liegenden berechnung zu zweifeln. 314b. der klägerin steht auch der anspruch auf erstattung der von ihr verauslagen und der höhe nach ebenfalls unstreitig gestellten sozialabgaben i.h.v. 390,39 euro nach maßgabe des § 57 ifsg zu. 315c. die klage ist auch begründet, soweit die klägerin aus dem erstattungsbetrag von 964,83 euro die verurteilung des beklagten landes zur zahlung von prozesszinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz seit rechtshängigkeit verlangt. die voraussetzungen von §§ 291, 288 abs. 1 satz 2 bgb analog liegen seit dem 23. februar 2021 (§ 90 vwgo) vor. 316die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 vwgo i.v.m. §§ 708 ff. zpo. | Klaeger*in | 1 |
116,896 | 9 K 4693/18 | 2018-11-20T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Der am geborene Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen Erreichens der 8-Punkte-Grenze. 3Aus dem Fahrerlaubnisregister und dem Verwaltungsvorgang ergibt sich im Wesentlichen folgender Geschehensablauf: 4Bl. Vorgang Pkte. Tattag Entscheidung Rechtskraft Eintragung Tilgung 2 Geschwindigkeitsüberschreitung um 24 Km/h innerorts 1 10.05.15 12.08.15 01.09.15 14.09.15 01.03.18 3 Geschwindigkeitsüberschreitung um 22 Km/h außerorts 1 18.01.16 23.03.16 13.04.16 29.04.16 13.10.18 4 Missachtung des Rotlichts 2 26.02.16 16.03.16 29.08.16 17.10.16 29.08.21 9 Geschwindigkeitsüberschreitung um 26 Km/h innerorts 1 31.08.16 21.09.16 13.10.16 31.10.16 13.04.19 11 Ermahnung nach § 4 Abs. 5 Nr. 1 StVG wegen Erreichens von vier Punkten, datiert vom 27.10.16, zugestellt (PZU) am 04.11.16 24 Geschwindigkeitsüberschreitung um 53 Km/h außerorts in Tateinheit mit verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons 2 10.12.16 11.09.17 07.02.18 26.04.18 07.02.23 27 Geschwindigkeitsüberschreitung um 24 Km/h innerorts 1 29.09.17 25.10.17 16. 04.18 14.05.18 16.10.20 28 Verwarnung nach § 4 Abs. 5 Nr. 2 StVG wegen Erreichens von 7 Punkten (nach Reduktion von 9), datiert vom 30.05.18, zugestellt (PZU) am 08.06.18 31 „Widerspruch“ gegen die Verwarnung: Bei der Errechnung von 9 Punkten sei der Verstoß vom 10.12.16 fälschlich mit 4 Punkten angesetzt worden 42 Aufhebung der am 08.06.18 zugestellten Verwarnung 44 Verwarnung nach § 4 Abs. 5 Nr. 2 StVG wegen Erreichens von 7 Punkten, datiert vom 18.06.18, zugestellt (PZU) am 20.06.18 47 Mitteilung eines Standes von acht Punkten durch das Kraftfahrtbundesamt, datiert vom 11.06.18, bei der Beklagten als eingegangen gestempelt am 19.06.18 58 Verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons 1 07.04.18 26.04.18 23.05.18 11.06.18 23.11.20 5Mit Schreiben datiert vom 26. Juni 2018 legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten „Rechtsmittel“ gegen die Verwarnung vom 18. Juni 2018 ein. Die darin mitgeteilten insgesamt 7 Punkte seien offenkundig fehlerhaft errechnet. Wegen der verbotswidrigen Benutzung eines Mobiltelefons habe der Kläger am 7. April 2018 einen weiteren Punkt erworben, der am 11. Juni 2018 in das Fahrerlaubnisregister eingetragen worden und der Beklagten damit bekannt gewesen sei. Richtigerweise hätte der Kläger deshalb darüber unterrichtet werden müssen, dass er 8 Punkte erreicht habe, sein Punktestand jedoch wegen der bis dahin fehlenden Verwarnung auf 7 Punkte reduziert werde. 6Mit Schreiben datiert vom 27. Juni 2018 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Erreichens der 8-Punkte-Grenze an. Sein Prozessbevollmächtigter nahm mit Schreiben vom 5. Juli 2018 Stellung, in dem er im Wesentlichen auf den Schriftsatz vom 26. Juli 2018 verwies. 7Mit Bescheid vom 20. August 2018 entzog die Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis wegen Erreichens der 8-Punkte-Grenze, forderte ihn auf, seinen Führerschein unverzüglich bei ihr abzugeben, und drohte, für den Fall, dass er dieser Verpflichtung nicht innerhalb einer Woche nach Zustellung nachkomme, ein Zwangsgeld i.H.v. 500,00 € an. Für die Amtshandlung erhob sie Gebühren i.H.v. 150,00 € für die Entziehung der Fahrerlaubnis und 1,00 € für die Meldung an das zentrale Fahrerlaubnisregister. Außerdem verlangte sie den Ersatz von Auslagen i.H.v. 3,45 € für die Zustellung des Bescheids. 8Zur Begründung der Entziehung der Fahrerlaubnis verweist die Beklagte auf Verkehrszuwiderhandlungen vom 18. Januar 2016, 26. Februar 2016, 31. August 2016, 10. Dezember 2016, 3. April 2017, 29. September 2017 und 7. April 2018. Aufgrund dieser Verstöße müsse die Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 StVG entzogen werden. Die Stellungnahme im Anhörungsverfahren rechtfertige kein anderes Ergebnis. Nach § 4 Abs. 5 StVG habe die Fahrerlaubnisbehörde für das Ergreifen der Maßnahmen nach dem Fahreignungssystem auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben habe. Bei der Berechnung des Punktestandes seien Zuwiderhandlungen unabhängig davon zu berücksichtigen, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden seien. Gemäß § 4 Abs. 6 StVG erhöhten Zuwiderhandlungen den Punktestand auch dann, wenn sie bereits vor der Verwarnung begangenen worden seien, die Behörde aber erst danach Kenntnis von ihnen erhalten habe. 9Bezüglich der für die Entziehung der Fahrerlaubnis erhobenen Gebühr verweist die Beklagte auf Ziffer 206 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr. Die festgesetzten 150,00 € lägen innerhalb des dort vorgesehenen Gebührenrahmens von 33,20 € bis 256,00 €. Bei der Festsetzung sei nach § 9 VwKostG der mit der Amtshandlung verbundenen Verwaltungsaufwand angemessen berücksichtigt worden. Es sei auf den Einzelfall und dabei neben dem Verwaltungsaufwand auf die Bedeutung, den wirtschaftlichen Wert und den sonstigen Nutzen der Amtshandlung abgestellt worden. Die Bearbeitung des Falles sei als mittelschwer zu bewerten. Die im Fahreignungsregister eingetragenen Verkehrsverstöße seien auszuwerten gewesen, was einen gegenüber der einfachen Sachbearbeitung erhöhten Arbeitsaufwand bedeutet habe. 10Die Ordnungsverfügung wurde dem Kläger am 24. August 2018 über seinen Prozessbevollmächtigten zugestellt. 11Mit Schreiben vom 27. August 2018 machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers geltend, die in der Ordnungsverfügung angeführten Verkehrszuwiderhandlung vom 3. April 2017 habe der Kläger nicht begangen. Im Fahrerlaubnisregister sei eine solche Verkehrszuwiderhandlung nicht aufgeführt. 12Mit Verfügung vom 31. August 2018, dem Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten zugestellt am 5. September 2018, korrigierte die Beklagte die Ordnungsverfügung, indem sie auf Verkehrszuwiderhandlungen vom 18. Januar 2016, 26. Februar 2016, 31. August 2016, 10. Dezember 2016, 29. September 2017 und 7. April 2018 verwies. 13Am 13. September 2018 hat der Kläger Klage erhoben. 14Zur Begründung trägt er im Wesentlich vor: Die Stufenfolge des § 4 Abs. 5 StVG sei nicht eingehalten worden. Aufgrund diverser Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr habe er im Zeitraum zwischen dem 23. März 2016 und dem 26. April 2018 insgesamt 8 Punkte erreicht, ohne dass die Beklagte ihn nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 StVG wirksam verwarnt habe. Die fehlerhafte Verwarnung vom 30. Mai 2018 habe sie aufgehoben. Unter dem 18. Juni 2018 habe sie ihn wegen Erreichens von 7 Punkten verwarnt, ohne den zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Zuwiderhandlung vom 7. April 2018 bereits erworbenen und im Fahreignungsregister am 11. Juni 2018 gespeicherten achten Punkt zu berücksichtigen. Darauf, dass ihr dieser achte Punkt im Zeitpunkt der Verwarnung nicht bekannt gewesen sei, könne sich die Beklagte wegen des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben nicht berufen. Der Punkt sei von der Bußgeldbehörde der Beklagten an das Fahrerlaubnisregister gemeldet und dort am 11. Juni 2018 gespeichert worden. Wenn es nun darauf ankäme, wann das Kraftfahrtbundesamt diesen Punkt an die Fahrerlaubnisbehörde der Beklagten gemeldet habe, widerspreche dies Treu und Glauben. Bußgeldbehörde und Fahrerlaubnisbehörde sei nach dem Rechtsträgerprinzip die Beklagte. Im Gesetz heiße es, dass es auf die Kenntnis der Führerscheinstelle ankomme. Damit sei nicht die Kenntnis des individuellen Sachbearbeiters gemeint, sondern die der Behörde. Wenn keine Weitergabe der Erkenntnisse der Bußgeldbehörde der Beklagten an die Führerscheinstelle der Beklagten erfolge, könne dies nicht zu Lasten des Klägers gehen. Ein Organisationsverschulden sei der Beklagten, nicht dem Kläger anzulasten. 15Der Kläger beantragt, 16den Bescheid der Beklagten vom 20. August 2018 in der berichtigten Form vom 31. August 2018 aufzuheben. 17Die Beklagte beantragt, 18die Klage abzuweisen. 19Sie trägt vor: Dem Einwand des Klägers, dass die letzte Eintragung im Fahreignungsregister mit Tattag vom 7. April 2018, beim Kraftfahrtbundesamt gespeichert am 11. Juni 2018, bei der Verwarnung vom 18. Juni 2018 hätte berücksichtigt werden müssen, folge sie nicht. Zwar sei zutreffend, dass die zu Grunde liegende Entscheidung auch durch die Stadt Essen getroffen worden sei, jedoch handele es sich bei der Bußgeldbehörde und der Fahrerlaubnisbehörde um komplett getrennte „Organisationshoheiten“, die in keinem direkten Kontakt zueinander stünden. Vielmehr sei das Kraftfahrtbundesamt verpflichtet, die von allen Bußgeldbehörden und Gerichten übersandten Entscheidungen an die Fahrerlaubnisbehörden zu übermitteln. Die mit Datum vom 11. Juni 2018 gespeicherte letzte Tat sei erst am 19. Juni 2018, also einen Tag nach der Versendung der Verwarnung, bei der Fahrerlaubnisbehörde eingegangen und habe deshalb bei der Verwarnung nicht berücksichtigt werden können. Nach § 4 Abs. 6 S. 4 StVG erhöhe sich selbst bei einer Verringerung des Punktestands bei nachträglich bekannt gegebenen Zuwiderhandlungen der sich ergebende Punktestand entsprechend. 20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. 21Entscheidungsgründe: 22Die Einzelrichterin ist zuständig, nachdem ihr der Rechtsstreit mit Beschluss der Kammer vom 2. Oktober 2018 zur Entscheidung übertragen worden ist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). 23Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 24Die Voraussetzungen der § 3 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG sind erfüllt. 25Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG ist die Fahrerlaubnis – zwingend – zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn sich für ihn im Fahrereignungsregister acht oder mehr Punkte ergeben. Diese Voraussetzung ist für den Kläger erfüllt. 26Bei der Berechnung der Punkte ist die Beklagte nach § 4 Abs. 5 Satz 4 StVG an die ihr durch das Kraftfahrtbundesamt mitgeteilten rechtskräftigen Entscheidungen gebunden. Sie hat die eingetragenen Verstöße jeweils zutreffend nach § 40 in Verbindung mit der Anlage 13 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) mit Punkten bewertet. 27Mit Schreiben vom 27. Oktober 2016 hat die Beklagte den Kläger nach gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG ordnungsgemäß ermahnt, als er die Maßnahmenstufe von vier bis fünf Punkten – nämlich fünf aufgrund der Verkehrszuwiderhandlungen vom 10. Mai 2015, 18. Januar 2018, 26. Februar 2016 und 31. August 2016 – erreicht hatte. 28Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Beklage bei Abfassen der Verwarnung am 27. Oktober 2016 noch von einem Punktestand von vier ausging, weil der mit der Geschwindigkeitsüberschreitung vom 31. August 2016 erworbene Punkt erst am 31. Oktober 2016 im Fahrerlaubnisregister gespeichert und ihr erst nach diesem Zeitpunkt mitgeteilt worden war. Maßgebend für die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG sind die im Fahrerlaubnisregister eingetragenen und der Fahrerlaubnisbehörde im Zeitpunkt der Bearbeitung nach § 4 Abs. 8 StVG vom Kraftfahrtbundesamt übermittelten Zuwiderhandlungen. 29Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 C 21/15 –, juris Rn. 22 ff. = BVerwGE 157, 235. 30Ob seit der letzten Mitteilung des Kraftfahrtbundesamts an die Fahrerlaubnisbehörde bereits weitere Punkte hinzugekommen sind, ist unerheblich. 31Vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage 2017, § 4 Rn. 71 m.w.N. 32Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Funktion der Maßnahmenstufen. 33Im bis zum 30. April 2014 geltenden Mehrfachtäter-Punktsystem hatte das Bundesverwaltungsgericht der Stufenfolge in § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG eine „Warnfunktion“ beigemessen und daraus hergeleitet, dass die Maßnahmen den Fahrerlaubnisinhaber „möglichst frühzeitig und insbesondere noch vor Eintritt in die nächste Stufe erreichen“ sollten, damit ihm die „Möglichkeit der Verhaltensänderung“ effektiv eröffnet werde. 34vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 – 3 C 3.07 –, juris Rn. 33 = BVerwGE 132, 48. 35Selbst wenn sich aus dieser Warnfunktion für die alte Rechtslage – namentlich für die Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 StVG a.F. – ergeben haben sollte, dass die Maßnahmenstufe nur dann ordnungsgemäß durchlaufen war, wenn der von der Behörde ihrem Kenntnisstand entsprechend zugrunde gelegte Punktestand auch im Zeitpunkte des Zugangs beim Betroffenen noch zutreffend war, 36vgl. dagegen etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 23. Januar 2014 – 12 LB 46/13 –, juris Rn. 22, 23 („Die Beklagte war nicht gehalten, vor Erlass der Verwarnung erneut beim Kraftfahrt-Bundesamt nachzufragen, ob zwischenzeitlich weitere Eintragungen erfolgt sind.“ und „Aus den dargelegten Gründen müssen die Angaben etwa in der Verwarnung nicht den Eintragungen im Verkehrszentralregister entsprechen.“). 37so gilt dies nach der gesetzlichen Neuregelung jedenfalls nicht mehr. Von der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten „Warnfunktion“ der Maßnahmenstufen hat sich der Gesetzgeber für das seit dem 1. Mai 2014 geltende Fahreignungs-Bewertungssystem bewusst abgesetzt. Bei Fahrerlaubnisinhabern, die sich durch eine Anhäufung von Punkten durch innerhalb kurzer Zeit begangene Verkehrsverstöße als ungeeignet erwiesen haben, sollen die Verkehrssicherheit und das Ziel, die Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrern zu schützen, Vorrang vor dem Erziehungsgedanken haben. Die Erziehungswirkung liege – so der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur zur Begründung der vorgeschlagenen und im Gesetzgebungsverfahren angenommenen Änderungen des Regierungsentwurfs – dem Gesamtsystem als solchem zu Grunde, während die Stufen in erster Linie der Information des Betroffenen dienten. Die Maßnahmen stellten somit lediglich eine Information über den Stand im System dar. Maßgeblich sei der Kenntnisstand der Behörde bei der Bearbeitung. 38Vgl. BT-Drs. 18/2775, S. 9 f.; BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 C 21/15 –, juris Rn. 23 = BVerwGE 157, 235. 39Dieser Funktion zur schlichten Information entspricht, dass Ermahnung und Verwarnung kein Verwaltungsakt sein, weil sei keine Regelung treffen, und der mitgeteilte Punktestand nicht in Rechtskraft erwächst. 40Vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage 2017, § 4 Rn. 72. 41Entgegen der Auffassung des Klägers muss sich die Fahrerlaubnisbehörde auch nicht das Wissen einer ihr im Maßnahmensystem vorgelagerten Stelle – etwa des Kraftfahrtbundesamts oder der die Entscheidungen an das Kraftfahrtbundesamt übermittelnden Bußgeldstelle – zurechnen lassen. 42Eine Zurechnung von Wissen liefe der Konzeption des Gesetzgebers zuwider, nach der gerade auf den Kenntnisstand der Fahrerlaubnisbehörde als der gemäß Landesrecht zuständigen Behörde nach der aufgrund von § 4 Abs. 8 StVG erfolgten Mitteilung der Eintragungen durch das Kraftfahrtbundesamt abgestellt werden soll. 43Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 C 21/15 –, juris Rn. 26 = BVerwGE 157, 235. 44Etwas anderes gilt entgegen der Auffassung des Klägers auch dann nicht, wenn es sich um Eintragungen von Entscheidungen handelt, die die Bußgeldstelle der beklagten Gebietskörperschaft getroffen hat, wenn also die Bußgeldstelle, um deren Entscheidung es geht, und die Fahrerlaubnisbehörde demselben Rechtsträger unterstehen. Der vom Kläger angeführte, zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts gehörende Grundsatz von Treu und Glauben, 45vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. April 2004 – 4 B 17/04 –, juris, 46gebietet auch innerhalb eines Rechtsträgers nicht, der zuständigen Behörde die Kenntnis einer nicht zuständigen zuzurechnen. Selbst innerhalb einer Behörde hat der Große Senat des Bundesverwaltungsgericht es abgelehnt, dem nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zuständigen Amtswalter die Kenntnis eines nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung nicht zuständigen zuzurechnen. 47Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 1984 – GrSen 1/84, GrSen 2/84 –, juris Rn. 22. 48Etwas anderes könnte ausnahmsweise dann gelten, wenn ein Berufen auf die Unkenntnis wegen besonderer Umstände des Einzelfalls als rechtsmissbräuchlich einzustufen wäre. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn die Mitteilung des Kraftfahrtbundesamts nicht nur verzögert erfolgt, sondern die Verzögerung willkürlich geschieht mit dem Ziel, eine Punktereduktion zu verhindern. 49Vgl. BayVGH, Beschluss vom 28. April 2016 – 11 CS 16.537 –, juris Rn. 13; offenlassend: BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 C 21/15 –, juris Rn. 26 = BVerwGE 157, 235. 50Darauf kommt es hier aber nicht an. Anhaltspunkte für einen solchen Rechtsmissbrauch bestehen nicht. 51Die nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG bei einem Punktestand von 6 bis 7 vorzunehmende Verwarnung hat die Beklagte mit dem Schreiben vom 18. Juni 2018 ausgesprochen. Zu diesem Zeitpunkt waren der Beklagen aufgrund der Mitteilung des Kraftfahrtbundesamts vom 14. Mai 2018 7 Punkte bekannt. 52Mit der Zuwiderhandlung vom 10. Dezember 2016, rechtskräftig geahndet seit dem 7. Februar 2018, waren zu den bis dahin 5 Punkten nämlich 2 weitere dazugekommen. Am 1. März 2018 trat die Tilgung des für die Geschwindigkeitsüberschreitung vom 10. Mai 2015, rechtskräftig geahndet seit dem 1. September 2015, erworbenen Punktes ein. Damit fiel der Kläger auf 6 Punkte zurück. Diese Tilgung hat die Beklagte zutreffend zugunsten des Klägers berücksichtigt. Diese Zuwiderhandlung wird in der Verwarnung nicht berücksichtigt. Aufgrund der Zuwiderhandlung vom 29. September 2017, rechtskräftig geahndet seit dem 16. April 2018, erwarb der Kläger einen weiteren, nämlich siebten, Punkt. 53Darauf, dass der Kläger im Zeitpunkt der Bearbeitung der vom 18. Juni 2018 datierten Verwarnung wegen der Zuwiderhandlung vom 7. April 2018, rechtskräftig geahndet seit dem 23. Mai 2018, bereits einen weiteren – achten – Punkt erworben hatte, kommt es nicht an. Maßgebend für die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG sind – wie ausgeführt – die im Fahrerlaubnisregister eingetragenen und der Fahrerlaubnisbehörde im Zeitpunkt der Bearbeitung nach § 4 Abs. 8 StVG vom Kraftfahrtbundesamt übermittelten Zuwiderhandlungen. 54Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 C 21/15 –, juris Rn. 22 ff. = BVerwGE 157, 235. 55Dieser achte Punkt war der Beklagten im Zeitpunkt der Bearbeitung der Verwarnung nicht bekannt. Die Mitteilung des Kraftfahrtbundesamts hat sie – ausweislich des Eingangsstempels – erst am 19. Juni 2018 erhalten. Eine Zurechnung der Kenntnis der Bußgeldstelle findet – wie ausgeführt – nicht statt. 56Die Verwarnung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG ist damit ordnungsgemäß erfolgt. Eine Punktereduktion nach § 4 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 StVG kommt dem Kläger deshalb nicht zugute. Die Beklagte ist zu Recht von einem Stand von acht Punkten ausgegangen. 57Die in der Ordnungsverfügung enthaltene Aufforderung, den Führerschein unverzüglich bei der Beklagten abzugeben findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG. 58Die zugehörige Zwangsgeldandrohung genügt den Anforderungen der §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 Abs. 1 VwVG NRW und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. 59Die Gebührenfestsetzung begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. 60Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. 61Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO). | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. der kläger darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2der am geborene kläger wendet sich gegen die entziehung seiner fahrerlaubnis wegen erreichens der 8-punkte-grenze. 3aus dem fahrerlaubnisregister und dem verwaltungsvorgang ergibt sich im wesentlichen folgender geschehensablauf: 4bl. vorgang pkte. tattag entscheidung rechtskraft eintragung tilgung 2 geschwindigkeitsüberschreitung um 24 km/h innerorts 1 10.05.15 12.08.15 01.09.15 14.09.15 01.03.18 3 geschwindigkeitsüberschreitung um 22 km/h außerorts 1 18.01.16 23.03.16 13.04.16 29.04.16 13.10.18 4 missachtung des rotlichts 2 26.02.16 16.03.16 29.08.16 17.10.16 29.08.21 9 geschwindigkeitsüberschreitung um 26 km/h innerorts 1 31.08.16 21.09.16 13.10.16 31.10.16 13.04.19 11 ermahnung nach § 4 abs. 5 nr. 1 stvg wegen erreichens von vier punkten, datiert vom 27.10.16, zugestellt (pzu) am 04.11.16 24 geschwindigkeitsüberschreitung um 53 km/h außerorts in tateinheit mit verbotswidriger benutzung eines mobiltelefons 2 10.12.16 11.09.17 07.02.18 26.04.18 07.02.23 27 geschwindigkeitsüberschreitung um 24 km/h innerorts 1 29.09.17 25.10.17 16. 04.18 14.05.18 16.10.20 28 verwarnung nach § 4 abs. 5 nr. 2 stvg wegen erreichens von 7 punkten (nach reduktion von 9), datiert vom 30.05.18, zugestellt (pzu) am 08.06.18 31 „widerspruch“ gegen die verwarnung: bei der errechnung von 9 punkten sei der verstoß vom 10.12.16 fälschlich mit 4 punkten angesetzt worden 42 aufhebung der am 08.06.18 zugestellten verwarnung 44 verwarnung nach § 4 abs. 5 nr. 2 stvg wegen erreichens von 7 punkten, datiert vom 18.06.18, zugestellt (pzu) am 20.06.18 47 mitteilung eines standes von acht punkten durch das kraftfahrtbundesamt, datiert vom 11.06.18, bei der beklagten als eingegangen gestempelt am 19.06.18 58 verbotswidrige benutzung eines mobiltelefons 1 07.04.18 26.04.18 23.05.18 11.06.18 23.11.20 5mit schreiben datiert vom 26. juni 2018 legte der prozessbevollmächtigte des klägers bei der beklagten „rechtsmittel“ gegen die verwarnung vom 18. juni 2018 ein. die darin mitgeteilten insgesamt 7 punkte seien offenkundig fehlerhaft errechnet. wegen der verbotswidrigen benutzung eines mobiltelefons habe der kläger am 7. april 2018 einen weiteren punkt erworben, der am 11. juni 2018 in das fahrerlaubnisregister eingetragen worden und der beklagten damit bekannt gewesen sei. richtigerweise hätte der kläger deshalb darüber unterrichtet werden müssen, dass er 8 punkte erreicht habe, sein punktestand jedoch wegen der bis dahin fehlenden verwarnung auf 7 punkte reduziert werde. 6mit schreiben datiert vom 27. juni 2018 hörte die beklagte den kläger zur beabsichtigten entziehung der fahrerlaubnis wegen erreichens der 8-punkte-grenze an. sein prozessbevollmächtigter nahm mit schreiben vom 5. juli 2018 stellung, in dem er im wesentlichen auf den schriftsatz vom 26. juli 2018 verwies. 7mit bescheid vom 20. august 2018 entzog die beklagte dem kläger die fahrerlaubnis wegen erreichens der 8-punkte-grenze, forderte ihn auf, seinen führerschein unverzüglich bei ihr abzugeben, und drohte, für den fall, dass er dieser verpflichtung nicht innerhalb einer woche nach zustellung nachkomme, ein zwangsgeld i.h.v. 500,00 € an. für die amtshandlung erhob sie gebühren i.h.v. 150,00 € für die entziehung der fahrerlaubnis und 1,00 € für die meldung an das zentrale fahrerlaubnisregister. außerdem verlangte sie den ersatz von auslagen i.h.v. 3,45 € für die zustellung des bescheids. 8zur begründung der entziehung der fahrerlaubnis verweist die beklagte auf verkehrszuwiderhandlungen vom 18. januar 2016, 26. februar 2016, 31. august 2016, 10. dezember 2016, 3. april 2017, 29. september 2017 und 7. april 2018. aufgrund dieser verstöße müsse die fahrerlaubnis nach § 4 abs. 3 nr. 3 stvg entzogen werden. die stellungnahme im anhörungsverfahren rechtfertige kein anderes ergebnis. nach § 4 abs. 5 stvg habe die fahrerlaubnisbehörde für das ergreifen der maßnahmen nach dem fahreignungssystem auf den punktestand abzustellen, der sich zum zeitpunkt der begehung der letzten zur ergreifung der maßnahme führenden straftat oder ordnungswidrigkeit ergeben habe. bei der berechnung des punktestandes seien zuwiderhandlungen unabhängig davon zu berücksichtigen, ob nach deren begehung bereits maßnahmen ergriffen worden seien. gemäß § 4 abs. 6 stvg erhöhten zuwiderhandlungen den punktestand auch dann, wenn sie bereits vor der verwarnung begangenen worden seien, die behörde aber erst danach kenntnis von ihnen erhalten habe. 9bezüglich der für die entziehung der fahrerlaubnis erhobenen gebühr verweist die beklagte auf ziffer 206 der gebührenordnung für maßnahmen im straßenverkehr. die festgesetzten 150,00 € lägen innerhalb des dort vorgesehenen gebührenrahmens von 33,20 € bis 256,00 €. bei der festsetzung sei nach § 9 vwkostg der mit der amtshandlung verbundenen verwaltungsaufwand angemessen berücksichtigt worden. es sei auf den einzelfall und dabei neben dem verwaltungsaufwand auf die bedeutung, den wirtschaftlichen wert und den sonstigen nutzen der amtshandlung abgestellt worden. die bearbeitung des falles sei als mittelschwer zu bewerten. die im fahreignungsregister eingetragenen verkehrsverstöße seien auszuwerten gewesen, was einen gegenüber der einfachen sachbearbeitung erhöhten arbeitsaufwand bedeutet habe. 10die ordnungsverfügung wurde dem kläger am 24. august 2018 über seinen prozessbevollmächtigten zugestellt. 11mit schreiben vom 27. august 2018 machte der prozessbevollmächtigte des klägers geltend, die in der ordnungsverfügung angeführten verkehrszuwiderhandlung vom 3. april 2017 habe der kläger nicht begangen. im fahrerlaubnisregister sei eine solche verkehrszuwiderhandlung nicht aufgeführt. 12mit verfügung vom 31. august 2018, dem kläger über seinen prozessbevollmächtigten zugestellt am 5. september 2018, korrigierte die beklagte die ordnungsverfügung, indem sie auf verkehrszuwiderhandlungen vom 18. januar 2016, 26. februar 2016, 31. august 2016, 10. dezember 2016, 29. september 2017 und 7. april 2018 verwies. 13am 13. september 2018 hat der kläger klage erhoben. 14zur begründung trägt er im wesentlich vor: die stufenfolge des § 4 abs. 5 stvg sei nicht eingehalten worden. aufgrund diverser zuwiderhandlungen im straßenverkehr habe er im zeitraum zwischen dem 23. märz 2016 und dem 26. april 2018 insgesamt 8 punkte erreicht, ohne dass die beklagte ihn nach § 4 abs. 5 s. 1 nr. 2 stvg wirksam verwarnt habe. die fehlerhafte verwarnung vom 30. mai 2018 habe sie aufgehoben. unter dem 18. juni 2018 habe sie ihn wegen erreichens von 7 punkten verwarnt, ohne den zu diesem zeitpunkt aufgrund der zuwiderhandlung vom 7. april 2018 bereits erworbenen und im fahreignungsregister am 11. juni 2018 gespeicherten achten punkt zu berücksichtigen. darauf, dass ihr dieser achte punkt im zeitpunkt der verwarnung nicht bekannt gewesen sei, könne sich die beklagte wegen des auch im öffentlichen recht geltenden grundsatzes von treu und glauben nicht berufen. der punkt sei von der bußgeldbehörde der beklagten an das fahrerlaubnisregister gemeldet und dort am 11. juni 2018 gespeichert worden. wenn es nun darauf ankäme, wann das kraftfahrtbundesamt diesen punkt an die fahrerlaubnisbehörde der beklagten gemeldet habe, widerspreche dies treu und glauben. bußgeldbehörde und fahrerlaubnisbehörde sei nach dem rechtsträgerprinzip die beklagte. im gesetz heiße es, dass es auf die kenntnis der führerscheinstelle ankomme. damit sei nicht die kenntnis des individuellen sachbearbeiters gemeint, sondern die der behörde. wenn keine weitergabe der erkenntnisse der bußgeldbehörde der beklagten an die führerscheinstelle der beklagten erfolge, könne dies nicht zu lasten des klägers gehen. ein organisationsverschulden sei der beklagten, nicht dem kläger anzulasten. 15der kläger beantragt, 16den bescheid der beklagten vom 20. august 2018 in der berichtigten form vom 31. august 2018 aufzuheben. 17die beklagte beantragt, 18die klage abzuweisen. 19sie trägt vor: dem einwand des klägers, dass die letzte eintragung im fahreignungsregister mit tattag vom 7. april 2018, beim kraftfahrtbundesamt gespeichert am 11. juni 2018, bei der verwarnung vom 18. juni 2018 hätte berücksichtigt werden müssen, folge sie nicht. zwar sei zutreffend, dass die zu grunde liegende entscheidung auch durch die stadt essen getroffen worden sei, jedoch handele es sich bei der bußgeldbehörde und der fahrerlaubnisbehörde um komplett getrennte „organisationshoheiten“, die in keinem direkten kontakt zueinander stünden. vielmehr sei das kraftfahrtbundesamt verpflichtet, die von allen bußgeldbehörden und gerichten übersandten entscheidungen an die fahrerlaubnisbehörden zu übermitteln. die mit datum vom 11. juni 2018 gespeicherte letzte tat sei erst am 19. juni 2018, also einen tag nach der versendung der verwarnung, bei der fahrerlaubnisbehörde eingegangen und habe deshalb bei der verwarnung nicht berücksichtigt werden können. nach § 4 abs. 6 s. 4 stvg erhöhe sich selbst bei einer verringerung des punktestands bei nachträglich bekannt gegebenen zuwiderhandlungen der sich ergebende punktestand entsprechend. 20wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstands wird auf den inhalt der gerichtsakte und des verwaltungsvorgangs bezug genommen. 21 | 22die einzelrichterin ist zuständig, nachdem ihr der rechtsstreit mit beschluss der kammer vom 2. oktober 2018 zur entscheidung übertragen worden ist (§ 6 abs. 1 satz 1 verwaltungsgerichtsordnung – vwgo). 23die zulässige klage ist nicht begründet. der angefochtene bescheid ist rechtswidrig und verletzt den kläger nicht in seinen rechten (§ 113 abs. 1 satz 1 vwgo). 24die voraussetzungen der § 3 abs. 1 satz 1, § 4 abs. 5 satz 1 nr. 3 stvg sind erfüllt. 25nach § 3 abs. 1 satz 1 stvg ist die fahrerlaubnis – zwingend – zu entziehen, wenn sich ihr inhaber als ungeeignet zum führen von kraftfahrzeugen erweist. nach § 4 abs. 5 satz 1 nr. 3 stvg gilt der inhaber einer fahrerlaubnis als ungeeignet zum führen von kraftfahrzeugen, wenn sich für ihn im fahrereignungsregister acht oder mehr punkte ergeben. diese voraussetzung ist für den kläger erfüllt. 26bei der berechnung der punkte ist die beklagte nach § 4 abs. 5 satz 4 stvg an die ihr durch das kraftfahrtbundesamt mitgeteilten rechtskräftigen entscheidungen gebunden. sie hat die eingetragenen verstöße jeweils zutreffend nach § 40 in verbindung mit der anlage 13 der fahrerlaubnisverordnung (fev) mit punkten bewertet. 27mit schreiben vom 27. oktober 2016 hat die beklagte den kläger nach gemäß § 4 abs. 5 satz 1 nr. 1 stvg ordnungsgemäß ermahnt, als er die maßnahmenstufe von vier bis fünf punkten – nämlich fünf aufgrund der verkehrszuwiderhandlungen vom 10. mai 2015, 18. januar 2018, 26. februar 2016 und 31. august 2016 – erreicht hatte. 28dabei kommt es nicht darauf an, dass die beklage bei abfassen der verwarnung am 27. oktober 2016 noch von einem punktestand von vier ausging, weil der mit der geschwindigkeitsüberschreitung vom 31. august 2016 erworbene punkt erst am 31. oktober 2016 im fahrerlaubnisregister gespeichert und ihr erst nach diesem zeitpunkt mitgeteilt worden war. maßgebend für die rechtmäßigkeit einer maßnahme nach § 4 abs. 5 satz 1 stvg sind die im fahrerlaubnisregister eingetragenen und der fahrerlaubnisbehörde im zeitpunkt der bearbeitung nach § 4 abs. 8 stvg vom kraftfahrtbundesamt übermittelten zuwiderhandlungen. 29vgl. bverwg, urteil vom 26. januar 2017 – 3 c 21/15 –, juris rn. 22 ff. = bverwge 157, 235. 30ob seit der letzten mitteilung des kraftfahrtbundesamts an die fahrerlaubnisbehörde bereits weitere punkte hinzugekommen sind, ist unerheblich. 31vgl. dauer, in: hentschel/könig/dauer, straßenverkehrsrecht, 44. auflage 2017, § 4 rn. 71 m.w.n. 32etwas anderes ergibt sich nicht aus der funktion der maßnahmenstufen. 33im bis zum 30. april 2014 geltenden mehrfachtäter-punktsystem hatte das bundesverwaltungsgericht der stufenfolge in § 4 abs. 5 satz 1 stvg eine „warnfunktion“ beigemessen und daraus hergeleitet, dass die maßnahmen den fahrerlaubnisinhaber „möglichst frühzeitig und insbesondere noch vor eintritt in die nächste stufe erreichen“ sollten, damit ihm die „möglichkeit der verhaltensänderung“ effektiv eröffnet werde. 34vgl. bverwg, urteil vom 25. september 2008 – 3 c 3.07 –, juris rn. 33 = bverwge 132, 48. 35selbst wenn sich aus dieser warnfunktion für die alte rechtslage – namentlich für die maßnahmen nach § 4 abs. 3 satz 1 nr. 1 und nr. 2 stvg a.f. – ergeben haben sollte, dass die maßnahmenstufe nur dann ordnungsgemäß durchlaufen war, wenn der von der behörde ihrem kenntnisstand entsprechend zugrunde gelegte punktestand auch im zeitpunkte des zugangs beim betroffenen noch zutreffend war, 36vgl. dagegen etwa ovg lüneburg, urteil vom 23. januar 2014 – 12 lb 46/13 –, juris rn. 22, 23 („die beklagte war nicht gehalten, vor erlass der verwarnung erneut beim kraftfahrt-bundesamt nachzufragen, ob zwischenzeitlich weitere eintragungen erfolgt sind.“ und „aus den dargelegten gründen müssen die angaben etwa in der verwarnung nicht den eintragungen im verkehrszentralregister entsprechen.“). 37so gilt dies nach der gesetzlichen neuregelung jedenfalls nicht mehr. von der vom bundesverwaltungsgericht entwickelten „warnfunktion“ der maßnahmenstufen hat sich der gesetzgeber für das seit dem 1. mai 2014 geltende fahreignungs-bewertungssystem bewusst abgesetzt. bei fahrerlaubnisinhabern, die sich durch eine anhäufung von punkten durch innerhalb kurzer zeit begangene verkehrsverstöße als ungeeignet erwiesen haben, sollen die verkehrssicherheit und das ziel, die allgemeinheit vor ungeeigneten fahrern zu schützen, vorrang vor dem erziehungsgedanken haben. die erziehungswirkung liege – so der ausschuss für verkehr und digitale infrastruktur zur begründung der vorgeschlagenen und im gesetzgebungsverfahren angenommenen änderungen des regierungsentwurfs – dem gesamtsystem als solchem zu grunde, während die stufen in erster linie der information des betroffenen dienten. die maßnahmen stellten somit lediglich eine information über den stand im system dar. maßgeblich sei der kenntnisstand der behörde bei der bearbeitung. 38vgl. bt-drs. 18/2775, s. 9 f.; bverwg, urteil vom 26. januar 2017 – 3 c 21/15 –, juris rn. 23 = bverwge 157, 235. 39dieser funktion zur schlichten information entspricht, dass ermahnung und verwarnung kein verwaltungsakt sein, weil sei keine regelung treffen, und der mitgeteilte punktestand nicht in rechtskraft erwächst. 40vgl. dauer, in: hentschel/könig/dauer, straßenverkehrsrecht, 44. auflage 2017, § 4 rn. 72. 41entgegen der auffassung des klägers muss sich die fahrerlaubnisbehörde auch nicht das wissen einer ihr im maßnahmensystem vorgelagerten stelle – etwa des kraftfahrtbundesamts oder der die entscheidungen an das kraftfahrtbundesamt übermittelnden bußgeldstelle – zurechnen lassen. 42eine zurechnung von wissen liefe der konzeption des gesetzgebers zuwider, nach der gerade auf den kenntnisstand der fahrerlaubnisbehörde als der gemäß landesrecht zuständigen behörde nach der aufgrund von § 4 abs. 8 stvg erfolgten mitteilung der eintragungen durch das kraftfahrtbundesamt abgestellt werden soll. 43vgl. bverwg, urteil vom 26. januar 2017 – 3 c 21/15 –, juris rn. 26 = bverwge 157, 235. 44etwas anderes gilt entgegen der auffassung des klägers auch dann nicht, wenn es sich um eintragungen von entscheidungen handelt, die die bußgeldstelle der beklagten gebietskörperschaft getroffen hat, wenn also die bußgeldstelle, um deren entscheidung es geht, und die fahrerlaubnisbehörde demselben rechtsträger unterstehen. der vom kläger angeführte, zu den allgemeinen grundsätzen des verwaltungsrechts gehörende grundsatz von treu und glauben, 45vgl. bverwg, beschluss vom 1. april 2004 – 4 b 17/04 –, juris, 46gebietet auch innerhalb eines rechtsträgers nicht, der zuständigen behörde die kenntnis einer nicht zuständigen zuzurechnen. selbst innerhalb einer behörde hat der große senat des bundesverwaltungsgericht es abgelehnt, dem nach der innerbehördlichen geschäftsverteilung zuständigen amtswalter die kenntnis eines nach der innerbehördlichen geschäftsverteilung nicht zuständigen zuzurechnen. 47vgl. bverwg, beschluss vom 19. dezember 1984 – grsen 1/84, grsen 2/84 –, juris rn. 22. 48etwas anderes könnte ausnahmsweise dann gelten, wenn ein berufen auf die unkenntnis wegen besonderer umstände des einzelfalls als rechtsmissbräuchlich einzustufen wäre. dies könnte zum beispiel der fall sein, wenn die mitteilung des kraftfahrtbundesamts nicht nur verzögert erfolgt, sondern die verzögerung willkürlich geschieht mit dem ziel, eine punktereduktion zu verhindern. 49vgl. bayvgh, beschluss vom 28. april 2016 – 11 cs 16.537 –, juris rn. 13; offenlassend: bverwg, urteil vom 26. januar 2017 – 3 c 21/15 –, juris rn. 26 = bverwge 157, 235. 50darauf kommt es hier aber nicht an. anhaltspunkte für einen solchen rechtsmissbrauch bestehen nicht. 51die nach § 4 abs. 5 satz 1 nr. 2 stvg bei einem punktestand von 6 bis 7 vorzunehmende verwarnung hat die beklagte mit dem schreiben vom 18. juni 2018 ausgesprochen. zu diesem zeitpunkt waren der beklagen aufgrund der mitteilung des kraftfahrtbundesamts vom 14. mai 2018 7 punkte bekannt. 52mit der zuwiderhandlung vom 10. dezember 2016, rechtskräftig geahndet seit dem 7. februar 2018, waren zu den bis dahin 5 punkten nämlich 2 weitere dazugekommen. am 1. märz 2018 trat die tilgung des für die geschwindigkeitsüberschreitung vom 10. mai 2015, rechtskräftig geahndet seit dem 1. september 2015, erworbenen punktes ein. damit fiel der kläger auf 6 punkte zurück. diese tilgung hat die beklagte zutreffend zugunsten des klägers berücksichtigt. diese zuwiderhandlung wird in der verwarnung nicht berücksichtigt. aufgrund der zuwiderhandlung vom 29. september 2017, rechtskräftig geahndet seit dem 16. april 2018, erwarb der kläger einen weiteren, nämlich siebten, punkt. 53darauf, dass der kläger im zeitpunkt der bearbeitung der vom 18. juni 2018 datierten verwarnung wegen der zuwiderhandlung vom 7. april 2018, rechtskräftig geahndet seit dem 23. mai 2018, bereits einen weiteren – achten – punkt erworben hatte, kommt es nicht an. maßgebend für die rechtmäßigkeit einer maßnahme nach § 4 abs. 5 satz 1 stvg sind – wie ausgeführt – die im fahrerlaubnisregister eingetragenen und der fahrerlaubnisbehörde im zeitpunkt der bearbeitung nach § 4 abs. 8 stvg vom kraftfahrtbundesamt übermittelten zuwiderhandlungen. 54vgl. bverwg, urteil vom 26. januar 2017 – 3 c 21/15 –, juris rn. 22 ff. = bverwge 157, 235. 55dieser achte punkt war der beklagten im zeitpunkt der bearbeitung der verwarnung nicht bekannt. die mitteilung des kraftfahrtbundesamts hat sie – ausweislich des eingangsstempels – erst am 19. juni 2018 erhalten. eine zurechnung der kenntnis der bußgeldstelle findet – wie ausgeführt – nicht statt. 56die verwarnung nach § 4 abs. 5 satz 1 nr. 2 stvg ist damit ordnungsgemäß erfolgt. eine punktereduktion nach § 4 abs. 6 satz 3 nr. 2 stvg kommt dem kläger deshalb nicht zugute. die beklagte ist zu recht von einem stand von acht punkten ausgegangen. 57die in der ordnungsverfügung enthaltene aufforderung, den führerschein unverzüglich bei der beklagten abzugeben findet ihre rechtsgrundlage in § 3 abs. 2 satz 3 stvg. 58die zugehörige zwangsgeldandrohung genügt den anforderungen der §§ 55 abs. 1, 57 abs. 1 nr. 2, 60, 63 abs. 1 vwvg nrw und begegnet keinen rechtlichen bedenken. 59die gebührenfestsetzung begegnet keinen durchgreifenden bedenken. 60die kostenentscheidung beruht auf § 154 abs. 1 vwgo. 61die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 abs. 1 satz 1 vwgo i.v.m. § 708 nr. 11, 711 der zivilprozessordnung (zpo). | Verklagte*r | 0 |
120,515 | 1 O 488/15 | 2016-10-28T00:00:00 | Urteil | Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. 1Tatbestand: 2Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz für den Wertverlust seiner Wasserkraftanlage wegen geringerer Zuflussmengen von Wasser und dem daraus resultierenden geringeren Kaufpreis für sein Grundstück. 3Der Kläger war Eigentümer des T2er Mühlengrabens im Bereich der Stadt V, Stadtteil T2, auf einer Länge von ca. 1,6 km beginnend etwa 150 m östlich des Durchlassbauwerkes unter der A ## bis etwa 100 m oberhalb der Fer Mühle im Stadtteil V-F. Das Eigentum bezog sich auf die Parzellen des Mühlengrabens, eingetragen im Grundbuch von V, Gemarkung T2, Flur #, Flurstücke # und ##, sowie Flur #, Flurstück ###. Außerdem war der Kläger Eigentümer baulicher wie technischer Einrichtungen einer Anlage zur Nutzung der Wasserkraft und insbesondere der Wasserkraftturbine auf dem Grundstück Gemarkung T2, Flur #, Flurstück ###. Nach einem Eintrag im Wasserbuchblatt vom 15.03.1921 bzw. vom 12.01.1976 (Anlage K3) war der Kläger bzw. sein Rechtsvorgänger Herr T berechtigt, „zur Gewinnung von Kraft für die auf Flur #, Nr. ###, der Gemarkung T2 gelegenen Mühle, den T2er Mühlengraben auf Flur #, Nr. ##, durch einen beweglichen und einen unbeweglichen Überlauf anzustauen.“ 4Das Wasser im T2er Mühlengraben wird aus dem Staubereich der B abgeleitet. Zur Regelung der Ableitungsmenge aus der B in den Mühlengraben wird die Wasserentnahme mittels einer im Eigentum der N GmbH und Co. KG befindlichen Schütztafelanlage am Beginn des Mühlengrabens gesteuert. Bis 1989 wurde die vormals klägerische Wasserkraftanlage mit der Ableitungsmenge aus der B zum Betrieb einer Mahlmühle genutzt. Im Folgenden hielt der Kläger sie betriebsbereit, nutzte sie aber nicht. 5Im Jahr 2004 verzog der Kläger von V nach L. 6Nachdem die ursprüngliche Genehmigung abgelaufen war, beantragten die N bei der Bezirksregierung L2 (obere Wasserbehörde) am 30.08.2005 die erneute Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung zur Ableitung von Oberflächenwasser mittels einer Schützanlage aus der B in den T2er Mühlengraben sowie zur Entnahme von Oberflächenwasser aus dem T2er Mühlengraben mittels eines Pumpwerkes, um es zu Kühlwasserzwecken zu verwenden (Entnahmerecht). Der vorgenannte Antrag lautete auf eine Ableitungsmenge von Oberflächenwasser aus der B in den T2er Mühlengraben mit einer Menge von 6 m³/s (Anlage K 6). Parallel beantragten die N bei der Unteren Wasserbehörde des Rhein-Sieg Kreises die Neuerteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung zum Aufstau der B zum Zwecke der Ableitung des T2er Mühlengrabens und zum Aufstau des T2er Mühlengrabens auf dem Firmengelände zur Ermöglichung der Betriebswasserentnahme (Staurecht). 7Die Stadt V machte nach Aufforderung der beiden beteiligten Behörden die Anträge ortsüblich im Amtsblatt der Stadt V vom 13.09.2005 bekannt (Anlage K 7). Eine öffentliche Bekanntmachung in L erfolgte nicht. Die Unterlagen wurden vom 21.09.2005 bis zum 20.10.2005 in den Amtsstuben der Stadt V ausgelegt. 8Eine individuelle förmliche Zustellung erhielt der Kläger nur hinsichtlich des Vorhabens „Anstauung“. Diesbezüglich wurde er auch zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert und zu einem Erörterungstermin geladen (Anlage K 14, 15). 9Der Kläger nahm in dem Verfahren „Anstauung“ Akteneinsicht und reichte am 18.10.2005 eine Stellungnahme (Anlage B 5) mit folgendem Wortlaut ein: „…stimme ich dem Antrag der N GmbH und Co. KG zu, wenn gewährleistet ist, dass für den Betrieb, die Unterhaltung und die ungeschmälerte Wasserführung des Mühlengrabens keine Beeinträchtigungen entstehen.“ 10Am 12.12.2005 nahm der Kläger vormittags an dem Erörterungstermin hinsichtlich des Verfahrens „Anstauung“ teil. An dem für den Nachmittag anberaumten Erörterungstermin betreffend das Verfahren „Entnahmerecht“ nahm der Kläger hingegen nicht teil, wobei die Gründe hierfür zwischen den Parteien streitig sind. 11Am 30.12.2005 bewilligte die Bezirksregierung L2 den Antrag der N zur Ableitung von Wasser aus der B in den T2er Mühlengraben und Entnahme von Wasser aus dem T2er Mühlengraben zu Kühlwasserzecken. Hierbei wurde die N GmbH & Co KG mit der Bewilligung abweichend von ihrem Antrag berechtigt, max. 2,1 m³/s in den T2er Mühlengraben einzuleiten (Anlage K8). In der Bewilligung heißt es auf S. 18 f wörtlich: „Die Ableitungsmenge aus der B in den T2er Mühlengraben wird entgegen dem Antrag nicht in einer Menge von 6 m³/s sondern in einer Menge von 2.100 l/s bewilligt. Die Pegeldaten seit Inbetriebnahme des Pegels am neuen Standort im T2er Mühlengraben, der aus wasserwirtschaftlichen Gründen (Verwirbelungen im Einlaufbereich des Mühlengrabens) seit 1998/1999 hinter der Kühlwasserentnahme und -einleitungsstelle der Antragstellerin angeordnet ist, belegen, dass der mittlere Abfluss am Pegel im Mühlengraben zwischen 1999 und 2004 bei 937 l/s lag und selbst bei Hochwasserabfluss (HQ) 1,66 m³/s nicht überschritten wurden. Die von der Antragstellerin beantragte Ableitungsmenge aus der B in den T2er Mühlengraben in einer Menge von 6 m³/s scheint historisch begründet zu sein, da diese Menge seit den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts immer wieder beantragt wurde. Eine Bedarfsbegründung für diese mit den tatsächlichen Abflussverhältnissen am Ableitungsbauwerk in den T2er Mühlengraben nicht korrespondierende Wassermenge konnte jedoch weder von der Antragstellerin erbracht noch aus den alten Wasserbuchakten ermittelt werden. Aus diesem Grund wird die zulässige Ableitungsmenge aus der B nunmehr unter Zugrundelegung des tatsächlich über mehrere Jahre als HQ belegten Abflusswertes 1,66 m³/s am Pegel T2er Mühlengraben zuzüglich der benötigten Kühlwassermenge i.H.v. 445 l/s auf insgesamt 2.100 l/s festgelegt. Darüber hinaus wird der Antragstellerin mit diesem Bescheid aufgegeben, sicherzustellen, dass nicht mehr als die Hälfte der am Teilungswehr in der B ankommenden Wassermenge aus der B in den T2er Mühlengraben gelangen kann.“ 12Mit Schreiben vom 04.01.2012 bat der Kläger die Bezirksregierung L2 um eine Erörterung hinsichtlich der Problematik der geringeren Zuflussmenge von Wasser zu seiner Wasserkraftanlage und nahm Akteneinsicht in die Verfahrensakten zum Bewilligungsverfahren „Ableitung von Wasser aus der B in den T2er Mühlengraben und Entnahme von Wasser aus dem T2er Mühlengraben“. Die nachfolgenden Besprechungen mit Mitarbeitern der Bezirksregierung L2 führten nicht zu einer einvernehmlichen Lösung. 13Mit Notarvertrag vom 08.05.2014 veräußerte der Kläger sein Eigentum an den Grundstücken Gemarkung T2, Flur #, Flurstücke # und ##, sowie Flur #, Flurstück ### sowie die mit der Wasserbenutzungsanlage zusammenhängenden Wasser-, Anstau- und Fischereirechte. 14Der Kläger behauptet unter Bezugnahme auf historische Unterlagen (Anlagen K 12-13), bis zu der Reduzierung der Ablassmenge in der Bewilligung der Bezirksregierung L2 sei über Jahrzehnte hinweg die Wasserzufuhr für die von ihm betriebene Wasserkraftanlage durch eine Ableitungsmenge von Wasser aus der B von bis zu 6 m³/s sichergestellt gewesen. Andernfalls hätte die Mühle bis 1989 auch gar nicht betrieben werden können. Da er zuvor nach L verzogen sei, habe er keine Kenntnis von dem Bewilligungsverfahren betreffend das Entnahmerecht der N erlangt. Die geänderte Ablassmenge habe er erst sukzessive bemerkt und daraufhin Nachforschungen angestellt bis er schließlich Kenntnis von der Bewilligung vom 30.12.2005 erlangt habe. Der erzielte Kaufpreis sei entsprechend der geminderten Wasserfuhr und der damit verminderten Kapazität der Wasserkraftanlage erheblich geringer ausgefallen, da er sich die geminderte Umsatzaussicht beim Verkauf habe entgegenhalten lassen müssen. Mit der zum Zeitpunkt des Verkaufs eingebauten Turbine hätte er einen jährlichen Umsatz von etwa 27.432 € erzielen können, den er bei dem Verkauf dann mindestens als Mehrerlös erhalten hätte. Zudem habe das Wasserrecht einen wirtschaftlichen Wert, der um ein Vielfaches, mindestens jedoch um den geltend gemachten Klagebetrag höher gewesen wäre, wenn die Zuflussmenge zu der Wasserkraftanlage nicht durch den Bewilligungsbescheid der Beklagten erheblich reduziert worden wäre. 15Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünde daher ein Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB iVm Art. 34 GG zu. Der Beklagte habe seine Amtspflichten schuldhaft verletzt, da er ihn weder nach den Förmlichkeiten des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens, noch nach § 73 Abs. 5 S. 3 VwVfG NRW als Betroffenen individuell benachrichtigt habe, obwohl ihm dies mit vertretbarem Aufwand möglich gewesen wäre. Im Falle einer individuellen Benachrichtigung hätte er seine Belange - die Beibehaltung einer Abflussmenge von 6m³/s - geltend machen können, die dann auch zwingend im Rahmen der Abwägung hätten berücksichtigt werden müssen. Aufgrund seiner bestehenden alten Wasserrechte hätte die Entscheidung zwingend zu seinen Gunsten ausfallen müssen. 16Er beantragt, 171. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 30.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 20.01.2016 zu zahlen; 182. hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen angemessenen Schadensersatz für den Wertverlust der Wasserkraftanlage wegen geringerer Zuflussmengen von Wasser nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 20.01.2016 zu zahlen. 19Der Beklagte beantragt, 20 die Klage abzuweisen. 21Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung, da der Kläger bereits im Jahr 2005 über beide Verfahren informiert gewesen sei. Er ist der Ansicht, dass es einer individuellen Benachrichtigung nicht bedurfte, da der Kläger nicht Betroffener i. S. d. § 11 Abs. 2 WHG i. V. m. § 73 Abs. 5 VwVfG NRW sei. Dies ergebe sich schon daraus, dass die tatsächliche Ableitungsmenge durch den Bescheid vom 30.12.2005 nicht verändert worden sei. Ausweislich der Pegelmessungen habe sich der Wasserzulauf in den Jahren 1999 bis in das Jahr 2010 nicht verändert (Anlage B 7). Unabhängig davon, hätte der Kläger in dem Bewilligungsverfahren keine Belange vortragen können, die zwingend zu berücksichtigen gewesen wären. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf eine bestimmte Wassermenge und deren Benutzung, sondern lediglich ein Recht zum Aufstauen des Wassers zu. Zudem könne ein etwaiges Wasserrecht nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 WHG entschädigungslos widerrufen werden, wenn die Benutzung – wie vorliegend - drei Jahre ununterbrochen nicht ausgeübt worden sei. Darüber hinaus sei ein Anspruch nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Schließlich fehle es an einer substantiierten Darlegung des Schadens. 22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. 23Entscheidungsgründe: 24Die zulässige Klage ist nicht begründet. 25Dem Kläger steht ein Anspruch gegen den Beklagten gemäß § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG weder nach dem Haupt- noch nach dem Hilfsantrag zu. 26Es kann dahinstehen, ob dem Beklagten eine drittbezogene Amtspflichtverletzung anzulasten ist. Denn es fehlt jedenfalls an einem Zurechnungszusammenhang zwischen einer (eventuellen) Amtspflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden. Zu ersetzen ist, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm, nur der Schaden, dessen Verhinderung die verletzte Amtspflicht dienen soll. Der Betroffene ist so zu stellen, als hätte sich der Amtsträger pflichtgemäß verhalten. Maßgeblich ist also, wie sich in diesem Fall die Vermögenslage des Betroffenen entwickelt hätte. Kommt es darauf an, wie eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung hypothetisch ausgefallen wäre, ist darauf abzustellen, wie sie nach Auffassung des über den Ersatzanspruch urteilenden Gerichts richtigerweise hätte getroffen werden müssen (Sprau in Palandt, 75. Auflage 2015, BGB, § 839 Rn. 77). 27Selbst wenn der Kläger nach seinem Vortrag an dem Bewilligungsverfahren „Ableitung von Wasser aus der B in den T2er Mühlengraben und Entnahme von Wasser aus dem T2er Mühlengraben“ mangels Benachrichtigung nach § 11 Abs. 2 WHG i. V. m. § 73 Abs. 5 S. 3 VwVfG NRW nicht ordnungsgemäß beteiligt worden wäre, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Bewilligung vom 30.12.2005. 28Welche Rechtsfolgen Verfahrensfehler im Anhörungsverfahren nach sich ziehen, richtet sich zunächst nach den einschlägigen Vorschriften des jeweiligen Fachplanungsgesetzes, ergänzend nach den §§ 72 bis 78 VwVfG und, soweit sich aus diesen nichts Abweichendes ergibt, nach den allgemeinen Vorschriften des VwVfG, insbesondere nach den §§ 44, 45, 46 VwVfG (NRW). Der jeweilige Kläger muss durch die Verletzung der Verfahrensvorschrift in seinen eigenen Rechten verletzt sein. Die Verfahrensvorschriften über die Beteiligung Dritter gewähren Drittschutz grundsätzlich nicht um dieser Beteiligung selbst willen, sondern nur zur bestmöglichen Verwirklichung der materiellrechtlichen Rechtspositionen, die dem Beteiligungsrecht zugrunde liegen. Das sind die drittschützenden materiellrechtlichen Anforderungen, die für die Zulassung des Vorhabens entscheidungserheblich sind, einschließlich des Rechts auf gerechte Abwägung der eigenen planbetroffenen Belange. Der Verfahrensfehler muss sich auf diese materiellrechtlichen Rechtspositionen des Klägers tatsächlich ausgewirkt haben. Der Kläger muss deshalb durch den Bewilligungsbescheid überhaupt in eigenen materiellen Rechten betroffen sein. Das ist nicht der Fall, wenn ihm materielle Abwehrrechte gegen das Vorhaben von vornherein nicht zustanden oder er diese infolge Präklusion nicht mehr geltend machen kann (Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, 8. Auflage 2014, VwVfG, § 73 Rn. 143 ff). 29Ein materielles Abwehrrecht des Klägers gegen die Bewilligung des Beklagten vom 30.12.2005, die eine Ableitungsmenge aus der B in den T2er Mühlengraben von lediglich 2,100 l/s vorsieht, besteht nicht. 30Wie bereits das Landgericht Bonn mit Beschluss vom 18.03.2015, Az. 3 O 342/13, bestätigt durch das OLG Köln, Beschluss vom 12.05.2015, Az. 3 W 21/15, in dem Parallelverfahren des Klägers gegen die N GmbH und Co. KG zutreffend festgestellt hat, steht dem Kläger kein Anspruch auf Ableitung einer Wassermenge von bis zu 6m³/s zu. 31Ein solcher Anspruch ergibt sich bereits nicht aus dem Institut der unvordenklichen Verjährung gemäß des Beschlusses des Preußischen OVG vom 01.06.1933. Hieraus folgt allenfalls, dass die Rechte des Inhabers der T2er Mühle vor den Rechtspositionen der Rechtsvorgängerin der N bestanden haben können. Positive Rechte des Klägers sind aus diesem Beschluss hingegen nicht ableitbar. Erst recht ergibt sich hieraus nicht ein Anspruch auf die Zuleitung einer bestimmten Menge Oberflächenwasser. Soweit in dem Beschluss des Preußischen OVG vom 01.06.1933 von 6 m³/s Oberflächenwasser die Rede ist, betrifft dies nach dem Wortlaut des Beschlusses lediglich ein der Rechtsvorgängerin der N vom Bezirksausschuss L2 eingeräumtes Recht. Ein Anspruch des Klägers auf diese Menge lässt sich hieraus aber nicht herleiten. 32Einen Anspruch aus § 42 PrWG kann der Kläger ebenfalls nicht begründen, weil ihm nicht in dem dort beschriebenen Maße Wasser entzogen wurde, sondern lediglich nicht so viel Wasser wie gewünscht zugeleitet wird. 33Der Kläger ist auch nicht Inhaber alter Wasserrechte nach § 20 Abs. 1 WHG im Sinne eines Wasserentnahmerechts. Aus dem Wasserbuchblatt vom 12.01.1976 ergibt sich lediglich die Berechtigung des Klägers zum Anstauen von Wasser für den Betrieb der Mühle, nicht aber ein Anspruch auf Zuleitung einer bestimmten Wassermenge durch den Beklagten bzw. ein über sein Staurecht hinausgehendes Wasserbenutzungsrecht. Auch nach der Rechtsprechung besteht grundsätzlich kein Anspruch auf ein bestimmtes Wasserdargebot. Selbst der Wasserrechtsinhaber hat keinen Anspruch auf ein bestimmtes, von dem Beklagten zu gewährleistendes Wasserdargebot und kann sich nicht gegen eine Ableitung von Wasser wenden (Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 09.12.2014, Az.4 A 184/13, Bl.### ff d. A.). Insofern steht dem Kläger auch kein Entschädigungsrecht nach § 20 Abs. 2 S. 1 WHG zu. 34Ob ein materielles Abwehrrecht des Klägers gegen die Bewilligung der Beklagten besteht, kann aber letztlich dahinstehen, da ein Schadensersatzanspruch jedenfalls nach § 839 Abs.3 BGB ausgeschlossen ist. Nach § 839 Abs. 3 BGB tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Verletzte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Der Kläger hätte nach Kenntnis des Bewilligungsbescheids der Bezirksregierung L2 vom 30.12.2005, also spätestens nach Akteneinsicht im Jahr 2012, (Dritt-) Anfechtungsklage erheben können. 35Dieser Rechtsbehelf stellt ein Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB dar. Der Begriff des Rechtsmittels im Sinne dieser Vorschrift ist nicht im engen technischen Sinne zu verstehen, sondern weit zu fassen. Darunter fallen alle Rechtsbehelfe, die sich gegen eine Amtspflichtverletzung darstellende Handlung richten und sowohl deren Beseitigung oder Berichtigung als auch die Abwendung des Schadens zum Ziel haben (Papier in Münchener Kommentar, 6. Auflage 2013, BGB, § 839 Rn. 331). Hierzu gehört insbesondere die verwaltungsgerichtliche Klage. 36Der Kläger hat einen Rechtsbehelf nicht ergriffen. Das einfache formlose Schreiben an die zuständige Behörde mit der Bitte um Abhilfe, stellt keinen im vorliegenden Fall zur Abwendung des Schadens geeigneten Rechtsbehelf dar. Zwar sind grundsätzlich auch formlose Rechtsbehelfs als Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB anzusehen (BGH NJW 1978, 1522, 1523). Auch kann vom Bürger nicht verlangt werden, von vornherein förmliche Rechtsbehelfe zu ergreifen, er kann beispielsweise zunächst versuchen, die Behörde durch Verhandlungen zu einer für ihn günstigen Entscheidung zu bewegen. Er darf sich allerdings dann nicht mehr hierauf beschränken, wenn die Erfolgslosigkeit dieses Vorgehens erkennbar wird (Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 16.05.2001, Az. 1 U 93/00, zitiert nach juris). So lag es im vorliegenden Fall. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass die zuständige Beamtin ihm mit Schreiben vom 23.03.2012 mitgeteilt hat, dass die Behörde an dem Bescheid vom 30.12.2005 festhält. Damit konnte der Kläger erkennen, dass er mit seiner Bitte bei der Bezirksregierung wohl nicht würde durchdringen können. Darüber hinaus bedurfte es einer Überprüfung der Bewilligung im Rahmen eines behördliches Vorverfahren im Sinne des § 68 VwGO nach § 110 JustizG NRW gerade nicht. 37Dass der Bewilligungsbescheid dem Kläger nie förmlich zugestellt worden ist, ist für die Versäumung, ein Rechtsmittel einzulegen, unerheblich. Zwar ersetzt die zufällige Kenntnisnahme des Klägers von dem Bewilligungsbescheid nicht die Zustellung. Der Zeitpunkt der Zustellung ist aber in erster Linie für die Fristberechnung im Rahmen des § 74 VwGO relevant. Mangels förmlicher Zustellung ist die Monatsfrist des § 74 VwGO nicht in Gang gesetzt worden. Gleichwohl hatte der Kläger unstreitig nach seiner Akteneinsicht Anfang 2012 Kenntnis von dem Verwaltungsakt. Ab diesem Zeitpunkt hätte er nach den Grundsätzen der Verwirkung binnen Jahresfrist Anfechtungsklage erheben können (vgl hierzu Meissner in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 30. EL Februar 2016, § 74 Rn. 47 ff). 38Die Anwendung des § 839 Abs. 3 VwGO scheitert auch nicht deshalb, weil die unterlassene Einlegung des Rechtsmittels für den Schaden nicht ursächlich gewesen wäre. Sofern der Kläger einwendet, dass ein verwaltungsgerichtliches Verfahren aufgrund einer Anfechtungsklage in dem Zeitraum zwischen der Kenntnis von dem streitgegenständlichen Bewilligungsbescheid bis zum Zeitpunkt der Veräußerung der Wasserrechte angesichts der üblichen Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren nicht letztinstanzlich entschieden worden wäre, sodass der Schaden mit einer Anfechtungsklage nicht hätte abgewendet werden können, verfängt dies nicht. § 839 Abs. 3 BGB ist Ausdruck des für das Staatshaftungsrecht allgemein charakteristischen Vorrangs des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtschutzes. Dem Verletzten soll auf diese Weise die zu missbilligende Wahlmöglichkeit genommen werden, entweder den rechtswidrigen Hoheitseingriff mit den ordentlichen Rechtsschutzmitteln abzuwehren oder aber diesen (freiwillig) zu dulden und zu liquidieren. Es gilt gerade nicht das Prinzip „dulde und liquidiere“ (vgl. T. Mayen in Ermann BGB, 14. Auflage 2014, § 839, Rn.84). Der Kläger hat es versäumt, das vermeintlich staatliche Unrecht mit Rechtsbehelfen des voll ausgebildeten verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes abzuwehren. Zudem hat er nicht vortragen, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, das streitgegenständliche Grundstück auch später, nach Durchführung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, zu veräußern. 39Anschließend an die vorstehenden Erwägungen bleibt auch für einen Entschädigungsanspruch nach § 39 OBG kein Raum. Danach ist ein Schaden, den jemand durch Maßnahmen der Ordnungsbehörden erleidet, zu ersetzen, wenn er u. a. durch rechtswidrige Maßnahmen, gleichgültig ob die Ordnungsbehörde ein Verschulden trifft oder nicht, entstanden ist. Auch für einen solchen Entschädigungsanspruch gilt jedoch, dass der Betroffene von den sich bietenden Möglichkeiten des Primärrechtschutzes Gebrauch machen muss und andernfalls in einem nachfolgenden Zivilprozess Entschädigungsansprüche nicht mit Erfolg geltend machen kann (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, aaO, m.w.N.). 40Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO. 41Streitwert: 30.000 € | 1. die klage wird abgewiesen. 2. die kosten des rechtsstreits trägt der kläger. 3. das urteil ist gegen sicherheitsleistung in höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig vollstreckbar. 1 | 2der kläger verlangt von dem beklagten schadensersatz für den wertverlust seiner wasserkraftanlage wegen geringerer zuflussmengen von wasser und dem daraus resultierenden geringeren kaufpreis für sein grundstück. 3der kläger war eigentümer des t2er mühlengrabens im bereich der stadt v, stadtteil t2, auf einer länge von ca. 1,6 km beginnend etwa 150 m östlich des durchlassbauwerkes unter der a ## bis etwa 100 m oberhalb der fer mühle im stadtteil v-f. das eigentum bezog sich auf die parzellen des mühlengrabens, eingetragen im grundbuch von v, gemarkung t2, flur #, flurstücke # und ##, sowie flur #, flurstück ###. außerdem war der kläger eigentümer baulicher wie technischer einrichtungen einer anlage zur nutzung der wasserkraft und insbesondere der wasserkraftturbine auf dem grundstück gemarkung t2, flur #, flurstück ###. nach einem eintrag im wasserbuchblatt vom 15.03.1921 bzw. vom 12.01.1976 (anlage k3) war der kläger bzw. sein rechtsvorgänger herr t berechtigt, „zur gewinnung von kraft für die auf flur #, nr. ###, der gemarkung t2 gelegenen mühle, den t2er mühlengraben auf flur #, nr. ##, durch einen beweglichen und einen unbeweglichen überlauf anzustauen.“ 4das wasser im t2er mühlengraben wird aus dem staubereich der b abgeleitet. zur regelung der ableitungsmenge aus der b in den mühlengraben wird die wasserentnahme mittels einer im eigentum der n gmbh und co. kg befindlichen schütztafelanlage am beginn des mühlengrabens gesteuert. bis 1989 wurde die vormals klägerische wasserkraftanlage mit der ableitungsmenge aus der b zum betrieb einer mahlmühle genutzt. im folgenden hielt der kläger sie betriebsbereit, nutzte sie aber nicht. 5im jahr 2004 verzog der kläger von v nach l. 6nachdem die ursprüngliche genehmigung abgelaufen war, beantragten die n bei der bezirksregierung l2 (obere wasserbehörde) am 30.08.2005 die erneute erteilung einer wasserrechtlichen bewilligung zur ableitung von oberflächenwasser mittels einer schützanlage aus der b in den t2er mühlengraben sowie zur entnahme von oberflächenwasser aus dem t2er mühlengraben mittels eines pumpwerkes, um es zu kühlwasserzwecken zu verwenden (entnahmerecht). der vorgenannte antrag lautete auf eine ableitungsmenge von oberflächenwasser aus der b in den t2er mühlengraben mit einer menge von 6 m³/s (anlage k 6). parallel beantragten die n bei der unteren wasserbehörde des rhein-sieg kreises die neuerteilung einer wasserrechtlichen bewilligung zum aufstau der b zum zwecke der ableitung des t2er mühlengrabens und zum aufstau des t2er mühlengrabens auf dem firmengelände zur ermöglichung der betriebswasserentnahme (staurecht). 7die stadt v machte nach aufforderung der beiden beteiligten behörden die anträge ortsüblich im amtsblatt der stadt v vom 13.09.2005 bekannt (anlage k 7). eine öffentliche bekanntmachung in l erfolgte nicht. die unterlagen wurden vom 21.09.2005 bis zum 20.10.2005 in den amtsstuben der stadt v ausgelegt. 8eine individuelle förmliche zustellung erhielt der kläger nur hinsichtlich des vorhabens „anstauung“. diesbezüglich wurde er auch zur abgabe einer stellungnahme aufgefordert und zu einem erörterungstermin geladen (anlage k 14, 15). 9der kläger nahm in dem verfahren „anstauung“ akteneinsicht und reichte am 18.10.2005 eine stellungnahme (anlage b 5) mit folgendem wortlaut ein: „…stimme ich dem antrag der n gmbh und co. kg zu, wenn gewährleistet ist, dass für den betrieb, die unterhaltung und die ungeschmälerte wasserführung des mühlengrabens keine beeinträchtigungen entstehen.“ 10am 12.12.2005 nahm der kläger vormittags an dem erörterungstermin hinsichtlich des verfahrens „anstauung“ teil. an dem für den nachmittag anberaumten erörterungstermin betreffend das verfahren „entnahmerecht“ nahm der kläger hingegen nicht teil, wobei die gründe hierfür zwischen den parteien streitig sind. 11am 30.12.2005 bewilligte die bezirksregierung l2 den antrag der n zur ableitung von wasser aus der b in den t2er mühlengraben und entnahme von wasser aus dem t2er mühlengraben zu kühlwasserzecken. hierbei wurde die n gmbh & co kg mit der bewilligung abweichend von ihrem antrag berechtigt, max. 2,1 m³/s in den t2er mühlengraben einzuleiten (anlage k8). in der bewilligung heißt es auf s. 18 f wörtlich: „die ableitungsmenge aus der b in den t2er mühlengraben wird entgegen dem antrag nicht in einer menge von 6 m³/s sondern in einer menge von 2.100 l/s bewilligt. die pegeldaten seit inbetriebnahme des pegels am neuen standort im t2er mühlengraben, der aus wasserwirtschaftlichen gründen (verwirbelungen im einlaufbereich des mühlengrabens) seit 1998/1999 hinter der kühlwasserentnahme und -einleitungsstelle der antragstellerin angeordnet ist, belegen, dass der mittlere abfluss am pegel im mühlengraben zwischen 1999 und 2004 bei 937 l/s lag und selbst bei hochwasserabfluss (hq) 1,66 m³/s nicht überschritten wurden. die von der antragstellerin beantragte ableitungsmenge aus der b in den t2er mühlengraben in einer menge von 6 m³/s scheint historisch begründet zu sein, da diese menge seit den 30er jahren des vorigen jahrhunderts immer wieder beantragt wurde. eine bedarfsbegründung für diese mit den tatsächlichen abflussverhältnissen am ableitungsbauwerk in den t2er mühlengraben nicht korrespondierende wassermenge konnte jedoch weder von der antragstellerin erbracht noch aus den alten wasserbuchakten ermittelt werden. aus diesem grund wird die zulässige ableitungsmenge aus der b nunmehr unter zugrundelegung des tatsächlich über mehrere jahre als hq belegten abflusswertes 1,66 m³/s am pegel t2er mühlengraben zuzüglich der benötigten kühlwassermenge i.h.v. 445 l/s auf insgesamt 2.100 l/s festgelegt. darüber hinaus wird der antragstellerin mit diesem bescheid aufgegeben, sicherzustellen, dass nicht mehr als die hälfte der am teilungswehr in der b ankommenden wassermenge aus der b in den t2er mühlengraben gelangen kann.“ 12mit schreiben vom 04.01.2012 bat der kläger die bezirksregierung l2 um eine erörterung hinsichtlich der problematik der geringeren zuflussmenge von wasser zu seiner wasserkraftanlage und nahm akteneinsicht in die verfahrensakten zum bewilligungsverfahren „ableitung von wasser aus der b in den t2er mühlengraben und entnahme von wasser aus dem t2er mühlengraben“. die nachfolgenden besprechungen mit mitarbeitern der bezirksregierung l2 führten nicht zu einer einvernehmlichen lösung. 13mit notarvertrag vom 08.05.2014 veräußerte der kläger sein eigentum an den grundstücken gemarkung t2, flur #, flurstücke # und ##, sowie flur #, flurstück ### sowie die mit der wasserbenutzungsanlage zusammenhängenden wasser-, anstau- und fischereirechte. 14der kläger behauptet unter bezugnahme auf historische unterlagen (anlagen k 12-13), bis zu der reduzierung der ablassmenge in der bewilligung der bezirksregierung l2 sei über jahrzehnte hinweg die wasserzufuhr für die von ihm betriebene wasserkraftanlage durch eine ableitungsmenge von wasser aus der b von bis zu 6 m³/s sichergestellt gewesen. andernfalls hätte die mühle bis 1989 auch gar nicht betrieben werden können. da er zuvor nach l verzogen sei, habe er keine kenntnis von dem bewilligungsverfahren betreffend das entnahmerecht der n erlangt. die geänderte ablassmenge habe er erst sukzessive bemerkt und daraufhin nachforschungen angestellt bis er schließlich kenntnis von der bewilligung vom 30.12.2005 erlangt habe. der erzielte kaufpreis sei entsprechend der geminderten wasserfuhr und der damit verminderten kapazität der wasserkraftanlage erheblich geringer ausgefallen, da er sich die geminderte umsatzaussicht beim verkauf habe entgegenhalten lassen müssen. mit der zum zeitpunkt des verkaufs eingebauten turbine hätte er einen jährlichen umsatz von etwa 27.432 € erzielen können, den er bei dem verkauf dann mindestens als mehrerlös erhalten hätte. zudem habe das wasserrecht einen wirtschaftlichen wert, der um ein vielfaches, mindestens jedoch um den geltend gemachten klagebetrag höher gewesen wäre, wenn die zuflussmenge zu der wasserkraftanlage nicht durch den bewilligungsbescheid der beklagten erheblich reduziert worden wäre. 15der kläger ist der ansicht, ihm stünde daher ein schadensersatzanspruch nach § 839 bgb ivm art. 34 gg zu. der beklagte habe seine amtspflichten schuldhaft verletzt, da er ihn weder nach den förmlichkeiten des wasserrechtlichen bewilligungsverfahrens, noch nach § 73 abs. 5 s. 3 vwvfg nrw als betroffenen individuell benachrichtigt habe, obwohl ihm dies mit vertretbarem aufwand möglich gewesen wäre. im falle einer individuellen benachrichtigung hätte er seine belange - die beibehaltung einer abflussmenge von 6m³/s - geltend machen können, die dann auch zwingend im rahmen der abwägung hätten berücksichtigt werden müssen. aufgrund seiner bestehenden alten wasserrechte hätte die entscheidung zwingend zu seinen gunsten ausfallen müssen. 16er beantragt, 171. den beklagten zu verurteilen, an ihn 30.000 € nebst zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem basiszinssatz hieraus seit dem 20.01.2016 zu zahlen; 182. hilfsweise, den beklagten zu verurteilen, an ihn einen angemessenen schadensersatz für den wertverlust der wasserkraftanlage wegen geringerer zuflussmengen von wasser nebst zinsen in höhe von fünf prozentpunkten über dem basiszinssatz hieraus seit dem 20.01.2016 zu zahlen. 19der beklagte beantragt, 20 die klage abzuweisen. 21der beklagte erhebt die einrede der verjährung, da der kläger bereits im jahr 2005 über beide verfahren informiert gewesen sei. er ist der ansicht, dass es einer individuellen benachrichtigung nicht bedurfte, da der kläger nicht betroffener i. s. d. § 11 abs. 2 whg i. v. m. § 73 abs. 5 vwvfg nrw sei. dies ergebe sich schon daraus, dass die tatsächliche ableitungsmenge durch den bescheid vom 30.12.2005 nicht verändert worden sei. ausweislich der pegelmessungen habe sich der wasserzulauf in den jahren 1999 bis in das jahr 2010 nicht verändert (anlage b 7). unabhängig davon, hätte der kläger in dem bewilligungsverfahren keine belange vortragen können, die zwingend zu berücksichtigen gewesen wären. dem kläger stehe kein anspruch auf eine bestimmte wassermenge und deren benutzung, sondern lediglich ein recht zum aufstauen des wassers zu. zudem könne ein etwaiges wasserrecht nach § 20 abs. 2 nr. 1 whg entschädigungslos widerrufen werden, wenn die benutzung – wie vorliegend - drei jahre ununterbrochen nicht ausgeübt worden sei. darüber hinaus sei ein anspruch nach § 839 abs. 3 bgb ausgeschlossen. schließlich fehle es an einer substantiierten darlegung des schadens. 22wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf die zwischen den parteien gewechselten schriftsätze nebst anlagen verwiesen. 23 | 24die zulässige klage ist nicht begründet. 25dem kläger steht ein anspruch gegen den beklagten gemäß § 839 bgb i. v. m. art. 34 gg weder nach dem haupt- noch nach dem hilfsantrag zu. 26es kann dahinstehen, ob dem beklagten eine drittbezogene amtspflichtverletzung anzulasten ist. denn es fehlt jedenfalls an einem zurechnungszusammenhang zwischen einer (eventuellen) amtspflichtverletzung und dem geltend gemachten schaden. zu ersetzen ist, insbesondere unter dem gesichtspunkt des schutzzwecks der norm, nur der schaden, dessen verhinderung die verletzte amtspflicht dienen soll. der betroffene ist so zu stellen, als hätte sich der amtsträger pflichtgemäß verhalten. maßgeblich ist also, wie sich in diesem fall die vermögenslage des betroffenen entwickelt hätte. kommt es darauf an, wie eine gerichtliche oder behördliche entscheidung hypothetisch ausgefallen wäre, ist darauf abzustellen, wie sie nach auffassung des über den ersatzanspruch urteilenden gerichts richtigerweise hätte getroffen werden müssen (sprau in palandt, 75. auflage 2015, bgb, § 839 rn. 77). 27selbst wenn der kläger nach seinem vortrag an dem bewilligungsverfahren „ableitung von wasser aus der b in den t2er mühlengraben und entnahme von wasser aus dem t2er mühlengraben“ mangels benachrichtigung nach § 11 abs. 2 whg i. v. m. § 73 abs. 5 s. 3 vwvfg nrw nicht ordnungsgemäß beteiligt worden wäre, führt dies nicht zur rechtswidrigkeit der bewilligung vom 30.12.2005. 28welche rechtsfolgen verfahrensfehler im anhörungsverfahren nach sich ziehen, richtet sich zunächst nach den einschlägigen vorschriften des jeweiligen fachplanungsgesetzes, ergänzend nach den §§ 72 bis 78 vwvfg und, soweit sich aus diesen nichts abweichendes ergibt, nach den allgemeinen vorschriften des vwvfg, insbesondere nach den §§ 44, 45, 46 vwvfg (nrw). der jeweilige kläger muss durch die verletzung der verfahrensvorschrift in seinen eigenen rechten verletzt sein. die verfahrensvorschriften über die beteiligung dritter gewähren drittschutz grundsätzlich nicht um dieser beteiligung selbst willen, sondern nur zur bestmöglichen verwirklichung der materiellrechtlichen rechtspositionen, die dem beteiligungsrecht zugrunde liegen. das sind die drittschützenden materiellrechtlichen anforderungen, die für die zulassung des vorhabens entscheidungserheblich sind, einschließlich des rechts auf gerechte abwägung der eigenen planbetroffenen belange. der verfahrensfehler muss sich auf diese materiellrechtlichen rechtspositionen des klägers tatsächlich ausgewirkt haben. der kläger muss deshalb durch den bewilligungsbescheid überhaupt in eigenen materiellen rechten betroffen sein. das ist nicht der fall, wenn ihm materielle abwehrrechte gegen das vorhaben von vornherein nicht zustanden oder er diese infolge präklusion nicht mehr geltend machen kann (neumann in stelkens/bonk/sachs, 8. auflage 2014, vwvfg, § 73 rn. 143 ff). 29ein materielles abwehrrecht des klägers gegen die bewilligung des beklagten vom 30.12.2005, die eine ableitungsmenge aus der b in den t2er mühlengraben von lediglich 2,100 l/s vorsieht, besteht nicht. 30wie bereits das landgericht bonn mit beschluss vom 18.03.2015, az. 3 o 342/13, bestätigt durch das olg köln, beschluss vom 12.05.2015, az. 3 w 21/15, in dem parallelverfahren des klägers gegen die n gmbh und co. kg zutreffend festgestellt hat, steht dem kläger kein anspruch auf ableitung einer wassermenge von bis zu 6m³/s zu. 31ein solcher anspruch ergibt sich bereits nicht aus dem institut der unvordenklichen verjährung gemäß des beschlusses des preußischen ovg vom 01.06.1933. hieraus folgt allenfalls, dass die rechte des inhabers der t2er mühle vor den rechtspositionen der rechtsvorgängerin der n bestanden haben können. positive rechte des klägers sind aus diesem beschluss hingegen nicht ableitbar. erst recht ergibt sich hieraus nicht ein anspruch auf die zuleitung einer bestimmten menge oberflächenwasser. soweit in dem beschluss des preußischen ovg vom 01.06.1933 von 6 m³/s oberflächenwasser die rede ist, betrifft dies nach dem wortlaut des beschlusses lediglich ein der rechtsvorgängerin der n vom bezirksausschuss l2 eingeräumtes recht. ein anspruch des klägers auf diese menge lässt sich hieraus aber nicht herleiten. 32einen anspruch aus § 42 prwg kann der kläger ebenfalls nicht begründen, weil ihm nicht in dem dort beschriebenen maße wasser entzogen wurde, sondern lediglich nicht so viel wasser wie gewünscht zugeleitet wird. 33der kläger ist auch nicht inhaber alter wasserrechte nach § 20 abs. 1 whg im sinne eines wasserentnahmerechts. aus dem wasserbuchblatt vom 12.01.1976 ergibt sich lediglich die berechtigung des klägers zum anstauen von wasser für den betrieb der mühle, nicht aber ein anspruch auf zuleitung einer bestimmten wassermenge durch den beklagten bzw. ein über sein staurecht hinausgehendes wasserbenutzungsrecht. auch nach der rechtsprechung besteht grundsätzlich kein anspruch auf ein bestimmtes wasserdargebot. selbst der wasserrechtsinhaber hat keinen anspruch auf ein bestimmtes, von dem beklagten zu gewährleistendes wasserdargebot und kann sich nicht gegen eine ableitung von wasser wenden (sächsisches oberverwaltungsgericht, urteil vom 09.12.2014, az.4 a 184/13, bl.### ff d. a.). insofern steht dem kläger auch kein entschädigungsrecht nach § 20 abs. 2 s. 1 whg zu. 34ob ein materielles abwehrrecht des klägers gegen die bewilligung der beklagten besteht, kann aber letztlich dahinstehen, da ein schadensersatzanspruch jedenfalls nach § 839 abs.3 bgb ausgeschlossen ist. nach § 839 abs. 3 bgb tritt die ersatzpflicht nicht ein, wenn der verletzte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den schaden durch gebrauch eines rechtsmittels abzuwenden. der kläger hätte nach kenntnis des bewilligungsbescheids der bezirksregierung l2 vom 30.12.2005, also spätestens nach akteneinsicht im jahr 2012, (dritt-) anfechtungsklage erheben können. 35dieser rechtsbehelf stellt ein rechtsmittel im sinne des § 839 abs. 3 bgb dar. der begriff des rechtsmittels im sinne dieser vorschrift ist nicht im engen technischen sinne zu verstehen, sondern weit zu fassen. darunter fallen alle rechtsbehelfe, die sich gegen eine amtspflichtverletzung darstellende handlung richten und sowohl deren beseitigung oder berichtigung als auch die abwendung des schadens zum ziel haben (papier in münchener kommentar, 6. auflage 2013, bgb, § 839 rn. 331). hierzu gehört insbesondere die verwaltungsgerichtliche klage. 36der kläger hat einen rechtsbehelf nicht ergriffen. das einfache formlose schreiben an die zuständige behörde mit der bitte um abhilfe, stellt keinen im vorliegenden fall zur abwendung des schadens geeigneten rechtsbehelf dar. zwar sind grundsätzlich auch formlose rechtsbehelfs als rechtsmittel im sinne des § 839 abs. 3 bgb anzusehen (bgh njw 1978, 1522, 1523). auch kann vom bürger nicht verlangt werden, von vornherein förmliche rechtsbehelfe zu ergreifen, er kann beispielsweise zunächst versuchen, die behörde durch verhandlungen zu einer für ihn günstigen entscheidung zu bewegen. er darf sich allerdings dann nicht mehr hierauf beschränken, wenn die erfolgslosigkeit dieses vorgehens erkennbar wird (hanseatisches oberlandesgericht in bremen, urteil vom 16.05.2001, az. 1 u 93/00, zitiert nach juris). so lag es im vorliegenden fall. der kläger hat selbst vorgetragen, dass die zuständige beamtin ihm mit schreiben vom 23.03.2012 mitgeteilt hat, dass die behörde an dem bescheid vom 30.12.2005 festhält. damit konnte der kläger erkennen, dass er mit seiner bitte bei der bezirksregierung wohl nicht würde durchdringen können. darüber hinaus bedurfte es einer überprüfung der bewilligung im rahmen eines behördliches vorverfahren im sinne des § 68 vwgo nach § 110 justizg nrw gerade nicht. 37dass der bewilligungsbescheid dem kläger nie förmlich zugestellt worden ist, ist für die versäumung, ein rechtsmittel einzulegen, unerheblich. zwar ersetzt die zufällige kenntnisnahme des klägers von dem bewilligungsbescheid nicht die zustellung. der zeitpunkt der zustellung ist aber in erster linie für die fristberechnung im rahmen des § 74 vwgo relevant. mangels förmlicher zustellung ist die monatsfrist des § 74 vwgo nicht in gang gesetzt worden. gleichwohl hatte der kläger unstreitig nach seiner akteneinsicht anfang 2012 kenntnis von dem verwaltungsakt. ab diesem zeitpunkt hätte er nach den grundsätzen der verwirkung binnen jahresfrist anfechtungsklage erheben können (vgl hierzu meissner in schoch/schneider/bier, verwaltungsgerichtsordnung, 30. el februar 2016, § 74 rn. 47 ff). 38die anwendung des § 839 abs. 3 vwgo scheitert auch nicht deshalb, weil die unterlassene einlegung des rechtsmittels für den schaden nicht ursächlich gewesen wäre. sofern der kläger einwendet, dass ein verwaltungsgerichtliches verfahren aufgrund einer anfechtungsklage in dem zeitraum zwischen der kenntnis von dem streitgegenständlichen bewilligungsbescheid bis zum zeitpunkt der veräußerung der wasserrechte angesichts der üblichen dauer verwaltungsgerichtlicher verfahren nicht letztinstanzlich entschieden worden wäre, sodass der schaden mit einer anfechtungsklage nicht hätte abgewendet werden können, verfängt dies nicht. § 839 abs. 3 bgb ist ausdruck des für das staatshaftungsrecht allgemein charakteristischen vorrangs des verwaltungsgerichtlichen primärrechtschutzes. dem verletzten soll auf diese weise die zu missbilligende wahlmöglichkeit genommen werden, entweder den rechtswidrigen hoheitseingriff mit den ordentlichen rechtsschutzmitteln abzuwehren oder aber diesen (freiwillig) zu dulden und zu liquidieren. es gilt gerade nicht das prinzip „dulde und liquidiere“ (vgl. t. mayen in ermann bgb, 14. auflage 2014, § 839, rn.84). der kläger hat es versäumt, das vermeintlich staatliche unrecht mit rechtsbehelfen des voll ausgebildeten verwaltungsgerichtlichen rechtsschutzes abzuwehren. zudem hat er nicht vortragen, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, das streitgegenständliche grundstück auch später, nach durchführung eines verwaltungsgerichtlichen verfahrens, zu veräußern. 39anschließend an die vorstehenden erwägungen bleibt auch für einen entschädigungsanspruch nach § 39 obg kein raum. danach ist ein schaden, den jemand durch maßnahmen der ordnungsbehörden erleidet, zu ersetzen, wenn er u. a. durch rechtswidrige maßnahmen, gleichgültig ob die ordnungsbehörde ein verschulden trifft oder nicht, entstanden ist. auch für einen solchen entschädigungsanspruch gilt jedoch, dass der betroffene von den sich bietenden möglichkeiten des primärrechtschutzes gebrauch machen muss und andernfalls in einem nachfolgenden zivilprozess entschädigungsansprüche nicht mit erfolg geltend machen kann (vgl. hanseatisches oberlandesgericht in bremen, aao, m.w.n.). 40die kostenentscheidung beruht auf §§ 91 abs. 1 zpo. der ausspruch zur vorläufigen vollstreckbarkeit folgt aus § 709 s. 2 zpo. 41streitwert: 30.000 € | Verklagte*r | 0 |
125,854 | 9 K 529/15 | 2016-03-03T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Kläger darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von110 % des aufgrund des Urteils beizutreibenden Betrages abwenden,wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höheleistet. 1Tatbestand: 2Der Kläger ist Miteigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Gemarkung, Flur X, Flurstück XXXX (C. , C1. 30). Das östlich angrenzende Flurstück YYYY mit dem im Jahre 1999 errichteten Wohnhausanbau Nr. 30a steht im Eigentum seines Sohnes B. M. . 3Südöstlich des Grundstücks verläuft die im Eigentum der Beklagten stehende Gemeindestraße "C1. " mit einem durch einen Grünstreifen abgetrennten Gehweg. Auf dem Grünstreifen steht eine Reihe von Feldahorn- und einigen Baumhaselbäumen mit einem Alter von ca. 35 bis 40 Jahren. 4Mit einem am 11.04.2003 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben verlangten der Kläger und weiterer Anwohner der Straße einen kräftigen Rückschnitt oder eine teilweise Beseitigung der Straßenbäume. Zur Begründung gaben sie an, die Bäume hätten sich so weit ausgebreitet, dass im Herbst das Laub auf die Grundstücke falle. Ihnen würde das Sonnenlicht auf ihren Terrassen und Teilen der Gärten genommen. Weil die Bäume zu viel Schatten würfen, müssten sie schon bei Tage in den oberen Räumen Licht anmachen. Auf vielen Quadratmetern der Gärten wüchse wegen des Schatten nichts mehr. 5In ihren Antwortschreiben vom 13.05.2013 und 27.05.2013 wies die Beklagte darauf hin, dass die Bäume zweimal jährlich durch den Umweltbetrieb auf Schäden kontrolliert würden. Eine anlässlich der Eingabe durchgeführte Untersuchung habe ergeben, dass die Bäume voll gesund und vital seien. Bei der Beeinträchtigung durch Herbstlaub handele es sich um eine natürliche Lebensäußerung, die als jahreszeitlich eng begrenztes, natürliches Phänomen hinzunehmen sei. Die als Nachteil empfundenen Auswirkungen würden durch die zahlreichen Vorteile, wie das Wohnen im Grünen, eine Verbesserung des städtischen Kleinklimas sowie wichtige ökologische und gestalterische Funktionen aufgewogen. Die Baumreihe stelle zudem ein wichtiges, für den Straßenzug ortsbildprägendes Gestaltungselement dar. Der verlangte kräftige Rückschnitt komme einer Kappung der Baumkronen gleich und sei keine fachgerechte Pflegemaßnahme, da der einzelne Baum in seiner natürlichen artgerechten Entwicklung erheblich geschädigt werde. Weiter bestehe die Gefahr, dass die bei einem Rückschnitt entstehenden erheblichen Schnittwunden zu Einfaulungen führten mit der Folge eines unkontrollierten Auseinanderbrechens der Kronen. Die Fällung jeden zweiten Baumes würden zu erheblichen Lücken und einer Störung der Statik führen. Ein Austausch der Bäume durch eine niedrige Strauchpflanzung stelle keinen Ersatz dar. 6In einem weiteren Schriftwechsel führte der Kläger aus, dass den Anliegern bei Anpflanzung der Bäume ein regelmäßigen Rückschnitt zugesagt worden sei. Die Größe der Bäume und die fast 2 m über die Grundstücksgrenze ragenden Äste führten zu einer extremen Verschattung der Räume im Obergeschoss des Wohnhauses C1. 30 a, so dass auch tagsüber künstliches Licht erforderlich sei. Weiter führe sie zu einer Durchfeuchtung der Zäune. Auch würden die Grundstücke und der Bürgersteig, der von den Anliegern gereinigt werden müsse, verschmutzt. 7Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass das Hochwachsen eines Baumes nur durch eine Einkürzung des Leittriebs erfolgen könne, was mit einer Kappung der Krone einherginge. Ein solcher Schnitt sei nicht fachgerecht, da er zu einer Veränderung der Wuchsform führe und große Schnittstellen mit Folgeschäden entstünden. Da die Bäume nur auf der Südostseite stünden und die Sonne weiterwandere, komme es zu keiner übermäßigen Verschattung der Grundstücke. Die Bäume hielten einen nach dem Nachbarrechtsgesetz ausreichenden Abstand von 4 m von der Grenze ein. 8Am 12.11.2014 hat der Kläger bei dem Amtsgericht C. Klage erhoben, die mit Beschluss vom 08.02.2015 - 419 C 39/15 - an das Verwaltungsgericht Minden verwiesen wurde. 9Zur Begründung seiner Klage vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, die übermäßige Verschattung führe zu einer massiven Beeinträchtigung der Wohn- und Lebensqualität. Von den Bäumen gehe eine unmittelbare Gefahr aus, da alle Bäume mit Wucherungen und Moos überzogen seien, die auf Erkrankungen und ein Absterben der Bäume hindeuteten. Bezüglich der Beeinträchtigungen des Grundstücks C1. 30a klage er aus abgetretenem Recht seines Sohnes. 10Der Kläger beantragt, 111. die Beklagte zu verurteilen, die Straßenbäume der Arten Feldahorn und Baumhasel vor dem Grundstück C1. 30 in C. so zurückzuschneiden, dass eine Beschattung der sich an der Ostseite des Wohnhauses befindlichen Fenster ausgeschlossen ist und die Äste nicht mehr über die Grundstücksgrenze ragen, 122. den Zurückschnitt jährlich vor dem 01.03. eines jeden Jahres auf eigene Kosten durchzuführen, 133. hilfsweise, die unter 1. bezeichneten Straßenbäume komplett zu entfernen. 14Die Beklagte beantragt, 15die Klage abzuweisen. 16Sie führt aus, der Kläger sei nur Eigentümer des Grundstücks C1. 30. Die geltend gemachten Beeinträchtigungen beträfen jedoch das an die Straße angrenzende Nachbargrundstück C1. 30a, dessen Eigentümer der Sohn des Klägers sei. Die Bäume würden zwei Mal jährlich, im belaubten und unbelaubten Zustand kontrolliert. Sie seien verkehrssicher. Von Ihnen gehe keine Gefahr aus. Die an einigen Bäumen erkennbaren kleinen Astungswunden hätten ebenso wie die Flechten und Moose auf einigen Ästen und Stämmen keinerlei negativen Einfluss auf die Verkehrssicherheit. 17Anlässlich eines am 27.10.2015 durchgeführten Erörterungstermins hat der Berichterstatter die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Terminsniederschrift verwiesen. Die Beteiligten haben in dem Termin übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. 18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. 19Entscheidungsgründe: 20Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierauf verzichtet haben. 21Die Klage ist nur zum Teil zulässig und insgesamt unbegründet. 22Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger einen abgetretenen Anspruch seines Sohnes geltend macht. Die Abtretung ist ersichtlich nur für die gerichtliche Geltendmachung erfolgt, um den Einwand der Beklagten zu entkräften, dass nur das Grundstück C1. 30a, das im Eigentum des Sohnes des Klägers steht, an die Straße grenze und gegebenenfalls Beeinträchtigungen ausgesetzt sei. Eine damit gegebene gewillkürte Prozessstandschaft ist im Verwaltungsprozess ausgeschlossen, soweit nicht durch Gesetz eine - hier nicht vorliegende - Ausnahme vorgesehen ist. Für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen ergibt sich dies bereits aus § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -. Danach muss der Kläger geltend machen, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen (eigenen) Rechten verletzt zu sein. Für die allgemeine Leistungsklage gilt in analoger Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO nichts anderes. 23Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2015, Vorb. § 40 Rn. 25; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 4. Aufl. 2014, § 62 Rn. 21; Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, Kommentar, Stand Oktober 2015, § 42 Abs. 2 Rn. 34, Schmidt-Kötters, in: Posser/Wolff, VwGO, Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 42 Rn. 114; Happ, in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 76; Wysk, VwGO, Kommentar, 2011, Vorb. § 40 Rn. 37. 24Denn in dieser Vorschrift kommt das allgemeine Strukturprinzip des Verwaltungsrechtsschutzes zum Ausdruck, der vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes - GG - in erster Linie auf Individualrechtsschutz ausgerichtet ist. 25VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 20.10.2014 - 4 L 1150/13.NW - juris Rn. 26. m.w.N. 26Vorliegend bleibt es dem Sohn des Klägers unbenommen, eigene Ansprüche selbst gegenüber der Beklagten geltend zu machen. 27Die Klage ist insgesamt sowohl mit dem Haupt- als auch dem Hilfsantrag unbegründet. 28Der Kläger hat keinen Anspruch auf den begehrten Rückschnitt oder eine Beseitigung der Straßenbäume. 29Als Anspruchsgrundlage kommt nur der öffentlich-rechtliche Abwehr- bzw. Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht. Dabei handelt es sich um einen gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten, insbesondere durch Richterrecht geprägten Anspruch, der nach neuerer Rechtsprechung aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip sowie den Grundrechten hergeleitet wird. 30BVerwG, Urteil vom 26.08.1993 - 4 C 24.91 - juris Rn. 23. 31Dieser setzt einen hoheitlichen Eingriff voraus, der ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt. Für den Betroffenen muss dadurch ein rechtswidriger Zustand entstanden sein, der noch andauert und den er nicht dulden muss. Dabei beschränkt sich der Folgenbeseitigungsanspruch nicht nur auf die Folgen der Vollziehung eines Verwaltungsaktes, sondern erfasst auch die Folgen schlicht hoheitlichen Handelns. Er ist gerichtet auf die Wiederherstellung des Zustandes, wie er vor dem schädigenden Ereignis bestand. 32OVG NRW, Urteil vom 21.09.1999 - 23 A 875/97 - NJW 2000, 754 = juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 06.09.1988 - 4 C 26.88 - juris Rn. 9. VG Hannover, Urteil vom 10.07.2012 - 7 A 5059/11 - juris Rn. 38. 33Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen eines Folgenbeseitigungsanspruches nicht erfüllt. Es kann nicht festgestellt werden, dass subjektive Rechtspositionen des Klägers verletzt sind. Der Kläger ist weiterhin zur Duldung der Bäume und der von ihnen ausgehenden Einwirkungen verpflichtet. 34Dabei ist zunächst zu beachten, dass die in § 41 Abs. 1 Nr. 1 des Nachbarrechtsgesetzes - NachbG NRW - festgelegten Grenzabstände für Bäume von Nachbargrundstücken gemäß § 45 Abs. 1 Buchst. b NachbG NRW nicht für Anpflanzungen auf öffentlichen Verkehrsflächen gelten. Zudem bestimmt § 49 Abs. 2 NachbG NRW, dass öffentlich-rechtliche Vorschriften durch dieses Gesetz nicht berührt werden. 35Vgl. VG Köln, Urteil vom 24.06.2015 - 18 K 1266/15 - juris Rn. 31; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2000 - 9 U 67/00 -juris Rn. 28. 36Unmittelbar einschlägig ist hier die Regelung des § 32 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen - StrWG NRW -. Nach § 32 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW haben die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken an öffentlichen Straßen die Einwirkungen von Pflanzungen im Bereich des Straßenkörpers und der Nebenanlagen und die Maßnahmen zu ihrer Erhaltung und Ergänzung zu dulden. Die Duldungspflicht bewirkt eine Beschränkung der Eigentümerbefugnisse des Straßenanliegers. Hierbei handelt es sich jedoch um keine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -, sondern um eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. 37OVG NRW, Urteil vom 21.09.1999 - 23 A 875/97 - juris Rn. 11; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2000 - 9 U 67/00 - juris Rn. 31. 38Jedes Grundstück ist in seine Umgebung eingefügt und durch seine Lage und Beschaffenheit charakterisiert. Die straßenrechtlichen Regelungen tragen der Situationsgebundenheit des Grundstücks im Interesse der Allgemeinheit und der Straßenanlieger Rechnung. Die Gestaltungsmöglichkeiten kann der Gesetzgeber im Hinblick auf den sozialen Bezug des Eigentums nutzen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die straßenrechtliche Privilegierung von Anpflanzungen auf öffentlichen Straßen und den dazu gehörenden Nebenanlagen von vernünftigen Gemeinwohlgedanken getragen wird. Die Bepflanzung von Straßen dient nicht nur straßenbautechnischen und verkehrsrechtlichen Interessen. Bepflanzungen mit Bäumen in Ballungsgebieten haben landschaftsgestaltende und Wohnqualität verbessernde Funktion. Bäume schaffen eine ansprechende Atmosphäre und Lebensqualität, lockern den optischen Eindruck der Umgebung auf, beruhigen das Auge und verhelfen Anwohnern zum Luftholen und Durchatmen. Bepflanzungen spielen unbestreitbar eine wesentliche Rolle für das von Lärm und Abgasen geprägte Großstadtklima und die Verbesserung des Wohnumfeldes. Da nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG das Eigentum zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll, schlägt sich darin das Gebot an die Kommune nieder, über die Interessen der unmittelbaren Straßenanlieger hinaus auch solche der nicht direkt angrenzenden Wohnbevölkerung wahrzunehmen. 39OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2000 - 9 U 67/00 - juris Rn. 32. 40Die Pflicht zur Duldung der Einwirkungen der auf öffentlichem Straßengrund erfolgten Pflanzungen endet mit der Folge eines auf Beseitigung gerichteten Folgenbeseitigungsanspruchs erst in besonderen Ausnahmesituationen. Diese liegen dann vor, wenn die Bepflanzung im Laufe der Zeit aufgrund natürlichen Wuchses einen Umfang erreicht hat, der entweder zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden an privaten Nachbargrundstücken führt bzw. solche Schäden hinreichend konkret zu befürchten sind oder aber die Nutzung dieser Grundstücke in einem unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt mehr zumutbaren Maße beeinträchtigt wird. 41OVG NRW, Urteil vom 21.09.1999 - 23 A 875/97 - juris Rn. 20; VG Köln, Urteil vom 24.06.2015 - 18 K 1266/15 - juris Rn. 33; VG Hannover, Urteil vom 10.07.2012 - 7 A 5059/11 - juris, Rn. 40. 42Dies ist hier nicht der Fall. Hinsichtlich der von dem Kläger geltend gemachten unzumutbaren Verschattung durch die Straßenbäume ist zunächst auf die Wertungen im Verhältnis zwischen privaten Grundstücksnachbarn hinzuweisen. Zwischen privaten Nachbarn bestehen in Bezug auf die Verschattung durch Bäume keine Abwehransprüche auf der Grundlage der §§ 1004 und 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -, die gegebenenfalls im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden wären. Denn bei der Verschattung handelt es sich um so genannte negative Einwirkungen. Derartige negative Einwirkungen, bei denen durch Handlungen auf dem einen Grundstück natürliche Vorteile von einem anderen Grundstück abgehalten werden, sind grundsätzlich nicht als Eigentumsstörung abwehrbar. 43VG Berlin, Urteil vom 13.04.2010 - 1 K 408.09 - juris Rn. 18; BGH, Urteil vom 10.07.2015 - V ZR 229/14 - juris Rn. 12;LG Berlin, Urteil vom 05.03.2009 - 57 S 82/08 - juris Rn. 19. 44Der ungehinderte Einfall natürlichen Sonnenlichts auf ein Grundstück ist damit grundsätzlich nicht vom Schutz des Grundeigentums umfasst. Aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis kann sich ein Anspruch auf der Grundlage von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nur in gravierenden Ausnahmefällen ergeben, etwa bei vollständiger Verschattung eines gesamten Grundstücks während des ganz überwiegenden Teils des Tages. Denn die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben insbesondere durch die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren, so dass ein Rückgriff auf Treu und Glauben nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. 45VG Berlin, Urteil vom 13.04.2010 - 1 K 408.09 - juris Rn. 18; BGH, Urteile vom 10.07.2015 - V ZR 229/14 - juris Rn. 15, und vom 11.07.2003 - V ZR 199/02 - juris Rn. 16.; 46Für die Frage der Zumutbarkeit einer Baumpflanzung zwischen privaten Nachbarn ist daher vorrangig die Bestimmung des Nachbarrechtsgesetzes über Grenzabstände für Bäume und Sträucher heranzuziehen. Hierzu ist vorliegend festzustellen, dass die Straßenbäume in einem Abstand von ca. 4 m von der Grenze zum Grundstück des Sohnes des Klägers stehen und in einem noch größeren Abstand zum klägerischen Grundstück. Sie halten damit den in § 41 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b NachbG NRW festgelegten Mindestgrenzabstand von 2,00 m für nicht stark wachsende Bäume - zu denen auch der Feldahorn und der Baumhasel gehören - mehr als reichlich ein. Würde daher schon in einem privatrechtlichen Nachbarverhältnis kein Abwehranspruch bestehen, so gilt dies erst Recht gegenüber einer Verschattung durch Straßenbäume, die nicht einmal - wie ausgeführt - die Mindestgrenzabstände einhalten müssen. 47Die konkreten örtliche Verhältnisse rechtfertigen keine Ausnahme von dieser Grundentscheidung. Die Beschattung ist auf die Zeit des Jahres beschränkt, in der die Ahornbäume Laub tragen. Die gerichtliche Ortsbesichtigung am 27.10.2015 hat zudem ergeben, dass der Schatten der auf der Südostseite stehenden Bäume nur in den Morgen- und Vormittagsstunden auf die Grundstücke C1. 30 und 30a und die dort befindlichen Wohngebäude fällt, während in der übrigen Tageszeit keine Verschattung durch die Straßenbäume erfolgt. Eine unzumutbare Beeinträchtigung ist daher nicht gegeben. 48Entsprechendes gilt auch für die von dem Kläger angeführten überhängenden Äste. Auch insoweit wird ein zivilrechtlicher Abwehranspruch durch die öffentlich-rechtliche Duldungspflicht des § 32 Abs. 2 Satz 1 StrWG NRW überlagert. Das Recht aus § 910 BGB zum Abschneiden von eingedrungenen Wurzeln und überragenden Ästen besteht nicht, wenn die Wurzeln oder die Äste die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen. Im Hinblick auf die - bereits oben dargestellte - öffentliche Wohlfahrtswirkung von Straßenbäumen müssen die Beeinträchtigungen eine gewisse Erheblichkeit erreichen, um einen Rückschnitt zu rechtfertigen. 49Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2000 - 9 U 67/00 - juris Rn. 30, 38. 50Dies ist hier nicht der Fall. Zwar ragen einzelne dünnere Äste der Bäume bis zu ca. 2,00 m auf das Grundstück C1. 30a, doch sind damit keine übermäßigen Beeinträchtigungen der Nutzung des Grundstücks verbunden. Würde man allein aus der Tatsache des Überwuchses einen Anspruch auf Rückschnitt herleiten, würde die durch § 32 StrWG NRW konstituierte Privilegierung grenznaher Anpflanzung von Straßenbäumen leerlaufen. 51Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2000 - 9 U 67/00 - juris Rn. 34. 52Insgesamt betrachtet überschreiten die von den Bäumen ausgehenden typischen natürlichen Auswirkungen wie Schattenwurf, Laub- und Samenfall, verzögerte Abtrocknung von Flächen oder Zäunen u.ä. nicht das zumutbare Maß und sind daher von den Straßenanliegern als situationsgebunden und sozialadäquat hinzunehmen. 53Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. 54Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO. | die klage wird abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar.der kläger darf eine vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe von110 % des aufgrund des urteils beizutreibenden betrages abwenden,wenn nicht die beklagte vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höheleistet. 1 | 2der kläger ist miteigentümer des mit einem wohnhaus bebauten grundstücks gemarkung, flur x, flurstück xxxx (c. , c1. 30). das östlich angrenzende flurstück yyyy mit dem im jahre 1999 errichteten wohnhausanbau nr. 30a steht im eigentum seines sohnes b. m. . 3südöstlich des grundstücks verläuft die im eigentum der beklagten stehende gemeindestraße "c1. " mit einem durch einen grünstreifen abgetrennten gehweg. auf dem grünstreifen steht eine reihe von feldahorn- und einigen baumhaselbäumen mit einem alter von ca. 35 bis 40 jahren. 4mit einem am 11.04.2003 bei der beklagten eingegangenen schreiben verlangten der kläger und weiterer anwohner der straße einen kräftigen rückschnitt oder eine teilweise beseitigung der straßenbäume. zur begründung gaben sie an, die bäume hätten sich so weit ausgebreitet, dass im herbst das laub auf die grundstücke falle. ihnen würde das sonnenlicht auf ihren terrassen und teilen der gärten genommen. weil die bäume zu viel schatten würfen, müssten sie schon bei tage in den oberen räumen licht anmachen. auf vielen quadratmetern der gärten wüchse wegen des schatten nichts mehr. 5in ihren antwortschreiben vom 13.05.2013 und 27.05.2013 wies die beklagte darauf hin, dass die bäume zweimal jährlich durch den umweltbetrieb auf schäden kontrolliert würden. eine anlässlich der eingabe durchgeführte untersuchung habe ergeben, dass die bäume voll gesund und vital seien. bei der beeinträchtigung durch herbstlaub handele es sich um eine natürliche lebensäußerung, die als jahreszeitlich eng begrenztes, natürliches phänomen hinzunehmen sei. die als nachteil empfundenen auswirkungen würden durch die zahlreichen vorteile, wie das wohnen im grünen, eine verbesserung des städtischen kleinklimas sowie wichtige ökologische und gestalterische funktionen aufgewogen. die baumreihe stelle zudem ein wichtiges, für den straßenzug ortsbildprägendes gestaltungselement dar. der verlangte kräftige rückschnitt komme einer kappung der baumkronen gleich und sei keine fachgerechte pflegemaßnahme, da der einzelne baum in seiner natürlichen artgerechten entwicklung erheblich geschädigt werde. weiter bestehe die gefahr, dass die bei einem rückschnitt entstehenden erheblichen schnittwunden zu einfaulungen führten mit der folge eines unkontrollierten auseinanderbrechens der kronen. die fällung jeden zweiten baumes würden zu erheblichen lücken und einer störung der statik führen. ein austausch der bäume durch eine niedrige strauchpflanzung stelle keinen ersatz dar. 6in einem weiteren schriftwechsel führte der kläger aus, dass den anliegern bei anpflanzung der bäume ein regelmäßigen rückschnitt zugesagt worden sei. die größe der bäume und die fast 2 m über die grundstücksgrenze ragenden äste führten zu einer extremen verschattung der räume im obergeschoss des wohnhauses c1. 30 a, so dass auch tagsüber künstliches licht erforderlich sei. weiter führe sie zu einer durchfeuchtung der zäune. auch würden die grundstücke und der bürgersteig, der von den anliegern gereinigt werden müsse, verschmutzt. 7die beklagte wies den kläger darauf hin, dass das hochwachsen eines baumes nur durch eine einkürzung des leittriebs erfolgen könne, was mit einer kappung der krone einherginge. ein solcher schnitt sei nicht fachgerecht, da er zu einer veränderung der wuchsform führe und große schnittstellen mit folgeschäden entstünden. da die bäume nur auf der südostseite stünden und die sonne weiterwandere, komme es zu keiner übermäßigen verschattung der grundstücke. die bäume hielten einen nach dem nachbarrechtsgesetz ausreichenden abstand von 4 m von der grenze ein. 8am 12.11.2014 hat der kläger bei dem amtsgericht c. klage erhoben, die mit beschluss vom 08.02.2015 - 419 c 39/15 - an das verwaltungsgericht minden verwiesen wurde. 9zur begründung seiner klage vertieft der kläger sein bisheriges vorbringen und führt ergänzend aus, die übermäßige verschattung führe zu einer massiven beeinträchtigung der wohn- und lebensqualität. von den bäumen gehe eine unmittelbare gefahr aus, da alle bäume mit wucherungen und moos überzogen seien, die auf erkrankungen und ein absterben der bäume hindeuteten. bezüglich der beeinträchtigungen des grundstücks c1. 30a klage er aus abgetretenem recht seines sohnes. 10der kläger beantragt, 111. die beklagte zu verurteilen, die straßenbäume der arten feldahorn und baumhasel vor dem grundstück c1. 30 in c. so zurückzuschneiden, dass eine beschattung der sich an der ostseite des wohnhauses befindlichen fenster ausgeschlossen ist und die äste nicht mehr über die grundstücksgrenze ragen, 122. den zurückschnitt jährlich vor dem 01.03. eines jeden jahres auf eigene kosten durchzuführen, 133. hilfsweise, die unter 1. bezeichneten straßenbäume komplett zu entfernen. 14die beklagte beantragt, 15die klage abzuweisen. 16sie führt aus, der kläger sei nur eigentümer des grundstücks c1. 30. die geltend gemachten beeinträchtigungen beträfen jedoch das an die straße angrenzende nachbargrundstück c1. 30a, dessen eigentümer der sohn des klägers sei. die bäume würden zwei mal jährlich, im belaubten und unbelaubten zustand kontrolliert. sie seien verkehrssicher. von ihnen gehe keine gefahr aus. die an einigen bäumen erkennbaren kleinen astungswunden hätten ebenso wie die flechten und moose auf einigen ästen und stämmen keinerlei negativen einfluss auf die verkehrssicherheit. 17anlässlich eines am 27.10.2015 durchgeführten erörterungstermins hat der berichterstatter die örtlichkeit in augenschein genommen. hinsichtlich der dabei getroffenen feststellungen wird auf die terminsniederschrift verwiesen. die beteiligten haben in dem termin übereinstimmend auf die durchführung einer mündlichen verhandlung verzichtet. 18wegen der weiteren einzelheiten des sachverhalts und des vorbringens der beteiligten im übrigen wird auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten bezug genommen. 19 | 20das gericht konnte gemäß § 101 abs. 2 der verwaltungsgerichtsordnung - vwgo - ohne mündliche verhandlung entscheiden, nachdem die beteiligten hierauf verzichtet haben. 21die klage ist nur zum teil zulässig und insgesamt unbegründet. 22die klage ist unzulässig, soweit der kläger einen abgetretenen anspruch seines sohnes geltend macht. die abtretung ist ersichtlich nur für die gerichtliche geltendmachung erfolgt, um den einwand der beklagten zu entkräften, dass nur das grundstück c1. 30a, das im eigentum des sohnes des klägers steht, an die straße grenze und gegebenenfalls beeinträchtigungen ausgesetzt sei. eine damit gegebene gewillkürte prozessstandschaft ist im verwaltungsprozess ausgeschlossen, soweit nicht durch gesetz eine - hier nicht vorliegende - ausnahme vorgesehen ist. für anfechtungs- und verpflichtungsklagen ergibt sich dies bereits aus § 42 abs. 2 der verwaltungsgerichtsordnung - vwgo -. danach muss der kläger geltend machen, durch den verwaltungsakt oder seine ablehnung oder unterlassung in seinen (eigenen) rechten verletzt zu sein. für die allgemeine leistungsklage gilt in analoger anwendung des § 42 abs. 2 vwgo nichts anderes. 23vgl. kopp/schenke, vwgo, kommentar, 15. aufl. 2015, vorb. § 40 rn. 25; czybulka, in: sodan/ziekow, vwgo, kommentar, 4. aufl. 2014, § 62 rn. 21; wahl/schütz, in: schoch/schneider/ bier, vwgo, kommentar, stand oktober 2015, § 42 abs. 2 rn. 34, schmidt-kötters, in: posser/wolff, vwgo, kommentar, 2. aufl. 2014, § 42 rn. 114; happ, in: eyermann, vwgo, kommentar, 14. aufl. 2014, § 42 rn. 76; wysk, vwgo, kommentar, 2011, vorb. § 40 rn. 37. 24denn in dieser vorschrift kommt das allgemeine strukturprinzip des verwaltungsrechtsschutzes zum ausdruck, der vor dem hintergrund von art. 19 abs. 4 des grundgesetzes - gg - in erster linie auf individualrechtsschutz ausgerichtet ist. 25vg neustadt (weinstraße), beschluss vom 20.10.2014 - 4 l 1150/13.nw - juris rn. 26. m.w.n. 26vorliegend bleibt es dem sohn des klägers unbenommen, eigene ansprüche selbst gegenüber der beklagten geltend zu machen. 27die klage ist insgesamt sowohl mit dem haupt- als auch dem hilfsantrag unbegründet. 28der kläger hat keinen anspruch auf den begehrten rückschnitt oder eine beseitigung der straßenbäume. 29als anspruchsgrundlage kommt nur der öffentlich-rechtliche abwehr- bzw. folgenbeseitigungsanspruch in betracht. dabei handelt es sich um einen gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten, insbesondere durch richterrecht geprägten anspruch, der nach neuerer rechtsprechung aus dem verfassungsrechtlichen rechtsstaatsprinzip sowie den grundrechten hergeleitet wird. 30bverwg, urteil vom 26.08.1993 - 4 c 24.91 - juris rn. 23. 31dieser setzt einen hoheitlichen eingriff voraus, der ein subjektives recht des betroffenen verletzt. für den betroffenen muss dadurch ein rechtswidriger zustand entstanden sein, der noch andauert und den er nicht dulden muss. dabei beschränkt sich der folgenbeseitigungsanspruch nicht nur auf die folgen der vollziehung eines verwaltungsaktes, sondern erfasst auch die folgen schlicht hoheitlichen handelns. er ist gerichtet auf die wiederherstellung des zustandes, wie er vor dem schädigenden ereignis bestand. 32ovg nrw, urteil vom 21.09.1999 - 23 a 875/97 - njw 2000, 754 = juris rn. 3; bverwg, urteil vom 06.09.1988 - 4 c 26.88 - juris rn. 9. vg hannover, urteil vom 10.07.2012 - 7 a 5059/11 - juris rn. 38. 33hiervon ausgehend sind die voraussetzungen eines folgenbeseitigungsanspruches nicht erfüllt. es kann nicht festgestellt werden, dass subjektive rechtspositionen des klägers verletzt sind. der kläger ist weiterhin zur duldung der bäume und der von ihnen ausgehenden einwirkungen verpflichtet. 34dabei ist zunächst zu beachten, dass die in § 41 abs. 1 nr. 1 des nachbarrechtsgesetzes - nachbg nrw - festgelegten grenzabstände für bäume von nachbargrundstücken gemäß § 45 abs. 1 buchst. b nachbg nrw nicht für anpflanzungen auf öffentlichen verkehrsflächen gelten. zudem bestimmt § 49 abs. 2 nachbg nrw, dass öffentlich-rechtliche vorschriften durch dieses gesetz nicht berührt werden. 35vgl. vg köln, urteil vom 24.06.2015 - 18 k 1266/15 - juris rn. 31; olg düsseldorf, urteil vom 18.09.2000 - 9 u 67/00 -juris rn. 28. 36unmittelbar einschlägig ist hier die regelung des § 32 des straßen- und wegegesetzes des landes nordrhein-westfalen - strwg nrw -. nach § 32 abs. 2 satz 1 strwg nrw haben die eigentümer und besitzer von grundstücken an öffentlichen straßen die einwirkungen von pflanzungen im bereich des straßenkörpers und der nebenanlagen und die maßnahmen zu ihrer erhaltung und ergänzung zu dulden. die duldungspflicht bewirkt eine beschränkung der eigentümerbefugnisse des straßenanliegers. hierbei handelt es sich jedoch um keine enteignung im sinne des art. 14 abs. 3 des grundgesetzes - gg -, sondern um eine bestimmung von inhalt und schranken des eigentums gemäß art. 14 abs. 1 satz 2 gg. 37ovg nrw, urteil vom 21.09.1999 - 23 a 875/97 - juris rn. 11; olg düsseldorf, urteil vom 18.09.2000 - 9 u 67/00 - juris rn. 31. 38jedes grundstück ist in seine umgebung eingefügt und durch seine lage und beschaffenheit charakterisiert. die straßenrechtlichen regelungen tragen der situationsgebundenheit des grundstücks im interesse der allgemeinheit und der straßenanlieger rechnung. die gestaltungsmöglichkeiten kann der gesetzgeber im hinblick auf den sozialen bezug des eigentums nutzen. es kann keinem zweifel unterliegen, dass die straßenrechtliche privilegierung von anpflanzungen auf öffentlichen straßen und den dazu gehörenden nebenanlagen von vernünftigen gemeinwohlgedanken getragen wird. die bepflanzung von straßen dient nicht nur straßenbautechnischen und verkehrsrechtlichen interessen. bepflanzungen mit bäumen in ballungsgebieten haben landschaftsgestaltende und wohnqualität verbessernde funktion. bäume schaffen eine ansprechende atmosphäre und lebensqualität, lockern den optischen eindruck der umgebung auf, beruhigen das auge und verhelfen anwohnern zum luftholen und durchatmen. bepflanzungen spielen unbestreitbar eine wesentliche rolle für das von lärm und abgasen geprägte großstadtklima und die verbesserung des wohnumfeldes. da nach art. 14 abs. 2 satz 2 gg das eigentum zugleich dem wohle der allgemeinheit dienen soll, schlägt sich darin das gebot an die kommune nieder, über die interessen der unmittelbaren straßenanlieger hinaus auch solche der nicht direkt angrenzenden wohnbevölkerung wahrzunehmen. 39olg düsseldorf, urteil vom 18.09.2000 - 9 u 67/00 - juris rn. 32. 40die pflicht zur duldung der einwirkungen der auf öffentlichem straßengrund erfolgten pflanzungen endet mit der folge eines auf beseitigung gerichteten folgenbeseitigungsanspruchs erst in besonderen ausnahmesituationen. diese liegen dann vor, wenn die bepflanzung im laufe der zeit aufgrund natürlichen wuchses einen umfang erreicht hat, der entweder zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren schäden an privaten nachbargrundstücken führt bzw. solche schäden hinreichend konkret zu befürchten sind oder aber die nutzung dieser grundstücke in einem unter keinem vernünftigen gesichtspunkt mehr zumutbaren maße beeinträchtigt wird. 41ovg nrw, urteil vom 21.09.1999 - 23 a 875/97 - juris rn. 20; vg köln, urteil vom 24.06.2015 - 18 k 1266/15 - juris rn. 33; vg hannover, urteil vom 10.07.2012 - 7 a 5059/11 - juris, rn. 40. 42dies ist hier nicht der fall. hinsichtlich der von dem kläger geltend gemachten unzumutbaren verschattung durch die straßenbäume ist zunächst auf die wertungen im verhältnis zwischen privaten grundstücksnachbarn hinzuweisen. zwischen privaten nachbarn bestehen in bezug auf die verschattung durch bäume keine abwehransprüche auf der grundlage der §§ 1004 und 906 des bürgerlichen gesetzbuches - bgb -, die gegebenenfalls im öffentlichen recht entsprechend anzuwenden wären. denn bei der verschattung handelt es sich um so genannte negative einwirkungen. derartige negative einwirkungen, bei denen durch handlungen auf dem einen grundstück natürliche vorteile von einem anderen grundstück abgehalten werden, sind grundsätzlich nicht als eigentumsstörung abwehrbar. 43vg berlin, urteil vom 13.04.2010 - 1 k 408.09 - juris rn. 18; bgh, urteil vom 10.07.2015 - v zr 229/14 - juris rn. 12;lg berlin, urteil vom 05.03.2009 - 57 s 82/08 - juris rn. 19. 44der ungehinderte einfall natürlichen sonnenlichts auf ein grundstück ist damit grundsätzlich nicht vom schutz des grundeigentums umfasst. aus dem nachbarlichen gemeinschaftsverhältnis kann sich ein anspruch auf der grundlage von treu und glauben (§ 242 bgb) nur in gravierenden ausnahmefällen ergeben, etwa bei vollständiger verschattung eines gesamten grundstücks während des ganz überwiegenden teils des tages. denn die rechte und pflichten von grundstücksnachbarn haben insbesondere durch die bestimmungen der nachbarrechtsgesetze der länder eine ins einzelne gehende sonderregelung erfahren, so dass ein rückgriff auf treu und glauben nur in ausnahmefällen in betracht kommt. 45vg berlin, urteil vom 13.04.2010 - 1 k 408.09 - juris rn. 18; bgh, urteile vom 10.07.2015 - v zr 229/14 - juris rn. 15, und vom 11.07.2003 - v zr 199/02 - juris rn. 16.; 46für die frage der zumutbarkeit einer baumpflanzung zwischen privaten nachbarn ist daher vorrangig die bestimmung des nachbarrechtsgesetzes über grenzabstände für bäume und sträucher heranzuziehen. hierzu ist vorliegend festzustellen, dass die straßenbäume in einem abstand von ca. 4 m von der grenze zum grundstück des sohnes des klägers stehen und in einem noch größeren abstand zum klägerischen grundstück. sie halten damit den in § 41 abs. 1 nr. 1 buchst. b nachbg nrw festgelegten mindestgrenzabstand von 2,00 m für nicht stark wachsende bäume - zu denen auch der feldahorn und der baumhasel gehören - mehr als reichlich ein. würde daher schon in einem privatrechtlichen nachbarverhältnis kein abwehranspruch bestehen, so gilt dies erst recht gegenüber einer verschattung durch straßenbäume, die nicht einmal - wie ausgeführt - die mindestgrenzabstände einhalten müssen. 47die konkreten örtliche verhältnisse rechtfertigen keine ausnahme von dieser grundentscheidung. die beschattung ist auf die zeit des jahres beschränkt, in der die ahornbäume laub tragen. die gerichtliche ortsbesichtigung am 27.10.2015 hat zudem ergeben, dass der schatten der auf der südostseite stehenden bäume nur in den morgen- und vormittagsstunden auf die grundstücke c1. 30 und 30a und die dort befindlichen wohngebäude fällt, während in der übrigen tageszeit keine verschattung durch die straßenbäume erfolgt. eine unzumutbare beeinträchtigung ist daher nicht gegeben. 48entsprechendes gilt auch für die von dem kläger angeführten überhängenden äste. auch insoweit wird ein zivilrechtlicher abwehranspruch durch die öffentlich-rechtliche duldungspflicht des § 32 abs. 2 satz 1 strwg nrw überlagert. das recht aus § 910 bgb zum abschneiden von eingedrungenen wurzeln und überragenden ästen besteht nicht, wenn die wurzeln oder die äste die benutzung des grundstücks nicht beeinträchtigen. im hinblick auf die - bereits oben dargestellte - öffentliche wohlfahrtswirkung von straßenbäumen müssen die beeinträchtigungen eine gewisse erheblichkeit erreichen, um einen rückschnitt zu rechtfertigen. 49vgl. olg düsseldorf, urteil vom 18.09.2000 - 9 u 67/00 - juris rn. 30, 38. 50dies ist hier nicht der fall. zwar ragen einzelne dünnere äste der bäume bis zu ca. 2,00 m auf das grundstück c1. 30a, doch sind damit keine übermäßigen beeinträchtigungen der nutzung des grundstücks verbunden. würde man allein aus der tatsache des überwuchses einen anspruch auf rückschnitt herleiten, würde die durch § 32 strwg nrw konstituierte privilegierung grenznaher anpflanzung von straßenbäumen leerlaufen. 51vgl. olg düsseldorf, urteil vom 18.09.2000 - 9 u 67/00 - juris rn. 34. 52insgesamt betrachtet überschreiten die von den bäumen ausgehenden typischen natürlichen auswirkungen wie schattenwurf, laub- und samenfall, verzögerte abtrocknung von flächen oder zäunen u.ä. nicht das zumutbare maß und sind daher von den straßenanliegern als situationsgebunden und sozialadäquat hinzunehmen. 53die klage ist daher mit der kostenfolge aus § 154 abs. 1 vwgo abzuweisen. 54die entscheidungen über die vorläufige vollstreckbarkeit und die abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 vwgo i.v.m. § 708 nr. 11 und § 711 zpo. | Verklagte*r | 0 |
341,233 | 1 K 4517/20 | 2021-09-16T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 28. Juni 2020 verpflichtet, die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens „F. O. “ gemäß § 26 Abs. 2 Satz 7 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen festzustellen. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig voll-streckbar. 1Tatbestand: 2Die Beklagte ist Eigentümerin von Grundstücken im Bereich des Bebauungsplans Nr. X00 O. (O. ). Den Bebauungsplan mit seinen textlichen Festsetzungen einschließlich der Begründung mit Umweltbericht beschloss der Rat der Beklagten in der Sitzung vom 26. Februar 2019. Nach der Begründung des Bebauungsplans ist dessen Ziel die Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erweiterung und Sicherung eines Gewerbegebietes im Bereich der O. . Die Gewerbeflächen des Plangebietes sollen der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Verbesserung der vorhandenen gesamtstädtischen Gewerbestruktur dienen sowie den in der Stadt ansässigen Betrieben die Möglichkeit bieten, sich an neue Anforderungen im gewerblichen Bereich anzupassen. Unter Ziffer 10.2 der Begründung des Bebauungsplans wurde unter der Überschrift Kosten und Realisierung der Bauleitplanung ausgeführt: 3„Von den Erschließungskosten trägt die Stadt F1. den Anteil, der gemäß Ortssatzung nicht von den Anliegern abgedeckt wird. Gegebenenfalls können Teile der Erschließungsanlagen auch über Erschließungsverträge verwirklicht werden. Die Kosten werden im Verkaufspreis der Grundstücke berücksichtigt. 4Für erforderliche Ausgleichsmaßnahmen innerhalb der festgesetzten Grünflächen auf städtischen Grundstücken trägt die Stadt F1. die Kosten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Kosten im Verkaufspreis der Grundstücke berücksichtigt werden.“ 5Der Haupt- und Finanzausschuss der Beklagten befasste sich in seiner Sitzung am 11. Februar 2020 mit einem Bürgerantrag der Kläger nach § 24 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) zur Vergabe der Gewerbegrundstücke im Bereich des Bebauungsplans O. im Wege des Erbbaurechts anstatt des Verkaufs. Ein entsprechender Beschlussvorschlag wurde mit einer Differenz von zwei Stimmen abgelehnt. Daraufhin erklärten die Kläger mit E-Mail vom 5. März 2020, dass sie angesichts dieses knappen Ergebnisses beabsichtigten, ein entsprechendes Bürgerbegehren zu initiieren. Sie baten um Mitteilung einer Kostenschätzung und reichten zu einer internen Vorprüfung die folgende Fragestellung nebst Begründung ein: 6„Sollen die im Eigentum der Stadt F1. stehenden Gewerbegrundstücke im Bereich des Bebauungsplans O. (Nr. X00) nicht verkauft, sondern im Rahmen des Erbbaurechts vergeben werden, so dass die Stadt F1. Eigentümerin der Grundstücke bleibt?“ 7Begründung: Durch die Vergabe der Gewerbegrundstücke auf der O. im Rahmen des Erbbaurechtes bleibt die Stadt F1. immer Eigentümerin der Grundstücke. Das bietet viele Vorteile: 89Leerstand lässt sich, im Gegensatz zum Verkauf, deutlich effektiver entgegenwirken oder von vornherein vermeiden. Und das ist enorm wichtig, denn Leerstand zahlt keine Steuern, verschlechtert das Image des Gewerbegebiets und erhöht den Druck immer neue Freiflächen als Gewerbegebiete auszuweisen. 10Der Immobilienbestand der Stadt F1. wird nicht reduziert. 11Wenn alles gut läuft kann das F. immer wieder verlängert werden. Wenn aber etwas schief geht, fällt das Grundstück spätestens nach Ablauf der Erbbaurechtsfrist wieder an die Stadt zurück, die es neu für Gewerbe vergeben oder aber auch anderweitig nutzen kann (z. B. Wohnbau). Die Stadt F1. behält auf der O. immer das Ruder in der Hand. 12Statt einer einmaligen Zahlung, die kurzfristig wieder verausgabt wird, erhält die Stadt F1. regelmäßige im Haushalt planbare Zahlungseingänge. 13Wertsteigerungen von Grund und Boden erhöhen das Vermögen der Stadt F1. und nicht das des Gewerbetreibenden. Grundstücksspekulation ist damit praktisch ausgeschlossen. 14Die Vergabe von Gewerbegrundstücken im Rahmen des Erbbaurechtes ist nichts Neues und wird bundesweit von vielen Kommunen genutzt, was in Anbetracht der vielen Vorteile für den Erbbaurechtsgeber auch nicht verwunderlich ist. Es wäre daher fahrlässig, wenn die Stadt F1. ohne Not die Grundstücke auf der O. unwiderruflich aus der Hand geben würde.“ 15Mit Schreiben vom 16. April 2020 teilte die Beklagte den Klägern eine Kostenschätzung von 755.757,33 Euro mit. 16In seiner Sitzung am 23. April 2020 befasste sich der Haupt- und Finanzausschuss der Beklagten mit der Vermarktung der städtischen Grundstücke im Gewerbegebiet O. . Der Ausschuss beschloss, die Verwaltung mit der Vermarktung der Gewerbeflächen zu beauftragen. Die Gewerbeflächen an der O. sollten entweder zu einem in dem Beschluss genannten Preis oder als Erbbaurecht angeboten werden. Dabei seien die Kriterien zur Interessentenauswahl in der nachfolgenden Reihenfolge für die Ansiedlung zu beachten: 171. Die Gewerbesteuer in Relation zur gekauften/gepachteten Fläche, 182. die Anzahl der Arbeitsplätze, 193. die Bereitschaft zum Abschluss eines Erbbaurechtes, 204. der Kaufpreis und 215. die Attraktivität des Unternehmens. 22Die Kläger reichten unter dem 24. April 2020 das angekündigte Bürgerbegehren mit unveränderter Fragestellung und Begründung unter Aufnahme der Kostenschätzung mit dem Zusatz „aus unserer Sicht spekulativ“ ein und beantragten eine Vorprüfung der Zulässigkeit gemäß § 26 Abs. 2 Satz 7 GO NRW i. V. m. § 25 Abs. 4 GO NRW durch den Rat der Beklagten. Beigefügt waren Listen mit insgesamt 32 Unterschriften. 23Mit E-Mail vom 29. April 2020 wies die Beklagte die Kläger darauf hin, dass der Antrag auf Vorprüfung nicht den formellen Anforderungen des § 26 Abs. 2 Satz 8 GO NRW entspreche, weil die Unterschriften nicht auf der Seite, die auch die Fragestellung und Begründung enthalte, geleistet worden seien. 24Die Kläger reichten am 4. Mai 2020 unter Beachtung der vorstehenden Anforderungen das Bürgerbegehren mit 34 Unterschriften erneut zur Vorprüfung ein. 25Die Beklagte holte zu der Frage der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens rechtsgutachterliche Stellungnahmen des Städte- und Gemeindebundes sowie eines Rechtsanwaltes ein. Beide stellten die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens fest. Ausweislich der Stellungnahmen des Rechtsanwaltes vom 15. Mai und 5. Juni 2020 unterliege die Fragestellung des zur Vorprüfung eingereichten Bürgerbegehrens dem Befassungsverbot des § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW. Danach sei ein Bürgerbegehren über die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen unzulässig. Eine Änderung der Bauleitplanung sei vorliegend betroffen. Denn der Inhalt der Fragestellung, ob die Vermarktung der städtischen Flächen im Plangebiet durch Bestellung von Erbbaurechten vorzunehmen sei, richte sich inhaltlich gegen eine im Bebauungsplan getroffene Entscheidung. Denn zum planerischen Entscheidungskonzept dieses Bebauungsplans zähle ausweislich seiner Begründung, die Finanzierung der Umsetzung der Planinhalte unter anderem durch Verkauf der städtischen Grundstücke zu gewährleisten. Die Entscheidung zur Finanzierung partizipiere am Konzept des Bebauungsplanes und sei daher gegen eine Änderung durch Bürgerbegehren geschützt. An dieser Einschätzung ändere auch die Entscheidung des Finanz- und Hauptausschusses nichts, dass eine Vermarktung durch Verkauf oder Erbbaurecht in Betracht komme und in der Rangfolge der Kriterien für die Auswahl der Bewerber die Bereitschaft zum Abschluss eines Erbbaurechtes vor dem käuflichen Erwerb stehe. Zudem litten die Fragestellung und die Begründung des Bürgerbegehrens an Mängeln. Die Fragstellung verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot, weil der in ihr verwendete Begriff des Erbbaurechtes von Inhalt und Tragweite her dem Durchschnittsbürger nicht bekannt sei. Die Begründung sei geeignet bei den Lesern unzutreffende Vorstellungen im Zusammenhang mit der Erbbaurechtsbestellung zu erzeugen. Unzutreffend sei die Darstellung, die Beklagte könne das Grundstück nach Ablauf der Erbbaurechtsfrist auch zur Wohnnutzung verwenden. Denn dies erfordere zunächst die Änderung des Bebauungsplans. Zudem sei die Begründung, die Beklagte erhalte durch die Vergabe mittels Erbbaurechts regelmäßige im Haushalt planbare Zahlungseingänge, nicht richtig, weil suggeriert werde, dass für die Beklagte nur Einkünfte und keine Belastungen mit dem Erbbaurecht einhergingen. Nach § 27 des Gesetzes über das Erbbaurecht (ErbbauRG) habe allerdings mit Beendigung des Erbbaurechts, wenn der Erbbauberechtigte auf dem Grundstück ein Bauwerk errichtet habe, der Grundstückeigentümer hierfür eine Entschädigung zu leisten. Die finanziellen Vor- und Nachteile einer Erbbauchrechtsbestellung würden damit nur unvollständig dargestellt. Ferner könne das Bürgerbegehren nicht die ratsbeschlussersetzende Funktion erfüllen. Im Falle eines erfolgreichen Bürgerentscheides wäre die Beklagte zu einer Umsetzung nicht in der Lage, da die mit der Komplexität eines Erbbaurechtsvertrages verbundenen Entscheidungen nicht vorgegeben würden. 26Die Stellungnahmen wurden den Klägern zur Kenntnisnahme übersandt. 27In seiner Sitzung vom 18. Juni 2020 befasste sich der Rat der Beklagten unter Tagesordnungspunkt (TOP) 5 mit der Frage der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens „F. auf der O. “. Ausweislich der Niederschrift zur Ratssitzung stimmten von den anwesenden Ratsmitgliedern 14 für die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens und 17 stimmten gegen diese. Die Gegenstimmen stammten von den Ratsmitgliedern der CDU, 2 Ratsmitgliedern der SPD, einem fraktionslosen Ratsmitglied und dem Bürgermeister. Sodann wurde eine fiktive Hinzurechnung von abwesenden Ratsmitgliedern im Wege eines „Pairing-Verfahrens“ vorgenommen. Die SPD-Fraktion wies darauf hin, dass die nicht anwesenden Ratsmitglieder der SPD-Fraktion nicht in die Zählung einbezogen werden könnten, weil die Fraktion nicht einheitlich abgestimmt habe. Sodann gab der Bürgermeister der Beklagten das folgende Ergebnis bekannt: 21 Stimmen für die Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens und 20 Stimmen dagegen. Daraufhin teilte der Bürgermeister der Beklagten mit, dass „man sehen müsse, wie damit umzugehen sei.“ 28Einen Tag nach der Ratssitzung informierte der Bürgermeister der Beklagten die Ratsmitglieder per E-Mail darüber, dass die Zählung der fiktiven Stimmen noch einmal überprüft worden sei und der Beschlussvorschlag, die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen, danach mit 20:20 Stimmen abgelehnt worden sei. Bei Hinzurechnung der fiktiven Stimmen der abwesenden Fraktionsmitglieder ergebe sich, dass die Stimmen der sechs abwesenden Ratsmitglieder der BmU-Fraktion den „Ja-Stimmen“ und die Stimmen der drei abwesenden Ratsmitglieder der CDU-Fraktion den „Nein–Stimmen“ zugerechnet würden. Die beiden abwesenden Ratsmitglieder der SPD-Fraktion seien unberücksichtigt geblieben, ebenso wie die Stimme eines fraktionslosen Ratsmitgliedes, welches nicht an einer Pairing-Vereinbarung beteiligt gewesen sei. 29Die Beklagte berichtete der Kommunalaufsicht von dem Sachverhalt. Diese nahm mit Schreiben vom 25. Juni 2020 wie folgt Stellung: Ein Pairing-Verfahren sei nach den Angaben der Beklagten nicht einvernehmlich vereinbart worden, sodass das reguläre Abstimmungsverfahren nach § 50 Abs. 1 GO NRW zu Grunde zu legen sei. Angesichts der durch die anwesenden Ratsmitglieder abgegebenen Stimmen von „14 Ja- und 17-Nein-Stimmen“ sei der zur Abstimmung gestellte Antrag „Die Zulässigkeit der Fragestellung des Bürgerbegehrens „F. auf der O. “ wird festgestellt“ abgelehnt worden. Dieses Abstimmungsergebnis sei in der Sitzung festgestellt und verkündet worden. Das sodann erfolgte fiktive Hinzurechnen von Stimmen abwesender Ratsmitglieder sei nicht von Relevanz. 30Mit Bescheiden vom 28. Juni 2020 – zugestellt am 4. und 6 Juli 2020 – teilte die Beklagte den Klägern die Feststellung des Rates vom 18. Juni 2020 zur Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens mit und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens sowohl bei Zugrundelegung der durch die anwesenden Ratsmitglieder abgegebenen Stimmen als auch bei einer weiteren fiktiven Hinzurechnung der Stimmen abwesender Ratsmitglieder unter Zugrundelegung des Pairing-Verfahrens festgestellt worden sei. Die insoweit anderslautende Feststellung im vorläufigen Protokoll der Ratssitzung sei unerheblich, da das im Protokoll enthaltene Ergebnis der Auszählung offenkundig unrichtig gewesen sei. Auf diese Unrichtigkeit seien die Ratsmitglieder per E-Mail am Folgetag hingewiesen worden. Die vom Rat getroffene Entscheidung zur Zurückweisung des Bürgerbegehrens sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Dies ergebe sich aus den eingeholten rechtsgutachterlichen Stellungnahmen, auf die verwiesen werde. 31Die Kläger haben am 2. August 2020 Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass das von ihnen eingereichte Bürgerbegehren zulässig sei. Es seien weder die Fragestellung noch die Begründung des Bürgerbegehrens zu beanstanden. Dem Durchschnittsbürger sei der Begriff des Erbbaurechts geläufig. Denn auch die Kirche vergebe die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke regelmäßig nur im Wege des Erbbaurechtes. Das Bürgerbegehren bzw. der daraufhin ergehende Bürgerentscheid erfülle auch die diesem zukommende, einen Ratsbeschluss ersetzende Funktion. Dem stehe nicht entgegen, dass nicht bereits Einzelheiten zu den möglichen erbbaurechtlichen Verträgen in dem Bürgerbegehren genannt würden. Denn im Rahmen eines Bürgerbegehrens müssten nicht sämtliche möglichen Folgen, die mit der zu Abstimmung gestellten Angelegenheit eintreten könnten, aufgenommen werden. Vielmehr sei ausreichend, dass das Bürgerbegehren hinreichend bestimmt und ohne weiteres umsetzbar sei. Dies sei vorliegend der Fall. Zudem sei das Befassungsverbot nach § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW nicht einschlägig. Weder nach dem Wortlaut der Fragestellung noch nach dem Sinn des Bürgerbegehrens sei eine Entscheidung über eine Bauleitplanung betroffen. Die Beklagte können ohne weiteres die entsprechende Bauleitplanung betreiben. Zudem habe sich der Haupt- und Finanzausschuss bereits am 23. April 2020 für eine vorrangige Vergabe der Grundstücke im Wege des Erbbaurechtes ausgesprochen. Ferner sei der Tatbestand in § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW deutlich enger zu verstehen als derjenige, der die Befassung eines Bürgerbegehrens mit Angelegenheiten im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens ausschließe. Auch vor diesem Hintergrund sei das von der Beklagten zugrunde gelegte weite Verständnis des Anwendungsbereichs des § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW nicht zutreffend. 32Die Kläger beantragen, 33die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 28. Juni 2020 zu verpflichten, die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens „F. auf der O. “ gemäß § 26 Abs. 2 Satz 7 GO NRW festzustellen. 34Die Beklagte beantragt, 35die Klage abzuweisen. 36Zur Begründung führt sie vertiefend aus, dass aus den bereits dargestellten Gründen die Fragestellung nicht hinreichend bestimmt sei. Ferner gebe die Fragestellung keine klare Handlungsvorgabe, wie die Erbbaurechtsbestellung konkret ausgestaltet werden soll. Es fehle bereits an einer Konkretisierung der Kernelemente eines Erbbaurechtsvertrages, wie Laufzeit und Entgelt. Ferner seien die Voraussetzungen des § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW erfüllt. Mit der Fragestellung werde in die im Bebauungsplan „O. “ enthaltene planerische Konzeption eingegriffen. Denn zum notwendigen planungsrechtlichen Abwägungsmaterial gehöre auch die Frage der Kosten für die Planverwirklichung. Hierüber müsse sich der Rat einer Kommune, wenn er einen Bebauungsplan als Satzung beschließe, hinreichend vergewissern. Im vorliegenden Fall sei dies dadurch geschehen, dass die mit der Herstellung der Infrastruktur verbundenen Kosten über den Verkauf der städtischen Flächen refinanziert werden sollten. Wenn nunmehr nach dem Willen der Kläger der Verkauf unzulässig sei und die Vermarktung der städtischen Flächen ausschließlich im Wege der Vergabe von Erbbaurechten zu erfolgen hätte, sei dies ein Eingriff in die Finanzplanung und damit in eine Grundlage der planerischen Abwägung. Es genüge dann auch nicht, wenn sich ein Ratsausschuss zu einem Zeitpunkt nach Beschluss des Bebauungsplans erneut mit der Vermarktungsfrage befasse und dabei als weitere Option neben dem Verkauf die Bestellung von Erbbaurechten vorsehe. Es könne insoweit dahinstehen, ob bereits darin eine Änderung des Bebauungsplans zu sehen sei mit der Konsequenz, dass es eines förmlichen Änderungsverfahrens mit entsprechendem Ratsbeschluss bedürfe, denn in jedem Fall gehe das Bürgerbegehren mit seiner Fragestellung noch einmal deutlich über die Beschlussfassung des Haupt- und Finanzausschusses hinaus, wenn die Vermarktung nur noch durch Vergabe von Erbbaurechten vorgenommen werden dürfe. Hierdurch werde das Finanzierungskonzept und damit eine tragende Abwägungskomponente ausgehebelt. 37Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. 38Entscheidungsgründe: 39Die Klage hat Erfolg. 40Die als Verpflichtungsklage zulässige Klage, 41vgl. zur Qualifizierung der Zulassungsentscheidung des Rates als Verwaltungsakt etwa OVG NRW, Urteile vom 7. Oktober 2020 – 15 A 2927/18 –, Rn. 64, juris, vom 13. Juni 2017 – 15 A 1561/15 –, juris, Rn. 8 und vom 5. Februar 2002 – 15 A 1965/99 –, juris, Rn. 8; VG Düsseldorf, Urteil vom 14. August 2020 – 1 K 3411/19 –, juris, Rn. 37 ff., m. w. N. und Auseinandersetzung mit der zum hessischen Landesrecht vertretenen anderen Ansicht des BVerfG, Beschluss vom 22. Februar 2019 – 2 BvR 2203/18 –, juris, 42ist begründet. 43Die Kläger haben unter Außerachtlassens des Erreichens des nach § 26 Abs. 4 GO NRW notwendigen Quorums einen Anspruch auf Feststellung der Zulässigkeit des von ihnen vertretenen Bürgerbegehrens durch die Beklagte, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 44Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 GO NRW können Bürger beantragen, dass sie an Stelle des Rates über eine Angelegenheit der Gemeinde selbst entscheiden. Das Bürgerbegehren muss nach § 26 Abs. 2 GO NRW schriftlich eingereicht werden und die zur Entscheidung zu bringende Frage sowie eine Begründung enthalten. Es muss bis zu drei Bürger benennen, die berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten (Vertretungsberechtigte). Die Verwaltung teilt den Vertretungsberechtigten schriftlich eine Einschätzung der mit der Durchführung der verlangten Maßnahme verbundenen Kosten (Kostenschätzung) mit. Wenn die Kostenschätzung vorliegt, können die Vertretungsberechtigten beantragen zu entscheiden, ob das Bürgerbegehren mit Ausnahme des Vorliegens des erforderlichen Quorums nach § 26 Abs. 4 GO NRW zulässig ist (Vorprüfungsantrag). Der Antrag ist in der gemäß § 25 Abs. 4 GO NRW vorgeschriebenen Form einschließlich der zur Entscheidung zu bringenden Frage, der Begründung sowie der anzugebenden Kostenschätzung vorzulegen und von den Vertretungsberechtigten sowie mindestens 25 Bürgern zu unterzeichnen. Über den Antrag hat der Rat innerhalb von acht Wochen zu entscheiden. Damit korrespondiert ein Anspruch der Vertreter des Bürgerbegehrens auf Erlass einer positiven Zulässigkeitsentscheidung, soweit die Voraussetzungen für die Zulassung des Bürgerbegehrens vorliegen. Das ist vorliegend der Fall. 45Das Bürgerbegehren wurde nach diesen Maßstäben formell ordnungsgemäß am 4. Mai 2020 schriftlich mit mehr als den gemäß § 26 Abs. 2 Satz 8 GO NRW erforderlichen 25 Unterschriften zur Vorprüfung eingereicht. Auch die Frist zur Einreichung eines Bürgerbegehrens war bei Abgabe des Antrages auf Vorprüfung der Zulässigkeit am 4. Mai 2020 noch nicht abgelaufen. Gemäß § 26 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Satz 1 GO NRW muss ein Bürgerbegehren innerhalb von drei Monaten nach dem Sitzungstag eingereicht sein, wenn es sich bei verständiger Würdigung gegen einen Beschluss des Rates bzw. vorliegend des für den Rat tätigen Haupt- und Finanzausschusses richtet, der – wie hier – nicht der Bekanntmachung bedarf. Der Haupt- und Finanzausschuss hat am 23. April 2020 den Beschluss gefasst, dass eine Vermarktung der Grundstücke im Bereich des Bebauungsplans „O. “ im Wege des Erbbaurechtes und nachrangig durch Verkauf stattfinden soll. Das streitgegenständliche Bürgerbegehren richtet sich gegen diesen Beschluss, da es auf die ausschließliche Vergabe der Grundstücke im Wege des Erbbaurechtes gerichtet ist. Vor diesem Hintergrund ist es, auch wenn die Absichtserklärung zur Initiierung des Bürgerbegehrens vor diesem Beschluss erfolgt ist, zu einem fristgebundenen kassatorischen Bürgerbegehren geworden. Die Kläger haben den Antrag auf Prüfung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens innerhalb von weniger als zwei Wochen nach dem Beschluss des Haupt- und Finanzausschuss eingereicht. 46Das von den Klägern zur Vorprüfung eingereichte Bürgerbegehren erfüllt auch im Übrigen mit Ausnahme des Erreichens des notwendigen Quorums die für eine Zulassung erforderlichen Voraussetzungen. 47Die Kläger stellen eine den Anforderungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 GO NRW genügende Frage zur Abstimmung, die insbesondere eindeutig und aus sich heraus verständlich formuliert ist und die eine Angelegenheit der Gemeinde (§ 26 Abs. 1 Satz 1 GO NRW) betrifft. 48Nach § 26 Abs. 7 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 GO NRW kann bei einem Bürgerbegehren über die gestellte Frage nur mit "Ja" oder "Nein" abgestimmt werden. Insoweit setzt § 26 Abs. 7 Satz 1 GO NRW voraus, dass die Frage eindeutig formuliert, also hinreichend bestimmt ist. Die hinreichende Bestimmtheit der Fragestellung eines Bürgerbegehrens ist von überragender Bedeutung. Die Bürger müssen aus der Fragestellung erkennen können, für oder gegen was sie ihre Stimme abgeben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ihre Mitwirkung sich nicht auf eine mehr oder weniger unverbindliche Meinungsäußerung oder die Kundgabe der Unterstützung bestimmter Anliegen beschränkt, sondern eine konkrete Sachentscheidung betrifft. Deshalb muss ausgeschlossen sein, dass ein Bürgerbegehren nur wegen seiner inhaltlichen Vieldeutigkeit und nicht wegen der eigentlich verfolgten Zielsetzung die erforderliche Unterstützung gefunden hat. Daher muss die Fragestellung in sich widerspruchsfrei, in allen Teilen inhaltlich nachvollziehbar und aus sich heraus verständlich sein. 49Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Mai 2014 – 15 B 499/14 –, juris, Rn. 8 ff. 50Der Gegenstand der angestrebten Entscheidung muss sich danach unzweideutig aus dem Text des Bürgerbegehrens in Verbindung mit der Begründung selbst ergeben. 51Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Juni 2017 – 15 A 1561/15 –, juris, Rn. 87. 52Die zur Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens führende Mehrdeutigkeit der Fragestellung kann hingegen nicht durch Rückgriff auf die Begründung des Bürgerbegehrens beseitigt werden. 53Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Juni 2013 – 15 B 697/13 –, juris, Rn. 9. 54Die hier in Rede stehende Frage wird diesen Anforderungen gerecht. Sie ist aus Sicht des objektiven, mit dem Inhalt des Bürgerbegehrens nicht weiter vertrauten, billig und gerecht denkenden Empfängers eindeutig. Aus der Frage geht unmissverständlich hervor, welche gemeindliche Fläche von einem etwaigen Bürgerentscheid betroffen wäre und auf welchem Weg deren Vermarktung erfolgen soll. Dem Einwand der Beklagten, dass die Fragestellung zu unbestimmt sei, weil der Begriff des Erbbaurechtes einem durchschnittlichen Gemeindebürger nicht bekannt sei, kann nicht gefolgt werden. Denn von den Klägern kann nicht mehr als die Verwendung des ihr Begehren zutreffend beschreibenden Fachbegriffes verlangt werden. Eine schädliche Mehrdeutigkeit der Fragestellung kann in einem solchen Fall nicht angenommen werden. Der Sinn der Vergabe der Grundstücke im Wege des Erbbaurechtes ergibt sich zudem aus der Begründung, die vorliegend angesichts der Eindeutigkeit der Fragestellung zur ergänzenden Erläuterung der zutreffend benannten Vermarktungsform auch herangezogen werden kann. Aus der Begründung wird deutlich, dass durch die Vergabe der Grundstücke im Wege des Erbbaurechtes die Eigentümerstellung der Beklagten im Hinblick auf die Grundstücke unberührt bleibt, die Grundstücke dennoch von Gewerbetreibenden entsprechend dem im Bebauungsplan festgelegten Zweck genutzt werden können. 55Die Fragestellung ist darüber hinaus auch auf eine ansonsten dem Rat obliegende Sachentscheidung gerichtet. 56Dieser Annahme steht zunächst nicht entgegen, dass dem Haupt- und Finanzausschuss die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Frage der Vermarktung der städtischen Flächen im Bereich des Bebauungsplans „O. “ zugewiesen wurde. Denn es kommt zur Erfüllung des Merkmals "an Stelle des Rates" alleine darauf an, ob der Entscheidungsgegenstand – wie hier – grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich des Rates fällt. 57Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Februar 2008 – 15 A 2961/07 –, juris, Rn. 58. 58Andernfalls hätte es der Rat in der Hand, durch die Übertragung von Angelegenheiten an einen Ausschuss einem Bürgerbegehren die Grundlage zu entziehen. 59So auch Held, Winkel, Wansleben, Kommentar Kommunalverfassungsrecht NRW, September 2020, § 26 GO NRW, Ziffer 2.4. 60Das Bürgerbegehren ist ferner auf eine Sachentscheidung gerichtet. 61Wie die Beklagte zutreffend ausführt ist es im Rahmen eines Bürgerbegehrens nicht zulässig, nur Leitlinien für die weitere Beschlussfassung des Rates zur Abstimmung zu stellen, weil dann entgegen dem Sinn des § 26 GO NRW der Rat die Angelegenheit letztlich doch entscheiden müsste. 62Vgl. Held, Winkel, Wansleben, Kommentar Kommunalverfassungsrecht NRW, September 2020, § 26 GO NRW, Ziffer 2.6. 63Daher ist ebenso eine Fragestellung ausgeschlossen, die sich nicht auf eine Entscheidung in der Sache, sondern auf eine lediglich resolutionsartige Unterstützung eines bestimmten Anliegens richtet. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Rat im Rahmen seiner Zuständigkeit in einem von ihm zu treffenden Beschluss darauf beschränken darf, allgemeine Ziele und Absichten zu formulieren, ohne stets eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Denn § 41 Abs. 1 GO NRW überantwortet dem Rat die Allzuständigkeit für grundsätzlich alle Angelegenheiten der Gemeinde. Dies beinhaltet die Befugnis zu umfassender Beschlussfassung. Im Unterschied hierzu knüpft die in § 26 Abs. 1 GO NRW gewählte gesetzliche Formulierung an eine konkrete durch die Bürgerschaft zu treffende Sachentscheidung an. 64Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. April 2002 – 15 A 5594/00 –, juris, Rn. 13 ff. 65Eine solche auf eine Sachentscheidung gerichtete Frage enthält das zur Vorprüfung eingereichte Bürgerbegehren. Denn die Frage betrifft die Grundsatzentscheidung über die Art der Vermarktung der städtischen Grundstücke im Bereich des Bebauungsplans O. . Einer weitergehenden Ausdifferenzierung im Hinblick auf mögliche Vertragsinhalte (Entgelt, Vertragslaufzeit etc.) bedarf es insoweit nicht. Vielmehr kann die Frage in der Form gestellt werden, die in ihrer Umsetzung noch weiterer Detailentscheidungen bedarf. 66Vgl. Held, Winkel, Wansleben, Kommentar Kommunalverfassungsrecht NRW, September 2020, § 26 GO NRW, Ziffer 2.2. 67Etwas anderes würde die Anforderungen, die an eine zulässige Fragestellung zu stellen sind, deutlich überspannen. Zumal eine weitere Ausdifferenzierung angesichts des limitierten Raums für Ausführungen auf dem den Bürgern vorzulegenden Vordruck des Bürgerbegehrens, welches neben der Fragestellung, die Begründung, die Kostenschätzung und Unterschriften auf einer Seite enthalten muss, kaum umsetzbar wäre. 68Auch die Begründung des Bürgerbegehrens ist nicht zu beanstanden. 69Die Begründung des Bürgerbegehrens dient dazu, die Unterzeichner über den Sachverhalt und die Argumente der Initiatoren aufzuklären. Diese Funktion erfüllt die Begründung nur, wenn die dargestellten Tatsachen, soweit sie für die Entscheidung wesentlich sind, zutreffen. Soweit die Begründung im Übrigen auch dazu dient, für das Bürgerbegehren zu werben, kann sie auch Wertungen, Schlussfolgerungen oder Erwartungen zum Ausdruck bringen, die einer Wahrheitskontrolle nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Auch mag die Begründung eines Bürgerbegehrens im Einzelfall Überzeichnungen enthalten dürfen, die zu bewerten und zu gewichten Sache des Unterzeichners bleibt, der sich selbst ein Urteil darüber zu bilden hat, ob er den mit dem Bürgerbegehren vorgetragenen Argumenten folgen will oder nicht. Diese aus dem Zweck des Bürgerbegehrens folgenden Grenzen der Überprüfbarkeit sind jedoch dann überschritten, wenn Tatsachen unrichtig wiedergegeben werden, die für die Begründung tragend sind. 70Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Mai 2014 – 15 B 522/14 –, juris, Rn. 7. 71An die Begründung dürfen jedoch angesichts des Umstandes, dass die Einreichung eines Bürgerbegehrens auch Gemeindebürgern ohne besondere verwaltungsrechtliche Kenntnisse möglich sein muss und der Umfang der Begründung durch die notwendige Platzierung auf der die Fragestellung enthaltenden Unterschriftenliste begrenzt ist, keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. 72Nach diesen Maßstäben erweist sich die vorliegende Begründung als zulässig. Sie enthält weder unzutreffende noch irreführende Aussagen. 73Die Ausführungen in der Begründung des Bürgerbegehrens, Leerstand könne bei einer Vermarktung der Grundstücke im Wege des Erbbaurechtes im Gegensatz zum Verkauf, deutlich effektiver entgegengewirkt oder von vornherein vermieden werden, sind nicht zu beanstanden. 74Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung anschaulich dargestellt, durch welche Mechanismen Druck auf die Gewerbetreibenden ausgeübt werden könne, um diese bereits aus eigenem Antrieb zu motivieren, einen Leerstand zu vermeiden. Zudem haben die Kläger Handlungsoptionen der Beklagten bei einem eingetretenen Leerstand vorgestellt, die bei einem Verkauf nicht zur Verfügung stünden. Insoweit könne bei einem Leerstand oder einer Gewerbeaufgabe der Heimfall geregelt werden oder stattdessen eine Vertragsstrafe. Dies erhöhe den Druck auf die Gewerbetreibenden, da diese bei einem Leerstand neben den Erbbauzinsen auch noch die Vertragsstrafe leisten müssten. Zudem biete die Vermarktung der Grundstücke im Wege des Erbbaurechts den Vorteil, dass die Beklagte im Falle der Insolvenz des Gewerbetreibenden als Gläubigerin selbst in der Lage sei, die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass der Beklagten als Erbbaugeberin ein weitergehender Einfluss auf die Nutzung der Grundstücke zukommt als bei einem Verkauf der Grundstücke und damit eine effektivere Möglichkeit zur Entgegenwirkung und Verhinderung von Leerstand. Dem Einwand der Beklagten, die Beschreibung „effektiver“ beziehe sich ausschließlich auf das Entgegenwirken eines Leerstandes und nicht auch auf die Verhinderung eines solchen, ist sprachlich nicht zwingend. Allerdings bestünden an der Begründung auch bei Zugrundelegung des Verständnisses der Beklagten keine Bedenken. Denn nach den vorstehend dargestellten denkbaren vertraglichen Regelungen bei einer Vergabe der Grundstücke im Wege des Erbbaurechtes erscheint es jedenfalls möglich, dass ein Leerstand aufgrund der drohenden Konsequenzen für den Gewerbetreibenden verhindert wird. 75Eine umfassende Darstellung der möglichen Folgen einer erbbaurechtlichen Vergabe der Grundstücke, wie etwa des Erfordernisses einer Entschädigungsleistung der Beklagten an den Gewerbetreibenden bei einem Heimfall des Grundstücks, bedarf es entgegen dem Vorbringen der Beklagten nicht. Denn wie bereits ausgeführt dient die Begründung auch der Werbung für das Bürgerbegehren und kann daher einseitig die Vorteile des Begehrens hervorheben, solange diese – wie hier – zutreffend beschrieben werden. Der Beklagten ist es hingegen unbenommen vor der Durchführung des Bürgerentscheides gleichfalls für ihre Sichtweise zu werben und entsprechende Gegenargumente zu formulieren. 76Der weitere Begründungsteil, dass die Grundstücke nach Ende der Erbbaufrist an die Beklagte zurückfallen und diese die Grundstücke neu für Gewerbe vergeben oder auch anderweitig (z. B. Wohnbau) nutzen könne, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar bedürfte es, wie die Beklagte zutreffend aufzeigt, für eine anderweitige Nutzung der Grundstücke, zunächst der Änderung des Bebauungsplans. Eine solche Änderung ist der Beklagten jedoch möglich und bei Rückfall der Grundstücke auch mangels entgegenstehenden Bestands- und Vertrauensschutzes der gerade nicht zu Eigentümern der Grundstücke gewordenen Gewerbetreibenden realisierbar. 77Die Bedenken der Beklagten im Hinblick auf den Begründungsteil, dass sie bei einer erbbaurechtlichen Vergabe der Grundstücke statt einer einmaligen Zahlung, die kurzfristig wieder verausgabt werde, regelmäßige im Haushalt planbare Zahlungseingänge erhalte, können ebenfalls nicht geteilt werden. Denn die Beklagte erhält unstreitig bei einer Vergabe der Grundstücke im Wege des Erbbaurechtes einen Erbbauzins. Der Umstand, dass der dadurch vereinnahmte Betrag nach den Ausführungen der Beklagten in der Regel nicht von nennenswertem Umfang ist, macht die Begründung nicht unrichtig. Denn zu der Höhe der Zahlungseingänge machen die Kläger in der Begründung keine Angaben. Vielmehr steht es der Beklagten auch insoweit frei, ihre gegenläufige Position vor dem Bürgerentscheid öffentlich zu machen. 78Die weiteren Ausführungen in der Begründung zum Erhalt des Immobilienbestandes und der Beteiligung der Beklagten an etwaigen Wertsteigerungen des Bodens sind ersichtlich zutreffend und auch von der Beklagten nicht angegriffen worden. Dies gilt ebenfalls für den in der mündlichen Verhandlung durch Vorlage einer entsprechenden Liste von Städten, die ihre Gewerbegrundstücke im Wege des Erbbaurechts vergeben haben, belegten Begründungsteil, dass die Vermarktungsform des Erbbaurechtes bundesweit von vielen Kommunen genutzt werde. 79Die Kläger haben ferner die Kostenschätzung der Beklagten ohne Änderungen übernommen. Unschädlich ist insoweit der von ihnen aufgenommene, der Kostenschätzung nachfolgende Zusatz „aus unserer Sicht spekulativ“. Die Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens haben zwar die Pflicht, die Kostenschätzung der Verwaltung zu übernehmen und der Bürgerschaft gemäß § 26 Abs. 2 Satz 6 GO NRW bei der Sammlung der Unterschriften nach § 26 Abs. 4 GO NRW so zur Kenntnis zu geben, wie die Verwaltung sie abgegeben hat. Teilen sie die Einschätzung der Verwaltung zu den Kosten nicht, haben die Vertretungsberechtigten aber die Möglichkeit, in der Begründung des Bürgerbegehrens eine abweichende Auffassung darzustellen. 80Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 15 A 2927/18 –, juris, Rn. 79. 81Dies muss auch gelten, wenn - wie hier - in der Begründung auf eine entsprechende Stellungnahme verzichtet wird und sie der Kostenschätzung unmittelbar nachfolgt. Insbesondere wird durch den Zusatz “aus unserer Sicht“ hinreichend deutlich, dass es sich um die Einschätzung der Kläger handelt. 82Das Bürgerbegehren verstößt auch nicht gegen das Befassungsverbot nach § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW. 83Nach § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW ist ein Bürgerbegehren unzulässig über die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen mit Ausnahme der Entscheidung über die Einleitung des Bauleitplanverfahrens. 84Diese Bestimmung entzieht durch Bebauungspläne und Flächennutzungspläne getroffene Regelungen dem Anwendungsbereich des Bürgerbegehrens umfassend. Eine Bauleitplanentscheidung bedarf der planerischen Abwägung. Sie eignet sich nicht für ein notwendigerweise auf eine Ja- oder Nein-Entscheidung angelegtes Bürgerbegehren, in dem systembedingt eine sorgfältige Abwägung unter Einbeziehung aller relevanten Gesichtspunkte nicht stattfinden kann. 85Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. November 2019 – 15 B 1338/19 –, juris, Rn. 10 ff., vom 3. Juli 2019 – 15 B 822/19 –, juris, Rn. 15, und vom 16. April 2018 – 15 A 1322/17 –, juris, Rn. 11 ff. 86Dabei steht § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW einem Bürgerbegehren nach seinem Sinn und Zweck auch dann entgegen, wenn dieses der Sache nach offensichtlich gegen eine Bauleitplanung gerichtet ist und sich nur in das formelle Gewand einer anderen Frage kleidet. 87Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. November 2019 – 15 B 1338/19 –, juris, Rn. 10 ff. 88Bei der Auslegung und Anwendung des Ausschlusstatbestandes des § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 GO NRW ist allerdings zu berücksichtigen, dass er – im Unterschied zu § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 GO NRW ("Angelegenheiten, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens […] zu entscheiden sind") – enger formuliert ist und Entscheidungen, die lediglich mittelbar auf eine Bauleitplanung gerichtet sind, indem sie etwa der Verwirklichung einer in Gang gesetzten Bauleitplanung entgegenstünden, nicht erfasst. 89Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Dezember 2007 – 15 B 1744/07 –, juris, Rn. 5 ff., und vom 17. Juli 2007 – 15 B 874/07 –, juris, Rn. 6 ff; VG Köln, Urteil vom 25. Mai 2011 – 4 K 6904/10 –, juris, Rn. 35 ff. 90Wo die Grenze verläuft zwischen einem dem Bürgerbegehren zugänglichen Gegenstand jenseits der Bauleitplanung und einer in diesem Sinne in das Gewand einer anderen Maßnahme gekleideten unzulässigen bauplanerischen Entscheidung, ist eine Frage des Einzelfalles. 91Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Dezember 2007 – 15 B 1744/07 –, juris, Rn. 13 und vom 19. November 2019 – 15 B 1338/19 –, juris, Rn. 10 ff.; VG Köln, Urteil vom 25. Mai 2011 – 4 K 6904/10 –, juris, Rn. 35 ff. 92Es muss durch Auslegung im Einzelfall ermittelt werden, ob das Bürgerbegehren der Sache nach erkennbar gegen die mit der Planaufstellung zum Ausdruck gebrachten Zielvorstellungen der Gemeinde gerichtet ist und den - beabsichtigten - planerischen Festsetzungen objektiv widerspricht. 93Vgl. VG Minden, Urteil vom 15. November 2012 – 2 K 2607/11 –, juris, Rn. 56; VG Köln, Urteil vom 25. Mai 2011 – 4 K 6904/10 –, juris, Rn. 45; VG Düsseldorf, Urteil vom 2. März 2007 – 1 K 4143/06 –, juris, Rn. 36. 94Hier ist nicht erkennbar, dass das Bürgerbegehren den planerischen Festsetzungen objektiv widerspricht. Die Entscheidung zur Ausweisung des Gebietes als Gewerbegebiet sowie die Ansiedlung von Gewerbetreibenden wird nicht in Frage gestellt. Allein die Frage der Vermarktung der Gebiete führt grundsätzlich nicht dazu, dass das Bürgerbegehren die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen betrifft. Etwas anderes gilt nur dann, wenn durch die im Bürgerbegehren vorgesehene Vermarktungsform die Realisierung des Bebauungsplans verhindert würde. Dies ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Zunächst ist der Begründung des Bebauungsplans nicht zu entnehmen, dass für die planerische Entscheidung der Verkauf der Grundstücke tragend war. Denn in der 48 Seiten langen Begründung des Bebauungsplans kommt der Aspekt der Finanzierbarkeit des Bebauungsplans durch Verkauf der Grundstücke nur in den im Tatbestand dargestellten Nebensätzen vor. Dass eine Vermarktung der Grundstücke im Wege des Erbbaurechtes auch nicht offensichtlich ausgeschlossen ist, macht zudem der Beschluss des Haupt- und Finanzausschuss über die vorrangige Vermarktung durch Erbbraurechte deutlich. Dementsprechend hat auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass eine entsprechende Vermarktung wirtschaftlich durchaus sinnvoll sein kann. Die Möglichkeit einer entsprechenden Vergabe von Gewerbegrundstücken wird ferner durch die von den Klägern vorgelegte Liste an Städten, die bereits entsprechend verfahren, deutlich. 95Die von der Beklagten unter Berufung auf baurechtliche Rechtsprechung angeführte besondere Bedeutung der Beurteilung der Finanzierbarkeit des bauplanungsrechtlichen Vorhabens führt auch nicht zu einer anderen Bewertung. Denn die insoweit angeführte Rechtsprechung zeigt lediglich auf, dass die Gemeinden nach § 1 Abs. 3 BauGB Bauleitpläne aufzustellen haben, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Nicht erforderlich ist ein Bebauungsplan, wenn seiner Verwirklichung auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse, zu denen auch das Fehlen der benötigten Finanzmittel zu zählen ist, im Wege stehen. 96Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 2004 – 4 CN 4/03 –, juris, Rn. 9. 97Die Art der Finanzierbarkeit wird danach jedoch nicht Bestandteil des Bebauungsplans, wenn, wie hier, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verwirklichung des Bebauungsplans finanzielle Gründe im Weg stehen bzw. solchen nur durch den Verkauf der Grundstücke begegnet werden könnten. 98Anlässlich dieses Verfahrens sei angemerkt, dass das von der Beklagten praktizierte – für dieses Verfahren unbeachtliche – fiktive Hinzurechnen von Stimmen abwesender Ratsmitglieder evident unzulässig war. 99Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung. 100Rechtsmittelbelehrung: 101Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. 102Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden. 103Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. 104Die Berufung ist nur zuzulassen, 1051. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 1062. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 1073. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 1084. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 1095. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. 110Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. 111Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen. 112Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen. 113Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 114Beschluss: 115Der Streitwert wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt. 116Gründe: 117Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes i. V. m. Ziffer 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 erfolgt. Eine Reduzierung des Streitwertes aufgrund der vorliegend „nur“ im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens festgestellten Zulässigkeit des Bürgerbegehrens kommt angesichts der damit einhergehenden Bindungswirkung und mithin eines im Vergleich zu einer Zulassungsentscheidung nach § 26 Abs. 6 Satz 1 GO NRW im Kern gleichwertigen Interesses nicht in Betracht. 118Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. März 2021 – 10 ME 14/21 –, juris. 119Rechtsmittelbelehrung: 120Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. 121Die Beschwerde kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 122Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 123Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt. 124Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften. 125War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. | die beklagte wird unter aufhebung der bescheide vom 28. juni 2020 verpflichtet, die zulässigkeit des bürgerbegehrens „f. o. “ gemäß § 26 abs. 2 satz 7 der gemeindeordnung für das land nordrhein-westfalen festzustellen. der beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages vorläufig voll-streckbar. 1 | 2die beklagte ist eigentümerin von grundstücken im bereich des bebauungsplans nr. x00 o. (o. ). den bebauungsplan mit seinen textlichen festsetzungen einschließlich der begründung mit umweltbericht beschloss der rat der beklagten in der sitzung vom 26. februar 2019. nach der begründung des bebauungsplans ist dessen ziel die schaffung der planungsrechtlichen voraussetzungen für die erweiterung und sicherung eines gewerbegebietes im bereich der o. . die gewerbeflächen des plangebietes sollen der schaffung von arbeitsplätzen und der verbesserung der vorhandenen gesamtstädtischen gewerbestruktur dienen sowie den in der stadt ansässigen betrieben die möglichkeit bieten, sich an neue anforderungen im gewerblichen bereich anzupassen. unter ziffer 10.2 der begründung des bebauungsplans wurde unter der überschrift kosten und realisierung der bauleitplanung ausgeführt: 3„von den erschließungskosten trägt die stadt f1. den anteil, der gemäß ortssatzung nicht von den anliegern abgedeckt wird. gegebenenfalls können teile der erschließungsanlagen auch über erschließungsverträge verwirklicht werden. die kosten werden im verkaufspreis der grundstücke berücksichtigt. 4für erforderliche ausgleichsmaßnahmen innerhalb der festgesetzten grünflächen auf städtischen grundstücken trägt die stadt f1. die kosten. es ist nicht ausgeschlossen, dass diese kosten im verkaufspreis der grundstücke berücksichtigt werden.“ 5der haupt- und finanzausschuss der beklagten befasste sich in seiner sitzung am 11. februar 2020 mit einem bürgerantrag der kläger nach § 24 der gemeindeordnung für das land nordrhein-westfalen (go nrw) zur vergabe der gewerbegrundstücke im bereich des bebauungsplans o. im wege des erbbaurechts anstatt des verkaufs. ein entsprechender beschlussvorschlag wurde mit einer differenz von zwei stimmen abgelehnt. daraufhin erklärten die kläger mit e-mail vom 5. märz 2020, dass sie angesichts dieses knappen ergebnisses beabsichtigten, ein entsprechendes bürgerbegehren zu initiieren. sie baten um mitteilung einer kostenschätzung und reichten zu einer internen vorprüfung die folgende fragestellung nebst begründung ein: 6„sollen die im eigentum der stadt f1. stehenden gewerbegrundstücke im bereich des bebauungsplans o. (nr. x00) nicht verkauft, sondern im rahmen des erbbaurechts vergeben werden, so dass die stadt f1. eigentümerin der grundstücke bleibt?“ 7begründung: durch die vergabe der gewerbegrundstücke auf der o. im rahmen des erbbaurechtes bleibt die stadt f1. immer eigentümerin der grundstücke. das bietet viele vorteile: 89leerstand lässt sich, im gegensatz zum verkauf, deutlich effektiver entgegenwirken oder von vornherein vermeiden. und das ist enorm wichtig, denn leerstand zahlt keine steuern, verschlechtert das image des gewerbegebiets und erhöht den druck immer neue freiflächen als gewerbegebiete auszuweisen. 10der immobilienbestand der stadt f1. wird nicht reduziert. 11wenn alles gut läuft kann das f. immer wieder verlängert werden. wenn aber etwas schief geht, fällt das grundstück spätestens nach ablauf der erbbaurechtsfrist wieder an die stadt zurück, die es neu für gewerbe vergeben oder aber auch anderweitig nutzen kann (z. b. wohnbau). die stadt f1. behält auf der o. immer das ruder in der hand. 12statt einer einmaligen zahlung, die kurzfristig wieder verausgabt wird, erhält die stadt f1. regelmäßige im haushalt planbare zahlungseingänge. 13wertsteigerungen von grund und boden erhöhen das vermögen der stadt f1. und nicht das des gewerbetreibenden. grundstücksspekulation ist damit praktisch ausgeschlossen. 14die vergabe von gewerbegrundstücken im rahmen des erbbaurechtes ist nichts neues und wird bundesweit von vielen kommunen genutzt, was in anbetracht der vielen vorteile für den erbbaurechtsgeber auch nicht verwunderlich ist. es wäre daher fahrlässig, wenn die stadt f1. ohne not die grundstücke auf der o. unwiderruflich aus der hand geben würde.“ 15mit schreiben vom 16. april 2020 teilte die beklagte den klägern eine kostenschätzung von 755.757,33 euro mit. 16in seiner sitzung am 23. april 2020 befasste sich der haupt- und finanzausschuss der beklagten mit der vermarktung der städtischen grundstücke im gewerbegebiet o. . der ausschuss beschloss, die verwaltung mit der vermarktung der gewerbeflächen zu beauftragen. die gewerbeflächen an der o. sollten entweder zu einem in dem beschluss genannten preis oder als erbbaurecht angeboten werden. dabei seien die kriterien zur interessentenauswahl in der nachfolgenden reihenfolge für die ansiedlung zu beachten: 171. die gewerbesteuer in relation zur gekauften/gepachteten fläche, 182. die anzahl der arbeitsplätze, 193. die bereitschaft zum abschluss eines erbbaurechtes, 204. der kaufpreis und 215. die attraktivität des unternehmens. 22die kläger reichten unter dem 24. april 2020 das angekündigte bürgerbegehren mit unveränderter fragestellung und begründung unter aufnahme der kostenschätzung mit dem zusatz „aus unserer sicht spekulativ“ ein und beantragten eine vorprüfung der zulässigkeit gemäß § 26 abs. 2 satz 7 go nrw i. v. m. § 25 abs. 4 go nrw durch den rat der beklagten. beigefügt waren listen mit insgesamt 32 unterschriften. 23mit e-mail vom 29. april 2020 wies die beklagte die kläger darauf hin, dass der antrag auf vorprüfung nicht den formellen anforderungen des § 26 abs. 2 satz 8 go nrw entspreche, weil die unterschriften nicht auf der seite, die auch die fragestellung und begründung enthalte, geleistet worden seien. 24die kläger reichten am 4. mai 2020 unter beachtung der vorstehenden anforderungen das bürgerbegehren mit 34 unterschriften erneut zur vorprüfung ein. 25die beklagte holte zu der frage der zulässigkeit des bürgerbegehrens rechtsgutachterliche stellungnahmen des städte- und gemeindebundes sowie eines rechtsanwaltes ein. beide stellten die unzulässigkeit des bürgerbegehrens fest. ausweislich der stellungnahmen des rechtsanwaltes vom 15. mai und 5. juni 2020 unterliege die fragestellung des zur vorprüfung eingereichten bürgerbegehrens dem befassungsverbot des § 26 abs. 5 satz 1 nr. 5 go nrw. danach sei ein bürgerbegehren über die aufstellung, änderung, ergänzung und aufhebung von bauleitplänen unzulässig. eine änderung der bauleitplanung sei vorliegend betroffen. denn der inhalt der fragestellung, ob die vermarktung der städtischen flächen im plangebiet durch bestellung von erbbaurechten vorzunehmen sei, richte sich inhaltlich gegen eine im bebauungsplan getroffene entscheidung. denn zum planerischen entscheidungskonzept dieses bebauungsplans zähle ausweislich seiner begründung, die finanzierung der umsetzung der planinhalte unter anderem durch verkauf der städtischen grundstücke zu gewährleisten. die entscheidung zur finanzierung partizipiere am konzept des bebauungsplanes und sei daher gegen eine änderung durch bürgerbegehren geschützt. an dieser einschätzung ändere auch die entscheidung des finanz- und hauptausschusses nichts, dass eine vermarktung durch verkauf oder erbbaurecht in betracht komme und in der rangfolge der kriterien für die auswahl der bewerber die bereitschaft zum abschluss eines erbbaurechtes vor dem käuflichen erwerb stehe. zudem litten die fragestellung und die begründung des bürgerbegehrens an mängeln. die fragstellung verstoße gegen das bestimmtheitsgebot, weil der in ihr verwendete begriff des erbbaurechtes von inhalt und tragweite her dem durchschnittsbürger nicht bekannt sei. die begründung sei geeignet bei den lesern unzutreffende vorstellungen im zusammenhang mit der erbbaurechtsbestellung zu erzeugen. unzutreffend sei die darstellung, die beklagte könne das grundstück nach ablauf der erbbaurechtsfrist auch zur wohnnutzung verwenden. denn dies erfordere zunächst die änderung des bebauungsplans. zudem sei die begründung, die beklagte erhalte durch die vergabe mittels erbbaurechts regelmäßige im haushalt planbare zahlungseingänge, nicht richtig, weil suggeriert werde, dass für die beklagte nur einkünfte und keine belastungen mit dem erbbaurecht einhergingen. nach § 27 des gesetzes über das erbbaurecht (erbbaurg) habe allerdings mit beendigung des erbbaurechts, wenn der erbbauberechtigte auf dem grundstück ein bauwerk errichtet habe, der grundstückeigentümer hierfür eine entschädigung zu leisten. die finanziellen vor- und nachteile einer erbbauchrechtsbestellung würden damit nur unvollständig dargestellt. ferner könne das bürgerbegehren nicht die ratsbeschlussersetzende funktion erfüllen. im falle eines erfolgreichen bürgerentscheides wäre die beklagte zu einer umsetzung nicht in der lage, da die mit der komplexität eines erbbaurechtsvertrages verbundenen entscheidungen nicht vorgegeben würden. 26die stellungnahmen wurden den klägern zur kenntnisnahme übersandt. 27in seiner sitzung vom 18. juni 2020 befasste sich der rat der beklagten unter tagesordnungspunkt (top) 5 mit der frage der zulässigkeit des bürgerbegehrens „f. auf der o. “. ausweislich der niederschrift zur ratssitzung stimmten von den anwesenden ratsmitgliedern 14 für die zulässigkeit des bürgerbegehrens und 17 stimmten gegen diese. die gegenstimmen stammten von den ratsmitgliedern der cdu, 2 ratsmitgliedern der spd, einem fraktionslosen ratsmitglied und dem bürgermeister. sodann wurde eine fiktive hinzurechnung von abwesenden ratsmitgliedern im wege eines „pairing-verfahrens“ vorgenommen. die spd-fraktion wies darauf hin, dass die nicht anwesenden ratsmitglieder der spd-fraktion nicht in die zählung einbezogen werden könnten, weil die fraktion nicht einheitlich abgestimmt habe. sodann gab der bürgermeister der beklagten das folgende ergebnis bekannt: 21 stimmen für die feststellung der zulässigkeit des bürgerbegehrens und 20 stimmen dagegen. daraufhin teilte der bürgermeister der beklagten mit, dass „man sehen müsse, wie damit umzugehen sei.“ 28einen tag nach der ratssitzung informierte der bürgermeister der beklagten die ratsmitglieder per e-mail darüber, dass die zählung der fiktiven stimmen noch einmal überprüft worden sei und der beschlussvorschlag, die zulässigkeit des bürgerbegehrens festzustellen, danach mit 20:20 stimmen abgelehnt worden sei. bei hinzurechnung der fiktiven stimmen der abwesenden fraktionsmitglieder ergebe sich, dass die stimmen der sechs abwesenden ratsmitglieder der bmu-fraktion den „ja-stimmen“ und die stimmen der drei abwesenden ratsmitglieder der cdu-fraktion den „nein–stimmen“ zugerechnet würden. die beiden abwesenden ratsmitglieder der spd-fraktion seien unberücksichtigt geblieben, ebenso wie die stimme eines fraktionslosen ratsmitgliedes, welches nicht an einer pairing-vereinbarung beteiligt gewesen sei. 29die beklagte berichtete der kommunalaufsicht von dem sachverhalt. diese nahm mit schreiben vom 25. juni 2020 wie folgt stellung: ein pairing-verfahren sei nach den angaben der beklagten nicht einvernehmlich vereinbart worden, sodass das reguläre abstimmungsverfahren nach § 50 abs. 1 go nrw zu grunde zu legen sei. angesichts der durch die anwesenden ratsmitglieder abgegebenen stimmen von „14 ja- und 17-nein-stimmen“ sei der zur abstimmung gestellte antrag „die zulässigkeit der fragestellung des bürgerbegehrens „f. auf der o. “ wird festgestellt“ abgelehnt worden. dieses abstimmungsergebnis sei in der sitzung festgestellt und verkündet worden. das sodann erfolgte fiktive hinzurechnen von stimmen abwesender ratsmitglieder sei nicht von relevanz. 30mit bescheiden vom 28. juni 2020 – zugestellt am 4. und 6 juli 2020 – teilte die beklagte den klägern die feststellung des rates vom 18. juni 2020 zur unzulässigkeit des bürgerbegehrens mit und führte zur begründung im wesentlichen aus, dass die unzulässigkeit des bürgerbegehrens sowohl bei zugrundelegung der durch die anwesenden ratsmitglieder abgegebenen stimmen als auch bei einer weiteren fiktiven hinzurechnung der stimmen abwesender ratsmitglieder unter zugrundelegung des pairing-verfahrens festgestellt worden sei. die insoweit anderslautende feststellung im vorläufigen protokoll der ratssitzung sei unerheblich, da das im protokoll enthaltene ergebnis der auszählung offenkundig unrichtig gewesen sei. auf diese unrichtigkeit seien die ratsmitglieder per e-mail am folgetag hingewiesen worden. die vom rat getroffene entscheidung zur zurückweisung des bürgerbegehrens sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. dies ergebe sich aus den eingeholten rechtsgutachterlichen stellungnahmen, auf die verwiesen werde. 31die kläger haben am 2. august 2020 klage erhoben. zur begründung führen sie aus, dass das von ihnen eingereichte bürgerbegehren zulässig sei. es seien weder die fragestellung noch die begründung des bürgerbegehrens zu beanstanden. dem durchschnittsbürger sei der begriff des erbbaurechts geläufig. denn auch die kirche vergebe die in ihrem eigentum stehenden grundstücke regelmäßig nur im wege des erbbaurechtes. das bürgerbegehren bzw. der daraufhin ergehende bürgerentscheid erfülle auch die diesem zukommende, einen ratsbeschluss ersetzende funktion. dem stehe nicht entgegen, dass nicht bereits einzelheiten zu den möglichen erbbaurechtlichen verträgen in dem bürgerbegehren genannt würden. denn im rahmen eines bürgerbegehrens müssten nicht sämtliche möglichen folgen, die mit der zu abstimmung gestellten angelegenheit eintreten könnten, aufgenommen werden. vielmehr sei ausreichend, dass das bürgerbegehren hinreichend bestimmt und ohne weiteres umsetzbar sei. dies sei vorliegend der fall. zudem sei das befassungsverbot nach § 26 abs. 5 satz 1 nr. 5 go nrw nicht einschlägig. weder nach dem wortlaut der fragestellung noch nach dem sinn des bürgerbegehrens sei eine entscheidung über eine bauleitplanung betroffen. die beklagte können ohne weiteres die entsprechende bauleitplanung betreiben. zudem habe sich der haupt- und finanzausschuss bereits am 23. april 2020 für eine vorrangige vergabe der grundstücke im wege des erbbaurechtes ausgesprochen. ferner sei der tatbestand in § 26 abs. 5 satz 1 nr. 5 go nrw deutlich enger zu verstehen als derjenige, der die befassung eines bürgerbegehrens mit angelegenheiten im rahmen eines planfeststellungsverfahrens ausschließe. auch vor diesem hintergrund sei das von der beklagten zugrunde gelegte weite verständnis des anwendungsbereichs des § 26 abs. 5 satz 1 nr. 5 go nrw nicht zutreffend. 32die kläger beantragen, 33die beklagte unter aufhebung der bescheide vom 28. juni 2020 zu verpflichten, die zulässigkeit des bürgerbegehrens „f. auf der o. “ gemäß § 26 abs. 2 satz 7 go nrw festzustellen. 34die beklagte beantragt, 35die klage abzuweisen. 36zur begründung führt sie vertiefend aus, dass aus den bereits dargestellten gründen die fragestellung nicht hinreichend bestimmt sei. ferner gebe die fragestellung keine klare handlungsvorgabe, wie die erbbaurechtsbestellung konkret ausgestaltet werden soll. es fehle bereits an einer konkretisierung der kernelemente eines erbbaurechtsvertrages, wie laufzeit und entgelt. ferner seien die voraussetzungen des § 26 abs. 5 satz 1 nr. 5 go nrw erfüllt. mit der fragestellung werde in die im bebauungsplan „o. “ enthaltene planerische konzeption eingegriffen. denn zum notwendigen planungsrechtlichen abwägungsmaterial gehöre auch die frage der kosten für die planverwirklichung. hierüber müsse sich der rat einer kommune, wenn er einen bebauungsplan als satzung beschließe, hinreichend vergewissern. im vorliegenden fall sei dies dadurch geschehen, dass die mit der herstellung der infrastruktur verbundenen kosten über den verkauf der städtischen flächen refinanziert werden sollten. wenn nunmehr nach dem willen der kläger der verkauf unzulässig sei und die vermarktung der städtischen flächen ausschließlich im wege der vergabe von erbbaurechten zu erfolgen hätte, sei dies ein eingriff in die finanzplanung und damit in eine grundlage der planerischen abwägung. es genüge dann auch nicht, wenn sich ein ratsausschuss zu einem zeitpunkt nach beschluss des bebauungsplans erneut mit der vermarktungsfrage befasse und dabei als weitere option neben dem verkauf die bestellung von erbbaurechten vorsehe. es könne insoweit dahinstehen, ob bereits darin eine änderung des bebauungsplans zu sehen sei mit der konsequenz, dass es eines förmlichen änderungsverfahrens mit entsprechendem ratsbeschluss bedürfe, denn in jedem fall gehe das bürgerbegehren mit seiner fragestellung noch einmal deutlich über die beschlussfassung des haupt- und finanzausschusses hinaus, wenn die vermarktung nur noch durch vergabe von erbbaurechten vorgenommen werden dürfe. hierdurch werde das finanzierungskonzept und damit eine tragende abwägungskomponente ausgehebelt. 37wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird ergänzend auf den inhalt der gerichtsakte und die beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten bezug genommen. 38 | 39die klage hat erfolg. 40die als verpflichtungsklage zulässige klage, 41vgl. zur qualifizierung der zulassungsentscheidung des rates als verwaltungsakt etwa ovg nrw, urteile vom 7. oktober 2020 – 15 a 2927/18 –, rn. 64, juris, vom 13. juni 2017 – 15 a 1561/15 –, juris, rn. 8 und vom 5. februar 2002 – 15 a 1965/99 –, juris, rn. 8; vg düsseldorf, urteil vom 14. august 2020 – 1 k 3411/19 –, juris, rn. 37 ff., m. w. n. und auseinandersetzung mit der zum hessischen landesrecht vertretenen anderen ansicht des bverfg, beschluss vom 22. februar 2019 – 2 bvr 2203/18 –, juris, 42ist begründet. 43die kläger haben unter außerachtlassens des erreichens des nach § 26 abs. 4 go nrw notwendigen quorums einen anspruch auf feststellung der zulässigkeit des von ihnen vertretenen bürgerbegehrens durch die beklagte, § 113 abs. 1 satz 1, abs. 5 der verwaltungsgerichtsordnung (vwgo). 44gemäß § 26 abs. 1 satz 1 go nrw können bürger beantragen, dass sie an stelle des rates über eine angelegenheit der gemeinde selbst entscheiden. das bürgerbegehren muss nach § 26 abs. 2 go nrw schriftlich eingereicht werden und die zur entscheidung zu bringende frage sowie eine begründung enthalten. es muss bis zu drei bürger benennen, die berechtigt sind, die unterzeichnenden zu vertreten (vertretungsberechtigte). die verwaltung teilt den vertretungsberechtigten schriftlich eine einschätzung der mit der durchführung der verlangten maßnahme verbundenen kosten (kostenschätzung) mit. wenn die kostenschätzung vorliegt, können die vertretungsberechtigten beantragen zu entscheiden, ob das bürgerbegehren mit ausnahme des vorliegens des erforderlichen quorums nach § 26 abs. 4 go nrw zulässig ist (vorprüfungsantrag). der antrag ist in der gemäß § 25 abs. 4 go nrw vorgeschriebenen form einschließlich der zur entscheidung zu bringenden frage, der begründung sowie der anzugebenden kostenschätzung vorzulegen und von den vertretungsberechtigten sowie mindestens 25 bürgern zu unterzeichnen. über den antrag hat der rat innerhalb von acht wochen zu entscheiden. damit korrespondiert ein anspruch der vertreter des bürgerbegehrens auf erlass einer positiven zulässigkeitsentscheidung, soweit die voraussetzungen für die zulassung des bürgerbegehrens vorliegen. das ist vorliegend der fall. 45das bürgerbegehren wurde nach diesen maßstäben formell ordnungsgemäß am 4. mai 2020 schriftlich mit mehr als den gemäß § 26 abs. 2 satz 8 go nrw erforderlichen 25 unterschriften zur vorprüfung eingereicht. auch die frist zur einreichung eines bürgerbegehrens war bei abgabe des antrages auf vorprüfung der zulässigkeit am 4. mai 2020 noch nicht abgelaufen. gemäß § 26 abs. 3 satz 2 i. v. m. satz 1 go nrw muss ein bürgerbegehren innerhalb von drei monaten nach dem sitzungstag eingereicht sein, wenn es sich bei verständiger würdigung gegen einen beschluss des rates bzw. vorliegend des für den rat tätigen haupt- und finanzausschusses richtet, der – wie hier – nicht der bekanntmachung bedarf. der haupt- und finanzausschuss hat am 23. april 2020 den beschluss gefasst, dass eine vermarktung der grundstücke im bereich des bebauungsplans „o. “ im wege des erbbaurechtes und nachrangig durch verkauf stattfinden soll. das streitgegenständliche bürgerbegehren richtet sich gegen diesen beschluss, da es auf die ausschließliche vergabe der grundstücke im wege des erbbaurechtes gerichtet ist. vor diesem hintergrund ist es, auch wenn die absichtserklärung zur initiierung des bürgerbegehrens vor diesem beschluss erfolgt ist, zu einem fristgebundenen kassatorischen bürgerbegehren geworden. die kläger haben den antrag auf prüfung der zulässigkeit des bürgerbegehrens innerhalb von weniger als zwei wochen nach dem beschluss des haupt- und finanzausschuss eingereicht. 46das von den klägern zur vorprüfung eingereichte bürgerbegehren erfüllt auch im übrigen mit ausnahme des erreichens des notwendigen quorums die für eine zulassung erforderlichen voraussetzungen. 47die kläger stellen eine den anforderungen des § 26 abs. 1 satz 1 go nrw genügende frage zur abstimmung, die insbesondere eindeutig und aus sich heraus verständlich formuliert ist und die eine angelegenheit der gemeinde (§ 26 abs. 1 satz 1 go nrw) betrifft. 48nach § 26 abs. 7 satz 1 i. v. m. abs. 2 satz 1 go nrw kann bei einem bürgerbegehren über die gestellte frage nur mit "ja" oder "nein" abgestimmt werden. insoweit setzt § 26 abs. 7 satz 1 go nrw voraus, dass die frage eindeutig formuliert, also hinreichend bestimmt ist. die hinreichende bestimmtheit der fragestellung eines bürgerbegehrens ist von überragender bedeutung. die bürger müssen aus der fragestellung erkennen können, für oder gegen was sie ihre stimme abgeben. dabei ist zu berücksichtigen, dass ihre mitwirkung sich nicht auf eine mehr oder weniger unverbindliche meinungsäußerung oder die kundgabe der unterstützung bestimmter anliegen beschränkt, sondern eine konkrete sachentscheidung betrifft. deshalb muss ausgeschlossen sein, dass ein bürgerbegehren nur wegen seiner inhaltlichen vieldeutigkeit und nicht wegen der eigentlich verfolgten zielsetzung die erforderliche unterstützung gefunden hat. daher muss die fragestellung in sich widerspruchsfrei, in allen teilen inhaltlich nachvollziehbar und aus sich heraus verständlich sein. 49vgl. ovg nrw, beschluss vom 15. mai 2014 – 15 b 499/14 –, juris, rn. 8 ff. 50der gegenstand der angestrebten entscheidung muss sich danach unzweideutig aus dem text des bürgerbegehrens in verbindung mit der begründung selbst ergeben. 51vgl. ovg nrw, urteil vom 13. juni 2017 – 15 a 1561/15 –, juris, rn. 87. 52die zur unzulässigkeit des bürgerbegehrens führende mehrdeutigkeit der fragestellung kann hingegen nicht durch rückgriff auf die begründung des bürgerbegehrens beseitigt werden. 53vgl. ovg nrw, beschluss vom 21. juni 2013 – 15 b 697/13 –, juris, rn. 9. 54die hier in rede stehende frage wird diesen anforderungen gerecht. sie ist aus sicht des objektiven, mit dem inhalt des bürgerbegehrens nicht weiter vertrauten, billig und gerecht denkenden empfängers eindeutig. aus der frage geht unmissverständlich hervor, welche gemeindliche fläche von einem etwaigen bürgerentscheid betroffen wäre und auf welchem weg deren vermarktung erfolgen soll. dem einwand der beklagten, dass die fragestellung zu unbestimmt sei, weil der begriff des erbbaurechtes einem durchschnittlichen gemeindebürger nicht bekannt sei, kann nicht gefolgt werden. denn von den klägern kann nicht mehr als die verwendung des ihr begehren zutreffend beschreibenden fachbegriffes verlangt werden. eine schädliche mehrdeutigkeit der fragestellung kann in einem solchen fall nicht angenommen werden. der sinn der vergabe der grundstücke im wege des erbbaurechtes ergibt sich zudem aus der begründung, die vorliegend angesichts der eindeutigkeit der fragestellung zur ergänzenden erläuterung der zutreffend benannten vermarktungsform auch herangezogen werden kann. aus der begründung wird deutlich, dass durch die vergabe der grundstücke im wege des erbbaurechtes die eigentümerstellung der beklagten im hinblick auf die grundstücke unberührt bleibt, die grundstücke dennoch von gewerbetreibenden entsprechend dem im bebauungsplan festgelegten zweck genutzt werden können. 55die fragestellung ist darüber hinaus auch auf eine ansonsten dem rat obliegende sachentscheidung gerichtet. 56dieser annahme steht zunächst nicht entgegen, dass dem haupt- und finanzausschuss die zuständigkeit für die entscheidung über die frage der vermarktung der städtischen flächen im bereich des bebauungsplans „o. “ zugewiesen wurde. denn es kommt zur erfüllung des merkmals "an stelle des rates" alleine darauf an, ob der entscheidungsgegenstand – wie hier – grundsätzlich in den zuständigkeitsbereich des rates fällt. 57vgl. ovg nrw, urteil vom 19. februar 2008 – 15 a 2961/07 –, juris, rn. 58. 58andernfalls hätte es der rat in der hand, durch die übertragung von angelegenheiten an einen ausschuss einem bürgerbegehren die grundlage zu entziehen. 59so auch held, winkel, wansleben, kommentar kommunalverfassungsrecht nrw, september 2020, § 26 go nrw, ziffer 2.4. 60das bürgerbegehren ist ferner auf eine sachentscheidung gerichtet. 61wie die beklagte zutreffend ausführt ist es im rahmen eines bürgerbegehrens nicht zulässig, nur leitlinien für die weitere beschlussfassung des rates zur abstimmung zu stellen, weil dann entgegen dem sinn des § 26 go nrw der rat die angelegenheit letztlich doch entscheiden müsste. 62vgl. held, winkel, wansleben, kommentar kommunalverfassungsrecht nrw, september 2020, § 26 go nrw, ziffer 2.6. 63daher ist ebenso eine fragestellung ausgeschlossen, die sich nicht auf eine entscheidung in der sache, sondern auf eine lediglich resolutionsartige unterstützung eines bestimmten anliegens richtet. dem steht nicht entgegen, dass sich der rat im rahmen seiner zuständigkeit in einem von ihm zu treffenden beschluss darauf beschränken darf, allgemeine ziele und absichten zu formulieren, ohne stets eine entscheidung in der sache zu treffen. denn § 41 abs. 1 go nrw überantwortet dem rat die allzuständigkeit für grundsätzlich alle angelegenheiten der gemeinde. dies beinhaltet die befugnis zu umfassender beschlussfassung. im unterschied hierzu knüpft die in § 26 abs. 1 go nrw gewählte gesetzliche formulierung an eine konkrete durch die bürgerschaft zu treffende sachentscheidung an. 64vgl. ovg nrw, urteil vom 23. april 2002 – 15 a 5594/00 –, juris, rn. 13 ff. 65eine solche auf eine sachentscheidung gerichtete frage enthält das zur vorprüfung eingereichte bürgerbegehren. denn die frage betrifft die grundsatzentscheidung über die art der vermarktung der städtischen grundstücke im bereich des bebauungsplans o. . einer weitergehenden ausdifferenzierung im hinblick auf mögliche vertragsinhalte (entgelt, vertragslaufzeit etc.) bedarf es insoweit nicht. vielmehr kann die frage in der form gestellt werden, die in ihrer umsetzung noch weiterer detailentscheidungen bedarf. 66vgl. held, winkel, wansleben, kommentar kommunalverfassungsrecht nrw, september 2020, § 26 go nrw, ziffer 2.2. 67etwas anderes würde die anforderungen, die an eine zulässige fragestellung zu stellen sind, deutlich überspannen. zumal eine weitere ausdifferenzierung angesichts des limitierten raums für ausführungen auf dem den bürgern vorzulegenden vordruck des bürgerbegehrens, welches neben der fragestellung, die begründung, die kostenschätzung und unterschriften auf einer seite enthalten muss, kaum umsetzbar wäre. 68auch die begründung des bürgerbegehrens ist nicht zu beanstanden. 69die begründung des bürgerbegehrens dient dazu, die unterzeichner über den sachverhalt und die argumente der initiatoren aufzuklären. diese funktion erfüllt die begründung nur, wenn die dargestellten tatsachen, soweit sie für die entscheidung wesentlich sind, zutreffen. soweit die begründung im übrigen auch dazu dient, für das bürgerbegehren zu werben, kann sie auch wertungen, schlussfolgerungen oder erwartungen zum ausdruck bringen, die einer wahrheitskontrolle nicht ohne weiteres zugänglich sind. auch mag die begründung eines bürgerbegehrens im einzelfall überzeichnungen enthalten dürfen, die zu bewerten und zu gewichten sache des unterzeichners bleibt, der sich selbst ein urteil darüber zu bilden hat, ob er den mit dem bürgerbegehren vorgetragenen argumenten folgen will oder nicht. diese aus dem zweck des bürgerbegehrens folgenden grenzen der überprüfbarkeit sind jedoch dann überschritten, wenn tatsachen unrichtig wiedergegeben werden, die für die begründung tragend sind. 70vgl. ovg nrw, beschluss vom 30. mai 2014 – 15 b 522/14 –, juris, rn. 7. 71an die begründung dürfen jedoch angesichts des umstandes, dass die einreichung eines bürgerbegehrens auch gemeindebürgern ohne besondere verwaltungsrechtliche kenntnisse möglich sein muss und der umfang der begründung durch die notwendige platzierung auf der die fragestellung enthaltenden unterschriftenliste begrenzt ist, keine überhöhten anforderungen gestellt werden. 72nach diesen maßstäben erweist sich die vorliegende begründung als zulässig. sie enthält weder unzutreffende noch irreführende aussagen. 73die ausführungen in der begründung des bürgerbegehrens, leerstand könne bei einer vermarktung der grundstücke im wege des erbbaurechtes im gegensatz zum verkauf, deutlich effektiver entgegengewirkt oder von vornherein vermieden werden, sind nicht zu beanstanden. 74die kläger haben in der mündlichen verhandlung anschaulich dargestellt, durch welche mechanismen druck auf die gewerbetreibenden ausgeübt werden könne, um diese bereits aus eigenem antrieb zu motivieren, einen leerstand zu vermeiden. zudem haben die kläger handlungsoptionen der beklagten bei einem eingetretenen leerstand vorgestellt, die bei einem verkauf nicht zur verfügung stünden. insoweit könne bei einem leerstand oder einer gewerbeaufgabe der heimfall geregelt werden oder stattdessen eine vertragsstrafe. dies erhöhe den druck auf die gewerbetreibenden, da diese bei einem leerstand neben den erbbauzinsen auch noch die vertragsstrafe leisten müssten. zudem biete die vermarktung der grundstücke im wege des erbbaurechts den vorteil, dass die beklagte im falle der insolvenz des gewerbetreibenden als gläubigerin selbst in der lage sei, die zwangsvollstreckung zu betreiben. aus diesen erwägungen ergibt sich, dass der beklagten als erbbaugeberin ein weitergehender einfluss auf die nutzung der grundstücke zukommt als bei einem verkauf der grundstücke und damit eine effektivere möglichkeit zur entgegenwirkung und verhinderung von leerstand. dem einwand der beklagten, die beschreibung „effektiver“ beziehe sich ausschließlich auf das entgegenwirken eines leerstandes und nicht auch auf die verhinderung eines solchen, ist sprachlich nicht zwingend. allerdings bestünden an der begründung auch bei zugrundelegung des verständnisses der beklagten keine bedenken. denn nach den vorstehend dargestellten denkbaren vertraglichen regelungen bei einer vergabe der grundstücke im wege des erbbaurechtes erscheint es jedenfalls möglich, dass ein leerstand aufgrund der drohenden konsequenzen für den gewerbetreibenden verhindert wird. 75eine umfassende darstellung der möglichen folgen einer erbbaurechtlichen vergabe der grundstücke, wie etwa des erfordernisses einer entschädigungsleistung der beklagten an den gewerbetreibenden bei einem heimfall des grundstücks, bedarf es entgegen dem vorbringen der beklagten nicht. denn wie bereits ausgeführt dient die begründung auch der werbung für das bürgerbegehren und kann daher einseitig die vorteile des begehrens hervorheben, solange diese – wie hier – zutreffend beschrieben werden. der beklagten ist es hingegen unbenommen vor der durchführung des bürgerentscheides gleichfalls für ihre sichtweise zu werben und entsprechende gegenargumente zu formulieren. 76der weitere begründungsteil, dass die grundstücke nach ende der erbbaufrist an die beklagte zurückfallen und diese die grundstücke neu für gewerbe vergeben oder auch anderweitig (z. b. wohnbau) nutzen könne, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. zwar bedürfte es, wie die beklagte zutreffend aufzeigt, für eine anderweitige nutzung der grundstücke, zunächst der änderung des bebauungsplans. eine solche änderung ist der beklagten jedoch möglich und bei rückfall der grundstücke auch mangels entgegenstehenden bestands- und vertrauensschutzes der gerade nicht zu eigentümern der grundstücke gewordenen gewerbetreibenden realisierbar. 77die bedenken der beklagten im hinblick auf den begründungsteil, dass sie bei einer erbbaurechtlichen vergabe der grundstücke statt einer einmaligen zahlung, die kurzfristig wieder verausgabt werde, regelmäßige im haushalt planbare zahlungseingänge erhalte, können ebenfalls nicht geteilt werden. denn die beklagte erhält unstreitig bei einer vergabe der grundstücke im wege des erbbaurechtes einen erbbauzins. der umstand, dass der dadurch vereinnahmte betrag nach den ausführungen der beklagten in der regel nicht von nennenswertem umfang ist, macht die begründung nicht unrichtig. denn zu der höhe der zahlungseingänge machen die kläger in der begründung keine angaben. vielmehr steht es der beklagten auch insoweit frei, ihre gegenläufige position vor dem bürgerentscheid öffentlich zu machen. 78die weiteren ausführungen in der begründung zum erhalt des immobilienbestandes und der beteiligung der beklagten an etwaigen wertsteigerungen des bodens sind ersichtlich zutreffend und auch von der beklagten nicht angegriffen worden. dies gilt ebenfalls für den in der mündlichen verhandlung durch vorlage einer entsprechenden liste von städten, die ihre gewerbegrundstücke im wege des erbbaurechts vergeben haben, belegten begründungsteil, dass die vermarktungsform des erbbaurechtes bundesweit von vielen kommunen genutzt werde. 79die kläger haben ferner die kostenschätzung der beklagten ohne änderungen übernommen. unschädlich ist insoweit der von ihnen aufgenommene, der kostenschätzung nachfolgende zusatz „aus unserer sicht spekulativ“. die vertretungsberechtigten des bürgerbegehrens haben zwar die pflicht, die kostenschätzung der verwaltung zu übernehmen und der bürgerschaft gemäß § 26 abs. 2 satz 6 go nrw bei der sammlung der unterschriften nach § 26 abs. 4 go nrw so zur kenntnis zu geben, wie die verwaltung sie abgegeben hat. teilen sie die einschätzung der verwaltung zu den kosten nicht, haben die vertretungsberechtigten aber die möglichkeit, in der begründung des bürgerbegehrens eine abweichende auffassung darzustellen. 80vgl. ovg nrw, urteil vom 7. oktober 2020 – 15 a 2927/18 –, juris, rn. 79. 81dies muss auch gelten, wenn - wie hier - in der begründung auf eine entsprechende stellungnahme verzichtet wird und sie der kostenschätzung unmittelbar nachfolgt. insbesondere wird durch den zusatz “aus unserer sicht“ hinreichend deutlich, dass es sich um die einschätzung der kläger handelt. 82das bürgerbegehren verstößt auch nicht gegen das befassungsverbot nach § 26 abs. 5 satz 1 nr. 5 go nrw. 83nach § 26 abs. 5 satz 1 nr. 5 go nrw ist ein bürgerbegehren unzulässig über die aufstellung, änderung, ergänzung und aufhebung von bauleitplänen mit ausnahme der entscheidung über die einleitung des bauleitplanverfahrens. 84diese bestimmung entzieht durch bebauungspläne und flächennutzungspläne getroffene regelungen dem anwendungsbereich des bürgerbegehrens umfassend. eine bauleitplanentscheidung bedarf der planerischen abwägung. sie eignet sich nicht für ein notwendigerweise auf eine ja- oder nein-entscheidung angelegtes bürgerbegehren, in dem systembedingt eine sorgfältige abwägung unter einbeziehung aller relevanten gesichtspunkte nicht stattfinden kann. 85vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 19. november 2019 – 15 b 1338/19 –, juris, rn. 10 ff., vom 3. juli 2019 – 15 b 822/19 –, juris, rn. 15, und vom 16. april 2018 – 15 a 1322/17 –, juris, rn. 11 ff. 86dabei steht § 26 abs. 5 satz 1 nr. 5 go nrw einem bürgerbegehren nach seinem sinn und zweck auch dann entgegen, wenn dieses der sache nach offensichtlich gegen eine bauleitplanung gerichtet ist und sich nur in das formelle gewand einer anderen frage kleidet. 87vgl. ovg nrw, beschluss vom 19. november 2019 – 15 b 1338/19 –, juris, rn. 10 ff. 88bei der auslegung und anwendung des ausschlusstatbestandes des § 26 abs. 5 satz 1 nr. 5 go nrw ist allerdings zu berücksichtigen, dass er – im unterschied zu § 26 abs. 5 satz 1 nr. 4 go nrw ("angelegenheiten, die im rahmen eines planfeststellungsverfahrens […] zu entscheiden sind") – enger formuliert ist und entscheidungen, die lediglich mittelbar auf eine bauleitplanung gerichtet sind, indem sie etwa der verwirklichung einer in gang gesetzten bauleitplanung entgegenstünden, nicht erfasst. 89vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 6. dezember 2007 – 15 b 1744/07 –, juris, rn. 5 ff., und vom 17. juli 2007 – 15 b 874/07 –, juris, rn. 6 ff; vg köln, urteil vom 25. mai 2011 – 4 k 6904/10 –, juris, rn. 35 ff. 90wo die grenze verläuft zwischen einem dem bürgerbegehren zugänglichen gegenstand jenseits der bauleitplanung und einer in diesem sinne in das gewand einer anderen maßnahme gekleideten unzulässigen bauplanerischen entscheidung, ist eine frage des einzelfalles. 91vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 6. dezember 2007 – 15 b 1744/07 –, juris, rn. 13 und vom 19. november 2019 – 15 b 1338/19 –, juris, rn. 10 ff.; vg köln, urteil vom 25. mai 2011 – 4 k 6904/10 –, juris, rn. 35 ff. 92es muss durch auslegung im einzelfall ermittelt werden, ob das bürgerbegehren der sache nach erkennbar gegen die mit der planaufstellung zum ausdruck gebrachten zielvorstellungen der gemeinde gerichtet ist und den - beabsichtigten - planerischen festsetzungen objektiv widerspricht. 93vgl. vg minden, urteil vom 15. november 2012 – 2 k 2607/11 –, juris, rn. 56; vg köln, urteil vom 25. mai 2011 – 4 k 6904/10 –, juris, rn. 45; vg düsseldorf, urteil vom 2. märz 2007 – 1 k 4143/06 –, juris, rn. 36. 94hier ist nicht erkennbar, dass das bürgerbegehren den planerischen festsetzungen objektiv widerspricht. die entscheidung zur ausweisung des gebietes als gewerbegebiet sowie die ansiedlung von gewerbetreibenden wird nicht in frage gestellt. allein die frage der vermarktung der gebiete führt grundsätzlich nicht dazu, dass das bürgerbegehren die aufstellung, änderung, ergänzung und aufhebung von bauleitplänen betrifft. etwas anderes gilt nur dann, wenn durch die im bürgerbegehren vorgesehene vermarktungsform die realisierung des bebauungsplans verhindert würde. dies ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich. zunächst ist der begründung des bebauungsplans nicht zu entnehmen, dass für die planerische entscheidung der verkauf der grundstücke tragend war. denn in der 48 seiten langen begründung des bebauungsplans kommt der aspekt der finanzierbarkeit des bebauungsplans durch verkauf der grundstücke nur in den im tatbestand dargestellten nebensätzen vor. dass eine vermarktung der grundstücke im wege des erbbaurechtes auch nicht offensichtlich ausgeschlossen ist, macht zudem der beschluss des haupt- und finanzausschuss über die vorrangige vermarktung durch erbbraurechte deutlich. dementsprechend hat auch die beklagte in der mündlichen verhandlung eingeräumt, dass eine entsprechende vermarktung wirtschaftlich durchaus sinnvoll sein kann. die möglichkeit einer entsprechenden vergabe von gewerbegrundstücken wird ferner durch die von den klägern vorgelegte liste an städten, die bereits entsprechend verfahren, deutlich. 95die von der beklagten unter berufung auf baurechtliche rechtsprechung angeführte besondere bedeutung der beurteilung der finanzierbarkeit des bauplanungsrechtlichen vorhabens führt auch nicht zu einer anderen bewertung. denn die insoweit angeführte rechtsprechung zeigt lediglich auf, dass die gemeinden nach § 1 abs. 3 baugb bauleitpläne aufzustellen haben, sobald und soweit es für die städtebauliche entwicklung und ordnung erforderlich ist. nicht erforderlich ist ein bebauungsplan, wenn seiner verwirklichung auf unabsehbare zeit rechtliche oder tatsächliche hindernisse, zu denen auch das fehlen der benötigten finanzmittel zu zählen ist, im wege stehen. 96vgl. bverwg, urteil vom 18. märz 2004 – 4 cn 4/03 –, juris, rn. 9. 97die art der finanzierbarkeit wird danach jedoch nicht bestandteil des bebauungsplans, wenn, wie hier, keine anhaltspunkte dafür bestehen, dass der verwirklichung des bebauungsplans finanzielle gründe im weg stehen bzw. solchen nur durch den verkauf der grundstücke begegnet werden könnten. 98anlässlich dieses verfahrens sei angemerkt, dass das von der beklagten praktizierte – für dieses verfahren unbeachtliche – fiktive hinzurechnen von stimmen abwesender ratsmitglieder evident unzulässig war. 99die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf § 167 abs. 1 und 2 vwgo i. v. m. § 709 der zivilprozessordnung. 100rechtsmittelbelehrung: 101gegen dieses urteil kann innerhalb eines monats nach zustellung des vollständigen urteils bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) schriftlich die zulassung der berufung beantragt werden. der antrag muss das angefochtene urteil bezeichnen. 102der antrag kann auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer rechtsverkehr-verordnung – ervv) eingereicht werden. 103innerhalb von zwei monaten nach zustellung des vollständigen urteils sind die gründe darzulegen, aus denen die berufung zuzulassen ist. 104die berufung ist nur zuzulassen, 1051. wenn ernstliche zweifel an der richtigkeit des urteils bestehen, 1062. wenn die rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche schwierigkeiten aufweist, 1073. wenn die rechtssache grundsätzliche bedeutung hat, 1084. wenn das urteil von einer entscheidung des oberverwaltungsgerichts für das land nordrhein-westfalen, des bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen senats der obersten gerichtshöfe des bundes oder des bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser abweichung beruht oder 1095. wenn ein der beurteilung des berufungsgerichts unterliegender verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die entscheidung beruhen kann. 110die begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem antrag vorgelegt worden ist, bei dem oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen (aegidiikirchplatz 5, 48143 münster oder postfach 6309, 48033 münster) schriftlich oder als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der ervv einzureichen. 111über den antrag entscheidet das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen. 112im berufungs- und berufungszulassungsverfahren müssen sich die beteiligten durch prozessbevollmächtigte vertreten lassen. dies gilt auch für prozesshandlungen, durch die das verfahren eingeleitet wird. die beteiligten können sich durch einen rechtsanwalt oder einen rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten hochschule eines mitgliedstaates der europäischen union, eines anderen vertragsstaates des abkommens über den europäischen wirtschaftsraum oder der schweiz, der die befähigung zum richteramt besitzt, als bevollmächtigten vertreten lassen. auf die zusätzlichen vertretungsmöglichkeiten für behörden und juristische personen des öffentlichen rechts einschließlich der von ihnen zur erfüllung ihrer öffentlichen aufgaben gebildeten zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 abs. 4 satz 4 vwgo und § 5 nr. 6 des einführungsgesetzes zum rechtsdienstleistungsgesetz – rdgeg –). darüber hinaus sind die in § 67 abs. 2 satz 2 nr. 3 bis 7 vwgo bezeichneten personen und organisationen unter den dort genannten voraussetzungen als bevollmächtigte zugelassen. 113die antragsschrift und die zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 114beschluss: 115der streitwert wird auf 15.000,00 euro festgesetzt. 116gründe: 117die festsetzung des streitwertes ist nach § 52 abs. 1 des gerichtskostengesetzes i. v. m. ziffer 22.6 des streitwertkatalogs für die verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 erfolgt. eine reduzierung des streitwertes aufgrund der vorliegend „nur“ im rahmen des vorprüfungsverfahrens festgestellten zulässigkeit des bürgerbegehrens kommt angesichts der damit einhergehenden bindungswirkung und mithin eines im vergleich zu einer zulassungsentscheidung nach § 26 abs. 6 satz 1 go nrw im kern gleichwertigen interesses nicht in betracht. 118vgl. ovg lüneburg, beschluss vom 2. märz 2021 – 10 me 14/21 –, juris. 119rechtsmittelbelehrung: 120gegen den streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur niederschrift des urkundsbeamten der geschäftsstelle bei dem verwaltungsgericht düsseldorf (bastionstraße 39, 40213 düsseldorf oder postfach 20 08 60, 40105 düsseldorf) beschwerde eingelegt werden, über die das oberverwaltungsgericht für das land nordrhein-westfalen in münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. 121die beschwerde kann auch als elektronisches dokument nach maßgabe des § 55a vwgo und der verordnung über die technischen rahmenbedingungen des elektronischen rechtsverkehrs und über das besondere elektronische behördenpostfach (elektronischer rechtsverkehr-verordnung – ervv) oder zu protokoll der geschäftsstelle eingelegt werden; § 129a der zivilprozessordnung gilt entsprechend. 122die beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs monaten eingelegt wird, nachdem die entscheidung in der hauptsache rechtskraft erlangt oder das verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der streitwert später als einen monat vor ablauf dieser frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines monats nach zustellung oder formloser mitteilung des festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. 123die beschwerde ist nicht gegeben, wenn der wert des beschwerdegegenstandes 200,-- euro nicht übersteigt. 124die beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden. im fall der einreichung als elektronisches dokument bedarf es keiner abschriften. 125war der beschwerdeführer ohne sein verschulden verhindert, die frist einzuhalten, ist ihm auf antrag von dem gericht, das über die beschwerde zu entscheiden hat, wiedereinsetzung in den vorigen stand zu gewähren, wenn er die beschwerde binnen zwei wochen nach der beseitigung des hindernisses einlegt und die tatsachen, welche die wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. nach ablauf eines jahres, von dem ende der versäumten frist angerechnet, kann die wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. | Klaeger*in | 1 |
143,705 | 7a K 3562/15.A | 2015-11-04T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird als unzulässig abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. 1 Tatbestand: 2Der im Juni 1988 geborene Kläger, algerischer Staatsangehöriger, meldete sich am 19. März 2015 im Bundesgebiet als Asylbewerber und gab an, seine Heimat am 14. November 2014 mit einem Visum der Republik Malta verlassen und sich anschließend in Malta, Frankreich und Belgien aufgehalten zu haben. Unter dem 21. April 2015 richtete das Bundesamt ein Übernahmeersuchen Malta, dem Malta am 21. Mai 2015 zustimmte. 3Mit Bescheid vom 7. Juli 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Malta an. Der Asylantrag sei gem. § 27a AsylVfG (jetzt: Asylgesetz ‑ AsylG ‑) unzulässig, da Malta aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages zuständig sei. - Der Bescheid ist dem Kläger am 10. Juli 2015 zugestellt worden. 4Am 17. August 2015 hat der Kläger Klage erhoben und sich auf seinen Vortag vor dem Bundesamt berufen. Zur Einhaltung der Klagefrist hat der Kläger sich ‑ trotz entsprechender Hinweise des Gerichts ‑ nicht geäußert. 5Mit Beschluss der Kammer vom 10. September 2015 (7a L 1719/15.A) hat die Kammer die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. 6Der Kläger beantragt schriftsätzlich, 7den Bescheid des Bundesamtes vom 7. Juli 2015 aufzuheben. 8Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, 9die Klage abzuweisen. 10Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) einverstanden erklärt. 11Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten, einschließlich der des Verfahrens 7a L 1719/15.A, und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten. 12Entscheidungsgründe: 13Die Anfechtungsklage, über die im Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist unzulässig. Der Kläger hat die Klagefrist versäumt; Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Gem. § 74 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes in der bis zum 23. Oktober 2015 maßgeblichen Fassung (jetzt: Asylgesetz ‑ AsylG ‑) muss die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz binnen zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides erhoben werden. Der Bescheid ist dem Kläger ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Postzustellungsurkunde am 10. Juli 2015 zugestellt worden, so dass die Klagefrist am 24. Juli 2015 ablief. Die Klage ist erst am 17. August 2015 erhoben worden. Der anwaltlich vertretene Kläger hat weder mit der Klageschrift noch auf die gerichtlichen Hinweise der Kammer vom 29. September und vom 22. Oktober 2015 zur Einhaltung der Klagefrist vorgetragen bzw. Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten, vorgebracht 14Die Frage, ob die Einschätzung der Kammer vorläufigen Rechtsschutzverfahren, eine Rückführung nach Malta sei wegen systemischer Mängel im Asylverfahren voraussichtlich nicht möglich (7a L 1719/15.A), aufrechtzuerhalten ist, stellt sich wegen der Unzulässigkeit der Klage nicht. | die klage wird als unzulässig abgewiesen. der kläger trägt die kosten des verfahrens, für das gerichtskosten nicht erhoben werden. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. 1 | 2der im juni 1988 geborene kläger, algerischer staatsangehöriger, meldete sich am 19. märz 2015 im bundesgebiet als asylbewerber und gab an, seine heimat am 14. november 2014 mit einem visum der republik malta verlassen und sich anschließend in malta, frankreich und belgien aufgehalten zu haben. unter dem 21. april 2015 richtete das bundesamt ein übernahmeersuchen malta, dem malta am 21. mai 2015 zustimmte. 3mit bescheid vom 7. juli 2015 lehnte das bundesamt den asylantrag als unzulässig ab und ordnete die abschiebung nach malta an. der asylantrag sei gem. § 27a asylvfg (jetzt: asylgesetz ‑ asylg ‑) unzulässig, da malta aufgrund des dort bereits gestellten asylantrages zuständig sei. - der bescheid ist dem kläger am 10. juli 2015 zugestellt worden. 4am 17. august 2015 hat der kläger klage erhoben und sich auf seinen vortag vor dem bundesamt berufen. zur einhaltung der klagefrist hat der kläger sich ‑ trotz entsprechender hinweise des gerichts ‑ nicht geäußert. 5mit beschluss der kammer vom 10. september 2015 (7a l 1719/15.a) hat die kammer die aufschiebende wirkung der klage angeordnet. 6der kläger beantragt schriftsätzlich, 7den bescheid des bundesamtes vom 7. juli 2015 aufzuheben. 8die beklagte beantragt schriftsätzlich, 9die klage abzuweisen. 10die parteien haben sich mit einer entscheidung ohne mündliche verhandlung (§ 101 abs. 2 vwgo) einverstanden erklärt. 11wegen der weiteren einzelheiten wird bezug genommen auf die gerichtsakten, einschließlich der des verfahrens 7a l 1719/15.a, und die beigezogenen verwaltungsvorgänge der beklagten. 12 | 13die anfechtungsklage, über die im einverständnis der parteien ohne mündliche verhandlung entschieden werden kann, ist unzulässig. der kläger hat die klagefrist versäumt; gründe für eine wiedereinsetzung in den vorigen stand sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. gem. § 74 abs. 1 des asylverfahrensgesetzes in der bis zum 23. oktober 2015 maßgeblichen fassung (jetzt: asylgesetz ‑ asylg ‑) muss die klage gegen entscheidungen nach diesem gesetz binnen zwei wochen nach zustellung des bescheides erhoben werden. der bescheid ist dem kläger ausweislich der in den verwaltungsvorgängen befindlichen postzustellungsurkunde am 10. juli 2015 zugestellt worden, so dass die klagefrist am 24. juli 2015 ablief. die klage ist erst am 17. august 2015 erhoben worden. der anwaltlich vertretene kläger hat weder mit der klageschrift noch auf die gerichtlichen hinweise der kammer vom 29. september und vom 22. oktober 2015 zur einhaltung der klagefrist vorgetragen bzw. gründe, die eine wiedereinsetzung in den vorigen stand rechtfertigen könnten, vorgebracht 14die frage, ob die einschätzung der kammer vorläufigen rechtsschutzverfahren, eine rückführung nach malta sei wegen systemischer mängel im asylverfahren voraussichtlich nicht möglich (7a l 1719/15.a), aufrechtzuerhalten ist, stellt sich wegen der unzulässigkeit der klage nicht. | Verklagte*r | 0 |
165,242 | S 36 U 147/14 | 2015-05-27T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 1Tatbestand: 2Der XXXX geborene Kläger begehrt die Weitergewährung einer Rente von 30 v. H. über den 01.10.2013 hinaus. 3Der Kläger erlitt am 13.06.2007 gegen 01:00 Uhr einen Unfall. Er wurde Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls in Frankreich, als er als Lkw-Fahrer eine Lenkpause einlegte. 4Mit Bescheid vom 15.06.2011 gewährte die Beklagte Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H. für folgende Unfallfolgen: Posttraumatische Belastungsstörung mit mittelschwerem depressivem Syndrom mit Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nach Überfallereignis. 5Diesem Bescheid lag ein Gutachten von Dr. C vom 22.03.2011 zugrunde. 6Die Beklagte ließ die Beklagte zur Überprüfung der MdE erneut von Dr. C untersuchen und begutachten. Er kam im Gutachten vom 12.08.2013 zu dem Ergebnis, dass eine deutliche Besserung eingetreten sei. Der Kläger sei in der sozialen Kommunikation nicht mehr beeinträchtigt, habe keine Ängste mehr und keine Probleme, alle Tätigkeiten, die mit seinem Lkw-Fahren zusammenhingen, zu erledigen. Die MdE betrage nunmehr 10 v. H. 7Mit Bescheid vom 24.09.2013 entzog die Beklagte dem Kläger ab 01.10.2013 die Verletztenrente, da eine MdE in rentenberechtigendem Grade nicht mehr vorliege. Es sei eine Besserung eingetreten. Die Beklagte bezog sich dabei auf das Gutachten von Dr. C. 8Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 09.10.2013 Widerspruch ein. Er führte aus, er sei durch den Raubüberfall immer noch beeinträchtigt. Sowohl privat als auch im sozialen Leben hätte er Probleme. Er könne auf Dauer nicht mehr als Kraftfahrer tätig sein. 9Mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. 10Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 24.02.2014 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, ihm stehe weiterhin eine Rente zu. Der Aufhebungsbescheid sei rechtswidrig. 11Der Kläger beantragt, 12den Bescheid vom 24.09.2013 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 05.02.2014 aufzuheben. 13Die Vertreterin der Beklagten beantragt, 14die Klage abzuweisen. 15Die Beklagte verweist auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. 16Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Dr. I, E. Auf den Inhalt des Gutachtens vom 08.01.2015 wird verwiesen. 17Der Kläger hat sich mit dem Gutachten nicht einverstanden erklärt und ausgeführt, die behandelnden Ärzte seien der Auffassung, dass das Gutachten im Ergebnis nicht überzeuge. 18Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die den Kläger betreffenden Akten lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. 19Entscheidungsgründe: 20Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. 21Der Bescheid vom 24.09.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2014 ist nicht rechtswidrig und beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Dem Kläger steht über den 01.10.2013 hinaus keine Verletztenrente für die Folgen des Unfalls vom 13.06.2007 zu. 22Der Kläger hat keinen Anspruch auf Weitergewährung der Verletztenrente (§ 56 des Sozialgesetzbuches VII – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII), weil eine wesentliche Besserung in den Unfallfolgen gemäß § 48 Sozialgesetzbuch X – Verwaltungsverfahren – (SGB X) im Vergleich zu den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 15.06.2011 zugrunde lagen, eingetreten ist. Die unfallbedingte MdE ist nunmehr mit 10 v. H. zu bewerten und liegt unter dem rentenberechtigenden Grad. 23Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund des Gesamtergebnisses der medizinischen Beweisaufnahme im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren fest. 24Grundlage für die Feststellung der Unfallfolgen und deren MdE-Bewertung durch den maßgeblichen Bescheid vom 15.06.2011 war das Gutachten von Dr. C vom 22.03.2011, das die Beklagte eingeholt hat. Im Vergleich zu diesen Feststellungen ist es in den Unfallfolgen zu einer wesentlichen Besserung gekommen. Zum Einen hat Dr. C, den die Beklagte zur Überprüfung der MdE erneut beauftragt hat, in seinem Gutachten vom 12.08.2013 ausgeführt, dass eine wesentliche Besserung eingetreten ist. Der Kläger sei in der sozialen Kommunikation nicht mehr beeinträchtigt. Er habe keine Ängste mehr und keine Probleme, alle Tätigkeiten, die mit dem Lkw-Fahren zusammenhängen, zu erledigen. Gerade Dr. C, der das Vergleichsgutachten vom 22.03.2011 gefertigt hat, ist in der Lage, hier eine Änderung festzustellen. Das Ergebnis von Dr. C ist zudem von dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. I bestätigt worden. Auch Dr. I hat eine Besserung feststellen können. Die damals auf den Unfall zurückzuführende depressive Symptomatik hat sich zwischenzeitlich remittiert. Die später aufgetretenen depressiven Episoden sind nicht mehr dem Überfall sondern sonstigen Lebensumständen zuzurechnen. Auch der gerichtliche Sachverständige Dr. I ist in dem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass eine MdE in rentenberechtigendem Grade nicht mehr vorliegt. 25Die Einwendungen des Klägers gegen die Gutachten sind nicht geeignet, die Schlüssigkeit der Gutachten zu entkräften. Soweit die behandelnden Ärzte des Klägers zu der Überzeugung gelangt sind, dass hier keine Änderung eingetreten ist, ist dem nicht zu folgen. Sie differenzieren nicht zwischen Unfallfolgen und dem sonstigen im Leben des Klägers sich ergebenden Ereignisse. 26Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. | die klage wird abgewiesen. die beteiligten haben einander keine außergerichtlichen kosten zu erstatten. 1 | 2der xxxx geborene kläger begehrt die weitergewährung einer rente von 30 v. h. über den 01.10.2013 hinaus. 3der kläger erlitt am 13.06.2007 gegen 01:00 uhr einen unfall. er wurde opfer eines bewaffneten raubüberfalls in frankreich, als er als lkw-fahrer eine lenkpause einlegte. 4mit bescheid vom 15.06.2011 gewährte die beklagte verletztenrente auf unbestimmte zeit nach einer minderung der erwerbsfähigkeit (mde) um 30 v. h. für folgende unfallfolgen: posttraumatische belastungsstörung mit mittelschwerem depressivem syndrom mit einschränkung der erlebnis- und gestaltungsfähigkeit nach überfallereignis. 5diesem bescheid lag ein gutachten von dr. c vom 22.03.2011 zugrunde. 6die beklagte ließ die beklagte zur überprüfung der mde erneut von dr. c untersuchen und begutachten. er kam im gutachten vom 12.08.2013 zu dem ergebnis, dass eine deutliche besserung eingetreten sei. der kläger sei in der sozialen kommunikation nicht mehr beeinträchtigt, habe keine ängste mehr und keine probleme, alle tätigkeiten, die mit seinem lkw-fahren zusammenhingen, zu erledigen. die mde betrage nunmehr 10 v. h. 7mit bescheid vom 24.09.2013 entzog die beklagte dem kläger ab 01.10.2013 die verletztenrente, da eine mde in rentenberechtigendem grade nicht mehr vorliege. es sei eine besserung eingetreten. die beklagte bezog sich dabei auf das gutachten von dr. c. 8gegen diesen bescheid legte der kläger am 09.10.2013 widerspruch ein. er führte aus, er sei durch den raubüberfall immer noch beeinträchtigt. sowohl privat als auch im sozialen leben hätte er probleme. er könne auf dauer nicht mehr als kraftfahrer tätig sein. 9mit widerspruchsbescheid vom 05.02.2014 wies die beklagte den widerspruch als unbegründet zurück. 10gegen diesen widerspruchsbescheid hat der kläger am 24.02.2014 klage erhoben. er ist der auffassung, ihm stehe weiterhin eine rente zu. der aufhebungsbescheid sei rechtswidrig. 11der kläger beantragt, 12den bescheid vom 24.09.2013 in der fassung des widerspruchs- bescheides vom 05.02.2014 aufzuheben. 13die vertreterin der beklagten beantragt, 14die klage abzuweisen. 15die beklagte verweist auf die ausführungen in den angefochtenen bescheiden. 16das gericht hat beweis erhoben durch einholung eines gutachtens von dr. i, e. auf den inhalt des gutachtens vom 08.01.2015 wird verwiesen. 17der kläger hat sich mit dem gutachten nicht einverstanden erklärt und ausgeführt, die behandelnden ärzte seien der auffassung, dass das gutachten im ergebnis nicht überzeuge. 18wegen des weiteren sach- und streitstandes wird auf den inhalt der akten bezug genommen. die den kläger betreffenden akten lagen dem gericht vor und waren gegenstand der mündlichen verhandlung. 19 | 20die klage ist zulässig, aber unbegründet. 21der bescheid vom 24.09.2013 in der fassung des widerspruchsbescheides vom 05.02.2014 ist nicht rechtswidrig und beschwert den kläger nicht im sinne des § 54 abs. 2 des sozialgerichtsgesetzes (sgg). dem kläger steht über den 01.10.2013 hinaus keine verletztenrente für die folgen des unfalls vom 13.06.2007 zu. 22der kläger hat keinen anspruch auf weitergewährung der verletztenrente (§ 56 des sozialgesetzbuches vii – gesetzliche unfallversicherung – (sgb vii), weil eine wesentliche besserung in den unfallfolgen gemäß § 48 sozialgesetzbuch x – verwaltungsverfahren – (sgb x) im vergleich zu den verhältnissen, die dem bescheid vom 15.06.2011 zugrunde lagen, eingetreten ist. die unfallbedingte mde ist nunmehr mit 10 v. h. zu bewerten und liegt unter dem rentenberechtigenden grad. 23dies steht zur überzeugung der kammer aufgrund des gesamtergebnisses der medizinischen beweisaufnahme im verwaltungs- und gerichtsverfahren fest. 24grundlage für die feststellung der unfallfolgen und deren mde-bewertung durch den maßgeblichen bescheid vom 15.06.2011 war das gutachten von dr. c vom 22.03.2011, das die beklagte eingeholt hat. im vergleich zu diesen feststellungen ist es in den unfallfolgen zu einer wesentlichen besserung gekommen. zum einen hat dr. c, den die beklagte zur überprüfung der mde erneut beauftragt hat, in seinem gutachten vom 12.08.2013 ausgeführt, dass eine wesentliche besserung eingetreten ist. der kläger sei in der sozialen kommunikation nicht mehr beeinträchtigt. er habe keine ängste mehr und keine probleme, alle tätigkeiten, die mit dem lkw-fahren zusammenhängen, zu erledigen. gerade dr. c, der das vergleichsgutachten vom 22.03.2011 gefertigt hat, ist in der lage, hier eine änderung festzustellen. das ergebnis von dr. c ist zudem von dem gerichtlichen sachverständigen dr. i bestätigt worden. auch dr. i hat eine besserung feststellen können. die damals auf den unfall zurückzuführende depressive symptomatik hat sich zwischenzeitlich remittiert. die später aufgetretenen depressiven episoden sind nicht mehr dem überfall sondern sonstigen lebensumständen zuzurechnen. auch der gerichtliche sachverständige dr. i ist in dem gutachten zu dem ergebnis gekommen, dass eine mde in rentenberechtigendem grade nicht mehr vorliegt. 25die einwendungen des klägers gegen die gutachten sind nicht geeignet, die schlüssigkeit der gutachten zu entkräften. soweit die behandelnden ärzte des klägers zu der überzeugung gelangt sind, dass hier keine änderung eingetreten ist, ist dem nicht zu folgen. sie differenzieren nicht zwischen unfallfolgen und dem sonstigen im leben des klägers sich ergebenden ereignisse. 26die kostenentscheidung folgt aus § 193 sgg. | Verklagte*r | 0 |
324,164 | 4 K 2688/17 VE | 2019-10-30T00:00:00 | Urteil | Tenor Der Steueränderungsbescheid des Beklagten vom 18.03.2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2017 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Klägerin betrieb an ihrem Standort Kohlemahlanlagen zur Herstellung von Kohlestaub durch Mahlen und Trocknen von Rohkohle. 3Mit sechs verschiedenen Anträgen vom 18. Februar bis zum 19. Juli 2013 hatte die Klägerin jeweils für die Monate Januar bis Juni 2013 die Entlastung von der Energiesteuer für das in ihren Kohlemahlanlagen eingesetzte Erdgas nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) beantragt. Diese Anträge hatte sie mit einem Korrekturantrag vom 23. August 2013 berichtigt. Zugleich hatte sie am 23. August 2013 auch die Entlastung für den Monat Juli 2013 beantragt. 4Den Anträgen gab der Beklagte mit Steueränderungsbescheid vom 06. September 2013 statt und gewährte eine Entlastung von 541.296,32 €. 5Auf Anordnung des Beklagten begann das Hauptzollamt am 13. Juni 2013 mit einer Außenprüfung bei der Klägerin, die u.a. die Energiesteuerentlastung der Klägerin nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG im Jahr 2012 zum Gegenstand hatte. Im Prüfungsbericht vom 24.06.2013, AB-Nr. , kam der Prüfungsbeamte zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen dieser Entlastung gegeben seien. 6Der Beklagte folgte dieser Beurteilung nicht, sondern forderte mit Steueränderungsbescheid vom 18. März 2014 die für Januar bis Juli 2013 gewährte Entlastung in Höhe von ….. € zurück, wobei er der Klägerin zugleich für den gleichen Zeitraum Entlastungen nach den §§ 54 und 55 EnergieStG bewilligte, so dass die von der Klägerin zu leistende Rückzahlung noch ……… € betrug. Dazu führte er aus, das verbrannte Erdgas sei nur zur Erzeugung von Wärme und nicht gleichzeitig zu Heizzwecken und zu anderen Zwecken verwendet worden. Das Rauchgas sei überwiegend als Trocken- und Transportmedium dem Prozess zugeführt worden und habe erst durch den bei der Trocknung der Kohle entstehenden Wasserdampf die erforderliche Inertisierung bewirken können. 7Die chemische Zusammensetzung des Rauchgases sei nicht definiert worden, zumal es auch nicht unmittelbar, sondern erst nach einer Abkühlung von über 1.000°C auf ca. 450°C in die Kohlemühle eingeführt worden sei. 8Dagegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein und trug zur Begründung vor, bei der Herstellung von Rauchgas sei ein Vorrang der Wärmeerzeugung gerade nicht gegeben. Vielmehr werde das Rauchgas erst noch heruntergekühlt, um dann als Schutzgas verwendet zu werden. Die Transportwirkung sei zu vernachlässigen, weil das heiße Rauchgas nicht in die Mahlanlage transportiert, sondern von dieser angesogen werde. Maßgebend sei dann die Wirkung als Schutzgas, um Explosionen vorzubeugen. Daran ändere sich auch nichts, wenn eine definierte chemische Zusammensetzung (eine stöchiometrische Berechnung) nicht vorliege. Im Übrigen werde auf das EuGH-Urteil vom 02. Oktober 2014, C-426/12, das ihre Rechtsauffassung bestätige, hingewiesen. 9Es sei nicht erforderlich, dass Bestandteile des Rauchgases als Verbrennungsprodukt des Energieerzeugnisses stofflich in das Endprodukt gelangten. Für die Steuerentlastung genüge es, wenn sie nicht allein dem Verheizen, sondern auch noch einem anderen Zweck diene. 10Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 13. September 2017 als unbegründet zurück. 11Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt ergänzend vor: Der Sachverhalt entspreche – bis auf den Vergütungszeitraum – dem des rechtskräftigen Urteils vom 25. Juli 2018, 4 K 1968/17 VE, gegen das der Beklagte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt habe, die erfolglos geblieben sei. 12Nach dem Konstruktionsprinzip der Kohlemahlanlagen, die sich auch in ihrer gewerberechtlichen Zulassung widerspiegelten, sei der Hauptzweck der Prozessgaserzeugung die Inertisierung, ohne die die Anlage über kurz oder lang explodieren würde. Dies schließe die vom Beklagten behauptete nachträgliche Nutzung der inerten Eigenschaften des Prozessgases aus. Die Nutzung der Wärme sei demgegenüber nur der zweite, nachrangige Zweck. 13Das Senatsurteil vom 11. Juli 2018, 4 K 1945/17 VE betreffe einen anders gelagerten Fall. 14Ihr Produktionsprozess beinhalte die Vermahlung zu Staubkohle und nicht die Trocknung der Kohle. Für die schadlose und genehmigungskonforme Vermahlung der Kohle müsse das Rauchgas und der Brüden, der durch Zugabe von Wasser oder in Verbindung mit dem in der Kohle enthaltenen Wasseranteil entstehe, hergestellt werden. Insoweit komme es nicht auf das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15. Juli 2015, 1 K 1322/13, an. 15Auch das während der Anfahrphase eingesetzte Erdgas diene der Inertisierung. Der Anfahrzustand sei kein repräsentativer Betriebszustand, der zwar zum Anlagenbetrieb gehöre, aber für die Beurteilung des Zwecks der Erdgasverbrennung nicht bestimmend sei. Insoweit sei es auch unschädlich, dass sich die Inertisierung nicht allein durch das trockene Rauchgas, sondern auch durch den Wasseranteil aus der Kohle ergebe. 16Die Zugabe von Stickstoff in der kurzen Anfahrphase – und ganz selten in anderen Fällen – diene nur dem 100%tigen Explosionsschutz, der auf jeden Fall sichergestellt werden müsse. 17In ihrem Betrieb werde Erdgas gerade nicht zur Erzeugung von Wasserdampf verbrannt, sondern zur Erzeugung von Rauchgas. 18Die Klägerin beantragt, 19den Steueränderungsbescheid des Beklagten vom 18. März 2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. September 2017 aufzuheben. 20Der Beklagte beantragt, 21die Klage abzuweisen, 22hilfsweise die Revision zuzulassen. 23Zur Begründung führt er aus: Im Rahmen des zu beurteilenden Prozesses stelle die Nutzung der mit der Verbrennung des Erdgases erzeugten Wärme zur Trocknung der Kohle einen steuerpflichtigen Verbrauch als Heizstoff dar, und zwar auch unabhängig vom Zweck des Heizens. 24Als weiterer Produktionsprozess komme nur die Herstellung der Staubkohle, nicht die Herstellung eines Inertgases in Betracht, denn die Herstellung der Staubkohle sei mit der Vermahlung und Trocknung abgeschlossen. 25Mit der Verbrennung des Erdgases sei nur ein Rauchgas erzeugt worden, dessen inerte Eigenschaften im Herstellungsprozess der Staubkohle genutzt würden. Dabei handele es sich um ein unweigerlich anfallendes Restprodukt der Erdgasverbrennung. Die Ausnutzung seiner inerten Eigenschaften begründe keinen neben dem Verheizen stehenden weiteren Verwendungszweck (BFH Beschluss v. 31. Januar 2019, VII B 147/18). Insoweit werde auch auf das Urteil des FG Düsseldorf vom 11. Juli 2018, 4 K 1945/17 VE hingewiesen. Das FG Berlin-Brandenburg sei in seinem Urteil vom 15. Juli 2015, 1 K 1322/13, davon ausgegangen, dass sich die Verwendung allein in der Nutzung der erzeugten Wärme erschöpfe und die weitere Nutzung des Prozessdampfs unerheblich sei. 26Das Rauchgas sei nicht für den Abschluss des Produktionsprozesses der Staubkohle erforderlich gewesen. 27Anders als noch im Senatsurteil vom 25. Juli 2018, 4 K 1968/17 VE, und im folgenden BFH-Beschluss vom 31. Januar 2019, VII B 147/18 angenommen, sei nach nunmehriger Darstellung der Anlage erst durch Zuführung des Brüden in den Prozessdampferzeuger ein hinreichend inertes Gas entstanden. Erst danach sei die Zufuhr von Stickstoff beendet worden. 28Reiche der natürliche Wassergehalt der Kohle nicht und komme es deshalb zu einem Sauerstoffanstieg, werde Wasser in die Brennkammer eingedüst, notfalls sogar Stickstoff. Daraus sei zu schließen, dass die Verbrennungsgase für sich allein nicht hinreichend inert und damit auch keine Substanz seien, die für die Herstellung des Kohlestaubs notwendig sei. 29Soweit im Senatsurteil vom 25. Juli 2018, 4 K 1968/17 VE mit den klar definierten Parametern für das Rauchgas, seine Erhitzung auf über 1.000 °C, sein abschließendes Abkühlen auf 450 °C und die Zusammensetzung des erforderlichen Inertgases beschrieben worden sei, stelle dies keinen zweiten Verwendungszweck dar. Die Abkühlung eines Rauchgases sei seiner thermischen Verwendung immanent. 30Auch stelle die Ausnutzung der inerten Eigenschaften der Rauchgase und des entstandenen Wasserdampfes keinen zweiten Verwendungszweck dar (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2019, VII B 147/18). 31Vielmehr könne ein Energieerzeugnis, das im Rahmen eines Herstellungsprozesses verbrannt werde, nur dann einen zweiten Verwendungszweck haben, wenn dieser Herstellungsprozess nicht ohne Einsatz eines Stoffes durchgeführt werden könne, von dem feststehe, dass er nur durch die Verbrennung des betreffenden Energieerzeugnisse erzeugt werden könne (EuGH Urteil vom 02. Oktober 2014 C-426/12, Beschluss vom 17. Dezember 2015 C-529/14). Dies sei dahin zu verstehen, dass das Rauchgas nur durch Verbrennen des Erdgases erzeugt werden könne, es mithin einen unerlässlich Einsatzstoff für die Herstellung der Staubkohle darstelle. Könne aber das Rauchgas substituiert werden, wie im Streitfall durch den Einsatz von Stickstoff, sei ein zweiter Verwendungszweck nicht gegeben (BFH Beschluss vom 31. Januar 2019, VII B 147/18). Vom Einsatz des Stickstoffs habe die Klägerin nur aus Kostengründen abgesehen. 32Entscheidungsgründe: 33Die Klage ist begründet. 34Der Klägerin steht der Vergütungsanspruch hinsichtlich der Energiesteuer in Höhe von ………… € zu. Der Steueränderungsbescheid des Beklagten vom 18. März 2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. September 2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). 35Der Beklagte war mit seinem Steueränderungsbescheid vom 18. März 2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. September 2017 nicht berechtigt, nach § 164 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) die Vergütungsanmeldung der Klägerin (s. §§ 167 Abs. 1 Satz 1, 168 AO in Verbindung mit § 155 Abs. 4 AO a. F.), die nach Zustimmung des Beklagten durch Auszahlung der Vergütung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand (s. § 168 S. 2 AO), zu ändern. 36Unter Anrechnung der der Klägerin nach den §§ 54 und 55 EnergieStG für den Zeitraum von Januar bis Juli 2013 gezahlten Entlastungen ist sie noch um weitere 201.872,99 € Energiesteuer zu entlasten. 37Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG wird auf Antrag eine Steuerentlastung für Energieerzeugnisse gewährt, die nachweislich nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 und 10, Abs. 3 Satz 1 oder Abs. 4a EnergieStG versteuert worden sind und gleichzeitig zu Heizzwecken und zu anderen Zwecken als Heiz- oder Kraftstoff verwendet werden. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG beruht auf Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b Anstrich 1 und 2 der Richtlinie 2003/96/EG (RL 2003/96) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. EU Nr. L 283/1). Danach gilt die RL 2003/96 nicht für Energieerzeugnisse mit zweierlei Verwendungszweck im Sinne des Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b Anstrich 1 oder 2 RL 2003/96. Nur unter diesen Voraussetzungen sind die Mitgliedstaaten befugt, Energieerzeugnisse nicht zu besteuern (EuGH Beschluss vom 17. Dezember 2015 C-529/14, ECLI:EU:C:2015:836 Rz. 30). Daher ist § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG in Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b Anstrich 1 und 2 RL 2003/96 und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH auszulegen. 38Die Verwendung eines Energieerzeugnisses fällt danach nur dann nicht in den Anwendungsbereich der RL 2003/96, wenn dieses Erzeugnis in seiner Funktion als Energiequelle selbst anders als als Heiz- oder Kraftstoff verwendet wird. Ein Energieerzeugnis, das im Rahmen eines Herstellungsprozesses verbrannt wird, kann zweierlei Verwendungszweck haben, wenn dieser Prozess nicht ohne Einsatz einer Substanz durchgeführt werden kann, von der feststeht, dass sie nur durch die Verbrennung des betreffenden Energieerzeugnisses erzeugt werden kann (EuGH Urteil vom 2. Oktober 2014 C-426/12, ECLI:EU:C:2014:2247 Rzn. 23 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2015 C-529/14, Rz. 24). Kennzeichnend für das Vorliegen eines Energieerzeugnisses mit zweierlei Verwendungszweck ist mithin, dass das Energieerzeugnis nicht nur als Heiz- oder Kraftstoff, sondern auch zur Herstellung eines Stoffes verwendet wird, die für die Herstellung eines Produktes innerhalb desselben Produktionsprozesses benötigt wird (EuGH Urteil vom 2. Oktober 2014 C-426/12, Rz. 25 ff.; Beschluss vom 17. Dezember 2015 C-529/14, Rzn. 24 f.). 39Insoweit kommt es auch nicht auf die Rang- oder Reihenfolge der Verwendungszwecke an (BFH Urteil v. 13. Januar 2015 VII R 35/12, Rz. 21, BFHE 248, 287 im Anschluss an das EuGH-Urteil v. 02. Oktober 2014, C-426/12) 40Ist hingegen das bei der Verbrennung entstehende Gas nicht das zur Durchführung des Produktionsprozesses erforderliche Erzeugnis, sondern ein Rückstand dieses Prozesses, der nur verwertet wird, liegt ein doppelter Verwendungszweck nicht vor (EuGH Urteil vom 02. Oktober 2014 C-426/12, Rz. 26.; Beschluss vom 17. Dezember 2015 C-529/14, Rz. 25). 41Nach diesen der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b Anstrich 1 und 2 RL 2003/96 folgenden Maßstäben ist mit dem Anfahren der Anlagen ein doppelter Verwendungszweck gegeben. Das Erdgas wird im Streitfall nicht nur zum Verheizen, sondern auch zur Erzeugung eines Prozessgases verwendet, wobei dieses Gas zwei Wirkungen hat: Es stellt die nichtexplosionsfähige Atmosphäre in den Kohlemahlanlagen her, wobei es durch seine Restwärme auch die gewollte Entstehung von Wasserdampf bewirkt. Zudem entfernt es damit gleichzeitig noch die Feuchtigkeit aus der gemahlenen Kohle. Folglich wird das Erdgas zur Erzeugung des für die Kohlemahlanlagen erforderlichen inerten Prozessgases benötigt und nicht nur als Heizstoff, wobei das Prozessgas durch seine Wärme die Trocknung des Kohlestaubs bewirkt. 42Auf Grund der klar definierten Parameter für das Prozessgas, die Erhitzung über 1.000°C und sein anschließendes Abkühlen auf höchstens 450°C im Zusammenhang mit dem Betrieb der Kohlemahlanlagen ist auch seine Zusammensetzung eindeutig beschrieben. 43Die Zugabe des im Vergleich zum Prozessgas kühlen Brüdens in den Prozessgaserzeuger stellt keine Verwertung eines Rückstands dar, sondern ist für die Herstellung des inerten Prozessgases zwingend erforderlich. Ohne diese Zugabe würde das noch zu heiße Rauchgas den geforderten Explosionsschutz nicht leisten können. 44Während des Anfahrens der Anlage bis zur Zuführung des Brüdens in den Prozessgaserzeuger besteht das für den Betrieb der Anlage erforderliche inerte Gas aus dem Rauchgas vermischt mit Stickstoff und dem beim Trocknen der Kohle entstehenden Wasserdampf. Auch insoweit sorgt das Rauchgas mit für die erforderliche inerte Gasmischung zur Sicherung der Mahlanlage und bewirkt die Trocknung der Kohle. 45Sobald das aus Rauchgas, Wasserdampf und zunächst noch vorhandenem Stickstoff bestehende Gemisch (der Brüden) nach Passieren der Filter abgeschieden und dem Prozessgaserzeuger wieder zugeführt wurde, erzeugte die Anlage zeitgleich mit der Staubkohle das für ihren Betrieb erforderliche Inertgas. 46Anders als der Beklagte meint, dient die Verbrennung des Erdgases nicht in erster Linie der Trocknung des Kohlestaubs, sondern der Herstellung des Inertgases, denn das Rauchgas muss zur Verwendung in den Kohlemahlanlagen von ursprünglich 1.000 °C auf höchstens 450 °C abgekühlt werden, um seine Funktion als inertes Gas auszufüllen, was durch Zuführung des Brüdens geschieht. Andernfalls wäre die Explosionsgefahr nicht ausgeschlossen, wie auch die Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben. 47Anders als der Beklagte meint, ergibt sich aus den den o.a. EuGH-Entscheidungen zu Grunde liegenden Sachverhalten nicht, dass über die genannten Maßstäbe hinaus weitere, einengende Anforderungen an die Annahme eines doppelten Verwendungszwecks zu stellen sind. Für eine derartige Auslegung bietet die in beiden Entscheidungen getroffene Auslegung keinen Raum (s. BFH Urteil v. 10. November 2015, VII R 40/14, Rz. 11, BFH/NV 2016, 410). Das gilt auch, soweit vertreten wird, dass ein doppelter Verwendungszweck bei der Verbrennung eines Energieerzeugnisses dann ausscheide, wenn der neben dem Verheizen stehende weitere Zweck durch Einsatz eines anderen Stoffs erreicht werden könne. 48Im Urteil vom 02. Oktober 2014, C-426/12, Rzn. 24 bis 28 werden für die in Betracht kommenden Verwendungszwecke die anzuwendenden Maßstäbe vorgegeben, ohne dass darauf abgestellt wird, dass an Stelle des durch die Verbrennung erzeugten Gases auch ein anderer Stoff treten kann. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem EuGH-Beschluss v. 17. Dezember 2015, C-529/14. 49Soweit der Beklagte im Hinblick auf den BFH-Beschluss vom 31. Januar 2019 VII B 148/18 unter Rz. 14 das Vorliegen eines doppelten Verwendungszwecks verneint, weil die erforderliche Inertisierung auch durch Eindüsen von Stickstoff erreicht werden könne, ergibt sich für den Streitfall kein anderes Ergebnis. Der ausschließliche Einsatz von Stickstoff zur Inertisierung ist der Klägerin auf Grund der erteilten Betriebsgenehmigung versagt und für die von ihr betriebenen Kohlemahlanlagen auch nicht technisch vorgesehen. Darauf, dass Kohlemahlanlagen auch anders, nämlich mit einer alleinigen Inertisierung durch Einsatz von Stickstoff hätten konstruiert werden können, kommt es nicht an. Eine Auslegung dahingehend, dass eine etwaige theoretische Substituierbarkeit bei einer anderen Anlage einem doppelten Verwendungszweck in der zu beurteilenden Anlage entgegensteht, ist dem BFH Beschluss vom 31. Januar 2019, VII B 147/18 nicht zu entnehmen. 50In seinen beiden Entscheidungen geht der EuGH nicht auf eine den doppelten Verwendungszweck ausschließende Substituierbarkeit ein, sondern verlangt ausschließlich, dass der maßgebende Stoff eindeutig auf das eingesetzte Energieerzeugnis zurückzuführen ist (EuGH Urteil v. 02.10.2014, C-426/12, Rzn.24 f., 28; s. Falkenberg in EnergieStG – eKommentar § 51 EnergieStG Rz. 42). 51Zudem ist die Notwendigkeit einer Nichtsubstituierbarkeit auch nicht mit Art. 2 Abs. 4 Buchst. b RL 2003/96 zu vereinbaren. Die Wendung „für andere Zwecke als als Heiz- oder Kraftstoff“ findet sich sowohl im ersten als auch im zweiten Gedankenstrich der Vorschrift, sodass sie in beiden Bestimmungen gleich auszulegen ist (EuGH v. 02.10.2014, C-426/12, Rz. 23). Da nun die Verwendung zu anderen Zwecken als als Heiz- oder Kraftstoff i.S.v. Art. 2 Abs. 4 Buchst. b erster Gedankenstrich RL 2003/96 offensichtlich nicht durch eine mögliche Austauschbarkeit des Energieerzeugnisses ausgeschlossen ist, kann ein solcher Ausschluss auch nicht für den zweiten Verwendungszweck (anderer Zweck i.S.v. Art. 2 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich RL 2003/96) gelten. Diese auf die Energiesteuerrichtlinie bezogene Feststellung ist auch für die Auslegung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG heranzuziehen. Denn der nationale Gesetzgeber darf zwar dem Begriff “zweierlei Verwendungszweck“ eine engere Bedeutung als in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich RL 2003/96/EG beimessen, doch wollte der deutsche Gesetzgeber hier den von der Richtlinie gesetzten Rahmen möglichst ausschöpfen (Falkenberg in EnergieStG – eKommentar § 51 EnergieStG Rz. 42). 52Dass die Klägerin für den Fall zu trockener zu mahlender Kohle die Eindüsung von Wasserdampf nach dem Prozessgaserzeuger vorsieht, stellt eine notwendige Sicherung gegen die Explosionsgefahr dar, rechtfertigt aber nicht die Ablehnung des doppelten Verwendungszwecks, da das Rauchgas wie dargestellt mit für die Herstellung des inerten Gases verwendet wird. 53Der Streitfall unterscheidet sich von dem des Senatsurteils vom 11. Juli 2018 4 K 1945/17 VE, weil dort mit den eingesetzten Brennstoffen nur eine Trocknung der herzustellenden Waren betrieben, nicht aber zusätzlich ein aus weiteren Gründen erforderliches Prozessgas hergestellt wurde. 54Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15. Juli 2015, 1 K 1322/13, DStR 2016, 12, denn in dem diesem Urteil zu Grunde liegenden Sachverhalt erfolgte der Einsatz versteuerten Brennstoffs gemeinsam mit dem zu verbrennenden Abfallprodukt, wobei die so erzeugte Wärme zur Erzeugung von Wasserdampf für den weiteren Betrieb der dortigen Klägerin verwendet wurde. Diese Verwendung sah das FG nicht als doppelten Verwendungszweck, sondern als bloßes Verheizen an. 55Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da eine Parallelentscheidung zum Streitfall Gegenstand des BFH-Beschlusses vom 31. Januar 2019 VII B 148/18 war, in dem der BFH die Zulassung der Revision abgelehnt hatte. 56Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. | der steueränderungsbescheid des beklagten vom 18.03.2014 in der gestalt der einspruchsentscheidung vom 13.09.2017 wird aufgehoben. der beklagte trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten ohne sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. der beklagte darf die vollstreckung durch sicherheitsleistung in höhe des kostenerstattungsanspruchs der klägerin abwenden, wenn nicht die klägerin vor der vollstreckung sicherheit in gleicher höhe leistet. die revision wird nicht zugelassen. 1 | 2die klägerin betrieb an ihrem standort kohlemahlanlagen zur herstellung von kohlestaub durch mahlen und trocknen von rohkohle. 3mit sechs verschiedenen anträgen vom 18. februar bis zum 19. juli 2013 hatte die klägerin jeweils für die monate januar bis juni 2013 die entlastung von der energiesteuer für das in ihren kohlemahlanlagen eingesetzte erdgas nach § 51 abs. 1 nr. 1 buchst. d des energiesteuergesetzes (energiestg) beantragt. diese anträge hatte sie mit einem korrekturantrag vom 23. august 2013 berichtigt. zugleich hatte sie am 23. august 2013 auch die entlastung für den monat juli 2013 beantragt. 4den anträgen gab der beklagte mit steueränderungsbescheid vom 06. september 2013 statt und gewährte eine entlastung von 541.296,32 €. 5auf anordnung des beklagten begann das hauptzollamt am 13. juni 2013 mit einer außenprüfung bei der klägerin, die u.a. die energiesteuerentlastung der klägerin nach § 51 abs. 1 nr. 1 buchst. d energiestg im jahr 2012 zum gegenstand hatte. im prüfungsbericht vom 24.06.2013, ab-nr. , kam der prüfungsbeamte zum ergebnis, dass die voraussetzungen dieser entlastung gegeben seien. 6der beklagte folgte dieser beurteilung nicht, sondern forderte mit steueränderungsbescheid vom 18. märz 2014 die für januar bis juli 2013 gewährte entlastung in höhe von ….. € zurück, wobei er der klägerin zugleich für den gleichen zeitraum entlastungen nach den §§ 54 und 55 energiestg bewilligte, so dass die von der klägerin zu leistende rückzahlung noch ……… € betrug. dazu führte er aus, das verbrannte erdgas sei nur zur erzeugung von wärme und nicht gleichzeitig zu heizzwecken und zu anderen zwecken verwendet worden. das rauchgas sei überwiegend als trocken- und transportmedium dem prozess zugeführt worden und habe erst durch den bei der trocknung der kohle entstehenden wasserdampf die erforderliche inertisierung bewirken können. 7die chemische zusammensetzung des rauchgases sei nicht definiert worden, zumal es auch nicht unmittelbar, sondern erst nach einer abkühlung von über 1.000°c auf ca. 450°c in die kohlemühle eingeführt worden sei. 8dagegen legte die klägerin fristgerecht einspruch ein und trug zur begründung vor, bei der herstellung von rauchgas sei ein vorrang der wärmeerzeugung gerade nicht gegeben. vielmehr werde das rauchgas erst noch heruntergekühlt, um dann als schutzgas verwendet zu werden. die transportwirkung sei zu vernachlässigen, weil das heiße rauchgas nicht in die mahlanlage transportiert, sondern von dieser angesogen werde. maßgebend sei dann die wirkung als schutzgas, um explosionen vorzubeugen. daran ändere sich auch nichts, wenn eine definierte chemische zusammensetzung (eine stöchiometrische berechnung) nicht vorliege. im übrigen werde auf das eugh-urteil vom 02. oktober 2014, c-426/12, das ihre rechtsauffassung bestätige, hingewiesen. 9es sei nicht erforderlich, dass bestandteile des rauchgases als verbrennungsprodukt des energieerzeugnisses stofflich in das endprodukt gelangten. für die steuerentlastung genüge es, wenn sie nicht allein dem verheizen, sondern auch noch einem anderen zweck diene. 10den einspruch wies der beklagte mit einspruchsentscheidung vom 13. september 2017 als unbegründet zurück. 11mit ihrer klage verfolgt die klägerin ihr begehren weiter und trägt ergänzend vor: der sachverhalt entspreche – bis auf den vergütungszeitraum – dem des rechtskräftigen urteils vom 25. juli 2018, 4 k 1968/17 ve, gegen das der beklagte beschwerde wegen nichtzulassung der revision eingelegt habe, die erfolglos geblieben sei. 12nach dem konstruktionsprinzip der kohlemahlanlagen, die sich auch in ihrer gewerberechtlichen zulassung widerspiegelten, sei der hauptzweck der prozessgaserzeugung die inertisierung, ohne die die anlage über kurz oder lang explodieren würde. dies schließe die vom beklagten behauptete nachträgliche nutzung der inerten eigenschaften des prozessgases aus. die nutzung der wärme sei demgegenüber nur der zweite, nachrangige zweck. 13das senatsurteil vom 11. juli 2018, 4 k 1945/17 ve betreffe einen anders gelagerten fall. 14ihr produktionsprozess beinhalte die vermahlung zu staubkohle und nicht die trocknung der kohle. für die schadlose und genehmigungskonforme vermahlung der kohle müsse das rauchgas und der brüden, der durch zugabe von wasser oder in verbindung mit dem in der kohle enthaltenen wasseranteil entstehe, hergestellt werden. insoweit komme es nicht auf das urteil des fg berlin-brandenburg vom 15. juli 2015, 1 k 1322/13, an. 15auch das während der anfahrphase eingesetzte erdgas diene der inertisierung. der anfahrzustand sei kein repräsentativer betriebszustand, der zwar zum anlagenbetrieb gehöre, aber für die beurteilung des zwecks der erdgasverbrennung nicht bestimmend sei. insoweit sei es auch unschädlich, dass sich die inertisierung nicht allein durch das trockene rauchgas, sondern auch durch den wasseranteil aus der kohle ergebe. 16die zugabe von stickstoff in der kurzen anfahrphase – und ganz selten in anderen fällen – diene nur dem 100%tigen explosionsschutz, der auf jeden fall sichergestellt werden müsse. 17in ihrem betrieb werde erdgas gerade nicht zur erzeugung von wasserdampf verbrannt, sondern zur erzeugung von rauchgas. 18die klägerin beantragt, 19den steueränderungsbescheid des beklagten vom 18. märz 2014 in der gestalt der einspruchsentscheidung vom 13. september 2017 aufzuheben. 20der beklagte beantragt, 21die klage abzuweisen, 22hilfsweise die revision zuzulassen. 23zur begründung führt er aus: im rahmen des zu beurteilenden prozesses stelle die nutzung der mit der verbrennung des erdgases erzeugten wärme zur trocknung der kohle einen steuerpflichtigen verbrauch als heizstoff dar, und zwar auch unabhängig vom zweck des heizens. 24als weiterer produktionsprozess komme nur die herstellung der staubkohle, nicht die herstellung eines inertgases in betracht, denn die herstellung der staubkohle sei mit der vermahlung und trocknung abgeschlossen. 25mit der verbrennung des erdgases sei nur ein rauchgas erzeugt worden, dessen inerte eigenschaften im herstellungsprozess der staubkohle genutzt würden. dabei handele es sich um ein unweigerlich anfallendes restprodukt der erdgasverbrennung. die ausnutzung seiner inerten eigenschaften begründe keinen neben dem verheizen stehenden weiteren verwendungszweck (bfh beschluss v. 31. januar 2019, vii b 147/18). insoweit werde auch auf das urteil des fg düsseldorf vom 11. juli 2018, 4 k 1945/17 ve hingewiesen. das fg berlin-brandenburg sei in seinem urteil vom 15. juli 2015, 1 k 1322/13, davon ausgegangen, dass sich die verwendung allein in der nutzung der erzeugten wärme erschöpfe und die weitere nutzung des prozessdampfs unerheblich sei. 26das rauchgas sei nicht für den abschluss des produktionsprozesses der staubkohle erforderlich gewesen. 27anders als noch im senatsurteil vom 25. juli 2018, 4 k 1968/17 ve, und im folgenden bfh-beschluss vom 31. januar 2019, vii b 147/18 angenommen, sei nach nunmehriger darstellung der anlage erst durch zuführung des brüden in den prozessdampferzeuger ein hinreichend inertes gas entstanden. erst danach sei die zufuhr von stickstoff beendet worden. 28reiche der natürliche wassergehalt der kohle nicht und komme es deshalb zu einem sauerstoffanstieg, werde wasser in die brennkammer eingedüst, notfalls sogar stickstoff. daraus sei zu schließen, dass die verbrennungsgase für sich allein nicht hinreichend inert und damit auch keine substanz seien, die für die herstellung des kohlestaubs notwendig sei. 29soweit im senatsurteil vom 25. juli 2018, 4 k 1968/17 ve mit den klar definierten parametern für das rauchgas, seine erhitzung auf über 1.000 °c, sein abschließendes abkühlen auf 450 °c und die zusammensetzung des erforderlichen inertgases beschrieben worden sei, stelle dies keinen zweiten verwendungszweck dar. die abkühlung eines rauchgases sei seiner thermischen verwendung immanent. 30auch stelle die ausnutzung der inerten eigenschaften der rauchgase und des entstandenen wasserdampfes keinen zweiten verwendungszweck dar (bfh-beschluss vom 31. januar 2019, vii b 147/18). 31vielmehr könne ein energieerzeugnis, das im rahmen eines herstellungsprozesses verbrannt werde, nur dann einen zweiten verwendungszweck haben, wenn dieser herstellungsprozess nicht ohne einsatz eines stoffes durchgeführt werden könne, von dem feststehe, dass er nur durch die verbrennung des betreffenden energieerzeugnisse erzeugt werden könne (eugh urteil vom 02. oktober 2014 c-426/12, beschluss vom 17. dezember 2015 c-529/14). dies sei dahin zu verstehen, dass das rauchgas nur durch verbrennen des erdgases erzeugt werden könne, es mithin einen unerlässlich einsatzstoff für die herstellung der staubkohle darstelle. könne aber das rauchgas substituiert werden, wie im streitfall durch den einsatz von stickstoff, sei ein zweiter verwendungszweck nicht gegeben (bfh beschluss vom 31. januar 2019, vii b 147/18). vom einsatz des stickstoffs habe die klägerin nur aus kostengründen abgesehen. 32 | 33die klage ist begründet. 34der klägerin steht der vergütungsanspruch hinsichtlich der energiesteuer in höhe von ………… € zu. der steueränderungsbescheid des beklagten vom 18. märz 2014 in der gestalt der einspruchsentscheidung vom 13. september 2017 ist rechtswidrig und verletzt die klägerin in ihren rechten, § 100 abs. 1 satz 1 der finanzgerichtsordnung (fgo). 35der beklagte war mit seinem steueränderungsbescheid vom 18. märz 2014 in der gestalt der einspruchsentscheidung vom 13. september 2017 nicht berechtigt, nach § 164 abs. 2 satz 1 der abgabenordnung (ao) die vergütungsanmeldung der klägerin (s. §§ 167 abs. 1 satz 1, 168 ao in verbindung mit § 155 abs. 4 ao a. f.), die nach zustimmung des beklagten durch auszahlung der vergütung einer steuerfestsetzung unter dem vorbehalt der nachprüfung gleichstand (s. § 168 s. 2 ao), zu ändern. 36unter anrechnung der der klägerin nach den §§ 54 und 55 energiestg für den zeitraum von januar bis juli 2013 gezahlten entlastungen ist sie noch um weitere 201.872,99 € energiesteuer zu entlasten. 37nach § 51 abs. 1 nr. 1 buchst. d energiestg wird auf antrag eine steuerentlastung für energieerzeugnisse gewährt, die nachweislich nach § 2 abs. 1 nr. 9 und 10, abs. 3 satz 1 oder abs. 4a energiestg versteuert worden sind und gleichzeitig zu heizzwecken und zu anderen zwecken als heiz- oder kraftstoff verwendet werden. § 51 abs. 1 nr. 1 buchst. d energiestg beruht auf art. 2 abs. 4 buchstabe b anstrich 1 und 2 der richtlinie 2003/96/eg (rl 2003/96) des rates vom 27. oktober 2003 zur restrukturierung der gemeinschaftlichen rahmenvorschriften zur besteuerung von energieerzeugnissen und elektrischem strom (abl. eu nr. l 283/1). danach gilt die rl 2003/96 nicht für energieerzeugnisse mit zweierlei verwendungszweck im sinne des art. 2 abs. 4 buchstabe b anstrich 1 oder 2 rl 2003/96. nur unter diesen voraussetzungen sind die mitgliedstaaten befugt, energieerzeugnisse nicht zu besteuern (eugh beschluss vom 17. dezember 2015 c-529/14, ecli:eu:c:2015:836 rz. 30). daher ist § 51 abs. 1 nr. 1 buchst. d energiestg in übereinstimmung mit art. 2 abs. 4 buchstabe b anstrich 1 und 2 rl 2003/96 und der hierzu ergangenen rechtsprechung des eugh auszulegen. 38die verwendung eines energieerzeugnisses fällt danach nur dann nicht in den anwendungsbereich der rl 2003/96, wenn dieses erzeugnis in seiner funktion als energiequelle selbst anders als als heiz- oder kraftstoff verwendet wird. ein energieerzeugnis, das im rahmen eines herstellungsprozesses verbrannt wird, kann zweierlei verwendungszweck haben, wenn dieser prozess nicht ohne einsatz einer substanz durchgeführt werden kann, von der feststeht, dass sie nur durch die verbrennung des betreffenden energieerzeugnisses erzeugt werden kann (eugh urteil vom 2. oktober 2014 c-426/12, ecli:eu:c:2014:2247 rzn. 23 f.; beschluss vom 17. dezember 2015 c-529/14, rz. 24). kennzeichnend für das vorliegen eines energieerzeugnisses mit zweierlei verwendungszweck ist mithin, dass das energieerzeugnis nicht nur als heiz- oder kraftstoff, sondern auch zur herstellung eines stoffes verwendet wird, die für die herstellung eines produktes innerhalb desselben produktionsprozesses benötigt wird (eugh urteil vom 2. oktober 2014 c-426/12, rz. 25 ff.; beschluss vom 17. dezember 2015 c-529/14, rzn. 24 f.). 39insoweit kommt es auch nicht auf die rang- oder reihenfolge der verwendungszwecke an (bfh urteil v. 13. januar 2015 vii r 35/12, rz. 21, bfhe 248, 287 im anschluss an das eugh-urteil v. 02. oktober 2014, c-426/12) 40ist hingegen das bei der verbrennung entstehende gas nicht das zur durchführung des produktionsprozesses erforderliche erzeugnis, sondern ein rückstand dieses prozesses, der nur verwertet wird, liegt ein doppelter verwendungszweck nicht vor (eugh urteil vom 02. oktober 2014 c-426/12, rz. 26.; beschluss vom 17. dezember 2015 c-529/14, rz. 25). 41nach diesen der rechtsprechung des eugh zu art. 2 abs. 4 buchstabe b anstrich 1 und 2 rl 2003/96 folgenden maßstäben ist mit dem anfahren der anlagen ein doppelter verwendungszweck gegeben. das erdgas wird im streitfall nicht nur zum verheizen, sondern auch zur erzeugung eines prozessgases verwendet, wobei dieses gas zwei wirkungen hat: es stellt die nichtexplosionsfähige atmosphäre in den kohlemahlanlagen her, wobei es durch seine restwärme auch die gewollte entstehung von wasserdampf bewirkt. zudem entfernt es damit gleichzeitig noch die feuchtigkeit aus der gemahlenen kohle. folglich wird das erdgas zur erzeugung des für die kohlemahlanlagen erforderlichen inerten prozessgases benötigt und nicht nur als heizstoff, wobei das prozessgas durch seine wärme die trocknung des kohlestaubs bewirkt. 42auf grund der klar definierten parameter für das prozessgas, die erhitzung über 1.000°c und sein anschließendes abkühlen auf höchstens 450°c im zusammenhang mit dem betrieb der kohlemahlanlagen ist auch seine zusammensetzung eindeutig beschrieben. 43die zugabe des im vergleich zum prozessgas kühlen brüdens in den prozessgaserzeuger stellt keine verwertung eines rückstands dar, sondern ist für die herstellung des inerten prozessgases zwingend erforderlich. ohne diese zugabe würde das noch zu heiße rauchgas den geforderten explosionsschutz nicht leisten können. 44während des anfahrens der anlage bis zur zuführung des brüdens in den prozessgaserzeuger besteht das für den betrieb der anlage erforderliche inerte gas aus dem rauchgas vermischt mit stickstoff und dem beim trocknen der kohle entstehenden wasserdampf. auch insoweit sorgt das rauchgas mit für die erforderliche inerte gasmischung zur sicherung der mahlanlage und bewirkt die trocknung der kohle. 45sobald das aus rauchgas, wasserdampf und zunächst noch vorhandenem stickstoff bestehende gemisch (der brüden) nach passieren der filter abgeschieden und dem prozessgaserzeuger wieder zugeführt wurde, erzeugte die anlage zeitgleich mit der staubkohle das für ihren betrieb erforderliche inertgas. 46anders als der beklagte meint, dient die verbrennung des erdgases nicht in erster linie der trocknung des kohlestaubs, sondern der herstellung des inertgases, denn das rauchgas muss zur verwendung in den kohlemahlanlagen von ursprünglich 1.000 °c auf höchstens 450 °c abgekühlt werden, um seine funktion als inertes gas auszufüllen, was durch zuführung des brüdens geschieht. andernfalls wäre die explosionsgefahr nicht ausgeschlossen, wie auch die vertreter des beklagten in der mündlichen verhandlung eingeräumt haben. 47anders als der beklagte meint, ergibt sich aus den den o.a. eugh-entscheidungen zu grunde liegenden sachverhalten nicht, dass über die genannten maßstäbe hinaus weitere, einengende anforderungen an die annahme eines doppelten verwendungszwecks zu stellen sind. für eine derartige auslegung bietet die in beiden entscheidungen getroffene auslegung keinen raum (s. bfh urteil v. 10. november 2015, vii r 40/14, rz. 11, bfh/nv 2016, 410). das gilt auch, soweit vertreten wird, dass ein doppelter verwendungszweck bei der verbrennung eines energieerzeugnisses dann ausscheide, wenn der neben dem verheizen stehende weitere zweck durch einsatz eines anderen stoffs erreicht werden könne. 48im urteil vom 02. oktober 2014, c-426/12, rzn. 24 bis 28 werden für die in betracht kommenden verwendungszwecke die anzuwendenden maßstäbe vorgegeben, ohne dass darauf abgestellt wird, dass an stelle des durch die verbrennung erzeugten gases auch ein anderer stoff treten kann. etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem eugh-beschluss v. 17. dezember 2015, c-529/14. 49soweit der beklagte im hinblick auf den bfh-beschluss vom 31. januar 2019 vii b 148/18 unter rz. 14 das vorliegen eines doppelten verwendungszwecks verneint, weil die erforderliche inertisierung auch durch eindüsen von stickstoff erreicht werden könne, ergibt sich für den streitfall kein anderes ergebnis. der ausschließliche einsatz von stickstoff zur inertisierung ist der klägerin auf grund der erteilten betriebsgenehmigung versagt und für die von ihr betriebenen kohlemahlanlagen auch nicht technisch vorgesehen. darauf, dass kohlemahlanlagen auch anders, nämlich mit einer alleinigen inertisierung durch einsatz von stickstoff hätten konstruiert werden können, kommt es nicht an. eine auslegung dahingehend, dass eine etwaige theoretische substituierbarkeit bei einer anderen anlage einem doppelten verwendungszweck in der zu beurteilenden anlage entgegensteht, ist dem bfh beschluss vom 31. januar 2019, vii b 147/18 nicht zu entnehmen. 50in seinen beiden entscheidungen geht der eugh nicht auf eine den doppelten verwendungszweck ausschließende substituierbarkeit ein, sondern verlangt ausschließlich, dass der maßgebende stoff eindeutig auf das eingesetzte energieerzeugnis zurückzuführen ist (eugh urteil v. 02.10.2014, c-426/12, rzn.24 f., 28; s. falkenberg in energiestg – ekommentar § 51 energiestg rz. 42). 51zudem ist die notwendigkeit einer nichtsubstituierbarkeit auch nicht mit art. 2 abs. 4 buchst. b rl 2003/96 zu vereinbaren. die wendung „für andere zwecke als als heiz- oder kraftstoff“ findet sich sowohl im ersten als auch im zweiten gedankenstrich der vorschrift, sodass sie in beiden bestimmungen gleich auszulegen ist (eugh v. 02.10.2014, c-426/12, rz. 23). da nun die verwendung zu anderen zwecken als als heiz- oder kraftstoff i.s.v. art. 2 abs. 4 buchst. b erster gedankenstrich rl 2003/96 offensichtlich nicht durch eine mögliche austauschbarkeit des energieerzeugnisses ausgeschlossen ist, kann ein solcher ausschluss auch nicht für den zweiten verwendungszweck (anderer zweck i.s.v. art. 2 abs. 4 buchst. b zweiter gedankenstrich rl 2003/96) gelten. diese auf die energiesteuerrichtlinie bezogene feststellung ist auch für die auslegung des § 51 abs. 1 nr. 1 buchst. d energiestg heranzuziehen. denn der nationale gesetzgeber darf zwar dem begriff “zweierlei verwendungszweck“ eine engere bedeutung als in art. 2 abs. 4 buchst. b zweiter gedankenstrich rl 2003/96/eg beimessen, doch wollte der deutsche gesetzgeber hier den von der richtlinie gesetzten rahmen möglichst ausschöpfen (falkenberg in energiestg – ekommentar § 51 energiestg rz. 42). 52dass die klägerin für den fall zu trockener zu mahlender kohle die eindüsung von wasserdampf nach dem prozessgaserzeuger vorsieht, stellt eine notwendige sicherung gegen die explosionsgefahr dar, rechtfertigt aber nicht die ablehnung des doppelten verwendungszwecks, da das rauchgas wie dargestellt mit für die herstellung des inerten gases verwendet wird. 53der streitfall unterscheidet sich von dem des senatsurteils vom 11. juli 2018 4 k 1945/17 ve, weil dort mit den eingesetzten brennstoffen nur eine trocknung der herzustellenden waren betrieben, nicht aber zusätzlich ein aus weiteren gründen erforderliches prozessgas hergestellt wurde. 54etwas anderes folgt auch nicht aus dem urteil des fg berlin-brandenburg vom 15. juli 2015, 1 k 1322/13, dstr 2016, 12, denn in dem diesem urteil zu grunde liegenden sachverhalt erfolgte der einsatz versteuerten brennstoffs gemeinsam mit dem zu verbrennenden abfallprodukt, wobei die so erzeugte wärme zur erzeugung von wasserdampf für den weiteren betrieb der dortigen klägerin verwendet wurde. diese verwendung sah das fg nicht als doppelten verwendungszweck, sondern als bloßes verheizen an. 55die kostenentscheidung folgt aus § 135 abs. 1 fgo. die revision war nicht nach § 115 abs. 2 fgo zuzulassen, da eine parallelentscheidung zum streitfall gegenstand des bfh-beschlusses vom 31. januar 2019 vii b 148/18 war, in dem der bfh die zulassung der revision abgelehnt hatte. 56die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 abs. 3, 155 satz 1 fgo i. v. m. §§ 708 nr. 10, 711 der zivilprozessordnung. | Klaeger*in | 1 |
336,595 | 3 K 143/19 | 2021-04-07T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten über Gebührenforderungen des Beklagten für die Durchführung von Kontrollen im Schlachtbetrieb der Klägerin. 3Die Klägerin betreibt in I. -D. einen Schlachtbetrieb und schlachtet dort nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beklagten im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Schweine pro Woche. Der Beklagte führte in dem Schlachtbetrieb am 11.01.2018 sowie am 06.06.2018 Kontrollen durch und überprüfte jeweils die „Schnittführung von Schweinen SB“. 4Für die Kontrollen machte der Beklagte mit Bescheid jeweils vom 11.12.2018 gegenüber der Klägerin Verwaltungsgebühren geltend. Grundlage der Berechnung waren hierbei die Zeitaufwände der eingesetzten Mitarbeiterin des Beklagten für Vor- und Nachbereitung, Fahrzeit und die Kontrolltätigkeit selbst, wobei der Beklagte einen Stundensatz von 75,00 Euro für die eingesetzte Mitarbeiterin im gehobenen Dienst zu Grunde legte. Daraus ergab sich für die Kontrolle am 11.01.2018 eine Gebühr in Höhe von 300,00 Euro sowie für die Kontrolle vom 06.06.2018 eine Gebühr in Höhe von 243,75 Euro. 5Die Klägerin hat am 15.01.2019 Klage erhoben und ist der Ansicht, der Bescheid sei rechtswidrig. Hierfür trägt sie im Wesentlichen vor: Die Tarifstelle 16a.8.6.1.1 des Allgemeinen Gebührentarifs (AGT) der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung (AVwGebO NRW) sei nichtig, weil sie nicht hinreichend bestimmt sei; die Gebührenhöhe stehe auch in der Neufassung der Tarifstelle im Ermessen der Behörde, was sich vorliegend auch daran zeige, dass der Beklagte auch die Zeit für die Nachbearbeitung für die Gebührenhöhe berücksichtigt habe. Die Klägerin sei zudem nicht Gebührenschuldnerin, da sie nicht Adressatin der Überwachung der Schlachtkörperklassifizierung sei. Zudem sei unionsrechtlich – jedenfalls durch die Verordnung (EU) 652/2017 – die etwaige landesrechtliche Kompetenz zur Erhebung von Gebühren für die hier gegenständliche Kontrolle von Schlachtbetrieben gesperrt. Im Übrigen nimmt die Klägerin Bezug auf das Urteil des OVG NRW vom 14.02.2017 – 9 A 2655/13 – und macht sich die unter Ziff. 2 der Entscheidungsgründe dargestellten Ausführungen zu eigen. 6Die Klägerin beantragt, 7die Gebührenbescheide des Beklagten vom 11.12.2018, Az. 18/2389 (Vorgangs-Nr.: 10017993) sowie Az. 18/3857 (Vorgangs-Nr.: 10017994), aufzuheben. 8Der Beklagte beantragt, 9die Klage abzuweisen. 10Er tritt der Klage entgegen und trägt im Wesentlichen vor: Die Klägerin sei Gebührenschuldnerin. Insbesondere verkenne sie, dass die dem Bescheid zu Grunde liegende neue Tarifstelle 16a.8.6.1.1 AGT sich gerade nicht auf die Klassifizierung beziehe, sondern auf die Schnittführung und damit eine Kontrolle des Schlachtbetriebs selbst zum Gegenstand habe. Die Tarifstelle sei auch hinreichend bestimmt. Sie umfasse im Übrigen auch den Aufwand für die Vor- und Nachbearbeitung. 11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. 12Entscheidungsgründe: 13Die zulässige Anfechtungsklage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 14Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide sind §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 GebG NRW i. V. m. § 1 Abs. 1 AVwGebO NRW sowie der Tarifstelle 16a.8.6.1.1 AGT. 15Maßgeblich ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 GebG NRW die bei der Beendigung der Amtshandlung geltende Fassung der Rechtsgrundlage. Heranzuziehen ist demnach jeweils die Tarifstelle in der zum Zeitpunkt des Abschlusses der jeweiligen Kontrollen am 11.01.2018 sowie am 06.06.2018 geltenden Fassung, wobei hierbei jeweils der Abschluss der Nachbereitung durch schriftliche Abfassung des Inspektionsberichts für die Termine am 15.01.2018 bzw. am 07.06.2018 maßgeblich ist. 16Die Tarifstelle 16a.8.6.1 AGT steht in dieser Fassung unter der folgenden Überschrift: 17„16a.8 18Amtshandlungen nach 19- der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 671) in der jeweils geltenden Fassung 20in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1249/2008 der Kommission vom 10. Dezember 2008 mit Durchführungsbestimmungen zu den gemeinschaftlichen Handelsklassenschemata für Schlachtkörper von Rindern, Schweinen und Schafen und zur Feststellung der diesbezüglichen Preise (ABl. L 337 vom 16.12.2008, S. 3) in der jeweils geltenden Fassung, 21- der Verordnung (EG) Nr. 566/2008 der Kommission vom 18. Juni 2008 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates in Bezug auf die Vermarktung von Fleisch von bis zu zwölf Monate alten Rindern (ABl. L 160 vom 19.6.2006, S. 22) in der jeweils geltenden Fassung, 22- dem Fleischgesetz vom 9. April 2008 (BGBl. I S. 714, 1025) in der jeweils geltenden Fassung 23in Verbindung mit der 2. Fleischgesetz-Durchführungsverordnung (2. FIGDV) vom 12. November 2008 (BGBl. I S. 2186, 2189) in der jeweils geltenden Fassung und weiterer zum Fleischgesetz erlassenen Verordnungen, 24- dem Handelsklassengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. November 1972 (BGBl. I S. 2201) in der jeweils geltenden Fassung 25in Verbindung mit der Verordnung über gesetzliche Handelsklassen für Schaffleisch vom 21. Juni 1993 (BGBl. I S. 993) und der Schweineschlachtkörper-Handelsklassenverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. August 1990 (BGBl. I S. 1809) in den jeweils geltenden Fassungen sowie 26- der Rinderschlachtkörper-Handelsklassenverordnung vom 12. November 2008 (BGBl. I S. 2186, 2196) in der jeweils geltenden Fassung“. 27Die hier maßgeblichen Tarifstellen lauten: 28„16a.8.6 29Überwachung in den Schlachtbetrieben 3016a.8.6.1 31Regelkontrollen 3216a.8.6.1.1 33Kontrollen der Schlachtbetriebe auf Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der korrekten Schlachtkörperaufmachung, Kennzeichnung von Schlachtkörpern (mit Ausnahme des Klassifizierungsergebnisses), Bereitstellung einwandfreier technischer Einrichtungen (zum Beispiel Waage, Klassifizierungsgeräte), Preismeldung und Informationsweitergabe an Lieferanten und Klassifizierungsunternehmen. 34Gebühr: Je nach Zeitaufwand nach der Tarifstelle 16a.0.1 3516a.8.6.1.2 36Kontrollen der in den Schlachtbetrieben tätigen Klassifizierungsunternehmen auf Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der korrekten Klassifizierung und Verwiegung von Schlachtkörpern, des Betriebs der technischen Einrichtungen (Waage, Klassifizierungsgeräte) und der jeweiligen Dokumentation. 37Gebühr: Je nach Zeitaufwand nach der Tarifstelle 16a.0.1". 38Die Tarifstelle 16a.8.6.1.1 AGT ist mit höherrangigem Recht vereinbar (I.) und die Gebührenbescheide sind auf dieser Rechtsgrundlage formell und materiell rechtmäßig (II.). 39I. Soweit die Klägerin die Rechtsgrundlage unter Verweis auf das Urteil des OVG NRW vom 14.02.2017 – 9 A 2655/13 – für nichtig hält, können die seinerzeit vom OVG NRW festgestellten Mängel der damaligen Tarifstelle keine Nichtigkeit für die zwischenzeitlich angepasste hier maßgebliche Fassung der Tarifstelle begründen. Die Tarifstelle verstößt nicht gegen Unions- oder Bundesrecht (1.), ist hinreichend bestimmt (2.) und verstößt als Zeitgebühr nunmehr nicht mehr gegen § 3 Abs. 1 GebG NRW (3.). 401. Es ist dem Landesgesetzgeber weder aufgrund von unionsrechtlichen (a) noch aufgrund von bundesrechtlichen (b) Vorschriften verwehrt, für die Kontrolle der Schlachtbetriebe nach dem Fleischgesetz Gebühren vorzusehen. 41a) Eine europäische Regelung der Gebühren für die vorgenommenen Kontrollen, die einer nationalen Regelung entgegenstehen könnte, besteht nicht. Die – für die hier durchgeführten Kontrollen zeitlich anwendbare – Durchführungsverordnung (EG) 1249/2008 und die ihr zu Grunde liegende VO (EG) 1234/2007 enthalten keine Regelung zu den Kosten der Kontrollen. Dass die EG-Verordnungen keine Regelung der Gebühren vorsehen, hindert den nationalen Gesetzgeber nicht, eine solche Regelung einzuführen. Denn aus dem Umstand, dass in den gemeinschaftlichen Vorschriften keine Kostentragungspflicht geregelt ist, kann nicht gefolgert werden, dass dem nationalen Gesetzgeber eine Gebührenerhebung untersagt ist. 42Vgl. VG Osnabrück, Urteil vom 22.03.2019 – 3 A 204/17 –, Seite 6 des Urteilsabdrucks, n. v.; VG Minden, Urteil vom 15.05.2013 – 3 K 2023/12 –, juris Rn. 14 ff. mit Verweis auf OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.03.2005 – 12 A 1009/05 –, juris Rn. 25. 43An diesem Grundsatz ändert auch das in der mündlichen Verhandlung ergänzte Vorbringen der Klägerin nichts, dass die Verordnung (EU) 652/2017 nunmehr abschließenden und landesrechtliche Gebühren ausschließenden Charakter habe. Diese Verordnung war zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung der die Gebührenpflicht auslösenden Amtshandlung insoweit noch gar nicht anwendbar, als sie gemäß Art. 167 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) 652/17 erst seit dem 14.12.2019 gilt und die Ausnahmetatbestände von Art. 167 Abs. 3 und 4 VO (EU) 652/17 vorliegend nicht einschlägig sind. 44Die Verordnung kann einer Gebührenerhebung für die hier gegenständlichen Kontrollen von Schlachthöfen zudem auch deshalb nicht entgegenstehen, weil sie auf Kontrollen von Schlachtbetrieben im Hinblick auf die Schnittführung nicht anwendbar ist. Diese Kontrollen sind gerade von den Regelungen der Verordnung (EU) 652/2017 ausgenommen. Die Kontrolle von Schlachtbetrieben wurde unionsrechtlich nämlich jedenfalls zum hier maßgeblichen Zeitpunkt im Januar bzw. Juni 2018 durch die VO (EG) 1249/2008 geregelt, die gerade in Art. 24 VO (EG) 1249/2008 die Kontrolle der „Einstufung“ vorsieht. Die VO (EG) 1249/2008 war eine Durchführungsverordnung, die hinsichtlich der Schlachtkörperaufmachung auf Grundlage von Art. 43 VO (EG) 1234/2007 erlassen wurde. Die VO (EG) 1234/2007 trat gemäß Art. 230 Abs. 1 VO (EU) 1308/2013 zum 31.12.2013 außer Kraft und wurde durch die VO (EU) 1308/2013 ersetzt, die nunmehr auch für die Aufmachung von Schweineschlachtkörpern maßgeblich ist. Die Kontrollen zur Einhaltung dieser Verordnung sollen jedoch von der VO (EU) 652/2017 gerade unberührt bleiben, da diese insoweit in ihrem Erwägungsgrund 22 vorsieht, dass das hinsichtlich der VO (EU) 1308/2013 etablierte Kontrollregime unberührt bleiben soll: 45„Die Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften über die gemeinsame Organisation der Märkte für landwirtschaftliche Erzeugnisse (…) wird bereits mithilfe eines gut eingeführten und spezifischen Kontrollsystems überprüft. Diese Verordnung sollte daher nicht für die Überprüfung der Einhaltung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates gelten, die die gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse betrifft, mit der Ausnahme von Fällen, in denen Kontrollen im Zusammenhang mit Vermarktungsnormen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates auf mögliche Fälle betrügerischer oder irreführender Praktiken hindeuten.“ 46Da es sich vorliegend um eine Kontrolle des Schlachtbetriebs im Hinblick auf die Einhaltung der Regelungen zur Schnittführung handelt und nicht um Fälle, „in denen Kontrollen im Zusammenhang mit Vermarktungsnormen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates auf mögliche Fälle betrügerischer oder irreführender Praktiken hindeuten“ ist die vorliegende Schlachtbetriebskontrolle dem Anwendungsbereich der von der Klägerin angeführten Verordnung bereits aus deren Erwägungsgründen entzogen. 47b) Das Land Nordrhein-Westfalen ist nicht durch bundesrechtliche Regelungen gehindert, Gebühren für Kontrollhandlungen gemäß §§ 7, 11 FlG i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 3 der Verordnung über die Preismeldung bei Schlachtkörpern und deren Kennzeichnung (1. Fleischgesetz-Durchführungsverordnung – 1. FIGDV –) zu erheben. Die Erhebung von Gebühren für Kontrollen in Schlachtbetrieben fällt in die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Die Zuständigkeit für den Erlass von Gebührenregelungen folgt der Zuständigkeit der Länder für die Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens. 48Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.02.2017 – 9 A 2655/13 –, juris Rn. 40 mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 25.08.1999 – 8 C 12.98 –, juris Rn. 29. 49Für den Anwendungsbereich des Fleischgesetzes regelt demgemäß § 14 Abs. 2 FlG eine Verordnungsermächtigung für den Erlass von Gebührenregelungen zugunsten des zuständigen Bundesministeriums nur soweit es um Verwaltungshandlungen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung nach den §§ 3 und 6 Abs. 1 und 3 FlG geht, d. h. um die Zulassung von Klassifizierungsunternehmen sowie um den Widerruf und die Rücknahme der Zulassung (vgl. § 7 Abs. 2 FlG). Soweit danach keine Zuständigkeit des Bundes besteht, sind die Länder für die Durchführung des Fleischgesetzes und die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Gesetzes und der aufgrund des Fleischgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zuständig (Art. 83 GG, § 7 Abs. 1 FlG). Sie regeln dann auch das Verwaltungsverfahren (Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG). 50Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.02.2017 – 9 A 2655/13 –, juris Rn. 38 - 41. 512. Die Tarifstelle ist hinreichend bestimmt. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Bestimmtheitsgebot verlangt vom Normgeber, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Sachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Regelung des Abgabenrechts nimmt ihr noch nicht die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit. Der Gebührenpflichtige muss aber erkennen können, für welche öffentliche Leistung die Gebühr erhoben wird und welche Zwecke der Gesetzgeber mit der Gebührenerhebung verfolgt. Grundrechtsrelevante Vorschriften müssen in ihren Voraussetzungen und ihrem Inhalt so klar formuliert sein, dass die Rechtslage für den Betroffenen erkennbar ist und er sein Verhalten danach einrichten kann. 52Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.02.2017 – 9 A 2655/13 –, juris Rn. 51 f. mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 12.07.2006 – 10 C 9.05 –, juris Rn. 29 f., m. w. N. zur Rspr. des BVerfG; zum Bestimmtheitsgebot vgl. auch Nds. OVG, Urteil vom 20.11.2014 – 13 LB 54/12 –, juris Rn. 78. 53Mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot bedarf es daher einer Abgrenzung gebührenpflichtiger Überwachungsmaßnahmen gegen die unübersehbare Vielzahl von Überwachungs-, Kontroll- und Prüfungsmaßnahmen, zu denen sich der Staat aus guten Gründen für veranlasst hält. Das Bestimmtheitserfordernis dient auch dazu, der Möglichkeit einer rechtlich nicht hinreichend überprüfbaren willkürlichen Handhabung entgegenzuwirken. 54Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.02.2017 – 9 A 2655/13 –, juris Rn. 53 f., mit Verweis auf OVG NRW, Urteil vom 01.02.1989 – 9 A 1252/88 –, juris Rn. 20, nachgehend: BVerwG, Beschluss vom 25.09.1989 – 8 B 95.89 –, juris Rn. 6. 55Aus dem Bestimmtheitserfordernis folgt zugleich, dass Abgaben begründende Tatbestände so konkret zu fassen sind, dass der Abgabenpflichtige die auf ihn entfallende Abgabelast im Voraus bestimmen kann. 56Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.02.2017 – 9 A 2655/13 –, juris Rn. 55 f., mit Hinweis auf OVG Rh.-Pf., Urteil vom 22.03.2005 – 12 A 10092/05 –, juris Rn. 24. 57Danach bedürfen Verwaltungsgebühren für Überwachungsmaßnahmen, deren Ergebnis zu keinen Beanstandungen, d. h. zu keinen (ordnungs-)behördlichen Maßnahmen geführt hat, einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Zurechenbarkeit der Verwaltungsmaßnahmen zu einem Gebührenschuldner ergibt. 58Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.02.2017 – 9 A 2655/13 –, juris Rn. 57 f., mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 24.08.1990 – 8 C 73.88 –, juris Rn. 12. 59Im Gegensatz zur früheren und im bezeichneten Urteil des OVG NRW vom 14.02.2017 für nichtig erklärten Fassung der hier maßgeblichen Tarifstelle, unterscheiden die für die Rechtmäßigkeit der vorliegenden Bescheide maßgeblichen Tarifstellen nunmehr ausdrücklich zwischen der Kontrolle der Schlachtbetriebe selbst (Tarifstelle 16a.8.6.1.1 AGT: den „Kontrollen der Schlachtbetriebe [...] mit Ausnahme des Klassifizierungsergebnisses") und der Kontrolle der in den Schlachtbetrieben eingesetzten Klassifizierungsunternehmen (Tarifstelle 16a.8.6.1.2 AGT). 60Soweit das OVG NRW seinerzeit eine „wenig trennscharfe Abgrenzung der beiden 61Tarifstellen" bemängelt hat, 62vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.02.2017 – 9 A 2655/13 –, juris Rn. 62, 63ist hierzu festzustellen, dass diese Kritik an der Bestimmtheit der Tarifstelle im Hinblick auf die hier maßgebliche Fassung überholt ist, da für den Abgabenpflichtigen ohne weiteres erkennbar ist, im Rahmen welcher Tarifstelle er entweder als Schlachthofbetreiber oder als Klassifizierungsunternehmen in Anspruch genommen wird. 643. Auch ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 GebG NRW ist in der vorliegend einschlägigen Fassung der Tarifstelle nicht mehr festzustellen. Soweit das OVG NRW diesbezüglich seinerzeit die vom Verordnungsgeber geschaffene Rahmengebühr verworfen hat, steht dies der vorliegend anwendbaren Tarifstelle nicht entgegen, da diese nunmehr eine Zeitgebühr vorsieht. 65Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, die Gebühr liege trotz der Ausgestaltung als Zeitgebühr weiterhin im Ermessen der Behörde, weil diese auch die Nachbearbeitung für die Ermittlung des gebührenpflichtigen Zeitaufwandes berücksichtigt habe, die Tarifstelle aber nur eine „Kontrolle der Schlachtbetriebe" vorsehe, stellt dies die Rechtmäßigkeit der Tarifstelle nicht in Frage, denn die Tarifstelle sieht gerade eine Zeitgebühr vor. Die von der Klägerin vorgebrachte Kritik, dass auch die Nachbearbeitung für die Berechnung der Höhe der Verwaltungsgebühr berücksichtigt worden sei, kann daher jedenfalls hinsichtlich der Wirksamkeit der Tarifstelle, die explizit eine Zeitgebühr vorsieht, keine Bedeutung entfalten und ist im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung der von dem Beklagten ermittelten Gebührenhöhe zu berücksichtigen. 66II. Auf der genannter Rechtsgrundlage sind die Gebührenbescheide formell und materiell rechtmäßig. 67Einwände gegen die formelle Rechtmäßigkeit sind weder vorgetragen noch ersichtlich. 68Die Gebührenbescheide sind auch materiell rechtmäßig. Die Gebühren werden – wie von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GebG NRW vorgeschrieben – für eine besondere öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit einer Behörde des Landes erhoben. 69Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeit in Form der Kontrolle der Schnittführung im Schlachtbetrieb der Klägerin bestehen nicht. Rechtsgrundlage für die Kontrolle der Schnittführung sind §§ 7, 11 FlG i. V. m. §§ 2 Abs. 2 Nr. 3, 13 der 1. FIGDV. Auf dieser Grundlage ist der Beklagte als die gemäß § 2 Nr. 9 ZustVOAgrar nach Landesrecht zuständige Behörde zur Überwachung der auf Grundlage des FlG erlassenen Rechtsverordnungen und zur Kontrolle in den Betrieben berechtigt. Dies umfasst auch die Kontrolle der Schnittführung. Der Begriff der „Schnittführung“ wird explizit im nationalen Recht in § 2 Abs. 3 der gemäß § 9 Abs. 2, 3 FlG erlassenen 1. FIGDV verwendet und wird für Schweineschlachtkörper in § 2 Abs. 2 Nr. 3 der 1. FIGDV durch konkrete Vorgaben für die Schlachtbetriebe konkretisiert. 70Die von dem Beklagten vorgenommene Amtshandlung in Form der Kontrolle der Schnittführung erfüllt auch den Gebührentatbestand der Tarifstelle 16a.8.6.1.1 AGT, da es sich um eine Kontrolle eines Schlachtbetriebs auf Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der korrekten Schlachtkörperaufmachung in Form der richtigen Schnittführung handelt. 71Auf dieser Rechtsgrundlage ist die Heranziehung der Klägerin als Gebührenschuldnerin nicht zu beanstanden. Der Schlachtbetrieb kann insoweit als Gebührenschuldner herangezogen werden, als die Kontrolle ihm i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. GebG NRW zurechenbar ist. 72Eine gebührenpflichtige Verursachung bzw. Veranlassung ist bereits dann anzunehmen, wenn sie über eine zwischen dem Betroffenen und der Behörde bestehende Sonderrechtsbeziehung vermittelt wird. Eine solche Sonderrechtsbeziehung ist nicht erst bzw. nicht nur gegeben, wenn der Betroffene ein antragsähnliches Verhalten zeigt oder gegen ihm obliegende gesetzliche Pflichten verstößt. Eine Sonderrechtsbeziehung liegt vielmehr auch dann vor, wenn der Betroffene innerhalb des ihm zugeordneten Pflichtenkreises eine Tätigkeit vornimmt, an die wegen damit verbundener Gefahren eine spezifische behördliche Überwachungs- und Kontrolltätigkeit anknüpft. 73Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14.01.2016 – 9 A 100/15 –, juris Rn. 16 f., und vom 13.11.2013 – 9 A 78/13 –, juris Rn. 9 f., m. w. N. auch zur Rechtsprechung des BVerwG. 74Dabei können einem Verantwortlichen stets nur solche Pflichten auferlegt werden, denen er im Hinblick auf seinen Verantwortungsbereich auch entsprechen kann. 75Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.04.2008 – 9A 691/05 –, juris Rn. 21, nachgehend: BVerwG, Beschluss vom 05.09.2008 – 9 B 43.08 –, juris Rn. 5. 76Die dem Gebührenbescheid zu Grunde liegende Kontrolle des Beklagten betrifft als Überprüfung der Schnittführung im Rahmen der Schweineschlachtung ausschließlich eigene Pflichten der Klägerin. Diese Pflichten sind unionsrechtlich und bundesrechtlich determiniert. 77Die hier gegenständliche Kontrolle der Schnittführung bezieht sich in diesem Kontext ausschließlich auf eigene Pflichten des Schlachtbetriebs. Insofern sieht insbesondere § 2 Abs. 1 der 1. FIGDV – ebenso aber § 2 Abs. 1 Satz 1 SchwHKlV – vor, dass die Schlachtbetriebe verpflichtet sind, das Schlachtgewicht nach der Schlachtung im Anschluss an die Fleischuntersuchung vor Beginn des Kühlprozesses feststellen zu lassen. Die hierbei von den Schlachthöfen vorzunehmende konkrete – und hier überprüfte – Schnittführung für Schweineschlachtkörper wird durch § 2 Abs. 2 Nr. 3 der 1. FIGDV bzw. § 1 SchwHKlV konkretisiert. Das Fleischrecht stellt hierzu klar, dass es sich bei der Schnittführung selbst gerade nicht um eine Verpflichtung des Klassifizierers handelt, denn die Klassifizierung ist gemäß § 2 Nr. 5 FlG als Einreihung von Schlachtkörpern in gesetzliche Handelsklassen definiert. Die vorherige Schlachtung einschließlich der Aufmachung liegt dagegen gerade im Verantwortungsbereich des Schlachtbetriebs, denn der Klassifizierer kategorisiert lediglich die Schlachtkörper. Schlachtkörper sind gemäß § 1 Nr. 2 FlG ganze, halbe und viertel Tierkörper von Schlachttieren, wobei Schlachttiere gemäß § 1 Nr. 1 FlG zum Schlachten bestimmte Rinder, Schweine und Schafe sind. 78Diese Pflichtenabgrenzung zwischen dem Schlachtbetrieb, der den Schlachtvorgang einschließlich der Schnittführung zu verantworten hat, und dem Klassifizierer, der die so aufgemachten Schlachtkörper kategorisiert, entspricht auch den unionsrechtlichen Vorgaben. Das Unionsrecht sieht insbesondere in den Art. 21 ff. VO (EG) 1249/2008 die Einstufung – was das europarechtliche Korrelat der Klassifizierung ist – von Schlachtkörpern vor, wobei Schlachtkörper gemäß Art. 1 Abs. 1 VO (EG) 1249/2008 i. V. m. Anhang V Teil B Abschnitt I der VO (EG) 1234/2007 den ganzen oder längs der Mittellinie geteilten Körper eines geschlachteten Schweines, ausgeblutet und ausgeweidet bezeichnet. Zwar war diese Verordnung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Kontrolle bereits außer Kraft, die Definition wurde jedoch durch die zum Zeitpunkt der Kontrolle maßgebliche VO (EU) 1308/2013 Anhang IV Teil B Abschnitt I übernommen. Auch hieraus ergibt sich, dass die Schlachtung einschließlich der Schnittführung vor der Einstufung bzw. Klassifizierung erfolgt, die sich gerade auf den bereits bearbeiteten Schlachtkörper bezieht. Eine Verantwortung auch des Klassifizierers besteht vor diesem Hintergrund für die Schnittführung nicht. Sie stellt sich als ausschließliche Pflicht des Schlachthofbetreibers dar. In Ansehung dieser klaren Vorgaben des höherrangigen Rechts ist nichts dafür ersichtlich, dass – so seitens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angedacht – die Vorgänge der Schnittführung und der Klassifizierung als einheitliche natürliche Handlung angesehen und auch (gebühren-)rechtlich einheitlich behandelt werden müssten. 79Die Gebührenerhebung ist auch der Höhe nach rechtmäßig. Sie wird von der Klägerin substantiiert nur hinsichtlich der Berücksichtigung der Zeit für die Nachbereitung angegriffen, die nach Ansicht der Klägerin nicht hätte berücksichtigt werden dürfen. 80Der Berücksichtigung des Zeitaufwandes für Vor- und Nachbereitung steht nicht entgegen, dass die Tarifstelle sich auf die „Kontrollen der Schlachtbetriebe" bezieht. Entgegen der Auffassung der Klägerin entbehrt die Semantik dieser Formulierung einer Aussage, dass ausschließlich die Zeit, die für die Amtshandlung vor Ort im Schlachtbetrieb verbracht wird, für die Gebührenbemessung berücksichtigt werden kann. 81Insoweit folgt die Kammer der Rechtsprechung des OVG NRW, nach der „keine Bedenken gegen die Einbeziehung des Verwaltungsaufwands für die Vor- und Nachbereitung einschließlich der ggf. erforderlichen behördeninternen Auswertung des vor Ort gefertigten Inspektionsberichts" bestehen und Vor- und Nachbereitung durchaus im Rahmen der § 3 Abs. 1 GebG NRW in die Kosten, die der Behörde in der Verwaltungspraxis bei Amtshandlungen dieser Art entstehen, berücksichtigt werden kann. 82Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.02.2017 – 9 A 2655/13 –, juris Rn. 83. 83Das referenzierte Urteil bezieht sich unmittelbar auf die Gestaltung von Rahmengebühren, ist jedoch inhaltlich auf die Anwendung von Zeitgebühren übertragbar, denn auch bei der Zeitgebühr ist Ausgangspunkt gemäß § 3 Abs. 1 GebG NRW der Verwaltungsaufwand, der im Fall von Kontrollen auch in deren Dokumentation und Nachbereitung besteht. 84Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. | die klage wird abgewiesen. die klägerin trägt die kosten des verfahrens. das urteil ist wegen der kosten vorläufig vollstreckbar. die klägerin darf die vollstreckung des beklagten gegen sicherheitsleistung in höhe von 110 % des aufgrund des urteils vollstreckbaren betrages abwenden, wenn nicht der beklagte vor der vollstreckung sicherheit in höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden betrages leistet. 1 | 2die beteiligten streiten über gebührenforderungen des beklagten für die durchführung von kontrollen im schlachtbetrieb der klägerin. 3die klägerin betreibt in i. -d. einen schlachtbetrieb und schlachtet dort nach den unwidersprochen gebliebenen angaben des beklagten im jahresdurchschnitt mehr als 500 schweine pro woche. der beklagte führte in dem schlachtbetrieb am 11.01.2018 sowie am 06.06.2018 kontrollen durch und überprüfte jeweils die „schnittführung von schweinen sb“. 4für die kontrollen machte der beklagte mit bescheid jeweils vom 11.12.2018 gegenüber der klägerin verwaltungsgebühren geltend. grundlage der berechnung waren hierbei die zeitaufwände der eingesetzten mitarbeiterin des beklagten für vor- und nachbereitung, fahrzeit und die kontrolltätigkeit selbst, wobei der beklagte einen stundensatz von 75,00 euro für die eingesetzte mitarbeiterin im gehobenen dienst zu grunde legte. daraus ergab sich für die kontrolle am 11.01.2018 eine gebühr in höhe von 300,00 euro sowie für die kontrolle vom 06.06.2018 eine gebühr in höhe von 243,75 euro. 5die klägerin hat am 15.01.2019 klage erhoben und ist der ansicht, der bescheid sei rechtswidrig. hierfür trägt sie im wesentlichen vor: die tarifstelle 16a.8.6.1.1 des allgemeinen gebührentarifs (agt) der allgemeinen verwaltungsgebührenordnung (avwgebo nrw) sei nichtig, weil sie nicht hinreichend bestimmt sei; die gebührenhöhe stehe auch in der neufassung der tarifstelle im ermessen der behörde, was sich vorliegend auch daran zeige, dass der beklagte auch die zeit für die nachbearbeitung für die gebührenhöhe berücksichtigt habe. die klägerin sei zudem nicht gebührenschuldnerin, da sie nicht adressatin der überwachung der schlachtkörperklassifizierung sei. zudem sei unionsrechtlich – jedenfalls durch die verordnung (eu) 652/2017 – die etwaige landesrechtliche kompetenz zur erhebung von gebühren für die hier gegenständliche kontrolle von schlachtbetrieben gesperrt. im übrigen nimmt die klägerin bezug auf das urteil des ovg nrw vom 14.02.2017 – 9 a 2655/13 – und macht sich die unter ziff. 2 der entscheidungsgründe dargestellten ausführungen zu eigen. 6die klägerin beantragt, 7die gebührenbescheide des beklagten vom 11.12.2018, az. 18/2389 (vorgangs-nr.: 10017993) sowie az. 18/3857 (vorgangs-nr.: 10017994), aufzuheben. 8der beklagte beantragt, 9die klage abzuweisen. 10er tritt der klage entgegen und trägt im wesentlichen vor: die klägerin sei gebührenschuldnerin. insbesondere verkenne sie, dass die dem bescheid zu grunde liegende neue tarifstelle 16a.8.6.1.1 agt sich gerade nicht auf die klassifizierung beziehe, sondern auf die schnittführung und damit eine kontrolle des schlachtbetriebs selbst zum gegenstand habe. die tarifstelle sei auch hinreichend bestimmt. sie umfasse im übrigen auch den aufwand für die vor- und nachbearbeitung. 11wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakte und der beigezogenen verwaltungsvorgänge bezug genommen. 12 | 13die zulässige anfechtungsklage ist nicht begründet. die angefochtenen bescheide sind rechtmäßig und verletzen die klägerin nicht in ihren rechten (vgl. § 113 abs. 1 satz 1 vwgo). 14rechtsgrundlage der angefochtenen bescheide sind §§ 1 abs. 1 nr. 1, 2 gebg nrw i. v. m. § 1 abs. 1 avwgebo nrw sowie der tarifstelle 16a.8.6.1.1 agt. 15maßgeblich ist gemäß § 11 abs. 1 satz 2 gebg nrw die bei der beendigung der amtshandlung geltende fassung der rechtsgrundlage. heranzuziehen ist demnach jeweils die tarifstelle in der zum zeitpunkt des abschlusses der jeweiligen kontrollen am 11.01.2018 sowie am 06.06.2018 geltenden fassung, wobei hierbei jeweils der abschluss der nachbereitung durch schriftliche abfassung des inspektionsberichts für die termine am 15.01.2018 bzw. am 07.06.2018 maßgeblich ist. 16die tarifstelle 16a.8.6.1 agt steht in dieser fassung unter der folgenden überschrift: 17„16a.8 18amtshandlungen nach 19- der verordnung (eu) nr. 1308/2013 des europäischen parlaments und des rates vom 17. dezember 2013 über eine gemeinsame marktorganisation für landwirtschaftliche erzeugnisse und zur aufhebung der verordnungen (ewg) nr. 922/72, (ewg) nr. 234/79, (eg) nr. 1037/2001 und (eg) nr. 1234/2007 (abl. l 347 vom 20.12.2013, s. 671) in der jeweils geltenden fassung 20in verbindung mit der verordnung (eg) nr. 1249/2008 der kommission vom 10. dezember 2008 mit durchführungsbestimmungen zu den gemeinschaftlichen handelsklassenschemata für schlachtkörper von rindern, schweinen und schafen und zur feststellung der diesbezüglichen preise (abl. l 337 vom 16.12.2008, s. 3) in der jeweils geltenden fassung, 21- der verordnung (eg) nr. 566/2008 der kommission vom 18. juni 2008 mit durchführungsbestimmungen zur verordnung (eg) nr. 1234/2007 des rates in bezug auf die vermarktung von fleisch von bis zu zwölf monate alten rindern (abl. l 160 vom 19.6.2006, s. 22) in der jeweils geltenden fassung, 22- dem fleischgesetz vom 9. april 2008 (bgbl. i s. 714, 1025) in der jeweils geltenden fassung 23in verbindung mit der 2. fleischgesetz-durchführungsverordnung (2. figdv) vom 12. november 2008 (bgbl. i s. 2186, 2189) in der jeweils geltenden fassung und weiterer zum fleischgesetz erlassenen verordnungen, 24- dem handelsklassengesetz in der fassung der bekanntmachung vom 23. november 1972 (bgbl. i s. 2201) in der jeweils geltenden fassung 25in verbindung mit der verordnung über gesetzliche handelsklassen für schaffleisch vom 21. juni 1993 (bgbl. i s. 993) und der schweineschlachtkörper-handelsklassenverordnung in der fassung der bekanntmachung vom 16. august 1990 (bgbl. i s. 1809) in den jeweils geltenden fassungen sowie 26- der rinderschlachtkörper-handelsklassenverordnung vom 12. november 2008 (bgbl. i s. 2186, 2196) in der jeweils geltenden fassung“. 27die hier maßgeblichen tarifstellen lauten: 28„16a.8.6 29überwachung in den schlachtbetrieben 3016a.8.6.1 31regelkontrollen 3216a.8.6.1.1 33kontrollen der schlachtbetriebe auf einhaltung der gesetzlichen bestimmungen hinsichtlich der korrekten schlachtkörperaufmachung, kennzeichnung von schlachtkörpern (mit ausnahme des klassifizierungsergebnisses), bereitstellung einwandfreier technischer einrichtungen (zum beispiel waage, klassifizierungsgeräte), preismeldung und informationsweitergabe an lieferanten und klassifizierungsunternehmen. 34gebühr: je nach zeitaufwand nach der tarifstelle 16a.0.1 3516a.8.6.1.2 36kontrollen der in den schlachtbetrieben tätigen klassifizierungsunternehmen auf einhaltung der gesetzlichen bestimmungen hinsichtlich der korrekten klassifizierung und verwiegung von schlachtkörpern, des betriebs der technischen einrichtungen (waage, klassifizierungsgeräte) und der jeweiligen dokumentation. 37gebühr: je nach zeitaufwand nach der tarifstelle 16a.0.1". 38die tarifstelle 16a.8.6.1.1 agt ist mit höherrangigem recht vereinbar (i.) und die gebührenbescheide sind auf dieser rechtsgrundlage formell und materiell rechtmäßig (ii.). 39i. soweit die klägerin die rechtsgrundlage unter verweis auf das urteil des ovg nrw vom 14.02.2017 – 9 a 2655/13 – für nichtig hält, können die seinerzeit vom ovg nrw festgestellten mängel der damaligen tarifstelle keine nichtigkeit für die zwischenzeitlich angepasste hier maßgebliche fassung der tarifstelle begründen. die tarifstelle verstößt nicht gegen unions- oder bundesrecht (1.), ist hinreichend bestimmt (2.) und verstößt als zeitgebühr nunmehr nicht mehr gegen § 3 abs. 1 gebg nrw (3.). 401. es ist dem landesgesetzgeber weder aufgrund von unionsrechtlichen (a) noch aufgrund von bundesrechtlichen (b) vorschriften verwehrt, für die kontrolle der schlachtbetriebe nach dem fleischgesetz gebühren vorzusehen. 41a) eine europäische regelung der gebühren für die vorgenommenen kontrollen, die einer nationalen regelung entgegenstehen könnte, besteht nicht. die – für die hier durchgeführten kontrollen zeitlich anwendbare – durchführungsverordnung (eg) 1249/2008 und die ihr zu grunde liegende vo (eg) 1234/2007 enthalten keine regelung zu den kosten der kontrollen. dass die eg-verordnungen keine regelung der gebühren vorsehen, hindert den nationalen gesetzgeber nicht, eine solche regelung einzuführen. denn aus dem umstand, dass in den gemeinschaftlichen vorschriften keine kostentragungspflicht geregelt ist, kann nicht gefolgert werden, dass dem nationalen gesetzgeber eine gebührenerhebung untersagt ist. 42vgl. vg osnabrück, urteil vom 22.03.2019 – 3 a 204/17 –, seite 6 des urteilsabdrucks, n. v.; vg minden, urteil vom 15.05.2013 – 3 k 2023/12 –, juris rn. 14 ff. mit verweis auf ovg rheinland-pfalz, urteil vom 22.03.2005 – 12 a 1009/05 –, juris rn. 25. 43an diesem grundsatz ändert auch das in der mündlichen verhandlung ergänzte vorbringen der klägerin nichts, dass die verordnung (eu) 652/2017 nunmehr abschließenden und landesrechtliche gebühren ausschließenden charakter habe. diese verordnung war zum hier maßgeblichen zeitpunkt der beendigung der die gebührenpflicht auslösenden amtshandlung insoweit noch gar nicht anwendbar, als sie gemäß art. 167 abs. 1 satz 2 vo (eu) 652/17 erst seit dem 14.12.2019 gilt und die ausnahmetatbestände von art. 167 abs. 3 und 4 vo (eu) 652/17 vorliegend nicht einschlägig sind. 44die verordnung kann einer gebührenerhebung für die hier gegenständlichen kontrollen von schlachthöfen zudem auch deshalb nicht entgegenstehen, weil sie auf kontrollen von schlachtbetrieben im hinblick auf die schnittführung nicht anwendbar ist. diese kontrollen sind gerade von den regelungen der verordnung (eu) 652/2017 ausgenommen. die kontrolle von schlachtbetrieben wurde unionsrechtlich nämlich jedenfalls zum hier maßgeblichen zeitpunkt im januar bzw. juni 2018 durch die vo (eg) 1249/2008 geregelt, die gerade in art. 24 vo (eg) 1249/2008 die kontrolle der „einstufung“ vorsieht. die vo (eg) 1249/2008 war eine durchführungsverordnung, die hinsichtlich der schlachtkörperaufmachung auf grundlage von art. 43 vo (eg) 1234/2007 erlassen wurde. die vo (eg) 1234/2007 trat gemäß art. 230 abs. 1 vo (eu) 1308/2013 zum 31.12.2013 außer kraft und wurde durch die vo (eu) 1308/2013 ersetzt, die nunmehr auch für die aufmachung von schweineschlachtkörpern maßgeblich ist. die kontrollen zur einhaltung dieser verordnung sollen jedoch von der vo (eu) 652/2017 gerade unberührt bleiben, da diese insoweit in ihrem erwägungsgrund 22 vorsieht, dass das hinsichtlich der vo (eu) 1308/2013 etablierte kontrollregime unberührt bleiben soll: 45„die überprüfung der einhaltung der vorschriften über die gemeinsame organisation der märkte für landwirtschaftliche erzeugnisse (…) wird bereits mithilfe eines gut eingeführten und spezifischen kontrollsystems überprüft. diese verordnung sollte daher nicht für die überprüfung der einhaltung der verordnung (eu) nr. 1308/2013 des europäischen parlaments und des rates gelten, die die gemeinsame marktorganisation für landwirtschaftliche erzeugnisse betrifft, mit der ausnahme von fällen, in denen kontrollen im zusammenhang mit vermarktungsnormen gemäß der verordnung (eu) nr. 1306/2013 des europäischen parlaments und des rates auf mögliche fälle betrügerischer oder irreführender praktiken hindeuten.“ 46da es sich vorliegend um eine kontrolle des schlachtbetriebs im hinblick auf die einhaltung der regelungen zur schnittführung handelt und nicht um fälle, „in denen kontrollen im zusammenhang mit vermarktungsnormen gemäß der verordnung (eu) nr. 1306/2013 des europäischen parlaments und des rates auf mögliche fälle betrügerischer oder irreführender praktiken hindeuten“ ist die vorliegende schlachtbetriebskontrolle dem anwendungsbereich der von der klägerin angeführten verordnung bereits aus deren erwägungsgründen entzogen. 47b) das land nordrhein-westfalen ist nicht durch bundesrechtliche regelungen gehindert, gebühren für kontrollhandlungen gemäß §§ 7, 11 flg i. v. m. § 2 abs. 2 nr. 3 der verordnung über die preismeldung bei schlachtkörpern und deren kennzeichnung (1. fleischgesetz-durchführungsverordnung – 1. figdv –) zu erheben. die erhebung von gebühren für kontrollen in schlachtbetrieben fällt in die gesetzgebungskompetenz der länder. die zuständigkeit für den erlass von gebührenregelungen folgt der zuständigkeit der länder für die ausgestaltung des verwaltungsverfahrens. 48vgl. ovg nrw, urteil vom 14.02.2017 – 9 a 2655/13 –, juris rn. 40 mit verweis auf bverwg, urteil vom 25.08.1999 – 8 c 12.98 –, juris rn. 29. 49für den anwendungsbereich des fleischgesetzes regelt demgemäß § 14 abs. 2 flg eine verordnungsermächtigung für den erlass von gebührenregelungen zugunsten des zuständigen bundesministeriums nur soweit es um verwaltungshandlungen der bundesanstalt für landwirtschaft und ernährung nach den §§ 3 und 6 abs. 1 und 3 flg geht, d. h. um die zulassung von klassifizierungsunternehmen sowie um den widerruf und die rücknahme der zulassung (vgl. § 7 abs. 2 flg). soweit danach keine zuständigkeit des bundes besteht, sind die länder für die durchführung des fleischgesetzes und die überwachung der einhaltung der bestimmungen des gesetzes und der aufgrund des fleischgesetzes erlassenen rechtsverordnungen zuständig (art. 83 gg, § 7 abs. 1 flg). sie regeln dann auch das verwaltungsverfahren (art. 84 abs. 1 satz 1 gg). 50vgl. ovg nrw, urteil vom 14.02.2017 – 9 a 2655/13 –, juris rn. 38 - 41. 512. die tarifstelle ist hinreichend bestimmt. das aus dem rechtsstaatsprinzip herzuleitende bestimmtheitsgebot verlangt vom normgeber, die rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der eigenart der zu ordnenden sachverhalte mit rücksicht auf den normzweck möglich ist. die auslegungsbedürftigkeit einer regelung des abgabenrechts nimmt ihr noch nicht die verfassungsrechtlich gebotene bestimmtheit. der gebührenpflichtige muss aber erkennen können, für welche öffentliche leistung die gebühr erhoben wird und welche zwecke der gesetzgeber mit der gebührenerhebung verfolgt. grundrechtsrelevante vorschriften müssen in ihren voraussetzungen und ihrem inhalt so klar formuliert sein, dass die rechtslage für den betroffenen erkennbar ist und er sein verhalten danach einrichten kann. 52vgl. ovg nrw, urteil vom 14.02.2017 – 9 a 2655/13 –, juris rn. 51 f. mit verweis auf bverwg, urteil vom 12.07.2006 – 10 c 9.05 –, juris rn. 29 f., m. w. n. zur rspr. des bverfg; zum bestimmtheitsgebot vgl. auch nds. ovg, urteil vom 20.11.2014 – 13 lb 54/12 –, juris rn. 78. 53mit blick auf das bestimmtheitsgebot bedarf es daher einer abgrenzung gebührenpflichtiger überwachungsmaßnahmen gegen die unübersehbare vielzahl von überwachungs-, kontroll- und prüfungsmaßnahmen, zu denen sich der staat aus guten gründen für veranlasst hält. das bestimmtheitserfordernis dient auch dazu, der möglichkeit einer rechtlich nicht hinreichend überprüfbaren willkürlichen handhabung entgegenzuwirken. 54vgl. ovg nrw, urteil vom 14.02.2017 – 9 a 2655/13 –, juris rn. 53 f., mit verweis auf ovg nrw, urteil vom 01.02.1989 – 9 a 1252/88 –, juris rn. 20, nachgehend: bverwg, beschluss vom 25.09.1989 – 8 b 95.89 –, juris rn. 6. 55aus dem bestimmtheitserfordernis folgt zugleich, dass abgaben begründende tatbestände so konkret zu fassen sind, dass der abgabenpflichtige die auf ihn entfallende abgabelast im voraus bestimmen kann. 56vgl. ovg nrw, urteil vom 14.02.2017 – 9 a 2655/13 –, juris rn. 55 f., mit hinweis auf ovg rh.-pf., urteil vom 22.03.2005 – 12 a 10092/05 –, juris rn. 24. 57danach bedürfen verwaltungsgebühren für überwachungsmaßnahmen, deren ergebnis zu keinen beanstandungen, d. h. zu keinen (ordnungs-)behördlichen maßnahmen geführt hat, einer gesetzlichen grundlage, aus der sich die zurechenbarkeit der verwaltungsmaßnahmen zu einem gebührenschuldner ergibt. 58vgl. ovg nrw, urteil vom 14.02.2017 – 9 a 2655/13 –, juris rn. 57 f., mit hinweis auf bverwg, urteil vom 24.08.1990 – 8 c 73.88 –, juris rn. 12. 59im gegensatz zur früheren und im bezeichneten urteil des ovg nrw vom 14.02.2017 für nichtig erklärten fassung der hier maßgeblichen tarifstelle, unterscheiden die für die rechtmäßigkeit der vorliegenden bescheide maßgeblichen tarifstellen nunmehr ausdrücklich zwischen der kontrolle der schlachtbetriebe selbst (tarifstelle 16a.8.6.1.1 agt: den „kontrollen der schlachtbetriebe [...] mit ausnahme des klassifizierungsergebnisses") und der kontrolle der in den schlachtbetrieben eingesetzten klassifizierungsunternehmen (tarifstelle 16a.8.6.1.2 agt). 60soweit das ovg nrw seinerzeit eine „wenig trennscharfe abgrenzung der beiden 61tarifstellen" bemängelt hat, 62vgl. ovg nrw, urteil vom 14.02.2017 – 9 a 2655/13 –, juris rn. 62, 63ist hierzu festzustellen, dass diese kritik an der bestimmtheit der tarifstelle im hinblick auf die hier maßgebliche fassung überholt ist, da für den abgabenpflichtigen ohne weiteres erkennbar ist, im rahmen welcher tarifstelle er entweder als schlachthofbetreiber oder als klassifizierungsunternehmen in anspruch genommen wird. 643. auch ein verstoß gegen § 3 abs. 1 gebg nrw ist in der vorliegend einschlägigen fassung der tarifstelle nicht mehr festzustellen. soweit das ovg nrw diesbezüglich seinerzeit die vom verordnungsgeber geschaffene rahmengebühr verworfen hat, steht dies der vorliegend anwendbaren tarifstelle nicht entgegen, da diese nunmehr eine zeitgebühr vorsieht. 65soweit die klägerin die ansicht vertritt, die gebühr liege trotz der ausgestaltung als zeitgebühr weiterhin im ermessen der behörde, weil diese auch die nachbearbeitung für die ermittlung des gebührenpflichtigen zeitaufwandes berücksichtigt habe, die tarifstelle aber nur eine „kontrolle der schlachtbetriebe" vorsehe, stellt dies die rechtmäßigkeit der tarifstelle nicht in frage, denn die tarifstelle sieht gerade eine zeitgebühr vor. die von der klägerin vorgebrachte kritik, dass auch die nachbearbeitung für die berechnung der höhe der verwaltungsgebühr berücksichtigt worden sei, kann daher jedenfalls hinsichtlich der wirksamkeit der tarifstelle, die explizit eine zeitgebühr vorsieht, keine bedeutung entfalten und ist im rahmen der rechtmäßigkeitsprüfung der von dem beklagten ermittelten gebührenhöhe zu berücksichtigen. 66ii. auf der genannter rechtsgrundlage sind die gebührenbescheide formell und materiell rechtmäßig. 67einwände gegen die formelle rechtmäßigkeit sind weder vorgetragen noch ersichtlich. 68die gebührenbescheide sind auch materiell rechtmäßig. die gebühren werden – wie von § 1 abs. 1 nr. 1 gebg nrw vorgeschrieben – für eine besondere öffentlich-rechtliche verwaltungstätigkeit einer behörde des landes erhoben. 69bedenken gegen die rechtmäßigkeit der öffentlich-rechtlichen verwaltungstätigkeit in form der kontrolle der schnittführung im schlachtbetrieb der klägerin bestehen nicht. rechtsgrundlage für die kontrolle der schnittführung sind §§ 7, 11 flg i. v. m. §§ 2 abs. 2 nr. 3, 13 der 1. figdv. auf dieser grundlage ist der beklagte als die gemäß § 2 nr. 9 zustvoagrar nach landesrecht zuständige behörde zur überwachung der auf grundlage des flg erlassenen rechtsverordnungen und zur kontrolle in den betrieben berechtigt. dies umfasst auch die kontrolle der schnittführung. der begriff der „schnittführung“ wird explizit im nationalen recht in § 2 abs. 3 der gemäß § 9 abs. 2, 3 flg erlassenen 1. figdv verwendet und wird für schweineschlachtkörper in § 2 abs. 2 nr. 3 der 1. figdv durch konkrete vorgaben für die schlachtbetriebe konkretisiert. 70die von dem beklagten vorgenommene amtshandlung in form der kontrolle der schnittführung erfüllt auch den gebührentatbestand der tarifstelle 16a.8.6.1.1 agt, da es sich um eine kontrolle eines schlachtbetriebs auf einhaltung der gesetzlichen bestimmungen hinsichtlich der korrekten schlachtkörperaufmachung in form der richtigen schnittführung handelt. 71auf dieser rechtsgrundlage ist die heranziehung der klägerin als gebührenschuldnerin nicht zu beanstanden. der schlachtbetrieb kann insoweit als gebührenschuldner herangezogen werden, als die kontrolle ihm i. s. d. § 13 abs. 1 nr. 1 1. alt. gebg nrw zurechenbar ist. 72eine gebührenpflichtige verursachung bzw. veranlassung ist bereits dann anzunehmen, wenn sie über eine zwischen dem betroffenen und der behörde bestehende sonderrechtsbeziehung vermittelt wird. eine solche sonderrechtsbeziehung ist nicht erst bzw. nicht nur gegeben, wenn der betroffene ein antragsähnliches verhalten zeigt oder gegen ihm obliegende gesetzliche pflichten verstößt. eine sonderrechtsbeziehung liegt vielmehr auch dann vor, wenn der betroffene innerhalb des ihm zugeordneten pflichtenkreises eine tätigkeit vornimmt, an die wegen damit verbundener gefahren eine spezifische behördliche überwachungs- und kontrolltätigkeit anknüpft. 73vgl. ovg nrw, beschlüsse vom 14.01.2016 – 9 a 100/15 –, juris rn. 16 f., und vom 13.11.2013 – 9 a 78/13 –, juris rn. 9 f., m. w. n. auch zur rechtsprechung des bverwg. 74dabei können einem verantwortlichen stets nur solche pflichten auferlegt werden, denen er im hinblick auf seinen verantwortungsbereich auch entsprechen kann. 75vgl. ovg nrw, beschluss vom 17.04.2008 – 9a 691/05 –, juris rn. 21, nachgehend: bverwg, beschluss vom 05.09.2008 – 9 b 43.08 –, juris rn. 5. 76die dem gebührenbescheid zu grunde liegende kontrolle des beklagten betrifft als überprüfung der schnittführung im rahmen der schweineschlachtung ausschließlich eigene pflichten der klägerin. diese pflichten sind unionsrechtlich und bundesrechtlich determiniert. 77die hier gegenständliche kontrolle der schnittführung bezieht sich in diesem kontext ausschließlich auf eigene pflichten des schlachtbetriebs. insofern sieht insbesondere § 2 abs. 1 der 1. figdv – ebenso aber § 2 abs. 1 satz 1 schwhklv – vor, dass die schlachtbetriebe verpflichtet sind, das schlachtgewicht nach der schlachtung im anschluss an die fleischuntersuchung vor beginn des kühlprozesses feststellen zu lassen. die hierbei von den schlachthöfen vorzunehmende konkrete – und hier überprüfte – schnittführung für schweineschlachtkörper wird durch § 2 abs. 2 nr. 3 der 1. figdv bzw. § 1 schwhklv konkretisiert. das fleischrecht stellt hierzu klar, dass es sich bei der schnittführung selbst gerade nicht um eine verpflichtung des klassifizierers handelt, denn die klassifizierung ist gemäß § 2 nr. 5 flg als einreihung von schlachtkörpern in gesetzliche handelsklassen definiert. die vorherige schlachtung einschließlich der aufmachung liegt dagegen gerade im verantwortungsbereich des schlachtbetriebs, denn der klassifizierer kategorisiert lediglich die schlachtkörper. schlachtkörper sind gemäß § 1 nr. 2 flg ganze, halbe und viertel tierkörper von schlachttieren, wobei schlachttiere gemäß § 1 nr. 1 flg zum schlachten bestimmte rinder, schweine und schafe sind. 78diese pflichtenabgrenzung zwischen dem schlachtbetrieb, der den schlachtvorgang einschließlich der schnittführung zu verantworten hat, und dem klassifizierer, der die so aufgemachten schlachtkörper kategorisiert, entspricht auch den unionsrechtlichen vorgaben. das unionsrecht sieht insbesondere in den art. 21 ff. vo (eg) 1249/2008 die einstufung – was das europarechtliche korrelat der klassifizierung ist – von schlachtkörpern vor, wobei schlachtkörper gemäß art. 1 abs. 1 vo (eg) 1249/2008 i. v. m. anhang v teil b abschnitt i der vo (eg) 1234/2007 den ganzen oder längs der mittellinie geteilten körper eines geschlachteten schweines, ausgeblutet und ausgeweidet bezeichnet. zwar war diese verordnung zum maßgeblichen zeitpunkt der kontrolle bereits außer kraft, die definition wurde jedoch durch die zum zeitpunkt der kontrolle maßgebliche vo (eu) 1308/2013 anhang iv teil b abschnitt i übernommen. auch hieraus ergibt sich, dass die schlachtung einschließlich der schnittführung vor der einstufung bzw. klassifizierung erfolgt, die sich gerade auf den bereits bearbeiteten schlachtkörper bezieht. eine verantwortung auch des klassifizierers besteht vor diesem hintergrund für die schnittführung nicht. sie stellt sich als ausschließliche pflicht des schlachthofbetreibers dar. in ansehung dieser klaren vorgaben des höherrangigen rechts ist nichts dafür ersichtlich, dass – so seitens der klägerin in der mündlichen verhandlung angedacht – die vorgänge der schnittführung und der klassifizierung als einheitliche natürliche handlung angesehen und auch (gebühren-)rechtlich einheitlich behandelt werden müssten. 79die gebührenerhebung ist auch der höhe nach rechtmäßig. sie wird von der klägerin substantiiert nur hinsichtlich der berücksichtigung der zeit für die nachbereitung angegriffen, die nach ansicht der klägerin nicht hätte berücksichtigt werden dürfen. 80der berücksichtigung des zeitaufwandes für vor- und nachbereitung steht nicht entgegen, dass die tarifstelle sich auf die „kontrollen der schlachtbetriebe" bezieht. entgegen der auffassung der klägerin entbehrt die semantik dieser formulierung einer aussage, dass ausschließlich die zeit, die für die amtshandlung vor ort im schlachtbetrieb verbracht wird, für die gebührenbemessung berücksichtigt werden kann. 81insoweit folgt die kammer der rechtsprechung des ovg nrw, nach der „keine bedenken gegen die einbeziehung des verwaltungsaufwands für die vor- und nachbereitung einschließlich der ggf. erforderlichen behördeninternen auswertung des vor ort gefertigten inspektionsberichts" bestehen und vor- und nachbereitung durchaus im rahmen der § 3 abs. 1 gebg nrw in die kosten, die der behörde in der verwaltungspraxis bei amtshandlungen dieser art entstehen, berücksichtigt werden kann. 82vgl. ovg nrw, urteil vom 14.02.2017 – 9 a 2655/13 –, juris rn. 83. 83das referenzierte urteil bezieht sich unmittelbar auf die gestaltung von rahmengebühren, ist jedoch inhaltlich auf die anwendung von zeitgebühren übertragbar, denn auch bei der zeitgebühr ist ausgangspunkt gemäß § 3 abs. 1 gebg nrw der verwaltungsaufwand, der im fall von kontrollen auch in deren dokumentation und nachbereitung besteht. 84die kostenentscheidung folgt aus § 154 abs. 1 vwgo. die entscheidung über die vorläufige vollstreckbarkeit folgt aus § 167 vwgo i. v. m. §§ 708 nr. 11, 711 zpo. | Verklagte*r | 0 |
171,931 | S 13 KR 401/13 | 2014-08-19T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Der Streitwert wird auf 13.788,25 EUR festgesetzt. Die Sprungrevision wird zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, im Rahmen der Vergütung für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel, die der Kläger im Jahre 2009 an Versicherte der Krankenkasse abgegeben hat, einen Abschlag (sog. Apothekenrabatt) von 1,75 EUR je Packung einzubehalten. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von 13.788,25 EUR als Restvergütung für die Abgabe von 7.879 Arzneimittelpackungen. 3Der Kläger ist (und war im Jahre 2009) selbstständiger Apotheker und Inhaber der "F.-Apotheke". Über das von ihm beauftragte Rechenzentrum (RZ) in E. stellte er der Beklagten die im Jahre 2009 an deren Versicherte abgegebenen Fertigarzneimittel in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnungen jeweils binnen zehn Tagen nach Eingang unter Berücksichtigung des damals geltenden Apothekenabschlags gem. § 130 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Höhe von 2,30 EUR je verschreibungspflichtigem Arzneimittel; sie behielt für 7.895 vom Kläger gelieferte Packungen einen Apothekenrabatt von insgesamt 18.158,50 EUR ein. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die seinerzeit für 2009 abgerechnete Vergütung entsprechend der damals geltenden Apothekenabschlagsregelung gezahlt worden ist. 4Bereits im September 2008 hatten der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und der Deutsche Apothekerverband (DAV) Verhandlungen über die Anpassung des Apothekenabschlags für 2009 aufgenommen. Nachdem eine im Oktober 2008 erzielte Einigung der Verhandlungskommissionen von den Gremien des GKV-Spitzenverbandes abgelehnt worden war, beantragte der DAV am 14.07.2009 die Einleitung eines Schiedsverfahrens. Am 21.12.2009 entschied die nach § 129 Abs. 8 SGB V gebildete gemeinsame Schiedsstelle: "Der Apothekenabschlag nach § 130 Abs. 1 SGB V wird mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 auf 1,75 EUR festgesetzt." 5Gegen diese Schiedsstellenentscheidung erhob der GKV-Spitzenverband Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin (S 13 KR 135/10); diese Klage wurde später aufgrund einer am 20.06.2013 zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem DAV getroffenen Vereinbarung zurückgenommen. In einem parallel anhängigen Eilverfahren ordnete das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg durch Beschluss vom 05.05.2010 (L 1 KR 51/10 B ER) die sofortige Vollziehung der Entscheidung der Schiedsstelle vom 21.12.2009 an. 6Noch am selben Tag (Rechnungsdatum: 05.05.2010) stellte das RZ der Beklagten in zwei Sammelrechnungen für zahlreiche Apotheken für 3.091.704 im Jahre 2009 abgegebene Arzneimittelpackungen die Differenz von 2,30 EUR einbehaltenem Apothekenabschlag (alt) und 1,75 EUR festgesetztem Apothekenabschlag (neu), also 0,55 EUR je abgegebener Packung in Rechnung; konkret für den Kläger berechnete das RZ für 7.895 Packungen 4.342,25 EUR. Die Rechnungen vom 05.05.2010 gingen am 18.05.2010 bei der Beklagten ein. Am 29.07.2010 erhielt das RZ (u.a.) die geforderten und auf die Apotheke des Klägers entfallenden 4.342,25 EUR. 7Am 19.12.2013 hat der Kläger Klage auf Zahlung weiterer 13.788,25 EUR erhoben. Er ist der Auffassung, durch die Schiedsstellenentscheidung vom 21.12.2009 und deren am 05.05.2010 angeordnete sofortige Vollziehung sei rückwirkend ab 01.01.2009 ein Anspruch auf Auszahlung des Vergütungsanteils entstanden, welcher sich aus der Multiplikation des Differenzbetrages zwischen dem ursprünglichen Rabatt von 2,30 EUR und dem durch Schiedsspruch festgelegten Rabatt von 1,75 EUR mit der Anzahl der abgegebenen und abgerechneten verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel ergebe. Grundlage der Klageforderung sei der Vergütungsanspruch aus der Versorgung von Versicherten der Beklagten im Jahre 2009. Der Kläger meint, er könne über die aufgrund der Schiedsstellenentscheidung nachgezahlte Abschlagsdifferenz von 0,55 EUR je Packung hinaus weitere 1,75 EUR je Packung beanspruchen. Er hat allerdings die Klageforderung auf 13.788,25 EUR (für 7.879 Packungen á 1,75 EUR anstatt 13.816,25 EUR für die seinerzeit abgerechneten 7.895 Packungen) begrenzt. Die Beklagte habe die Rechnung des RZ über die nachzuzahlenden 0,55 EUR je relevanter Packung nicht innerhalb von zehn Tagen nach Eingang bei ihr beglichen, wie § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V dies als Bedingung für die Gewährung des Apothekenabschlags durch die Apotheker fordere. Der Kläger ist weiter der Auffassung, die Rechnungen des RZ vom 05.05.2010 seien ordnungsgemäße Rechnungen im Sinne von § 130 SGB V. Bereits bei der ursprünglichen Abrechnung seien der Beklagten durch das RZ alle relevanten Daten mitgeteilt worden; die damaligen Rechnungen des RZ seien unbeanstandet beglichen worden. Nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Schiedsstellenentscheidung hätte es eigentlich keiner Nacherhebung seitens des RZ bedurft. Denn die Beklagte hätte aus den ihr vorliegenden Datensätzen unschwer den für 2009 nachzuzahlenden Betrag für jeden Apotheker errechnen können. Allerdings habe er der Beklagten eine Rechnung über die 0,55 EUR pro Packung geschuldet, weil diese bis dahin nicht in Rechnung gestellt worden seien. Die jeweiligen Monatsrechnungen des RZ für das Jahr 2009 hätten als Saldo den Rechnungsbetrag nach Abzug der Zwangsrabatte enthalten. Der Kläger behauptet, dass die Krankenkassen "vom Start weg die gesetzlich vorgesehene und überfällige Herabsetzung des Zwangsabschlags verschleppt" hätten und dass auch nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Schiedsspruchs durch das LSG Berlin-Brandenburg "die Kassen zockten mit der Absicht der Verlängerung der Zinsvorteile"; er meint, der Beklagten dürfe der "illegal erlangte Zinsvorteil" nicht belassen werden. 8Der Kläger beantragt, 9die Beklagte zu verurteilen, ihm 13.788,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 19.12.2013 zu zahlen. 10Die Beklagte beantragt, 11die Klage abzuweisen. 12Sie hat die beiden Rechnung des RZ vom 05.05.2010 auszugsweise vorgelegt und sowohl die darauf zu Gunsten des Klägers erfolgte Zahlung als auch den vom Kläger bzw. dessen RZ mitgeteilten Zeitpunkt der Zahlung durch ihren Dienstleister (29.07.2010) unstreitig gestellt. Sie ist der Auffassung, dass § 130 Abs. 3 SGB V für den Sonderfall der Abwicklung der Nachberechnung des Anspruchs nicht anwendbar sei. Dies zeige sich beispielhaft daran, dass die auf Grund der veränderten Rabatthöhe geltend gemachte Nachforderungen ungekürzt zu zahlen gewesen seien, somit keine Skontoabrede und kein Gegenseitigkeitsverhältnis bestanden habe und es damit an einer Vergleichbarkeit der Nachforderungen mit den von § 130 Abs. 3 SGB V erfassten Abrechnungen für die Abgabe von Arzneimitteln fehle. Auch in dem einschlägigen Rahmenvertrag nach § 129 SGB V finde sich keine Regelung zur vorliegenden Konstellation. 13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen. 14Entscheidungsgründe: 15Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil sich die Beteiligten in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüber stehen, das gleichzeitig eine (einseitig) hoheitliche Regelung der handelnden Behörde durch Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten – und damit eine Klage nach § 54 Abs. 4 SGG – ausschließt (BSG, Urteil vom 03.08.2006 – B 3 KR 7/06 R). 16Die Klage ist jedoch nicht begründet. 17Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 13.788,25 EUR als Vergütung für die Abgabe von 7.879 Fertigarzneimitteln an Versicherte der Beklagten im Jahre 2009. Denn die Beklagte hat den Vergütungsanspruch vollständig erfüllt. 18Der Anspruch des Klägers auf Vergütung der von ihm im Jahre 2009 an Versicherte der Beklagten abgegebenen (Fertig)Arzneimittel ergibt sich aus § 129 SGB V i.V.m. dem zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband e.V. geschlossenen "Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V" vom 17.01.2008 (im Folgenden: Rahmenvertrag) und dem zwischen den Apothekerverbänden Nordrhein e.V. sowie Westfalen-Lippe e.V. und den gesetzlichen Krankenkassen nach § 129 Abs. 5 Satz 1 SGB V geschlossenen Arzneimittellieferungsvertrag für Nordrhein-Westfalen (ALV NW) vom 24.11.2008. § 129 SGB V begründet im Zusammenspiel mit den vertraglichen Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung für die Apotheken zur Abgabe von vertragsärztlich verordneten Arzneimitteln an die Versicherten gesetzlicher Krankenkassen (BSG, Urteile vom 17.12.2009 – B 3 KR 13/08 R – und vom 28.09.2010 – B 1 KR 3/10 R). Durch die Annahme einer ordnungsgemäßen gültigen vertragsärztlichen Verordnung kommt ein Vertrag zwischen Krankenkasse und Apotheke zustande (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Rahmenvertrag). 19Nach § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V i.V.m. § 8 Satz 1 des Rahmenvertrages sind die Apotheken bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte verpflichtet, den für den Tag der Abgabe geltenden Apothekenabgabepreis zu berechnen und grundsätzlich anzugeben. Für Fertigarzneimittel, die zur Anwendung beim Menschen bestimmt sind, errechnet sich der Apothekenabgabepreis für 2009 aus dem bei Belieferung des Großhandels geltenden Abgabepreisen des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer zuzüglich des darauf entfallenden Großhandelshöchstzuschlags (Netto-Einkaufspreis) plus einem Festzuschlag von 3 %, einem weiteren Zuschlag von 8,10 EUR sowie der Umsatzsteuer (§ 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 der Arzneimittelpreisverordnung – AMPreisV – in den beiden für das Abrechnungsjahr 2009 maßgeblichen vom 01.07.2008 bis 31.12.2010 geltenden Fassungen). Da die Apothekenzuschläge gemäß § 3 AMPreisV für "Fertigarzneimittel", das sind nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 AMPreisV "Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden", erhoben werden, entstehen sie für jede abgegebene Packung. 20Für die Abgabe eines Fertigarzneimittels steht den Apothekern grundsätzlich eine Vergütung in Höhe des für den Versicherten maßgeblichen Arzneimittelabgabepreises zu. Auf diesen erhalten die Krankenkassen von den Apothekern allerdings einen Abschlag, der auch als "Apothekenrabatt" bezeichnet wird (§ 130 Abs. 1 Satz 1 SGB V); dieser betrug ursprünglich im Zeitraum vom 01.04.2007 bis 31.12.2010 je Fertigarzneimittel 2,30 EUR (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung durch Art. 1 Nr. 96a des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.03.2007 – BGBl. I S. 378). Die Gewährung des Abschlags setzt voraus, dass die Rechnung des Apothekers innerhalb von 10 Tagen nach Eingang bei der Krankenkasse beglichen wird (§ 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Die Abrechnung der Fertigarzneimittel mit den Krankenkassen erfolgt mittels elektronischer Datenübertragung (§ 300 Abs. 1 SGB V). Dazu können die Apotheken Rechenzentren in Anspruch nehmen (§ 300 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Das Nähere ist in den zwischen den Spitzenverbänden der GKV und dem DAV gem. § 300 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 SGB V geschlossenen "Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gem. § 300 SGB V" (Datenübermittlungsvereinbarung) geregelt. 21Der Kläger hat mit der Abrechnung der von ihm abgegebenen Fertigarzneimittel das RZ beauftragt. Dieses hat die im Jahre 2009 vom Kläger abgegebenen Fertigarzneimittel (7.879 Packungen) ordnungsgemäß, d.h. spätestens einen Monat nach Ablauf des Kalendermonats, in dem die Lieferung erfolgte (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 der Datenübermittlungsvereinbarung), mit der Beklagten auf der Grundlage der damals auch für 2009 noch geltenden Apothekenabschlagsregelung abgerechnet. Die Beklagte beglich die Rechnungen des RZ jeweils binnen der 10-Tages-Frist des § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V unter Abzug des Apothekenabschlags von 2,30 EUR je Fertigarzneimittel; für 7.879 im Jahre 2009 abgegebene Packungen betrug der vom Kläger seinerzeit gewährte Abschlag dementsprechend 18.121,70 EUR. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und ergibt sich auch aus der Sammelrechnung des RZ vom 05.05.2010 (vgl. die dortige die Apotheke des Klägers betreffende Zeile in der Spalte "RabattAlt"). 22Allerdings schrieb § 130 Abs. 1 Satz 2 SGB V in der bis 31.12.2010 maßgeblichen Fassung vor, den Abschlag für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel von 2,30 EUR je Arzneimittel "mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 von den Vertragspartnern in der Vereinbarung nach § 129 Abs. 2 so anzupassen, dass die Summe der Vergütungen der Apotheken für die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel leistungsgerecht ist unter Berücksichtigung von Art und Umfang der Leistungen und der Kosten der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung". Diese Vorgabe des Gesetzgebers mündete nach Verhandlungen des GKV-Spitzenverbandes und des DRV über den Apothekenabschlag für das Abrechnungsjahr 2009 in die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 129 Abs. 8 SGB V vom 21.12.2009, durch den der Apothekenabschlag mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 auf 1,75 EUR festgesetzt wurde, und in den Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 05.05.2010 (L 1 KR 51/10 B ER), durch den die sofortige Vollziehung der Schiedsstellenentscheidung angeordnet wurde. 23Aus der Schiedsstellenentscheidung vom 21.12.2009, die später durch die von den dortigen Verfahrensbeteiligten getroffene Vereinbarung vom 20.06.2013 (u.a.: "Rücknahme der Klage gegen die Schiedsstellenentscheidung zum Apothekenabschlag 2009") Rechtskraft erlangte, ergab sich infolge ihrer am 05.05.2010 angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit die Konsequenz, dass die Apotheker den Krankenkassen für das Abrechnungsjahr 2009 einen um 0,55 EUR zu hohen Abschlag je Arzneimittel gewährt hatten, konkret der Kläger für 7.879 Packungen 4.333,45 EUR. In dieser Höhe lebte der Vergütungsanspruch des Klägers für die Abgabe von Fertigarzneimitteln im Jahre 2009 an Versicherte der Beklagten wieder auf. Indem die Beklagte die Forderung am 29.07.2010 beglich, hat sie den Vergütungsanspruch des Klägers für 2009 allerdings – nunmehr vollständig und endgültig – erfüllt. 24Ein weitergehender Vergütungsanspruch in Höhe von 1,75 EUR je Packung, für 7.879 Packungen also 13.788,25 EUR, den der Kläger mit seiner Klage verfolgt, besteht nicht. Der – von der Beklagten nicht bestrittene – Umstand, dass die Nach-Rechnung des Klägers bzw. des von ihm beauftragten RZ nicht innerhalb von zehn Tagen nach Eingang bei der Krankenkasse von dieser beglichen worden ist, begründet den vom Kläger aus § 130 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 SGB V abgeleiteten Anspruch nicht. Denn für die Abwicklung der Nachberechnung der Vergütung aufgrund eines geänderten Berechnungselementes findet § 130 Abs. 3 SGB V keine Anwendung (SG Berlin, Urteil vom 14.09.2012 – S 81 KR 572/11). Dies gilt umso mehr, als eine Rechnungsstellung der 0,55 EUR je Packung aufgrund der Schiedsstellenentscheidung zwar unschädlich, aber rechtlich nicht erforderlich war. 25Vergütungsansprüche der Apotheker für die Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte einer Krankenkasse vermindern sich in Höhe des jeweiligen Apothekenrabatts rückwirkend ohne weiteren Rechtsakt aufgrund Bedingungseintritts, wenn die Krankenkasse die Voraussetzungen für das Entstehen des Rabatts erfüllt. Bedingung für das Entstehen des Rabatts ist die vollständige Begleichung der Rechnung innerhalb der Zehntagesfrist des § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Rabattierung ist in das System der Arzneimittelvergütung für die Apotheken durch die Krankenkassen integriert. Sie soll einfach und sicher das gesetzliche Ziel umsetzen, bei – im Interesse der Apotheken – kurzfristiger, zeitgerechter Erfüllung den Vergütungsanspruch um einen bestimmten Betrag im Interesse der Krankenkasse zu mindern. Der Apothekenrabatt dient heute allein dazu, bei sich weiterhin dynamisch entwickelnden Arzneimittelkosten einen Einspareffekt bei pünktlicher Bezahlung zu bewirken und dem gesetzgeberischen Ziel der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) Rechnung zu tragen. Der Apothekenrabatt als – geringfügige – Kürzung des gesetzlichen Vergütungsanspruchs des Apothekers gegen die Krankenkasse erhält durch die Bindung an die Zehntagesfrist nach Rechnungseingang (§ 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V) den Charakter eines Skontos für die alsbaldige Zahlung (BSG, Urteil vom 06.03.2012 – B 1 KR 14/11 R). In diesem Sinne handelt es sich bei dem Apothekenabschlag – das BSG (a.a.O.) spricht von einem "Zwangsrabatt" – um eine bereits das gesetzlich geregelte Grundgeschäft betreffende gesetzlich angeordnete auflösende Bedingung. Der zunächst entstandene ungekürzte Vergütungsanspruch des Apothekers aus der Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte steht in Höhe des Apothekenrabatts unter der auflösenden Bedingung, dass der Vergütungsanspruch (abzüglich des Rabatts) innerhalb der gesetzlichen Frist von zehn Tagen nach Rechnungseingang beglichen wird (BSG, Urteil vom 06.03.2012 – B 1 KR 14/11 R). 26Der Kläger hat seinerzeit durch Vorlage ordnungsgemäßer Rechnungen im Sinne von § 130 SGB V seinen Vergütungsanspruch geltend gemacht. Ordnungsgemäß waren die Rechnungen u.a. deshalb, weil das RZ den Vergütungsanspruch sowohl brutto als auch – unter Berücksichtigung von Zuzahlungen der Versicherten als Abzugsposten – netto beziffert hat (vgl. § 9 Rahmenvertrag). Es mag sein, dass die Monatsrechnungen des RZ für das Jahr 2009 als Saldo (auch) einen innerhalb von 10 Tagen nach Eingang der jeweiligen Rechnung zu zahlenden, um den Apothekenrabatt gekürzten Betrag enthalten haben. Sie haben aber – als ordnungsgemäße Rechnungen – auch die jeweilige Vergütungsforderung ohne den Abschlag benannt (benennen müssen). Denn die Gewährung des Abschlags setzt nach § 130 Abs. 3 SGB V voraus, dass die Krankenkasse die Rechnung innerhalb von 10 Tagen nach Eingang begleicht. Erfüllt sie diese Bedingung nicht, hat sie auf die (berechtigte) Vergütungsforderung abschlagsfrei zu zahlen. Dieser Zahlbetrag muss aus einer gemäß § 9 des Rahmenvertrages ordnungsgemäßen Rechnung erkennbar sein. 27Die Monatsrechnungen für 2009 sind von der Beklagten seinerzeit innerhalb der 10-Tages-Frist und deshalb unter Einbehalt des Abschlags nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB V nach dem damals geltenden Recht vollständig beglichen worden. Erst aufgrund der Schiedsstellenentscheidung vom 21.12.2009 und der Anordnung von deren sofortiger Vollziehung stand ab 05.05.2010 vorläufig und – infolge der zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem DAV getroffenen Vereinbarung – ab 20.06.2013 endgültig fest, dass der Vergütungsanspruch bei der erstmaligen Abrechnung nur unvollständig, nämlich noch nicht in Höhe von 0,55 EUR je Packung – im Fall des Klägers in Höhe von 4.342,25 EUR – erfüllt worden war. Logische Konsequenz der Schiedsstellenentscheidung, den Apothekenabschlag rückwirkend für 2009 auf 1,75 EUR je Packung festzusetzen, war, dass die Beklagte seinerzeit die Rechnungen des RZ nicht vollständig innerhalb der 10-Tages-Frist des § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V beglichen hatte. Denn die Erfüllung der Vergütungsforderung kann nur durch die vollständige Zahlung oder ihr gleichgestellte Erfüllungssurrogate abzüglich des zutreffend berechneten Rabatts erfolgen. Eine bloße Teilzahlung genügt dagegen nicht, um den Eintritt der Bedingung zu bewirken (BSG, Urteil vom 06.03.2012 – B 1 KR 14/11 R). Dann aber wäre die weitere Folge gewesen, dass der Apothekenabschlag von den Apothekern überhaupt nicht – weder in Höhe von 2,30 EUR noch in Höhe von 1,75 EUR – hätte gewährt werden müssen. Denn die auflösende Bedingung des § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V war – rückwirkend betrachtet – nicht eingetreten. Da seit der erstmaligen – unstreitig ordnungsgemäßen – Rechnungsstellung der für 2009 abgegebenen Arzneimittel weit mehr als ein Jahr vergangen war, hätten die Krankenkassen den damals einbehaltenen Abschlag von 2,30 EUR je Packung in voller Höhe auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Erstabrechnungsdaten für 2009 als Vergütung nachzahlen müssen. Es hätte dazu auch keiner Nachtragsrechnungen der Apotheker bedurft, da die Monatsrechnungen für 2009 – wie oben dargelegt – bereits die Gesamtforderung einschließlich eines ggf. zu gewährenden Rabatts beziffert hatten. 28Ein solches Ergebnis würde aber die Schiedsstellenentscheidung nicht nur ins Leere laufen lassen, sondern ad absurdum führen. Dieses Ergebnis ist auch weder vom Gesetz, noch von den Apothekern und Krankenkassen bzw. ihren Interessenvertretungen noch von der Schiedsstellenentscheidung gewollt und beabsichtigt. Als der Gesetzgeber durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ab 01.04.2007 den Apothekenabschlag von 2,10 EUR je Fertigarzneimittel einführte, gab er den Krankenkassen und Apothekern auf, diesen Rabatt für das Kalenderjahr 2009 anzupassen. Schon zu Beginn des Abrechnungsjahres 2009 stand jedoch fest, dass die gesetzliche Vorgabe des § 130 Abs. 1 Satz 2 SGB V (a.F.) zeitlich nicht einzuhalten war. Nach ergebnislosen Vorverhandlungen beantragte der DAV (erst) am 14.07.2009, als bereits mehr als die Hälfte des Abrechnungsjahres 2009 verstrichen war, eine Schiedsstellenentscheidung; und diese lag mit dem bekannten Schiedsspruch erst am 21.12.2009 vor, zu diesem Zeitpunkt weder rechtskräftig noch sofort vollziehbar. Daraus wird deutlich, dass es sich bei den Forderungsaufstellungen der Rechenzentren – hier: das RZ vom 05.05.2010 – nicht um eine Vergütungsrechnung im Sinne von § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V gehandelt haben kann und auch nicht gehandelt hat. Sie kann auch nicht in Verbindung mit den ursprünglichen Rechnungen und den darin enthaltenen Daten als eine die 10-Tages-Frist des § 130 Abs. 3 Satz 1 SGB V erneut auslösende Rechnung im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden. Die Nachberechnung des Vergütungsanspruchs der Apotheken für das Abrechnungsjahr 2009 aufgrund der Schiedsstellenentscheidung stellt einen vom Gesetz weder geregelten noch intendierten Sonderfall der Vergütungsabrechnung dar. § 130 Abs. 3 SGB V findet mit seiner massiven Folge – dem Fortfall des gesamten Rabatts (vgl. BSG, Urteil vom 06.12.2012 – B 1 KR 14/11 R) – nur Anwendung auf die standardisierten Regelvergütungsabrechnungen zwischen den Apotheken und den Krankenkassen. Würde jedwede Abrechnungskorrektur der Anwendung des § 130 Abs. 3 SGB V unterfallen, bestünde eine unausgewogene Risikoverteilung (SG Berlin, Urteil vom 14.09.2012 – S 81 KR 572/11). Die Krankenkassen hatten deshalb die Nachforderung nicht binnen zehn Tagen nach Eingang der Sammelrechnung zu begleichen. Auch ist der bei der Erstabrechnung der für 2009 abgegebenen Fertigarzneimittel damals zu Recht vorgenommene Apothekenabschlag nicht nachträglich für das gesamte Jahr vollständig entfallen. Vielmehr ist mit der Nachzahlung der 0,55 EUR für jede der Packungen, die der Kläger im Jahr 2009 für Versicherte der Beklagten abgegeben hat, sein diesbezüglicher Vergütungsanspruch vollständig erfüllt und die Klage unbegründet. 29Zu demselben Ergebnis führt im Übrigen auch die – von der Kammer nicht geteilte – Auffassung des Klägers, er habe der Beklagten aufgrund der Schiedsstellenentscheidung nach deren sofortiger Vollziehbarkeit eine ordnungsgemäße Rechnung über eine weitere Vergütung von 0,55 EUR je Packung geschuldet, weil mit den ursprünglichen Monatsabrechnungen für 2009 ausschließlich eine von vornherein um den Apothekenrabatt von (damals) 2,30 EUR je Packung geminderte Vergütung gefordert, die 0,55 EUR je Packung also noch nicht in Rechnung gestellt worden sei. Wäre diese Auffassung zutreffend, so hätte der Kläger nach Ablauf der nach seiner Auffassung ab Eingang dieser Rechnung laufenden 10-Tage-Zahlungsfrist der Beklagten nun auch eine ordnungsgemäße Rechnung über die weitere Vergütungsforderung von 1,75 EUR je Packung geschuldet; denn auch in dieser Höhe wäre ja – nach Auffassung des Klägers – die Vergütung in den seinerzeitige Monatsabrechnungen noch nicht geltend gemacht worden. Eine ordnungsgemäße Nach-Rechnungsstellung über die mit der Klage verfolgten 1,75 EUR je Packung ist vom Kläger jedoch nicht dargelegt worden und offensichtlich auch nicht erfolgt. Dann aber wäre die Klageforderung allein schon wegen fehlender ordnungsgemäßer Rechnung über die 1,75 EUR je abgerechneter Arzneimittelpackung für 2009 unbegründet. 30Die Kammer verkennt nicht, dass eine Regelung wie die des § 130 Abs. 1 Satz 2 SGB V, die den Krankenkassen und Apothekern aufgibt, den Apothekenrabatt selbst festzulegen ("anzupassen"), das Risiko in sich birgt, dass eine Einigung erst nach langen Verhandlungen und Rechtsstreitigkeiten nach Ablauf des jeweiligen Abrechnungsjahres zustande kommt, was zu vorübergehender Rechtsunsicherheit und nicht unerheblichen Kosten (Zinsverlusten, Verwaltungs- und Verfahrenskosten) führt. Dies kann z.B. dadurch vermieden werden, dass der Gesetzgeber – unter Beteiligung der Vertragspartner – wieder selbst und dauerhaft in § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB V den Apothekenabschlag festlegt, wie dies aktuell der DAV und der GKV-Spitzenverband in einem gemeinsamen Schreiben vom 03.07.2014 vorschlagen (vgl. ApothekerZeitung Nr. 33/34 vom 11.08.2014). Demgegenüber ist die vorliegende Klage nicht geeignet, eventuell durch das Anpassungsverfahren eingetretene Nachteile auszugleichen. 31Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 32Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG). 33Die Kammer hat die Sprungrevision zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§§ 161 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). | die klage wird abgewiesen. die kosten des verfahrens trägt der kläger. der streitwert wird auf 13.788,25 eur festgesetzt. die sprungrevision wird zugelassen. 1 | 2die beteiligten streiten darüber, ob die beklagte berechtigt ist, im rahmen der vergütung für verschreibungspflichtige fertigarzneimittel, die der kläger im jahre 2009 an versicherte der krankenkasse abgegeben hat, einen abschlag (sog. apothekenrabatt) von 1,75 eur je packung einzubehalten. der kläger begehrt von der beklagten die zahlung von 13.788,25 eur als restvergütung für die abgabe von 7.879 arzneimittelpackungen. 3der kläger ist (und war im jahre 2009) selbstständiger apotheker und inhaber der "f.-apotheke". über das von ihm beauftragte rechenzentrum (rz) in e. stellte er der beklagten die im jahre 2009 an deren versicherte abgegebenen fertigarzneimittel in rechnung. die beklagte beglich die rechnungen jeweils binnen zehn tagen nach eingang unter berücksichtigung des damals geltenden apothekenabschlags gem. § 130 abs. 1 satz 1 fünftes buch sozialgesetzbuch (sgb v) in höhe von 2,30 eur je verschreibungspflichtigem arzneimittel; sie behielt für 7.895 vom kläger gelieferte packungen einen apothekenrabatt von insgesamt 18.158,50 eur ein. zwischen den beteiligten ist unstreitig, dass die seinerzeit für 2009 abgerechnete vergütung entsprechend der damals geltenden apothekenabschlagsregelung gezahlt worden ist. 4bereits im september 2008 hatten der spitzenverband bund der krankenkassen (gkv-spitzenverband) und der deutsche apothekerverband (dav) verhandlungen über die anpassung des apothekenabschlags für 2009 aufgenommen. nachdem eine im oktober 2008 erzielte einigung der verhandlungskommissionen von den gremien des gkv-spitzenverbandes abgelehnt worden war, beantragte der dav am 14.07.2009 die einleitung eines schiedsverfahrens. am 21.12.2009 entschied die nach § 129 abs. 8 sgb v gebildete gemeinsame schiedsstelle: "der apothekenabschlag nach § 130 abs. 1 sgb v wird mit wirkung für das kalenderjahr 2009 auf 1,75 eur festgesetzt." 5gegen diese schiedsstellenentscheidung erhob der gkv-spitzenverband klage vor dem sozialgericht (sg) berlin (s 13 kr 135/10); diese klage wurde später aufgrund einer am 20.06.2013 zwischen dem gkv-spitzenverband und dem dav getroffenen vereinbarung zurückgenommen. in einem parallel anhängigen eilverfahren ordnete das landessozialgericht (lsg) berlin-brandenburg durch beschluss vom 05.05.2010 (l 1 kr 51/10 b er) die sofortige vollziehung der entscheidung der schiedsstelle vom 21.12.2009 an. 6noch am selben tag (rechnungsdatum: 05.05.2010) stellte das rz der beklagten in zwei sammelrechnungen für zahlreiche apotheken für 3.091.704 im jahre 2009 abgegebene arzneimittelpackungen die differenz von 2,30 eur einbehaltenem apothekenabschlag (alt) und 1,75 eur festgesetztem apothekenabschlag (neu), also 0,55 eur je abgegebener packung in rechnung; konkret für den kläger berechnete das rz für 7.895 packungen 4.342,25 eur. die rechnungen vom 05.05.2010 gingen am 18.05.2010 bei der beklagten ein. am 29.07.2010 erhielt das rz (u.a.) die geforderten und auf die apotheke des klägers entfallenden 4.342,25 eur. 7am 19.12.2013 hat der kläger klage auf zahlung weiterer 13.788,25 eur erhoben. er ist der auffassung, durch die schiedsstellenentscheidung vom 21.12.2009 und deren am 05.05.2010 angeordnete sofortige vollziehung sei rückwirkend ab 01.01.2009 ein anspruch auf auszahlung des vergütungsanteils entstanden, welcher sich aus der multiplikation des differenzbetrages zwischen dem ursprünglichen rabatt von 2,30 eur und dem durch schiedsspruch festgelegten rabatt von 1,75 eur mit der anzahl der abgegebenen und abgerechneten verschreibungspflichtigen fertigarzneimittel ergebe. grundlage der klageforderung sei der vergütungsanspruch aus der versorgung von versicherten der beklagten im jahre 2009. der kläger meint, er könne über die aufgrund der schiedsstellenentscheidung nachgezahlte abschlagsdifferenz von 0,55 eur je packung hinaus weitere 1,75 eur je packung beanspruchen. er hat allerdings die klageforderung auf 13.788,25 eur (für 7.879 packungen á 1,75 eur anstatt 13.816,25 eur für die seinerzeit abgerechneten 7.895 packungen) begrenzt. die beklagte habe die rechnung des rz über die nachzuzahlenden 0,55 eur je relevanter packung nicht innerhalb von zehn tagen nach eingang bei ihr beglichen, wie § 130 abs. 3 satz 1 sgb v dies als bedingung für die gewährung des apothekenabschlags durch die apotheker fordere. der kläger ist weiter der auffassung, die rechnungen des rz vom 05.05.2010 seien ordnungsgemäße rechnungen im sinne von § 130 sgb v. bereits bei der ursprünglichen abrechnung seien der beklagten durch das rz alle relevanten daten mitgeteilt worden; die damaligen rechnungen des rz seien unbeanstandet beglichen worden. nach der anordnung der sofortigen vollziehung der schiedsstellenentscheidung hätte es eigentlich keiner nacherhebung seitens des rz bedurft. denn die beklagte hätte aus den ihr vorliegenden datensätzen unschwer den für 2009 nachzuzahlenden betrag für jeden apotheker errechnen können. allerdings habe er der beklagten eine rechnung über die 0,55 eur pro packung geschuldet, weil diese bis dahin nicht in rechnung gestellt worden seien. die jeweiligen monatsrechnungen des rz für das jahr 2009 hätten als saldo den rechnungsbetrag nach abzug der zwangsrabatte enthalten. der kläger behauptet, dass die krankenkassen "vom start weg die gesetzlich vorgesehene und überfällige herabsetzung des zwangsabschlags verschleppt" hätten und dass auch nach der anordnung der sofortigen vollziehung des schiedsspruchs durch das lsg berlin-brandenburg "die kassen zockten mit der absicht der verlängerung der zinsvorteile"; er meint, der beklagten dürfe der "illegal erlangte zinsvorteil" nicht belassen werden. 8der kläger beantragt, 9die beklagte zu verurteilen, ihm 13.788,25 eur nebst zinsen in höhe von 5 prozentpunkten über dem jeweiligen basiszinssatz ab 19.12.2013 zu zahlen. 10die beklagte beantragt, 11die klage abzuweisen. 12sie hat die beiden rechnung des rz vom 05.05.2010 auszugsweise vorgelegt und sowohl die darauf zu gunsten des klägers erfolgte zahlung als auch den vom kläger bzw. dessen rz mitgeteilten zeitpunkt der zahlung durch ihren dienstleister (29.07.2010) unstreitig gestellt. sie ist der auffassung, dass § 130 abs. 3 sgb v für den sonderfall der abwicklung der nachberechnung des anspruchs nicht anwendbar sei. dies zeige sich beispielhaft daran, dass die auf grund der veränderten rabatthöhe geltend gemachte nachforderungen ungekürzt zu zahlen gewesen seien, somit keine skontoabrede und kein gegenseitigkeitsverhältnis bestanden habe und es damit an einer vergleichbarkeit der nachforderungen mit den von § 130 abs. 3 sgb v erfassten abrechnungen für die abgabe von arzneimitteln fehle. auch in dem einschlägigen rahmenvertrag nach § 129 sgb v finde sich keine regelung zur vorliegenden konstellation. 13wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der zwischen den beteiligten gewechselten schriftsätze und den sonstigen inhalt der gerichtsakte sowie der verwaltungsakte der beklagten, die gegenstand der mündlichen verhandlung gewesen sind, bezug genommen. 14 | 15die klage ist zulässig. es handelt sich um eine allgemeine leistungsklage nach § 54 abs. 5 sozialgerichtsgesetz (sgg), weil sich die beteiligten in einem gleichordnungsverhältnis gegenüber stehen, das gleichzeitig eine (einseitig) hoheitliche regelung der handelnden behörde durch verwaltungsakt gegenüber dem adressaten – und damit eine klage nach § 54 abs. 4 sgg – ausschließt (bsg, urteil vom 03.08.2006 – b 3 kr 7/06 r). 16die klage ist jedoch nicht begründet. 17der kläger hat keinen anspruch auf zahlung weiterer 13.788,25 eur als vergütung für die abgabe von 7.879 fertigarzneimitteln an versicherte der beklagten im jahre 2009. denn die beklagte hat den vergütungsanspruch vollständig erfüllt. 18der anspruch des klägers auf vergütung der von ihm im jahre 2009 an versicherte der beklagten abgegebenen (fertig)arzneimittel ergibt sich aus § 129 sgb v i.v.m. dem zwischen dem gkv-spitzenverband und dem deutschen apothekerverband e.v. geschlossenen "rahmenvertrag über die arzneimittelversorgung nach § 129 abs. 2 sgb v" vom 17.01.2008 (im folgenden: rahmenvertrag) und dem zwischen den apothekerverbänden nordrhein e.v. sowie westfalen-lippe e.v. und den gesetzlichen krankenkassen nach § 129 abs. 5 satz 1 sgb v geschlossenen arzneimittellieferungsvertrag für nordrhein-westfalen (alv nw) vom 24.11.2008. § 129 sgb v begründet im zusammenspiel mit den vertraglichen vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche leistungsberechtigung und -verpflichtung für die apotheken zur abgabe von vertragsärztlich verordneten arzneimitteln an die versicherten gesetzlicher krankenkassen (bsg, urteile vom 17.12.2009 – b 3 kr 13/08 r – und vom 28.09.2010 – b 1 kr 3/10 r). durch die annahme einer ordnungsgemäßen gültigen vertragsärztlichen verordnung kommt ein vertrag zwischen krankenkasse und apotheke zustande (§ 3 abs. 1 satz 1 rahmenvertrag). 19nach § 129 abs. 1 satz 1 nr. 4 sgb v i.v.m. § 8 satz 1 des rahmenvertrages sind die apotheken bei der abgabe verordneter arzneimittel an versicherte verpflichtet, den für den tag der abgabe geltenden apothekenabgabepreis zu berechnen und grundsätzlich anzugeben. für fertigarzneimittel, die zur anwendung beim menschen bestimmt sind, errechnet sich der apothekenabgabepreis für 2009 aus dem bei belieferung des großhandels geltenden abgabepreisen des pharmazeutischen unternehmers ohne die umsatzsteuer zuzüglich des darauf entfallenden großhandelshöchstzuschlags (netto-einkaufspreis) plus einem festzuschlag von 3 %, einem weiteren zuschlag von 8,10 eur sowie der umsatzsteuer (§ 3 abs. 1 satz 1, abs. 2 nr. 1 der arzneimittelpreisverordnung – ampreisv – in den beiden für das abrechnungsjahr 2009 maßgeblichen vom 01.07.2008 bis 31.12.2010 geltenden fassungen). da die apothekenzuschläge gemäß § 3 ampreisv für "fertigarzneimittel", das sind nach der legaldefinition des § 1 abs. 1 ampreisv "arzneimittel, die im voraus hergestellt und in einer zur abgabe an den verbraucher bestimmten packung in den verkehr gebracht werden", erhoben werden, entstehen sie für jede abgegebene packung. 20für die abgabe eines fertigarzneimittels steht den apothekern grundsätzlich eine vergütung in höhe des für den versicherten maßgeblichen arzneimittelabgabepreises zu. auf diesen erhalten die krankenkassen von den apothekern allerdings einen abschlag, der auch als "apothekenrabatt" bezeichnet wird (§ 130 abs. 1 satz 1 sgb v); dieser betrug ursprünglich im zeitraum vom 01.04.2007 bis 31.12.2010 je fertigarzneimittel 2,30 eur (vgl. § 130 abs. 1 satz 1 sgb v in der fassung durch art. 1 nr. 96a des gkv-wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.03.2007 – bgbl. i s. 378). die gewährung des abschlags setzt voraus, dass die rechnung des apothekers innerhalb von 10 tagen nach eingang bei der krankenkasse beglichen wird (§ 130 abs. 3 satz 1 sgb v). die abrechnung der fertigarzneimittel mit den krankenkassen erfolgt mittels elektronischer datenübertragung (§ 300 abs. 1 sgb v). dazu können die apotheken rechenzentren in anspruch nehmen (§ 300 abs. 2 satz 1 sgb v). das nähere ist in den zwischen den spitzenverbänden der gkv und dem dav gem. § 300 abs. 3 nrn. 1 und 2 sgb v geschlossenen "vereinbarung über die übermittlung von daten im rahmen der arzneimittelabrechnung gem. § 300 sgb v" (datenübermittlungsvereinbarung) geregelt. 21der kläger hat mit der abrechnung der von ihm abgegebenen fertigarzneimittel das rz beauftragt. dieses hat die im jahre 2009 vom kläger abgegebenen fertigarzneimittel (7.879 packungen) ordnungsgemäß, d.h. spätestens einen monat nach ablauf des kalendermonats, in dem die lieferung erfolgte (vgl. § 6 abs. 1 satz 1 der datenübermittlungsvereinbarung), mit der beklagten auf der grundlage der damals auch für 2009 noch geltenden apothekenabschlagsregelung abgerechnet. die beklagte beglich die rechnungen des rz jeweils binnen der 10-tages-frist des § 130 abs. 3 satz 1 sgb v unter abzug des apothekenabschlags von 2,30 eur je fertigarzneimittel; für 7.879 im jahre 2009 abgegebene packungen betrug der vom kläger seinerzeit gewährte abschlag dementsprechend 18.121,70 eur. dies ist zwischen den beteiligten unstreitig und ergibt sich auch aus der sammelrechnung des rz vom 05.05.2010 (vgl. die dortige die apotheke des klägers betreffende zeile in der spalte "rabattalt"). 22allerdings schrieb § 130 abs. 1 satz 2 sgb v in der bis 31.12.2010 maßgeblichen fassung vor, den abschlag für verschreibungspflichtige fertigarzneimittel von 2,30 eur je arzneimittel "mit wirkung für das kalenderjahr 2009 von den vertragspartnern in der vereinbarung nach § 129 abs. 2 so anzupassen, dass die summe der vergütungen der apotheken für die abgabe verschreibungspflichtiger arzneimittel leistungsgerecht ist unter berücksichtigung von art und umfang der leistungen und der kosten der apotheken bei wirtschaftlicher betriebsführung". diese vorgabe des gesetzgebers mündete nach verhandlungen des gkv-spitzenverbandes und des drv über den apothekenabschlag für das abrechnungsjahr 2009 in die entscheidung der schiedsstelle nach § 129 abs. 8 sgb v vom 21.12.2009, durch den der apothekenabschlag mit wirkung für das kalenderjahr 2009 auf 1,75 eur festgesetzt wurde, und in den beschluss des lsg berlin-brandenburg vom 05.05.2010 (l 1 kr 51/10 b er), durch den die sofortige vollziehung der schiedsstellenentscheidung angeordnet wurde. 23aus der schiedsstellenentscheidung vom 21.12.2009, die später durch die von den dortigen verfahrensbeteiligten getroffene vereinbarung vom 20.06.2013 (u.a.: "rücknahme der klage gegen die schiedsstellenentscheidung zum apothekenabschlag 2009") rechtskraft erlangte, ergab sich infolge ihrer am 05.05.2010 angeordneten sofortigen vollziehbarkeit die konsequenz, dass die apotheker den krankenkassen für das abrechnungsjahr 2009 einen um 0,55 eur zu hohen abschlag je arzneimittel gewährt hatten, konkret der kläger für 7.879 packungen 4.333,45 eur. in dieser höhe lebte der vergütungsanspruch des klägers für die abgabe von fertigarzneimitteln im jahre 2009 an versicherte der beklagten wieder auf. indem die beklagte die forderung am 29.07.2010 beglich, hat sie den vergütungsanspruch des klägers für 2009 allerdings – nunmehr vollständig und endgültig – erfüllt. 24ein weitergehender vergütungsanspruch in höhe von 1,75 eur je packung, für 7.879 packungen also 13.788,25 eur, den der kläger mit seiner klage verfolgt, besteht nicht. der – von der beklagten nicht bestrittene – umstand, dass die nach-rechnung des klägers bzw. des von ihm beauftragten rz nicht innerhalb von zehn tagen nach eingang bei der krankenkasse von dieser beglichen worden ist, begründet den vom kläger aus § 130 abs. 1 satz 1 i.v.m. abs. 3 sgb v abgeleiteten anspruch nicht. denn für die abwicklung der nachberechnung der vergütung aufgrund eines geänderten berechnungselementes findet § 130 abs. 3 sgb v keine anwendung (sg berlin, urteil vom 14.09.2012 – s 81 kr 572/11). dies gilt umso mehr, als eine rechnungsstellung der 0,55 eur je packung aufgrund der schiedsstellenentscheidung zwar unschädlich, aber rechtlich nicht erforderlich war. 25vergütungsansprüche der apotheker für die abgabe von arzneimitteln an versicherte einer krankenkasse vermindern sich in höhe des jeweiligen apothekenrabatts rückwirkend ohne weiteren rechtsakt aufgrund bedingungseintritts, wenn die krankenkasse die voraussetzungen für das entstehen des rabatts erfüllt. bedingung für das entstehen des rabatts ist die vollständige begleichung der rechnung innerhalb der zehntagesfrist des § 130 abs. 3 satz 1 sgb v. die rabattierung ist in das system der arzneimittelvergütung für die apotheken durch die krankenkassen integriert. sie soll einfach und sicher das gesetzliche ziel umsetzen, bei – im interesse der apotheken – kurzfristiger, zeitgerechter erfüllung den vergütungsanspruch um einen bestimmten betrag im interesse der krankenkasse zu mindern. der apothekenrabatt dient heute allein dazu, bei sich weiterhin dynamisch entwickelnden arzneimittelkosten einen einspareffekt bei pünktlicher bezahlung zu bewirken und dem gesetzgeberischen ziel der beitragssatzstabilität (§ 71 sgb v) rechnung zu tragen. der apothekenrabatt als – geringfügige – kürzung des gesetzlichen vergütungsanspruchs des apothekers gegen die krankenkasse erhält durch die bindung an die zehntagesfrist nach rechnungseingang (§ 130 abs. 3 satz 1 sgb v) den charakter eines skontos für die alsbaldige zahlung (bsg, urteil vom 06.03.2012 – b 1 kr 14/11 r). in diesem sinne handelt es sich bei dem apothekenabschlag – das bsg (a.a.o.) spricht von einem "zwangsrabatt" – um eine bereits das gesetzlich geregelte grundgeschäft betreffende gesetzlich angeordnete auflösende bedingung. der zunächst entstandene ungekürzte vergütungsanspruch des apothekers aus der abgabe von arzneimitteln an versicherte steht in höhe des apothekenrabatts unter der auflösenden bedingung, dass der vergütungsanspruch (abzüglich des rabatts) innerhalb der gesetzlichen frist von zehn tagen nach rechnungseingang beglichen wird (bsg, urteil vom 06.03.2012 – b 1 kr 14/11 r). 26der kläger hat seinerzeit durch vorlage ordnungsgemäßer rechnungen im sinne von § 130 sgb v seinen vergütungsanspruch geltend gemacht. ordnungsgemäß waren die rechnungen u.a. deshalb, weil das rz den vergütungsanspruch sowohl brutto als auch – unter berücksichtigung von zuzahlungen der versicherten als abzugsposten – netto beziffert hat (vgl. § 9 rahmenvertrag). es mag sein, dass die monatsrechnungen des rz für das jahr 2009 als saldo (auch) einen innerhalb von 10 tagen nach eingang der jeweiligen rechnung zu zahlenden, um den apothekenrabatt gekürzten betrag enthalten haben. sie haben aber – als ordnungsgemäße rechnungen – auch die jeweilige vergütungsforderung ohne den abschlag benannt (benennen müssen). denn die gewährung des abschlags setzt nach § 130 abs. 3 sgb v voraus, dass die krankenkasse die rechnung innerhalb von 10 tagen nach eingang begleicht. erfüllt sie diese bedingung nicht, hat sie auf die (berechtigte) vergütungsforderung abschlagsfrei zu zahlen. dieser zahlbetrag muss aus einer gemäß § 9 des rahmenvertrages ordnungsgemäßen rechnung erkennbar sein. 27die monatsrechnungen für 2009 sind von der beklagten seinerzeit innerhalb der 10-tages-frist und deshalb unter einbehalt des abschlags nach § 130 abs. 1 satz 1 sgb v nach dem damals geltenden recht vollständig beglichen worden. erst aufgrund der schiedsstellenentscheidung vom 21.12.2009 und der anordnung von deren sofortiger vollziehung stand ab 05.05.2010 vorläufig und – infolge der zwischen dem gkv-spitzenverband und dem dav getroffenen vereinbarung – ab 20.06.2013 endgültig fest, dass der vergütungsanspruch bei der erstmaligen abrechnung nur unvollständig, nämlich noch nicht in höhe von 0,55 eur je packung – im fall des klägers in höhe von 4.342,25 eur – erfüllt worden war. logische konsequenz der schiedsstellenentscheidung, den apothekenabschlag rückwirkend für 2009 auf 1,75 eur je packung festzusetzen, war, dass die beklagte seinerzeit die rechnungen des rz nicht vollständig innerhalb der 10-tages-frist des § 130 abs. 3 satz 1 sgb v beglichen hatte. denn die erfüllung der vergütungsforderung kann nur durch die vollständige zahlung oder ihr gleichgestellte erfüllungssurrogate abzüglich des zutreffend berechneten rabatts erfolgen. eine bloße teilzahlung genügt dagegen nicht, um den eintritt der bedingung zu bewirken (bsg, urteil vom 06.03.2012 – b 1 kr 14/11 r). dann aber wäre die weitere folge gewesen, dass der apothekenabschlag von den apothekern überhaupt nicht – weder in höhe von 2,30 eur noch in höhe von 1,75 eur – hätte gewährt werden müssen. denn die auflösende bedingung des § 130 abs. 3 satz 1 sgb v war – rückwirkend betrachtet – nicht eingetreten. da seit der erstmaligen – unstreitig ordnungsgemäßen – rechnungsstellung der für 2009 abgegebenen arzneimittel weit mehr als ein jahr vergangen war, hätten die krankenkassen den damals einbehaltenen abschlag von 2,30 eur je packung in voller höhe auf der grundlage der ihnen vorliegenden erstabrechnungsdaten für 2009 als vergütung nachzahlen müssen. es hätte dazu auch keiner nachtragsrechnungen der apotheker bedurft, da die monatsrechnungen für 2009 – wie oben dargelegt – bereits die gesamtforderung einschließlich eines ggf. zu gewährenden rabatts beziffert hatten. 28ein solches ergebnis würde aber die schiedsstellenentscheidung nicht nur ins leere laufen lassen, sondern ad absurdum führen. dieses ergebnis ist auch weder vom gesetz, noch von den apothekern und krankenkassen bzw. ihren interessenvertretungen noch von der schiedsstellenentscheidung gewollt und beabsichtigt. als der gesetzgeber durch das gkv-wettbewerbsstärkungsgesetz ab 01.04.2007 den apothekenabschlag von 2,10 eur je fertigarzneimittel einführte, gab er den krankenkassen und apothekern auf, diesen rabatt für das kalenderjahr 2009 anzupassen. schon zu beginn des abrechnungsjahres 2009 stand jedoch fest, dass die gesetzliche vorgabe des § 130 abs. 1 satz 2 sgb v (a.f.) zeitlich nicht einzuhalten war. nach ergebnislosen vorverhandlungen beantragte der dav (erst) am 14.07.2009, als bereits mehr als die hälfte des abrechnungsjahres 2009 verstrichen war, eine schiedsstellenentscheidung; und diese lag mit dem bekannten schiedsspruch erst am 21.12.2009 vor, zu diesem zeitpunkt weder rechtskräftig noch sofort vollziehbar. daraus wird deutlich, dass es sich bei den forderungsaufstellungen der rechenzentren – hier: das rz vom 05.05.2010 – nicht um eine vergütungsrechnung im sinne von § 130 abs. 3 satz 1 sgb v gehandelt haben kann und auch nicht gehandelt hat. sie kann auch nicht in verbindung mit den ursprünglichen rechnungen und den darin enthaltenen daten als eine die 10-tages-frist des § 130 abs. 3 satz 1 sgb v erneut auslösende rechnung im sinne dieser vorschrift angesehen werden. die nachberechnung des vergütungsanspruchs der apotheken für das abrechnungsjahr 2009 aufgrund der schiedsstellenentscheidung stellt einen vom gesetz weder geregelten noch intendierten sonderfall der vergütungsabrechnung dar. § 130 abs. 3 sgb v findet mit seiner massiven folge – dem fortfall des gesamten rabatts (vgl. bsg, urteil vom 06.12.2012 – b 1 kr 14/11 r) – nur anwendung auf die standardisierten regelvergütungsabrechnungen zwischen den apotheken und den krankenkassen. würde jedwede abrechnungskorrektur der anwendung des § 130 abs. 3 sgb v unterfallen, bestünde eine unausgewogene risikoverteilung (sg berlin, urteil vom 14.09.2012 – s 81 kr 572/11). die krankenkassen hatten deshalb die nachforderung nicht binnen zehn tagen nach eingang der sammelrechnung zu begleichen. auch ist der bei der erstabrechnung der für 2009 abgegebenen fertigarzneimittel damals zu recht vorgenommene apothekenabschlag nicht nachträglich für das gesamte jahr vollständig entfallen. vielmehr ist mit der nachzahlung der 0,55 eur für jede der packungen, die der kläger im jahr 2009 für versicherte der beklagten abgegeben hat, sein diesbezüglicher vergütungsanspruch vollständig erfüllt und die klage unbegründet. 29zu demselben ergebnis führt im übrigen auch die – von der kammer nicht geteilte – auffassung des klägers, er habe der beklagten aufgrund der schiedsstellenentscheidung nach deren sofortiger vollziehbarkeit eine ordnungsgemäße rechnung über eine weitere vergütung von 0,55 eur je packung geschuldet, weil mit den ursprünglichen monatsabrechnungen für 2009 ausschließlich eine von vornherein um den apothekenrabatt von (damals) 2,30 eur je packung geminderte vergütung gefordert, die 0,55 eur je packung also noch nicht in rechnung gestellt worden sei. wäre diese auffassung zutreffend, so hätte der kläger nach ablauf der nach seiner auffassung ab eingang dieser rechnung laufenden 10-tage-zahlungsfrist der beklagten nun auch eine ordnungsgemäße rechnung über die weitere vergütungsforderung von 1,75 eur je packung geschuldet; denn auch in dieser höhe wäre ja – nach auffassung des klägers – die vergütung in den seinerzeitige monatsabrechnungen noch nicht geltend gemacht worden. eine ordnungsgemäße nach-rechnungsstellung über die mit der klage verfolgten 1,75 eur je packung ist vom kläger jedoch nicht dargelegt worden und offensichtlich auch nicht erfolgt. dann aber wäre die klageforderung allein schon wegen fehlender ordnungsgemäßer rechnung über die 1,75 eur je abgerechneter arzneimittelpackung für 2009 unbegründet. 30die kammer verkennt nicht, dass eine regelung wie die des § 130 abs. 1 satz 2 sgb v, die den krankenkassen und apothekern aufgibt, den apothekenrabatt selbst festzulegen ("anzupassen"), das risiko in sich birgt, dass eine einigung erst nach langen verhandlungen und rechtsstreitigkeiten nach ablauf des jeweiligen abrechnungsjahres zustande kommt, was zu vorübergehender rechtsunsicherheit und nicht unerheblichen kosten (zinsverlusten, verwaltungs- und verfahrenskosten) führt. dies kann z.b. dadurch vermieden werden, dass der gesetzgeber – unter beteiligung der vertragspartner – wieder selbst und dauerhaft in § 130 abs. 1 satz 1 sgb v den apothekenabschlag festlegt, wie dies aktuell der dav und der gkv-spitzenverband in einem gemeinsamen schreiben vom 03.07.2014 vorschlagen (vgl. apothekerzeitung nr. 33/34 vom 11.08.2014). demgegenüber ist die vorliegende klage nicht geeignet, eventuell durch das anpassungsverfahren eingetretene nachteile auszugleichen. 31die kostenentscheidung beruht auf § 197a abs. 1 satz 1 sgg i.v.m. §§ 154 abs. 1, 161 abs. 1, 162 abs. 1 und 2 verwaltungsgerichtsordnung (vwgo). 32die streitwertfestsetzung beruht auf § 197a abs. 1 satz 1 sgg i.v.m. § 52 abs. 1 und 3 gerichtskostengesetz (gkg). 33die kammer hat die sprungrevision zugelassen, weil sie der rechtssache grundsätzliche bedeutung beimisst (§§ 161 abs. 1 satz 1 und abs. 2 satz 1, 160 abs. 2 nr. 1 sgg). | Verklagte*r | 0 |
173,574 | L 11 KA 142/11 | 2014-07-09T00:00:00 | Urteil | Tenor Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Der Kläger, der Facharzt für Diagnostische Radiologie und zur vertragsärztlichen Versorgung in E zugelassen ist, wendet sich gegen sachlich-rechnerische Richtigstellungen seiner Honorarabrechnungen für die Quartale III/2000 und IV/2000. 3Bei diesen Abrechnungen beanstandete die Beklagte mit Bescheiden vom 18.01.2001 (Quartal III/2000) und 28.03.2001 (Quartal IV/2000) u.a. die Überschreitung des Überweisungsauftrags. In jeweils 594 Fällen seien die Leistungen zu streichen, die entsprechend den zusätzlich handschriftlichen Auftragserweiterungen bzw. Änderungen ohne Angabe der Zustimmung des Auftraggebers erbracht worden seien. 17 bzw. 67 Überweisungsscheine gebe sie zurück, da die erbrachten Leistungen durch den Überweiser nicht angefordert worden seien. 4Mit seinem Widerspruch führte der Kläger aus, dass nach dem Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) zwischen Zielauftrag, Konsiliarüberweisung und Mit-/Weiterbehandlungsschein zu unterscheiden sei. Im ersten Fall solle lediglich der auf dem Überweisungsschein vermerkte Zielauftrag ausgeführt werden. Eine Erweiterung des Auftrags sei nur nach Rücksprache mit dem Überweiser möglich; dessen Einverständnis sei zu vermerken. Bei den hier vorliegenden Konsiliar- bzw. Mit-/Weiterbehandlungsaufträgen handele der beauftragte Radiologe jedoch eigenverantwortlich und bedürfe keiner Zustimmung des Überweisers. Im Übrigen habe er auch zahlreiche Telefonate mit Überweisern geführt. Die Untersuchungsarten seien bei den Konsiliar- und Mit-/Weiterbehandlungsscheinen auf dem Originalschein vermerkt worden, damit die Beklagte eine Grundlage für die Abrechnungsziffern bekomme. 5Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2006 zurück. Die Überweisungen seien überwiegend zur Mitbehandlung bzw. Konsiliaruntersuchung ausgestellt, von den überweisenden Ärzten sei jedoch jeweils ein Auftrag gegeben worden. Auf den Überweisungen befänden sich jeweils handschriftliche Auftragserweiterungen, die ohne Rücksprachevermerk ausgeführt worden seien. Die Leistungen seien nicht abrechnungsfähig, weil es sich um unzulässige Auftragserweiterungen handele. 6Mit seiner Klage vom 15.12.2006 hat der Kläger vorgetragen, nach § 13 BMV-Ä könnten u.a. Ärzte für Radiologische Diagnostik bzw. Radiologie, Strahlentherapie und Nuklearmedizin nur auf Überweisung in Anspruch genommen werden. Bei den Überweisungsarten sei nach § 24 Abs. 3 BMV-Ä zwischen Auftragsleistung, Konsiliaruntersuchung, Mitbehandlung und Weiterbehandlung zu unterscheiden. Bei den von der Beklagten beanstandeten Überweisungen zur Konsiliaruntersuchung sowie zur Mit- und Weiterbehandlung bestehe keine Verpflichtung, mit dem überweisenden Arzt Rücksprache zu nehmen. Der Überweiser könne zwar einen bestimmten Verdacht äußern und Untersuchungsmethoden vorschlagen; der Radiologe werde aber therapeutisch und diagnostisch eigenverantwortlich tätig, er sei an die Vorschläge des Überweisers nicht gebunden. Zu berücksichtigen sei auch, dass zahlreiche Überweiser nicht die nach der Röntgenverordnung (RöV) erforderliche Fachkunde besäßen und daher die nach der RöV notwendige rechtfertigende Indikation nicht stellen dürften. Der Radiologe sei daher auch im Rahmen eines Definitionsauftrags verpflichtet, die nach § 23 RöV erforderliche Indikation zu stellen. Im Übrigen sei die Beklagte ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht ausreichend nachgekommen. Sie hätte für jeden Einzelfall darlegen müssen, aus welchen Gründen entgegen der als Konsiliarüberweisung bzw. als Überweisung zur Mit-/Weiterbehandlung gekennzeichneten Überweisungen inhaltlich Auftragsleistungen vorgelegen hätten. Sodann hätte sie prüfen müssen, ob sämtliche handschriftliche Zusätze von ihm, dem Kläger, stammten und ob hierzu eine Zustimmung des Überweisers vorliege. Aus dem Fehlen des Rücksprachevermerks könne nicht geschlossen werden, dass keine Rücksprache stattgefunden habe. Er bestreite, dass die Beklagte in allen Überweisungsfällen nur die handschriftlichen Ergänzungen auf den Überweisungsträgern nicht vergütet habe; nach seinem Kenntnisstand seien Abrechnungsscheine auch komplett nicht vergütet worden. Die im Einzelnen von ihm beispielhaft benannten Überweisungsscheine dokumentierten, dass insbesondere eine direkt oder indirekt angesprochene Verdachtsdiagnose und ihre Differentialdiagnose entsprechend ihren Leitsymptomen bei Bedarf immer konsequent abgeklärt worden sei. 7Der Kläger hat beantragt, 8die Bescheide der Beklagten vom 18.01.2001 und vom 28.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2006 aufzuheben, soweit Fälle wegen Auftragsüberschreitung von der Abrechnung zurückgestellt bzw. Leistungen gestrichen worden sind, und die Beklagte zu verurteilen, diese Fälle bzw. Leistungen abzurechnen sowie nach Maßgabe der gesetzlichen, satzungsrechtlichen und vertraglichen Bestimmungen nachzuvergüten. 9Die Beklagte hat beantragt, 10die Klage abzuweisen. 11Sie hat vorgetragen, der überweisende Arzt habe auf dem Überweisungsschein unter "Auftrag/Diagnose/Verdacht" entsprechende Angaben zu machen, um dem Überweisungsnehmer Hinweise für dessen Handeln zu geben und um unnötige Kosten durch Mehruntersuchungen zu vermeiden. Daran sei der Überweisungsnehmer gebunden; eine Ergänzung/Änderung in dieser Rubrik sei nur nach auf dem Überweisungsschein zu dokumentierender Rücksprache mit dem überweisenden Arzt möglich. Von dem Überweisungsnehmer sei ansonsten das Diagnosefeld ("Diagnosen/ggf. Abrechnungsbegründungen") auszufüllen. In dieses Feld seien ggf. auch andere Begründungen einzutragen, die der Plausibilität der Abrechnungsziffern dienten. In den vorliegend streitigen Fällen habe der Kläger die ihm erteilten Aufträge erweitert bzw. andere als die angeforderten Leistungen erbracht, er habe dabei in fast allen Fällen die Rubrik "Auftrag/Diagnose/Verdacht" abgeändert bzw. ergänzt. Die über den Auftrag hinausgehenden Leistungen seien gestrichen; zum Teil seien Fälle auch komplett zurückgewiesen worden. Insgesamt belaufe sich der Wert der Berichtigungen auf 199.835,36 EUR. 12Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klage mit Urteil vom 07.09.2011 abgewiesen: Die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, die streitgegenständlichen Leistungen abzurechnen und entsprechend zu vergüten. Ihre Befugnis zur sachlich-rechnerischen Berichtigung der Abrechnungen des Klägers beruhe auf § 106a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach sei sie berechtigt und verpflichtet, die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte festzustellen. Zu den zu prüfenden Abrechnungsbestimmungen gehörten auch die Regelungen des BMV-Ä, nach denen der Kläger, der nicht der behandelnde Arzt der Patienten gewesen sei, zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur im Rahmen der Überweisungsaufträge hätte tätig werden dürfen (§ 24 Abs. 2 Satz 3 BMV-Ä). Die gestrichenen Leistungen bzw. die zurückgewiesenen Abrechnungsscheine beträfen ganz überwiegend mit "Konsiliaruntersuchung" oder "Mit-/Weiterbehandlung" gekennzeichnete Überweisungen. Allein daran lasse sich jedoch die Überweisungsart nicht festmachen; der Überweisungsschein müsse vielmehr in seiner Gesamtheit betrachtet werden (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.1993 - L 5 Ka 1147/92 -). Vorliegend sei deshalb zu berücksichtigen, dass auf den Überweisungsscheinen im Auftragsfeld jeweils eine konkrete Untersuchungsleistung angefordert worden sei. Die Überweisungsaufträge seien damit auf die benannten Untersuchungsleistungen beschränkt und hätten zu ihrer Erweiterung einer Genehmigung des Auftraggebers bedurft, die auf dem Schein zu vermerken gewesen wäre. Daran fehle es jedoch. Es komme auch nicht darauf an, dass der überweisende Arzt ggf. nicht über die nach der RöV erforderliche Fachkunde verfügt habe. Denn der Kläger hätte in Zweifelsfällen Rücksprache mit dem Auftraggeber nehmen können bzw. müssen. Es sei ihm grundsätzlich verwehrt, von ihm für erforderlich gehaltene Untersuchungs- oder Behandlungsmaßnahmen eigenmächtig über den erteilten Auftrag hinaus durchzuführen (Bundessozialgericht, Urteil vom 08.07.1981 - 6 RKa 3/79 -). 13Mit seiner gegen das am 28.10.2011 zugestellte Urteil gerichteten Berufung vom 25.11.2011 hat der Kläger sein Vorbringen vertieft. Der Überweiser habe die Art der Überweisung durch Ankreuzen bestimmt. Dem Überweisungsinhalt könne damit keine andere Bedeutung zugemessen werden; daran sei der auftragnehmende Arzt gebunden. Die angeforderte Konsiliaruntersuchung sei auf Klärung einer Verdachtsdiagnose gerichtet, Art und Umfang seien vom ausführenden Vertragsarzt nach medizinischen Erfordernissen und den Regeln der Stufendiagnostik zu bestimmen. Dies mache deutlich, dass die Verantwortung für die Durchführung und Wirtschaftlichkeit beim auftragnehmenden Arzt liege. Hinsichtlich der Mitbehandlung gelte im Ergebnis nichts Anderes. Auch hier werde über Art und Umfang der Leistung durch den Vertragsarzt entschieden, an den überwiesen worden sei. In keinem dieser Fälle sei eine Rücksprache mit dem überweisenden Arzt erforderlich. Die Rücksprache sei ausschließlich Gegenstand der sog. Auftragsleistung nach § 24 Abs. 7 Nr. 1 BMV-Ä. Der Zusatz, der meistens in der Rubrik "Auftrag" des Überweisungsscheins handschriftlich aufgebracht worden sei, stamme aus seiner Praxis bzw. von ihm. Da die Überweisung auf eine Konsiliaruntersuchung bzw. Mit-/Weiterbehandlung gerichtet gewesen sei, habe er letztlich die Leistung erbracht, die aus radiologischer Sicht erforderlich bzw. angebracht gewesen sei. Diese Leistungen habe er auf der Überweisung aufgeführt, damit die Abrechnung verständlich sei. Dies habe er aufgrund einer Absprache mit der Beklagten seit 1995 so gehandhabt. 14Der Kläger, der ebenso wie die Beklagte einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zustimmt, beantragt schriftsätzlich sinngemäß 15das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.09.2011 abzuändern und die Bescheide der Beklagten vom 18.01.2001 und 28.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2006 nach Maßgabe des in erster Instanz gestellten Antrags abzuändern und die Beklagte zur Abrechnung und Nachvergütung zu verurteilen. 16Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, 17die Berufung zurückzuweisen. 18Sie vertritt die Auffassung, dass sich die Überweisungsart nicht allein daran festmachen lasse, welches Feld der überweisende Arzt angekreuzt habe. Vielmehr seien die Angaben des Überweisers in ihrer Gesamtheit maßgeblich. Vorliegend sei in den streitigen Fällen die angeforderte Untersuchungsleistung konkret angegeben worden; der Kläger habe diesen klar definierten Auftrag in unzulässiger Weise überschritten. Im Übrigen sei die von dem Kläger vorgetragene Handhabung der Abrechnung nicht mit ihr abgesprochen. 19Der Senat hat den von dem Kläger für eine Absprache über die Art und Weise seiner Abrechnung benannten Zeugen N gehört. Der Zeuge hat angegeben, er könne wegen des Zeitablaufs keine Angaben zu ggf. mit dem Kläger geführten Gesprächen machen. Wenn er gefragt worden wäre, wie zu verfahren sei, wenn über den erteilten Überweisungsauftrag hinaus weitere Leistungen erforderlich seien, hätte er dahingehend geantwortet, dass dann eine Rücksprache mit dem auftraggebenden Arzt notwendig sei und dieser die Auftragserweiterung auch genehmigen müsse. 20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. 21Entscheidungsgründe: 22Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). 23Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. 24Das SG hat die Klage des Klägers zu Recht abgewiesen, denn die Bescheide der Beklagten vom 18.01.2001 und 28.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2006 sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Beklagte hat zu Recht die Honorarabrechnungen des Klägers für die Quartale III/2000 und IV/2000 in jeweils 594 Fällen berichtigt. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG) und führt ergänzend aus: 25Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die ganz überwiegende Zahl der auch vom Senat im Einzelnen eingesehenen Überweisungsscheine von den überweisenden Ärzten durch Ankreuzen mit Konsiliaruntersuchung oder zur Mit-/Weiterbehandlung gekennzeichnet worden ist. 26Nach § 24 Abs. 3 BMV-Ä (i.d.F. vom 01.10.2006) kann eine Überweisung an einen anderen Arzt 1. zur Auftragsleistung, 2. zur Konsiliaruntersuchung, 3. zur Mitbehandlung, 4. zur Weiterbehandlung erfolgen. 27Dazu bestimmt § 24 Abs. 7 Satz 2 BMV-Ä zu den einzelnen Leistungsarten: 281. Auftragsleistung 29Die Überweisung zur Ausführung von Auftragsleistungen erfordert 1. die Definition der Leistungen nach Art und Umfang (Definitionsauftrag) oder 2. eine Indikationsangabe mit Empfehlung der Methode (Indikationsauftrag). Für die Notwendigkeit der Auftragserteilung ist der auftragserteilende Vertragsarzt verantwortlich. Die Wirtschaftlichkeit der Auftragsausführung ist vom auftragsausführenden Arzt zu gewährleisten. Dies erfordert bei Aufträgen nach Nr. 1 dann eine Rücksprache mit dem überweisenden Arzt, wenn der beauftragte Arzt aufgrund seines fachlichen Urteils eine andere als die in Auftrag gegebene Leistung für medizinisch zweckmäßig, ausreichend und notwendig hält. Auftragserteilungen nach Nr. 2 erfordern eine Rücksprache nur dann, wenn der beauftragte Arzt eine konsiliarische Absprache zur Indikation für notwendig hält. 302. Konsiliaruntersuchung 31Die Überweisung zur Konsiliaruntersuchung erfolgt ausschließlich zur Erbringung diagnostischer Leistungen. Sie gibt dem überweisenden Arzt die Möglichkeit, den Überweisungsauftrag auf die Klärung einer Verdachtsdiagnose einzugrenzen. Art und Umfang der zur Klärung dieser Verdachtsdiagnose notwendigen Leistungen sind vom ausführenden Vertragsarzt nach medizinischem Erfordernis und den Regeln der Stufendiagnostik unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu bestimmen. Die Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit liegt hinsichtlich der Indikationsstellung beim auftraggebenden Vertragsarzt, hinsichtlich der ausgeführten Leistungen beim auftragnehmenden Vertragsarzt. 323. Mitbehandlung 33Die Überweisung zur Mitbehandlung erfolgt zur gebietsbezogenen Erbringung begleitender oder ergänzender diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen, über deren Art und Umfang der Vertragsarzt, an den überwiesen wurde, entscheidet. 344. Weiterbehandlung 35Bei einer Überweisung zur Weiterbehandlung wird die gesamte diagnostische und therapeutische Tätigkeit dem weiterbehandelnden Vertragsarzt übertragen. 36Daraus ergibt sich, dass bei der Überweisung zur Konsiliaruntersuchung, zur Mitbehandlung und zur Weiterbehandlung die Bestimmung der Art und des Umfang der im Rahmen der Überweisung durchzuführenden Leistungen ausschließlich dem Arzt obliegt, an den die Überweisung gerichtet ist. In diesen Fällen sieht der BMV-Ä auch keine Rückspracheverpflichtung mit dem überweisenden Arzt vor. 37Indes liegen bei verständiger Würdigung der streitigen Überweisungen keine Überweisungen zur Konsiliaruntersuchung, zur Mitbehandlung oder zur Weiterbehandlung vor. Dies ergibt sich bereits daraus, dass in allen Fällen der jeweils überweisende Vertragsarzt außer den in der Regel gemachten Angaben gem. § 24 Abs. 7 Satz 1 BMV-Ä, nämlich Diagnose, Verdachtsdiagnose oder Befunde, noch zusätzlich ausdrücklich die konkreten ärztlichen Leistungen benannt hat, die der Kläger im Rahmen der Überweisung zu erbringen hat. Es hat sich also mithin regelhaft um sog. Definitionsaufträge i.S.d. § 24 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 Punkt 1 BMV-Ä gehandelt. Von diesen Aufträgen ist der Kläger ohne Rücksprache mit dem jeweils überweisenden Arzt bzw. ohne dessen Billigung abgewichen. Unerheblich ist dabei, dass der Kläger nach seinen Angaben aufgrund seiner fachlichen Kompetenz eine andere als die in Auftrag gegebene Leistung für medizinisch zweckmäßig, ausreichend und notwendig gehalten hat. Denn gerade für diesen Fall schreibt § 24 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 BMV-Ä die Rücksprache mit dem überweisenden Arzt vor. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch in den Fällen nicht, in denen der überweisende Arzt die Diagnose mit einem Fragezeichen versehen hat. Denn damit wurde zum Ausdruck gebracht, zu welchem Zweck die genau angeforderte Leistung erbracht werden sollte. Die Frage diente mithin nur der Konkretisierung bzw. näheren Erklärung des klar umgrenzten Auftrags (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.1993 a.a.O.). 38Selbst aber wenn dem Kläger zugestanden würde, dass die Überweisungen hinsichtlich der Überweisungsart unklar waren, führte dies nicht weiter. Es ist allein Aufgabe des überweisenden Arztes, die Überweisung ggf. auf Nachfrage zu präzieren. Der auftragnehmende Arzt ist nicht befugt, einen unklaren Auftrag seinerseits auszudeuten (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.1993 a.a.O.). Darauf, dass der Kläger zumindest in den so gekennzeichneten Fällen keine radiologische Mit- oder gar Weiterbehandlung durchgeführt hat, mithin den Überweisungsauftrag faktisch nicht so verstanden hat, kommt es angesichts dessen nicht mehr an. 39Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht berufen. Es liegt keine der besonderen Fallgestaltungen vor, bei denen Vertrauensschutzgesichtspunkte einer rückwirkenden Korrektur rechtswidrig begünstigender Honorarbescheide entgegenstehen könnten (s. dazu Bundessozialgericht, Urteile vom 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R - und vom 08.02.2006 - B 6 KA 12/05 R -). Seine Behauptung, die vorliegend beanstandete Verfahrensweise bei der Abrechnung seiner Leistungen mit der dies jedoch bestreitenden Beklagten abgesprochen zu haben, hat der Kläger nicht nachzuweisen vermocht. Der zu dieser Behauptung benannte Zeuge N konnte wegen des Zeitablaufs keine Angaben machen. Er hat aber der Behauptung des Klägers entgegenstehend und im Übrigen auch nachvollziehbar ausgeführt, dass er, zu einer notwendigen Erweiterung eines Überweisungsauftrags befragt, auf eine Rücksprache mit dem auftraggebenden Arzt und dessen Genehmigung verwiesen hätte. 40Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach trägt der Kläger als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 2 VwGO). 41Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). | die berufung des klägers wird zurückgewiesen. der kläger trägt auch die kosten des berufungsverfahrens. die revision wird nicht zugelassen. 1 | 2der kläger, der facharzt für diagnostische radiologie und zur vertragsärztlichen versorgung in e zugelassen ist, wendet sich gegen sachlich-rechnerische richtigstellungen seiner honorarabrechnungen für die quartale iii/2000 und iv/2000. 3bei diesen abrechnungen beanstandete die beklagte mit bescheiden vom 18.01.2001 (quartal iii/2000) und 28.03.2001 (quartal iv/2000) u.a. die überschreitung des überweisungsauftrags. in jeweils 594 fällen seien die leistungen zu streichen, die entsprechend den zusätzlich handschriftlichen auftragserweiterungen bzw. änderungen ohne angabe der zustimmung des auftraggebers erbracht worden seien. 17 bzw. 67 überweisungsscheine gebe sie zurück, da die erbrachten leistungen durch den überweiser nicht angefordert worden seien. 4mit seinem widerspruch führte der kläger aus, dass nach dem bundesmantelvertrag-ärzte (bmv-ä) zwischen zielauftrag, konsiliarüberweisung und mit-/weiterbehandlungsschein zu unterscheiden sei. im ersten fall solle lediglich der auf dem überweisungsschein vermerkte zielauftrag ausgeführt werden. eine erweiterung des auftrags sei nur nach rücksprache mit dem überweiser möglich; dessen einverständnis sei zu vermerken. bei den hier vorliegenden konsiliar- bzw. mit-/weiterbehandlungsaufträgen handele der beauftragte radiologe jedoch eigenverantwortlich und bedürfe keiner zustimmung des überweisers. im übrigen habe er auch zahlreiche telefonate mit überweisern geführt. die untersuchungsarten seien bei den konsiliar- und mit-/weiterbehandlungsscheinen auf dem originalschein vermerkt worden, damit die beklagte eine grundlage für die abrechnungsziffern bekomme. 5die beklagte wies die widersprüche mit widerspruchsbescheid vom 14.11.2006 zurück. die überweisungen seien überwiegend zur mitbehandlung bzw. konsiliaruntersuchung ausgestellt, von den überweisenden ärzten sei jedoch jeweils ein auftrag gegeben worden. auf den überweisungen befänden sich jeweils handschriftliche auftragserweiterungen, die ohne rücksprachevermerk ausgeführt worden seien. die leistungen seien nicht abrechnungsfähig, weil es sich um unzulässige auftragserweiterungen handele. 6mit seiner klage vom 15.12.2006 hat der kläger vorgetragen, nach § 13 bmv-ä könnten u.a. ärzte für radiologische diagnostik bzw. radiologie, strahlentherapie und nuklearmedizin nur auf überweisung in anspruch genommen werden. bei den überweisungsarten sei nach § 24 abs. 3 bmv-ä zwischen auftragsleistung, konsiliaruntersuchung, mitbehandlung und weiterbehandlung zu unterscheiden. bei den von der beklagten beanstandeten überweisungen zur konsiliaruntersuchung sowie zur mit- und weiterbehandlung bestehe keine verpflichtung, mit dem überweisenden arzt rücksprache zu nehmen. der überweiser könne zwar einen bestimmten verdacht äußern und untersuchungsmethoden vorschlagen; der radiologe werde aber therapeutisch und diagnostisch eigenverantwortlich tätig, er sei an die vorschläge des überweisers nicht gebunden. zu berücksichtigen sei auch, dass zahlreiche überweiser nicht die nach der röntgenverordnung (röv) erforderliche fachkunde besäßen und daher die nach der röv notwendige rechtfertigende indikation nicht stellen dürften. der radiologe sei daher auch im rahmen eines definitionsauftrags verpflichtet, die nach § 23 röv erforderliche indikation zu stellen. im übrigen sei die beklagte ihrer darlegungs- und beweislast nicht ausreichend nachgekommen. sie hätte für jeden einzelfall darlegen müssen, aus welchen gründen entgegen der als konsiliarüberweisung bzw. als überweisung zur mit-/weiterbehandlung gekennzeichneten überweisungen inhaltlich auftragsleistungen vorgelegen hätten. sodann hätte sie prüfen müssen, ob sämtliche handschriftliche zusätze von ihm, dem kläger, stammten und ob hierzu eine zustimmung des überweisers vorliege. aus dem fehlen des rücksprachevermerks könne nicht geschlossen werden, dass keine rücksprache stattgefunden habe. er bestreite, dass die beklagte in allen überweisungsfällen nur die handschriftlichen ergänzungen auf den überweisungsträgern nicht vergütet habe; nach seinem kenntnisstand seien abrechnungsscheine auch komplett nicht vergütet worden. die im einzelnen von ihm beispielhaft benannten überweisungsscheine dokumentierten, dass insbesondere eine direkt oder indirekt angesprochene verdachtsdiagnose und ihre differentialdiagnose entsprechend ihren leitsymptomen bei bedarf immer konsequent abgeklärt worden sei. 7der kläger hat beantragt, 8die bescheide der beklagten vom 18.01.2001 und vom 28.03.2001 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 14.11.2006 aufzuheben, soweit fälle wegen auftragsüberschreitung von der abrechnung zurückgestellt bzw. leistungen gestrichen worden sind, und die beklagte zu verurteilen, diese fälle bzw. leistungen abzurechnen sowie nach maßgabe der gesetzlichen, satzungsrechtlichen und vertraglichen bestimmungen nachzuvergüten. 9die beklagte hat beantragt, 10die klage abzuweisen. 11sie hat vorgetragen, der überweisende arzt habe auf dem überweisungsschein unter "auftrag/diagnose/verdacht" entsprechende angaben zu machen, um dem überweisungsnehmer hinweise für dessen handeln zu geben und um unnötige kosten durch mehruntersuchungen zu vermeiden. daran sei der überweisungsnehmer gebunden; eine ergänzung/änderung in dieser rubrik sei nur nach auf dem überweisungsschein zu dokumentierender rücksprache mit dem überweisenden arzt möglich. von dem überweisungsnehmer sei ansonsten das diagnosefeld ("diagnosen/ggf. abrechnungsbegründungen") auszufüllen. in dieses feld seien ggf. auch andere begründungen einzutragen, die der plausibilität der abrechnungsziffern dienten. in den vorliegend streitigen fällen habe der kläger die ihm erteilten aufträge erweitert bzw. andere als die angeforderten leistungen erbracht, er habe dabei in fast allen fällen die rubrik "auftrag/diagnose/verdacht" abgeändert bzw. ergänzt. die über den auftrag hinausgehenden leistungen seien gestrichen; zum teil seien fälle auch komplett zurückgewiesen worden. insgesamt belaufe sich der wert der berichtigungen auf 199.835,36 eur. 12das sozialgericht (sg) düsseldorf hat die klage mit urteil vom 07.09.2011 abgewiesen: die beklagte habe es zu recht abgelehnt, die streitgegenständlichen leistungen abzurechnen und entsprechend zu vergüten. ihre befugnis zur sachlich-rechnerischen berichtigung der abrechnungen des klägers beruhe auf § 106a abs. 2 satz 1 halbsatz 1 fünftes buch sozialgesetzbuch (sgb v). danach sei sie berechtigt und verpflichtet, die sachliche und rechnerische richtigkeit der abrechnungen der vertragsärzte festzustellen. zu den zu prüfenden abrechnungsbestimmungen gehörten auch die regelungen des bmv-ä, nach denen der kläger, der nicht der behandelnde arzt der patienten gewesen sei, zu lasten der gesetzlichen krankenversicherung nur im rahmen der überweisungsaufträge hätte tätig werden dürfen (§ 24 abs. 2 satz 3 bmv-ä). die gestrichenen leistungen bzw. die zurückgewiesenen abrechnungsscheine beträfen ganz überwiegend mit "konsiliaruntersuchung" oder "mit-/weiterbehandlung" gekennzeichnete überweisungen. allein daran lasse sich jedoch die überweisungsart nicht festmachen; der überweisungsschein müsse vielmehr in seiner gesamtheit betrachtet werden (landessozialgericht baden-württemberg, urteil vom 15.12.1993 - l 5 ka 1147/92 -). vorliegend sei deshalb zu berücksichtigen, dass auf den überweisungsscheinen im auftragsfeld jeweils eine konkrete untersuchungsleistung angefordert worden sei. die überweisungsaufträge seien damit auf die benannten untersuchungsleistungen beschränkt und hätten zu ihrer erweiterung einer genehmigung des auftraggebers bedurft, die auf dem schein zu vermerken gewesen wäre. daran fehle es jedoch. es komme auch nicht darauf an, dass der überweisende arzt ggf. nicht über die nach der röv erforderliche fachkunde verfügt habe. denn der kläger hätte in zweifelsfällen rücksprache mit dem auftraggeber nehmen können bzw. müssen. es sei ihm grundsätzlich verwehrt, von ihm für erforderlich gehaltene untersuchungs- oder behandlungsmaßnahmen eigenmächtig über den erteilten auftrag hinaus durchzuführen (bundessozialgericht, urteil vom 08.07.1981 - 6 rka 3/79 -). 13mit seiner gegen das am 28.10.2011 zugestellte urteil gerichteten berufung vom 25.11.2011 hat der kläger sein vorbringen vertieft. der überweiser habe die art der überweisung durch ankreuzen bestimmt. dem überweisungsinhalt könne damit keine andere bedeutung zugemessen werden; daran sei der auftragnehmende arzt gebunden. die angeforderte konsiliaruntersuchung sei auf klärung einer verdachtsdiagnose gerichtet, art und umfang seien vom ausführenden vertragsarzt nach medizinischen erfordernissen und den regeln der stufendiagnostik zu bestimmen. dies mache deutlich, dass die verantwortung für die durchführung und wirtschaftlichkeit beim auftragnehmenden arzt liege. hinsichtlich der mitbehandlung gelte im ergebnis nichts anderes. auch hier werde über art und umfang der leistung durch den vertragsarzt entschieden, an den überwiesen worden sei. in keinem dieser fälle sei eine rücksprache mit dem überweisenden arzt erforderlich. die rücksprache sei ausschließlich gegenstand der sog. auftragsleistung nach § 24 abs. 7 nr. 1 bmv-ä. der zusatz, der meistens in der rubrik "auftrag" des überweisungsscheins handschriftlich aufgebracht worden sei, stamme aus seiner praxis bzw. von ihm. da die überweisung auf eine konsiliaruntersuchung bzw. mit-/weiterbehandlung gerichtet gewesen sei, habe er letztlich die leistung erbracht, die aus radiologischer sicht erforderlich bzw. angebracht gewesen sei. diese leistungen habe er auf der überweisung aufgeführt, damit die abrechnung verständlich sei. dies habe er aufgrund einer absprache mit der beklagten seit 1995 so gehandhabt. 14der kläger, der ebenso wie die beklagte einer entscheidung des senats ohne mündliche verhandlung zustimmt, beantragt schriftsätzlich sinngemäß 15das urteil des sozialgerichts düsseldorf vom 07.09.2011 abzuändern und die bescheide der beklagten vom 18.01.2001 und 28.03.2001 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 14.11.2006 nach maßgabe des in erster instanz gestellten antrags abzuändern und die beklagte zur abrechnung und nachvergütung zu verurteilen. 16die beklagte beantragt schriftsätzlich, 17die berufung zurückzuweisen. 18sie vertritt die auffassung, dass sich die überweisungsart nicht allein daran festmachen lasse, welches feld der überweisende arzt angekreuzt habe. vielmehr seien die angaben des überweisers in ihrer gesamtheit maßgeblich. vorliegend sei in den streitigen fällen die angeforderte untersuchungsleistung konkret angegeben worden; der kläger habe diesen klar definierten auftrag in unzulässiger weise überschritten. im übrigen sei die von dem kläger vorgetragene handhabung der abrechnung nicht mit ihr abgesprochen. 19der senat hat den von dem kläger für eine absprache über die art und weise seiner abrechnung benannten zeugen n gehört. der zeuge hat angegeben, er könne wegen des zeitablaufs keine angaben zu ggf. mit dem kläger geführten gesprächen machen. wenn er gefragt worden wäre, wie zu verfahren sei, wenn über den erteilten überweisungsauftrag hinaus weitere leistungen erforderlich seien, hätte er dahingehend geantwortet, dass dann eine rücksprache mit dem auftraggebenden arzt notwendig sei und dieser die auftragserweiterung auch genehmigen müsse. 20wegen der weiteren einzelheiten des sach- und streitstandes wird auf den inhalt der gerichtsakten sowie der verwaltungsvorgänge der beklagten bezug genommen. 21 | 22der senat kann ohne mündliche verhandlung entscheiden, da sich die beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 abs. 2 sozialgerichtsgesetz (sgg)). 23die zulässige berufung des klägers ist unbegründet. 24das sg hat die klage des klägers zu recht abgewiesen, denn die bescheide der beklagten vom 18.01.2001 und 28.03.2001 in der gestalt des widerspruchsbescheides vom 14.11.2006 sind rechtmäßig und beschweren den kläger nicht (§ 54 abs. 2 satz 1 sgg). die beklagte hat zu recht die honorarabrechnungen des klägers für die quartale iii/2000 und iv/2000 in jeweils 594 fällen berichtigt. der senat nimmt auf die zutreffenden entscheidungsgründe des angefochtenen urteils bezug (§ 153 abs. 2 sgg) und führt ergänzend aus: 25der kläger könne sich nicht mit erfolg darauf berufen, dass die ganz überwiegende zahl der auch vom senat im einzelnen eingesehenen überweisungsscheine von den überweisenden ärzten durch ankreuzen mit konsiliaruntersuchung oder zur mit-/weiterbehandlung gekennzeichnet worden ist. 26nach § 24 abs. 3 bmv-ä (i.d.f. vom 01.10.2006) kann eine überweisung an einen anderen arzt 1. zur auftragsleistung, 2. zur konsiliaruntersuchung, 3. zur mitbehandlung, 4. zur weiterbehandlung erfolgen. 27dazu bestimmt § 24 abs. 7 satz 2 bmv-ä zu den einzelnen leistungsarten: 281. auftragsleistung 29die überweisung zur ausführung von auftragsleistungen erfordert 1. die definition der leistungen nach art und umfang (definitionsauftrag) oder 2. eine indikationsangabe mit empfehlung der methode (indikationsauftrag). für die notwendigkeit der auftragserteilung ist der auftragserteilende vertragsarzt verantwortlich. die wirtschaftlichkeit der auftragsausführung ist vom auftragsausführenden arzt zu gewährleisten. dies erfordert bei aufträgen nach nr. 1 dann eine rücksprache mit dem überweisenden arzt, wenn der beauftragte arzt aufgrund seines fachlichen urteils eine andere als die in auftrag gegebene leistung für medizinisch zweckmäßig, ausreichend und notwendig hält. auftragserteilungen nach nr. 2 erfordern eine rücksprache nur dann, wenn der beauftragte arzt eine konsiliarische absprache zur indikation für notwendig hält. 302. konsiliaruntersuchung 31die überweisung zur konsiliaruntersuchung erfolgt ausschließlich zur erbringung diagnostischer leistungen. sie gibt dem überweisenden arzt die möglichkeit, den überweisungsauftrag auf die klärung einer verdachtsdiagnose einzugrenzen. art und umfang der zur klärung dieser verdachtsdiagnose notwendigen leistungen sind vom ausführenden vertragsarzt nach medizinischem erfordernis und den regeln der stufendiagnostik unter beachtung des wirtschaftlichkeitsgebotes zu bestimmen. die verantwortung für die wirtschaftlichkeit liegt hinsichtlich der indikationsstellung beim auftraggebenden vertragsarzt, hinsichtlich der ausgeführten leistungen beim auftragnehmenden vertragsarzt. 323. mitbehandlung 33die überweisung zur mitbehandlung erfolgt zur gebietsbezogenen erbringung begleitender oder ergänzender diagnostischer oder therapeutischer maßnahmen, über deren art und umfang der vertragsarzt, an den überwiesen wurde, entscheidet. 344. weiterbehandlung 35bei einer überweisung zur weiterbehandlung wird die gesamte diagnostische und therapeutische tätigkeit dem weiterbehandelnden vertragsarzt übertragen. 36daraus ergibt sich, dass bei der überweisung zur konsiliaruntersuchung, zur mitbehandlung und zur weiterbehandlung die bestimmung der art und des umfang der im rahmen der überweisung durchzuführenden leistungen ausschließlich dem arzt obliegt, an den die überweisung gerichtet ist. in diesen fällen sieht der bmv-ä auch keine rückspracheverpflichtung mit dem überweisenden arzt vor. 37indes liegen bei verständiger würdigung der streitigen überweisungen keine überweisungen zur konsiliaruntersuchung, zur mitbehandlung oder zur weiterbehandlung vor. dies ergibt sich bereits daraus, dass in allen fällen der jeweils überweisende vertragsarzt außer den in der regel gemachten angaben gem. § 24 abs. 7 satz 1 bmv-ä, nämlich diagnose, verdachtsdiagnose oder befunde, noch zusätzlich ausdrücklich die konkreten ärztlichen leistungen benannt hat, die der kläger im rahmen der überweisung zu erbringen hat. es hat sich also mithin regelhaft um sog. definitionsaufträge i.s.d. § 24 abs. 7 satz 2 nr. 1 punkt 1 bmv-ä gehandelt. von diesen aufträgen ist der kläger ohne rücksprache mit dem jeweils überweisenden arzt bzw. ohne dessen billigung abgewichen. unerheblich ist dabei, dass der kläger nach seinen angaben aufgrund seiner fachlichen kompetenz eine andere als die in auftrag gegebene leistung für medizinisch zweckmäßig, ausreichend und notwendig gehalten hat. denn gerade für diesen fall schreibt § 24 abs. 7 satz 2 nr. 1 bmv-ä die rücksprache mit dem überweisenden arzt vor. eine andere beurteilung ergibt sich auch in den fällen nicht, in denen der überweisende arzt die diagnose mit einem fragezeichen versehen hat. denn damit wurde zum ausdruck gebracht, zu welchem zweck die genau angeforderte leistung erbracht werden sollte. die frage diente mithin nur der konkretisierung bzw. näheren erklärung des klar umgrenzten auftrags (lsg baden-württemberg, urteil vom 15.12.1993 a.a.o.). 38selbst aber wenn dem kläger zugestanden würde, dass die überweisungen hinsichtlich der überweisungsart unklar waren, führte dies nicht weiter. es ist allein aufgabe des überweisenden arztes, die überweisung ggf. auf nachfrage zu präzieren. der auftragnehmende arzt ist nicht befugt, einen unklaren auftrag seinerseits auszudeuten (lsg baden-württemberg, urteil vom 15.12.1993 a.a.o.). darauf, dass der kläger zumindest in den so gekennzeichneten fällen keine radiologische mit- oder gar weiterbehandlung durchgeführt hat, mithin den überweisungsauftrag faktisch nicht so verstanden hat, kommt es angesichts dessen nicht mehr an. 39auf vertrauensschutz kann sich der kläger nicht berufen. es liegt keine der besonderen fallgestaltungen vor, bei denen vertrauensschutzgesichtspunkte einer rückwirkenden korrektur rechtswidrig begünstigender honorarbescheide entgegenstehen könnten (s. dazu bundessozialgericht, urteile vom 14.12.2005 - b 6 ka 17/05 r - und vom 08.02.2006 - b 6 ka 12/05 r -). seine behauptung, die vorliegend beanstandete verfahrensweise bei der abrechnung seiner leistungen mit der dies jedoch bestreitenden beklagten abgesprochen zu haben, hat der kläger nicht nachzuweisen vermocht. der zu dieser behauptung benannte zeuge n konnte wegen des zeitablaufs keine angaben machen. er hat aber der behauptung des klägers entgegenstehend und im übrigen auch nachvollziehbar ausgeführt, dass er, zu einer notwendigen erweiterung eines überweisungsauftrags befragt, auf eine rücksprache mit dem auftraggebenden arzt und dessen genehmigung verwiesen hätte. 40die kostenentscheidung beruht auf § 197a abs. 1 satz 1 halbsatz 3 sgg i.v.m. § 154 ff verwaltungsgerichtsordnung (vwgo). danach trägt der kläger als unterliegender teil die kosten des verfahrens (§ 154 abs. 2 vwgo). 41die voraussetzungen für die zulassung der revision liegen nicht vor (§ 160 abs. 2 sgg). | Verklagte*r | 0 |